Soziales Engagement politisch denken

Zur Reihe Die außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung findet in vielfältigen Arbeitskontexten statt. Diese Kontexte verknüpft die Rei...
Author: Adrian Schulze
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Zur Reihe Die außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung findet in vielfältigen Arbeitskontexten statt. Diese Kontexte verknüpft die Reihe NON-FORMALE POLITISCHE BILDUNG. Die ausgewählten Publikationen der Reihe schlagen alle eine Brücke zwischen theoretischer Reflexion und praktischer Arbeit und sind dadruch eine gewinnbringende Lektüre für alle, die im Feld der politischen Bildung tätig sind.

Götz Widmaier Wohnig (Hrsg.) Soziales Engagement politisch denken

Zum Inhalt Engagement und Partizipation genießen heute in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Vor diesem Hintergrund ist das in der politischen Bildung traditionsreiche Bildungsziel „Partizipation“ für die eigene Profession zu überprüfen und zu präzisieren: Wie können Theorie und Praxis einer handlungsorientierten politischen Bildung zeitgemäß weiter entwickelt werden und wie kann politische Bildung auf neue gesellschaftliche Herausforderungen und Trends reagieren. Mit den hier dargestellten Ergebnissen eines Projekts an der Schnittstelle von sozialem Engagement und politischer Bildung wird deutlich, dass soziale Erfahrungen sehr gut geeignet sind, die Frage nach dem Politischen im engeren Sinne zu stellen und damit einer Kernaufgabe der politischen Bildung nachzukommen. Der Band beschreibt entsprechende Kooperationen zwischen Schule und außerschulischer politischer Bildung und liefert darüber hinaus Anregungen aus der Wissenschaft.

Michael Götz Benedikt Widmaier Alexander Wohnig (Hrsg.)

Soziales Engagement politisch denken Chancen für Politische Bildung

ISBN 978-3-89974967-0

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Michael Götz, Benedikt Widmaier, Alexander Wohnig (Hrsg.)

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NON-FORMALE POLITISCHE BILDUNG Band 4

Michael Götz, Benedikt Widmaier, Alexander Wohnig (Hrsg.)

Soziales Engagement politisch denken Chancen für Politische Bildung

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliogra­fische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Mit freundlicher Unterstützung der „Aktion Mensch“

Die Reihe „Non-formale politische Bildung“ wird herausgegeben von Ina Bielenberg, Benno Hafeneger, Klaus-Peter Hufer, Barbara Menke, Wibke Riekmann, Klaus Waldmann und Benedikt Widmaier. Der Beirat der Reihe besteht aus Helle Becker, Peter Brandt, Helmut Bremer, Klaus Brülls, Stephan Bundschuh, Mike Corsa, Siegfried Frech, Daniel Grein, Lothar Harles, Michaela Köttig, Jens Korfkamp, Dirk Lange, Yvonne Niekrenz, Bernd Overwien, Melanie Piepenschneider, Albert Scherr, Achim Schröder, Benedikt Sturzenhecker, Andreas Thimmel, Matthias Witte und Christine Zeuner.

© WOCHENSCHAU Verlag, Dr. Kurt Debus GmbH Schwalbach/Ts. 2015 www.wochenschau-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgend­einer Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Umschlaggestaltung: Ohl Design Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Gesamtherstellung: Wochenschau Verlag ISBN 978-3-89974967-0Ê­ ÕV…® - ʙÇn‡Î‡ÇÎ{{‡ääÇLJÎÊ­ ‡LœœŽ®Ê

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Inhalt .................................................................................................. Zur Einführung

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I. Soziale Praxis und politisches Lernen Erfahrungen aus einem Projekt der politischen Bildung .................................................................................................. Benedikt Widmaier Soziales.................................................................................................. Lernen, Politische Bildung und politische Partizipation 15 Michael Götz Soziale Praxis & Politische Bildung. Compassion & Service Learning politisch denken - das Projekt .................................................................................................. 27 Stefan Gönnheimer Politische Bildung und soziale Praxis. Pädagogische Anmerkungen zu einem Praxismodell politischer Bildung .................................................................................................. 45 Stephanie Brombach Politische Bildung in der Berufsschule und die Kooperation mit einer außerschulisch politischen Bildungseinrichtung .................................................................................................. 53 Paul Lang Compassio macht Schule. Soziales Engagement an der Stiftsschule St. Johann in Amöneburg .................................................................................................. 61 Alexander Wohnig Soziales und politisches Lernen verbinden. Vorläufige Forschungsergebnisse aus dem Projekt „Soziale Praxis & Politische Bildung Compassion und Service Learning politisch denken“ .................................................................................................. 67 Michael Götz, Alexander Wohnig Chance(n) für die Politische Bildung. Denkansätze und Forderungen .................................................................................................. 85

