Schlachtengedenken in der Stadt VON KLAUS GRAF

An der Apostelkirche zu Münster1, der ehemaligen Klosterkirche der Minoriten, erblickt man an einem Strebepfeiler des Schiffs eine lateinische Inschrift, die auf den Begräbnisplatz der in der Schlacht bei Varlar am 18. Juli 1454 gefallenen münsterischen Bürger hinweist und zum Gedenken an sie aufruft: Dic ave Maria. 1465 war vom Rat und den Gilden am Jahrtag der Schlacht, dem Arnulfstag, eine jährliche Memorie zu den Minoriten für diejenigen gestiftet worden, die vor Varle dot bleven sint. Die Bürger hatten in der Schlacht von Varlar, dem Höhepunkt der militärischen Auseinandersetzungen während der münsterischen Stiftsfehde, eine Niederlage erlitten. Das Domkapitel hingegen, dessen Mehrheit gegen den von den Bürgern unterstützten Johann von Hoya Partei genommen hatte, beging am gleichen Tag in der Domkirche den liturgischen Jahrtag für die Gefallenen als Siegesfeier. In dem Memorienbuch des Doms wurde ein kurzgefaßter Schlachtbericht mit einer Liste der auf der Seite der Sieger Gefallenen eingetragen. Daß sich unter den Beschlüssen der Landstände von 1525 die Forderung nach Aufhebung dieses Jahrtags findet, läßt den politischen Charakter solcher Erinnerung deutlich hervortreten2. Die öffentliche Vergegenwärtigung von Sieg und Niederlage war ein Teil des latenten Konflikts zwischen Domkapitel und Stadt. Es geht im folgenden um städtische Ereignisüberlieferung, um die Erinnerung an kriegerische Auseinandersetzungen, Schlachten und Belagerungen, und um ihre Bedeutung für die Bürgerschaft. Meine Beispiele setzen im frühen 14. Jahrhundert ein und berücksichtigen den Dreißigjährigen Krieg nicht mehr. Sie beziehen sich sowohl auf ober- als auch auf niederdeutsche Städte. In besonderem Maße zu beachten sein wird das Ineinandergreifen der verschiedenen »Medien« der historischen Kultur: Riten (Abschnitt 1), Zeichen und Bilder (Abschnitt 2) und literarische Formen, nämlich Historiographie, historische Überlieferungen (»Sagen«), Spruch und Lied 1 Dem Südwestdeutschen Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung habe ich für die nachträgliche Aufnahme des Beitrags zu danken. Er geht zurück auf einen Vortrag vor dem Kolloquium des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster am 4. Juli 1986. 2 Max GEISBERG, Die Stadt Münster, Bd. 6. Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen 41. Münster 1941, Neudruck 1977, S. 224; Karl-Heinz KIRCHHOFF, Die Unruhen in Münster/W. 1450-1457. In: Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit, hg. von Wilfried EhBRECHT. Städteforschung A 9. Köln-Wien 1980, S. 153-312, hier S. 215, 230; Joseph HANSEN, Westfalen und Rheinland im 15.Jahrhundert. Bd. 2: Die Münsterische Stiftsfehde. Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 42. Nachdruck Osnabrück 1965, S. 109*. Zur Inschrift vgl. auch den Katalog: Münster 800-1800. Münster 1984, S. 70f. mit Abbildung.

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(Abschnitt 3)3. Vorarbeiten aus der Perspektive der vergleichenden Städtegeschichte fehlen. Heranzuziehen ist freilich die Forschung über die eidgenössischen Schlachtjahrzeiten4, wobei der Begriff des »Agonalen« neu zu diskutieren wäre5. Das Beispiel der Schlacht von Sempach 1386 zeigt, wie die Schlachtenerinnerung je nach Parteizugehörigkeit artikuliert wurde. Der eidgenössischen Schlachtjahrzeitfeier6 stand die österreichische Tradition gegenüber, wobei Heinrich Koller plausibel machen konnte, daß »in erster Linie eine nach 1440 vom Hofe angeregte habsburgische Propaganda die Erinnerung an die Schlacht wachhielt«7. Daß Schlachten vielfach Kristallisationspunkte nationalen Bewußtseins waren 8 (und sind), braucht hier ebensowenig ausgeführt zu werden wie die früh- und hochmittelalterliche Vorgeschichte der hier zu besprechenden Schlachtenennnerung. Erinnert sei an die Bedeutung der Lechfeldschlacht 955 für das ottonische Selbstverständnis9. Nicht übersehen sollte man auch, daß neben der städtischen Traditionsbildung in dem ins Auge gefaßten Zeitraum auch dynastische und aristokratische Schlachtenüberlieferungen bestanden haben 10 . Erwähnt sei nur, daß Karl IV. seit seinem Sieg bei San Felice am Katharinentag 1332 die Verehrung der Tagesheiligen St. Katharina förderte. Wohl auf seine Anregung hin beschloß der Rat der Stadt Parma bereits wenige Tage später eine jährliche Gedächtnisfeier11. Die Übernahme dynastischen Schlachtengeden 3 Die Behandlung des Themas kommt unterschiedlichen disziplinären Interessen entgegen (Erforschung von Ritus und Historiographie im Rahmen der Geschichtswissenschaft, volkskundliche Brauch- und Erzählforschung, Germanistik und Kunstgeschichte). Wenn aber viele Register gezogen werden müssen, dann wächst auch die Gefahr, daß ein Mißklang entsteht. Vorgelegt wird hier ein Arbeitsbericht, keine abschließende Darstellung. Wer die städtischen Schlachtengedenktage vergleichend in den Blick nehmen will, ist auf Zufallsfunde in der stadtgeschichtlichen Literatur angewiesen, und so ist an Vollständigkeit noch nicht zu denken. 4 Literaturhinweise bei Klaus GRAF, Exemplarische Geschichten. Forschungen zur Geschichte der Alteren Deutschen Literatur/. München 1987, S. 120. Materialzusammenstellung bei Leo ZEHNDER, Volkskundliches in der älteren schweizerischen Chronistik. Schriften der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde 60. Basel 1976, S. 288-292. 5 Dazu unten Abschnitt 4. Vgl. Walter SCHAUFELBERGER, Der Wettkampf in der alten Eidgenossenschaft. Schweizer Heimatbücher 156-158. Bern 1972, S. 63 ff., und jüngst Roger SABLONIER, Rittertum, Adel und Kriegswesen im Spätmittelalter. In: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. von Josef FLECKENSTEIN. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 80. Göttingen 1985, S. 532-567, hier S. 565 f. 6 Vgl. jetzt die Zusammenstellung in dem Katalog: Die Schlacht von Sempach im Bild der Nachwelt. Luzern 1986, S. 171-173. 7 Heinrich KOLLER, Die Schlacht bei Sempach im Bewußtsein Österreichs. In: Jb. der Hist. Ges. Luzern 4 (1986), S. 48-60, hier S. 58. 8 Literatur bei Frantisek GRAUS, Funktionen der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein.im späten Mittelalter, hg. von Hans PATZE. Vorträge und Forschungen 31. Sigmaringen 1987, S. 11-55, hier S. 16, Anm. 16. Vgl. auch ebd., S. 37, Anm. 155: »Leider stehen Untersuchungen über Schlachtenüberlieferungen, die auch nichthistoriographische (bzw. epische) Formen miteinbeziehen würden, noch aus.« 9 Gerd ALTHOFF, Adels- und Königsfaimlien im Spiegel ihrer Memonalüberlieferung. Münstersche Mittelalter-Schriften 47. München 1984, S. 171. 10 Zur niederadligen Schlachtenmemona vgl. GRAF (wie Anm. 4), S. 119-121. 11 Ellen WIDDER, Itinerar und Politik. Die Italienzüge Karls IV. Diss. masch. Münster 1986, S. 32. Frau Dr. Widder, Münster, bin ich für diesen und andere Hinweise zu Dank verpflichtet. Zur Feier des Katharinenfestes in Prag vgl. O.FRH. VON REINSBERG-DÜRINGSFELD, Fest-Kalender

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kens durch die Stadt läßt deutlich werden, daß die eingangs skizzierte Situation in Münster nicht verallgemeinert werden darf. Bei dem Gedenken an die CyriakusSchlacht bei Kitzingen 1266 durch eine alljährliche Prozession unter Mitführung des Kiliansbanners handelte es sich nach Gerd Zimmermann um ein gemeinsames, Geistlichkeit und Stadtbürger von Würzburg verbindendes Symbol, um eine »Manifestation des Miteinander von Stift und Stadt«12. Schlachtengedenktage sind also nicht nur Gedächtnisfeste der städtischen Freiheit, ihrer Bedrohung und Bewahrung, sondern zum Teil auch Zeugnisse für die Kooperation mit dem Stadtherrn. Nach der Schlacht von Puchheim 1422 stifteten die siegreichen bayerischen Herzöge eine Gedächtniskapelle und der Münchner Rat einen Jahrtag13; anläßlich der Schlacht von Winsen 1388 einigte sich der Braunschweiger Rat mit den beiden weifischen Herzögen, an deren Seite das städtische Aufgebot die Askanier besiegt hatte, den Fronleichnamstag durch eine Prozession zu begehen14. 1. Riten Der 1432 angelegte Liber statutorum opidi Dursten der Stadt Dorsten im kölnischen Vest Recklinghausen15 enthielt einen Eintrag Van den stryt vyrdage16 über die Abhaltung des Streitfeiertags. Er beginnt mit lateinischen Gedenkversen, nämlich drei leoninischen Hexametern, die von der Verjagung der Herren von Merveldt durch das Dorstener Schwert zwei Tage nach Thomas 1382 berichten. Es folgt der Beschluß von Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister der Stadt Dorsten: Alljährlich soll man am Montag vor dem Mittwinterabend, also am strytvyrdages avent, abends feiertäglich aus Böhmen. Prag o.J. (1861). S. 513; auf die Verbreitung von Schlachtengedenktagen in Böhmen verweisen die zahlreichen Eintragungen im Register dieses Werkes s.v. »Gedächtnißfeier«. 12 Gerd ZIMMERMANN, Die Cyriakus-Schlacht bei Kitzingen (8.8.1266) in Tradition und Forschung. In: Jb. für frank. Landesforsch. 27 (1967), S. 417-427, hier S. 425. Hinweise auf fränkische Schlachtengedenktage in Crailsheim, Kitzingen und Ochsenfurt verdanke ich Herrn Dr. L. Remling, Lingen. 13 Fridolin SOLLEDER, München im Mittelalter. München 1938, S. 406f., 438-470. Zur Gedächtniskapelle vgl. Otto Gerhard OEXLE, Memoria und Memonalbild. In: Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter. Münstersche Mittelalter-Schriften 48. München 1984, S. 384-440; hier S. 403 f. 14 Hermann DÜRRE, Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Braunschweig 1861, S. 380, mit dem »Ordinarius«, ed. in ÜB der Stadt Braunschweig, Bd. 1. Braunschweig 1862, S. 176f. c. 121; vgl. Die Chroniken der Deutschen Städte, Bd. 6. Leipzig 1868, S. 475. 15 Der Codex ist fast völliger Kriegsverlust; zu ihm vgl. jüngst Ludger TEWES, Von alltäglichen Gefahren und Ärgernissen. In: Vestische Zs. 84/85 (1985/86), S. 453-459. Den Mitarbeitern des Projekts C 5 des ehemaligen SFB 164 in Münster, Herrn J. Thesmann und Herrn D. Veldtrup, möchte ich für zahlreiche Hilfestellungen herzlich danken. 16 Zitiert wird der Text nach der Wiedergabe von H. A. ERHARD, Willküren der Stadt Dorsten. In: Zs. für Vaterland. Gesch. u. Alterthumskunde [WZ] 7 (1844), hier S. 181-183. Ein Faksimile dieser Ausgabe mit (nicht fehlerfreier) nhd. Übersetzung bietet Paul FIEGE, Der Liber statutorum der Stadt Dorsten. In: Heimatkalender der Herrlichkeit Lambeck 30 (1971)-40 (1981), hier 31 (1972), S. 108-113, und 39 (1980), S. 135-141. Zum Streitfeiertag vgl. Julius EVELT, Beiträge zur Geschichte der Stadt Dorsten und ihrer Nachbarschaft II. In: WZ 24 (1864), S. 87-196, hier S. 101-106, und Albert WESKAMP, Der Stadt Dorsten Strytvyr. In: Vestischer Kalender 2 (1924), S. 84-86.

