WETTBEWERBE: ERSATZNEUBAU AAREBRÜCKE AARWANGEN MAGAZIN: GLAS STATT GEBÄUDETECHNIK | FORM FINDING: IMAGINATION UND ANALYSE

SCHAFFT BIM ORDNUNG? BIM IST ANGEKOMMEN | IST DIE BRANCHE ZU TRÄGE? | KRAFTWERK AUS DATEN

SIA: «UMSICHT 2013» | «2023 WIRD BIM ETABLIERT SEIN» | BIM ALS ÜBERLEBENSFAKTOR

NR. 45

1. NOVEMBER 2013

2 | Stelleninserate

TEC21 45 / 2013

Editorial | Inhalt | 3

TEC21 45 / 2013

Das neue Kraftwerk Hagneck am Bielersee wurde mit BIM geplant. Das 3-DModell vermittelt dabei mehr Informationen als traditionelles Planmaterial. (Foto: Penzel Valier)

5 wettbewerbe Ersatzneubau Aarebrücke Aarwangen

Schafft BIM Ordnung? Diese Ausgabe begann mit einem Chaos, einem geordneten zwar, aber dennoch: An der Wand unseres Büros klebten viele blassgelbe Post-its, von Hand beschriftet. Mit analoger Heftplanung versuchten wir, ein digitales Thema in den Griff zu bekommen: Was ist dieses BIM überhaupt? Ausformuliert heisst es «Building Information Modeling» – aber das hilft noch nicht wirklich weiter. Was genau kann es? Wer benutzt es in der Schweiz und wofür? Die Argumente, die für die ganzheitliche digitale Planung sprechen, sind vielfältig: Bei der Jahrestagung der Berufsgruppe Technik des SIA bemängelten Auftraggeber wie Betreiber die Qualität der Pläne fertiger Bauwerke – sie taugten nur teilweise für ein effizientes Facility Management. Weil General- oder Totalunternehmungen auch dank digitalen Technologien ihre Planungen wirtschaftlicher organisieren und Projekte hinsichtlich der Kosten optimieren, laufen sie traditionellen Planungsbüros – die oft einen grösseren Gestaltungswillen einbringen würden – vor allem bei Grossbauten den Rang ab. Dauernde Normenänderungen verlangen geradezu nach beschleunigten Bauprozessen. Die Baubranche hat bislang bei Weitem nicht im selben Masse von neuen digitalen Werkzeugen profitiert und an Effizienz zugelegt wie andere Wirtschaftszweige. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass Normen und Regelungen zu BIM noch fehlen. Aber es drängt sich auch der Verdacht auf, dass verschiedene Planer eine Art «VogelStrauss-Taktik» verfolgen, wenn es um BIM geht. Dabei verspricht die Technologie einige Erleichterungen, die auf der Wunschliste vieler Planer stehen dürften; ein Beispiel ist die Automatisierung von Routineaufgaben, sodass mehr Zeit und Energie für Gestaltung und Planung bleibt. Das sind verlockende Aussichten. Wieso also hat sich die neue Art des digitalen Planens in der Schweiz bislang nicht flächendeckend

9 magazin Glas statt Gebäudetechnik | Imagination und Analyse | Struktur als Gebäude

16 BIM ist angekommen Was ist BIM und welche Chancen bietet es? Wo liegen die Stolpersteine? Und macht die digitale Planung die Zusammenarbeit der einzelnen Planer wirklich einfacher? Manfred Breit

20 Ist die Branche zu träge? Barbara Hallmann und Daniela Dietsche

Skeptiker halten BIM harte Argumente entgegen – zum Beispiel, die digitale Planung passe nicht in die Schweiz. Vier Praktiker antworten.

23 Kraftwerk aus Daten BIM vereinfacht, automatisiert und prüft. Am Beispiel des Kraftwerks Hagneck am Bielersee sind die Potenziale digitaler Modelle erkennbar. Barbara Hallmann

27 sia

durchgesetzt, obwohl sie angesichts des mittlerweile chronischen Personalmangels und immer komplexer werdender technischer Vorgaben eine hilfreiche Alternative zu aktuellen Arbeitsweisen wäre? Dieser Frage geht ein Gespräch verschiedener Baufachleute nach, die sich bereits mit digitalen Bauwerksmodellen beschäftigt haben. Einer der Interviewten, Jobst Willers, ist nicht nur Gebäudetechniker, sondern auch Präsident der SIA-Berufsgruppe Technik. In dieser Funktion antwortet er auf den SIASeiten auf Fragen zur Zukunft der Technologie. Und schliesslich erläutert ein im Bau befindliches Beispiel, das Kraftwerk Hagneck am Bielersee, welche Potenziale BIM für die Zusammenarbeit der verschiedenen Planer und Gewerke bringt.

Auszeichnungsfeier «Umsicht 2013» | SIAInternational | «2023 wird BIM etabliert sein» | BIM als Überlebensfaktor | Veranstaltungen

Barbara Hallmann, [email protected], Daniela Dietsche, [email protected]

37 impressum

33 Produkte Tekla | Graphisoft | Autodesk | Nemetschek Allplan

38 veranstaltungen

30 | Ausschreibung

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Impressum | 37

TEC21 45 / 2013

Adresse der Redaktion TEC21 – Schweizerische Bauzeitung Staffelstrasse 12, Postfach 1267, CH-8021 Zürich Telefon 044 288 90 60, Fax 044 288 90 70 E-Mail [email protected], www.espazium.ch/tec21 www.baugedaechtnis.ethz.ch Redaktion Judit Solt (js), Chefredaktorin Nathalie Cajacob (nc), Redaktionsassistentin Claudia Carle (cc), Umwelt/Energie Tina Cieslik (tc), Architektur/Innenarchitektur Daniela Dietsche (dd), Ingenieurwesen/Verkehr Barbara Hallmann (bh), Architektur Dr. Rahel Hartmann Schweizer (rhs), Architektur/Städtebau Denise Neukom, Redaktionssekretärin Christof Rostert (cr), Abschlussredaktion Dr. Aldo Rota (ar), Bautechnik/ Werkstoffe Marko Sauer (ms), Architektur/Wettbewerbe Anna-Lena Walther (alw), Layout (Stämpfli Publikationen AG) Ruedi Weidmann (rw), Baugeschichte/Stadtentwicklung TEC21 online www.espazium.ch Korrespondenten Charles von Büren, Bau/Holz, [email protected] Lukas Denzler, Umwelt/nat. Ressourcen, [email protected] Danielle Fischer, Architektur und Entwicklungs­zusammenarbeit, [email protected] Hansjörg Gadient, Architektur/Landschaftsarchitektur, [email protected] Dr. Lilian Pfaff, Architektur/USA, [email protected] Clementine van Rooden, Ingenieurwesen, [email protected] Markus Schmid, Ingenieurwesen, [email protected] redaktion SIA-Seiten Sonja Lüthi (sl), Geschäftsstelle, Selnaustrasse 16, Postfach, 8027 Zürich, Tel. 044 283 15 67, Fax 044 283 15 16, E-Mail [email protected]

HerausgeberIN Verlags-AG der akademischen technischen Vereine / SEATU Société des éditions des associations techniques universitaires Staffelstrasse 12, CH-8045 Zürich Telefon 044 380 21 55, Fax 044 380 21 57 Walter Joos, Präsident Katharina Schober, Verlagsleitung E-Mail [email protected] Hedi Knöpfel, Assistenz E-Mail [email protected] Erscheint wöchentlich, 40 Ausgaben pro Jahr ISSN-Nr. 1424-800X 139. Jahrgang, Auflage: 11 299 (WEMF-beglaubigt)

Druck Stämpfli Publikationen AG, Bern Beirat Anna Ciari, Zürich, Bauingenieurwesen Heinrich Figi, Chur, Bauingenieurwesen Markus Friedli, Frauenfeld, Architektur Kurt Hildebrand, Horw, Gebäudetechnik Markus Hubbuch, Zürich, Energie Dr. Roland Hürlimann, Zürich, Baurecht Daniel Meyer, Zürich, Bauingenieurwesen Dr. Ákos Moravánszky, Zürich, Architekturtheorie Daniel Niggli, Zürich, Architektur Dr. Ulrich Pfammatter, Bettwil, Technikgeschichte Martin Tschanz, Winterthur, Architektur

Nachdruck von Bild und Text, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und mit genauer Quellenangabe. Für unverlangt eingesandte Beiträge haftet die Redaktion nicht.

hlk-beratung Rüdiger Külpmann, Horw, Gebäudetechnik

Abonnementspreise www.espazium.ch

trägervereine Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, SIA www.sia.ch

AboNNEments SIA-Mitglieder Adressänderungen: SIA, Zürich Telefon 044 283 15 15, Fax 044 283 15 16 E-Mail [email protected] Nicht-SIA-Mitglieder Stämpfli Publikationen AG, Bern Telefon 031 300 62 53, Fax 031 300 63 90 E-Mail [email protected] einzelbestellungen Stämpfli Publikationen AG, Bern, Telefon 031 300 62 53 [email protected], Fr. 12.– | Euro 8.– (ohne Porto) Inserate Kömedia AG, Postfach, CH-9001 St. Gallen Telefon 071 226 92 92, Fax 071 226 92 93 E-Mail [email protected], www.kömedia.ch

tec21 ist das offizielle Publikationsorgan des SIA. Die Fachbeiträge sind Publikationen und Positionen der Autoren und der Redaktion. Die Mitteilungen des SIA befinden sich jeweils in der Rubrik «SIA». Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieur-Unternehmungen, usic www.usic-engineers.ch ETH-Alumni, Netzwerk der Absolventinnen und Absolventen der ETH Zürich www.alumni.ethz.ch Bund Schweizer Architekten, BSA www.architekten-bsa.ch Association des diplômés de l’EPFL http://a3.epfl.ch

