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Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 3. August 2011 Pressekonferenz „Wie leben Kinder in Deutschland?“ am 3. August 2011 in Berlin Statement von Präsid...
Author: Jürgen Seidel
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Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 3. August 2011

Pressekonferenz „Wie leben Kinder in Deutschland?“ am 3. August 2011 in Berlin Statement von Präsident Roderich Egeler – Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren, Kinder sind das Wertvollste einer Gesellschaft. In welchem familiären Umfeld sie aufwachsen, wie sie materiell versorgt sind, wie sie ausgebildet werden oder welchen Zugang sie zu kulturellen oder sportlichen Angeboten haben – all das bestimmt in hohem Maß ihre Entwicklung und somit die Zukunftsfähigkeit eines Landes. Im Jahr 2010 waren 16,5% der Bevölkerung in Deutschland oder jeder sechste Einwohner jünger als 18 Jahre. Zehn Jahre zuvor – also im Jahr 2000 – betrug der Kinderanteil noch 18,8%. Dieser rückläufige Trend wird sich fortsetzen, so die Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Bei einer annähernd konstanten Geburtenhäufigkeit und einem jährlichen Wanderungssaldo von 100 000 Personen würde der Anteil der unter 18-Jährigen auf voraussichtlich 15% im Jahr 2030 beziehungsweise 14% im Jahr 2060 sinken. Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen heute einen Überblick über einige Daten des Statistischen Bundesamtes zum Thema „Kinder in Deutschland“ geben. Schwerpunkt sind die neuen Ergebnisse des Mikrozensus 2010. Darüber hinaus haben wir eine Reihe anderer Quellen ausgewertet, die interessante Fakten zur Situation von Kindern in Deutschland bieten. Dazu gehören zum Beispiel unsere Statistiken zu Bildung, Kinderbetreuung und Kinder- und Jugendhilfe aber auch Ergebnisse der Justiz-, der Gesundheits- und der Verkehrsunfallstatistik sowie der europaweiten Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen. Bei einer solchen Vielzahl von Datenquellen kann ich die Themen, die ich Ihnen heute präsentieren möchte, natürlich nur anreißen. Auch möchte ich vorausschicken, dass sich die einzelnen Statistiken hinsichtlich ihrer Aktualität oder definitorischer Besonderheiten unterscheiden können. Im

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 2 Begleitmaterial, das in Ihren Pressemappen enthalten ist, finden Sie am Ende jedes Kapitels Hinweise, wo auf unseren Internetseiten jeweils vertiefende Informationen stehen. In der Regel beziehe ich mich in meinen Ausführungen auf Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Ein Großteil der Daten bezieht sich auf das Jahr 2010. Wenn es sich anbietet, ziehe ich Vergleiche zur Situation zehn Jahre zuvor.

Immer weniger Kinder – vor allem in Ostdeutschland Im Jahr 2010 lebten in den Haushalten Deutschlands rund 13,1 Millionen minderjährige Kinder. Vor zehn Jahren war diese Zahl noch um 2,1 Millionen höher: Damals lebten 15,2 Millionen Kinder in Deutschland. Schaubild 1

Zahl der minderjährigen Kinder 2000 und 2010

12,3 Millionen

2,9 Millionen

2000

2000

-10%

-29%

2010

2010

11,0 Millionen

2,1 Millionen

Quelle: Mikrozensus

Statistisches Bundesamt

In Westdeutschland ist die Zahl der minderjährigen Kinder zwischen 2000 und 2010 um etwa 10% oder knapp 1,3 Millionen auf 11,0 Millionen Kinder gesunken. Der Rückgang der Kinderzahl in Ostdeutschland war viel gravierender. Im Jahr 2010 gab es hier 29% weniger Kinder als zehn Jahre zuvor. In ostdeutschen Haushalten lebten 2010 rund 2,1 Millionen Minderjährige, 837 000 weniger als im Mai 2000.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 3 Der Rückgang der Zahl der minderjährigen Kinder – für Deutschland insgesamt ergab sich innerhalb von zehn Jahren eine Abnahme um 14% – steht in engem Zusammenhang mit den rückläufigen Geburtenzahlen. Insbesondere im Osten Deutschlands sind unmittelbar nach der Wiedervereinigung die Geburten stark zurückgegangen. Zwar hat sich die Zahl der Geburten im Osten seit Mitte der 90er Jahre stabilisiert, sie hat jedoch bei Weitem nicht wieder das Niveau von vor der Wende erreicht. Neben der Geburtenentwicklung dürften auch andere Faktoren wie beispielsweise Wanderungsbewegungen von Ost nach West eine Rolle für die deutliche Abnahme der Zahl der Minderjährigen in Ostdeutschland spielen.

