Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di zur Erörterung des Bundesministeriums der Just...
Author: Monika Geiger
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Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di

zur Erörterung des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit des

Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) am Donnerstag, 15. Januar 2012

Berlin, 9. März 2012 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di Bundesvorstand – Bereich Gesundheitspolitik, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin

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Zur Notwendigkeit eines Patientenrechtegesetzes ver.di begrüßt die Vorlage des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit zu einem Patientenrechtegesetz. Bereits bei der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zu einem Antrag der SPDBundestagsfraktion für ein modernes Patientenrechtegesetz im Januar 2011 wurde der Bedarf nach einem geschlossenen Patientenrechtegesetz deutlich. Auch der vorliegende Referentenentwurf nimmt die lückenhaften Regelungen trotz einer Vielzahl von Vorschriften zum Anlass ein Behandlungs- und Arzthaftungsrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) einzuführen. Zudem soll die Fehlervermeidungskultur gefördert sowie Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern, Rechte gegenüber Leistungsträgern, Patientenbeteiligung und Patienteninformation gestärkt werden. Nach Ansicht von ver.di kann durch ein Patientenrechtegesetz die Beteiligung von Patientinnen und Patienten insgesamt verbessert werden. Es kann darüber hinaus dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung ausgehend vom Bedarf der Patient/-innen zu betrachten. Bisher orientiert sich der Gesetzgeber eher an den Interessen der Dienstleister, Hersteller, Einrichtungsträger, Versicherungen und weiterer Akteure. Dadurch hat sich eine Vielzahl von fein verästelten Gesetzesregelungen entwickelt. Transparenz ist nicht mehr gegeben. Partizipation der Patienten wird dadurch erschwert. Zwar gibt es in Deutschland umfangreiche Sozialgesetzbücher und weitere Gesetze, die den Schutz der Patientinnen und Patienten zum Inhalt haben. Sie finden sich aber, wie in der Begründung zum Referentenentwurf ausgeführt, in verschiedenen Rechtsbereichen oder sind durch Rechtsprechung entstanden. Die Beteiligung von Vertreter/-innen der Patientinnen und Patienten an den Entscheidungen im gemeinsamen Bundesauschuss (GBA) ist noch relativ jung. Auch eine unabhängige Patientenberatung hat sich erst in der jüngeren Vergangenheit entwickelt. Ausdrücklich stimmt ver.di der Intention des Referentenentwurfs zu, Patientenrechte nicht nur für die rund 90 Prozent gesetzlich Versicherten, sondern auch für die etwa 10 Prozent privat Versicherten zu verbessern. Denn Patientinnen und Patienten nehmen unabhängig davon, ob es sich um Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen und ihre Angehörigen oder um Kunden der privaten Krankenversicherungsunternehmen handelt, gesundheitliche Leistungen in Anspruch. Beide benötigen Sicherheit in der gesundheitlichen Versorgung, d.h. Transparenz und gesicherte Ansprüche. Sie brauchen beide ein Anrecht auf umfassende und verständliche Information über den Leistungsanspruch und die für sie in Frage kommenden Behandlungsalternativen. 2

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Richtig ist aber auch, dass es zwischen beiden Versichertengruppen Unterschiede gibt, die in der Gesetzgebung Berücksichtigung finden müssen: Die spezifischen Interessen gesetzlich versicherter Patienten werden von den Krankenkassen und insbesondere durch die demokratisch legitimierten Versichertenvertreter/-innen wahrgenommen. Für die Patient/-innen als Kunden der privaten Krankenversicherungsunternehmen müssen Konsumenten- bzw. Verbraucherschutzorganisationen diese Rolle soweit möglich mit übernehmen.

