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Spritzgießtechnik

Spritzguss in Extra-Large-Dimensionen Analog zur Anwendungsnische der Kunststoff-Formteile in Mikro-Dimensionen, wächst auch das Anwendungsfeld am anderen Ende der Größenskala, bei den Formteilen mit einem Stückgewicht zwischen 30 und 100 Kilogramm. In beiden Fällen ist zur Herstellung eine speziell abgestimmte Maschinenund Verfahrenstechnik erforderlich. In den nachfolgenden beiden Projektberichten liegt der Fokus auf dem Spritzguss in Extra-Large-Dimensionen. Die Firmen Wittmann Battenfeld GmbH aus Kottingbrunn und Ettlinger Kunststoffmaschinen GmbH aus Königsbrunn bei Augsburg stellen zwei unterschiedliche Lösungen für die gleiche Aufgabe vor, nämlich Großformteile effizient und energetisch sparsam herzustellen. Beide Maschinensysteme haben ihre Bewährungsprobe bestanden und sind im Laufe dieses Jahres in den regulären Produktionsbetrieb gegangen.

Wittmann Battenfeld bei Plasto

Schwere Teile für flinke Fische Da die natürlichen Fisch-Vorkommen den wachsenden Bedarf nicht mehr decken können, wird in vielen Küstenregionen der Welt die Fischzucht in Aqua-Kultur-Anlagen betrieben. Foto: Akvar Group

„Aqua-Farming“ oder „Aqua-Kultur“ steht heute als Herkunftsbezeichnung auf vielen Fischverpackungen im Supermarktregal. Wie umfangreich dieser Produktionszweig der Lebensmittelindustrie in den letzen Jahren geworden ist, wird allen Reisenden aufgefallen sein, die über die Küstengebiete Skandinaviens, Südamerikas oder der asiatischen Inselwelt geflogen sind. Rechteck an Rechteck oder Kreis an Kreis liegen die Fischzuchtanlagen in den Küstengewässern. Einer der prominentesten Hersteller ist die norwegische Akva-Gruppe. Deren kreisrunde Fischkäfige mit einem Durchmesser zwischen 13 und 64 Metern bestehen aus Netzen, die an einem kreisrunden Schwimmkörper, der gleichzeitig Serviceplattform ist, aufgehängt sind. Der Schwimmkörper besteht aus zwei konzentrischen, wasserdicht verschweißten PE-HDRohrkreisen, die mit Distanzhaltern in Position gehalten werden. Diese Distanzhalter sind bis zu 50 kg schwere Spritzgussteile aus PE-HD und werden vom norwegischen Familienunternehmen Plasto in Andalsnes produziert. Die dafür notwendige Großvolumen-Spritzgießmaschinen wurde von Wittmann Battenfeld in enger Abstimmung mit Plasto entwickelt und gebaut. Interessierten Flugreisenden werden beim Flug über die skandinavische Fjordlandschaft, aber auch anderswo in der Welt, die in Küstennähe schwimmenden Kreisansammlungen aufgefallen sein. Doch deren Bedeutung erschließt sich meist erst durch die Erklärung eines damit Vertrauten, ebenso, wie die Bedeutung des immer öfter anzutreffenden Herkunftsvermerks

„Produziert in Aqua-Kultur“ auf einer Fischverpackung im Tiefkühlregal. Ähnlich muss es den Vertriebs- und Technik-Verantwortlichen bei Wittmann Battenfeld in Kottingbrunn, südlich von Wien gegangen sein, als sie vom norwegischen Unternehmen Plasto mit der Anfrage zum Bau einer Spritzgießmaschine für großvolumige Komponenten von Fisch-

zuchtanlagen konfrontiert wurden. Von Distanzhaltern zwischen konzentrischen Rohrkreisen, die als Schwimmkörper dienen, war die Rede. Je nach Größe liegt deren Gewicht im Bereich aktuell zwischen 25 und 45 kg, mit der Aussicht auf noch höhere Gewichte bei neuen Typen für Fischzuchtkäfige für die offene See. Dazu Ing. Edmund Kirsch, GebietsverÖsterreichische Kunststoffzeitschrift 7/8 2013