Minderjährige Kinder leben mehrheitlich bei ihren verheirateten Eltern Gut drei Viertel (76%) der minderjährigen Kinder in Deutschland lebten 2010 bei ihren verheirateten Eltern. Jedes sechste minderjährige Kind (17%) wohnte mit nur einem Elternteil im Haushalt zusammen. 7% der Kinder lebte bei Paaren ohne Trauschein. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den Eltern um die leiblichen Eltern oder um Stief-, Pflege- oder Adoptiveltern handelt. Schaubild 2

Minderjährige Kinder 2010 nach Familienform in %

Ehepaare

Alleinerziehende

Deutschland

76

Früheres Bundesgebiet

Neue Länder (einschl. Berlin)

Lebensgemeinschaften

79

59 58

7

17

6

15

17

24

Quelle: Mikrozensus Statistisches Bundesamt

Minderjährige, die in Ostdeutschland aufwachsen, unterscheiden sich hinsichtlich der Familienform, in der sie leben, deutlich von ihren westdeutschen Altersgenossen. Zwar lebten auch sie mehrheitlich bei ihren verheirateten Eltern. Mit 58% war dies aber deutlich seltener der Fall als in Westdeutschland (79%). Ein Grund hierfür ist, dass im Osten Deutschlands Kinder häufiger außerhalb einer Ehe geboren werden als in Westdeutschland. Entsprechend leben ostdeutsche Kinder häufiger bei ihren unverheirateten Eltern oder nur bei einem Elternteil. Der Anteil der Kinder bei Lebensgemeinschaften war mit 17% im Osten fast drei Mal so hoch wie in Westdeutschland (6%). 24% der ostdeutschen Kinder wohnten 2010 mit nur einem Elternteil im Haushalt zusammen, bei den westdeutschen Kindern waren es 15%.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 4 Die Familienform Alleinerziehende entsteht häufig, wenn sich verheiratete Eltern trennen. Bei einer Scheidung geht es dann oft darum, wem das Sorgerecht zugesprochen wird.

Bei Scheidungen zunehmend gemeinsames Sorgerecht In Scheidungsverfahren wird immer seltener über das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder gestritten: immer häufiger bleibt es daher zunächst bei einem gemeinsamen Sorgerecht der geschiedenen Eltern. Der Hintergrund dafür ist: Seit der Kindschaftsrechtsreform vom 1. Juli 1998 ist die gemeinsame Sorge der Eltern für ihre minderjährigen Kinder auch nach einer Scheidung der gesetzliche Regelfall. Beansprucht ein Elternteil dagegen nach einer Scheidung das alleinige Sorgerecht für die gemeinschaftlichen Kinder, muss dies beantragt und vom Familiengericht zugesprochen werden. Vor 10 Jahren wurde in rund drei von 10 Scheidungsverfahren auch eine gerichtliche Klärung des Sorgerechts beantragt, 2010 nur noch in einem von 10 Verfahren. Allerdings erweist sich offensichtlich das gemeinsame Sorgerecht im Alltag geschiedener Paare oft als schwierig; jedenfalls beantragen heute bereits geschiedene Eltern deutlich häufiger nachträglich eine gerichtliche Klärung des Sorgerechts für die gemeinschaftlichen Kinder als noch vor 10 Jahren. Soweit die Gerichte eine Sorgerechtsentscheidung für Scheidungskinder fällen mussten – sei es bereits im Scheidungsverfahren oder nachträglich – wurde 2010 zu 48% der Mutter die alleinige Sorge für die gemeinsamen Kinder zugesprochen (2000: 60%), zu 14% dem Vater (2000: 10%) und zu 26% Dritten – etwa Großeltern oder dem Jugendamt (2000: 11%). In 12% wurde auf gemeinsames Sorgerecht entschieden (2000: 19%). Vätern wird in einem isolierten Verfahren, das heißt zu einem Zeitpunkt nach einer Scheidung, eher das alleinige Sorgerecht zugesprochen als im Scheidungsverfahren selbst. 2010 haben die Familiengerichte in 15% der isolierten Sorgerechtsverfahren, aber nur in 7% der Scheidungsverfahren zugunsten des Vaters entschieden.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 5 -

Schaubild 3

Sorgerechtsregelungen für minderjährige Kinder

Das Sorgerecht wurde bei und nach Scheidungen vom Gericht übertragen ... , in % 2000

2010

11

12

19 26

auf Mutter und Vater gemeinsam

10

auf die Mutter

45 500 Entscheidungen

34 700 Entscheidungen

auf den Vater auf Dritte (z.B. Großeltern, Jugendamt)

14 48

60

Quelle: Justizstatistik über Familiengerichte Statistisches Bundesamt

Diese Angaben stammen aus der Justizstatistik des Statistischen Bundesamtes. Zurück zu den Mikrozensusdaten.

