Stop or Go Risikomanagement auf Skitour

Impressum 4. Auflage 2009: 3001 bis 4500 Herausgeber und Medieninhaber: Oesterreichischer Alpenverein Olympiastraße 37, 6020 Innsbruck

Autoren: Walter Würtl, Michael Larcher, Peter Plattner Redaktionsteam: Michael Larcher, Peter Plattner, Paul Mair, Walter Würtl "SicherAmBerg" - Gesamtkonzept und Leitung: Michael Larcher Dank für Anregungen und Feedback an das OeAV-Lehrteam: Christian Damisch, Christine Lang, Stephan Mitter, Paul Held, Christian Piccolruaz, Peter Weber, Stefan Rössler

Druck: ALPINA, 6020 Innsbruck Grafik und Layout: Christine Brandmaier, Grafische Auseinandersetzung, 6410 Telfs Illustrationen: Lisa Manneh Titelfoto: Peter Plattner

© 2009 Oesterreichischer Alpenverein Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Eigentümers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Strategie Stop or Go . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Lawinengefahrenstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Entscheidungsstrategie - Check 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Entscheidungsstrategie - Check 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Standardmaßnahmen Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Standardmaßnahmen Gelände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

 Inhalt

Liebes Alpenvereinsmitglied!

Das Bergsteigen und alpine Sportarten zu fördern, ist das vorrangige Ziel des Oesterreichischen Alpenvereins und begründet eine seiner vornehmsten, in der Satzung festgeschriebenen Aufgaben: "bergsteigerische Erziehung und Ausbildung". Wenn wir Bergsport risikobewusst ausüben wollen, müssen wir uns mit den spezifischen Gefahren auseinandersetzen und uns jene Fertigkeiten aneignen, die uns helfen, das Risiko möglichst gering zu halten. Mit SicherAmBerg bieten die Sektionen des Alpenvereins ihren Mitgliedern ein qualitativ hochwertiges und kostengünstiges Ausbildungsprogramm. Hier lernen Sie den eigenverantwortlichen Umgang mit alpinen Gefahren und erwerben sich die für die jeweilige Tätigkeit notwendigen Kompetenzen. Ich wünsche Ihnen erlebnis- und lehrreiche Stunden bei ihrem SicherAmBerg Kurs und viel Freude mit dieser Begleitbroschüre. Ich bin sicher, dass sie Ihnen ein nützliches Nachschlagewerk sein wird. Ein herzliches Dankeschön auch an alle SicherAmBerg - Trainerinnen und Trainer für ihr großes Engagement!

Andreas Ermacora, Vizepräsident

Liebe Kursteilnehmerinnen, liebe Kursteilnehmer!

Theorie und Praxis des Bergsports, beides möglichst praxisrelevant und in hoher Qualität zu vermitteln, bildet das Grundkonzept aller SicherAmBerg Kurse. Diese Begleitbroschüre ist Teil unserer "Qualitätssicherung" und soll mithelfen, das Gelernte zu erinnern und selbständig zu vertiefen.

Die Zielgruppe dieses Kurses sind TourengeherInnen und VariantenfahrerInnen, die diesen Sport in ihrer Freizeit und in privatem Rahmen ausüben. Auch EinsteigerInnen sind herzlich willkommen. Das Kursziel von SicherAmBerg - Stop or Go ist die Vermittlung der Grundlagen von Stop or Go, der Strategie des Alpenvereins zur Vermeidung von Lawinenunfällen. Stop or Go ist ein didaktisches Konzept, das die auf Skitour nötigen Entscheidungsprozesse strukturiert und vereinfacht. Alle wichtigen Handlungsschritte - von der Planung bis zur Abfahrt - werden darin explizit angeführt. Noch ein wichtiger Hinweis zuletzt: Bitte beachte, dass alle SicherAmBerg Kurse nur eine Station in einem Lernprozess sind und durch Erfahrung, Übung und weitere (vertiefende) Auseinandersetzung ergänzt werden müssen.

Walter Würtl, Projektleiter Michael Larcher, Referat Bergsport

Lawinengefahr ist Lebensgefahr! An erster Stelle steht die Vermeidung von Lawinen!

 Wald vermittelt mitunter ein falsches Sicherheitsgefühl. Nur dichter Wald kann eine Lawinenauslösung verhindern. Die hier dargestellte Waldlichtung ist wie ein „freier“ Hang zu beurteilen. Auch wirkte sich der Wald insofern nachteilig aus, da der mitgerissene Skiläufer im Auslaufbereich der Lawine gegen einen Baum gedrückt und getötet wurde. Wald bietet nur dann Sicherheit vor Lawinen, wenn ein Fahren kaum mehr möglich ist (alle 5 m ein Baum).  Dass erst die 7. Befahrung des Hanges zur Lawinenauslösung führte zeigt deutlich, dass einzelne Spuren in einem Hang keine Lawinensicherheit garantieren, sondern häufig eine trügerische Sicherheit vermitteln. Erst wenn ein Hang pistenartig (vollflächig) verspurt ist, kann davon ausgegangen werden, dass eine Lawinenauslösung unwahrscheinlich ist.  Die Maßnahme, dass der Hang einzeln befahren wurde, erwies sich trotz des tragischen Ausgangs als richtig, da „nur“ ein Opfer anstatt drei Lawinentoten zu beklagen waren. Insgesamt ist die Auslösewahrscheinlichkeit für Lawinen geringer, wenn steile Hänge einzeln befahren werden.

 Colorado (USA), Westhang 42°

Dale Atkins

 der Skiläufer wurde gegen einen Baum gedrückt und getötet

 Lawinengefahr ist Lebensgefahr 9

Trotz moderner Ausrüstung und guter Rettungstechnik sterben zu viele Wintersportler bei Lawinenunfällen!

 Die Unfallzahlen variieren von Jahr zu Jahr sehr stark. Gab es im Winter 2003/04 „nur“ 8 Lawinentote, waren im darauf folgenden Jahr 48 Lawinentote zu beklagen. Die große Schwankungsbreite der Unfallzahlen ist in erster Linie auf die unterschiedlichen Verhältnisse zurückzuführen. In Wintern mit günstigem Schneedeckenaufbau gibt es prinzipiell weniger Lawinenunfälle als in Wintern mit schlechtem Schneedeckenaufbau.  Im langjährigen Durchschnittlich versterben 26 Menschen pro Jahr in Österreichs Bergen. Der Schwerpunkt des Unfallgeschehens liegt dabei im Westen (Tirol, Sbg. Vbg), was nicht zuletzt auch an der großen Zahl von Geländefahrten liegt.

 Lawinentote Österreich 1985/86 - 2007/08 11

Quelle: BM.I Alpinpolizei, Kuratorium für alpine Sicherheit, Bergrettung

Die typische Skifahrerlawine ist ein relativ kleines, trockenes Schneebrett, das wir selbst auslösen!

 Die typische Skifahrerlawine ist kleiner als man glauben könnte. Aber auch kleine Lawinen dürfen nie unterschätzt werden. Bedenke: Bereits ein “Mini”Schneebrett von 10 m x 20 m mit einer Anrissmächtigkeit von 50 cm hat eine Masse von ca. 25 Tonnen (10 m x 20 m x 0,5 m x 250 kg/m3 = 25 000 kg).  Die durchschnittliche Hangsteilheit von ca. 39° weist darauf hin, dass v.a. sehr steile Hänge (35° - 40°) bzw. extrem steile Hänge (> 40°) von Lawinen betroffen sind.  Rund 3/4 aller Lawinen gehen in Schattenhängen ab. Das ist mit dem schlechteren Schneedeckenaufbau zu erklären, da die Setzung und Verfestigung der Schneedecke dort verzögert wird.  Dass man mit defensivem Verhalten Lawinen vermeiden kann, zeigt die Tatsache, dass 90 % der Lawinen durch die Wintersportler selbst ausgelöst werden.  Da 99 % der Unfalllawinen trockene Schneebretter sind, ist davon auszugehen, dass die klassische Frühjahrssituation - Nassschneelawinen aufgrund starker Durchfeuchtung - relativ gut als Gefahr erkannt werden kann.

 Größe: 50 m breit, 150 m lang  Anrisshöhe: 45 - 50 cm  Exposition: 75 % Schattenhänge (NW - O)  Auslösung: 90 % durch Sportler selbst  Lawinenart: 99 % trockene Schneebrettlawinen

Rudi Ludwig

 Hangneigung: 38° - 39°

 die typische Skifahrerlawine 13

Lernen über Lawinen durch „Erfahrung“ ist problematisch, da wir in der Regel keine Rückmeldung über die Qualität unserer Entscheidungen bekommen.

 Insgesamt ist der Schneedeckenaufbau von hoher Komplexität geprägt. Bereiche mit hoher Stabilität können sich unmittelbar neben Bereichen befinden, in denen Lawinen leicht ausgelöst werden können.  Wird ein Hang von einem einzelnen Skifahrer befahren, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Hang lawinensicher ist. Der „Hot Spot“-Theorie entsprechend können Auslösepunkte für eine Lawine überall im Hang sein und eine Lawine kann auch von einem nachfolgenden Tourengeher ausgelöst werden. Wo sich die „Hot Spots“ im Hang befinden, ist in der Regel an der Schneeoberfläche nicht zu erkennen. Die “situative” Beurteilung eines Einzelhanges ist dementsprechend schwierig bzw. unmöglich.  Nachdem man nie weiß, wie knapp man an der Grenze zur Lawinenauslösung war, besteht die Gefahr zu glauben, man habe die Lawinengefahr „im Griff“, nur weil keine Lawine abgegangen ist. Tatsächlich gibt es nur sehr selten eine Rückmeldung, ob das eigene Verhalten angepasst war oder nicht - und wenn, dann in Form eines “lebensgefährlichen” Lawinenabgangs.