Die Soziale Selbstverwaltung als Garant für Patienten- und Versichertenrechte In Deutschland gibt es mit der Selbstverwaltung durch die Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung eine weit über 100 Jahre hinweg entwickelte Beteiligungskultur von Versicherten und Patient/-innen. Die soziale Selbstverwaltung der körperschaftlich verfassten Krankenversicherung konkretisiert als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung das Demokratie, Rechts- und Sozialstaatsgebot des Artikels 20 GG. So gehört es seit langem zu den ganz selbstverständlichen Rechten der Versicherten, dass sie Entscheidungen ihrer Krankenkasse widersprechen können. Sie müssen dazu weder vor Gericht eine Klage einreichen, noch müssen sie eine Form einhalten. Regional eingerichtete Widerspruchsausschüsse der sozialen Selbstverwaltung müssen sich dann mit dem Anliegen der versicherten Patientinnen und Patienten beschäftigen. Häufig sind verweigerte Leistungen der Grund für einen Widerspruch. Die Entscheidung des Widerspruchsausschusses ist für Versicherte vollständig kostenfrei, es besteht ein niedrigschwelliger Zugang und je nach Kasse weichen in etwa 25 bis 30 Prozent der Fälle die Entscheidungen von dem ursprünglichen Bescheid der Kasse ab. Der Zugang der Patientinnen und Patienten zu den Versichertenvertreter/-innen ist bei stark regionalisierten Kassen am besten gewährleistet. ver.di plädiert ausdrücklich dafür die soziale Selbstverwaltung zu stärken und weiter zu entwickeln. Hier besteht noch weiterer Nachsteuerungsbedarf im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens. Gerade bei der Vielzahl von Zusammenschlüssen von Krankenkassen und der politisch gewollten Veränderungen der Kassenlandschaft ist eine funktionsfähige soziale Selbstverwaltung in den Regionen fortzuentwickeln. Hierzu gehört z.B. die Autonomie, den Beitragssatz festzulegen, anstelle der bloßen Entscheidung über die Höhe eines Zusatzbeitrags sowie die Entscheidung über Struktur und Gestalt der Versorgung.

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Die Mitwirkung der Bürger/innen und Bürger an einer bedarfsgerechten und aufeinander abgestimmten Versorgung mit Gesundheitseinrichtungen, Heil- und Hilfsmitteln für alle, unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einzelnen ist unverzichtbare Grundlage aller weiteren Patientenrechte.

Patientenbeteiligung und -beratung Die Beteiligung von Vertreter/-innen der Patientenorganisationen an den Entscheidungen des GBA und deren vorgesehene Beteiligung an den Bedarfsplanungen in den Ländern sind notwendig. Diese Beteiligung muss die gewachsene und mit Rechten ausgestattete Selbstverwaltung ergänzen. Sie kann sie nicht ersetzen. Die unabhängige Verbraucher- und Patientenberatung hat sich bereits bewährt. In den bisher tätigen Verbraucher- und Patientenberatungsstellen ist eine hervorragende Beratungskompetenz entstanden. Sie kann allerdings nur dann aufrecht erhalten werden, wenn eine ausreichende, dauerhaft tragfähige Finanzierung dieser Einrichtungen gewährleistet ist. ver.di hält Fördermittel in der Höhe für erforderlich, die dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Unabhängige Patient/-innenberatung kann und darf nicht unter prekären Arbeitsbedingungen stattfinden. Es muss eine Dynamisierung der Finanzmittel gewährleistet sein, die an die Gehaltsentwicklung im Öffentlichen Dienst gekoppelt ist.

Patientensicherheit und Fehlervermeidungskultur Der Referentenentwurf legt einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Patientensicherheit und die Fehlervermeidung in Krankenhäusern und vertragsärztlichen Praxen. Dies wird von ver.di ausdrücklich begrüßt. Das Recht auf eine sichere und bedarfsgerechte Behandlung und Fehlervermeidung muss sowohl in den Einrichtungen als auch über den gesamten Behandlungsprozess hinweg gewährleistet werden. Es ist erforderlich aber nicht hinreichend, wenn hochwertige Leistungen in jeder einzelnen Einrichtungen erbracht werden. Der Anspruch auf gute und sichere Behandlung muss auch durch ein sektorenübergreifendes Versorgungsmanagement eingelöst werden. Die Umsetzung des Anspruchs auf ein solches Versorgungsmanagement nach § 11 Abs.4 SGB V ist jedoch zu konkretisieren. Beim Übergang zu anderen Leistungserbringern wäre es hilfreich, standardisierte Informationen sicherzustellen, z.B. in welcher Form ein individuell festgelegter Therapieplan an weiterbehandelnde Leistungserbringer gegeben wird. Auch die Schnittstellen zum Fallmanagement der Krankenkassen sind zu optimieren. So ist die rechtzeitige Informationsweitergabe von der stationären Einrichtung an die Krankenkassen und PKV-Unternehmen für einen nahtlosen Übergang von der stationären 4