Jedes vierte minderjährige Kind lebt als Einzelkind Im Jahr 2010 lebten 25% der minderjährigen Kinder in Deutschland ohne Geschwister in einem Haushalt. Knapp die Hälfte der minderjährigen Kinder (48%) wohnte mit einem weiteren minderoder volljährigen Geschwisterkind im Haushalt zusammen. 19% hatten zwei und 8% sogar drei oder mehr Geschwister. Als Geschwister zählen neben leiblichen Geschwistern auch Stief-, Pflege- und Adoptivkinder. Da der Mikrozensus sich als Haushaltsbefragung auf das Beziehungsgefüge im Haushalt konzentriert, bleiben aus dem Haushalt bereits ausgezogene Geschwister unberücksichtigt. Schaubild 4

Minderjährige Kinder 2010 nach Zahl der Geschwister im Haushalt mit 3 und mehr Geschwistern 8% 25% mit 2 Geschwistern

ohne Geschwister

19%

48% mit 1 Geschwisterkind Quelle: Mikrozensus Statistisches Bundesamt

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 6 In Ostdeutschland lebten minderjährige Kinder deutlich häufiger als einziges Kind im Haushalt der Eltern. 2010 waren dort 35% Einzelkinder, in Westdeutschland hingegen 24%.

Bei der Hälfte der minderjährigen Kinder gehen beide Eltern arbeiten Gesicherte materielle Verhältnisse auf der einen Seite, auf der anderen Seite der Wunsch, in der Familie gemeinsam so viel Zeit wie möglich zu verbringen – es sind nicht zuletzt die Wünsche und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, die viele Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf herausfordern. Im Jahr 2010 gingen von 51% der minderjährigen Kinder in Paarfamilien beide Elternteile einer beruflichen Tätigkeit nach. Am häufigsten übte dabei ein Elternteil seinen Beruf in Vollzeit, der andere in Teilzeit aus. Bei 38% der Minderjährigen in Paarfamilien war nur ein Elternteil berufstätig. 11% der Kinder lebten in Paarfamilien, bei denen keiner der beiden Elternteile aktiv erwerbstätig war. Schaubild 5

Minderjährige Kinder in Paarfamilien 2010 nach Erwerbsbeteiligung der Eltern in % Kinder unter 3 Jahren

Kinder unter 18 Jahren

51

Beide Elternteile aktiv erwerbstätig

28

38

Nur ein Elternteil aktiv erwerbstätig

Kein Elternteil aktiv erwerbstätig Quelle: Mikrozensus

58

11 14

Statistisches Bundesamt

Der Betreuungsaufwand von Minderjährigen ist abhängig vom Alter der Kinder. Je jünger Kinder sind, desto häufiger geben insbesondere Mütter ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend auf. So waren nur noch bei 28% der Kinder unter drei Jahren beide Elternteile berufstätig. Bei deutlich mehr als der Hälfte (58%) der Kinder im Krippenalter arbeitete nur ein Elternteil. Bei 14% dieser Kinder war kein Elternteil aktiv erwerbstätig. Kinder, die bei nur einem Elternteil aufwachsen, erleben dieses in einem größeren Spannungsfeld von Beruf und Familie. Im Jahr 2010 war von 59% dieser Minderjährigen der alleinerziehende Elternteil berufstätig, und zwar mehrheitlich in Teilzeit. Deutlich seltener üben alleinerziehende Eltern von Kindern im Krippenalter eine berufliche Tätigkeit aus. Nur bei jedem vierten Kind unter drei Jahren (25%) war die alleinerziehende Mutter oder der alleinerziehende Vater erwerbstätig.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 7 Ob Eltern gerade von Kleinkindern einer beruflichen Tätigkeit nachgehen können, hängt häufig davon ab, ob ein Betreuungsplatz für das Kind vorhanden ist.