Tourengebiet St. Antönien (CH), Nähe Rotspitz Stefanie Voges

1. Fahrt - alles o.k.!

2. Fahrt?

Lawine!

 komplexe Dynamik der Lawinenauslösung 15

Die lawinenbestimmenden Faktoren können in ihrer Komplexität vom Menschen kaum vollständig erfasst werden!

 Die Auslösung einer Lawine hängt grundsätzlich von 3 Hauptbereichen ab: 1. Schneedeckenaufbau: Strahlung, Wind, Temperatur, Niederschlagsmenge, Niederschlagsintensität etc. 2. Gelände: Hangneigung, Exposition, Hanggröße, Hangform, Untergrund etc. 3. Mensch und Gruppe: Gruppengröße (Zusatzgewicht!), Spuranlage bzw. Spurwahl, Abstände, Risikobereitschaft. Durch unser Verhalten bestimmen wir maßgeblich, ob es zu einer Lawinenauslösung kommt oder nicht. Wie diese drei Bereiche zueinander in Beziehung stehen ist nie vollständig fassbar! Weder stehen uns dabei alle Informationen zur Verfügung, noch sind wir in der Lage, diese Informationen vollkommen richtig zu verknüpfen, um einen Hang zuverlässig zu beurteilen und richtig einschätzen zu können.

Jürg Schweizer

 Komplexität: Schneedecke - Gelände - Mensch unklare Verknüpung der bestimmenden Faktoren 17

Risikomanagement bietet die Möglichkeit, mit dem komplexen Beziehungsgefüge Schneedecke - Gelände - Mensch umzugehen, in dem Entscheidungen und Handlungen “strategisch” getroffen werden.

 Risikomanagement macht das komplexe Beziehungsgefüge „handhabbar“. Es bringt sozusagen Ordnung in das Chaos und bietet die Chance, trotz der schwierige Ausgangssituation das Risiko einer Lawinenauslösung deutlich zu verringern - sofern man bereit ist, Grenzen (“Limits”) zu akzeptieren und damit ein gewisses Maß an Verzicht zu üben.  Bereitschaft zum Verzicht auf steile Hänge ist die vielleicht wichtigste Tugend im Umgang mit der Lawinengefahr!

Peter Plattner

Schneedecke

Gelände

Mensch

 Strategisches Handeln - als Möglichkeit mit Komplexität umzugehen! 19

Stop or Go ist ein Konzept zum strategischen Entscheiden und Handeln auf Tour.

 Stop or Go ist die praktische Umsetzung von strategischem Risikomanagement im Bereich Schnee- und Lawinenkunde. Dabei tritt strategisches Handeln an die Stelle von rein situativ-erfahrungsorientierten Entscheidungen.  Stop or Go besteht aus: 1. Entscheidungsstrategie mit - Limit-Empfehlungen (Check 1) und - der Bewertung von Gefahrenzeichen (Check 2) 2. Standardmaßnahmen für die Planung und das Gelände  Check 1 verknüpft (analog zur elementaren Reduktionsmethode von W. Munter) die Gefahrenstufe mit der Hangneigung. Die Gefahrenstufe des Lawinenlageberichts bildet also eine wichtige Basisinformation.

 Standardmaßnahmen Planung Gelände

Oesterreichischer Alpenverein

 Entscheidungsstrategie Limits ¨ Check 1 Gefahrenzeichen ¨ Check 2

 Strategie: Stop or Go 21

Begriffsdefinitionen des Lawinenlageberichts spontan: Auslösung ohne Fremdeinwirkung auf die Schneedecke geringe Zusatzbelastung: einzelner Skifahrer / Snowboarder sanft schwingend, nicht stürzend; Gruppe mit Entlastungsabständen (mindestens 10 m); einzelner Schneeschuhgeher große Zusatzbelastung: zwei oder mehrere Skifahrer / Snowboarder ohne Entlastungsabstände; Pistenfahrzeug; Schneefeldsprengung; einzelner Fußgänger / Alpinist Hangneigung: mäßig steil = 30°; steil 30°-35°; sehr steil 35°-40°; extrem steil > 40°; Steilhänge sind allgemein Hänge über 30° Lawinengröße

„Rutsch“ = Schneeumlagerung ohne Verschüttungsgefahr, relativ harmlos für Personen (Achtung: Absturzgefahr). Lauflänge < 50 m, Volumen < 100 m3 kleine Lawine = kommt im Steilhangbereich zum Stillstand, kann eine Person verschütten, verletzen oder töten. Lauflänge < 100 m, Volumen < 1000 m3 mittlere Lawinen = erreichen den Hangfuß von Steilhängen, kann Pkw`s verschütten, kleine Gebäude zerstören und einzelne Bäume brechen. Lauflänge < 1000 m, Volumen < 10000 m3 große Lawinen = überwindet auch flachere Geländeteile, kann den Talboden erreichen, kann schwere LKW`s und Schienenfahrzeuge verschütten, größere Gebäude und Waldareale zerstören. Lauflänge > 1000 m, Volumen > 10000 m3 Merkmal für Stufe 1: tragfähiger Schmelzharschdeckel

Lawinengefahrenstufe 1: Allgemein sichere Tourenverhältnisse  Die Schneedecke ist allgemein gut verfestigt und stabil. Eine Lawinenauslösung ist allgemein nur bei großer Zusatzbelastung an vereinzelten Stellen im extremen Steilgelände (> 40°) möglich. Spontan sind nur Rutsche und kleine Lawinen möglich.  Ein Merkmal für Stufe 1 ist ein tragfähiger Schmelzharschdeckel.

Tourengebiet ‘Sellrain, Tirol, Zwieselbacher Roßkogel 3.081 m Walter Würtl

 Gefahrenstufe 1 geringe Lawinengefahr allgemein sichere Tourenverhältnisse 23

Merkmal für Stufe 2: keine sichtbaren Gefahrenzeichen

Bei Lawinengefahrenstufe 2 ist eine Lawinenauslösung insbesondere bei großer Zusatzbelastung möglich.

 Die Schneedecke ist an einigen Steilhängen nur mäßig verfestigt, ansonsten allgemein gut verfestigt. Eine Lawinenauslösung ist insbesondere bei großer Zusatzbelastung vor allem an den angegebenen (im Lawinenlagebericht näher beschrieben) Steilhängen möglich. Große spontane Lawinen sind nicht zu erwarten. Unter Berücksichtigung lokaler Gefahrenstellen günstige Tourenverhältnisse.  Der Lawinengefahrenstufe 2 ist ein mittleres Gefahrenpotential von 4 zugeordnet - Stufe 2 ist also doppelt so gefährlich wie Stufe 1 (Gefahrenpotential = 2).  Als Merkmal (Verifikationskriterium) für Stufe 2 ist das Fehlen von besonderen Gefahrenzeichen aber auch das Fehlen der Merkmale wie bei Stufe 1 anzusehen.

Tourengebiet ‘Sellrain, Tirol, Zwieselbacher Roßkogel 3.081 m Walter Würtl

 Gefahrenstufe 2 mäßige Lawinengefahr - günstige Verhältnisse bei Berücksichtigung der Gefahrenstellen 25

Merkmal bei Stufe 3: Setzungsgeräusche, Rissbildung

Bei Lawinengefahrenstufe 3 ist eine Lawinenauslösung bereits bei geringer Zusatzbelastung möglich. Achtung: Tourenmöglichkeiten eingeschränkt!

 Die Schneedecke ist an vielen Steilhängen nur mäßig bis schwach verfestigt. Eine Lawinenauslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung (z.B. ein Skifahrer) vor allem an den angegebenen Steilhängen möglich. Fallweise sind spontan einige mittlere, vereinzelt aber auch große Lawinen möglich. Skitouren erfordern lawinenkundliches Beurteilungsvermögen. Tourenmöglichkeiten sind eingeschränkt!  Der Lawinengefahrenstufe 3 ist ein mittleres Gefahrenpotential von 8 zugeordnet - Stufe 3 ist also doppelt so gefährlich wie Stufe 2.  Als Merkmale für Stufe 3 sind unter anderem das Auftreten von Rissen und Setzungsgeräuschen anzusehen. Achtung: Bei Stufe 3 müssen wir mit Fernauslösungen rechnen. Das bedeutet, dass wir auch aus weniger steilem Gelände Schneebrettlawinen auslösen können. Bei unseren Limit-Empfehlungen für diese Gefahrenstufe ist daher der gesamte Hang zu berücksichtigen.

Tourengebiet ‘Sellrain, Tirol, Zwieselbacher Roßkogel 3.081 m Walter Würtl

 Gefahrenstufe 3 erhebliche Lawinengefahr eingeschränkte Tourenmöglichkeiten 27

Achtung: bei Stufe 3 passieren die meisten Lawinenunfälle!

 Betrachtet man die Gefahrenstufenverteilung und das Unfallgeschehen, so wird deutlich, dass bei Stufe 3 die meisten Unfälle passieren und das obwohl nur rund 1/3 der Wintertage Stufe 3 ausgegeben wird. Eine Erklärung dafür ist, dass bei Stufe 3 schon das Zusatzgewicht eines einzelnen Skifahrers/Snowboarders ausreicht, um eine Lawine auszulösen. Gleichzeitig herrschen häufig “verlockende” Verhältnisse (z.B. durch Neuschneezuwachs), die viele Tourengeher anziehen.  Wichtig ist festzuhalten, dass auch bei Stufe 2 Lawinenunfälle passieren dies jedoch zumeist in sehr steilen Hängen oder bei großer Zusatzbelastung (z.B. Gruppe, die gleichzeitig abfährt).  Das ungünstige Verhältnis zwischen Unfällen und Wintertagen bei Stufe 4 zeigt die besondere Gefährlichkeit dieser Gefahrenstufe.  Dass bei Stufe 1 und Stufe 5 kaum Unfälle passieren, liegt einerseits an den günstigen Verhältnissen (Stufe 1) und andererseits am Umstand, dass bei Stufe 5 die Gefahrenzeichen und Warnungen derart massiv sind, dass kaum noch Tourengeher oder Variantenfahrer unterwegs sind, die Opfer sind demnach häufig im Verkehrs- und Siedlungsraum zu beklagen.