II. Das „Soziale“ und das „Politische“ - Politische und politikdidaktische Perspektiven sozialen Engagements .................................................................................................. David Salomon Das Soziale als das Politische? Politik, Wirtschaft und Gesellschaft als Problem einer politisch-soziologischen Bildung .................................................................................................. 97

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Andreas Eis Soziale Praxis und politisches Lernen in der entpolitisierten Aktivgesellschaft .................................................................................................. 119 Jürgen Gerdes Menschenrechtsbildung zwischen sozialem und politischem Lernen .................................................................................................. 141 Stefan Selke Zwischen Aufklärung und informierter Ignoranz. „Tafeln“ als Gegenstand politischer Bildung .................................................................................................. 163 Nadine Balzter, Achim Schröder Zum Verhältnis von sozialem und politischen Lernen in der außerschulischen politischen Jugendbildung. Empirische Einsichten aus Interviews .................................................................................................. 187 Alexander Wohnig Aktuelle Perspektiven auf Engagement und Folgen für politische Bildung .................................................................................................. 201 Autorinnen und Autoren .................................................................................................. 219

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Zur Einführung

Engagement und Partizipation genießen heute in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Ob in Familien, Kindergärten, Wohnheimen, Schulen, Betrieben, in Bildungskonzepten oder in der Bildungspraxis. Kaum eines dieser Felder kann sich heute öffentlich präsentieren, ohne dabei zu betonen, dass selbstverständlich alle beteiligten Personen berechtigt und aufgerufen sind, an den jeweils gemeinsamen Aufgaben zu partizipieren. Auch politisch gilt „Engagement“ seit einigen Jahren als ein wichtiges Anliegen: Nationale Engagementberichte und Nationale Engagementstrategien, ein eigener Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement im Bundestag und ein politisch durchaus einflussreiches Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement legen davon Zeugnis ab. Dazu kommen bisher drei Wellen von ambitionierten und aufwendigen Freiwilligensurveys und eine schnell gewachsene Forschung zum so genannten „Dritten Sektor“, einschließlich neuer Wissenschaftlicher Institute. Auch die Wirtschaft kann sich dem nicht entziehen und Unternehmen entwickeln eilig und zahlreich Corporate-Citizenship-Strategien. Dass vor diesem Hintergrund heute von einem eigenen Politikfeld „Engagementpolitik“ gesprochen wird, ist bemerkenswert und unterstreicht die Bedeutung, die der gesellschaftlichen Teilhabe und der politischen Teilnahme offenbar beigemessen wird. Last but not least zeigt sich die Bedeutung des Themas darin, dass Kanzlerin Angela Merkel „Engagment“ als Thema in ihrer Neujahrsansprache 2014 aufgegriffen hat und die Bürgerinnen und Bürger zu mehr bürgerschaftlichem Engagement aufrief. Das komplettiert sozusagen das Gesamtbild um die gewachsene Bedeutung von „Engagement“. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die Frage des „Engagements“ auch an der politischen Bildung nicht vorbei gegangen ist, zumal das politische Handeln gemeinsam mit der Vermittlung von politischem Wissen und der Schärfung der politischen Urteilskraft vielleicht als das wichtigste Ziel der politischen Bildung bezeichnet werden kann. Neben der politischen Bildung – auch das ist im Fahrwasser der Engagementeuphorie und der Aktivierungsideologie nicht weiter erstaunlich (vgl. dazu den Beitrag von