Kinderbetreuungsplätze: Der Ausbau für unter 3-Jährige hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen Zum Stichtag 1. März 2010 wurden in Deutschland rund 472 000 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder durch eine Tagesmutter beziehungsweise einen Tagesvater betreut. Der Anteil der Kinder in Tagesbetreuung an allen Kindern dieser Altersgruppe belief sich damit bundesweit auf rund 23%. Seit 2006 ist die Betreuungsquote um mehr als neun Prozentpunkte gestiegen. Damals nahmen die Eltern von rund 287 000 Kindern unter 3 Jahren ein entsprechendes Angebot in Anspruch; dies entsprach einer Quote von annähernd 14%. Die Dynamik der Inanspruchnahme im Zeitverlauf hat dabei deutlich zugenommen: So wurden im März 2007 gut 34 000 Kinder mehr als ein Jahr zuvor ergänzend zur elterlichen Bildung und Erziehung betreut, im März 2010 waren es dann rund 55 000 Kinder mehr als zum gleichen Vorjahreszeitpunkt. Die höchste Betreuungsquote gab es im März 2010 mit rund 56% in Sachsen-Anhalt, gefolgt von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 51%). Aber auch in Thüringen (45%) und Sachsen (43%) lag die Betreuungsquote deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2013 für insgesamt 750 000 Kinder unter 3 Jahren ein Betreuungsangebot zu schaffen. Zudem gibt es ab dem Kindergartenjahr 2013/2014 einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung mit Vollendung des ersten Lebensjahres. Um die Zielmarke von 750 000 Betreuungsplätzen zu erreichen, sind bis zum Jahr 2013 fast 280 000 Plätze zusätzlich bereitzustellen. Einen linearen Anstieg vorausgesetzt, entspricht dies jährlich über 90 000 Betreuungsangeboten mehr als im jeweiligen Vorjahr. Um das avisierte Ausbauziel zu erreichen, muss die Dynamik in den folgenden Jahren also weiter zunehmen. Wird die angestrebte Zielmarke von 750 000 Betreuungsplätzen für unter 3-Jährige erreicht, würde dies bundesweit einer Betreuungsquote von rund 38% entsprechen.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 8 Schaubild 6

Kinder unter 3 Jahren in Kindertagesbetreuung 2006 bis 2013 Zahl der betreuten Kinder unter 3 Jahren

Ausbaubedarf zwischen 2010 und 2013 Zielwert 750 000

Tausend 800

278

600

472

472 417 287

2006

321

07

400

364

200

08

09

10

11

12

2013

0

Quelle: Kinder- und Jugendhilfestatistiken Statistisches Bundesamt

In der Altersgruppe der 3- bis 5-Jährigen haben die Eltern von mehr als 1,9 Millionen Kindern ein Angebot der Kindertagesbetreuung in Anspruch genommen. Dies entspricht einer Betreuungsquote von annähernd 93%. Nach dem Kindergartenalter beginnt mit dem Schulbeginn ein neuer wichtiger Lebensabschnitt für Kinder. Die Bildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes verfügt über eine Vielzahl von Indikatoren. Einen interessanten Aspekt möchte ich heute herausgreifen.

Trend zur Höherqualifizierung an allgemeinbildenden Schulen Während die Schülerinnen und Schüler eines Wohnbezirks in der Regel gemeinsam in der Grundschule unterrichtet werden, richtet sich die weitere Schullaufbahn nach den schulischen Leistungen der Kinder, der Empfehlung der Grundschule sowie dem Wunsch der Eltern. Im Schuljahr 2010/2011 besuchten 45% aller Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen ein Gymnasium. Dagegen hatten zehn Jahre zuvor – im Schuljahr 2000/2001 – nur 37% die Gymnasiallaufbahn eingeschlagen. Der Anteil der Kinder, die in Hauptschulen unterrichtet wurden, betrug im Schuljahr 2000/2001 rund 18% und ist seitdem auf 13% im Schuljahr 2010/2011 gesunken. Der Anteil der Schüler an Realschulen lag im Schuljahr 2010/2011 wie bereits vor zehn Jahren bei 21%. Geringfügige Zunahmen verzeichneten die integrierten Gesamtschulen, deren Anteil an der Zahl der Schülerinnen und Schüler von 9% auf 10% stieg. Die Bedeutung übriger Schulformen – wie zum Beispiel die schulartunabhängige Orientierungsstufe oder Schularten mit mehreren Bildungsgängen – hat in den letzten zehn Jahren abgenommen: der Schüleranteil sank insgesamt von 15% auf 10%.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 9 Schaubild 7