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 stellengesuch

Produkte | 33

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Produkte Kostenfreie Software für Studierende

zeit hinaus kann nun die komplette 2-D-Doku-

Tekla Campus ist eine Lern- und Austausch-

iPhone sichtbar gemacht werden. Eine direk-

plattform für Studierende und Lehrende im

te Verbindung von BIMx Docs zum BIM Trans-

Bauwesen. Über das Onlineportal sind kostenfreie Studentenlizenzen und Lernmaterial

fer Service, einem neuen cloudbasierten

für die Building-Information-Modeling(BIM)Software Tekla Structures erhältlich. Dank

einen verlässlichen Informationsfluss auch ausserhalb ihres Büros. Über die Cloud

einem flexiblen Lizenzmodell kann die Soft-

haben sie stets und überall Zugriff auf den

ware dabei sowohl in der Uni als auch auf

aktuellen Planungsstand. BIMx Docs ist ab sofort im Apple App Store erhältlich.

dem eigenen Computer genutzt werden. Videoanleitungen erläutern die ersten Schritte für diejenigen, die sich im Selbststudium mit der BIM-Methode vertraut machen. Dozenten können mit Tekla Structures Vorgehensweisen, Fallbeispiele und Probleme des kon­ struktiven Ingenieurbaus im BIM-Modell illus­ trieren, diskutieren und direkt bearbeiten. Auch die Abhängigkeiten von Ingenieurbau und anderen Fachgebieten wie der Gebäudetechnik zeigt das BIM-Gebäudemodell anschaulich. Die Studentenversion ist kompatibel mit dem bereits bestehenden TeklaStructures-Education-Programm und kann daher nahtlos in die bestehende Kursstruktur integriert werden. Seit diesem Jahr werden beim Tekla Global BIM Award auch studen­ tische BIM-Gebäudemodelle ausgezeichnet. Noch bis Ende November können Projekte eingereicht werden. Tekla Germany | D-65760 Eschborn http://campus.tekla.com

BIMx Docs: Mobiler Zugriff auf alle Planungsunterlagen

Graphisoft hat das Präsentationstool BIMx weiterentwickelt und bietet Anwendern mit der neuen BIMx-Docs-App mehr Möglichkeiten in der mobilen Projektpräsentation. Über die Navigation durch das 3-D-Modell in Echt-

mentation eines Projekts auf iPad und

BIM-Leitfaden von Nemetschek Allplan

Webportal, sichert allen Planungsbeteiligten

Graphisoft GmbH | D-80337 München www.graphisoft.de

Autodesk führt Software-Mietmodell ein Mit dem Pay-as-you-go-Modell haben Kunden die Möglichkeit, über ein monatliches, vierteljährliches oder jährliches Abonnement Produkte aus der breiten Palette an Autodesk-Desktop-Software zu nutzen. Konstrukteure, Ingenieure, Architekten und Visual

Für die praktische Anwendung von Building Information Modeling (BIM) stellt Neme­ tschek Allplan einen mehr als 100-seitigen Leitfaden zum Download zur Verfügung. Er soll bei Architekten und Ingenieuren ein Verständnis für die BIM-Methode und die

Effect Artists können auf diese Weise weitere Programme flexibel für ihre Projekte einsetzen, ohne dass dafür hohe Investitionskosten anfallen. Kunden, die sich für dieses Modell entscheiden, erhalten ähnliche Leistungen wie Autodesk-Subscription-Kunden. Dazu gehören regelmässige Software-Updates, Zugang zu ausgewählten Autodesk-360-CloudServices und Kundensupport. «Unsere Kunden wünschten sich mehr Flexibilität und

entsprechenden Arbeitsabläufe in Allplan schaffen. Der BIM-Leitfaden richtet sich an Interessenten und Anwender von Allplan 2013, die ihre Daten dreidimensional erstellen und in dieser Form auch mit Partnerbüros austauschen bzw. an andere Programme weitergeben wollen. Er vermittelt fundiertes Praxiswissen und behandelt verschiedene Punkte, die sowohl bei der Modellerstellung als auch bei der Übergabe zu beachten sind.

Auswahl beim Zugriff auf das AutodeskProduktport­ folio mit seinen Konstruktions-, Planungs- und Entertainment-Lösungen. Wir rechnen damit, dass unser Mietmodell über alle Branchen hinweg eingesetzt wird und

Er soll Architektinnen und Architekten sowie Bauingenieurinnen und Bauingenieure dabei unterstützen, durch eine entsprechende Arbeitsmethodik und die passenden Einstellungen den Datenaustausch und damit den

besonders attraktiv ist für Freiberufler, Startups und Unternehmen, die sehr projektgetrieben arbeiten», erklärt Andrew Anagnost, Senior Vice President Industry Strategy and Marketing bei Autodesk. Im neuen Mietmo-

Informationsfluss zu optimieren. Der Leitfaden steht unter www.nemetschek-allplan.de/ bim-leitfaden zum Download bereit.

dell sind folgende Produkte erhältlich: Autodesk AutoCAD Design Suite, Autodesk Auto-

www.nemetschek-allplan.ch

CAD Inventor LT Suite, Autodesk AutoCAD Revit LT ­ Suite, Autodesk Building Design Suite, Autodesk Entertainment Creation Suite, Autodesk Factory Design Suite, Autodesk Infrastructure Design Suite, Autodesk Plant Design Suite, Autodesk Product Design Suite, Autodesk Maya, Autodesk 3ds Max sowie Autodesk Maya LT. Autodesk GmbH | D-81379 München www.autodesk.com/pay-as-you-go

Nemetschek Allplan Schweiz AG | 8304 Wallisellen

Produkthinweise Auf den Abdruck von Produkthinweisen besteht kein Anspruch. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Die Inhalte beruhen auf Angaben der Herstellerfirmen und sind nicht von der Redaktion geprüft. Bitte senden Sie uns Ihre ­ Produktinformationen an [email protected]

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Auszeichnungsfeier «Umsicht 2013» Behörden und Medien sind herzlich zur Auszeichnungsfeier eingeladen.

Die Wanderausstellung wird bis zum 16. Januar 2014 in der Haupthalle der ETH Zürich zu besichtigen sein. Vom 21. bis 25. Januar

Programm Ab 18 Uhr offeriert der SIA im Foyer des Auditorium maximum der ETH Zürich Zentrum

2014 wird sie im Rahmen der Swissbau im Neubau der Messe Basel zu sehen sein. Anschliessend wird sie während rund zweier

einen Apéro riche. Um 19 Uhr werden die an-

Jahre in diversen Hochschulen und Institutio-

wesenden Gäste begrüsst durch:

nen im In- und Ausland haltmachen.

‒ Prof. Dr. Ralph Eichler, Präsident der ETH

01 Umsicht by Tom Haller. (Foto: Tom Haller)

(sia) Im Frühling 2013 hat der SIA zur Einga-

be von Projekten für die dritte Durchführung von «Umsicht – Regards – Sguardi», der Auszeichnung des SIA für die zukunftsfähige Gestaltung des Lebensraums, aufgerufen. Eingegeben wurden 79 Projekte, unter denen eine 15-köpfige Jury im Juni fünf ausgezeichnet und einem weiteren eine Anerkennung zugesprochen hat. Am Abend des 3. Dezembers 2013 werden die Auszeichnungen in feierlichem Rahmen im Auditorium maximum der ETH Zürich vergeben. SIA-Mitglieder sowie alle weiteren Vertreterinnen und Vertreter aus Planer- und Baukreisen, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur,

Zürich ‒ Stefan Cadosch, Präsident SIA

Informationen und Anmeldung

‒ Regierungsrat Markus Kägi, Vorsteher der Baudirektion des Kantons Zürich ‒ Prof. Daniel Kündig, Ehrenpräsident SIA und Vorsitzender der Jury «Umsicht – Regards – Sguardi 2013» Die Keynote hält Dr. Norbert Röttgen, Mitglied des deutschen Bundestages, ehemaliger Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, zum Thema «Umsicht als Leitmotiv für eine zukunftsfähige Gesellschaft». Anschliessend übergeben Mitglieder der Jury nach einer kurzen Laudatio den Teams der ausgezeichneten Arbeiten die «SIA-Sesams». Moderiert wird die Veranstaltung von der Schauspielerin Anet Corti. Ab ca. 21 Uhr wird ein Stockwerk tiefer in der Haupthalle der ETH Zürich eine Wanderausstellung mit den ausgezeichneten Arbeiten eröffnet, in der die Projekte unter anderem mit Kurzfilmen von Marc Schwarz und Fotos von Tom Haller porträtiert werden. Als Ausstellungspublikation wird zudem, frisch ab Druck, ein Dossier TEC21 / Tracés / Archi aufliegen.

den Stationen der Wanderausstellung, zur Auszeichnung generell und zur Auszeichnungsfeier finden sich auf der «Umsicht-Web-

Laufend aktualisierte Informationen, u. a. zu

site», wo auch die Anmeldung vorgenommen werden kann. Aus Platzgründen ist eine solche zwingend erforderlich. www.sia.ch/umsicht «Umsicht – Regards – Sguardi 2013» wird ermöglicht dank der grosszügigen Unterstützung der Firmen Somfy Schweiz AG und Velux Schweiz AG.