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läuten und Vesper und Vigilien begehen unde begaen dey achte manne dey in den stryde doet hieven, hyr na bescreven, unde vort alle dey gene, dey umme de stades willen doet ghebleven zun eft doet blyven mögen, hyr na ok bescreven. Der Stadtbote hat Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister bei Strafe von zwei Quarten Weins aufzufordern, an Vesper und Vigilien teilzunehmen und danach zu den Gräbern zu gehen, zunächst zum Friedhof vor St. Nikolaus-Feld und danach zum Kirchhof. Der Dienstag, der hiligen stryd vyrdage, soll bei Strafe von drei Schillingen wie ein Sonntag gefeiert werden mit Feiertagsgeläut und einer Messe, na uytwysinge der bistorien dar up gemaket. Nach der Messe soll man in eyner wonnetliker herliker processyen das Heilige Kreuz und die Bilder Mariens, des hl. Nikolaus und des hl. Georg innerhalb der Mauern herumtragen, wobei die Gildekerzen die Prozession anführen sollen, bei Strafe von drei Schillingen. Der Stadtbote fordert Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister bei Strafe von zwei Quarten Weins auf, an der Prozession und zwei Messen in der Kirche, einer Seelenmesse und einer Marienmesse, teilzunehmen, einen Heller zu opfern und zu den Gräbern zu gehen. Es folgt eine Bestimmung über die Verteilung der ausgesetzten Rente von 25 Schillingen an die geistlichen Dignitäre17. Der Rest des Präsenzgeldes kommt an die Armen. Außerdem sollen vier Kerzen (vor dem hl. Sakrament, vor dem Marien-, dem Nikolaus- und dem Georgsbild) aufgestellt werden. Noch ein zweiter Eintrag des Dorstener Stadtbuchs handelt Van striet vyrn. Er beginnt mit der Mitteilung, daß Gott am Dienstag nach Thomas 1382 unssen vorvaderen eyne segevechtmge gegeven, weshalb gelobt worden sei, die folgenden Bestimmungen unverbrüchlich zu halten. Es folgen die bereits bekannten Vorschriften über die Liturgie und die Präsenzgelder in anderer Fassung, wobei die Strafe für die Nichtachtung des Tages nunmehr eine Mark beträgt. Mit den Gildekerzen und dem Sakrament geht man nun umme de stad. Neu sind die Bestimmungen über Armenspende und das Gastmahl. Armen Leuten soll man ein Pfennigbrot und Hering geben. Am Abend sollen sich die Ratsfreunde auf dem Rathaus eine behorliche Mahlzeit bereiten lassen. Darüber hinaus geladen werden: der Pastor, sein Kaplan, der Richter, der Freigraf, die Altbürgermeister außerhalb des Rats (wegen Alters und nicht wegen Missetaten nicht im Rat) sowie der Rentmeister und der Sekretär. Für das Mahl ausgesetzt werden vom Rentmeister zwölf Hühner und vier rheinische Goldgulden; reicht das nicht, darf er noch einen Gulden zuschießen. Nach der Mahlzeit soll man für die beten, die m dem Streit und bei anderen Anlässen für die Stadt gefallen sind. Die nun folgenden Gedenkverse, zwölf leoninische Hexameter (wobei die ersten drei wie im ersten Eintrag lauten), enthalten die Information, daß acht Dorstener und sechs Feinde gefallen sind. Als am 28. Februar 1588 Dorsten glücklich einen feindlichen Anschlag im Kölner Krieg abwehren konnte, verlegte man den Streitfeiertag auf diesen Termin. 1771 wurde er zusammen mit anderen Feiertagen aufgehoben19. 17 Weitere Bestimmungen über die Präsenz in einem anderen Abschnitt des Liber bei ERHARD (wie Anm. 16), S. 196f.; die Stiftung der Memorie durch die Stadt verzeichnet auch Franz J. WÜNSCH, Das Memorienbuch der Pfarre St. Agatha zu Dorsten. In: Vestisches Jb. 54 (1952), S. 21-36, hier S. 36 Nr. 65. 18 Bei ERHARD (wie Anm. 16), S. 222-225. 19 WESKAMP (wie Anm. 16), S. 86.

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Als Anhang enthalten beide Statutenbucheinträge eine Namensliste der Gefallenen. Die ältere Liste des ersten Eintrags beginnt mit den acht Namen der 1382 Gefallenen. Danach werden bei weiteren Fehden und Auseinandersetzungen für die Stadt Gefallene aufgeführt - von verschiedenen Händen des 15. Jahrhunderts nachgetragen. Die jüngere Liste ergänzt zu den acht von 1382 den Bürgermeister Poekell, der bei dem Kampf ein Auge verlor, und listet dann - mit Abweichungen und der Überschrift Infrascripti defendendo commune bonum opidi de Dursten sunt interempti - die von der älteren Eintragung genannten Männer auf, wobei der dort angegebene Anlaß (z.B. Coden van Buer. Vor den Loe cum bumbarda; to Aldenrode in den stryde) weggelassen wird. Neu sind in der jüngeren Liste vor allem 15 vor Ostendorf Gefallene20. Daß die in den Listen aufgeführten Männer auch anderweitig ein ehrendes Gedenken erhielten, läßt sich dem Umstand entnehmen, daß einige der Genannten mit Todesjahr und Anlaß im 1420 begonnenen Bruderschaftsbuch der Dorstener Marienbruderschaft erscheinen, während die anderen Mitglieder ohne Todesdaten aufgeführt werden (z.B. Godert van Buer, interemptus -vor den Loe cum bumbarda anno MCCCCVII)21. Die Dorstener Listen würde man eher in einem Jahrtagsverzeichnis vermuten. Gefallenenlisten gehorchten zunächst einmal dem Bedürfnis, die am Jahrtag zu verlesenden Namen zur Hand zu haben - so in Weil der Stadt, wo alljährlich der 60 gefallenen Weiler Bürger in der Schlacht bei Döffingen 1388 namentlich gedacht wurde 22 . Daneben wurde natürlich bei den einzelnen Gefallenen in Anniversarien oft der Anlaß ihres Todes angegeben23; drei Gefallene in einer Fehde der Stadt Limburg erscheinen nicht nur in der Chronik des Limburger Stadtschreibers Tilemann Ehlen, sondern werden auch im Nekrolog der Limburger Franziskaner gemeinsam aufgeführt: O[büt] Harthongus scultetus, Theodericus dictus Weyße et Lutzo filius dicte der Hunnen, qui interfecti sunt iuxta Merenbergh anno etc. ,135824. Doch konnten Gefallenenlisten weitere Funktionen zuwachsen, insbesondere wenn sie außerhalb liturgischer Aufzeichnungen - etwa in der Historiographie oder als selbständige Texte in Handschriften - überliefert sind25. Diese Erscheinung bedürfte einer vergleichenden Untersuchung26. 20 Vgl. EVELT (wie Anm. 16), S. 106. 21 Karl UTSCH-Franz J. WÜNSCH, Das Register der Bruderschaft Beatae Virginis zu Dorsten. In: Vestisches Jb. 52 (1950), S. 32-96, hier S. 54; vgl. auch ebd., S. 55 (J. Kruse) und S. 55f. B. Senden gefallen vor Horneborc 1415 (dieser fehlt in den Listen). 22 Vgl. Christoph Friedrich VON STÄLIN, Wirtembergische Geschichte, Bd. 3. Stuttgart 1856, S. 347, Anm. 1; Beschreibung des Oberamts Leonberg. Stuttgart 21930, S. 1063. 23 Vgl. etwa zur Schlacht von Döffingen den Eintrag im Anniversar des Schwäbisch Gmünder Dominikanerklosters, StA Ludwigsburg B 177 U2022, f. 24v: Obiit Joso dictus Feczer sub anno domini MCCCLXXXVIII in conflictu civitatensium et illo de Wirtenberg prope Wil; vgl. auch das Anniversar der Augsburger Franziskaner Bavana Franciscana Antiqua, Bd. 5. München 1961, S. 473. 24 Die Limburger Chronik, hg. von Arthur WYß. MGH Deutsche Chroniken IV, 1. Hannover 1883, S. 47, Anm. 2. 25 Zu fiktiven Gefallenenlisten vgl. GRAF (wie Anm. 4), S. 121. 26 Vgl. zur Schlacht von Sempach jetzt KOLLER (wie Anm. 7) und zuvor ähnlich schon Dieter MERTENS in seiner ungedruckten Habilitationsschrift von 1977: Reich und Elsass zur Zeit Maximilians L, S. 198f.