Anteil der Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen nach Schularten in %

15 9

10 10 13

18 21 21

Sonstige Schulformen Integrierte Gesamtschulen Hauptschulen Realschulen

37

2000 Quelle: Schulstatistik

45

Gymnasien

2010

Statistisches Bundesamt

Aufgrund der länderspezifischen Bildungspolitik gibt es zwar Unterschiede in der Struktur der allgemeinbildenden Schulen, der Trend zum Gymnasium zeigt sich aber in allen Bundesländern. Elternhaus und Schule sind die wichtigsten Anker in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen. In gewissen Situationen müssen jedoch zusätzlich erzieherische Maßnahmen von Dritten in Anspruch genommen werden.

Knapp eine halbe Million Kinder und Jugendliche begannen im Jahr 2009 eine Hilfe zur Erziehung Im Jahr 2009 wurde für 474 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren eine erzieherische Hilfe neu gewährt. Die Gründe dafür waren vielfältig und reichen von familiären Konflikten, eingeschränkter Erziehungskompetenz der Eltern, Auffälligkeiten in der Entwicklung oder im sozialen Verhalten des jungen Menschen über schulische oder berufliche Probleme bis hin zu unzureichender Förderung, Betreuung oder Versorgung in der Familie sowie der Gefährdung des Kindeswohls. Jungen waren mit einem Anteil von 56% häufiger an der Unterstützung durch Hilfen zur Erziehung beteiligt als Mädchen (44%). 425 000 Kinder und Jugendliche (90%) begannen im Jahr 2009 eine ambulante oder teilstationäre Hilfe. Die häufigste Form war dabei die Erziehungsberatung: Mit 284 000 Hilfen hat die Erziehungsberatung einen Anteil von 60% an allen erzieherischen Hilfen für Minderjährige. Erziehungsberatungen werden in Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen durch-

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 10 geführt und sind auf Grund ihres niederschwelligen Charakters häufig die erste Kontaktstelle für hilfesuchende Eltern oder junge Menschen. Nach der Erziehungsberatung ist die Sozialpädagogische Familienhilfe, die von 80 000 Minderjährigen und ihren Eltern in Anspruch genommen wurde, die zweithäufigste ambulante Hilfeart. Bei der Sozialpädagogischen Familienhilfe werden nicht einzelne Kinder oder Jugendliche beziehungsweise deren Eltern betreut, sondern die gesamte Familie. Typische Unterstützungsschwerpunkte sind neben Hilfen zur Kindererziehung und -versorgung auch die Ausarbeitung von Lösungswegen zur Konfliktbewältigung, zur Strukturierung von Haushaltstätigkeiten oder die Hilfe bei Kontakten mit Ämtern und Institutionen. Schaubild 8

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in neu begonnener erzieherischer Hilfe 2009 nach Art der Hilfe Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform

Vollzeitpflege andere stationäre Hilfen 3 591 14 559

30 756 andere ambulante/ teilstationäre Hilfe

61 735

283 913

Sozialpädagogische Familienhilfe

Erziehungsberatung

79 719

Quelle: Kinder- und Jugendhilfestatistiken

Statistisches Bundesamt

10% der Minderjährigen, die im Jahr 2009 eine Erziehungshilfe begannen, wurde eine stationäre Hilfe gewährt. Dieser Hilfekomplex ist in erster Linie an junge Menschen gerichtet, die in der Herkunftsfamilie nicht ausreichend versorgt oder gefördert werden und bei denen unter Umständen eine Kindeswohlgefährdung droht. Am häufigsten wurde eine Heimerziehung oder eine sonstige betreute Wohnform (31 000 Kinder und Jugendliche) beziehungsweise eine Vollzeitpflege (15 000 Kinder und Jugendliche) begonnen. Ich möchte nun auf die wirtschaftliche Situation von Kindern zu sprechen kommen. Diese hängt natürlich in erster Linie davon ab, welche Einkommen ihre Eltern beziehen. Bei Familien mit Kindern sind das in erster Linie Einkommen aus der Erwerbstätigkeit der Eltern oder eines Elternteils und staatliche Transferzahlungen. Welche Rolle diese beiden Einkommensarten spielen ist stark von der Familienform abhängig.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 11 Überwiegender Lebensunterhalt Transferzahlungen: Kinder von Alleinerziehenden sind davon besonders häufig betroffen Alleinerziehende Elternteile sind besonders häufig auf Transferzahlungen als Quelle ihres überwiegenden Lebensunterhalts angewiesen. Zwar war im Jahr 2010 bei mehr als der Hälfte der Kinder (57%) in einer Eltern-Kind-Gemeinschaft die Erwerbstätigkeit des alleinerziehenden Elternteils die Haupteinkommensquelle. Für rund 33% der minderjährigen Kinder bei Alleinerziehenden stellten jedoch staatliche Transferleistungen die Haupteinkommensquelle der Familie dar. Zu den Transferzahlungen zählen beispielsweise so genannte Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe. Sonstige Quellen des überwiegenden Lebensunterhalts wie Elterngeld oder Einkünfte von Angehörigen spielten eine eher untergeordnete Rolle (10%). Schaubild 9