 Gefahrenstufe und Unfallverteilung 29

Quelle: Lawinenwarndienst Tirol, Tirol 1993/94 - 2000/01

Merkmal bei Stufe 4: Frische Lawinen (Selbstauslösungen)

Bei Lawinengefahrenstufe 4 sind die Tourenmöglichkeiten aufgrund der kritischen Situation stark eingeschränkt.

 Die Schneedecke ist an den meisten Steilhängen schwach verfestigt. Eine Lawinenauslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung (z.B. Gruppe mit Abständen) an zahlreichen Steilhängen wahrscheinlich. Fallweise sind spontan viele mittlere, mehrfach auch große Lawinen zu erwarten. Skitouren erfordern großes lawinenkundliches Beurteilungsvermögen. Tourenmöglichkeiten sind stark eingeschränkt. Beschränkung auf „Waldtouren“ und weiträumig flaches Gelände.  Der Lawinengefahrenstufe 4 ist ein mittleres Gefahrenpotential von 16 zugeordnet - Stufe 4 ist also doppelt so gefährlich wie Stufe 3!  Als Merkmale für Stufe 4 sind unter anderem das Auftreten spontaner Lawinen anzusehen und das Auslösen von Lawinen aus großer Entfernung (Fernauslösung). Stufe 4 gehen fast immer Schneefälle voraus, häufig begleitet von starkem Wind.

Tourengebiet ‘Sellrain, Tirol, Zwieselbacher Roßkogel 3.081 m Walter Würtl

 Gefahrenstufe 4 große Lawinengefahr Tourenmöglichkeiten stark eingeschränkt 31

Merkmale bei Stufe 5: große Lawinen bis ins Tal

Sehr seltene Katastrophensituation. Genereller Verzicht auf Touren und Varianten.

 Die Schneedecke ist allgemein schwach verfestigt und weitgehend instabil. Spontan sind viele große Lawinen, auch in mäßig steilem Gelände zu erwarten. Skitouren sind allgemein nicht möglich.  Der Lawinengefahrenstufe 5 ist ein mittleres Gefahrenpotential von 32 zugeordnet - Stufe 5 ist also doppelt so gefährlich wie Stufe 4.  Als Merkmal für Stufe 5 ist unter anderem das Auftreten von Katastrophenlawinen anzusehen, die bis in die Siedlungsräume vordringen.

Tourengebiet ‘Sellrain, Tirol, Zwieselbacher Roßkogel 3.081 m Walter Würtl

 Gefahrenstufe 5 sehr große Lawinengefahr Touren sind allgemein nicht möglich 33

Mit zunehmender Gefahrenstufe wird eine Lawinenauslösung auch aus weniger steilem Gelände möglich.

 Je höher die Gefahrenstufe, desto mehr mögliche Auslösepunkte (“Hot Spots”) im Gelände gibt es.  Lawinen können bei steigender Gefahrenstufe in zunehmend flacherem Gelände ausgelöst werden (siehe Grafik).  Bei Stufe 2 liegen die Grenzen einer „wahrscheinlichen Lawinenauslösung“ bei etwas über 40°, bei Stufe 3 ca. bei 35° und bei Stufe 4 knapp über 30°.  Je höher die Gefahrenstufe, desto leichter kann eine Lawine ausgelöst werden: von großer Zusatzbelastung (bei Stufe 2) bis zur Selbstauslösung (bei Stufe 4)  Die Größe der Lawinen nimmt mit steigender Gefahrenstufe v.a. ab Stufe 4 (große Lawinengefahr) zu. Bei der Spurwahl muss bei hoher Gefahrenstufe auf größere Einzugsgebiete und Auslaufbereiche von Lawinen geachtet werden.

> 40° 35°- 40° 35°- 40°

LLB - Stufe 2

LLB - Stufe 3

Tourengebiet Praxmar, Tirol, Grieser Grieskogel 2.710 m Walter Würtl

> 40°

 bei höherer Gefahrenstufe ... 1. Zunahme der Auslösepunkte 2. Lawinenauslösung in weniger steilem Gelände 3. Lawinenauslösung bei geringerer Zusatzbelastung 4. größeres Einzugsgebiet und weiterer Auslauf 35

Die meisten Lawinenunfälle ereignen sich in Hängen mit 35° bis 45° Neigung.

 Interpretation der Grafik: Die durchschnittliche Steilheit des Lawinenhangs beträgt rund 39°. Der Grund, dass in den extrem steilen Hängen über 45° weniger Unfälle passieren ist der, dass diese Hänge kaum befahren werden bzw. sich diese Hänge durch Selbstauslösungen entladen. Wer auf Hängen unter 35° bleibt, reduziert das Risiko einer Lawinenverschüttung um 84 %. Unter 30° passieren gar nur 2,5 % der Unfälle.  Grundsätzlich kann festgehalten werden: Je steiler der Hang, desto eher ist ein Lawinenabgang möglich!  Wenn man Risikoreduktion will, muss man auf steile Hänge verzichten!

Quelle: Werner Munter

Unfälle

Hangneigung

 Hangneigung und Unfallverteilung 37

Bei Stufe 2 bleiben wir unter 40°, bei Stufe 3 bleiben wir unter 35°, bei Stufe 4 bleiben wir unter 30°.

 Check 1 definiert Limits als Beziehung von Gefahrenstufe und Hangneigung. 1995 von Werner Munter als „elementare Reduktionsmethode“ vorgestellt, bildet die Verknüpfung von Gefahrenstufe und Hangneigung ein zentrales Element von Stop or Go. Allein durch das Befolgen dieser Limits könnte weit mehr als die Hälfte aller Lawinenunfälle verhindert werden.  Check 1 ist die Konsequenz aus der Unfallverteilung in Abhängigkeit von der Hangneigung und des exponentiellen Anstiegs des Gefahrenpotentials mit zunehmender Gefahrenstufe.  Die Empfehlungen in Check 1 resultieren aus folgenden Zusammenhängen: 1. Die Auslösewahrscheinlichlkeit steigt mit zunehmender Hangneigung. 2. Von Gefahrenstufe zu Gefahrenstufe verdoppelt sich das Gefahrenpotential. 3. Mit zunehmender Gefahrenstufe können Lawinen auch aus weniger steilem Gelände ausgelöst werden (Fernauslösung).  Der räumliche Geltungsbereich unserer Limit-Empfehlungen ist abhängig von der Gefahrenstufe: Bei Stufe 2 - Bereich der Spur, bei Stufe 3 - gesamter Hang, bei Stufe 4 - Geländekammer.

Oesterreichischer Alpenverein

 Check 1 - Limits und Geltungsbereich Je höher die Gefahrenstufe, desto stärker der Verzicht auf Steilhänge! 39

Wiederholtes Messen der Hangneigung steigert die Schätzgenauigkeit.

 Um zu möglichst guten Schätzwerten zu kommen, ist es notwendig, das Bestimmen der Hangneigungen zu üben. Dazu schätzt man zuerst eine Hangsteilheit und prüft diese dann anhand der „Pendelmethode“ oder mittels Neigungsmessung nach (natürlich nur dort, wo dies gefahrlos möglich ist!).  Schon von Anfang an ist großer Wert auf das Bilden von Neigungsklassen zu legen: - Klasse: kleiner 30° - Klasse: 30° bis 34° - Klasse: 35 bis 39° - Klasse: 40° und mehr.  Der Schätzbereich bezieht sich jeweils auf die größte Steilheit eines Hanges über 20 Hm. Als Anhaltspunkt kann angenommen werden, dass felsdurchsetzte Steilhänge mind. 40° und Spitzkehrengelände mind. 30° steil sind.  Die Pendelmethode: Man legt den Skistock in den Schnee und macht einen Abdruck. Dann stellt man ihn mit der Spitze zum oberen Ende des Abdrucks und lässt den zweiten Stock senkrecht nach unten pendeln. Wird dabei das Ende des Griffabdrucks erreicht, ist der Hang 30° steil. Pro 10 cm Abweichung ist der Hang 3° steiler oder flacher.

Walter Würtl , Lisa Manneh

 Hangneigung messen Ziel: die Schätzgenauigkeit im Gelände erhöhen 41

Das Schätzen der Hangneigung (in Klassen!) ist eine Schlüsselqualifikation für die Anwendung von Check 1.

 Das Schätzen der Hangneigung erfolgt in Klassen. Die Frage dabei lautet: bei Stufe 2: Ist der Bereich der Spur (10 m Radius) unter 40°? bei Stufe 3: Ist der betreffende Hang unter 35°? bei Stufe 4: Ist das gesamte Einzugsgebiet (Geländekammer) unter 30°?  Bei der Neigungsschätzung betrachtet man jeweils die steilste Stelle eines Hanges über 20 Höhenmeter. Kleinräumigere Aufsteilungen müssen nicht berücksichtigt werden.

20 Hm unter 30°

Tourengebiet Kühtai, Tirol, Vorderer und Hinterer Grieskogel Michael Larcher

20 Hm über 35°- unter 40°

 Gelände und Neigung Neigungsmessung: steilste Stelle über 20 Hm. Die Gefahrenstufe bestimmt den Geltungsbereich. 43

Bei Stufe 2 bleibt man unter 40° Hangneigung. Es gilt der Bereich der Spur (Radius 10 m).