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Krankenhausbehandlung in die ambulante Behandlung zu regeln. Diese Informationen sind Voraussetzung dafür, dass die Leistungen (z. B. häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Hilfsmittel) für den Patienten in der individuellen Behandlungssituation so koordiniert werden können, dass sie passgenau und rechtzeitig zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang sind auch datenschutzrechtliche Klarstellungen erforderlich, um ein zeitnahes und zielgerichtetes Fallmanagement der Krankenkassen und PKV-Unternehmen nicht zu konterkarieren. Der Referentenentwurf sollte die systematische Berücksichtigung der Versorgungsschnittstellen (z. B. Hausarzt - Krankenhaus - Anschlussheilbehandlung) und die fachgebietsübergreifende und interprofessionelle Zusammenarbeit während des gesamten Versorgungsprozesses stärker zum Gegenstand machen. Es muss erreicht werden, dass Patientensicherheit sowohl innerhalb monoprofessioneller Handlungsfelder als auch innerhalb einzelner Versorgungssektoren optimiert wird und die Schnittstellen zu anderen Versorgungsbereichen berücksichtigt werden Sie dürfen nicht wegen unklarer Zuständigkeiten - unbearbeitet bleiben. Bei den einzelnen Leistungserbringern sind durch qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl Sicherheit und Qualität der Versorgung zu gewährleisten. Dies kann am Beispiel der Krankenhäuser gezeigt werden. In der ambulanten als auch in der stationären Versorgung der Kliniken werden jährlich mehr als 17 Millionen Patienten behandelt. Bei rund 175.000 vermeidbaren unerwünschten Ereignissen und mindestens 200 Seiten- und Eingriffsverwechselungen pro Jahr kommt es zu etwa 17.000 Todesfällen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Fehlervermeidungskultur. Komplexe und arbeitsteilige Abläufe unter hoher Arbeitsbelastung und bei schneller Entscheidungsfrequenz gehören zum Krankenhausalltag. Eine hohe Versorgungsqualität kann nur gewährleistet werden, wenn dafür die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören eine gute Organisation aller Abläufe und das erforderliche Personal. Der massive Personalabbau in deutschen Kliniken – rund 53.000 Vollkräfte in den Jahren 1998 bis 2008 wirkt sich auch auf die Sicherheit der Patientinnen und Patienten aus. Die betriebswirtschaftlichen Anreize im DRG – System haben dazu geführt, dass der ärztliche Dienst im Zusammenhang mit einer erwarteten Fallzahlsteigerung ausgebaut wurde. Dagegen hat in fast allen anderen Bereichen ein massiver Personalabbau stattgefunden (s.Abb.). Der hauswirtschaftliche Bereich wurde in vielen Kliniken vollständig ausgegliedert, im Pflegebereich wurde jede siebte Stelle eingespart und in vielen weiteren Bereichen ist zwischenzeitlich Leiharbeit verbreitet. Dies erschwert die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen. 5

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Belastungskennziffern im Krankenhaus Fälle je Beschäftigte 2000 bis 2010 120 115

Während bei Ärztinnen und Ärzten die hohe Belastung durch Neueinstellungen endlich gemildert werden konnte, steigt sie beim übrigen Personal bis 2009 weiter an.

Personal ohne Ärzt/-innen

110 105 100 95 90

Ärzt/-innen

85

Index: 2000 = 100

80 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Es ist immer weniger Zeit für Anpassungsqualifizierung – auch in dem wichtigen Bereich der Infektionsprophylaxe, die für die Patientensicherheit eine besondere Rolle spielt. ver.di sieht einen engen Zusammenhang zwischen Personalausstattung, -entwicklung, Arbeitsmenge und Patientensicherheit. Auch betriebliche Maßnahmen z.B. zur wirksamen Infektionsprophylaxe müssen immer diese Zusammenhänge berücksichtigen. ver.di hält es für eine unverzichtbare Voraussetzung, dass im Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern die bedarfsnotwendige Personalausstattung nicht zur Disposition gestellt werden darf. Genau wie z.B. beim Brandschutz sind die geltenden Bestimmungen umzusetzen, den neuesten Erkenntnissen anzupassen und deren Einhaltung wirksam in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. Es wird eine Personalbemessung als Voraussetzung zur Fehlervermeidung und Sicherung der Strukturqualität benötigt.