Die Bedeutung der Memoria für früh- und hochmittelalterliche Gemeinschaften als »soziales Handeln, (...) das Lebende und Tote verband«27, ist in den letzten Jahren wiederholt betont worden28. Zahlreiche spätmittelalterliche Zeugnisse harren jedoch noch der Auswertung29. Das Schlachtengedenken ist zunächst liturgische Memoria für die Gefallenen, und so erklären sich nicht nur die Namenslisten, sondern auch die wiederholt bezeugte begleitende Armenspende und das gemeinsame Mahl. Schlachtengedenken, seinem Ursprung nach nicht eine Ereigniserinnerung, sondern ein Gedenken an die Toten des Handlungs- und Widerfahrmszusammenhangs Schlacht, konstituierte die Stadt als Erinnerungsgemeinschaft. Der materiellen Fürsorge, die - etwa in einer Bestimmung der Stadt Warburg30 - der Frau und den Kindern eines für die Stadt gefallenen Bürgers gewährt wurde, entsprach die spirituelle Fürsorge durch das Totengedenken für jene, die sich für die Stadt aufgeopfert hatten. Der ältere Eintrag bestimmt den Streitfeiertag ausschließlich als Ereignis der kirchlichen Liturgie, als kirchlichen Feiertag mit Prozession. Das Festmahl der Honoratioren kam demnach erst später hinzu. Unter der erwähnten historien ist die liturgische Gattung Historie im Sinne von »Officium« zu verstehen31. Die auf Veranlassung der Stadt Neuß vom Quirinstift zur Erinnerung an die Belagerung durch die Burgunder 1475 durchgeführte theophorische Prozession ist als liturgie- und musikgeschichtliche Quelle ausführlich untersucht worden32. Ähnlich genaue liturgiegeschichtlich verwertbare Beschreibungen von Schlachtengedenktagen sind mir freilich nicht bekannt. Neben der Jahrtagsstiftung für die Gefallenen sind auch Meß- und Kapellenstiftungen zum Dank für den glücklichen Ausgang von Belagerungen oder Überfällen auf die Stadt zu berücksichtigen. Aus der Gruppe der liturgischen Dank- und Bußprozessionen wurde jüngst ein Beispiel, die angeblich im Anschluß an einen Brand 1383 gestiftete »Große Prozession« in Münster, durch Ludwig Remling ausführlich untersucht33. Die religiöse Dimension der Schlachtengedenktage und Dankfeste erhellt auch aus dem Zusammenhang mit dem Feiertag des jeweiligen Stadtpatrons, auf den der Schutz der Stadt zurückgeführt wird. Die Gedenkstiftungen erfolgen wiederholt zu Ehren des 27 OEXLE (wie Anm. 13), S. 394. 28 Vgl. den Sammelband Memoria (wie Anm. 13) und Franz-Josef JAKOBI, »Geschichtsbewußtsein« in mittelalterlichen Gedenk-Aufzeichnungen. In: Archiv für Kulturgesch. 68 (1986), S. 1—23. 29 Vgl. am Beispiel einer Gesellenbruderschaft z.B. Klaus GRAF, Solidarität und Erinnerung. In: Einhorn - Jb. Schwäbisch Gmünd 1985, S. 125-135. 30 Adolf GOTTLOB, Geschichte der Stadt Warburg. In: WZ 92 (1936) II, S. 1-39, hier S. 8 vom Jahr 1438. 31 Vgl. dazu Joachim KNAPE, >Historie< in Mittelalter und früher Neuzeit. Baden-Baden 1984, S. 179ff. 32 Alfons WELLER, Studien zur Geschichte der Kirchenmusik an St. Quirin in Neuss. Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte 133. Berlin 1982, S. 131-139 (freundlicher Hinweis von Frau Dr. I. Stahl, Münster). 33 Ludwig REMLING, Die »Große Prozession« in Münster als städtisches und kirchliches Ereignis im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. In: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 11 (1984), S. 197-233. Anläßlich des glücklichen Ausgangs des Einsturzes der Türme des Schwäbisch Gmünder Münsters 1497 wurde vom Rat eine jährliche Dankprozession und ein Eintrag ins Stadtbuch angeordnet; vgl. Klaus GRAF, Gmünder Chroniken im 16. Jahrhundert. Schwäbisch Gmünd 1984, S. 123, und Einhorn -Jb. 1989.

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Stadtpatrons oder des jeweiligen Tagesheiligen, von dem zum Teil berichtet wird, er habe tatkräftig mitgeholfen34. Bereits zum Jahr 1200 bezeugt Arnold von Lübeck, der Braunschweiger Schutzpatron, der hl. Auctor, habe die Stadt vor den Truppen eines Belagerungsheeres gerettet, indem er einem der feindlichen Heerführer des nachts erschien35. Stärker engagierte sich der Dortmunder Stadtheilige St. Reinold bei einem Überfall auf die Stadt im Jahr 1377, als er wie ein Ballspieler auf der Stadtmauer stand und die ankommenden Steinkugeln zurückschlug36. Überirdische Schlachtenhilfe wird auch aus Eschwege berichtet, denn als Herzog Otto der Quade von BraunschweigGöttingen die Stadt 1375 im Sturm nehmen wollte, sind auff der Mauren glüende Schwerdter erschienen, sind die Feinde zu Rücke gewichen, darumb hat die gantze Gemeine einen Eydt geschworen, järlich auffjudica einen Bettag zuhalten, und Gott zu Loben und Dancken, umb solche Erettung, aber es ist nu vergessen und vorblieben3'7. Diese Beispiele, die sich leicht vermehren ließen, erweisen die Stadt als »Sakralgemeinschaft«. Für den Nördlinger Gedenktag anläßlich eines geplanten (oder nur eingebildeten) Überfalls 1440 hat Hans Christoph Rublack beispielhaft gezeigt: »Religiöse Vergegenwärtigung der Vergangenheit floß in eins mit der religiösen Deutung der Gegenwart«38. Das Beispiel Dorsten sollte auch verdeutlichen, daß Schlachtengedenken keine Angelegenheit nur der größeren Städte war. Die Gedenktage stellten vielfach das Stadtfest dar. Zu nennen wären das Steigfest in Amöneburg, der Sturmtag in Belecke39, der Crailsheimer Stadtfeiertag sowie die oberrheinischen Gedenktage: der Schweizerfeiertag in Stockach, der Schweizertag in Tiengen und die Waldshuter »Chilbi«40. In Stockach wurde 1705 sogar die Vereidigung der Amtsträger auf den Schweizerfeiertag gelegt, der an die erfolglose Belagerung durch die Eidgenossen 1499 erinnerte. Das Gastmahl für geladene Gäste war so aufwendig, daß es den größten Ausgabeposten der Stadtrechnungen in der Rubrik »Zehrungen« darstellte41. 34 Vgl. ausführlich Frantisek GRAUS, Der Heilige als Schlachtenhelfer. In: Fs. für Helmut Beumann, hg. von Kurt Ulrich JÄSCHKE und Reinhard WENSKUS. Sigmaringen 1977, S. 330-348. Zur Verbindung von Tagesheiligen und Schlachtenhilfe vgl. ebd., S. 337. 35 Hans PATZE, Bürgertum und Frömmigkeit im mittelalterlichen Braunschweig. In: Braunschweigisches Jb. 58 (1977), S. 9-30, hier S. 27f.; zur Auctorverehrung vgl. auch den Ausstellungskatalog: Stadt im Wandel, Bd. 3. Stuttgart-Bad Cannstatt 1985, S. 1077-1081. 36 Paul FIEBIG, St. Reinoldus. Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 53. Dortmund 1956, S. 65; vgl. auch Hans Jürgen BRANDT, St. Reinoldus in Dortmund. In: Dortmund 1100 Jahre Stadtgeschichte. Hg. von Gustav LUTOWSKI und Norbert REIMANN. Dortmund 1982, S. 79-105, hier S. 92 ff. 37 Johann BANGE, Newe Chronick oder Geschichtbuch. Mülhausen 1600, Bl. 144v; vgl. auch Julius Ludwig Chr. SCHMINCKE, Geschichte der Stadt Eschwege in Kurhessen. Eschwege 1857, S. 124 f. 38 Hans Christoph RUBLACK, Eine bürgerliche Reformation: Nördlingen. Quellen und Forschungen zur Reformationsgesch. 51. Gütersloh 1982, S. 15; vgl. ebd., vor allem S. 11-25. 39 Vgl. Carl BOEKLER, Der Beleker Sturmtag im Jahre 1448. In: WZ 16 (1855), S. 355-358. 40 Vgl. Joseph RUCH, 500 Jahre Waldshuter Chilbi. In: Heimat am Hochrhein 3 (1967/68), S. 9-18. 41 Peter BOHL, Die Stadt Stockach im 17. und 18. Jahrhundert. Hegau-Bibliothek 55. Konstanz 1987, S. 98, 169; vgl. auch Hans WAGNER, Aus Stockachs Vergangenheit. Hegau-Bibliothek 11. Singen 1967, S. 238-241. Aus den erhaltenen Abrechnungen lassen sich die gereichten Speisen

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Julius Evelt kommt bei der Besprechung des Dorstener Streitfeiertags zu dem Schluß, daß dem Siege von 1382 »eine ganz besondere Bedeutsamkeit beigelegt sein müsse«42, meint aber, an der Größe des Treffens könne es nicht gelegen haben, da nur 14 Gefallene erwähnt würden. Ausschlaggebend war somit nicht die »objektive« Bedeutung der erinnerten Auseinandersetzung, sondern die dadurch gegebene Möglichkeit, aller zu gedenken, die ihr Leben für die Stadt gelassen hatten, und dieses Gedenken im öffentlichen Raum zur Geltung zu bringen. Über die Beteiligung Hamelner Bürger an der Schlacht von Sedemünde 1260 schreibt Heinrich Spanuth: »Wie schwer das Blutopfer war, [...] beweist allein schon die Tatsache, daß dieses Unglück das einzige blieb, das von da ab durch Jahrhunderte in einer [...] Seelenmesse f...] festgehalten wurde. Keine der verheerenden Seuchen, kein anderes Massensterben wurde in dieser Weise begangen«43. In Osnabrück erfolgte die einzige kirchliche Stiftung seitens der Stadt anläßlich eines Schlachtensiegs von 130844. Für die These, daß es nicht um die »historische« Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis ging, sondern um die »exemplarische« Erinnerung an eine überstandene Gefahr oder den Opfermut der Vorfahren, spricht nicht nur das Zusammenfassen der Erinnerung an die Ereignisse von 1382 und 1588 in Dorsten, sondern auch, daß der ursprüngliche Anlaß des Gedenktages in Vergessenheit geraten und von einem anderen Anlaß in der Überlieferung überlagert werden konnte. Der Amöneburger Steigtag gab sich als Fest zum Andenken an die gescheiterte Ersteigung in der Silvesternacht 1645 aus; er ist jedoch beträchtlich älter, ohne daß es bislang gelungen ist, sein Alter zu ermitteln. In einem Schreiben von 1642 heißt es: Alß vor hundert und mehr Jahren die Stadt Aumeneburgk einsmals bey Nacht feindlich bestigen, aber wieder zurückgeschlagen worden, deshalben dan die von Aumeneburgk noch alle Jahr uff selbigen Tagk das Steigfest genant, zue halten pflegen45. Im Jahrzeitbuch des Heiliggeistspitals in Freiburg im Breisgau wird zum 29. Juli Der burger jorzit die an dem stritt wurden erschlagen erwähnt - daß es sich um ein Ereignis des Jahres 1299 handelt, ist von der Forschung erschlossen worden46. Ebenso weiß der Anniversar-Eintrag über das später mit dem Schwabenkrieg 1499 verbundene Tiengener Gedächtnisfest nur etwas von einem zeitlich nicht näher bestimmten Überfall und Eindringen von Feinden in die Stadt47. Auch ungefähr ersehen; vgl. ebd., S. 239, und StadtA Stockach B VI1/2 Festrechnungen 1662-1776. Herrn Kollegen Dr. Bohl, Marburg, habe ich für Unterstützung sehr zu danken. 42 EVELT (wie Anm. 16), S. 103. 43 Geschichte der Stadt Hameln. Hg. von Heinrich SPANUTH. Hameln 1940, S. 160. 44 Lambert HUYS, Das Verhältnis von Stadt und Kirche in Osnabrück im späten Mittelalter. Diss. Münster 1936, S. 29; vgl. auch Osnabrückes Geschichtsquellen, Bd. 4. Osnabrück 1927, S. 88-90. 45 Max EHRENPFORDT, Chronik von Amöneburg. Kirchhain 1927, S. 222. 46 Joachim WOLLASCH, Anmerkungen zur Gemeinschaft des Heiliggeistspitals zu Freiburg i.Br. im Spätmittelalter. In: Civitatum Communitas. Fs. Heinz Stoob. Städteforschung A21. Köln-Wien 1984, S. 606-621, hier S. 620f. 47 Der Eintrag bei RODER, Archivallen aus dem Amtsbezirke Waldshut. In: Mitteilungen der badischen historischen Kommission 8 (1887), S. 121 Nr. 14; vgl. Hans BRANDECK, Geschichte der Stadt Tiengen (Oberrhein). Tiengen 1936, S. 54, 250, und E. FÜRSTOS, Schweizertag auf revidiertem Kurs. In: Der Klettgau. Hg. von Franz SCHMIDT. Tiengen 1971, S. 123-134.