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Wohnig im zweiten Teil dieses Bandes) - hat sich als neues pädagogisches Praxisfeld die sogenannte „Demokratiepädagogik“ entwickelt, flankiert mit großen Programmen (vor allem: BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ 2002 – 2006) und unterstützt durch einen Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2009 zur „Stärkung der Demokratieerziehung“. Alles in allem stellen diese Entwicklungen also eine ernstzunehmende Herausforderung für die etablierte politische Bildung dar (vgl. dazu auch Wohnig 2014). In Anbetracht der großen öffentlichen Wertschätzung für die Demokratiepädagogik - und das in Zeiten, in denen die politische Bildung einen nicht unbeträchtlichen Bedeutungsverlust hinnehmen musste - wundert es nicht, dass es zwischen der „neuen“ Demokratiepädagogik und der „alten“ politischen Bildung zu heftigen Kontroversen, Debatten und Konkurrenzen kam. Zurecht wiesen Vertreter/innen der politischen Bildung dabei darauf hin, dass die politische Bildung in Deutschland nach 1945 selbstverständlich von Anfang an und vorrangig „Demokratie-Lernen“ war und ist (vgl. dazu den Beitrag von Salomon in diesem Band). Während die Vertreter/ innen der Demokratiepädagogik der politischen Bildung vor allem vorwarfen, diese habe das Bildungsziel Partizipation aus den Augen verloren (vgl. Widmaier/Nonnenmacher 2011). Als eine zu diesem „engagierten“ Zeitgeist passende Demokratietheorie bot sich Robert S. Putnams Theorie des „Sozialen Kapitals“ an, die in den vergangenen Jahrzehnten europaweit großen Einfluss auf die politische Theoriebildung (active citizenship) und die politische Praxis der EU hatte (vgl. Widmaier 2011). Dieser Theorie folgend geht auch die sozialpädagogische Theoriebildung bis heute davon aus, dass soziales Engagement junger Menschen gewissermaßen automatisch in politische Partizipation übergeht, dass es also eine Art Spillover-Effekt zwischen sozialer und politischer Teilnahme gibt. Auch wenn diese Zusammenhänge ausführlich diskutiert wurden und dabei deutlich wurde, dass ein solcher Spillover-Effekt, ohne ihn auch anregend durch politische Bildung und Reflexion zu begleiten, kaum wahrscheinlich ist, wird die Spillover-Hypothese, die u.a. auf amerikanischer Forschung zu gemeinnützigen Tätigkeiten basiert (Youniss/Yates 1997), immer noch mit empirischer Forschung unterstützt (vgl. Reinders 2014 und kritisch dazu den Beitrag von Wohnig im zweiten Teil dieses Bandes). In diesen Kontext ist auch das hier vorgestellte Modellprojekt „Soziale Praxis & Politische Bildung - Compassion & Service Learning politisch denken“ einzuordnen (vgl. Götz 2013), das eine längere Vorgeschichte hat: In der Zusammenarbeit der Akademie „Haus am Maiberg“ mit dem Landesverband Hessen der „Deutschen Vereinigung für politische Bildung“ ha-

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ben die oben dargestellten Fachdebatten eine wichtige Rolle gespielt und viele interne Diskussionen und gemeinsame Tagungen angeregt. Die aus den Tagungen entstandenen Publikationen haben fast alle einen Bezug zur zentralen Frage der Partizipation, ob es um Fragen der Weltbürgerschaft (Widmaier/Steffens 2010), der Europäischen Citizenship Education (Nonnenmacher/Widmaier 2011), um die Integration bildungsferner Zielgruppen in die politische Bildung (Nonnenmacher/Widmaier 2012) oder eben um „Partizipation als Bildungsziel“ (Widmaier/Nonnenmacher 2011) ging. Sowohl Frank Nonnenmacher, als einer der damaligen Vorsitzenden der DVPB Hessen, als auch Benedikt Widmaier, als Direktor der Akademie „Haus am Maiberg“, waren Mitglieder im „Transferausschuss Demokratie lernen & leben“ des Hessischen Kultusministeriums, der das bereits erwähnte große Programm der Demokratiepädagogik „Demokratie lernen & leben“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) in Hessen begleitete. Insofern waren beide in engem Kontakt mit Vertretern/innen der Demokratiepädagogik und lernten früh die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Demokratiepädagogik und der schulischen und außerschulischen politischen Bildung kennen. Beide setzten sich damit auch in ihren Publikationen auseinander, Nonnenmacher insbesondere mit der Praxis des so genannten „Service Learning“ (vgl. etwa Nonnenmacher 2009), Widmaier insbesondere mit Beiträgen zum Unterschied von sozialem Lernen und politischer Bildung (u.a. Widmaier 2009, vgl. auch den Beitrag von Widmaier in diesem Band). In dieser produktiven Arbeitsbeziehung sind auch die ersten Ideen zum Projekt „Soziale Praxis & Politische Bildung - Compassion & Service Learning politisch denken“ entstanden. Es war deutlich, dass die politische Bildung kaum über praktische Erfahrung verfügte, die angemessene theoretische und praktische Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen sozialem und politischem Lernen erlaubt hätten. Deshalb waren die folgenden erkenntnisleitenden Fragen, ob es tatsächlich Spillover-Effekte zwischen sozialem Engagement und politischer Partizipation gibt und wie solche Effekte ggf. durch politische Bildung angeregt oder verstärkt werden können, zunächst nur hypothetisch zu beantworten. Auch die wissenschaftliche Begleitung des BLK-Programms „Demokratie lernen & leben“ sprach in ihrem Abschlussbericht von „Partizipationsverdrossenheit“, gegen die mithilfe des BLK-Programms nicht wirklich etwas bewirkt werden konnte und zog so ebenfalls eine eher skeptische Bilanz (Abs u.a. 2007). In dieser Gemengelage entschloss sich die Akademie „Haus am Maiberg“ ein Projekt zu entwickeln und der Frage nachzugehen, wie die außerschuli-