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Die Kernkomponenten von Fischzuchtanlagen zwei dicht verschweißten Kunststoff-Rohrringe als Schwimmkörper mit einen Durchmesser von 60 Metern und mehr, die mit Distanzelementen zueinander in Position gehalten werden. Fotos: Akvar Group und R. Bauer

kaufsleiter für Skandinavien: „Für uns Binnenlandbewohner war es nicht zuletzt der Reiz einer uns bislang unbekannten, etwas exotischen Produktwelt, die uns alle, vom Geschäftsführer, bis zu den Technik-Referatsleitern veranlasste, nach unserem Neustart in der Wittmann-Gruppe mit diesem Projekt den Wiedereinstieg in die Großformteileherstellung zu wagen. Und Plasto erwies sich in diesem Zusammenhang als idealer Partner. Denn dessen Geschäftsführer Lars Stenerud kam mit einem ganz konkreten Pflichtenheft zu uns und beteiligte sich partnerschaftlich an dessen Abarbeitung.“

Speziell, jedoch soviel „Standard“, wie möglich Ganz vorne im Pflichtenheft stand die Forderung nach einer Standardmaschine als Anlagenbasis. Denn, klug geworden aus früheren Projekt-Erfahrungen, sollte die Maschine nicht nur für das konkrete Projekt optimal geeignet sein, sondern nach einem allfälligen Auftragsende ohne grundsätzliche Änderungen auch für andere Formteile in kleineren Größen-Gewichts-Relationen eingesetzt werden können. Ein Spritzgewicht von 50 kg PE-HD stand als fixe Größe auf dem Wunschzettel. Darüber hinaus sollte die Maschine zusätzliches Potenzial für noch schwerere Formteile bieten. Und: Plasto zog dazu ein, auf den ersten Blick, ungewöhnliches, aber offensichtlich in vielen Kreativzirkeln gereiftes Konzept aus der Tasche. Dazu wieder Battenfeld-Projektleiter Edmund Kirsch: „Nach einer eingehenden Analyse der Größen und Gewichte des Distanzhalter-Spektrums, wussten wir, dass schließseitig eine 1000 Tonnen Maschine ausreichen, aber spritzseitig eine Speziallösung erforderlich sein würde. Auf Basis dieser Erkenntnis entschieden wir uns als Ausgangsbasis für eine MacroPower 1000/19 000, mit der bewährten 2-Platten-Schließeinheit, in Kombination mit dem dazu passenden größten Spritzaggregat mit einer 165-mm-Schnecke. Dessen Spritzkapazität von maximal 14 433 cm³ sollte durch einen Zusatzmodul in Form eines Kolbenreservoirs auf das benötigte Volumen von

Zur Herstellung der bis zu 50 kg schweren Abstandhalter für Rohre mit den Durchmessern 200, 350, 400, 450 und 500 mm setzt Plasto bewusst auf die Flexibilität einer Standard-Großmaschine, deren Spritzkapazität durch ein Zusatzmodul vergrößert wird. Zufrieden mit dem Ergebnis sind der Plasto-Geschäftsführer Lars Stenerud, sowie Wittmann Battenfeld-Gebietsverkaufsleiter und Projektleiter Edmund Kirsch und der Geschäftsführer von Battenfeld Schweden, Christian Hiljemark. Fotos: R. Bauer

Die für den Großvolumen-Spritzguss entwickelte Maschine ist eine MacroPower 1000/19000 Standardmaschine mit 1000-Tonnen-2-Platten-Schließeinheit und einem 165-mm-Schnecken-Plastifizier- und Einspritzaggregat in Kombination mit einer 250-mm-Kolben-Spritzeinheit mit einem Maximal-Hubvolumen von 66 000 cm³. Foto: Wittmann Battenfeld