SIA-International (sia) Der Verein «ingenious switzerland» wird

ab Januar 2014 in die neue Dienstleistungseinheit «SIA-International» integriert. Das hat die Generalversammlung von «ingenious switzerland» am 24. September 2013 entschieden. Die Förderung des Exports von Architektur, Engineering und Design wird neu unter dem Label «ingenious switzerland powered by SIA-International» weitergeführt. Der SIA ist seit Langem in vielen internationalen Organisationen vertreten und pflegt gute Beziehungen zu Verbänden im Ausland. Mit dem Aufbau der neuen Dienstleistungsein-

heit SIA-International ab 2014 will sich der SIA noch stärker mit dem Planungs- und Baugeschehen im Ausland vernetzen und sich insbesondere für die exportspezifischen Bedürfnisse seiner Mitglieder einsetzen. Verfolgt werden soll der Einsatz für einen erleichterten Marktzugang und die noch intensivere Nutzung des bereits bestehenden Netzwerks mit internationalen Institutionen. Erwirken will der SIA insbesondere, dass schweizerische Planer im Ausland dieselbe berufliche Freizügigkeit erhalten, wie sie ihre Kollegen aus dem grenznahen Ausland in der Schweiz

geniessen. Für die strategische Ausrichtung von SIA-International ist ab 2014 der SIAFachrat Internationales verantwortlich. Dieser setzt sich paritätisch aus Vertretern der drei Branchen Architektur, Engineering und Design zusammen. Vorsitzender ist Daniel Meyer, Bauingenieur ETH/SIA und Vizepräsident des SIA. Die Ansprechpartner (Geschäftsstelle und Vorstand) von «ingenious switzerland» bleiben bis Ende 2013 bestehen. Weiterführende Informationen finden sich in der Strategie von SIA-International unter: www.sia.ch/international

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«2023 wird BIM etabliert sein» bis zwei Jahre dauern wird, bis sich diese

unterschiedliche Auffassungen. Das Votum ei-

Mehrwerte in der Praxis zeigen werden.

nes Teilnehmers mit Arbeitserfahrungen im Mittleren Osten hat die pragmatische Sicht auf

M. D.: Was bedeutet der Einsatz von BIM für

01 Jobst Willers, Präsident der SIA-Berufsgruppe Technik. (Foto: pd)

Die SIA-Berufsgruppe Technik (BGT) widmete ihre Jahrestagung am 19. September 2013 dem Thema BIM (vgl. TEC21 43/2013). Auf diesen Seiten blickt Jobst Willers, Präsident der BGT, gemeinsam mit Tagungskoordinator Martin Denz auf die Veranstaltung zurück. In ihrem Kommentar auf der gegenüberliegenden Seite erläutern die beiden Haustechnikingenieure, weshalb BIM ihrer Meinung nach nicht nur ein Erfolgsfaktor, sondern auch mit der hiesigen Planungskultur gut vereinbar ist. Martin Denz: Welches Ziel verfolgt die SIABerufsgruppe Technik (BGT) mit ihrer Jahrestagung, und inwiefern wurde dieses Ziel 2013 erreicht? Jobst Willers: Eine Berufsgruppe muss aktuelle Fragen zu den Arbeitsinstrumenten behandeln. Mit über 100 Teilnehmenden und dem positiven Echo ist das Ergebnis dieser Tagung für die Fachvereine und die BGT sehr erfreulich. M. D.: Ist BIM tatsächlich ein Mehrwert für alle, wie es insbesondere die Fachplaner an der Jahrestagung behauptet haben? J. W.: Die Auguren versprechen uns Vorteile bei Qualität, Kosten und Terminen. Zuerst einmal bedeutet BIM aber, wie alles Neue, einen Riesenaufwand. Ich denke, dass es ein

die Schnittstellen zwischen den unterschied-

den Punkt gebracht. Er sagte: «BIM ist kein als absolut definierter Prozess. BIM ist vielmehr

lichen Planern?

ein generelles Verständnis der Zusammenar-

J. W.: Aufgrund der Aktualität und Transpa-

beit. Nicht alle Leistungen des BIM-Koordina-

renz der Daten und des Datenaustauschs mit

tors werden im Vorfeld fix festgelegt. Da die

IFC (Industry Foundation Classes) können

Vorteile bei allen Akteuren liegen, wird BIM von

Feh-ler – beispielsweise eines Nebenplaners – rasch und unproblematisch behoben wer-

allen unterstützt und auch bezahlt.»

den. Die Anwendung von IFC unterstützt eingespielte Teams. Schnittstellen werden vereinfacht, was die Toleranz der Beteiligten erhöht.

M. D.: Wo sehen Sie die Rolle der Vereinigung buildingSMART, die sich seit 2009 in der Schweiz für die Förderung des modellbasierten und digital unterstützten Ansatzes in der Bauwirtschaft einsetzt? J. W.: Mit ihrer klar umschriebenen Zielsetzung im Bereich BIM ist building­SMART eindeutiger positioniert als der SIA. Denkbar wäre für mich, dass buildingSMART als Fachverein in den SIA aufgenommen wird.

M. D.: Welche Haltung in Bezug auf BIM beobachten Sie bei den Architekten, Fachingenieuren bzw. Bauherrschaften? J. W.: Aus meiner Optik haben sich viele Architekten in den letzten Jahren aus wichtigen Aufgaben der Gesamtleitung zurückgezogen. Dazu gehört auch die räumliche Koordination. In manchen Fällen stelle ich fest, dass dies durchaus gewollt ist. Bei den Fachingenieuren sehe ich zwei Gruppen: Die eine will BIM anwenden und diese Methode auch gezielt als Marketingargument nutzen; die andere wartet noch zu und überlässt die Anfangsschwierigkeiten den Erstanwendern. Bauherren schätzen BIM als Entscheidungsgrundlage und werden dies bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigen. Aufgrund der guten Konjunkturlage ist es jedoch für die stark ausgelasteten Fachplaner gegenwärtig schwierig, diese neue Planungsmethode rasch einzuführen. Wenn aber der Teamgedanke vorhanden ist, wird dies meiner Ansicht nach trotz Anfangsschwierigkeiten möglich sein. Wichtig sind Bauherren, die den gesamten Lebenszyklus in ihre Betrachtung einbeziehen, und vor allem auch Bauherren mit den entsprechenden Entscheidungskompetenzen. M. D.: Wie definieren Sie die Kompetenzen und die Einbindung eines möglichen neuen Berufsfelds BIM-Koordinator? J. W.: Meiner Ansicht nach braucht es keine neue Funktion. Vielmehr sollen der Gesamtleitung beziehungsweise der Fachkoordination ein neues Führungsinstrument und eine standardisierte Datenstruktur zur Verfügung gestellt werden. Zur Organisationsstruktur gibt es

Wichtigste Voten Aus der BGT-Jahrestagung 2013 ‒D ie Sichtweisen der Architekten und der Fachplaner unterscheiden sich in Bezug auf BIM sehr stark: Während die Architekten befürchten, dass ihr Berufsstand sich in den Details der Fachplaner zu verlieren droht, sind die Fachplaner davon überzeugt, dass BIM allen am Projekt Beteiligten, insbesondere der Bauherrschaft, einen Mehrwert bringt. ‒ Der Bedarf an BIM-Aus- und -Weiterbildungsangeboten muss durch die Fachvereine defi­ niert und das entsprechende Angebot muss bestellt werden. ‒ Es braucht das neue Berufsfeld «BIM-Koordination», das auf Leitungsebene angesiedelt und Fachkompetenzen aller Sparten beinhalten muss. Es kann nicht Aufgabe eines Fachplaners sein, zusätzlich noch die BIM-Koordination zu übernehmen. ‒ Da das Datenmanagement eine zusätzliche Leistung ist, muss die Honorierung einer «Fachkoordination mit BIM» in den Leistungsund Honorarordnungen (LHO) des SIA entsprechend geregelt werden. Vorgeschlagen wird eine Zuordnung im Bereich Gebäudetechnik. ‒ Pilotversuche im Inland müssen analysiert werden. Die Early-BIM-Gruppe wird Ende 2013 erste Resultate liefern. ‒ Mit BIM müssen die Rolle und die Leistungen der (Fach-)Bauleitung neu definiert werden. ‒ BIM ist keine starre Vorgabe, sondern vielmehr ein generelles Verständnis der Zusammenarbeit bei digitalen Bauprojekten. ‒ Bei der Abnahme muss das digitale Modell auf Kompatibilität und spätere Einsatzmöglichkeiten hin kontrolliert werden. ‒ Situative Erfahrungen aus dem Ausland, z. B. Skandinavien, sind aufzunehmen und zu berücksichtigen.

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M. D.: Welche weiteren Schritte sieht die BGT

ist beispielsweise die Gründung einer BIM-

vor?

Kommission.

J. W.: Unsere Berufsgruppe wird das Thema BIM weiter diskutieren und plant, im Juni

andere Problemkreise als viel entscheidender herausstellen werden. 2023 wird BIM etabliert und weiterentwickelt sein. Vielleicht wird der Name BIM verschwinden. Die Vortei-

2014 eine zweite BIM-Tagung durchzuführen.

M. D.: Wo steht BIM im Jahr 2023? J. W.: Ich kann mir gut vorstellen, dass wir die

Im Bereich Normen und Ordnungen ist SIA-

Einführung von BIM im Jahr 2023 als prob-

Architekten und Planern geschätzt werden.

intern ebenfalls viel in Bewegung. Angedacht

lemlos in Erinnerung haben und sich dafür

le aber werden von Bauherren, Betreibern,

BIM als Überlebensfaktor Building Information Modeling (Gebäudedatenmodellierung, kurz: BIM) ist mehr als eine moderne 3-D-Software. BIM ist ein Führungsinstrument und eine Zusammenarbeitsmethode mit Mehrwert in den Bereichen Architektur, Gebäudetechnik, Facility-Management und Betriebsplanung. Mithilfe von Simulationen ermöglicht BIM eine laufende Aktualisierung des Planungsstands in Bezug auf Nutzung, Kosten und Realisierungszeit. Diese Transparenz befähigt alle Beteiligten – Besteller (Bauherren, Betreiber), Architekten und Fachplaner –, ihre Vorstellungen und deren Auswirkungen zu erfassen und ohne Verzug jederzeit zu überprüfen. Somit erlaubt es BIM, die Funktionalität zu optimieren, die Qualität zu steigern sowie die Realisierungszeit und die Lebenszeitkosten zu senken. Bauherrschaften aus der Pharmaindustrie und dem Gesundheitswesen haben die Vorteile von BIM erkannt und setzen die Methodik in der Schweiz für die Auftragserteilung

schon heute voraus. Diese Erwartungs-

weise und der Einsatz digitaler Planungsmit-

haltung steht jedoch in krassem Kontrast zur Schweizer Planungspraxis, wo BIM noch in den Kinderschuhen steckt. Hierzulande arbeiten traditionell kleine Architektur- und eine Vielzahl von Ingenieurbüros projektbezogen zusammen. Die Stärken dieser Planungskultur gilt es weiter auszubauen. Dies ermöglicht es, die am Markt agierenden Fachkompetenzen frei zu evaluieren und pro-