Minderjährige Kinder 2010 nach überwiegendem Lebensunterhalt der Eltern und Familienform in %

bei Alleinerziehenden

in Paarfamilien

10

33

Erwerbstätigkeit bei mindestens einem Elternteil Transferzahlungen bei allen Elternteilen

2,2 Millionen 57

4

4

10,9 Millionen

Sonstige

92

Quelle: Mikrozensus Statistisches Bundesamt

Für Kinder in Paarfamilien waren Transferzahlungen deutlich seltener die Quelle des überwiegenden Lebensunterhalts der Eltern. Nur bei 4% der Minderjährigen in Paarfamilien lebten 2010 beide Elternteile überwiegend von Transferzahlungen. Die große Mehrheit (92%) der Kinder lebte in Paarfamilien, die ihren überwiegenden Lebensunterhalt durch mindestens ein Elternteil mit eigener Erwerbstätigkeit bestritt. Hierbei sind unterschiedliche Konstellationen möglich. Bei 47% aller Minderjährigen war die eigene Erwerbtätigkeit bei beiden Eltern Haupteinkommensquelle der Familie. Bei 36% war bei einem Elternteil der eigene Beruf, bei dem anderen Elternteil Einkünfte von Angehörigen die Quelle des Lebensunterhalts. Bei weiteren 9% aller Minderjährigen hatte der nicht erwerbstätige Elternteil eine andere Haupteinkommensquelle wie zum Beispiel Elterngeld.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 12 Im Dezember 2010 waren nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit rund 1,96 Millionen Kinder unter 18 Jahren in Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften. Diese Kinder lebten somit in Haushalten, die zur Sicherung ihres grundlegenden Lebensunterhalts – zumindest ergänzend zu eventuell anderen vorhandenen Einkünften – Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Anspruch nehmen mussten.

Kinder sind nicht stärker armutsgefährdet als der Durchschnitt der Bevölkerung, und ihre Grundbedürfnisse werden weitgehend erfüllt Die Einkommenssituation der Eltern hat direkten Einfluss darauf, ob Kinder armutsgefährdet sind oder nicht. Daten dazu liefert die Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC), die in Deutschland unter der Bezeichnung „Leben in Europa“ durchgeführt wird. Nach den Ergebnissen der EU-SILC- Erhebung 2009 – bei der sich die Einkommensdaten auf das Referenzjahr 2008 beziehen – waren 2008 in Deutschland 15,5% der Bevölkerung armutsgefährdet. Für Kinder unter 18 Jahren lag die Quote bei 15,0% und damit etwas niedriger als für die Bevölkerung insgesamt. Gegenüber 2007 (15,2%) blieb sie nahezu konstant. Kinder, die in Haushalten von Alleinerziehenden leben, gehören jedoch nach wie vor zu den am stärksten armutsgefährdeten Personen in Deutschland: Bei diesen Haushalten lag der Anteil armutsgefährdeter Personen im Jahr 2008 bei 37,5% (2007: 35,9%) und damit fast dreimal so hoch wie bei Personen in Haushalten mit Kindern insgesamt (2008: 13,0%; 2007: 13,1%). Schaubild 10

Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen 2008 in Deutschland in % Personen in Haushalten von Alleinerziehenden1

37,5

Bevölkerung insgesamt

15,5

Personen unter 18 Jahren

15,0

Personen in Haushalten mit Kindern1 Personen in Haushalten von zwei Erwachsenen mit zwei Kindern1