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in den Überlieferungen mit detaillierten Angaben lassen sich diese als beglaubigende Bemerkungen verstehen, mit denen die exemplarische Wahrheit des Erinnerten zu bekräftigen war. Schlachtengedenktage müssen als Teil des »civic ritual«48 verstanden werden, als Teil jener Handlungsgrammatik, die städtischem Leben eine Form gab und die ein labiles Gleichgewicht zwischen Rat und Gemeinde aufrechterhielt. In Schlachtengedenktagen wurde städtische Identität als bedrohte und verteidigte Identität präsentiert49. Die Erinnerung wurde dabei weitgehend von der Obrigkeit gesteuert und war daher stets bemüht, mit dem Appell an die bürgerliche Eintracht die Herrschaft der Führungsschicht abzusichern. Die Obrigkeit verfolgte didaktische Zwecke, wenn sie durch Gedenkreden oder Predigten - den Ratsmitgliedern und der Gemeinde ein warnendes oder anspornendes historisches Exemplum vor Augen führte. Dabei konnten historiographische Aufzeichnungen einbezogen werden. Der Berner Rat beauftragte 1487 den Stadtschreiber, den Bericht über die Schlacht bei Murten aus der Berner Chronik Diebold Schillings abzuschreiben, damit er am Jahrtag in der Kirche verlesen werden konnte50. In der Reichsstadt Metz ließ der Rat 1477 eine Kapelle mit Meßstiftung zur ständigen Erinnerung an den gescheiterten Überfall des Herzogs von Lothringen im Jahr 1473 errichten. Eine Stellungnahme der Geistlichkeit regte an, bei der jährlichen großen Prozession zu der Kapelle eine kurze Unterrichtung über den Hergang vorzutragen, damit auch die Jugend unterrichtet werde, que lez jonnes qui venront apres nous en soient plus pla.inem.ent informees^1. Wie in dem von Rublack untersuchten Nördlinger Beispiel52 wurden im Medium der Festpredigt die städtischen Grundwerte eingeschärft. In einer undatierten, 1525/30 angesetzten Anweisung für den Prediger ließ der Rat die Metzer Bürger zur Einigkeit und zur Wachsamkeit gegen neue religiöse Lehren aufrufen53.

48 Aus der in den jüngsten Jahren zunehmenden Forschung über städtische Riten seien nur genannt: Richard C. TREXLER, Public Life in Renaissance Florence. New York 1980, und Edward MUIR, Civic Ritual in Renaissance Venice. Princeton 1981. Literaturhinweise bei GRAUS (wie Anm.8), S. 36 f. 49 Zur Präsentation von Identität vgl. Hermann LÜBBE, Geschichtsbegriff und Geschichtsinteresse. Basel-Stuttgart 1977, S. 168ff. 50 Heinrich SCHMIDT, Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des bürgerlichen Selbstverständnisses im Spätmittelalter. Schriftenreihe der Hist. Komm, bei der Bayer. Akad. der Wiss.3. Göttingen 1958, S. 20 f. 51 Henri TRIBOUT DE MOREMBERT, Une pieuse fondation de la municipalite de Metz. In: Bulletin philologique et histonque du Comite des travaux historiques et scientifiques, annee 1961. Paris 1963, S. 235-247, hier S. 237. Zum Zusammenhang vgl. Dieter HECKMANN, Andre Voey de Ryneck: Leben und Werk eines Patriziers im spätmittelalterlichen Metz. Diss. Saarbrücken 1986, S. 93, 125, 146. Herrn Kollegen Dr. Heckmann, Marburg, habe ich für seine Unterstützung zu danken. >: RUBLACK (wie Anm. 38), S. 14 f. >3 TRIBOUT DE MOREMBERT (wie Anm. 51), S. 246.

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2. Zeichen und Bilder Daß Gedächtniskapellen auf Schlachtfeldern und zur Erinnerung an Schlachten errichtet wurden, ist eine verbreitete Erscheinung54. 1247 gelobte die Reutlinger Bürgerschaft, als sie von den Stauferfeinden belagert wurde, bei ihrer Rettung der Muttergottes eine Kapelle zu errichten - die heutige Stadtpfarrkirche; ein Mauerbrecher, den der Feind zurücklassen mußte, hing bis ins 18. Jahrhundert in der Kirche55. Auch das Anbringen von Beutestücken in Kirchen und öffentlichen Gebäuden bedarf keiner ausführlichen Belege. Inschriften und Gedächtnistafeln können hier ebenfalls außer acht bleiben. Eines der wichtigsten Bildzeugnisse für das hier besprochene Thema der Schlachten- und Belagerungserinnerung ist das vor 1378 an der Kölner Ulrepforte angebrachte Relief, »ein höchst bedeutsames Zeugnis für das historische und politische Bewußtsein der städtischen Bürgerschaft im 14. Jahrhundert« 56 . Es sollte wohl an einen nächtlichen Überfall im Jahr 1268 erinnern, der dank des Beistands der Stadtheiligen St. Gereon und St. Ursula zurückgeschlagen werden konnte. Eine ganze Reihe gegenständlicher Erinnerungszeichen vergegenwärtigte im Lüneburger Stadtbild die Ursulanacht des Jahres 1371, als ein nächtlicher Überfall durch Herzog Magnus von Braunschweig die städtische Freiheit bedrohte: »Der Opfermut der in der Ursulanacht gefallenen Bürger verlangte, daß man ihr Andenken späteren Geschlechtern in dankbarer Ehrung überlieferte. Die vornehmsten Toten, die beiden Bürgermeister und die drei Ratmannen, erhielten daher, jeder an dem Platze, wo er von Feindeshand bezwungen war, einen Gedenkstein. (...) Die Wappenschilder der gefallenen Bürger und Ratsherren wurden in der Hauptkirche der Stadt am nordöstlichen Pfeiler des Chors angebracht, in ihrer Nähe die erbeuteten Fahnen und andere Siegeszeichen. In der Verlängerung der nördlichen Seitenschiffe zu St. Johannis wurde eine Kapelle angebaut zu Ehren der Hl. Ursula und der elftausend Jungfrauen, deren hülfreicher Mitwirkung man den Sieg vom 21. Oktober wesentlich zuschrieb. Derselbe Tag wurde zu einem Gedenkfeste der Stadt erhoben. (...) Hauptmomente der stürmischen Zeit wurden im Bilde festgehalten. Das Lüneburger Museum besitzt eine Bilderchronik des 16. Jahrhunderts, welche die Ereignisse (...) farbig darstellt. Eine in Holz geschnitzte Figur an einem Giebel der Großen Bäckerstraße dankt der Sage, die den Kern der geschichtlichen Begebenheiten bald mit einem reizvollen Phantasiegewande umspann, ihren Ursprung: sie verewigt das Bild des tapferen Bäckers, der in der Ursulanacht 22 Feinde erschlug. (...) Eindrucksvoller als die geschriebene Überlieferung geben alle 54 Vgl. nur Harald KELLER, Denkmal. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 3. Stuttgart 1954, Sp. 1257-1297, hier Sp.l236f., und ZEHNDER (wie Anm.4), S.20ff.; GRAF (wie Anm. 4), S. 120. 55 STäLIN (wie Anm. 22), Bd. 2. Stuttgart 1847, S. 198 f. 56 Reiner DIECKHOFF im Katalog: Der Name der Freiheit 1288-1988. Handbuch. Köln 1988, S. 29-31; vgl. auch den Katalog: Die Parier, Bd. 3. Köln 1978, S. 123, und Hans-Jürgen BECKER, Stadtpatrone und städtische Freiheit. In: Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedenkschnft für Hermann Conrad. Rechts- und staatswiss. Veröff. der Görres-Ges. NF34. Paderborn u.a. 1979, S. 23-45, hier S. 36.

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diese Erinnerungszeichen kund, daß die Bürgerschaft die Abwehr der herzoglichen Tyrannei als ihren Freiheitskrieg auffaßte (...)« 57 . Noch heute erinnert im Münster der Stadt Schwäbisch Gmünd eine eingemauerte Kanonenkugel mit erläuternder Inschnftentafel an die Einnahme der Stadt durch schmalkaldische Truppen 1546. Spätere mündliche Überlieferung machte aus dem Belagerungsrelikt freilich eine »Schwedenkugel«. Auch an einem Bürgerhaus wurde eine Kanonenkugel eingemauert, und im Amtshaus der Stadt, der Grat, befanden sich nach einem Inventar von 1806 sechs Kugeln von der schwedischen (!) Belagerung und ein Gemälde mit einer Darstellung der Beschießung58. Am Rathaus in Amöneburg und an der Johanniskirche im hessischen Neustadt erinnerten ebenfalls drei Kugeln an Belagerungen der Städte im Dreißigjährigen Krieg beziehungsweise im Jahr 146259. Im saarländischen St. Wendel zeigt man noch heute die Stelle, an der Johann von Sickingen 1522 eine Bresche in die Stadtmauer geschlagen hatte, als »Kaiserloch«60. In Hannover wurden sieben kniende Männer auf einem Bildstein an der Ägidienkirche als sieben bei dem Überfall von 1490 getötete Wächter interpretiert61. Nicht immer läßt sich entscheiden, was als »echtes« Erinnerungszeichen gelten darf und was eine nachträgliche ätiologische Erzählung dazu gemacht hat. Zu den Erinnerungsmedien gehörte mitunter auch besonderes Gebäck, das am Gedächtnistag gebacken wurde. In Amöneburg wurden die »Steigerwecken« an die Kinder verteilt62; in Crailsheim gab es bei der Stadtfeier aus Anlaß der Aufhebung der Belagerung der Stadt durch die Reichsstädte 1380 ein Gebildbrot, die sogenannten »Horaffen« 63 . Wie Geschichte im städtischen und außerstädtischen öffentlichen Raum in »Denkmalen« präsent gehalten wurde - in gegenständlichen Erinnerungszeichen, Inschriftentafeln, Erinnerungs- und Ereignisbildern -, müßte auf breiterer Materialbasis zusammenfassend untersucht werden64. Dabei könnte auch die Ikonographie des Schlachtenbildes aufgearbeitet werden65. Hier genüge der Hinweis auf die beispielhafte Interpreta57 Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Bd. III, 2/3. Hannover 1906, S. 8f.; vgl. auch Hartmut BOOCKMANN, Die Stadt im späten Mittelalter. München 1986, S. 165. 58 GRAF (wie Anm. 33), S. 50. 59 EHRENPFORDT (wie Anm. 45), S. 222; in Eschwege sollen fünf Engelköpfe an die Rettung erinnert haben: SCHMINCKE (wie Anm. 37), S. 125. 60 Max MÜLLER, Die Geschichte der Stadt St. Wendel, St. Wendel 1927, S.42, Anm.* (diesen und andere Hinweise verdanke ich Herrn Kollegen Dr. St. Molitor, Marburg). 61 Gustav MITTENDORF, Herzog Heinrich der Ältere im Kampfe mit der Stadt Hannover 1486 und der Überfall der Stadt durch den Herzog am 24. Nov. 1490. In: Archiv des bist. Vereins für Niedersachsen NF Jg. 1845, S. 260-293, hier S.290f. 62 EHRENPFORDT (wie Anm. 45), S. 221. 63 Schwäbische Chronik (Schwab. Merkur) vom 3.2.1880, S. 198; Beschreibung des Oberamts Crailsheim. Stuttgart 1984, S. 224; Friedrich HUMMEL, Geschichte von Crailsheim. In: Heimatbuch Crailsheim, hg. von Johann SCHUMM. Crailsheim 1928, S. 120-484, hier S. 197ff. Zum Gebildbrot vgl. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 4. Berlin-Leipzig 1931/32, S. 337-339 s. v. Hornaffen. 64 Hinweise bei GRAF (wie Anm. 33), S. 166, 185; vgl. auch allgemein GRAUS (wie Anm. 8), S.35f. 65 Auf die Funktion des von ihm vorgestellten Schlachtenbildes geht Wolfgang RONNER, Das Assenheimer Bild von Frankfurts Niederlage 1389 (In: Archiv für Frankfurts Gesch. und