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Spritzgießtechnik rund 85 000 cm³ aufgestockt werden, so der Vorschlag von Plasto. Und, es blieb nicht nur beim Vorschlag, sondern Plasto beteiligte sich aktiv an der Umsetzung des Lösungsvorschlages. Dazu wurde von Plasto ein weiterer Partner in Form des portugiesischen Anlagenbauers Plasdan ins Boot geholt. Dessen Beitrag war eine so genannte „Shot Pot“-Einheit, eine 250-mmKolben-Einspritzeinheit mit einem rechnerischen Hubvolumen von 66 000 cm³. Diese über zwei Hydraulik-Zylinder betätigte Kolben-Einheit sollte oberhalb der Maschinen-Plastifiziereinheit auf fixen mechanischen Befestigungspunkten positioniert werden und über ein Mehrwegeventil mit dem vom Maschinen-Spritzaggregat kommenden, Massestrom verbunden werden. Dies war die Ausgangsposition für unsere Techniker.“

Ein System für 10 bis 68 kg Spritzgewicht

Die Kolben-Spritzeinheit ist als flexibel einsetzbarer Ausrüstungsmodul in der „Huckepack“Position oberhalb des Standard-Spritzaggregats montiert und über ein Mehrpositionsventil mit dem Foto: Wittmann Battenfeld Hauptaggregat verbunden.

Der Schlüssel zu den großen Schussvolumina mit der Standardmaschine ist das intelligent gestaltete Mehrwegeventil. Es leitet den Schmelzestrom des Maschinen-Spritzaggregates zu dessen Füllung in das Kolbenreservoir. Dazu wird das Repetierverfahren eingesetzt, das heißt es werden mehrere Plastifizierhübe nacheinander in den Shot Pot geleitet. Dem Repetierverfahren wurde gegenüber dem dazu sonst üblichen Intrusionsverfahren wegen der besseren Schmelzequalität der Vorzug gegeben. Formteile bis zu 47 kg PE-HD werden über das Kolbenaggregat allein gefüllt. Bei größeren Spritzgewichten wird zuerst das Kolbenreservoir gefüllt, anschließend aber zuerst mit dem Schneckenaggregat einen Maximalhub eingespritzt, gefolgt vom Einspritzhub des Kolbenaggregats. Parallel zu

Über das Mehrwegeventil kann entweder die Maschine mit dem Standard-Spritzaggregat alleine betrieben werden, bei größeren Spritzvolumina über das vorher gefüllte Kolben-Reservoir oder bei größten Volumina durch die sequentielle Kombination beider Aggregate. Foto: Wittmann Battenfeld

Wittmann Battenfeld Wittmann Battenfeld, ein Unternehmen der Wittmann Gruppe, ist ein führender Hersteller von Spritzgießmaschinen für die Kunststoffindustrie mit Firmensitz und Produktionswerk in Kottingbrunn in Niederösterreich und eigenen Vertriebs- und Servicegesellschaften, als auch Vertretungen in weltweit 60 Ländern. Das Produktionsprogramm umfasst die gesamte Spritzgießmaschinen-Palette von der Micro-Spritzgießmaschine bis zu Großmaschinen mit 1 600 Tonnen Schließkraft, sowie Vertikalmaschinen und Maschinen für den Mehrkomponenten-Spritzguss. Umfangreiche anwendungstechnische Technologiepakete runden das Angebot ab, das durch die Angebotspalette für Robotik und Peripheriegeräte aus dem Hause Wittmann ergänzt wird.

www.wittmann-group.com

Auch das Spritzgießwerkzeug ist durch spezielle Einrichtungen auf die Produktion von GroßvolumenTeilen abgestimmt. Zum einen ermöglicht das Kühlungssystem kurze Zykluszeiten, zum anderen übernehmen integrierte Nachdruckeinheiten die Schwindungskompensation unabhängig vom Foto: R. Bauer Spritzaggregat der Maschine.