tel dringend verstärkt werden. Die Schweizer Planungsbranche kann es sich nicht leisten, die Chancen der digitalen Revolution ungenutzt verstreichen zu lassen und bei komple-

jektorientiert zusammenzuziehen. Mit einheitlichen Datenformaten können Schnittstellen vereinfacht werden und Planungsbüros zu virtuellen, projektbezogenen Kompetenzzentren zusammenwachsen. Dies wird bereits gelebt. Zusammenarbeit muss wegen BIM also nicht neu erfunden werden. Im Unterschied zu international tätigen Grossakteuren des Planungsmarkts nutzt die hiesige Planungsbranche die Möglichkeiten von BIM jedoch noch kaum. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben (beziehungsweise zu werden), müssen die integrierte Arbeits-

xen Grossprojekten internationalen Mitbewerbern den Markt zu überlassen. So gesehen wird BIM nicht nur zu einem Erfolgs-, sondern auch zu einem Überlebensfaktor. Noch ist nicht geklärt, was sich alles hinter BIM verbirgt. Es ist die Aufgabe der Berufsgruppen und der Fachvereine, die Rollen und Aufgaben der Fachkoordinatoren und allenfalls auch eines Berufsfelds BIM-Koordinator anhand der Praxiserfahrungen zu schärfen und die Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Ausund Weiterbildungsangebote zu integrieren. Jobst Willers, Dipl. Masch.-Ing. HTL/SIA, Präsident BGT, [email protected] Martin Denz, Dipl. Masch.-Ing. ETH/SIA, Koordinator BGT-Tag 2013, [email protected]

Veranstaltungen Zusammen bauen oder Zusammenbauen? (pd) Mangelhafter Informationsaustausch ist eines der grössten Risiken im Bauprozess. Bringen neue Technologien und Organisationsformen mehr Sicherheit? Unter dem Titel «Zusammen bauen oder zusammenbauen?» gehen eine Veranstaltung und ein Workshop von building­SMART am 7. bzw. 8.11.2013 an der ETH Zürich dieser Frage nach.

Detaillierte Informationen sowie die Anmeldemöglichkeit (bis 4.11.2013) finden sich unter: www.buildingsmart.ch (aktuell)

Schäden, Unfälle – Entstehung (pd) Die Anforderungen an Tragwerke stei-

gen kontinuierlich, immer komplexer. Brückenbau und Herbsttagung am

und die Systeme werden Die SIA-Fachgruppe für Hochbau widmet ihre 22.11.2013 an der ETH

Zürich deshalb dem Thema «Schäden, Unfälle – Entstehung». Anhand von theoretischen Grundlagen zu Sicherheit und Robustheit sowie Beispielen wird erörtert, wie der Entstehung von Schäden und Unfällen vorgebeugt werden kann. Detaillierte Informationen sowie die Anmeldemöglichkeit (bis 15.11.2013) finden sich unter: www.sia-fbh.ch (Aktuelles)

Wettbewerbe | 5

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wettbewerbe Objekt/Programm

Auftraggeber

Verfahren

Fachpreisgericht

TERmine

Ersatzneubau des Schulzentrums Südwest, Nürnberg (D)

Stadt Nürnberg D–90402 Nürnberg Organisator: johannsraum Atelier für Architektur D–90459 Nürnberg

Realisierungswettbewerb, einstufig, nicht offen, mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren, für Architekten im Team mit Landschaftsarchitekten

Petra Waldmann,
 Zvonko Turkali, Peter Cheret, Ingrid Burgstaller, Andrea Gebhard, Gerhard Greiner

Bewerbung 11. 11. 2013

Hôpital du Valais 1951 Sion Organisator: H. Limacher Partner AG 8006 Zürich

Concours de projets, procédure sélective, anonyme

Keine Angaben

Bewerbung 12. 11. 2013

Pflegeheim Sennhof AG, 4803 Vordemwald

Studienauftrag, selektiv, für Generalplanerteams

Keine Angaben

Bewerbung 18. 11. 2013

Baugenossenschaft Freiblick 8041 Zürich Organisator: arc Consulting 8045 Zürich

Projektwettbewerb, selektiv Inserat S. 30

Peter Ess, Christine Enzmann, Sibylle Bucher, Marie-Noëlle Adolph, Ivo Moeschlin (Ersatz)

Bewerbung 18. 11. 2013

L’agrandissement du centre scolaire de Martigny-Croix, l’aménagement d’une UAPE et la mise aux normes du bâtiment existant www.martigny-combe.ch

Commune de Martigny-Combe 1921 Martigny-Croix

Concours de projets, procédure ouverte

Anton Ruppen, Jacques Flueckiger, Michel Pellouchoud, Isabelle Evéquoz, Philippe Meier

Bewerbung 3. 1. 2014 Abgabe 31. 1. 2014

Erweiterung des Sammlungszentrums des Schweizerischen Nationalmuseums (SNM), Affoltern am Albis www.simap.ch (ID 104604)

Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) 3003 Bern

Projektwettbewerb, offen, für Architekten

Hanspeter Winkler, Christophe Patthey, Fortunat Dettli, Philipp Esch, Franziska Manetsch

Anmeldung 14. 2. 2014 Abgabe Pläne 21. 3. 2014 Abgabe Modell 4. 4. 2014

http://schulzentrumsuedwest.wordpress.com

Stérilisation Centrale, nouveau bâtiment, Martigny

www.simap.ch (ID 104931)

Zukunft Sennhof, Sanierung Teilbereiche Bestand und Erweiterung, Vordemwald www.simap.ch (ID 104435)

Ersatzneubau Stüssistrasse 58–66, Zürich

www.arc-consulting.ch

Geprüft – konform

Geprüft – konform

Weitere laufende Wettbewerbe finden Sie unter Wegleitungen zu Wettbewerbsverfahren: www.sia.ch/142i

10 | Magazin

TEC21 45 / 2013

Imagination und analyse

Titelbild des Tagungsprogramms. (Foto: Accademia di Architettura, Mendrisio, zvg)

Der Titel des Symposiums Mitte Oktober an der Accademia di Architettura in Mendrisio liess sich etwas sperrig an: «Form Finding, Form Shaping, Designing Architecture: Experimental, Aesthetical and Ethical Approaches to Form in Recent and Postwar Architecture». Doch die Vorträge, die auf zwei Tage verteilt zu hören waren, erwiesen sich als durchaus handlich – und anregend. Bedauerlich war indes, dass es zu einem Insidertreffen wurde – mit Ausnahme der Abendveranstaltung, für die sich auch Studierende von ihrem Pensum loseisen konnten. (rhs) Die erste Ausstellung, die die Accade-

mia di Architettura di Mendrisio 1996 kurz nach ihrer Gründung ausrichtete, war Eladio Dieste und Frei Otto gewidmet unter dem Titel «esperienze di architettura: generazioni a confronto».1 Ausgehend von Frei Ottos Art der Formfindung befasste sich die Akademie an einem zweitägigen Kongress am 10. und 11.  Oktober in diesem Jahr erneut mit der Form und den Prozessen ihrer Entstehung. Organisiert von Sonja Hildebrand und Elisabeth Bergmann wurde das Thema in vier

Blöcken umrissen: prozessuale Aspekte der Formfindung, kulturelle Parameter der Form, Konstruieren von Form heute und architektonische Parameter der Form. Eingebettet in die auf die beiden Tage verteilten Blöcke war ein wiederum durch ein kurzes Filminterview von Bergmann mit Frei Otto eingeleitetes, abendliches Round-Table-Gespräch.

auf interdisziplinarität angelegt Die Vielfalt der Referate widerspiegelte das Interesse, auf das Formfindung in der Nachfolge Frei Ottos stiess. Um die fünzig Forscherinnen und Forscher hatten auf den «Call for papers» reagiert und Abstracts eingereicht. Entsprechend breit war das Spektrum, das die ausgewählten Referentinnen und Referenten abdeckten. Damit war der interdisziplinäre Dialog potenziell schon in dieser Auswahl angelegt. Sie offenbarte aber auch Grenzen der Verständigung – einsetzend bei der Unterscheidung zwischen den titelgebenden Begriffen «Form Finding» und «Form Shaping». Schlüssigerweise galt das Augenmerk des ersten Blocks denn auch den prozessbezogenen Aspekten der Formfindung. Ihnen widmeten sich der in Mendrisio lehrende Gabrie-

le Neri («Teoria, prassi e cultura del modello in scala ridotta nella ricerca della forma strutturale del XX secolo»), Martin Kunz vom Karlsruher Institut für Technologie («Form Finding with Models and their Variations in Time, in the Atelier Frei Otto [...]»), Daniela Fabricius von der Princeton University, USA («Material Calculation: Frei Otto’s Soap Film Models»), und der an der ETH Zürich lehrende Toni Kotnik («Livio Vacchini: Forms of Dialogue»).

Experimentell und künstlerisch Gabriele Neri spannte das Feld weit auf – von Eladio Dieste und Edoardo Torroja über Sergio Musmeci und Pier Luigi Nervi zu Heinz Isler und Frei Otto – und illustrierte gleichzeitig, dass die Grenzen zwischen Formfindung und Formgestaltung im Grunde fliessend sind. Während die Ende des 19. Jahrhunderts geborenen Ingenieure das Modell vor allem dazu eingesetzt hätten, um die Trag­ fähigkeit einer bereits definierten Form zu prüfen, sei die folgende Generation (geboren ab den 1920er-Jahren) darangegangen, das Modell selbst zum Formfindungsinstrument zu machen. Den hochgradig experimentellen Charakter von Frei Ottos Formfindungsprozessen führte

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Martin Kunz anhand der Hängemodelle

ing» – die Form über konstruktive Parameter

Tesi su forma, estetica e etica nella sua

ebenso anschaulich vor wie Daniela Fabri-

zu ermitteln oder sie nach ästhetischen Krite-

‹filosofia architettonica› e la loro ricezione»

cius dessen frappierend künstlerischen Ein-

rien zu gestalten – als delikat. (Schon Sergio

vor allem die ethischen Aspekte in Frei Ottos

schlag anhand der Seifenhautmodelle.