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sche politische Bildung soziales Engagement von Schülern/innen begleiten und wie dadurch politisches Lernen angeregt werden kann. Die Ausgangshypothese für ein solches Projekt klingt zunächst trivial: Die Erfahrungen, die junge Menschen im Rahmen eines sozialen Praktikums, eines ServiceLearning- oder Compassion-Einsatzes machen, sind auch gut geeignet, um über die politischen Hintergründe dieser Erfahrungen zu reflektieren. Die Teilnehmer/innen sollten also angeregt werden, gezielt zu hinterfragen und zu analysieren, welche politischen Dimensionen und institutionellen Rahmenbedingungen sich hinter der sozialen Realität verbergen und wie politische Entscheidungen und Machtkonstellationen zu dieser - wie auch immer erlebten - sozialen Realität beigetragen haben. Dank der großzügigen Unterstützung der „Aktion Mensch“ konnte zwischen 2011 und 2013 unter Federführung der Akademie „Haus am Maiberg“ ein entsprechendes größeres dreijähriges Projekt durchgeführt werden. Beteiligt waren daran nicht nur viele Schulen, sondern mit der „Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg“ auch ein Schulverband, zahlreiche Tagungshäuser und Akademien und mit der „Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke“ auch ein weltanschaulich geprägter nationaler Dachverband der nonformalen politischen Bildung. Die wissenschaftliche Begleitung übernahm der Nachwuchswissenschaftler Alexander Wohnig, der zur Zeit, begleitet von Frank Nonnenmacher, dazu eine abschließende Dissertation erarbeitet. Der erste Teil der vorliegenden Publikation berichtet zunächst noch einmal über einen Teil der hier skizzierten Vorgeschichte (Widmaier) und dann ausführlich und unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte über das Modellprojekt „Soziale Praxis & Politische Bildung - Compassion & Service Learning politisch denken“. Michael Götz, der das Projekt mit vorbereitet und geleitet hat, stellt in seinem Beitrag das Projekt vor, bevor Alexander Wohnig - als Zwischenfazit seiner wissenschaftlichen Begleitung - einige Forschungsergebnisse präsentiert. Gemeinsam formulieren Götz und Wohnig in einem weiteren Beitrag Ergebnisse, Denkansätze und Forderungen für gelingende politische Bildung, die sie aus den Erfahrungen des Projektes schlussfolgern. Ergänzt werden die Praxisberichte durch Beiträge von Stefan Gönnheimer von der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg sowie von Stephanie Brombach und Paul Lang, zwei Lehrkräfte aus sehr unterschiedlichen kooperierenden Schulen. Der zweite Teil präsentiert über die eher praxisbezogene Vorstellung des Projekts „Soziale Praxis & Politische Bildung – Compassion & Service Learning politisch denken“ hinaus weitere theoretische und praktische Überlegungen zum Thema und beleuchtet das Verhältnis von „Sozialem“ und „Politischem“, von sozialem und politischem Lernen sowie sozialem und