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Spritzgießtechnik diesem Einspritzvorgang kann das Schneckenaggregat wieder aufdosieren und bei Bedarf im Anschluss an die Kolbeneinspritzung zusätzlich einspritzen. Dies ergibt eine maximale Schusskapazität von 94,8 Litern, oder 68 kg PE-HD. Dass die Maschine auch als Standardmaschine ohne Kombination mit dem Shot-Pot betrieben werden kann, sei der Vollständigkeit halber zusätzlich erwähnt. Alle Betriebsarten sind über die Maschinensteuerung Wittmann Battenfeld Unilog B6 anwählbar.

Plasto Plasto ist ein 1942 gegründetes norwegisches Privatunternehmen mit dem Firmensitz in Andalsnes am Romsdalsfjord in Mittelnorwegen, das in dritter Generation von der Familie Stenerud geführt wird. In den 70 Jahren des Bestehens hat sich das Unternehmen aus einem Holz verarbeitenden Betrieb, zum Schreibwarenhersteller und ab 1955 mit der Einführung des Firmennamens „Plasto“ zum Kunststoffverarbeiter gewandelt. Heute ist Plasto ein hoch automatisiertes Kunststoffverarbeitungsunternehmen mit 35 Beschäftigten und 21 Spritzgießmaschinen im Schließkraftbereich von 30 bis 1 300 Tonnen. 20 Prozent des Umsatzes gehen in die Entwicklung innovativer Spritzgussanwendungen, vor allem für die Öl- und Gas-Industrie, für Fischzucht-Unternehmen, die Möbelindustrie und in kleinerem Ausmaß für die Landwirtschaft oder die Autoindustrie.

Produktiv durch Parallelbetrieb Der ausschlaggebende Grund für die vielfältigen Betriebsoptionen des Maschinensystems und den möglichen Parallelbetrieb von Plastifizieren und Einspritzen war die Forderung, alle Optionen zur Verkürzung der Zykluszeit nutzen zu können. Als Eigenbeitrag von Plasto wurden einige Innovationen in die Spritzgießwerkzeuge integriert. Dazu zählte ein Anguss-System mit strömungsoptimiert positionierten Angussdüsen, ein leistungsfähiges Kühlungssystem und spezielle Nachdruckvorrichtungen im Werkzeug. Letzteres deshalb, da das Maschinenaggregat durch den hohen Anteil an Plastifizierzeit nur sehr kurz bis gar nicht für die Nachdruckaufbringung zur Verfügung stehen kann. Somit muss diese Funktion von eigenen Nachdruckvorrichtungen im Werkzeug übernommen werden. Das von diesen in die Kavität nachgedrückte Material hilft nicht nur mit, die Oberflächenqualität der Formteile zu verbessern, sondern auch den permanenten Kontakt des Kunststoffteils mit der gekühlten Formbildwand sicherzustellen. Unter Nutzung all dieser Möglichkeiten liegen die Zykluszeiten bei den typischen Wanddicken des produzierten Produktprogramms bei weniger als 20 Minuten. Produktiv ist die Maschine aber nicht nur durch die optimierte Prozesstech-

nik, sondern durch das Maschinensystem an sich. Beispiele sind die Antriebsenergie sparenden Leichtlauf-Linearlagern der Schließeinheit, oder die kurzen Werkzeugwechselzeiten durch die bei Maximalhub vollständig frei stehende bewegliche Maschinenplatte und die damit gegebene freie Zugänglichkeit von allen Seiten.

