Statistisches Bundesamt

Statistisches Bundesamt Informationsblatt „Globalisierung und Außenhandelsstatistik“ Vor dem Hintergrund der weltweiten Globalisierungsprozesse stel...
Author: Käthe Pfaff
23 downloads 3 Views 90KB Size
Statistisches Bundesamt

Informationsblatt „Globalisierung und Außenhandelsstatistik“

Vor dem Hintergrund der weltweiten Globalisierungsprozesse stellt sich die Frage nach ihren Auswirkungen auf die Außenhandelsstatistik und nach der Vergleichbarkeit der Daten im Zeitverlauf. Was misst die Außenhandelsstatistik und was nicht? Misst sie noch die gleichen Sachverhalte wie früher? Welche methodisch-konzeptionellen Aspekte sind mit dem Phänomen der Globalisierung verbunden? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des folgenden Beitrags, der besonders den Nutzern, die mit der Methodik der Außenhandelsstatistik weniger vertraut sind, Hilfestellung bei der Interpretation der Ergebnisse geben soll.

Was ist Gegenstand der Außenhandelsstatistik? Grundsätzlich erfasst die Außenhandelsstatistik alle Warenströme, die die nationale Grenze eines Landes physisch passieren, sofern sich dadurch die materiellen Ressourcen des Landes erhöhen oder verringern. Für Güter, die ein Land im Transit durchqueren und dabei lediglich transportbedingten Aufenthalten unterliegen oder die temporär begrenzt ein- oder ausgeführt werden (z.B. Messeoder Ausstellungsgut), gilt das nicht. Diese Warenverkehre sind deshalb von der Statistik ausgenommen, ebenso wie Warenverkehre zu Reparatur- und Wartungszwecken. Waren, die zur Veredelung ein- oder ausgeführt werden, werden dagegen einbezogen, auch wenn sie nach Abschluss des Veredelungsvorgangs wieder in das Ausgangsland verbracht werden. Der Wert einer Ware wird jeweils zum Zeitpunkt des Grenzübertritts gemessen (sog. „Grenzübergangswert“). Von dem Prinzip des physischen Grenzübertritts wird lediglich in den Fällen abgewichen, in denen es nicht sinnvoll angewandt werden kann. Das gilt insbesondere für die Warenbewegungen von Seeschiffen und Verkehrsflugzeugen. Ob und wie oft diese die nationale Grenze überqueren, ist für die Erfassung in der Außenhandelsstatistik irrelevant. Stattdessen ist hier der Wechsel des ökonomischen Eigentums zwischen Inländern und Ausländern das maßgebliche Erhebungskriterium.

Zentrale: Telefon: + 49 (0)611 / 75 (1) Telefax: + 49 (0)611 / 72 - 4000 www.destatis.de/kontakt/ www.destatis.de

Servicezeiten: Mo – Do: 8.00 – 12.00 Uhr und 13.00 – 16.00 Uhr Fr: 8.00 – 12.00 Uhr und 13.00 – 15.00 Uhr Informationsservice: Telefon: + 49 (0)611 / 75-2405 Telefax: + 49 (0)611 / 75-3330

Postanschrift: 65180 Wiesbaden, Deutschland Haus-/Lieferanschrift: Gustav-Stresemann-Ring 11 65189 Wiesbaden, Deutschland

Bankverbindungen: Bundeskasse Trier, IBAN: DE81590000000059001020 Deutsche Bundesbank, Filiale Saarbrücken BIC: MARKDEF1590 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE 206511374