13,0

7,7

1 Als Kind zählen Kinder unter 18 Jahren sowie Personen zwischen 18 und 24 Jahren, die nicht erwerbstätig sind und mit mindestens einem Elternteil zusammen leben. Quelle: EU-SILC

Statistisches Bundesamt

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 13 Die elementaren Bedürfnisse von Kindern wie Kleidung, Essen, Spielsachen, das Feiern von Festen und das Pflegen von Sozialkontakten werden in Deutschland in den allermeisten Fällen erfüllt. Dies ergaben Auswertungen aus einem 2009 in den EU-SILC-Fragebogen integrierten Sondermodul, das unter anderem Fragen zur materiellen Teilhabe von Kindern enthielt. Demnach gibt es jedoch auch Dinge, die sich einige Haushalte mit Kindern nicht leisten können. So mussten in mehr als einem Fünftel (22%) der Haushalte, in denen Kinder unter 16 Jahren lebten, diese Kinder aus finanziellen Gründen auf eine jährliche Urlaubsreise verzichten. 7% der Haushalte mit Kindern unter 16 Jahren gaben an, ihren Kindern aus finanziellen Gründen eine regelmäßige Freizeitbeschäftigung wie Sport oder Musizieren nicht ermöglichen zu können. Es sind aber nicht nur die materiellen Lebensbedingungen, die Kindern ein unbeschwertes Aufwachsen ermöglichen. Weitere, ganz zentrale Voraussetzungen dafür sind Gesundheit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit. Die Gesundheits- und Verkehrsunfallstatistiken zeigen, wo die Risiken für Kinder liegen. Viele Sterbefälle bei Kindern könnten durch mehr Umsicht und Fürsorge verhindert werden.

Für Kinder oft lebensbedrohlich: Unfälle, Suizide und Gewalt Abgesehen von der Säuglingssterblichkeit, die im internationalen Vergleich auf einem niedrigen Niveau liegt, sterben Kinder in Deutschland besonders häufig an Verletzungen infolge von Unfällen, Suiziden oder Gewalt. Während Verletzungen bei den Säuglingen eher eine Nebenrolle spielen, sind sie bei den Kindern von 1 bis 14 Jahren häufigste Todesursache. Im Jahr 2009 waren 281 Kinder in diesem Alter an den Folgen einer Verletzung gestorben. Damit waren Verletzungen für gut jeden fünften der insgesamt 1 252 Sterbefälle im Alter von 1 bis 14 Jahren verantwortlich. Am häufigsten hatten sich die betroffenen Kinder bei Unfällen verletzt (232 Kinder), dahinter folgten mit Abstand Suizide (21 Kinder), Gewalt (21 Kinder) und Ereignisse, deren Ursache nicht eindeutig geklärt werden konnte (7 Kinder). Besonders schwerwiegende Folgen hatten bei den Kindern – neben Verletzungen – auch Krebserkrankungen, zum Beispiel bösartige Hirntumore oder Leukämie. Mit 239 Sterbefällen war Krebs im Jahr 2009 bei den Kindern von 1 bis 14 Jahren die zweithäufigste Todesursache.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 14 Schaubild 11

Sterbefälle von Kindern im Alter von 1 bis 14 Jahren 2009

Erkrankungen 971 Unfälle 232

Sterbefälle insgesamt 1252

Verletzungen 281

Suizide

21

Gewalt etc. 28

Quelle: Todesursachenstatistik

Statistisches Bundesamt

Ein Zeitvergleich zwischen 2000 und 2009 zeigt aber auch Erfreuliches: Insgesamt sind die Sterbefälle bei den Kindern von 1 bis 14 Jahren um rund ein Drittel zurückgegangen (– 32%). Entscheidend dazu beigetragen hat die deutlich überdurchschnittliche Verringerung der Sterbefälle durch Verletzungen. Während im Jahr 2000 insgesamt 577 Kinder an Verletzungen durch Unfälle, Suizide oder Gewalt zu Tode gekommen sind, waren es 2009 nur noch 281 Kinder. Damit hat sich die Zahl der tödlich verletzten Kinder innerhalb von neun Jahren mehr als halbiert (– 51%).