Erfolgreich in Produktion gegangen Nach Abschluss der Optimierungsphase hat das auf den ersten Blick ungewöhnliche Maschinenkonzept seine Bewährungsprobe bestanden. Die Maschine ist im Plasto-Werk in Mittel-Norwegen in Betrieb gegangen. Plasto-Geschäftsführer Lars Stenerud zieht Bilanz: „Nachdem wir unsere Wünsche und Vorstellungen an mehrere Maschinenhersteller herangetragen haben, fanden wir letztendlich im, für Innovationen offenen, Team von Wittmann Battenfeld die richtigen Kooperationspartner. Die Anlage erfüllt in vollem Umfang die erwarteten Leistungen,

sodass wir das erwartete Potenzial dieses Geschäftsfeldes gut nutzen können. Das ist es letztendlich, worauf es ankommt.“ Und auch der Battenfeld-Projektleiter zieht Bilanz: „Für uns als Maschinenbauer bietet das modulare Maschinenkonzept das Potenzial ähnliche Kapazitätserweiterungen praktisch in jeder Schließkraftklasse anbieten zu können. Es ist somit ein Rezept gegen teure Sonderkonstruktionen mit langen und risikoreichen Entwicklungszeiten, was nicht zuletzt auch für unsere Kunden den Vorteil von ausgereifter Serientechnik und der damit gegebenen Produktionssicherheit bietet.“

www.plasto.no

Autor: Reinhard Bauer, TECHNOKOMM Freier Redakteur für kunststofftechnische Berichte [email protected]

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K Messevorbericht Redaktionsschluss: 23. September 2013 Österreichische Kunststoffzeitschrift 7/8 2013

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Ettlinger

XXS-Energie für XXL-Spritzgussteile Die Ettlinger-2-Platten-Schließeinheiten, hier mit 2000 Tonnen Schließkraft, sind auf maximale Foto: Ettlinger Kompaktheit und größtmögliche Bedienergonomie hin konzipiert.

Das Spritzgießen sehr großvolumiger und damit sehr schwerer Formteile ist eine Anwendungsnische, in der die Wirtschaftlichkeit wesentlich von der Bauart der Einspritzeinheit bestimmt wird. Der „StandardSpritzguss“ stößt hier an konzeptbedingte technische Grenzen, die bei Schneckendurchmessern von 260 mm und Schussvolumina von rund 70 Litern liegen. Bei größeren Schussvolumina muss mit Zwillingsaggregaten und entsprechend größerem Energie- und Investitionsaufwand gearbeitet werden. Dass es dazu wirtschaftlichere Alternativen gibt, zeigt ein Projektbericht des süddeutschen Maschinenbau-Unternehmens Ettlinger in Königsbrunn bei Augsburg auf. Vorgestellt wird ein Maschinensystem, das die Funktionen „Plastifizieren“ und „Einspritzen“ über zwei, in modularen Größen kombinierbare, Aggregate aufgeteilt hat. Damit sind auch größte Formteile mit einem Volumen von 140 Litern und mehr zu vergleichsweise höchst interessanten Kosten für Anlagen und Energie produzierbar. Ettlinger beschäftigt sich seit 1983 mit der Entwicklung und dem Bau von alternativen Spritzgießkonzepten als Ergänzung zur konventionellen Spritzgießtechnik. Charakteristisches Merkmal aller Ettlinger-Spritzgießsysteme ist die Trennung der Funktionen „Plastifizieren“ und „Einspritzen“. Dazu wird ein Hochleistungs-Extruder mit einer separaten Kolbenspeicher- und Einspritzeinheit gekoppelt. Beide Funktionseinheiten sind in abgestuften Größen- und Leistungsklassen verfügbar. Sie können, wie

in einem Baukastensystem, flexibel miteinander kombiniert werden. Der Vorteil des Konzepts ist, dass damit technische Kompromisse, wie sie wegen der geometrischen Zwangsläufigkeit bei Durchmesser und Hub an einstufigen SchneckenkolbenPlastifizier- und Einspritzeinheiten gegeben sind, ausgeschaltet werden. Zusätzlich bietet das Ettlinger-Konzept ein Höchstmaß an Universalität. Es eignet sich gleichermaßen zur Verarbeitung von Kunststoff-Neuware und Rezyklaten, die auch einen bestimmten