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tion des Judith-Themas in Hans Schäufeleins Gemälden von 1515 in der Bundesstube des Nördlinger Rathauses durch Rublack. Judith steht danach für die »Abwehrkraft der Bürgerstadt, der Gott gegen die Übermacht der Feinde beisteht«66. 3. Literarische Formen: Historiographie, historische Überlieferungen, Spruch und Lied Die Geschehnisse der Lüneburger Ursulanacht des Jahres 1371 behandelt eine kurze Schrift des Stadtschreibers Hinricus Kule, die im Stadtbuch, dem »großen Donat«, eingetragen wurde und auch eine Gefallenenliste enthält. Im Anschluß an die Liste steht der entscheidende Hinweis auf den »Sitz im Leben« des Textes, auf seinen Zusammenhang mit der alljährlichen städtischen Erinnerung an die Ursulanacht: desse vorbenomeden vromen lüde (...) de let de rad alle jarlikes beghan, des negsten dages na der hilghen Elvendusent meghede dage, mit vigihen und selemissen und let en uppe desulven tijd spende na ghevenk7. Ebenso wie der Eintrag des Berichts über den Überfall auf Hannover im Jahr 1490 in düt jegenwordige unser stat denkeboke to eyner ewighen dechtnisse, der mit dem Gelübde des Rats für die Abhaltung der Gedenkprozession zu einem ewich memoriale66 schließt, gehört der Lüneburger Text zu den zeitgeschichtlichen Aufzeichnungen der »Stadtbuchchronistik« 69. Ein ungewöhnliches Zeugnis ist ein Ulmer Text aus dem 14. Jahrhundert, der die Stiftung einer ewigen Messe durch die Ulmer Bürger anläßlich der Errettung der Stadt nach einem nächtlichen Überfall im Jahr 1314 zum Inhalt hat. Der auf einem in eine Erlanger Handschrift eingeklebten Pergamentblatt überlieferte Text enthält zwar eine Urkunden-Invocatio und -Arenga, ist aber eher als historiographische Notiz anzusehen, zumal eine Beglaubigung durch Besiegelung fehlt70. Die Notiz wurde in einer anonymen Ulmer Chronik rezipiert71. Als das Heer des schmalkaldischen Bundes im November 1546 sein Lager vor Giengen räumen mußte, zog Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen mit dem Fußvolk durch das Remstal. Als fette Beute lag die kaisertreue und katholische Reichsstadt Schwäbisch Gmünd am Weg. Da sich der Rat weigerte, den Forderungen des Kurfürsten nachzukommen, kam es zu einer Beschießung der Stadt. Sie endete mit der Kapitulation Gmünds. Bevor das Heer weiterzog, wurden die Häuser der reichen Bürger und die Stadtkasse rücksichtslos geplündert. Dieses »Märtyrertum« der Stadt Kunst 61, 1987, S. 97-105) nicht ein; wichtig ist der ebd., S. 104, gegebene Hinweis auf das gewirckt duoch das der stridt heisset, das bereits 1434 auf Burg Kronberg nachgewiesen ist. 66 RUBLACK (wie Anm. 38), S. 14. 67 Die Chroniken der Deutschen Städte, Bd. 36. Leipzig 1931, S. 21; vgl. auch Klaus WRIEDT, Geschichtsschreibung in den wendischen Hansestädten. In: Geschichtsschreibung (wie Anm. 8), S. 401-426, hier S. 410. 68 MITTENDORF (wie Anm. 67), S. 279-284 Anm. 2 (Edition). 69 Vgl. WRIEDT (wie Anm. 67), S. 416, und die Literatur bei GRAF (wie Anm. 33), S. 123. 70 Ulmisches UB, Bd. 11,1. Ulm 1898, S. 4 Nr. 5; zur Sache vgl. immer noch STäLIN (wie Anm. 22), S. 145. 71 Anonyme Chronik von Ulm, hg. v. SEUFFER. In: Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben NF3 (1871), S.29-36, hier S.29f.; zum Text, über den ich Näheres noch veröffentlichen will, vgl. vorläufig Volker PFEIFER, Die Geschichtsschreibung der Reichsstadt Ulm. Forschungen zur Gesch. der Stadt Ulm 17. Ulm 1981, S. 14, Anm. 5.

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für Kaiser und Reich wurde in der vom Rat kontrollierten öffentlichen Erinnerung nicht nur durch die oben bereits erwähnten Erinnerungszeichen, sondern auch durch einen Jahrtag mit Prozession festgehalten. Die Hauptquelle für die Geschehnisse in Gmünd im November 1546 ist der ausführliche Bericht »Beschreibung und Anzeigung des Überzugs« 72 . Für das Verständnis seiner Bedeutung ist ein kurzer Blick auf die Textgeschichte der Gmünder Chronistik nötig. Aus dem Ende des 16. Jahrhunderts sind fünf Handschriften erhalten, die alle die gleichen drei Bestandteile aufweisen: 1. eine knappe Gmünder Chronik von •Anfang, Namen und Herkommen« der Stadt, 2. eine Bürgermeisterliste bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts mit wenigen eingestreuten chronikalischen Notizen, und 3. die erwähnte Beschreibung des schmalkaldischen Überfalls. Alle drei Texte gehen auf einen um 1550 angelegten Sammelband des Gmünder Tuchhändlers und Ratsherrn Paul Goldstainer zurück (heute in Wolfenbüttel). Goldstainer nennt sich in diesem Codex als Verfasser des Belagerungsberichts. Bemerkenswert ist nun, daß es zwischen seinem Sammelband und der erwähnten Bearbeitung der Trias eine - nicht erhaltene handliche Zwischenversion gab, in der die lange Beschreibung des Überfalls fehlte. Dieser textgeschichtliche Befund, daß die ursprüngliche Trias in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts wieder komplettiert wurde, und zwar wahrscheinlich im Umkreis des Rats, verweist auf die exemplarische Bedeutung des berichteten Geschehens für die städtische Erinnerung. Der Text eignete sich vorzüglich als Munition der konfessionellen Propaganda. Mit diesem historischen Exempel konnte Gmünd, eine der wenigen katholischen Reichsstädte, seine konfessionelle Position legitimieren. So wird in einer dem gegenreformatorischen Wallfahrtsheiligtum St. Salvator gewidmeten Schrift von 1620 der relativ glückliche Ausgang der Belagerung ohne Todesopfer als erstes der Salvatormirakel ausgegeben. Sogar im Schulunterricht war Goldstainers Beschreibung stadtgeschichtlicher Lehrstoff, wie eine von dem Stadtpfarrer Debler veranlaßte Abschrift des Textes im Schulheft eines sechzehnjährigen Gmünders aus dem Jahr 1798 zeigt73. Im Umkreis der städtischen Kanzlei entstandene Überlieferungen des Textes aus dem 18.Jahrhundert, die Goldstainers Autograph näher stehen als die spätere Redaktion, lassen den Schluß zu, daß die Beschreibung außerhalb des chronikalischen Kontextes auch im amtlichen Schriftgut überliefert wurde. Vor diesem Rezeptionshmtergrund wird deutlich, daß der Bericht in den Handschriften nicht sinnlos mitkopiertes Traditionsgut darstellte. Er verteidigte und begründete städtische Identität - hier konfessionell bestimmt - nach innen wie nach außen. Belagerungsbeschreibungen lassen sich somit als Inventar der »ideologischen Rüstkammer« der Städte auffassen. Sie sollten sowohl Städtefeinde abschrecken als auch bei befreundeten Städten für die eigene Stadt werben. Äußere Bedrohung fordert innere Einigkeit, und das hieß in der Stadt zuallererst: Einigkeit zwischen Bürgermeister und Rat einerseits und der Gemeinde andererseits. "2 Ediert bei GRAF (wie Anm. 33), S. 279-294; zur Sache und Interpretation vgl. ausführlich ebd., S. 46ff., zur Textgeschichte vgl. ebd., S.207ff., 93, 176. " Klaus GRAF, Die Geschichtsschreibung der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd im 17. und !S.Jahrhundert. In: Barock m Schwäbisch Gmünd. Schwäbisch Gmünd 1981, S. 193—242, hier

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Bürgerliche Einigkeit war ein im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit in der historiographischen und literarisch-politischen Verständigung über das städtische Zusammenleben oft artikulierter Grundwert74. Für Goldstainer ist die bürgerliche Einigkeit ein Leitmotiv seines politischen Diskurses. Seine Beschreibung des Überfalls von 1546 zeichnet das Verhältnis von Obrigkeit und Gemeinde modellhaft als harmonisches Miteinander. Als die Forderungen des Kurfürsten vorliegen, wird eine Gemeindeversammlung einberufen: Der Rat wolle das gut beduncken der Gemeinde anhören und hinderrucks ainer gmaind gar nichs handlen. Diskutiert wird freilich nicht. Der Bürgermeister legt den unnachgiebigen Standpunkt des Rats dar, dann wird durch Handaufheben abgestimmt. Alle heben die Hände. Auch den schmerzlichen Entschluß zur Aufgabe trifft die Obrigkeit gemeinsam mit der Gemeinde. Noch an einem zweiten Text, dem Bericht des protestantischen Ulmer Schuhmachers und Chronisten Sebastian Fischer über die Belagerung Ulms im Fürstenkrieg 1552, soll gezeigt werden, wie das genossenschaftliche Stadtmodell, das den Konsens von Rat und Gemeinde voraussetzt, in der Bedrohung von außen beschworen wurde. Der Bericht ist Teil von Fischers Chronik75. Auch in Ulm macht der Bürgermeister in der Gemeindeversammlung Stimmung gegen das heranrückende Fürstenheer. Er sagt: Es ist besser erlich gstorben dan schantlich gelebt. Alle, die Gut und Blut für die städtische Ehre einsetzen wollten, sollten mit ihm die Hand heben. Alle stimmen zu. Danach schwört der Rat mit der Gemeinde, gutt und blutt, leyb er und gutt beyainander zulassen. Bevor die Belagerung beginnt, wird die Gemeinde noch zweimal mittels Abstimmung auf die Ratslinie verpflichtet. Während der Belagerung findet eine weitere Versammlung statt, auf der Korrespondenz mit den Feinden verlesen wird. In einer langen Rede betont der Bürgermeister, der Rat wolle on der gmaind wissen nichts handlen. Selbstverständlich ist die Gemeinde hertzhafft und die Abstimmung ein viertes Mal einstimmig. Zu beachten ist das Nachspiel: Nach dem Abzug der Feinde sorgt sich der Rat, daß bestimmte Schreiben von auswärts bei der Gemeinde einen aufrur erzeugen könnten. Er beeilt sich daher, an namhaften öffentlichen Orten Zettel anzuschlagen, die der Meinung entgegentreten sollen, man hätte sich mit dem Feind auch glimpflich vertragen können. Die Furcht, die Gemeinde könne abfellig werden, wenn sie zur Überzeugung käme, die Obrigkeit habe sie getäuscht, bezeugt einmal mehr die Wirkmächtigkeit des genossenschaftlichen Modells, zu dem der Aufruhr als legitimer Protest bei der Verletzung des auf dem Konsens beruhenden kommunalen Herrschaftsvertrags gehört76. Das Zueinanderschwören von Rat und Gemeinde in der Stunde der Not ist nur eine Steigerung der auf dem jährlichen Schwörtag geleisteten gegenseitigen Verpflichtung: Das »Theater« der Gruppenillusion lebt nun einmal von 74 Vgl. nur GRAF (wie Anm.33), S. 55, und Eberhard J.NIKITSCH, Dionysius Dreytwein. In: Esslinger Studien 24 (1985), S. 1-210, hier S. 126f. 75 Sebastian FISCHERS Chronik besonders von Ulmischen Sachen, hg. von Karl Gustav VEESENMEYER. Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum für Ulm und Oberschwaben 5-8. Ulm 1896, S. 231 ff. Zur Sache vgl. auch PFEIFER (wie Anm. 71), S. 28. 76 Von den einschlägigen Arbeiten von Wilfried EHBRECHT sei nur genannt: Form und Bedeutung innerstädtischer Kämpfe am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit: Minden 1405-1535. In: Städtische Führungsgruppen (wie Anm. 2), S. 115-152, besonders S. 127ff.