 Der Geltungsbereich bei Stufe 2 beträgt 20 m (10 m links und rechts der Spur). In Verbindung mit Check 1 bedeutet das, dass innerhalb dieser 20 m die Hangneigung unter 40° sein muss. Dies ist deshalb zulässig, da wir bei Stufe 2 nicht mit Selbstauslösungen und Fernauslösungen zu rechnen haben.  Zu beachten ist jedoch, dass insbesondere bei großer Zusatzbelastung Lawinen in den im Lagebericht angegebenen Steilhängen möglich sind. Abstände im Aufstieg (10 m Entlastungsabstände ab 30°) und bei der Abfahrt (Standardabstand 30 m bzw. ab 35° einzeln) sind deshalb unbedingt einzuhalten.  Als Anhaltspunkt zur Einschätzung von Hängen über 40° dienen „felsdurchsetzte Steilhänge“.

Tourengebiet Kühtai, Tirol, Vorderer und Hinterer Grieskogel Michael Larcher

 Geltungsbereich Stufe 2 Im Bereich der Spur bleibt man unter 40° (hier: „Go“) 45

Bei Stufe 3 bleiben wir unter 35° Hangneigung. Es gilt der ganze Hang!

 Der Geltungsbereich bei Stufe 3 erstreckt sich auf den gesamten Hang. Dies bedeutet, dass die steilste Stelle in einem Hang unter 35° sein muss. Diese starke Einschränkung ist notwendig, da Lawinen schon bei geringer Zusatzbelastung (ein einzelner Skifahrer, Snowboarder, Schneeschuhwanderer) und auch aus mäßig steilem Gelände (unter 30°) ausgelöst werden können. Achtung: Die meisten Lawinenunfälle passieren bei Stufe 3. Unbedingt sind die Standardmaßnahmen einzuhalten: Entlastungsabstände im Aufstieg, günstige Geländeformen nützen und ggf. auch Einzelfahren.

Tourengebiet Kühtai, Tirol, Vorderer und Hinterer Grieskogel Michael Larcher

 Geltungsbereich Stufe 3 Im gesamten Hang bleibt man unter 35° (hier: „Stop“) 47

Bei Stufe 4 bleiben wir unter 30° Hangneigung. Es gilt die gesamte Geländekammer!

 Der Geltungsbereich bei Stufe 4 erstreckt sich über die gesamte Geländekammer. Die Geländekammer könnte auch als „größtmögliches Einzugsgebiet“ einer Lawine bezeichnet werden.  Bei Stufe 4 können Lawinen auch aus weiter entfernten bzw. höher gelegenen Einzugsgebieten spontan abgehen und diese können auch flachere Bereiche erreichen. Auch Fernauslösungen über mehrere hundert Meter sind möglich. Aufgrund der Tatsache, dass es genügt, sich schon im potentiellen Einzugsbereich von Steilhängen (ab 30°) zu befinden, sind die Tourenmöglichkeiten stark eingeschränkt.  Als Anhaltspunkt zur Einschätzung von Hängen über 30° dienen „Spitzkehren“. Ab ca. 30° beginnt man im Aufstieg mit Spitzkehren anstatt Bögen.

Tourengebiet Kühtai, Tirol, Vorderer und Hinterer Grieskogel Michael Larcher

 Geltungsbereich Stufe 4 In der gesamten Geländekammer bleibt man unter 30° (hier: “Stop”) 49

Bei Stufe 2 führt der Check 1 in diesem Beispiel zu einem „Go“

 Bei Gefahrenstufe 2 ist die „Einschränkung“ durch den Check 1 relativ gering, da nur im Bereich der Spur unter 40° geblieben werden muss. Bei Stufe 2 ist daher der Check 2 (wahrnehmen und beurteilen von Gefahrenzeichen) besonders wichtig.  Der im Bild dargestellte Hang gliedert sich hinsichtlich der Neigungsklassen in drei Bereiche, die aus der Entfernung eingeschätzt werden müssen.

über 35° unter 40°

Tourengebiet Kühtai, Tirol, Anstieg zum Pirchkogel 2.828 m Michael Larcher

über 40°

über 30° unter 35°

 Gefahrenstufe - Neigung - Geländebereich “Go” bei Stufe 2 51

Bei Stufe 3 führt Check 1 hier zu einem klaren „Stop“. Das heißt: Ausweichen oder Abbrechen.

 Da bei Stufe 3 der gesamte Hang als Geltungsbereich einzubeziehen ist, bildet Check 1 bei dieser Gefahrenstufe einen besonders staken „Filter“.  Da der gesamte Hang (am Bild unten) eindeutig der Neigungsklasse „35° und mehr“ zuzurechnen ist, muss bei Gefahrenstufe 3 auf einen Anstieg verzichtet werden. Dies ist auch gerechtfertigt, da schon ein einzelner Skifahrer (Snowboarder) aus allen Bereichen in diesem Hang eine Lawine auslösen kann.  Zur Erinnerung: Gefahrenstufe 3 ist doppelt so gefährlich wie Gefahrenstufe 2.

über 35° unter 40°

Tourengebiet Kühtai, Tirol, Anstieg zum Pirchkogel 2.828 m Michael Larcher

über 40°

über 30° unter 35°

 Gefahrenstufe - Neigung - Geltungsbereich “Stop” bei Stufe 3 53

Check 2 fordert uns auf, die Gefahrenzeichen in der Natur: wahrzunehmen und zu beurteilen. Darauf folgt die entsprechende Entscheidung “Stop or Go” und gegebenenfalls die Handlungsempfehlung “ausweichen oder abbrechen”.

 Check 2 soll unsere Wahrnehmung auf fünf essentielle, mit den Sinnen wahrnehmbare Gefahrenzeichen lenken. Während der gesamten Tour sind wir aufgefordert, das Gelände nach diesen Gefahrenzeichen zu „untersuchen“.  Innerhalb unserer Stop or Go - Entscheidungsstrategie bildet der Check 2 den zweiten “Filter”. Ergibt Check 1 ein “Go”, folgt Check 2. Besonders wichtig ist dieser Filter immer dann, wenn wir in Check 1 bereits nahe der Grenze sind, z.B. bei Stufe 3 nur knapp unter 35°.  Findet sich ein Gefahrenzeichen im Gelände, folgt darauf die Frage: Gefährlich für mich? Die Frage bezieht sich auf den jeweils bevorstehenden Geländeabschnitt. Wird die Frage mit „JA“ beantwortet, muss man der Gefahrenstelle ausweichen oder die Tour abbrechen.  Wird die Frage - Gefährlich für mich? - mit „NEIN“ beantwortet, kann die Tour bei laufendem Check 1 und Check 2 fortgesetzt werden. Achtung: Schon die Bewertung eines einzigen Gefahrenzeichens als “Gefährlich für mich?” bedeutet, dass man abbrechen oder ausweichen muss.

Oesterreichischer Alpenverein

Wahrnehmen der Gefahrenzeichen

Beurteilen Gefährlich für mich? Handeln Ausweichen oder abbrechen!

 Check 2 Wahrnehmen – Beurteilen - Handeln 55

Bei ungünstigen Verhältnissen gelten bereits 10 - 20 cm Neuschnee als “kritische Neuschneemenge” und somit als Gefahrenzeichen.

“Die Rahmenbedingungen sind wichtiger als die Neuschneemenge!” (W. Munter)  Ungünstig: starker Wind, tiefe Temperaturen, alte Schneeoberfläche aus Reif, Harsch oder Eis  Günstig: schwacher Wind, milde Temperaturen (wenig unter 0°C).  Bei günstigen Bedingungen (selten!) zählt Neuschnee erst ab ca. 50 cm als kritische Neuschneemenge. Bei ungünstigen Bedingungen sind schon 10 - 20 cm Neuschnee als kritische Neuschneemenge zu werten.  Innerhalb von Check 2 dient uns die Beschäftigung mit dem Neuschnee weniger als Filterkriterium (Gefährlich für mich?) als vielmehr zur Überprüfung der Gefahrenstufe: Ist die “kritische Neuschneemenge” erreicht, ist zumindest mit erheblicher Lawinengefahr (Stufe 3) zu rechnen.

Gunnar Ploner

 Gefahrenzeichen: Neuschnee Kritische Neuschneemenge? Gefährlich für mich? 57

Frischer Triebschnee ist weich aber gebunden und sehr störanfällig!

„Der Wind ist der Baumeister der Lawinen!“  Vom Wind verfrachteter Schnee wird in der Leeseite (Windschatten) als Triebschnee abgelagert. Doppelte Windgeschwindigkeit führt dabei zu 8-facher Menge an verfrachtetem Schnee.  Triebschnee hat die charakteristische Eigenschaft, dass er weich aber gebunWeicher, lockerer und ungebundener Pulverschnee

den ist. Es können sich daher Spannungen aufbauen und gefährliche Schneebretter bilden.  Da in den Bergen fast immer mit Wind zu rechnen ist, entstehen die größten Triebschneeansammlungen während oder kurz nach einer Schneefallperiode. Zu beachten ist, dass Rinnen und Mulden in allen Expositionen mit Triebschnee gefüllt sein können.  Wichtige Fragen im Zusammenhang mit Triebschnee sind:

Weicher aber gebundener Triebschnee

Wie frisch ist der Triebschnee? Je frischer, desto gefährlicher! Wie viel Triebschnee liegt im Hang? Je mehr, desto gefährlicher! Wie sieht die Altschneedecke aus? Harte und glatte Altschneedecke oder Oberflächenreif sind ungünstig! Achtung: Frischer Triebschnee stellt für uns die größte Gefährdung dar. Die Frage “Frischer Triebschnee - Gefährlich für mich?” ist daher die wichtigste innerhalb des Check 2!

Walter Würtl , Lisa Manneh, Georg Sojer

 Gefahrenzeichen: Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 59

Frischer Triebschnee lässt sich beim Spuren durch scharfkantige Spurränder, Risse und stumpfen Widerstand feststellen.