Statistisches Bundesamt

Seite 2 / 5

Welche Auswirkungen hat die Globalisierung auf die Außenhandelsstatistik? Globalisierung führt zur Diversifizierung von Produktionsprozessen Charakteristisch für die Globalisierung ist die zunehmende internationale Fragmentierung der Produktionsprozesse, die vor allem bei der Herstellung komplexer technischer-Produkte zu beobachten ist. Die Verteilung der Produktionsschritte auf verschiedene Länder führt zwangsläufig zu einer Ausweitung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. Rohstoffe, Vor- und Zwischenprodukte werden permanent zwischen den am Produktionsprozess beteiligten Ländern ausgetauscht. Oft geht es dabei um hohe Warenwerte. Exemplarisch sei hier die deutsche Automobilindustrie genannt, die aus Kostengründen erhebliche Teile ihrer Produktion ins Ausland, vor allem nach Osteuropa, verlagert hat. Ein anderes Beispiel ist die Flugzeugproduktion im Rahmen des Airbus-Programms, die in Kooperation zwischen verschiedenen europäischen Ländern erfolgt. Bruttowerte und Wertschöpfung, Auswirkungen auf bilaterale Handelsbilanzen In der Außenhandelsstatistik werden grundsätzlich Bruttowerte (Gesamtwert der Ware an der Grenze) erfasst. Das bedeutet, dass der Wert einer ausgeführten Ware nicht nur die inländische Wertschöpfung sondern auch alle ausländischen Vorleistungen enthält. Grenzüberschreitende Produktionsprozesse führen insofern zu einer Aufblähung des in der Außenhandelsstatistik dargestellten Handels.1 Bilaterale Handelsbilanzen können unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob Bruttowarenwerte oder lediglich die jeweilige nationale Wertschöpfung zugrunde gelegt wird. Das folgende schematische Beispiel demonstriert den Sachverhalt anhand einer grenzüberschreitenden Wertschöpfungskette:

1

In Deutschland beläuft sich der Wertanteil der in den deutschen Exporten enthaltenen Importe auf mehr als 40%.

 

Statistisches Bundesamt Deutschland

Statistisches Bundesamt

Seite 3 / 5

Land A bestellt in Land B eine Ware und liefert dazu ein Vorprodukt im Wert von 100 Euro an Land B. Weitere Vorprodukte werden von den Ländern C und D an Land B geliefert. Mithilfe der zugelieferten Komponenten wird in Land B das von Land A bestellte Endprodukt gefertigt und zum Preis von 1000 Euro in Land A verbracht. Der Endpreis setzt sich aus Vorleistungen in den Ländern A (100 Euro), C (200 Euro) und D (400 Euro) sowie der Wertschöpfung in Land B 300 Euro) zusammen. Wertmäßige Bruttowarenströme gemäß Außenhandelsstatistik

Land A

1000

Land C

200

100

Land B 400

Land D

Handelsbilanz Land A gegenüber…

Land B Land C Land D Summe

- nach Bruttowerten

-900

0

0

-900

- nach Wertschöpfung

-300

-200

-400

-900

Während nach der Außenhandelsstatistik Land A gegenüber Land B einen Negativsaldo von 900 Euro aufweist, beträgt dieser, wenn man nur die jeweiligen Beiträge zur Wertschöpfung zugrunde legt, lediglich300 Euro. Die globale Handelsbilanz aus Sicht von Land A (Summe über alle beteiligten Länder) ändert sich dagegen nicht. Probleme bei der Bestimmung des Partnerlandes Die Aufteilung des Produktionsprozesses auf verschiedene Länder führt zwangsläufig zu Unschärfen bei der Festlegung des Partnerlandes. In der deutschen Außenhandelsstatistik wird einfuhrseitig als Partnerland grundsätzlich das sog. Ursprungsland nachgewiesen, also das Land, in dem die Ware hergestellt oder gewonnen wurde. Sind an der Herstellung einer Ware mehrere Länder beteiligt, so gilt als Ursprungsland das Land, in dem die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung stattgefunden hat. Das gilt auch dann, wenn andere vorgeschaltete Länder einen höheren Wertschöpfungsbeitrag