Musmeci hatte seinerzeit Pier Luigi Nervi kri-

In diesem Kontext mutete Toni Kotniks Verweis auf Livio Vacchini nicht gerade nahelie-

tisiert, dessen Konzeptionen seien zu sehr

Werk der Würdigung wert. In gewisser Weise griff Lara Schrijver (TU Delft, NL) diesen

bildhauerisch gedacht …)

Faden auf, indem sie anhand von Rem Kool-

gend an. Doch denkt man an das 2010 fertig-

haas und Oswald Mathias Ungers «A plau-

gestellte Faltwerk der Sporthalle Mülimatt in

Infrage stand weniger die Berechtigung, die Form aus der Konstruktion abzuleiten, als die

Brugg / Windisch (TEC21 40 / 2010), relativiert

Methode, mit der dies erfolgt. «Die Methode

social?» zu entdecken suchte.

sich die Distanz … Dennoch wäre er wohl im vierten Block «Architectural Parameters of

ist nie neutral!», betonte Gabriele Neri. Von ihr

Form» besser aufgehoben gewesen – zusammen mit Dirk van den Heuvel (TU Delft, NL, «Topology, Finding Processes and Image Systems: Revisiting the British Discourse of the 1950s»), Roberta Grignolo (AAM/USI, «‹Cladding Tectonics› in Contemporary German-Swiss Architecture as Return to a Construction-Based Architecture») und Alexandra Stara (Kingston University London, «Beyond Form: The Relevance of the Tectonic»).

es jedenfalls stark. Dabei scheinen instinktive Annäherungen – Pier Luigi Nervis «Intuition» und Eduardo Torrojas «Triumph der Imagination» – mit analytischen Techniken – der FiniteElemente-Methode (FEM) – zu kollidieren. Erfrischend provokant fragte Neri denn auch: «Und haben die neuen Berechnungsmethoden das Versprechen, praktisch jede Form generieren zu können, eingelöst?»

hänge das Ergebnis ab, oder sie beeinflusse

Beweglicher Leichtbau … Natur der Konstruktion Sehr konkret widmete sich im dritten Block «Constructing Form Today» Joseph Schwartz (ETH Zürich) dem Zusammenspiel zwischen Ingenieur und Architekt bei der Formfindung  – dem interdisziplinären Prozess zwischen ihm und Christian Kerez bei der Projektierung des Schulhauses Leutschenbach (TEC21, 44 / 2009), des Museum of Modern Art in Warschau (TEC21, 36 / 2012) und, eingehender noch, bei derjenigen des HolcimCompetence-Center in Wildegg illustrierend. Auf ihn folgte Mario Monotti (AAM / USI) mit einer überaus anschaulichen Demonstration der immer von der Natur und ihren Gesetzen abhängigen «arte del costruire» sowie der Beziehung zwischen «la natura e l’uomo». Dass das Modell auch im Zeitalter der computerisierten Formfindung keineswegs obsolet geworden ist, zeigten etwa die Experimente, die Henning Dürr (Hochschule Anhalt, D) unter dem Titel «Development of a Method to Harden Mechanically Prestressed Membrane Structures by Spraying with Concrete» vorführte, und die von Stefan Neuhäuser (Universität Stuttgart) präsentierte «Stuttgart SmartShell – A Full Adaptive Shell Structure». Die adaptive Schale wäre ein Schritt zu einer beweglichen Architektur – einem lang gehegten Architektentraum! Spätestens hier erwies sich die Abgrenzung von «Form Finding» gegenüber «Form Shap-

Überaus anregend war der unter «Cultural Parameters of Form» eingereihte Exkurs «A Man A-Riding Upon Nawthin’ – Light Structures and New Mobility Cultures Around 1900» des am Karlsruher Institut für Technologie lehrenden Kurt Möser. Er beleuchtete das Phänomen des Leichtbaus anhand mobiler Geräte – Velos, Segelboote, Fahrrad-Flugzeuge. Er hob einerseits die Bedeutung hervor, die dem menschlichen Körper zukam, um diese fahrbaren Untersätze zu stabilisieren und im Gleichgewicht zu halten. Andererseits verwies er darauf, dass diese Apparaturen stark weiblich konnotiert waren. Insbesondere Werbeplakate für Fahrräder zeigten Frauen in wehenden Gewändern auf Velos durch die Lüfte schweben. Während die Ingenieure den leichten Strukturen skeptisch gegenüber gestanden seien, habe die Kunst das Lichte und Transparente vereinnahmt.

... als reaktion auf monumentalität Sean Keller (Illinois Institute of Technology, Chicago) erkannte unter «Anti-Monumental Anti-Nationalist National Monumentality: The Postwar Politics of Form Finding» in der Hinwendung zu leichten, ephemeren Strukturen auch eine Reaktion auf die mit der Naziideologie verbundene Monumentalität der Architektur des Dritten Reichs. Entsprechend schienen Elisabeth Bergmann (AAM/USI) in ihren Ausführungen «Frei Otto.

sible relationship between the formal and the

«less aesthetics, more ethics»? Die Entfernung zu Frei Otto fand hier indes auch einen Höhepunkt. Es schien, als liessen sich die beiden Stränge «konstruktiv» und «ethisch» nicht miteinander verknüpfen bzw. als hätten sich diese seit Frei Otto voneinander gelöst. Für ihn war die Findung der adäquaten Form nicht so sehr gekoppelt an den Wunsch nach einer möglichst eleganten, beeindruckenden Lösung, sondern in erster Linie Frucht eines nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen und einer sozialen Auffassung architektonischen Schaffens. Die Frage nach dem Zusammenklang zwischen Ästhetik und Ethik am Round­ ­ Table – die einen an den Titel der Architekturbiennale 2000 in Venedig erin-nerte – brachte die Teilnehmer indes sichtlich in Verlegenheit. Sie gipfelte in dem Ausspruch: «Ich weiss nicht, was ich mit diesem Begriff anfangen soll.» Augenscheinlich war das ohnehin ambitionierte Programm mit der Ethik überfrachtet – und doch gibt es zu denken, wenn die Elite an den Hochschulen auf ethische Fragen mit Sprachlosigkeit reagiert. Anmerkung 1 Eladio Dieste e Frei Otto. Esperienze di architettura: generazioni a confronto; ciclo di conferenze dell’Accademia di Architettura, Mendrisio – Centro Manifestazioni Mercato Coperto, Mendrisio, 6. Juli 1996, Milano 1998. (Atti di un ciclo di conferenze tenuto al Centro Manifestazioni Mercato Coperto di Mendrisio [1940–1943] nel 1996.)

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Struktur als Gebäude tekt den Bau mit den geschwungenen Kragarmscheiben, die auch als übereck geführte Bogenöffnungen gelesen werden können. Die Fassade ist die formale Umsetzung eines funktionierenden Tragwerks. Der Ingenieur reagiert hier nicht nur auf den Architektenentwurf, sondern beeinflusst und prägt ihn, um seinen Ausdruck sowohl formal wie statisch zu schärfen. Dies ergibt einen Bau mit hoher visueller Präsenz.

TragStruktur

Schulhaus und Kindergarten Grono: Eine abfallende Rampe führt in den Kindergarten im EG, eine Brücke auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite zum Eingang der Schule im 1. OG. (Foto: Wikimedia / Parpan05)

In der Bündner Gemeinde Grono haben der Churer Architekt Raphael Zuber und Patrick Gartmann vom Ingenieurbüro Conzett Bronzini Gartmann, ebenfalls aus Chur, gemeinsam ein Schulhaus realisiert. Das aussergewöhnliche Tragwerkskonzept resultiert in einem prägnanten architektonischen Ausdruck. Der Bau wurde mit dem Architektur- und Ingenieurpreis erdbebensicheres Bauen 2012 ausgezeichnet.1 Das Dorf Grono liegt südlich des San Bernardino im Misox, dem italienischsprachigen Teil des Kantons Graubünden. Das einfach gegliederte Volumen des neuen Schulhauses, quadratisch im Grundriss und gleichwertig in alle vier Himmelsrichtungen orientiert, liegt innerhalb einer kreisrunden Umgebungsmauer unterhalb der Hauptstrasse. Die

Hanglage wird genutzt, um Schule und Kindergarten eigene Zugänge und Aussenräume zu ermöglichen. Hangseitig betritt man über eine Brücke das Schulhaus, talseitig ein Geschoss tiefer den Kindergarten.

Enge Zusammenarbeit von Architekt und Ingenieur Die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur bereits im frühesten Projektstadium ermöglichte formal ansprechende Strukturen. In seiner Strenge und Konsequenz ist das Tragwerk genauso Teil des Bauwerks wie der ästhetische Ausdruck als Beitrag der Architekten – auch wenn man über die Ingenieurleistung weit weniger liest oder spricht. Die Flexibilität, die Gleichwertigkeit von Kindergarten und Schule sowie die Ökonomie standen bei diesem Bauwerk bereits beim Wettbewerbsentwurf im Vordergrund. Gemeinsam entwickelten Ingenieur und Archi-

Innere Erschliessung und Klassenzimmer. (Fotos: Javier Miguel Verme)

Die gesamte Tragkonstruktion des Bauwerks wurde in Beton mit einem Brandwiderstand von R 60 erstellt. Beton wurde als tragendes und raumbildendes Material eingesetzt. Mit Farbpigmenten liess er sich zudem auf einfache Weise durchfärben. Der Betonmischung wurden 3.0 % gelbe und 0.6 % schwarze Eisenoxidpigmente in Pulverform beigemengt, um den gewünschten Farbton der Umgebung zu erhalten. Die kompakte, quadratische Grundform von 25 × 25 m ist ideal für den Tragwerksentwurf des viergeschossigen Bauwerks, das für eine spätere Aufstockung mit einem fünften Geschoss konzipiert wurde. Die Tragstruktur besteht aus einem Erschliessungskern, einer halbkreisförmigen Treppenwand sowie vier tragenden, vorgespannten Fassaden. Die vertikalen Lasten werden direkt über den Erschliessungskern, die Treppenwand sowie über die Fassaden in das Fundament geleitet. Die Kräfte der Fassade laufen zentrisch auf jeder Seite zusammen und werden somit an nur vier Stellen abgeführt. Dies ermöglicht stützenlose Stockwerke, die je nach Bedürfnis frei eingeteilt werden können, und spielt die Ecken der Geschosse frei.