Aus Fehlern lernen erfordert die Mängel zu kennen Im Referentenentwurf werden Vergütungszuschläge vorgesehen, um einen Anreiz zu schaffen, sich an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen zu beteiligen. Die Beteiligung an Fehlermeldesystemen sieht ver.di als notwendig an, den Vergütungszuschlag allerdings nicht.

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Zunächst geht es darum aus Fehlern zu lernen. Dazu müssen diese bekannt werden. Unangemessene arbeitsrechtliche Sanktionen verhindern häufig die Meldung eigener und fremder Fehler. Es wird vielfach noch nicht Wert geschätzt, wenn Mitarbeiter/-innen Mängel in Abläufen offen legen. So gehört der Hinweis auf Gefahren im Zusammenhang mit Überlastungssituationen in Gefährdungs- oder Überlastungsanzeigen der Beschäftigten an den Arbeitgeber noch längst nicht überall zur Unternehmenskultur der Gesundheitseinrichtungen. Dass jede Überlastungsanzeige ein Geschenk ist, um von riskanten Situationen zu erfahren, ist in der Branche noch keine weit verbreitete Ansicht. Dabei geht es hier um die sicherheitsrelevante und juristisch bedeutsame schriftliche Dokumentation der Versorgungssituation, insbesondere auch zum Schutz der Patientin und des Patienten. Ver.di hält es für erforderlich, Beschäftigte ausdrücklich zu ermuntern auf Mängel hinzuweisen. Hierzu bedarf es auch eines ausreichenden arbeitsrechtlichen Schutzes. Dieser sollte ebenfalls Gegenstand des Gesetzes sein. Ein einrichtungsübergreifendes Fehlermeldesystem sollte grundsätzlich in allen Einrichtungen aufgebaut werden. Die Kosten dafür sollten mit der Vergütung für die Behandlung abgegolten werden. In vielen Leistungsbereichen des SGB V wurde inzwischen die sehr problematische Vorgabe einer Veränderungsrate (§ 71 SGB V) durch passgenauere Vergütungen ersetzt. So wurde u.a. auch im Bereich der Krankenhäuser mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) 2009 vorgegeben, die Veränderungsrate durch einen Wert zu ersetzen, der den tatsächlichen Krankenhausausgaben für Sachkosten und Personal näher kommt. Das statistische Bundesamt sollte erstmals 2010 einen Orientierungswert ermitteln, der die Kostenstrukturen und Entwicklungen im Krankenhaus (Krankenhauswarenkorb) besser berücksichtigt, als die Veränderungsrate. Dem BMG wurde vom KHRG aufgegeben durch Rechtsverordnung den zu finanzierenden Anteil des Orientierungswertes zu bestimmen. Eine solche Rechtsverordnung hat das BMG jedoch weder 2010 noch 2011 erlassen. ver.di hält eine transparente und nicht durch Fehlsteuerung (Anreiz zur Erhöhung der Fallzahlen) gekennzeichnete Krankenhausfinanzierung nach wie vor für dringend erforderlich. In dieser Finanzierung müssen sich auch Qualitätssicherungsmaßnahmen, wie z.B. ein einrichtungsübergreifendes Fehlermeldesystem abbilden lassen. Eine solche Finanzierung ist Zuschlägen für einzelne Maßnahmen vorzuziehen.