Gehalt an Fremdstoffen aufweisen dürfen. Der Grund dafür liegt im Aggregatkonzept die Rückstromsperre einer konventionellen Spritzgießschnecke, deren enger Durchflussquerschnitt damit kein Hindernis für Material-Verunreinigungen darstellt. Ein spezieller Fokus der Ettlinger-Technik ist die Anwendung des eigenen Expertenwissens zur Herstellung von Großvolumen-Formteilen. Darüber hinaus beschäftigen sich die Ettlinger-Ingenieure aber auch mit ausgefallenen Sonder-Spritz-

Die 130-L-Kolben-Einspritzeinheit wird vom parallel dazu angeordneten 70-mm-Hochleistungs-Extruder befüllt. Dazwischen befindet sich ist ein Sperrschieber. Fotos: Ettlinger/R. Bauer

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Spritzgießtechnik gießmaschinen, vorzugsweise in großen Dimensionen, wie Offshore-Anlagen zum Umspritzen von Schweißnähten an großen Rohren auf Pipeline-Verlegeschiffen. .

Zweistufen-Aggregate Wie oben erwähnt, sind Ettlinger-Spritzaggregate grundsätzlich zweistufig ausgeführt. Das Plastifizieraggregat in Form eines Extruders ist mit einer separaten Kolben-Einspritzeinheit kombiniert. Eingesetzt werden in der Regel klein dimensionierte, energiesparende Spezialextruder. Der Extruder läuft allerdings nicht kontinuierlich, sondern zyklisch. In Abstimmung mit dem Spritzzyklus fördert der Extruder die Polymerschmelze druckgeregelt in den Schmelzespeicher. Der Einspritzkolben drückt die Schmelze anschließend durch eine druck- und geschwindigkeitsgeregelte Vorwärtsbewegung in das Werkzeug. Das verfahrenstechnische Zusammenspiel von Extrusions- und Einspritzeinheit wird anschaulich über die Maschinensteuerung eingestellt und visualisiert. Der Vorteil des Systems ist, dass große Schussvolumina mit einer hohen Schmelzequalität bei vergleichsweise geringen Schließkräften realisiert werden können. Bei den kleinen und mittleren Ettlinger-Spritzgießmaschinen sind das 5 bis 32 Liter mit 200 bis 800 Tonnen Schließkraft. Auf den Großmaschinen mit bis zu 3  000 Tonnen Schließkraft ist die Verarbeitung von bis zu 160 Liter Kunststoffschmelze pro Schuss möglich.

Hochleistungsextruder plastifiziert Das konkrete Anwendungsbeispiel bezieht sich auf eine Maschine vom Typ Ettlinger srm 2000/130 mit einer Schließkraft von 2000 Tonnen (20  000 kN) und einer Spritzkapazität (Speichervolumen) von 130  000 cm³. Konzipiert wurde sie zur Herstellung großvolumiger Formteile mit großen Wandstärken, beispielsweise Gehäusekomponenten oder Rohrfittings, aus hochviskosem PE 80-100 mit einem MFI von 0,2 – 0,9 g/10min mit einem Stückgewicht von 50 bis 90 kg. Der hier eingesetzte Extruder mit einer Hochleistungs-Barriereschnecke mit lediglich 70  mm-Durchmesser liefert eine Plastifizierleistung bis zu 150  g PE  100 pro Sekunde. Dem entsprechend können 50 kg in rund 5,5 Minuten plastifiziert werden, beziehungsweise das Maximalgewicht von 90 kg in lediglich 10 Minuten.