Erdbebenkräfte Das Bauwerk befindet sich in der Erdbebengefährdungszone Z1 gemäss Norm SIA 261. Das Baugelände entspricht der Baugrundklasse C. Als Schulgebäude wird es der Bauwerksklasse II zugeordnet. Mit tragenden Stockwerkrahmen als Fassaden lassen sich die drei Zielsetzungen punkto Stabilität, Torsionsverdrehung und Zwängungen lösen. Die breiter aufsitzenden Fassaden (mit den kreisrunden Aussparungen) übernehmen dank ihrem grossen horizontalen Widerstand die Aussteifung gegen horizontale Einwirkungen wie Erdbeben und Wind in x-Richtung. In y-Richtung

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Konstruktive Einzelheiten Die Decken werden als schlaff bewehrte Flachdecken in einer Stärke von 36 cm ausgeführt. Die Spannweiten betragen maximal 11 m. Die beweglichen und die festen Verankerungen der Vorspannung benötigen Platz. Die 40 cm starke Fassade wurde im Grundriss jeweils in den Ecken auf einer Länge von 4.90 m linear von 40 cm auf 90 cm nach innen verbreitert. In der Ansicht wurde die ideale Form der kubischen Parabel durch Ellip-

Beispiel einer FE-Modellierung: Hauptspannungen für die Resultatkombination Erdbeben, nur Druckspannungen beim Fassadenfuss (Zugspannungen sind blau, Druckspannungen rot visualisiert). (Plan: Conzett Bronzini Gartmann)

übernehmen dies die Treppenwand und der Erschliessungskern. Diese Anordnung erfüllt die folgenden drei Anforderungen: – Für die Stabilität müssen mindestens drei vertikale Scheiben vorhanden sein, die Wirkungslinien dürfen sich nicht in einem Punkt schneiden (Torsionssteifigkeit), und es dürfen höchstens zwei der drei Scheiben parallel gerichtet sein. – Zur Vermeidung grosser Torsionsbeanspruchungen aus Erdbeben (Massenzentrum) und Wind (Windkraftzentrum) ist die quadratische Grundrissform ideal. Die Lage und Querschnitte der Stockwerkrahmen, des Treppenwandsegments und des Liftkerns generieren das Steifigkeitszentrum (Schubmittelpunkt und Drehzentrum). Um eine minimale Beanspruchung der



20 m

Grundriss Erdgeschoss. (Plan: Raphael Zuber)

Rahmen und eine geringe Gebäudetorsion zu erreichen, liegen Windkraft-, Massen- und Steifigkeitszentrum nahe beisammen. Die tatsächlichen Exzentrizitäten betragen in x-Richtung Ex = 0.17 m und in y-Richtung Ey = 2.22 m. – Die Fassaden sind so angeordnet, dass Verkürzungen der Decken aufgrund von Schwinden, Temperaturänderung und Vorspannung (elastisch und Kriechen) nicht zu erheblichen Zwangsbeanspruchungen der Letzteren führen. Das Bauwerk wurde für Erdbeben als nicht duktil mit einem Verhaltensbeiwert q = 2.0 berechnet. Die Fassaden verjüngen sich gegen aussen ellipsenförmig zu Kragarmen und zeichnen dadurch die statischen Kräfte des Betonbaus nach. Die grosse vertikale Normalkraft (Nk = –6600 kN) aus ständigen Lasten wirkt sich beim Einbindehorizont über dem Untergeschoss (My = –9300  kNm) sehr positiv auf den Bewehrungsgehalt der Fassade aus. Durch die Vorspannung der symmetrischen Auskragungen mit 16 Litzen à 150 mm2 Querschnittfläche (mit einer gesamten Vorspannkraft Po = 3125 kN) wird der gesamte Fassadenquerschnitt überdrückt. Die Gestaltung der Konstruktion im Aufriss entspricht somit den Beanspruchungen. Durch die Synthese der Elemente zur Abtragung der vertikalen und horizontalen Kräfte als Stockwerksrahmen sind die Mehrkosten für die erdbebengerechte Gestaltung des Gebäudes verschwindend gering.

sen ersetzt, die annähernd deckungsgleich sind. Durch das Verschieben des Scheitelpunkts der Ellipse vom Eck um knapp 2.20 m zum Zentrum entstand die benötigte Mehrhöhe für die Verankerungen. Die Form und Geometrie der Ellipse bleibt für alle Geschosse immer dieselbe, obwohl die Geschosshöhen unterschiedlich sind. Die Auswirkung lässt sich am jeweiligen Fassadenfuss erkennen. Konstruktiv kann man sich die geschwungenen Kragscheiben auch als um 90 ° übereck geführten Bogen vorstellen. Der klassische Schluss- oder Scheitelstein bei Bogenkonstruktionen wird durch die beiden übereck gekreuzten Vorspannkabel ersetzt. Die statische Wirkung im Beton ist dieselbe. Eine andere Besonderheit sind die von innen nach aussen durchlaufenden Geschossdecken. Die monolithische Verbindung von Fassaden und Deckenplatten ist konstruktiv sinnvoll, benötigt keine Kragplattenverbindungen und lässt sich bauphysikalisch mit Randdämmungen lösen. Patrick Gartmann, dipl. Bauing. FH/SIA und dipl. Arch. FH/SIA, Conzett Bronzini Gartmann AG, [email protected] Anmerkung 1 «Architektur- und Ingenieurpreis erdbebensicheres Bauen 2012». Broschüre, Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen. Momentan läuft die Ausschreibung für den «Architektur- und Ingenieurpreis erdbebensicheres Bauen 2014». Projekte können bis zum 31. Januar 2014 eingegeben werden. Infos: www.baudyn.ch

Am Bau Beteiligte Bauherrschaft: Comune politico di Grono Architektur: Raphael Zuber, Chur Projektleitung: Thomas Melliger – Bauplanung, Zürich Bauleitung: Devis Bruni und Giulio Cereghetti, Mesocco Bauingenieurwesen: Patrick Gartmann (Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur) Landschaftsarchitektur: 4D AG Landschaftsarchitekten, Bern

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ERSATZNEUBAU AAREBRÜCKE AARWANGEN

01

Die historische Bahnbrücke über die Aare bei Aarwangen wird ersetzt. Alle drei teilnehmenden Teams reichten Stahlvollwandträger ein. Gerade deshalb ergab sich ein interessanter Vergleich. Das Siegerprojekt des Teams um Fürst Laffranchi Bauingenieure überzeugt mit seiner Konstruktion und Eleganz.

02

Stahlbauingenieurbüros eingeladen, für die Studie des Ersatzneubaus der alten Aarebrücke zu offerieren. Drei Büros wählte sie für die Studie aus. Die 106-jährige Bahnbrücke liegt zwischen dem Schloss Aarwangen und dem früher als Zollhaus dienenden Gasthaus Bären. Diese Brückensituation ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz als Sonderfall von «nationaler Bedeutung» verzeichnet. Die Bahnbrücke selbst ist im Bauinventar des Kantons Bern als erhaltenswertes Baudenkmal (K-Objekt, Baugruppe C) notiert. Die neue Bahnbrücke musste zudem mit der Strassenbrücke und dem angehängten Fussgängersteg als Ensemble des Aareübergangs gelesen werden. Das Bauvorhaben ist deshalb bezüglich Gestaltung und Einpassung in das bestehende Ortsbild anspruchsvoll.

Referenz an Gitterträger Im Siegerprojekt überquert die neue Bahnbrücke die Aare als Zweifeldträger mit Spannweiten von je 48 m. Die offene Fahrbahn befindet sich auf halber Höhe zwischen den beiden 3.1 m hohen doppelsymmetrischen Hauptträgern der Stahlkonstruktion. Ihre Stegbleche sind perforiert. Die rautenförmigen Öffnungen, die Spannungskonzentrationen möglichst klein halten, sind entsprechend der Schubbeanspruchung angeordnet. Diese Profilierung des Trägerstegs

3.10

(cvr) Die Aare Seeland mobil (asm) hatte vier

03 01–03 Siegerprojekt von Fürst Laffranchi Bauingenieure und Ilg Santer Architekten. Die neue Bahn­ brücke bekommt ihren angemessenen Platz im Ensemble mit dem Schloss und dem ehemaligen Zollhaus, in das sie sich sensibel einfügt, ohne zu dominieren. Der Anstrich in grauer Farbe ist passend für eine Bahn­ brücke und im gegebenen Kontext. (Pläne und Visualisierung: Projektverfasser)

ist inspiriert von den genieteten Gitterträgern des 19. Jahrhunderts und führt zu einem logisch konsequenten Zusammenspiel von statischer Funktion und Ästhetik. Die Konstruktion weist vergleichsweise wenige Schweissnähte auf und ist damit tendenziell ermüdungsgerechter als konventionelle geschweisste Konstruktionen. Mit der relativ leichten Konstruktion lassen sich umfangreiche Eingriffe in den bestehenden Unterbau vermeiden. Der Unterhaltsaufwand  – dies­ bezüglich ist der Korrosionsschutz wesentlich – dürfte günstig sein, da die Anzahl Steifen und die Stahlflächen minimiert sind. Der Rückbau der bestehenden Brücke und die Montage der neuen Konstruktion sind mit

Pneukranen von der Strassenbrücke aus vorgesehen. Dazu werden zwei Hilfsjoche als zusätzliche Abstützung in den Fluss gerammt. Das Bauprogramm sieht eine Vollsperre des Bahnbetriebs von drei bis vier Wochen vor.

Vielfalt der Vollwandträger Es erstaunt auch in diesem Fall, wie vielfältig ein Studienauftrag ausfallen kann, selbst wenn es sich um ein Variantenstudium eines Vollwandträgers zu handeln scheint: Die gestalterischen Unterschiede der ausgearbeiteten Projekte sind offensichtlich und markant. Es wird deutlich, wie wichtig die formale Ausarbeitung und die eigenständige Formgebung auch bei einem Ingenieurbauwerk sind.