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dem pathetischen Augenblick, an dem alle Hände hochschnellen und jeder Leib und Gut und Blut für die Gemeinschaft einzusetzen bereit ist. Historiographische Berichte über Belagerungen sind den (inzwischen nun schon gut bekannten) Berichten über innerstädtische Unruhen zur Seite zu stellen, und zwar als Bestandteil jener Verständigung, der die Stadt als Lebens- und Normengemeinschaft begründete. Zu fragen ist nicht nur danach, wie die Gemeinwesen auf die Bedrohung von außen reagierten, sondern auch, wie diese Reaktion in den Berichten dargestellt wird. Die soziale Situation der Verfasser der Berichte - der Gmünder stammt von einem Ratsherrn, der Ulmer von einem Handwerker - ist natürlich zu beachten77. Heinz-Dieter Heimann hat am Beispiel des »Soester Kriegstagebuchs« aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, das jedoch nur in einer Bearbeitung von 1533 überliefert ist, die Übernahme des mittelalterlichen Gemeindebegriffs in der Reformationszeit gezeigt. Bereits für den Verfasser des Kriegstagebuchs stand das Ideal städtischer Gemeinschaft und bürgerlicher Solidarität angesichts der Bedrohung im Vordergrund78. Belagerungsbeschreibungen behielten ihren exemplarischen Wert durch die Wiedergabe einer Extremsituation, die beispielhaftes Verhalten - sei es vorbildliches Heldentum oder abschreckender Verrat - freisetzte. So erklärt sich auch die Tatsache, daß 1664 der Gießener Professor Dieterich den Bericht des Kronberger Bürgers Peter Trudel über die Belagerung Kronbergs 1522 zusammen mit Notizen über die Kronberger Schlacht von 1389 drucken ließ79. So wichtig freilich die genaue Interpretation von Einzeltexten auch ist, wichtiger noch erscheint die vergleichende Perspektive, die auf ein Korpus einschlägiger Texte zielt. Anknüpfen könnte man bei dem Versuch des englischen Historikers Du Boulay, die deutschen Städtechroniken nach sieben Gesichtspunkten zu gliedern80. Außer acht bleiben können hier die Punkte 5, 6 und 7 (Chroniken aus Privatinteresse, für ein städtisches Publikum, im amtlichen Auftrag) sowie Punkt l (Familienherkommen). Für einen am »civic ritual« interessierten Ansatz relevant sind die restlichen drei Gruppen, die Kaisereinzüge, Kriegsberichte und Bürgerkämpfe betreffen. Zum Entree des Kaisers nenne ich nur das Nördlinger Kaiserempfangsbuch, ein 1474 angelegter Foliant, in dem aus amtlichen Berichten über Kaiserbesuche eine annalistisch geführte Stadtchronik wird 81 . Die Berichte sowohl über innerstädtische Konflikte als auch über Fehden und Belagerungen zeigen die Stadt als Unfriedensgemeinschaft, beide Texttypen präsentieren städtische Identität narrativ als Geschichten von Bedrohung und Verteidigung. ~ Zur Darstellung der Ereignisse des Markgrafenkriegs in Esslingen 1552 durch den Kürschner Dionysius Dreytwein vgl. NIKITSCH (wie Anm. 74), S. 124f. "S Heinz-Dieter HEIMANN, Stadthistoriographie und Stadtreformation. In: Jb. für Westfälische Kirchengesch. 76 (1983), S. 3CM9. "9 -Vgl. RONNER (wie Anm. 65), S. 103, und DERS., Politik und Religion im alten Kronberg. Rronberg i.Ts. 1983,5.251. ?C F. R. H. Du BOULAY, The German Town Chroniclers. In: The Writing of History in the Middle Ages. Oxford 1981, S. 445^69. il Stadtarchiv Nördlingen; Literatur zum Entree bei Karl MÖSENEDER, Zeremonielle und monumentale Poesie. Berlin 1983, S. 25. Vgl. zuletzt am Beispiel des Reichstags von 1442 Hartmut BOOCKMANN, Geschäfte und Geschäftigkeit auf dem Reichstag im späten Mittelalter. In: HZ 246 (1988), S. 297-325, hier S. 315f.

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Diese Konfliktgeschichten beschreiben jedoch keinen kontingenten, zufälligen Ablauf als tragisches oder glückliches Geschehen. Sie bieten vielmehr Exempla für das Zusammenleben in der Stadt. Das wiederkehrende Muster - um nur einige zu nennen: der standhafte Bürgermeister, die tapfere Zunft, die sich aufopfernden Frauen, die Bienenkörbe als Kriegslist - läßt erkennen, daß es um beispielhafte Züge geht. Nur sie werden überliefert, erinnert, erzählt. Man versteht, daß Gelehrten und geistlichen Berichterstattern das Geschehen vielfach als Wiederkehr antiker oder biblischer Geschichten erschien. So zitiert der Dortmunder Dominikaner Johannes Nederhoff in seinem lateinischen Bericht von der Belagerung Dortmunds in der Dortmunder Fehde 1388/89 ausdrücklich antike Präzedenzfälle. Ausdrücklich spricht er davon, daß seine Erzählungen Künftigen ein Exemplum sein sollen (futurorum sit exemplum)K. Das ins Auge gefaßte Textkorpus müßte auch jene meist spät überlieferten Texte über Fehden und Belagerungen erfassen, die man gemeinhin als »historische Sagen«83 bezeichnet, und zugleich auch jene Chronikerzählungen, die sich als fiktiv erwiesen haben. Ritus und historische Überlieferung stehen in einem symbiotischen Verhältnis zueinander: Die Geschichte erklärt den Ritus, der Ritus wiederum verbürgt die Wahrheit der Geschichte. Über die Erzählungen im Zusammenhang mit der Schlacht bei Frose 1278 in Magdeburger Geschichtsquellen schrieb Gustav Hertel: »Daß die Sage von Ottos IV. Gefangenschaft und Befreiung in Magdeburg sich lebendig erhielt, hat wohl seinen Grund darin, daß alle Jahre zum Andenken an den Sieg von Frose Spenden an die Armen und die Klöster verteilt wurden, also immer wieder Gelegenheit gegeben wurde, die Begebenheiten sich wieder vorzuführen« 84 . Als Beispiel einer fiktiven Chronikerzählung soll der Bericht einer wohl im vierten Viertel des 15. Jahrhunderts entstandenen Ulmer Chronik über die Belagerung Ulms durch seinen Stadtherren Kaiser KarlIV. im Jahr 1376 vorgestellt werden85. Der fast schwankhaft anmutende Text erzählt in verschiedenen Episoden vom Widerstand der Ulmer gegen Karl, dem sie als minderer des reichs den Einlaß verweigern. Obwohl Graf Eberhard von Württemberg dem Kaiser versprochen hat, ihm Ulm als Morgensuppe zu servieren, kommt die Belagerung durch den Adel nicht voran. Zwar ist die Nahrungsmittelzufuhr der Stadt abgeschnitten, doch hindert dies die Stadt nicht, geschäftstüchtig Spezereikrämer in die kaiserliche Küche zu schicken, als dort die Gewürze ausgegangen sind. Nun will sich die Kaiserin die Stadt einmal anschauen. Sie wird jedoch von den städtischen Büchsenschützen von ihrem Beobachtungsposten vertrieben. Auf die Frage ihres Gatten, wie ihr Ulm gefalle, erwidert sie, der Käfig sei gut, aber die Vögel seien bös. Der Kaiser wundert sich über die Keckheit der Bürger und ruft einen der 82 Des Dominikaner Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, hg. von Eduard ROESE. Dortmund 1880, S. 75; vgl. auch ebd., S. 70f. 83 Zur Kritik des Begriffs »Historische Sage« vgl. Klaus GRAF, Der Ring der Herzogin. In: Babenberger und Staufer. Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 9. Göppingen 1987, S. 84-134, hier S. 119f., und DERS., Thesen zur Verabschiedung des Begriffs der historischen Sage. In: FABULA 29 (1988), S. 21-47. 84 Gustav HERTEL, Untersuchungen über die ältesten Brandenburger Chroniken. In: Forschungen zur Deutschen Geschichte 19 (1879), S.212-234, hier S.234; vgl. auch: Die Chroniken der Deutschen Städte, Bd. 7. Leipzig 1869, S. 157. 85 Chronik (wie Anm. 71), S. 31 f.