Kinder im Straßenverkehr: Die Gefahr „wächst“ mit Die Teilnahme am Straßenverkehr stellt für Leben und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eine besondere Gefahr dar. Im Jahr 2010 kamen 47 926 junge Menschen unter 18 Jahren bei Straßenverkehrsunfällen zu Schaden. 205 Kinder und Jugendliche starben an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Im Durchschnitt des Jahres 2010 verunglückte alle 11 Minuten ein Minderjähriger und jede Woche kamen fast vier junge Verkehrsteilnehmer ums Leben. Glücklicherweise ist das Unfallrisiko der Minderjährigen in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2000 verunglückten noch 576 Kinder und Jugendliche tödlich, das waren fast dreimal so viele wie im Jahr 2010. Je nach Alter beteiligen sich Kinder unterschiedlich am Verkehr, dies spiegelt sich im Unfallgeschehen wider.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 15 Schaubild 12

Verunglückte Kinder und Jugendliche nach Altersjahren, Geschlecht und Art der Verkehrsbeteiligung 2010 Männlich

5 000

4 000

3 000

2 000

Weiblich

Alter in Jahren 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 000

0

0

Fußgänger Fahrradbenutzer Motorzweiradbenutzer Pkw-Insassen Sonstige

1 000

2 000

3 000

4 000

5 000

Statistisches Bundesamt

Kinder unter 6 Jahren werden überwiegend im Auto ihrer Eltern oder anderer Erwachsener befördert. Demzufolge kamen im Jahr 2010 rund 60% der 5 214 verletzten und getöteten Kinder dieser Altersgruppe als Mitfahrer in einem Pkw zu Schaden. 6- bis 14-jährige Kinder sind auf dem Weg zur Schule, aber auch in ihrer Freizeit immer häufiger zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs. Das zeigt sich auch daran, dass Kinder dieser Altersgruppe am häufigsten auf ihrem Fahrrad verunglückten (39%), während nur 29% der insgesamt 23 415 verunglückten Kinder in einem Pkw zu Schaden kamen. Mit dem 15. Geburtstag können sich die Jugendlichen dann zunehmend motorisiert, zunächst mit Zweirädern, fortbewegen. Im Alter von 17 Jahren können sie bereits „begleitet“ Auto fahren. Dieser Einstieg in die Motorisierung hat allerdings seinen Preis: Jugendliche verunglücken häufiger als ihre jüngeren Altersgenossen im Straßenverkehr. Das Risiko im Straßenverkehr ums Leben zu kommen ist bei den 15- bis 17-Jährigen viermal so hoch wie bei den Jüngeren.

Statement von Präsident Roderich Egeler Seite - 16 -

Töchter ziehen früher bei den Eltern aus als Söhne Irgendwann ist es dann so weit: die Kinder werden groß und selbständig. Für Töchter scheint dabei das „auf eigenen Beinen stehen“ und die Freiheiten, die die eigenen vier Wände mit sich bringen, einen größeren Reiz auszuüben als das „Hotel Mama“. Mit 25 Jahren wohnte im Jahr 2010 nur noch rund jede fünfte junge Frau (21%) im elterlichen Haushalt. Die Söhne lassen sich mit dem Auszug etwas mehr Zeit. Mit 25 Jahren lebten noch 38% bei den Eltern. Auch im späteren Erwachsenenalter bleibt es für Männer attraktiv, bei den Eltern zu wohnen. Mit 30 Jahren wohnt noch etwa jeder achte Mann (13%) bei den Eltern, bei den Frauen nur noch jede Zwanzigste. Schaubild 13

Kinder im elterlichen Haushalt 2010 nach Alter und Geschlecht in % der Bevölkerung des jeweiligen Alters 100

100 männlich

80

80

60

60 weiblich

40

20

0

38%

21%

unter 15

25

40

13% 5% 30

20 1% 4% 40

45 und älter

Quelle: Mikrozensus

0

Statistisches Bundesamt

Insgesamt betrachtet leben erwachsene Kinder heute länger bei den Eltern als noch vor 30 Jahren. Ein langer Zeitvergleich ist für das frühere Bundesgebiet möglich. Hier wohnten 2010 rund 30% der 25-Jährigen mit ihren Eltern unter einem Dach. Vor 30 Jahren – also 1980 – lag der entsprechende Wert noch bei 21%. Der Zeitpunkt des Auszugs aus dem Elternhaus wird von mehreren Faktoren beeinflusst: dem Übergang von der Schule zur Berufsausbildung oder zum Studium, dem Berufseinstieg, dem Eingehen einer Partnerschaft, der Eheschließung oder der Gründung einer eigenen Familie. Die längeren Ausbildungszeiten in Deutschland dürften auch dazu beitragen, dass junge Erwachsene ihr Elternhaus heute später verlassen als früher.