 Triebschnee ist „weich aber gebunden“. Gerade beim „Spuren“ im Aufstieg lässt sich dies oft feststellen. “Weich” bedeutet, Triebschnee kann leicht mit lokkerem Pulverschnee verwechselt werden. “Gebunden” heißt, dass Spannungen übertragen werden können und Triebschnee somit “schneebrettfähig” ist.  Direkte Hinweise auf Triebschnee sind: - Risse in der Schneedecke, oft neben der Spur bzw. von der Spur ausgehend. - Scharfkantige Spurenränder, obwohl der Schnee “weich“ ist. - Matter Glanz der Schneeoberfläche (kein Glitzern) bzw. vom Wind bearbeitete Schneeoberfläche (wie im Bild). - Stumpfer Widerstand beim Spuren oder Befahren.  Um einen Eindruck von den Verhältnissen zu bekommen, sollte man immer wieder einmal aus der vorhandenen Spur gehen und selber ein Stück im Tiefschnee spuren.

Walter Würtl

 Gefahrenzeichen: Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 61

Schneefahnen sind der deutlichste Hinweis auf aktuelle Triebschneebildung.

 Untrügliche Zeichen für die Bildung von frischem Triebschnee sind Windfahnen. Sie zeigen auch an, in welche Hänge momentan Schnee verfrachtet wird. Sie sind somit sehr gute Hinweise auf die Bildung von frischen Triebschneeansammlungen.  Die Verdopplung der Windgeschwindigkeit führt dabei zur Verfrachtung der 8-fachen Menge an Triebschnee.

Walter Würtl

 Windzeichen: Schneefahnen Frischer Triebschnee! Gefährlich für mich? 63

Anraum bildet sich an Hindernissen im Gelände.

 Anraum bildet sich an Gipfelkreuzen, Zäunen, Liftstützen oder Steinen indem (feuchter) Schnee vom Wind gegen die Hindernisse geblasen wird und dieser sich daran festsetzt ("aufsintert"). Dem entsprechend wächst der Anraum auch gegen den Wind, wodurch die Hauptwindrichtung festgestellt werden kann. Fachlich richtig wird der Anraum auch als "Rauhreif" bezeichnet - umgangssprachlich wird die Bezeichnung "Rauhreif" auch für "Oberflächenreif" verwendet, was jedoch etwas völlig anderes ist.  Bei großen Gipfelkreuzen muss man aufpassen, dass man sich nicht direkt unter den Anraum setzt, da dieser abbrechen kann und man sich durch die fallenden "Schnee-Eis-Brocken" schwer verletzten kann.

Michael Winkler

 Windzeichen: Anraum Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 65

Wechten zeigen die Hauptwindrichtung über einen längeren Zeitraum an.

 Besonders an exponierten Graten aber auch an Geländekanten in Hängen sind Wechten einfach festzustellende Zeichen für Windtätigkeit.  Die Triebschneeansammlungen im LEE unmittelbar unter der Wechte werden aufgrund ihrer Mächtigkeit als “Wechtenkeil” bezeichnet. In Anbetracht der Tatsache, dass gerade kammnahe sehr viel Triebschnee gebildet wird und somit labile Triebschneeansammlungen anzutreffen sind, sollte stets nach Wechten Ausschau gehalten werden.

Tourengebiet Karwendel, Tirol, Anstieg zur Rumer Spitze, 2.454 m

 Windzeichen: Wechten Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 67

Windkolke sind ein guter Hinweis, wo sich frische Triebschneeansammlungen befinden könnten.

 Windkolke zeigen die Hauptwindrichtung während der letzten Schneefallperiode bzw. unmittelbar danach an. Dadurch kann festgestellt werden, wo sich wahrscheinlich Triebschneeansammlungen befinden.  An der Wind zugewandten Seite (LUV) sind sie „ausgeblasen“, im LEE (Windschatten) haben sie einen „Schweif“.  Aufgrund des alpinen Reliefs kommt es häufig vor, dass die Winde auch kleinräumig „drehen“ bzw. ihre Richtung wechseln. Durch Windkolke können auch diese kleinräumigen Windströmungen festgestellt werden.

Walter Würtl

 Windzeichen: Windkolk Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 69

Windgangeln zeigen mit der Spitze gegen den Wind und sind ein leicht erkennbares Zeichen für Schneeverfrachtung.

 Windgangeln sind ein häufiges Zeichen für Schneeverfrachtung (Erosion). Durch den Wind wird der Schnee an der Oberfläche im LUV „herausgefräst“ und im LEE als Triebschnee abgelagert. Die Windgangeln stehen daher mit der „Spitze“ gegen den Wind und sind „dachziegelartig“ angeordnet.  Da sich stark unterschiedliche Schneehöhen ungünstig auf die Stabilität der Schneedecke auswirken, sind Erosionsflächen bzw. die danach folgenden „eingewehten“ Hänge kritisch zu beurteilen. Besonders zu beachten sind dabei die unmittelbaren Übergangsbereiche von wenig zu Schnee.

Walter Würtl

 Windzeichen: Windgangeln Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 71

Dünen zeigen mit der flachen Seite in die Richtung aus welcher der Wind kommt und sind ein leicht erkennbares Zeichen für Schneeverfrachtung.

 Dünen im Schnee sind ein weniger häufiges Kennzeichen für Schneetransport und vergleichbar mit Sanddünen. Man findet diese Windzeichen an sehr großflächigen, ebenmäßigen Hängen. Die flache Seite der Dünen zeigt in die Richtung, aus welcher der Wind kommt.  Dünen gehören zu den Windzeichen, die im LUV festzustellen sind. Zu beachten sind deshalb die im LEE befindlichen eingewehten Triebschneehänge.

Michael Larcher

 Windzeichen: Dünen Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 73

Hinter abgewehten Rücken befinden sich häufig sehr mächtige Triebschneeansammlungen!

 Gerade hinter abgewehten Rücken befindet sich häufig Triebschnee! Große Unterschiede in der Verteilung der Schneemenge sind typisch für das Hochgebirge, man darf deshalb nicht von wenig Schnee am Grat auf die Schneemenge im Hang schließen.  Verschärfend kommt hinzu, dass am Übergang von wenig zu viel Schnee die Spannungen sehr hoch sind, und somit Lawinen besonders leicht ausgelöst werden können.  Frischer Triebschnee ist besonders “spröde”. Das heißt, Belastungen beim Begehen oder Befahren führen leicht zum Anbruch von Schneebrettlawinen.  Ungünstig auf Triebschneepakete wirken sich dynamische Belastungen (wie Skifahren oder Snowboarden) aus, da die auftretenden Kräfte sofort zu Brüchen in der Schneedecke führen.

Lawinenwarndienst Tirol Rudi Mair, Patrick Nairz

 Windzeichen: Abgewehte Rücken Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 75

Frische Triebschneeansammlungen befinden sich besonders häufig in Rinnen und Mulden – nicht nur in Kammnähe!

 Rinnen und Mulden können in allen Expositionen mit Triebschnee gefüllt sein und bilden häufig eine Gefahrenstelle. Während abgeblasene Rücken und dazwischen liegende eingewehte Rinnen und Mulden noch recht gut erkennbar sind, sind die im Bild dargestellten eingewehten Bereiche im Gelände (Hangausgleich) deutlich schwieriger zu erkennen. Einzig die abgeblasenen Bereiche deuten auf Triebschnee hin.  Es handelt sich hier um eine sehr ungünstige Situation! Die Triebschneeansammlungen in den Hängen waren vor den Lawinenabgängen schwer zu erkennen und gingen schon bei geringer Zusatzbelastung als Fernauslösungen ab.

Lawinenwarndienst Tirol Rudi Mair, Patrick Nairz

 Windzeichen: Gefüllte Rinnen und Mulden Frischer Triebschnee? Gefährlich für mich? 77

Frische Lawinen sind ein eindringlicher Hinweis auf eine instabile Schneedecke!

 Frische Schneebrettlawinen sind ein eindringlicher Hinweis auf eine instabile Schneedecke bzw. einen ungünstigen Schneedeckenaufbau.  Sind sie „spontan“ (ohne menschliches Dazutun) abgegangen, ist dies ein Merkmal für Gefahrenstufe 4 (große Lawinengefahr). Das heißt, diese Beobachtung kann ein Grund sein, die ausgegebene Gefahrenstufe zu überprüfen und gegebenfalls zu korrigieren (von 3 auf 4).  Wie beim Triebschnee gilt auch hier: Je frischer die Lawinen, desto eher führt die Frage “Gefährlich für mich?” zu einem “Ja”, wenn mein nächster Geländeabschnitt ähnliche Steilhänge aufweist.

Walter Würtl

 Gefahrenzeichen: Frische Lawinen? Gefährlich für mich? 79

Setzungsgeräusche und Rissbildung sind ernstzunehmende Gefahrenzeichen aufgrund des schlechten Schneedeckenaufbaus.

 Setzungsgeräusche und Rissbildungen treten als typisches Gefahrenzeichen v.a. bei erheblicher Lawinengefahr (Stufe 3) auf. Diese sehr eindrücklichen und mitunter lauten „Wumm - Geräusche“ können als zuverlässiges Zeichen eines ungünstigen Schneedeckenaufbaus angesehen werden.  Die tragende Oberfläche kollabiert bei Belastung (durch einen Skifahrer, Snowboarder, ...) über dem schwachen Fundament, wodurch die eingeschlossene Luft geräuschvoll entweicht. Die Hohlräume innerhalb der Schneedecke sind häufig auf eine starke Schwimmschneebildung zurückzuführen, die an der Oberfläche nicht zu erkennen ist.  Setzungsgeräusche kommen oft in der Nähe von Wasserläufen oder in flachen Senken vor, da der Schneedeckenaufbau aufgrund der sich dort stauenden Kaltluft tendenziell schlechter ist, als in den angrenzenden Hängen. Hier sind Setzungsgeräusche harmlos (Gefährlich für mich? Nein!). Finden sich jedoch Setzungsgeräusche und Risse in Hängen, so ist dies als eindringlicher Warnhinweis zu werten!