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politischem Engagement aus verschiedenen Perspektiven. Alle Autoren/innen waren in das Projekt involviert, haben etwa auf Tagungen im Rahmen des Projekts referiert, haben die wissenschaftliche Begleitung mit unterstützt oder sind seit Jahren in die entsprechende inhaltliche Debatte mit der projektleitenden Institution „Haus am Maiberg“ involviert. David Salomon reflektiert die Bedeutung so genannter „legitimatorischer Trennmodelle“ (Nullmeier) zwischen Politik und Ökonomie für die Theoriegeschichte und Gegenwart politischer Bildung. Andreas Eis fragt aus politikdidaktischer Perspektive nach dem Verhältnis von sozialem Tun und politischem Lernen im Kontext einer entpolitisierten Gesellschaft. Jürgen Gerdes berichtet von einem vergleichbaren Projekt mit dem Titel „Lions Quest - Erwachsen handeln“, in dem in ähnlicher Art und Weise versucht wurde, soziales Engagement und politische Bildung, hier vor allem Menschenrechtsbildung, miteinander zu verbinden. In den Seminaren des Projekts „Soziale Praxis & Politische Bildung Compassion & Service Learning politisch denken“ spielte mehrfach das Thema „Tafeln“ eine Rolle, weil Schüler/innen auch dort ihr soziales Praktikum absolvierten. Stefan Selke, der als der Fachmann zum Thema gilt und auf der Abschlusstagung des Projekts referiert hat, wirft in seinem Beitrag aus soziologischer Perspektive einen kritischen Blick auf das Thema „Tafeln“. Nadine Balzter und Achim Schröder beleuchten das Verhältnis von sozialem und politischem Lernen aus der Perspektive der außerschulischen politischen Jugendbildung und stellen dabei u.a. Ergebnisse ihrer aktuellen empirischen Studien zur Wirkungsforschung politischer Jugendbildung vor. Abschließend untersucht Alexander Wohnig die „Engagementbegeisterung“ in verschiedenen Bereichen von Gesellschaft, Politik und Pädagogik. Er macht deutlich, warum ein Spillover-Effekt zwischen sozialem Engagement und politischer Partizipation in Zweifel zu ziehen ist und fragt danach, welche Konsequenzen dieser skeptische Umgang mit empirischer Forschung für Theorie und Praxis der politischen Bildung hat. Im Ergebnis hat das Projekt „Soziale Praxis & Politische Bildung – Compassion & Service Learning politisch denken“ bestätigt, dass soziales Engagement und soziale Erfahrungen von Jugendlichen sehr gut geeignet sind, mit den zentralen Fragen der politischen Bildung zu intervenieren und erfolgreich die Ziele politischer Bildung zu erreichen: Die hier vorliegenden Berichte unterstreichen eindrucksvoll, dass durch angeleitete Reflexionen politisches Wissen vermittelt wurde, die Teilnehmenden ihre Urteilskompetenz stärken konnten und zum politischen Handeln angeregt wurden.

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Literatur Abs, Hermann Josef, Roczen, Nina, Klieme, Eckhard (2007): Abschlussbericht zur Evaluation des BLK-Programms „Demokratie lernen und leben“, Frankfurt/M. Götz, Michael (2013): Projekt: Soziale Praxis und politische Bildung. Compassion und Service Learning politisch denken, in: Ingo Juchler (Hrsg.), Projekte in der politischen Bildung, Bonn, S. 185–200. Nonnenmacher, Frank (2009): Politische Bildung in der Schule. Demokratisches Lernen als Widerspruch im System, in: Jahrbuch für Pädagogik 2009, Frankfurt/M., S. 269–279. Reinders, Heinz (2014): Jugend - Engagement – Politische Sozialisation. Gemeinnützige Tätigkeit und Entwicklung in der Adoleszenz, Wiesbaden. Reinhardt, Sibylle (2009): Ist soziales Lernen auch politisches Lernen? Eine alte Kontroverse scheint entschieden. In: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik 2009, Heft 1, S. 119–125. Widmaier, Benedikt (2009): Soziales Lernen und Politische Bildung. Oder: Wie entsteht politische Partizipation?, in: Kursiv -– Journal für politische Bildung, Heft 1/2009, S. 54–60. Widmaier, Benedikt (2011): Activ Citizenship. Ein praktischer Ansatz europäischer Menschenrechtsbildung und seine Probleme, in: Menschenrechte und Bildung, Jahrbuch für Pädagogik 2011, Frankfurt/M., S. 287–300. Widmaier, Benedikt, Nonnenmacher, Frank (Hrsg.) (2012): Unter erschwerten Bedingungen. Politische Bildung mit bildungsfernen Zielgruppen, Schwalbach/Ts. Widmaier, Benedikt, Nonnenmacher, Frank (Hrsg.) (2011): Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der Politischen Bildung, Schwalbach/Ts. Widmaier, Benedikt, Nonnenmacher, Frank (Hrsg.) (2011): Active Citizenship Education. Internationale Anstöße für die Politische Bildung, Schwalbach/Ts. Widmaier, Benedikt, Steffens, Gerd (Hrsg.) (2010): Weltbürgertum - Kosmopolitisierung - Politische Bildung. Interdisziplinäre Blicke auf Leitbilder und Perspektiven, Schwalbach/Ts. Wohnig, Alexander (2014): Beteiligung fordern und fördern? Engagement-Lernen in Politik, Gesellschaft und politischer Bildung, in: Andreas Eis/David Salomon (Hrsg.), Gesellschaftliche Umbrüche gestalten. Transformationen in der Politischen Bildung, Schwalbach/Ts., S. 213–230. Youniss, James, Yates, Miranda (1997): Community service and social responsibility in youth, Chicago.

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I. Soziale Praxis und politisches Lernen Erfahrungen aus einem Projekt der politischen Bildung

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