SCHAFFT BIM ORDNUNG? 16

BIM IST ANGEKOMMEN

20

IST DIE BRANCHE ZU TRÄGE?

23

KRAFTWERK AUS DATEN

Manfred Breit Barbara Hallmann und Daniela Dietsche

Barbara Hallmann

NR. 45

1. NOVEMBER 2013

Wettbewerbe | 7

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04 04 Situationsplan des Siegerprojekts von Fürst Laffranchi Bauingenieure und Ilg Santer Architekten. Die neue Bahnbrücke musste so gestaltet werden, dass sie sich zusammen mit der Strassenbrücke mit angehängtem Fussgängersteg in das Ortsbild einfügt. (Pläne und Visualisierung: Projektverfasser)

3.06

05

06

07

05–07 Projekt von ACS Partner und Edi Imhof. Die Konstruktion besteht aus zwei parallelgurtigen Voll­ wandstahlträgern mit einer Höhe von 3.06  m, die alle 4 m mit Querträgern verbunden sind. Die offene Fahrbahn ist auf etwa der halben Trägerhöhe ange­ ordnet. Die Flansche und der Steg sind leicht ge­ neigt und alle 2 m durch eine innen und aussen lie­ gende Rippe ausgesteift. Diese im Querschnitt etwa Z-förmige Ausbildung ist originell und zweckmässig: Steifen variabler Länge dienen auf der Innen- und Aussenseite des Trägers entsprechend den stati­ schen Erfordernissen der Aussteifung des Steg­ blechs und der Einspannung der Vollwandträger im U-Querschnitt. Es entsteht ein raffiniertes Zusam­ menspiel von statischer Funktion und Ästhetik. Der Träger wirkt aber im Ortsbild dominant. Die neue Stahlkonstruktion wird auf die bestehen­ den Widerlager und den Mittelpfeiler aufgelegt. Das feste Lager befindet sich auf dem Mittelpfeiler, und die Bremskräfte werden in die Widerlager eingelei­ tet. Dazu müssen die Widerlagerbänke und der Mit­ telpfeilerkopf erneuert werden. Die Vormontage der neuen Konstruktion erfolgt auf einem flussnahen Bauplatz. Während der Vollsperre von vier Wochen wird die bestehende Konstruktion aus- und die neue Konstruktion eingeschwommen. (Pläne und Visualisierung: Projektverfasser)

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BIM ist angekommen Seit einigen Jahren taucht der Begriff immer wieder auf – und doch bleibt er unklar: Building Information Modeling, kurz BIM. Ist es lediglich eine neue Planungssoftware? Was genau kann es, wozu dient es? Braucht man es wirklich? Doch nun ist in Ausschreibungen beispielsweise im Spitalbau auch in der Schweiz die Position eines BIM-Koordinators enthalten. Der Leiter des CAS Digitales Bauen an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Manfred Breit, erläutert die Grundlagen des Building Information Modeling. Titelbild Die Baustelle des Kraftwerks Hagneck am Bielersee. Architekt Christian Penzel und Bauingenieur Martin Valier planten sie mit digitalen 3-D-Modellen, dank denen verschiedene Bauphasen am Computer simuliert werden konnten. Das schafft Sicherheit bei der Bauausführung. (Foto: Dominique Uldry)

Wer Nutzt BIM? (bh) Die Berner Fachhochschule (BFH) erarbeitet bis Januar 2014 eine Bestandsaufnahme, bei welchen Projekten hierzulande bereits BIM angewendet wurde. Das Ziel: Schweizer Eigenheiten in Relation zu international etablierten Arbeitsweisen herausfiltern. Diese sind u. a. durch andersartige Rollenverteilungen, Baustandards oder benutzte Software bedingt. Hierfür sind weitere Beispiele jener Schweizer Firmen gesucht, die in einzelnen Abschnitten der Wertschöpfungskette eines Gebäudes BIM anwenden, d.  h. Bauherren, Ingenieur- und Architekturbüros sowie Bauunternehmen und Gebäudeverwaltungen. Im Ergebnis entstehen ein Dokument mit einer anonymisierten Übersicht und ein Vergleich mit internationalen Erfahrungen. Kontakt: Odilo Schoch, Professor für Prozessormodellierung, BFH, [email protected]

Was ist BIM? Einfach gesprochen, handelt es sich um Bauinformationsmodelle oder um die Tätigkeit, Bauinformationen digital zu modellieren. BIM bietet die Grundlage für ein signifikant besseres Informationsmanagement über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. BIM verbindet Menschen, Prozesse und Technologien. Dank BIM können Entscheidungen wesentlich früher im Projekt getroffen werden, und zwar auf der Basis verlässlicher Informationen. Das Ziel ist eine neue Form der Kommunikation zwischen den am Bau Beteiligten, sodass Informationen zum grössten Teil über digitale Bauwerksmodelle ausgetauscht werden. BIM ist die erste Technologie für das Bauwesen, die Daten und Visualisierung verbindet. Die Visualisierung bildet die soziale Kommunikationsschnittstelle für die verschiedenen am Projekt Beteiligten, von der Bauherrschaft über die einzelnen Planer und Unternehmer bis hin zu den Betreibern und Nutzern. Über das gemeinsame Sehen, Explorieren und Verstehen von BIM lässt sich das Projekt von den Beteiligten gemeinsam entwickeln, bewerten und koordinieren. Die Daten bilden dagegen die Schnittstelle von den Modellierungswerkzeugen zu denverschiedenen Design-, Ingenieur-, Projektsteuerungs- und Managementsystemen und ermöglichen Analysen, Simulationen, Prognosen, Verifizierungen und Validierungen. Mit traditionellen CAD-Programmen wurde im Prinzip nur die Arbeit vom Zeichenbrett in den Computer verlagert, die Abläufe wie das Erstellen und Nachführen von Grundrissen, Ansichten, Schnitten und Details sind gleich geblieben oder haben sich nur wenig verändert. Dagegen werden mit BIM nicht nur die gestalterischen Ausprägungen modelliert, sondern auch die gewünschten Eigenschaften, wie Nutzbarkeit, Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz oder Nachhaltigkeit. Man konzipiert, entwirft, plant, baut, koordiniert und ändert gemeinsam virtuell mit Informationssystemen und sucht mit Simulationen nach optimierten Lösungen. Gebaut wird anschliessend nach dem getesteten Modell, weitgehend ohne unliebsame Überraschungen. Nach der Bauübergabe steht das 3-D-BIM mit allen notwendigen Informationen – genauso wie das Projekt gebaut wurde – für die Bewirtschaftung und das Facility-Management zur Verfügung. Bauherren sollten daher mit Vorteil gleich zwei Bauwerke bestellen, zusätzlich zum realen auch ein digitales.

Der Nutzen von BIM Der Nutzen von BIM wurde in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen. So hat die Anwendung von BIM folgende Vorteile gezeigt: – bessere Performance der Bauwerke, grössere Genauigkeit und Qualität – niedrigere Kosten – kürzere Fristen, verlässliche Termine – verbesserte Kommunikation – verbesserte Sicherheit auf der Baustelle In den USA, Skandinavien, Australien, Singapur und weiteren Ländern gehört BIM bereits zur täglichen Praxis vieler Büros und Baufirmen. In Dänemark setzte sich die Planung mit BIM ab 2008 durch, da seit diesem Zeitpunkt für alle öffentlichen Bauten über 4 Mio. Euro

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Schafft BIM Ordnung? | 17

BIM und die Technologien Ein digitales Bauwerksmodell ist eine Zusammenstellung von Objekten; sie tragen Geometrie, Attribute und Beziehungen. Die Objekte können – je nach Projektphase – vage und undefiniert, generisch oder produktspezifisch sein, solide Formen oder offene Formen haben, wie Räume, konzeptionell und abstrakt sein oder es können detaillierte Konstruktionselemente sein. Von solchen Modellen können BIM-Tools automatisch konsistente Views und Zeichnungen ableiten, die die Baudokumentation automatisieren und die im Gegensatz zur Zeichnungserstellung mit CAD fehlerfrei sind. Der Schritt von digitalen Baumodellen zum BIM erfolgt durch parametrische Objekte: Objekte werden über Parameter und Beziehungen zu anderen Objekten definiert. Sie haben ein Verhalten und erneuern sich gemäss ihrer eingebetteten Regeln selbst, wenn sich die zugeordneten Objekte ändern. Einfache Regeln können festlegen, dass ein Fenster einer Wand zugeordnet ist und sich folglich mit der Wand verschiebt. Komplexe Regeln beschreiben z. B. die Dimensionierung und Konstruktion einer Verbindung zwischen einer Stütze und einem Träger. Werden Stützenachsen verschoben, aktualisiert sich das Modell. Weil die Objekte maschinenverarbeitbar sind, können räumliche Konflikte in einem Bauwerksmodell automatisch erkannt werden. Mit der Zuweisung geeigneter Attribute werden Objekte automatisch selektiert oder Mengen- und Kostenermittlungen sowie Materialbestellungen und Materialverfolgungen vorgenommen. BIM ermöglicht auch die Nutzung für andere Zwecke, z.  B. für Energie-, Beleuchtungs-, Tragfähigkeits-, Bau- und Nutzbarkeitsanalysen oder Bauablaufsimulationen. Dies nicht nur als Check, ob ein nahezu fertiges Design «o. k.» ist, sondern auch als Feedback im Designprozess über die Effekte relativer Änderungen oder bei der Exploration von Alternativen. Mit dem Gebrauch von parallelen Prozessen in der Cloud können gar Optimierungen auf der Basis einer Grosszahl von Varianten in Echtzeit vorgenommen werden. Architekten, Ingenieure und Baufachleute können mit diesen Methoden Lösungen entwickeln und deren Qualität und Kosten in allen Projektphasen nachweisen, wie es bisher nicht möglich war. Wichtig ist ein phasengerechter Grad der Detaillierung und Entwicklung. Regelbasierte Modellchecker überprüfen die Qualität der Modelle und so beispielsweise auch, ob ein Entwurf behindertengerecht ist oder ein Modellaustausch zwischen Architekt und Bauingenieur die notwendigen oder korrekten Informationen enthält. Analysen der Baubarkeit und der Bauplanung und -steuerung werden mit 4-D-Modellen vorgenommen, die die Bauprozesse über die Zeit simulieren. Heutige Technologien sind nur bis zu einem bestimmten Grad interoperabel. So muss eine geeignete Kollaborationsplattform die unterschiedlichen Modelle und die zugehörigen abgeleiteten Dokumente den Projektbeteiligten und rollenspezifisch zeitaktuell bereitstellen. Die Kommunikation und Koordination erfolgt mit Modellviewern, die die disziplinären Teilmodelle kombinieren und aktualisieren.