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Gewürzverkäufer zu sich, um ihn nach den Namen der Regierer der Stadt zu fragen. Die Antwort: genediger herr, es senndt inwonner der statt und seher liebhaber des gemainen nutz, und einer aus denen haist Habfast, der annder Kraft, der drit Boeserer. Nun ist dem Kaiser klar, weshalb sich die Ulmer erschrockhlich und grausamlich zeigen. Er vereinbart mit Ulm einen eintägigen Waffenstillstand zur Abhaltung eines Turniers. Doch ausgerechnet ein Ulmer sticht alle auf der Seite des Kaisers vom Pferd. Jedes Kind, das sich das Turnier anschauen will, erhält ein Pfennigbrot, und die Brote in der Stadt sind so groß wie früher. Ganz kleinmütig werden die Belagerer, als sie erkennen, daß noch kein Mangel an Bfot in der Stadt herrscht. Es folgt die beglaubigende Erzählerbemerkung, am Jahrtag sei allen Kindern eine Spende zu geben verordnet worden - zu ainer ewigen gedechtnuss. Wie es sich gehört, schlagen die Ulmer die Feinde schließlich in die Flucht, und der Chronist schließt: also hanndt sy sich weiter nit underston wolen ire freyhaitn zu nemmen. Listenreich bewahren also die Ulmer ihre Stadtfreiheit, wobei die Vortäuschung von Nahrungsüberfluß ein altbekanntes Motiv in Belagerungserzählungen darstellt. Mit einer in das Jahr 1248 datierten Belagerungslist setzen die Aufzeichnungen eines Limburger Bürgers wohl aus der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts ein, die als Anhang zu Tilemann Ehlens Limburger Chronik überliefert sind86. Nach dreieinhalbjähriger Belagerung gehen den Bürgern die Nahrungsmittel aus. Durch das Hinauswerfen einer mit dem letzten halben Malter Weizen gefüllten Eselshaut können sie die Feinde zum Abzug bewegen. In den meisten der elf Notizen dieser Aufzeichnungen werden die - meist kriegerischen - Bedrängnisse Limburgs erzählt; mehrfach wird die grose noit der Stadt betont. Der letzte Abschnitt gilt einem geplanten adligen Anschlag auf die Stadt, wobei die Metzger die Feinde zurückschlagen können. Der Text schließt: Das wolle Got und der ritter sente George, der Patron der Limburger Stiftskirche, der uns alle zit bistant tun wolle. Amen. Setzte die Bedrohung von außen innerstädtische Solidarität frei, die in einem gruppenübergreifenden, gesamtstädtischen Eigen-Diskurs87 zur Sprache kam? Jörn Reichel hat in seiner Monographie über den Nürnberger Handwerker und Spruchdichter Hans Rosenplüt die politisch-historischen Sprüche dieses Autors auf diese Frage hin untersucht. Rosenplüts Spruch »Der Markgrafenkrieg« ist eine Lobschrift auf den Sieg der Nürnberger über den Markgrafen Albrecht Achilles in der Schlacht bei Hembach im Jahr 1450. Neben der Historiographie und den historischen Überlieferungen sind somit auch die historischen Sprüche und Lieder in die Betrachtung einzubeziehen88. Reichel stellt fest, die politische Spruchdichtung sei »auf eine Selbstdarstellung des Stadtbürgertums als konfliktloser Interessen- und Lebensgemeinschaft angelegt. Als 86 In der Edition von Wyß (wie Anm. 24), S. 98-103. Zur Datierung vgl. Gottfried ZEDLER, Die Quellen der Limburger Chronik und ihre Verwertung durch Tilemann. In: Hist. Vierteljahrschrift 23 (1926), S. 289-324, hier S. 299-313, dessen quellenkundliche Erörterungen freilich viel zu hypothetisch sind. Vgl. zuletzt Wolf-Heino STRÜCK, Das Stift St. Georg zu Limburg an der Lahn. In: Hessisches Jb. für Landesgesch. 35 (1985), S. 1-36, hier S. 9. 87 Zu diesem Begriff vgl. GRAF (wie Anm. 4), S. 21, 23. 88 Noch immer gilt, was Hanns FISCHER, Der Überfall beim Nördlinger Scharlachrennen. In: Fs. für Klaus Ziegler. Tübingen 1968, S. 61-76, hier S. 61, über die Vernachlässigung der historischen Lieder schrieb.

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oberste Werte aller Bürger werden ungeachtet ihrer spezifischen Interessenlage die Ehre und Freiheit der Stadt, die durch sie garantierte Wahrung von Friede und Recht und die ungebrochene Eintracht der Bürger vertreten«89. Ein weiteres Zitat beantwortet die oben gestellte Frage: »Bürgerstolz und übergreifendes Solidaritätsbewußtsein formiert sich ausschließlich im Widerspruch: in der Auseinandersetzung mit den äußeren Feinden der Stadt«90. Ein schichtenübergreifendes Bürgerbewußtsein, wie es Heinrich Schmidt91 postuliert hat, sei »ein funktionaler Wert, der sich stets aus einer Verteidigungshaltung heraus bildet« 92 . Die Teilhabe am städtischen Kampfruhm konnte die Identität und Ehre von Familien, aber auch von Handwerkergruppen begründen. Auf dem Epitaph des Lüneburgers Hinrik Garlop von 1557 wird Bezug genommen auf den Tod eines Vorfahren in der Ursulanacht 1371. Ich zitiere in Übersetzung: »Ich bin dem Beispiel der Vorfahren, die das Wohl der Vaterstadt über das eigene stellten, gefolgt und habe meine Vaterstadt geliebt. So fiel einst ein Garlop als Ratmann tapfer kämpfend, als der Feind die Mauern in schweigender Nacht hielt«93. Der Lüneburger Bäcker, der 22 Feinde erschlagen haben soll, wurde bereits erwähnt. In zahlreichen Schlachten- und Belagerungsüberlieferungen wird die besondere Tapferkeit einer bestimmten städtischen Gruppe hervorgehoben, die zum Dank besonders privilegiert wird. So behauptet eine Gmünder Überlieferung, die Metzger hätten das Recht, am Palmsonntag den Palmesel zu führen, weil sie ihn den schmalkaldischen Soldaten abgejagt hätten 94 . Die Zunftüberlieferung und die amtliche Überlieferung stützen einander: dem Vorrang der Zunft entspricht der Vorteil der Stadt, die den anderen Zünften ein Vorbild und Exempel vorhalten kann. Die Anlagerung von gruppenspezifischen Überlieferungen an die gruppenübergreifende Erinnerung zeigt das Wechselspiel zwischen Gruppen- und städtischem Diskurs und ergänzt Reicheis These, daß äußere Bedrohung in einer differenzierten städtischen Gesellschaft ein gruppenübergreifendes Wir-Bewußtsein entstehen lasse. Noch zu untersuchen ist die Frage, wie sich die Darstellung der tapferen oder listigen Frauen in Belagerungsüberlieferungen (zum Beispiel Weiber von Weinsberg, Weiber von Schorndorf) zur sonstigen Bestimmung der gesellschaftlichen Rolle der Frau verhält.

89 Jörn REICHEL, Der Spruchdichter Hans Rosenplüt. Stuttgart 1985, S. 221. 90 Ebd. 91 SCHMIDT (wie Anm. 50). 92 REICHEL (wie Anm. 89), S. 221. 93 Klaus ALPERS, Die lateinischen Inschriftentafeln der Garlopenhäuser. In: Lüneburger Bll. 21/ 22 (1970/71), S. 49-84, hier S. 66. 94 Vgl. Hans KLEIN. In: Das Fleischerhandwerk im Wandel der Zeit. Nördlingen 1986, S. 106; Else GÜNDLE, Brauchtum im alten Gmünd. Gmünder Hefte 3. Schwäbisch Gmünd 1953, S. 19f.; Michael GRIMM, Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd. Gmünd 1867, S. 422; Einhorn Jb. Schwäbisch Gmünd 1988, S. 25.

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4. Angst und Kriegertum Die spätmittelalterlichen Städte fühlten sich von den Fürsten und dem Adel in hohem Maße bedroht. Vor allem in der Historiographie hat man die städtische »Fürstenangst« und den »Adelshaß» konstatiert95. Überfälle von Fürsten auf Städte oder städtische Niederlagen wurden zu warnenden Exempla, die zu einem tiefen Mißtrauen gegenüber den Fürsten und dem Adel beitrugen. So endet der auf Anordnung des Rats im Denkbuch Hannovers eingetragene Bericht vom Überfall des Stadtherrn 1490 mit dem gleichen Bibelwort aus Psalm 145 nolite confidere in principibus, das auch Paul Goldstainer seinem Bericht von dem schmalkaldischen Überfall auf Gmünd als Motto voranstellte96. Überfälle und Niederlagen sind Anschläge auf die städtische Identität, auf die städtische Ehre. Nur wenn man das »symbolische Kapital der Ehre« (Bourdieu) in die Rechnung einbezieht, kann man etwa die traumatisierende Wirkung des oberdeutschen Städtekriegs von 1449/50 auf die Reichsstädte verstehen. So bittet die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, die im September 1449 eine schwere Niederlage vor den Stadttoren hinnehmen mußte, im folgenden Jahr die Reichsstadt Nördlingen um ein Darlehen, um nicht zu späte werden und erlich an dem hailigen reiche besteen zu können97. Städtische Ehre und Reichsfreiheit sind eins. Es kann hier nur angedeutet werden, daß in städtischen Korrespondenzen noch kaum ausgewertetes Quellenmaterial für das hier angeschlagene Thema der wechselseitigen Ängste und Feindbilder bereitliegt. Solche Äußerungen gehören zu einem - gruppenübergreifenden - Diskurs, der konkrete Ereignisse in einem allgemeinen Deutungsrahmen verortete. Immer wieder stößt man auch in amtlichen Schreiben auf allgemeinere Reflexionen, auf Zeitklagen über die ungetrewen geschwinden bösen landsloffe9*. Die Angst erklärt auch, daß in Nördlingen Jahr für Jahr die Erinnerung an einen Überfall der Grafen von Öttingen auf die Stadt Anfang 1440 begangen wurde, von dem nicht einmal sicher ist, ob er »überhaupt geplant war oder ob er nur in der Einbildung der Nördlinger Ratsherren bestand«". In die gleiche angstgeladene Situation der Jahre vor 1449 gehört der von Hanns Fischer wiederentdeckte Zeitspruch über einen angeblichen adeligen Überfall auf das Nördlinger Scharlachrennen 1442, einen swaren herrten mortlichen anslag, wie es in einem Nördlinger Schreiben heißt. Nach Fischer sollte der Spruch 95 SCHMIDT (wie Anm. 50), S. 32 ff. Zu kollektiven Ängsten vgl. allgemein Jean DELUMEAU, Angst im Abendland, 2 Bde. Reinbek bei Hamburg 1985. 96 GRAF (wie Anm. 33), S. 279; MITTENDORF (wie Anm. 61), S. 284. 97 StadtA Nördlingen, Missiven 1450, f. 353; vgl. Klaus GRAF, Gmünd im Spätmittelalter. In: Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd. Stuttgart 1984, S. 87-184, hier S. 95, und DERS. (wie Anm. 33), S. 205-207. 98 StadtA Nördlingen, Missiven 1464, S. 50 (Aalen an Nördlingen). 99 Harro BLEZINGER, Der schwäbische Städtebund. Darstellungen aus der württ. Gesch. 34. Stuttgart 1954, S. 55; vgl. auch RUBLACK (wie Anm. 38), S. 14, und Dietmar-H. VOGES, Die Reichsstadt Nördlingen. München 1988, S. 109f., 225; Gustav WULZ, Die »Saupredigt« des Magisters Hinkeldey. In: Der Daniel l (1965), H. l, S. 7-11. - Ein Dortmunder Beispiel für einen Jahrtag zur Erinnerung an einen mißglückten Verrat 1378: August MEININGHAUS, Der Verrat Agnetens von der Vierbecke in Chronik und Geschichte. In: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 22 (1913), S. 311-318.