Walter Würtl

 Gefahrenzeichen: Setzungsgeräusche? Rissbildung? Gefährlich für mich? 81

Durch starke Durchfeuchtung verliert die Schneedecke gänzlich an Stabilität.

 Starke Durchfeuchtung lässt sich allgemein gut erkennen. Von starker Durchfeuchtung sind oftmals. Osthänge und Südhänge betroffen. Bei starker Durchfeuchtung - durch Temperaturen über 0° oder Regen - gehen sämtliche Stabilitäten in der Schneedecke verloren!  Typisch für die Frühjahrssituation ist eine während der Nacht oberflächlich gefrorene Schneedecke („Schmelz-Harschdeckel“), die aus lawinenkundlicher Sicht ideale Bedingungen darstellt. Darunter befindet sich stark durchfeuchteter Schnee. Schmilzt der Harsdchdeckel durch die Sonneneinstrahlung während des Tages, geht jegliche Stabilität verloren. Im Tagesverlauf kann dadurch die Lawinengefahr infolge der Erwärmung stark ansteigen.  Konsequenz für die Tourenplanung: Bevor der Harschdeckel weg ist, müssen die steilen Hänge (über 30°) hinter uns liegen.  Entscheidend für die Ausprägung eines Harschdeckels sind ein klarer Himmel während der Nacht („Strahlungswetter“) und Temperaturen unter 0°.

Walter Würtl

 Gefahrenzeichen: Starke Durchfeuchtung? Gefährlich für mich? 83

„Trotzdem GO“: 5 spezielle Situationen erlauben uns, ein „Stop” aus Check 1 in ein „Go” umzuwandeln.

2

1. Eindeutig begünstigte Exposition und/oder Höhenlage. Gibt der Lawinenlagebericht eine begünstigte Exposition und/oder Höhenlage an (siehe Abb. unten), so darf für diese Bereiche zur Beurteilung in Check 1 eine Gefahrenstufe weniger angenommen werden. Ist man im Grenzbereich unterwegs (z.B. knapp unter 1.800 m oder in den Expositionen WSW, OSO), nimmt man die höhere Gefahrenstufe zur Risikobewertung. Entlastungsabstände hält man trotzdem ein.

3

2. Stark verspurter Hang. Ein Hang gilt dann als stark verspurt, wenn man keine eigene Spur mehr ziehen kann (wilde Piste). Achtung: Einzelne Spuren

3. Tragfähiger Schmelzharschdeckel. Ein stabiler Schmelzharschdeckel ist ein eindeutiges Sicherheitszeichen. Dem entsprechend kann der Lawinenlagebericht auf Stufe 1 verifiziert werden. Achtung: Im Zuge der Tageserwärmung kann 4

es zu einem raschen Ansteigen der Lawinengefahr kommen. 4. Dichter Wald. Stehen Bäume in einem Abstand von weniger als 5 m zueinander, spricht man von Lawinensicherheit. ACHTUNG: Für Waldlichtungen und den Waldrand gilt diese Ausnahme nicht! 5. Lawinensichere Geländeform. Obgleich die Steilheit deutlich über den jeweiligen Grenzen liegt, gibt es Geländeformen (z.B. Grate) die lawinensicher

5

sind. Achtung: Minischneebretter können einen Absturz provozieren.

Lawinenwarndienst Tirol Rudi Mair, Patrick Nairz

garantieren keine Lawinensicherheit!

Walter Würtl, Peter Plattner

1

Stufe 3 bezieht sich auf Hänge über 1.800 m in Exposition W–N–O. Unterhalb von 1.800m bzw. in Südhängen kann man von Stufe 2 ausgehen.

 “trotzdem Go” - Faktoren eindeutig begünstigte Exposition und / oder Höhenlage 85

Standardmaßnahmen werden - unabhängig von den aktuellen Verhältnissen (!) - immer durchgeführt.

 Die Standardmaßnahmen in Stop or Go betreffen die Bereiche “Planung” und “Gelände”. Standardmaßnahmen können mit dem Anlegen des Sicherheitsgurtes beim Autofahren verglichen werden: egal wie die Straßenverhältnisse sind, ich schnalle mich immer an!  Die Standardmaßnahmen zur Planung bestehen aus den fünf Punkten: Lawinenlagebericht, Wetterbericht, Karte und Führerliteratur, Faktor Mensch und Gruppe, sowie Notfallausrüstung.  Jeder dieser Planungspunkte ist näher erläutert und mit Schlüsselbegriffen versehen, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Am Ende bzw. schon während der Planung wird der Check 1 durchgeführt, der grobe Planungsfehler verhindert, indem die Gefahrenstufe mit der Hangneigung verknüpft wird.

Oesterreichischer Alpenverein

 Standardmaßnahmen Planung 87

Der Lawinenlagebericht ist die wichtigste Informationsquelle zur aktuellen Lawinensituation.

 Der Lawinenlagebericht ist in der Planungsphase die wichtigste Informationsquelle zur Schnee- und Lawinensituation. Täglich aktuell gibt er Auskunft über die Gefahrenstufe, Gefahrenstellen und Gefahrenquellen. Detaillierte Informationen zu Gefahrenstufe, Gefahrenquellen und Gefahrenstellen kann man dem Textteil (!) des Lawinenlageberichtes entnehmen.  Bei der Gefahrenstufe unterscheidet man die allgemeine Gefahrenstufe, die für einen größeren Raum (z.B. ein Bundesland) gilt und die regionale Gefahrenstufe, welche die Verhältnisse in einer Region (z.B. im südlichen Osttirol) beschreibt.  Für die Planung einer Tour berücksichtigen wir die regionale Gefahrenstufe, die auch in Höhenlage und Exposition unterteilt von der allgemeinen Gefahrenstufe abweichen kann.  Der Lawinenlagebericht kann über verschiedene Telefondienste, Internet, Teletext oder Fax abgerufen werden.

Lawinenwarndienst Tirol, Lawinenwarndienst Kärnten

 Planung: Aktueller Lawinenlagebericht Allgemeine Gefahrenstufe - Regionale Gefahrenstufe 89

Der Wetterbericht liefert uns wichtige Informationen zu Sicht, Wind, Temperatur und Niederschlag!

 Der wichtigste Punkt beim Wetterbericht ist die Sicht, denn ohne gute Sicht ist eine Einschätzung der Verhältnisse vor Ort ebenso unmöglich wie das Ausnützen günstiger Geländeformen.  Wind ist deshalb von Interesse, da er der „Baumeister“ der Lawinen ist und aus den Werten von Windrichtung und Windgeschwindigkeit abgeschätzt werden kann, ob und wo wir mit frischen Triebschneeansammlungen rechnen müssen.  Die Temperatur spielt in lawinenkundlicher Hinsicht v.a. dann eine Rolle, wenn es aufgrund von Temperaturen über 0° zu einer Durchfeuchtung der Schneedecke kommt (negativ) oder bei tiefen Temperaturen zur Ausbildung eines Schmelzharschdeckels (positiv). Nicht zuletzt kommt der Temperatur auch bei der Bildung von „Schwimmschnee“ eine wichtige Rolle zu, da bei sehr tiefen Temperaturen und geringer Schneemächtigkeit große Mengen gebildet werden.  Dass Niederschlag (Schneefall, Graupel, Regen) Auswirkungen auf unsere Planung hat, liegt auf der Hand. Die Sicht ist eingeschränkt, Wind und Neuschnee führen zu Triebschnee, Regen zu starker Durchfeuchtung.  Im Internet kann man neben der aktuellen Wetterinformation auch auf die aktuellen Daten von Messstellen zugreifen.

ZAMG, Lawinenwarndienst Tirol

 Planung: Wetterbericht Sicht? Wind? Temperatur? Niederschlag? 91

Nur bei guter Sicht lassen sich Gelände und Lawinensituation entsprechend beurteilen!

 Kaum ein Faktor führt in ähnlicher Weise zur Verschärfung der Situation wie schlechte Sicht! Hänge können nicht eingeschätzt werden, Einfahrten werden nicht gefunden und kleine Zwischenfälle können sich leicht zu „Katastrophen“ entwickeln. Wissen, Erfahrung und selbst die besten Geländekenntnisse werden bei schlechter Sicht rasch wertlos. Spuranlage und Geländebeurteilung sind kaum möglich, ebenso Rettungsmaßnahmen.  Schlechte Sicht kann ein hinlänglicher Grund sein, eine Tour abzubrechen!

Walter Würtl

 Planung Wetter: Sicht? Nur bei guter Sicht lassen sich Touren sicher durchführen! 93

Die Karte liefert wichtige Informationen zu Steilheit, Exposition und Geländeform.

 Für die Planung von großer Bedeutung sind die Geländefaktoren Hangsteilheit und Exposition. Diese Werte können (mit etwas Übung) einer topografischen Karte entnommen werden.  Um die Steilheit eines Hanges abschätzen zu können, muss man den Abstand der Höhenschichtlinien betrachten. Beträgt der Abstand (bei einer 1:25 000er Karte mit 20 m Äquidistanz) 1 mm, so ist der Hang ca. 40° steil. Beträgt der Abstand 2 mm, so ist die Hangsteilheit ca. 20°. Um möglichst genaue Werte zu bekommen, sollte man zum Bestimmen den Böschungsmaßstab am Stop or Go - Kärtchen verwenden.  Aufgrund der detaillierten Geländedarstellung kann auch die Geländeform (Rücken, Rinne, Terrasse ...) und die Exposition der Karte entnommen werden. Schon bei der Planung ist es von Vorteil, sogenannte „Checkpoints“ festzuhalten. Dabei handelt es sich um Punkte, an denen man den nächsten Geländeabschnitt gut einsehen und ihn so aus sicherer Position beurteilen kann.  Auch die Schwierigkeit und die Länge (Distanz und Höhenmeter) einer Tour lassen sich aus einer Karte herauslesen. Die Gefahrenstellen einer Tour können somit schon in der Planung festgehalten werden.