Die Leistungsdaten des Hochleistungs-Extruders sind so bemessen, dass nur etwa 10 bis 15 Prozent der Zykluszeit zum Plastifizieren benötigt wird. Das Zusammenspiel zwischen Extruder und Einspritzeinheit kann in einem weiten Bereich variiert werden. Foto: Ettlinger

Pumpe wird nach dem Einspritzen und Nachdrücken und dem anschließenden Plastifizieren abgeschaltet und steht bis zum Ende der Kühlzeit still. Da während diesen 20 bis 30 Minuten Wartezeit die Temperatur der Schmelze im Schmelzespeicher sehr gut homogenisiert wird, bietet dies die besten Voraussetzungen für ein energiesparendes Einspritzen mit dem Kolbenaggregat. In der Summe aller Einzeleffekte führt dies zu einem deutlich niedrigeren spezifischen Energieverbrauch pro plastifiziertem Kilogramm Kunststoff, verglichen mit der gleichen Anwendung auf einer konventionellen SchneckenkolbenSpritzgießmaschine. Messungen haben gezeigt, dass im konkreten Anwendungsfall eine spezifische Plastifizierenergie von deutlich unter einer kWh pro kg plastifizierten Material erreichbar ist und damit bis zu rund 40  % niedriger als auf einer Schneckenkolbenmaschine.

Zweiplatten-Schließeinheit – kompakt, ergonomiefreundlich Ettlinger-Zweiplatten-Schließeinheiten sind maximal kompakt ausgeführt und tra-

gen durch ihre Detailkonzeption ebenfalls zur Senkung des Energieverbrauchs bei. So ist die bewegliche Aufspannplatte über einen Fahrschlitten auf Leichtlauf-Rollenführungen auf dem Basisrahmen geführt. Die Verfahrbewegungen erfolgen durch zwei diagonal positionierte Hydraulikzylinder. In der Schließposition werden die in der festen Aufspannplatte fixierten Holme über je eine Segmentkupplung in der beweglichen Platte, die in die Segmentenden der Holme eingreifen, gekuppelt. Im Sinne der Energieeffizienz werden zur Bewegung der Schließeinheit insgesamt geringe Ölmengen umgewälzt. Die Längenverstellung der Holme ist mit der festen Platte kombiniert. Damit ragt kein Maschinenteil über die Grundfläche der Schließeinheit hinaus und hält sie somit optimal kurz. Der Öffnungshub der srm 2000-Schließeinheit ist bei einer Werkzeug-Einbauhöhe von 800 bis 1 800 mm mit 3  200 mm so großzügig bemessen, dass bei vollem Öffnungshub die Werkzeuge seitlich an den Holmen vorbei in die Schließeinheit eingesetzt werden können und damit die Logistik des Werk-

Serieller Betrieb für höchste Wirtschaftlichkeit Da im konkreten Anwendungsfall die Plastifizierzeiten bei 5,5 bis 6 Minuten liegen, die Kühlzeiten aber im Bereich von 40 bis 60 Minuten, ist innerhalb des Zyklusablaufs ausreichend Flexibilität für einen sequentiellen Zyklusablauf vorhanden. Somit besteht keine Notwendigkeit für parallel ablaufende Maschinenbewegungen. Damit konnte eine Maschine mit einem Ein-Pumpen-System realisiert werden. Eingesetzt wird eine druck- und mengengeregelte Verstellpumpe, welche im Aussetzbetrieb mit Sanftanlauf betrieben wird. Die

Ettlinger Groß-Spritzgießmaschinen, hier der Typ Ettlinger srm 2000/130 sind die Kombination aus einer 4-Holm-2-Platten-Schließeinheit und einer 2-Stufen-Plastifizier-/Spritzeinheit Fotos: R. Bauer

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Spritzgießtechnik zeugwechsels sehr erleichtern. Der holmfreie Arbeitsraum steht bei Bedarf auch für einen seitlich neben der Maschine positionierten Entnahmeroboter als hindernisfreier Eingriffsraum zur Verfügung.