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Stimmung machen für eine gemeinsame Racheexpedition der Bündnisstädte 10°. In der Tat enthält der Spruch am Schluß einen deutlichen Aufruf zur Einigkeit der Städte untereinander: Dobey sollen die stet verstan, Das sie bey einander beleiben101. Heldentum besiegt die Angst. Nur ganz kurz kann auf die Problematik eines agonalen, das heißt am Kriegertum und am Kampf orientierten städtischen Selbstverständnisses aufmerksam gemacht werden. Vorarbeiten, etwa über städtische Kampfspiele 102, fehlen. Zu fragen ist, in welchen Formen und bei welchen Gruppen kriegerisches, heroisches, heldisches Ethos in der Stadt wirksam wurde. Die Diskussion über »Stadt und Ministerialität« hat sich weitgehend auf die wirtschaftliche Verflechtung der Ministerialität mit den städtischen Oberschichten und auf verfassungsgeschichtliche Aspekte konzentriert. Ausgehend von einem Stadtmodell, das die Stadt als Rittergemeinschaft bestimmt103, könnte man immerhin die Vermutung wagen, daß zunächst die berittenen patrizischen Oberschichten ein »heroisches Gemeinschaftsideal« pflegten, wie es von Gerhard Gesemann für die Patriarchalität des Balkans demonstriert wurde104 und wie es auch für die bäuerliche Gesellschaft der spätmittelalterlichen Schweiz anzunehmen ist105. Ein literarisch nicht uninteressanter Nebenschauplatz dieser Diskussion betrifft die Rezeption von heroischer Überlieferung (Heldensage, Heldenepik) in der Stadt. Natürlich ist die Frage nach dem »Heldischen« mit größter Vorsicht zu stellen, und es ginge eindeutig zu weit, wollte man - etwa in Anknüpfung an Überlegungen von Kurt Hübner106 über mythischen Heroenkult - von einem Zusammenwirken christlicher Memoria und einer archaischen Heldenverehrung im Medium des Schlachtengedenkens sprechen. Gleichwohl erschiene es mir sinnvoll, die Quellen zum städtischen Wehrwesen und historiographische Schlachtenberichte mit Blick auf Interferenzen zum agonalen Diskurs erneut zu lesen. Zusammenfassung 1. Die besprochenen städtischen Jahrtage gehörten ursprünglich zum liturgischen Leben der Stadt; sie entwarfen die Stadt als »Sakralgemeinschaft«. Schlachtenjahrtage konstituierten die Stadt darüber hinaus als »Erinnerungsgemeinschaft«; als spirituelle Fürsorge für die Gefallenen waren sie Ausdruck der auch im Spätmittelalter weiterwirkenden Prägekraft der »Memoria«. Die ursprünglich als liturgische Dankfeste konzipierten Jahrtage zum Gedenken an überstandene Belagerungen und Überfälle waren oft 100 FISCHER (wie Anm. 88), S. 75. 101 Ebd., S. 55 V. 124f. 102 Vgl. aber oben Anm. 5. Vorerst nur als Kuriosum ist die Mägdeschlacht von Höxter einzuordnen: 1554 stellten Frauen vor Höxter die Schlacht von Sievershausen nach; vgl. Adolf BENKERT, Zur Vorgeschichte der Gegenreformation in Höxter. In: Jb. des Vereins für Westfälische Kirchengesch. 32 (1931), S. 15-54, hier S. 42 ff. Eine Parallele in Konrad Stolles thüringischErfurtische Chronik. Hg. von Ludwig Friedrich HESSE. Stuttgart 1854, S.88f. 103 Vgl. z.B. Cornelia ATTENBERGER-GYARFAS, Stadtbürgerliches Leben und Wirtschaften in Quellen des deutschen Spätmittelalters. Diss. Bonn 1982, S. 153 ff., bes. S. 166f. 104 Gerhard GESEMANN, Heroische Lebensform. Berlin 1943; vgl. auch Klaus VON SEE. In: Europäische Heldendichtung. Hg. von Klaus VON SEE. Wege der Forschung 500. Darmstadt 1978, S. 25. 105 Vgl. oben Anm. 4f. 106 Kurt HÜBNER, Die Wahrheit des Mythos. München 1985.

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mit der Verehrung des Tagesheiligen oder Stadtpatrons verbunden, auf dessen Beistand - Fürbitte oder Schlachtenhilfe - die Rettung zurückgeführt wurde. 2. Jahrtage, Gedächtnistafeln, Bilder und Erinnerungszeichen gerieten später in den Sog obrigkeitlicher Didaxe. Mit der jährlich wiederholten Erinnerung an Schlachten, Belagerungen und Überfälle sollten vorbildhafte oder warnende Exempla vergegenwärtigt werden: als Ansporn zu innerstädtischer Solidarität und zu Heldentum, als Warnung vor bürgerlicher Uneinigkeit und vor Verrat einerseits und vor fürstlichem Hegemoniestreben und vor adliger Anmaßung andererseits. 3. Historiographische Aufzeichnungen der »Stadtbuchchronistik«, Zeitsprüche und -lieder sowie schriftlich - als Chronikerzählungen - oder mündlich tradierte historische Überlieferungen (»Sagen«) waren die literarischen Formen, in denen die paradigmatischen Geschichten von der Störung des städtischen Friedens durch innere oder äußere Bedrohung bleibende Gestalt gewannen. Stereotype Erzählmotive waren dabei eine Funktion des exemplarischen Gehalts. Dieser erklärt auch, weshalb der ursprüngliche Anlaß der Gedenktage mitunter in Vergessenheit geriet. 4. Chronikalische Belagerungsbeschreibungen sind nicht nur Quellen für das Verhältnis von Rat und Gemeinde in einer Krisensituation und damit auch für »Verfassungswirklichkeit« des genossenschaftlichen Modells; sie waren ebenso wie die historischen Überlieferungen zugleich selbst ein Bestandteil des ausbalancierten Systems von Standortbestimmungen und Rangansprüchen innerstädtischer Gruppen (beispielsweise der heldenhaften Frauen oder der mutigen Zunft). Der über die äußere Bedrohung hergestellte gruppenübergreifende Konsens, dem im städtischen Eigen-Diskurs der Entwurf eines idealen Miteinander entsprach, war dabei freilich stets gefährdet, als Werkzeug der Herrschaftsansprüche der Führungsschicht vereinnahmt zu werden. 5. Städtische Gedenken an geplante und wirkliche Überfälle von Fürsten und Adligen waren ein Teil jenes Angstsyndroms, das auch das politische Handeln der Städte bestimmte. Der Bedeutung des Agonalen in der Stadt muß noch nachgegangen werden. 6. Vorgestellt wurde ein Ensemble von Zeugnissen107, die man als Äußerungsformen eines »historischen Bewußtseins« einzuordnen geneigt sein könnte. Wichtig war vor allem die Berücksichtigung der wichtigsten »Medien« der öffentlichen historischen Kultur: von Ritus und unmittelbaren Gegenständen der Anschauung108. Die Forschung müßte sich auch den in älterer Zeit belegten anderen Festen mit »historischer Sinngebung« 109 zuwenden110. Das durch die besprochenen Beispiele abgesteckte Feld des »Historischen« ist freilich ein Forschungskonstrukt. Die Bestandteile dieses Felds lassen sich nicht als Ausdruck eines einheitlichen »Bewußtseins« begreifen; es handelt sich vielmehr um ein durch zahlreiche Querverbindungen zusammengehaltenes Netz 107 Man mag auch sagen: einem Diskurs. Zur Skizze einer Diskursgeschichte vgl. GRAF (wie Anm.4), S. 16 ff. 108 Ob man mit HÜBNER (wie Anm. 106), S.350ff., von einer numinosen Geschichtserfahrung sprechen soll, kann hier dahingestellt bleiben. 109 Zu modernen Festen mit »lokalhistorischer Sinngebung« vgl. z.B. Leander PETZOLDT, Volkstümliche Feste. München 1983, S. 287-318. 110 Nach Paul ZAUNERT, Hessen-Nassauische Sagen. Jena 1929, S. 176, feierten die Bürger von Kamberg den Gründungstag ihrer Stadt. Eine solche Feier nimmt Jakob HERMES, Das alte Kempen. Krefeld 1982, S. 11, 20ff., auch für Kempen an.

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von funktional durchaus unterschiedlichen Elementen111. Ein Ansatz, der nach Trägern und Funktionen »historischer Überlieferungen« fragt112 und nicht auf die fragwürdigen Prämissen eines anthropologisch konstanten »historischen Sinns« oder einer Grundfunktion »Erinnerung« auszuweichen gewillt ist, muß sich nach der begrifflichen Untergliederung des Zeugniskorpus des »Historischen« befragen lassen. Zu unterscheiden ist zunächst zwischen den erzählenden, »narrativen« Formen und der nicht-narrativen Form des liturgischen Ritus. Memorien und Dankfeste fallen unter den Begriff der »Stiftung«, da sie abgehalten wurden, um eine vom Stiftungsträger eingegangene Verpflichtung zu erfüllen. Da der Stiftungsträger, die städtische beziehungsweise kirchliche Gemeinde, mit dem Stifter identisch war, handelte es sich um eine Selbstbindung. Zwar wurde der Stiftungsanlaß in der Liturgie in der Regel narrativ bezeichnet, doch war dies für die Einlösung des Stiftungsauftrags nicht notwendig113. Vielmehr lagerten sich oft nachträglich ätiologische Erzählungen an, die den Stiftungsanlaß - mehr oder weniger zutreffend - narrativ erklärten. Beibehaltene »Spuren« (etwa Relikte von Schlachten), nachträglich öffentlich angebrachte oder als solche gedeutete Erinnerungszeichen und Bilder sind dagegen - anders als etwa die »Stifterbilder« nicht als Stiftungen zu werten. Sie bedurften als »Erzähl-Male«m der narrativen Ergänzung, sollten sie als Erinnerungszeichen verstanden werden. Vielfach erhielten sie diese Ergänzung bereits von Anfang an in Gestalt einer erläuternden Inschrift. Die narrativen Formen, das heißt jene, denen eine Erzählung zugrunde liegt, sind nach dem Anteil des »historischen Wissens« zu differenzieren. Die Spanne reichte von der undatierten Kurzform (»feindlicher Überfall«) bis zum ausführlichen historiographischen Text. Die berichteten Einzelheiten hatten den exemplarischen Gehalt, der Erzählung zu beglaubigen, und dieser war wiederum stets auf die als »Herkommen«115 bestimmte Identität der Stadt bezogen. Der Verweis auf die Erinnerung auch in einem anderen Medium (Ritus, Erinnerungszeichen und Bild) konnte die Verbindlichkeit des Erzählten bestätigen. Die Erzählungen von der Bedrohung und Verteidigung städtischer Freiheit waren somit gültige Lehrstücke, die in das vom städtischen EigenDiskurs entworfene Bild idealer städtischer Ordnung als historische Belege eingefügt oder ihm als Warnung gegenübergestellt werden konnten. 111 Mit Wittgenstein ist von »Familienähnlichkeit« zu sprechen; vgl. GRAF, Ring (wie Anm. 83), S. 112; DERS. (wie Anm. 4), S. 18; DERS., Thesen (wie Anm. 83). 112 GRAF (wie Anm. 33); DERS., Thesen (wie Anm. 83). 113 Die Memoria-Forschung hat überzeugend nachgewiesen, wie sich Historiographie aus der Memoria entwickelt hat. Wenn aber Memorialzeugnisse als »Geschichtsbewußtsein« angesprochen werden (vgl. JAKOBI [wie Anm. 28]), dann fragt man sich, ob der Begriff des »Historischen« damit nicht leer wird. Wer einen Namen nennt - was für die Memoria konstitutiv war - und damit den Benannten »vergegenwärtigt«, erzählt keine Geschichte. Jede Ausführung einer Stiftung ist »Geschichtsbewußtsein«, indem sie den Stiftungsvorgang »vergegenwärtigt«. Dergleichen ist aber besser im Rahmen des von HÜBNER (wie Anm. 106), S. 135 ff., entwickelten Arche-Begriffs zu diskutieren. Es darf somit bezweifelt werden, daß es sonderlich sinnvoll ist, diese Vergegenwärtigung mit der besprochenen narrativen bzw. bildlich-gegenständlichen Ereignisüberlieferung in den großen Topf des »Geschichtsbewußtsems« zu werfen. 114 Vgl. GRAF, Ring (wie Anm. 83), S. 95 ff.; DERS., Thesen (wie Anm. 83). 115 Zur Gegenüberstellung von »Herkommen« und »Exemplum« vgl. GRAF (wie Anm. 4), S. 21 f.; DERS., Thesen (wie Anm. 83).