Alpenvereinskartografie

 Topografische Karte Steilheit? Exposition? Gefahrenstellen - Checkpoints? Schwierigkeit? 95

Hangneigungskarten ermöglichen einen raschen Überblick über die Steilheit des Geländes.

 Digitale Karten (aus dem Internet) unterstützen das Ablesen der Hangsteilheit bzw. der Exposition, indem diese Informationen mittels Farben umgesetzt werden.  Da die Neigungsgrenzen in etwa den Grenzen bei Check 1 entsprechen, ist die digitale Neigungskarte gut geeignet, um relativ rasch einen groben Überblick zur Geländesituation zu bekommen und diese mit der Gefahrenstufe bzw. den Limit-Empfehlungen (Check 1) zu kombinieren.  Leider ist die Genauigkeit der digitalen Karten (aus dem Internet) noch beschränkt und so können kleinere Geländeformen nicht dargestellt werden. Auch sind diese Karten noch nicht flächendeckend vorhanden.

 Hangneigungskarten 97

tiris. Amt der Tiroler Landesregierung. Abteilung Raumordnung-Statistik

In der Führerliteratur werden wichtige Informationen zur Tour detailliert dargestellt.

 Zusätzlich zur topographischen Karte bildet die Führerliteratur eine wertvolle Informationsquelle zu den wichtigsten Planungspunkten. Der Vorteil von Skitourenführern liegt zumeist in der guten Aufbereitung der Inhalte, da häufig mit Kartenskizzen, Übersichts- und Detailfotos gearbeitet wird.  Weiters sind viele interessante Informationen zur sicheren und genussvollen Durchführung von Touren enthalten. Leider sind nicht alle Führerwerke von hoher Qualität und so lassen sich nicht aus allen Skitourenführern die relevanten Informationen herausholen.

Bergverlag Rother

 Panung: Führerliteratur Steilheit, Exposition, Checkpoints, Schwierigkeit 99

Aktuellste Toureninformationen findet man heute vielfach im Internet.

 Dieselben Inhalte wie in der Führerliteratur finden sich auch in Tourenführern aus dem Internet. Ihr Vorteil liegt in der großen Auswahl an Touren und darin, dass sie zumeist sehr aktuelle Informationen bieten.  Wichtig ist, dass man Informationen aus dem Internet nicht unkritisch übernimmt und auf professionell betreute Planungsseiten wie z.B. www.bergsteigen.at zugreift.

www.alpine-auskunft.at

 Toureninformation im Internet 101

Skitouren sollten in kleinen Gruppen durchgeführt werden. Das Tourenziel muss dem Eigenkönnen jedes Einzelnen entsprechen.

 Schon in der Planung ist der Punkt „Mensch und Gruppe“ von wesentlicher Bedeutung. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Gruppengröße. Um sich im Gelände organisiert und an die Verhältnisse angepasst verhalten zu können, sollte eine Skitourengruppe aus maximal 8 Personen bestehen.  Auch das Eigenkönnen und die Motivation eines jeden einzelnen spielen eine große Rolle und ist im Bereich des Risikoverhaltens von herausragender Bedeutung. Menschen deren Hauptziel darin besteht, um jeden Preis den Gipfel zu erreichen oder einen unverspurten Steilhang zu befahren, agieren risikoreicher als defensive Personen, die auch bereit sind einmal umzukehren.  Kleine, homogene Gruppen bieten viele Vorteile, sofern sie risikobewusst unterwegs sind.

Tourengebiet Praxmar, Tirol, Grieser Grieskogel, 2.710 m Walter Würtl

 Planung: Faktor Mensch und Gruppe Gruppengröße, Eigenkönnen, Motivation 103

LVS-Gerät, Schaufel und Sonde gehören zur Standard-Notfallausrüstung und sind immer mit auf Tour.

 Ein weiterer Punkt der Planung ist der Check der Notfallausrüstung. Jeder Tourengeher und Variantenfahrer sollte standardmäßig LVS-Gerät, Schaufel und Sonde mitführen.  Als Empfehlung gilt der ABS-Lawinenairbag, der als einziger Ausrüstungsgegenstand eine Verschüttung verhindern kann. Aufgrund der zahlreichen Sturzunfälle auf Touren und Varianten kann auch ein Helm sehr empfohlen werden.  Zusätzlich sollten in jeder Gruppe Handy, Erste-Hilfe-Paket und Biwaksack in ausreichender Zahl (jeder Zweite) vorhanden sein. Dies gilt das ganze Jahr über.

Pieps, Sweet, ABS, Nokia, Ortovox, Black Diamond, G3

 Planung Notfallausrüstung: LVS-Gerät, Schaufel, Sonde, (ABS), Handy, Biwaksack, Erste Hilfe Paket 105

Standardmaßnahmen im Gelände verringern unser Risiko. Die meisten davon sind rasch erlernt und einfach anzuwenden.

 Die Standardmaßnahmen im Gelände umfassen 7 Punkte (plus Check 1 und Check 2).  Das Wesen der Standardmaßnahmen ist, dass sie stets durchgeführt werden - egal wie gut oder schlecht die momentanen Bedingungen sind. In jedem Fall wirken die Standardmaßnahmen „risikominimierend“ ohne tatsächlich einschränkend zu sein.  Die Einhaltung der Standardmaßnahmen wirkt sich häufig nicht nur positiv auf die „Sicherheit“, sondern auch auf den Komfort und den Genuss auf Skitour aus.

Oesterreichischer Alpenverein

 Standardmaßnahmen Gelände Klare Handlungsanweisungen für Aufstieg und Abfahrt 107

Der LVS-Check ist am Beginn jeder Tour durchzuführen!

 Am Ausgangspunkt (Parkplatz, vor der Hütte) wird vor dem LVS-Check noch ein kurzer Ausrüstungscheck durchgeführt. Dabei soll sichergestellt werden, dass alle Gruppenmitglieder LVS-Gerät, Schaufel und Sonde mit dabei haben und dass Handys, Biwaksäcke und Erste Hilfe Ausrüstung in ausreichender Menge in der Gruppe dabei sind. Auch an andere sicherheitsrelevante Ausrüstungsgegenstände kann in diesem Zusammenhang erinnert werden (Sonnenbrille, Kälteschutz).  LVS-Check „Empfang“: Alle TeilnehmerInnen schalten das LVS-Gerät „Aus“. Der „Kontrolleur“ schaltet sein LVS-Gerät auf „Senden“. Einzeln schalten nacheinander alle Teilnehmer ihr LVS-Gerät auf „Empfang“, checken ob der Empfang funktioniert und schalten dann wieder auf „Senden“. Anschließend wird das LVSGerät am Körper versorgt.  LVS-Check „Senden“: Nachdem die LVS-Geräte der TeilnehmerInnen auf „Empfang“ geprüft wurden, geht der „Kontrolleur“ ein Stück (20 m) voraus, schaltet sein LVS-Gerät auf “Empfang“ und lässt die Teilnehmer einzeln - im Abstand von 10 m - vorbeigehen. Dabei kontrolliert er, ob die Geräte der Gruppe senden. Danach stellt auch der Kontrolleur sein Gerät auf „Senden“ und verstaut es am Körper.

Peep

Walter Würtl

Peep Peep Peep

1. Gruppe empfängt (Ton) - Kontrolleur sendet

2. Kontrolleur empfängt - Gruppe sendet

 Gelände: LVS-Check am Ausgangspunkt 109

Ab 30° Hangneigung sind im Aufstieg 10 m Entlastungsabstände einzuhalten.

 Im Aufstieg sollten ab 30° Entlastungsabstände von 10 m eingehalten werden. Der primäre Sinn von Entlastungsabständen: Die Zusatzbelastung auf die Schneedecke wird reduziert und damit die Auslösewahrscheinlichkeit verringert.  Weiterer Nutzen: Im Falle einer Schneebrettauslösung kann das Schadensausmaß geringer sein, da unter Umständen weniger Personen erfasst werden.  Nicht zuletzt bieten Entlastungsabstände einen höheren Komfort, da bei den Spitzkehren zügig weitergegangen werden kann und nicht immer wieder angehalten werden muss.  Gründe, auf die Entlastungsabstände zu verzichten, können sein: (1) dichter Wald, (2) der Hang ist stark verspurt (pistenähnlich), (3) ein tragfähiger Schmelzharschdeckel, (4) eine eindeutig sichere Geländeform (Grat).

Walter Würtl

 Gelände: Entlastungsabstände 10 m ab 30° im Aufstieg 111

Bei der Abfahrt halten wir Abstände von mindestens 30 m.

 Bei der Abfahrt werden standardmäßig 30 m Abstand eingehalten - d.h. ein gleichzeitiges Einfahren in Steilhänge ist „tabu“!  Die primäre Absicht: die Zusatzbelastung und damit die Auslösewahrscheinlichkeit für Schneebrettlawinen soll verringert werden.  Weiterer Nutzen: Bei einem Lawinenunfall ist das Schadensausmaß geringer.  Bei der Abfahrt selbst genießt man einen höheren Komfort, da man ungestört seine Schwünge ziehen kann. Durch diese Maßnahme sinkt auch das Verletzungsrisiko, da Kollisionsunfälle ausgeschlossen sind.  Diese Abstände sollen auch durchgehalten werden! D.h. es müssen gegebenenfalls größere Abstände gewählt werden, wenn jemand schneller Ski fährt.

Walter Würtl

 Gelände: Standardabstand 30 m bei der Abfahrt 113

Hänge ab 35° einzeln befahren, sichere Sammelpunkte wählen!