Statistisches Bundesamt Deutschland

Statistisches Bundesamt

Seite 4 / 5

erbracht haben. Der Warenursprung wird also grundsätzlich dem letzten Land in der Produktionskette zugewiesen. Die Beiträge anderer Länder im Produktionsprozess lassen sich daraus nicht ablesen. Ausfuhrseitig gilt als Partnerland das Bestimmungsland der Waren, also das Land, in dem die Waren ge- oder verbraucht bzw. be- oder verarbeitet werden sollen. Auch hier ergeben sich im Zuge der Globalisierung vermehrt Zuordnungsprobleme. Dazu ein Beispiel: Im Inland fertig gestellte Waren werden zunächst in ein ausländisches Zwischenlager verbracht, bevor sie in andere Länder verkauft und geliefert werden. Zum Zeitpunkt der Verbringung der Waren in das Lager ist jedoch das endgültige Bestimmungsland der Waren in der Regel noch nicht bekannt. Der Exporteur gibt demzufolge ersatzweise das Land an, in dem sich das Lager befindet. Das ist zwar methodisch korrekt, aus statistisch-analytischer Sicht wäre aber die Angabe des Landes erwünscht, in dem die Ware letztendlich verbleibt. Da der Empfänger im letzten Bestimmungsland im Allgemeinen das Ursprungsland der Ware kennt und angibt, entstehen durch inkonsistente Partnerlandangaben zwangsläufig Asymmetrien zwischen den spiegelbildlichen Aus- und Einfuhrmeldungen. Die Gefahr divergierender Partnerlandangaben besteht generell immer dann, wenn mehr als zwei Länder in den grenzüberschreitenden Warenvertrieb eingebunden sind. Das ist z.B. der Fall, wenn die Waren über Zwischenhändler in verschiedenen Ländern vertrieben werden. Oft kennt der Exporteur nur den ersten Abnehmer der Waren und gibt demzufolge in seiner Meldung das erste Bestimmungsland als Partnerland an, der Importeur im endgültigen Bestimmungsland dagegen das eigentliche Ursprungsland der Waren. Durch die zunehmende Globalisierung der Vertriebswege gewinnen derartige Geschäfte immer mehr an Bedeutung. Einfluss multinationaler Unternehmensgruppen, Abgrenzung des nationalen Außenhandels Ein weiteres Kennzeichen der Globalisierung ist die zunehmende Bedeutung multinationaler Unternehmensgruppen. Grenzüberschreitende Warenbewegungen finden immer häufiger zwischen Unternehmen oder Niederlassungen statt, die der gleichen Unternehmensgruppe angehören. Diesem firmeninternen Warenverkehr (sog. „intra firm trade“), liegen oft gar keine Kauf-/Verkaufsgeschäfte zugrunde. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Sitz und die Unternehmenszugehörigkeit des Ein- oder Ausführers für die Erfassung der Exporte und Importe in der nationalen Außenhandelsstatistik irrelevant ist. Auch wenn der Ein- oder Ausführer mehrheitlich von einem ausländischen Unternehmen kontrol-

Statistisches Bundesamt Deutschland

Statistisches Bundesamt

Seite 5 / 5

liert wird oder sogar seinen Firmensitz im Ausland hat, werden die von ihm veranlassten Aus- oder Einfuhren über die deutsche Grenze der deutschen Außenhandelsstatistik zugeordnet. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung international operierender Unternehmensgruppen im Außenhandel muss die Abgrenzung des nationalen Außenhandels neu interpretiert werden.

Fazit Durch die zunehmende Globalisierung der Produktionsprozesse hat sich der Außenhandel und damit der Aussagegehalt der Außenhandelsstatistik signifikant verändert. Das Erhebungsprinzip der Außenhandelsstatistik, das sich an den Abläufen der Zollabfertigung orientiert (grenzüberschreitende Warenbewegung), ist zwar gleich geblieben. Grundlegend geändert haben sich jedoch in den vergangenen Jahrzehnten Art und Ursache der grenzüberschreitenden Warenbewegungen. Die internationale Diversifizierung von Produktions- und Distributionsprozessen, hat zu einem extensiven Anstieg des Außenhandels geführt, der nicht mehr allein durch internes Wachstum der nationalen Volkswirtschaften zu erklären ist. Durch die Globalisierung wird eine eindeutige und konsistente Partnerlandzuordnung der grenzüberschreitenden Warenströme immer schwieriger. Zudem verschwimmt die Abgrenzung des nationalen Außenhandels durch multinational agierende Unternehmensgruppen. Das ist zu beachten, wenn man in der Außenhandelsstatistik langfristige Entwicklungen betrachtet und bewertet.

Ansprechpartner: Albrecht Krockow; Tel.: +49 611 752060; www.destatis.de/kontakt

Statistisches Bundesamt Deutschland