Resümee Thorsten Ettlinger, technischer Geschäftsführer, fasst zusammen: „Je größer die Teilevolumina werden, desto mehr sind die Extrusionsqualitäten eines Plastifiziersystems gefragt. Ein einstufiges Schneckenkolben-Aggregat muss immer eine Kompromisslösung aus Plastifizierleistung, Temperaturhomogenisierung im Schmelzeraum und der Funktion als Einspritzkolben sein. Plastifiziervermögen und Einspritzvolumen stehen in einem unveränderlichen Zusammenhang mit dem Aggregatdurchmesser. Bei unserem Konzept können wir die Durchmesser der Extrusionseinheit und des Kolbenaggregates frei wählen und bedarfsgerecht kombinieren. Darüber hinaus sind wir beim Druckaufbau während des Einspritzvorgangs nicht von der Funktionscharakteristik einer Rückstromsperre abhängig. Somit liegt auf der Hand, dass bei unserem Maschinensystem der technische Aufwand geringer und beherrschbarer ist als bei Lösungen, bei denen Standard-Spritzgießtechnik eingesetzt wird. Ein zusätzlicher Vorteil ist in der kompakten Baugröße der Gesamtanlage zu sehen. So hat die hier beschriebene Maschine mit einem Einspritzvolumen von 130 Liter und einem maximalen Öffnungshub von 3  200 mm eine Grundrissfläche von lediglich 3,8  m × 3,5  m.“

Maßgeschneidert zur Produktion von Formteilen der obersten Volumen- und Gewichtsklasse mit langen Kühlzeiten kann die Anlage mit einer sequentiellen Bewegungsfolge betrieben werden. Dies ermöglicht ein Einpumpenlayout für die Hydraulikanlage. Foto: Ettlinger

Ettlinger-Vertriebsleiter Karsten Bräunig ergänzt: „Angesichts ihrer besonderen Technologie bieten unsere Spritzgießsysteme einen Return-on-Investment innerhalb wirtschaftlich interessanter Zeiträume. Aber es ist nicht nur das Anlagen-Investment, das Vorteile gegenüber dem Standard-Spritzguss bietet, sondern auch die laufenden Betriebsaufwendungen. Unsere Anlagen verbrauchen vergleichsweise deutlich weniger Energie, wie die Erfahrungen unserer Kunden im Produktionsbetrieb belegen.“

Bei vollem Öffnungshub können Spritzgießwerkzeuge ohne die Einschränkungen durch die Holme sowohl von oben, als auch seitlich, ein- und ausgebaut werden. Foto: Ettlinger

Autor: Reinhard Bauer, TECHNOKOMM [email protected]

Ettlinger Kunststoffmaschinen GmbH Die Ettlinger Kunststoffmaschinen GmbH wurde 1983 gegründet und ist weltweit aktiv. Der Hauptsitz des deutschen Unternehmens ist in Königsbrunn bei Augsburg. Kernkompetenz ist die Entwicklung und Fertigung von Spritzgießmaschinen und Hochleistungsschmelze­ filtern. Die Spritzgießmaschinen sind für die Produktion von Kunststoffteilen mit Gewichten von bis zu 100 Kilogramm – beispielsweise Kunststoffpaletten, Fittings oder Schachtsysteme – besonders geeignet. Ein durchdachtes Baukastensystem erlaubt es Ettlinger, kostengünstige Lösungen und Maschinenkonzepte für einen großen Aufgabenbereich zu bieten. Im Bereich der Schmelze­filtrierung stellt das Unternehmen kontinuierlich arbeitende Hochleistungsschmelzefilter für besonders stark verunreinigte Kunststoffe her. Aus allen gängigen Polymeren können Verschmutzungen wie Papier, Aluminium, Holz, Silikone, sowie höher aufschmelzende Kunststoffe herausgetrennt werden.

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