 Ab einer Hangneigung von 35° empfehlen wir Hänge einzeln zu befahren. Durch diese Maßnahme sinkt die Auslösewahrscheinlichkeit und auch das Schadensausmaß bei einer Lawinenauslösung kann begrenzt werden.  Im Falle eines Lawinenunglücks hat der Verschüttete bessere Überlebenschancen, da die Rettung von der ganzen Gruppe durchgeführt werden kann bzw. das Verhältnis Opfer - Retter besser ist.  Einzelfahren hat auch Auswirkungen auf den Komfort bei der Abfahrt, da alle Gruppenmitglieder völlig ungestört hinunterschwingen können und man nicht um einen Platz für „seine“ Schwünge kämpfen muss. Zudem ergeben sich ausreichend lange Pausen zur Erholung.

Peter Plattner

 Gelände: Einzelfahren ab 35° Auf sichere Sammelpunkte achten! 115

Günstige Geländeformen wie flache Rücken und ausgeprägte Terrassen sowohl im Aufstieg als auch bei der Abfahrt nützen.

 Kaum ein Umstand spiegelt das Können und die Erfahrung von TourengeherInnen besser wider als die Fähigkeit, das vorhandene Gelände für den Aufstieg und die Abfahrt optimal zu nutzen. Die Spuranlage ist unsere „Visitenkarte“ im Gelände.  Günstige Geländeformen: sanfte Rücken, ausgeprägte Terrassen oder weite Mulden.  Ungünstige Geländeformen: enge Rinnen und Gräben oder kammnahe, ungegliederte Steilhänge.  Bei der Wahl der Spur spielen zwar Genuss und Komfort eine wesentliche Rolle, der Faktor Sicherheit muss jedoch immer an erster Stelle stehen. Vielfach ist es möglich, eine sichere Spur zu finden, ohne dass auf Erlebnis oder Genuss verzichtet werden muss. Achtung: Wenn die Abfahrt nicht im Bereich der Aufstiegsspur erfolgt, ist dies „Neuland“ und als solches besonders aufmerksam zu beurteilen.

 Gelände: günstige Geländeformen nützen 117

Tourengebiet ‘Sellrain, Tirol, Zwieselbacher Roßkogel 3.081 m Walter Würtl

Grundsatz: Ich weiß, wo ich bin!

 Auf Tour – insbesondere auf unbekannten Touren - ist es wichtig, sich laufend zu orientieren. Unfälle kommen nicht selten dadurch zustande, dass man von der geplanten Route abkommt und in gefährliches Gelände gerät.  Der häufige Vergleich von Gelände und Karte hilft, den richtigen Weg zu finden. Die Verwendung der Karte ist auch in lawinenkundlicher Hinsicht von Bedeutung, da beispielsweise nicht einsehbare Einzugsgebiete besser abgeschätzt werden können.  Nicht zuletzt hat man mittels Karte die Möglichkeit, die eigene Zeitplanung zu überprüfen.  Nur so lernt man Karten lesen: Indem man regelmäßig und bei guter Sicht das Kartenbild mit der Natur vergleicht.

Tourengebiet Silvretta, Jamtal, Tirol Walter Würtl

 Gelände: laufende Orientierung „Ich weiß, wo ich bin“ 119

Entscheidungen sollen transparent sein und müssen an alle Gruppenmitglieder klar kommuniziert werden.

 Um das Potential der Gruppe zu nützen und um negative gruppendynamische Prozesse möglichst zu vermeiden, ist es wichtig, dass alle Entscheidungen innerhalb der Gruppe klar kommuniziert werden (aber ohne dass daraus lange „Konferenzen“ werden).  Dies betrifft die führungstaktischen Anweisungen (Abstände, Abfahrtsbereich, etc.) ebenso wie das rechtzeitige Ankündigen von Pausen oder die wiederholte Ansprache eines Geländeabschnittes oder der Spuranlage.  Dabei können auch erkannte Gefahrenzeichen hervorgehoben und diskutiert werden.  Bei größeren Gruppen (5 - 8 Personen) ist darauf zu achten, dass auch der Gruppenletzte die gesamte Information erhält. Achtung: „Klare Kommunikation“ wird in privaten, nicht geführten Gruppen oft dadurch erschwert, dass die Hauptverantwortung nicht bei einer konkreten Person liegt.

Walter Würtl

 Gelände: klare Kommunikation Entscheidungen, Abstände, Aufstiegs- und Abfahrtsbereich 121

Psychologische und gruppendynamische Prozesse haben einen enormen Einfluss auf unser Risikoverhalten. Selbstreflexion bietet die Chance, gefährlichen Entwicklungen entgegen zu steuern.

 Ein besonders unfallrelevanter Prozess ist jener der „verstärkenden Rückkopplung“. Dabei werden die Grenzen (z.B. die Steilheit der Hänge) ständig hinaufgeschraubt, bis es schließlich zu einem Unfall kommt. Eine Ursache für diese Dynamik liegt darin, dass man im Gelände nur sehr selten eine direkte Rückmeldung darüber bekommt, wie nahe man am Limit war.  Zwei weitere, häufig wirksame Phänomene: - Große Gruppen vermitteln dem Einzelnen ein falsches Sicherheitsgefühl. Große Gruppen sind im Lawinengelände ein Risikofaktor! - "Konformitätsdruck": der Druck bzw. der starke Wunsch, seine eigene Meinung jener der Mehrheit anzupassen und eigene Bedenken und Zweifel zu ignorieren.  Der "Mental Check" ist - ähnlich wie unser Check 2 - ein einfacher Fragenkatalog, der unsere Selbstreflexion auf jene psychologischen Phänomene lenken soll, die bei Schitouren als Risikoverstärker bekannt sind: 1. Extreme Stimmungslage? Das Erlebnis am Berg kann außergewöhnliche Gefühlszustände auslösen: Glück, Euphorie, Allmacht - aber auch Stress, Angst und Panik. Es ist wichtig zu wissen, dass Gefühle immer unser Denken beeinflussen! Ist mir meine "extreme Stimmungslage" bewusst, besteht die Chance, einer gefährlichen Risikoentwicklung bewusst entgegen zu wirken.

Quelle: Jan Mersch, Peter Plattner

 Gelände: Faktor Mensch und Gruppe Tempo, Pausen, Gruppendynamik - verstärkende Rückkopplung 123

2. Hoher Erwartungsdruck? Hohe Erwartungen, egal ob selbst erschaffen oder von außen (z.B. Gruppe) aufgezwungen, verleiten dazu, dass wir unser "Projekt durchziehen" und alle Vorsicht über Bord werfen. Die starke Fixierung auf den Gipfelerfolg gehört in diese Gruppe gefährlicher Risikoschubphänomene. Ebenso "seltene" Unternehmen, die einen großen finanziellen oder logistischen Aufwand bedeuten (Touren im Ausland, Durchquerungen). 3. Starke Konkurrenz? Wer fährt heute die schönsten Hänge? Wer erwischt noch unverspurten Pulverschnee? Wer ist der schnellere, mutigere, kompetentere Bergsteiger? Übertriebener Ehrgeiz, Wettbewerb und Konkurrenzdenken, sowohl innerhalb der Gruppe als auch zwischen einzelnen Gruppen, kann ein gefährlicher Risikoverstärker werden. 4. Vertraute Umgebung? Unerwartet aber von der Statistik eindeutig bestätigt: Gerade erfahrene Bergsteiger verunglücken in bekanntem Gelände häufiger als in unbekanntem Terrain. Offensichtlich führt die geringere Herausforderung häufig zu einem starken Verlust an Achtsamkeit. Der "Heimvorteil" wird auf diese Weise dramatisch verspielt. 5. Unklare Verantwortungslage? Dieses Phänomen besteht vor allem in privaten Gruppen: Niemand ist explizit zuständig bzw., verantwortlich für Entscheidungen und Sicherheitsvorkehrungen (z.B. "LVS-Check"). Wenn sich jeder insgeheim auf den anderen verlässt ("Verantwortungsdelegation"), dann ist einer Risikoeskalation Tür und Tor geöffnet. Ausweg: In der Gruppe die Rollenverteilung besprechen, Fragen stellen und Bedenken offen äußern.

Peter Plattner

 Gelände: Faktor Mensch und Gruppe Gruppendynamik - Mental Check 1. Extreme Stimmungslage? 2. Hoher Erwartungsdruck? 3. Starke Konkurrenz? 4. Vertraute Umgebung? 5. Unklare Verantwortungslage? 125

Durch die Anwendung von Stop or Go kann das Risiko einer Lawinenauslösung deutlich verringert werden.

 Zusammengefasst ist festzuhalten, dass Stop or Go aus den Standardmaßnahmen in den Bereichen Planung und Gelände besteht, Limits in Abhängigkeit der Lawinengefahrenstufe vorgibt und diese gemeinsam mit Elementen der klassischen Beurteilung in eine Entscheidungsstrategie integriert.  Wahrnehmen - Beurteilen - Handeln lautet dabei der vorgegebene Weg.  Das auf den ersten Blick recht simpel erscheinende Kärtchen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einzelnen Inhalte mitunter sehr anspruchsvoll sind und die Umsetzung von Stop or Go erlernt und immer wieder geübt werden muss. Nur durch eine intensive Auseinandersetzung in Praxis und Theorie kann Stop or Go auch tatsächlich das Risiko einer Lawinenverschüttung senken.  Nichts desto trotz ist Stop or Go ein in der Praxis bewährtes und fachlich fundiertes Instrument zur Vermeidung von Lawinenunfällen, das nicht nur das Risiko senkt, sondern gleichzeitig auch den Genuss auf Touren steigert.

Oesterreichischer Alpenverein

 Stop or Go Entscheidungsstrategie und Standardmaßnahmen 127

“Strategie ist mehr als Wissenschaft, sie ist die Übertragung des Wissens auf das praktische Leben [ ] entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen. Sie ist die Kunst des Handelns unter dem Druck der schwierigsten Bedingungen.” General von Moltke

Peter Plattner

 Erlebnisreiche Touren! 129

Ausbildung und Führung in Top-Qualität Anmeldung, Infos und Katalog, Tel +43 (0)512 59547 34, www.alpenverein-bergsteigerschule.at