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Einrichtungsinternes Qualitätsmanagement In § 137 SGB V sollen die Richtlinien und Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung durch Mindeststandards für Risikomanagement und Fehlervermeidungssysteme ergänzt werden. Hierzu erhält der GBA auch eine zeitliche Vorgabe. Zudem werden Risikomanagement und Fehlervermeidungssysteme zum Gegenstand der Qualitätsberichterstattung gemacht. ver.di begrüßt diese Ergänzung. Die gemeinsame Selbstverwaltung ist durchaus der Ort, an dem entsprechende verbindliche Vorgaben für die Einrichtungen beschlossen, umgesetzt und der medizinisch-technischen Entwicklung angepasst werden können. So könnten auf dieser Ebene z.B. die in bereits in einigen Krankenhäusern erfolgreich erprobten Fehlervermeidungssysteme bei Operationen verbindlich vorgegeben werden. Durch Sicherheitschecks, wie sie etwa auch in der Luftfahrt Standard sind, kann bei Operationen die Fehlerquote deutlich gesenkt werden. Bisher durchgeführte Projekte entsprechen den Patientensicherheitszielen der WHO sowie den internationalen Empfehlungen zur Patientensicherheit. Wesentliche Elemente sind berufsübergreifende Teamtrainings und Arbeit mit Checklisten. Im Patientensimulator üben OP-Teams Notfallsituationen und Entscheidungsfindung. Im Sinne des Patientenschutzes aber auch der wirtschaftlichen Aspekte sollte es sowohl den Leistungserbringern als auch den Krankenkassen daran gelegen sein, die Patient/-innen in Krankenhäusern mit ausreichender Qualität, die die Patientensicherheit einschließt, behandeln zu lassen. Eine verbindliche Vorgabe solcher Sicherheitsstandards durch den GBA ist erforderlich. Ihre Einhaltung kann nicht allein in das Belieben der Einrichtung gestellt werden. Übliche Zertifizierungsverfahren decken diese Sicherheitsstandards nicht oder nur sehr beschränkt ab. In der Praxis wird sich erweisen müssen, ob der GBA die neuen gesetzlichen Möglichkeiten nutzt, um in dem vorgegebenen Zeitrahmen entsprechende Richtlinien zu erstellen. Ebenso sollte der Gesetzgeber klären, was geschieht, wenn diese Richtlinien in diesem Zeitraum nicht oder nicht im gewünschten Umfang erlassen wurden.

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Im Einzelnen nehmen wir noch zu nachstehen Sachverhalten wie folgt Stellung:

Artikel 1 Nr. 4

zu § 630b

Anwendbare Vorschriften

In § 630b wird allgemein auf das Dienstverhältnis (§§611ff. BGB) verwiesen, soweit es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis gem. § 622 BGB handelt. Diese Regelungen sind sehr komplex. Es bietet sich daher an die in der Begründung genannte Zustimmungspflicht der Patientin / des Patienten bei Delegation ausdrücklich in den Gesetzestext aufzunehmen. Jedenfalls würde es zur Rechtssicherheit beitragen, wenn die Delegation heilkundlicher Tätigkeiten nach erfolgter Aufklärung zustimmungspflichtig wäre.

Artikel 1 Nr. 4

zu § 630c, Abs 2 Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten und § 630e Abs. 2

Aufklärungspflichten

Die Pflicht zur verständlichen Aufklärung in § 630c (2) BGB ist zu begrüßen. Wir gehen davon aus, dass dies auch eine muttersprachliche Aufklärung einschließt. Nicht schlüssig ist allerdings, dass über erkennbare Behandlungsfehler nur auf Nachfrage aufgeklärt werden soll. Sobald der oder die Behandelnde von einem Behandlungsfehler weiß, hat sie / er darüber auch aufzuklären und zwar auch dann wenn es nicht zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren erforderlich ist. In § 630e (2) Nr. 1 ist die Aufklärung durch einen „an der Durchführung des Eingriffs Beteiligten" zu unpräzise. In der Regel hat derjenige, der für den Eingriff verantwortlich ist oder ihn durchführt, die Pflicht zur Aufklärung.

Artikel 1 Nr. 4

zu § 630g

Einsichtnahme in die Patientenakte

Eine Einsichtnahme in die Patientenakte kann gemäß § 630g verweigert werden, wenn erhebliche therapeutische Gründe entgegen stehen. Unklar ist, wer diese Feststellung trifft. Sie kann mit Sicherheit nicht im Ermessen des Behandlers liegen.

Im Übrigen verweist ver.di auf die Stellungnahme des DGB, die dieser als Dachorganisation für alle Gewerkschaften abgibt.

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