01 Die Grafik zeigt: Mit BIM verlagern sich Entscheidungen und der Planungsaufwand zeitlich nach vorn – in eine Phase, in der der Handlungsspielraum sehr gross, die Höhe von Änderungskosten aber gering ist. (Grafik: Thomas Wehrle / Erne AG)

die Verwendung von BIM gesetzlich vorgeschrieben ist. In den Niederlanden müssen seit 2011 bestimmte Bauten, die im Public-Private-Partnership erstellt sind, mit BIM geplant werden. Und in Grossbritannien läuft derzeit eine Regierungsinitiative, die die britische Bauindustrie innovativer und effizienter machen soll. Bis 2016 müssen bei allen öffentlichen Bauten sogenannte «as-built» 3-D-BIMs mit allen Projektinformationen bereitgestellt werden. Auch in Deutschland und Frankreich gewinnt BIM in der Baupraxis an Bedeutung.

Digitale Bauinformationsmodelle als Kern der Planungsarbeit BIMs können in allen Phasen des Planungs-, Bau- und Nutzungsprozesses auf unterschiedlichste Weise eingesetzt werden. Passend zum Verwendungszweck benötigen wir Modelle mit unterschiedlicher Struktur und Leistungsfähigkeit. Die systematische Gestaltung der Arbeitsabläufe bei der Modellerstellung und der Modellnutzung bestimmt den Erfolg des BIM-Einsatzes. Je nach Aufbau und Werkzeug besitzen digitale Modelle spezifische Fähigkeiten, die Planungen wesentlich beschleunigen, Entscheidungen eine breitere Grundlage und damit Sicherheit geben, die Kommunikation innerhalb des Projekts und nach aussen unterstützen oder den Rahmen möglicher Lösungen ausweiten. Sie können für Simulationen, Visualisierungen, Variantenbildung und für eine Vielzahl automatisierter Arbeitsschritte eingesetzt werden. Besonders vielfältig sind die Möglichkeiten der Automatisierung. Das Spektrum reicht von einfachen Dingen, wie der Erzeugung von Massenauszügen bis zur parametrisch gesteuerten Erzeugung komplexer Formen. Der Erfolg resultiert jedoch nicht aus der Verwendung möglichst vieler Hilfsmittel, sondern aus dem gezielten Einsatz geeigneter Verfahren für spezifische Aufgaben.

Zusammenarbeit auf der Grundlage von digitalen Technologien Digitale Bauwerksmodelle eröffnen neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Diese reichen vom einfachen Datenaustausch über die zentrale Bewirtschaftung von Modellen bis zur simultanen Entwicklung. Damit sind aber auch Probleme verbunden, die herkömmlichen Planungsprozessen fremd sind. Zusammenarbeit auf der Grundlage digitaler Modelle erfordert einen strikten organisatorischen Rahmen und formal standardisierte Prozesse. Kostenplanung und Kostensteuerung sind Beispiele für die Anwendung digitaler Bauwerksmodelle mit hohem und offensichtlichem Nutzen. Bauwerksmodelle können fast alle kostenrelevanten Daten, insbesondere in Mengen, liefern, sofern sie richtig aufgebaut sind. In Verbin-

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dung mit entsprechenden Datenbanken sind präzise Kostenvorhersagen möglich. Der praktische Nutzen ist aber an einige Voraussetzungen gebunden: Kostenmodelle müssen so aufgebaut sein, dass sie schon in frühen Planungsphasen – bevor alle Konstruktionslösungen definiert sind – relevante Informationen liefern und Entscheidungsprozesse unterstützen. Sie müssen nicht nur der Kostenplanung dienen, sondern auch der Kostensteuerung, und vor allem sollen sie helfen, Erfahrungen systematisch zu sammeln und in künftige Projekte einzubringen. Die unterbrechungsfreie digitale Kette vom Computer des Entwerfers bis zur CNC-Produktionsanlage wird als Vision oft und intensiv diskutiert. Beeindruckende Experimente weisen auf ein hohes Potenzial solch automatisierter Produktionsprozesse im Bauwesen hin. Was im Modellbau problemlos funktioniert, stösst in der Baupraxis aber sehr rasch an Grenzen. Wer ein Bauprojekt plant, hat keinen Zugriff auf die Produktionsanlagen, und wer den Produktionsprozess steuert, hat selten Einfluss auf die Planung. Das Bauwesen ist traditionell nach Gewerken organisiert, und die Planung koordiniert die Produktion. Nun haben Planer allerdings kaum Zugriff auf das Know-how der Unternehmer und diese wiederum nicht auf das Wissen der Komponentenhersteller. Neuere Planungs- und Beschaffungsmethoden versuchen, diesen Mangel auszugleichen. BIM und strukturierte Prozesse können diesen Ansätzen zum Durchbruch verhelfen.

Auf die Prozesse kommt es an

BIM Beherrschen Lernen In der Anwenderschulung dominieren momentan die einzelnen Softwareanbieter den Markt – fast jedes Unternehmen bietet Seminare, Kongresse, Webinare oder Inhouse-Schulungen. Eine ganzheitliche Ausbildung gibt es in der Schweiz derzeit nur an der Fachhochschule Nordwestschweiz, die zweimal jährlich einen CAS zum «Digitalen Bauen» anbietet (www. fhnw.ch/weiterbildung). Der erste CAS ist gestartet: Kürzlich absolvierten 26 Berufsleute aus verschiedenen Bereichen des Bauwesens den BIM-Leadership-Kurs am Center for Integrated Facility Engineering an der Stanford University in Kalifornien. An der FHNW ist auch ein zweiter CAS in Entwicklung, ein Masterstudiengang wird vorbereitet. Auch im CAS «Life Cycle Management Immobilien» der ZHAW erlernen die Teilnehmer den Umgang mit digitalen Gebäudemodellen (www.zhaw.ch/ weiterbildung). BIM wird in der Bachelorausbildung Architektur an der Berner Fachhochschule in zwei Kursen «intermediate» und «advanced» angeboten. An der Hochschule Luzern, Technik und Architektur wird erstmalig ein Kurs für BIM im interdisziplinären Kontext für Studierende der Architektur, der Bautechnik und der Gebäudetechnik auf der Stufe «advanced» durchgeführt. Weitere Angebote in den Architektur- und Ingenieursstudiengängen an Schweizer Hochschulen sind derzeit nicht bekannt.

BIM berühren alle Phasen im Lebenszyklus von Immobilien. Die Technik ist deshalb im Gesamtrahmen des Planungs-, Bau- und Nutzungsprozesses zu betrachten. Sie kann beispielsweise dem Auftraggeber helfen, die Machbarkeit seines Vorhabens zu überprüfen und daraus präzise Anforderungen an die beauftragten Planer zu formulieren. In der Projektierung erleichtern BIM die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachplanern. Mit angepassten Beschaffungsmethoden wird es möglich, das Know-how der ausführenden Unternehmer frühzeitig in die Planung einfliessen zu lassen. Im Betrieb schliesslich kann ein digitales Bauwerksmodell alle Belange des Facility-Managements unterstützen, von der strategischen Raumplanung über das Energiemanagement bis zur Unterhaltsplanung. Diese Potenziale nutzbar machen heisst aber in den meisten Fällen, etablierte Prozesse zu modifizieren, Arbeitsmethoden oder einfache Gewohnheiten zu verändern. Zwischen digitalen Modellierungstechniken und adäquaten Arbeitsprozessen besteht ein enger Zusammenhang. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit neuzeitlichen Problemlösungsmethoden und Produktentwicklungsprozessen. Neue Technologien werden nur dann einen Mehrwert stiften, wenn sie mit den Arbeitsweisen, der Kultur und den Prozessen der Unternehmen übereinstimmen. Die Entscheidung für den Einsatz neuer Methoden und Verfahren führt zu Veränderung, in fast allen Fällen. Das Management von Veränderungen in Planungs- und Bauunternehmen ist eine notwendige Voraussetzung und eine Schlüsselkompetenz, um den Schwierigkeiten und Risiken bei der Einführung neuer Technologien zu begegnen und die gebotenen Chancen nutzen zu können. Wie die neuen Prozesse aussehen können, zeigen nachfolgend einige Beispiele aus dem Ausland. Das Architekturbüro Sera Architects Inc. aus Portland, Oregon, untersuchte den Zeitaufwand für die Planung und den Bau von 20 bereits abgeschlossenen Wohn- und Geschäftsbauten. Die Projektabwicklungsmethoden reichen dabei von der alten 2-D-CAD-Welt mit getrennt arbeitenden Disziplinen (Typ A) über die BIM-Anwendung nur in der Planung (Typ B) bis zur hoch kollaborativen integrierten Projektabwicklung, die auch die Arbeitsvorbereitung und Vorfertigung auf der Basis eines dreidimensionalen Bauwerksmodells mit BIM beinhaltet (Typ C). Die Planung nach Typ C erlaubte massive Einsparungen bei der Entwurfsund Bauzeit, was sicher auch an der geringeren Zahl von Informations-, Klärungs- und Änderungsaufträgen lag (Abb. 01). Und nicht zuletzt: Die Anzahl der E-Mails rund um die Projekte sank massiv. Dabei erscheint bemerkenswert, dass sogar die Planung nach Typ B, auch als «little bim» bezeichnet, signifikante ökonomische Auswirkungen zeigt: Wenn nur eine der am Bau beteiligten Disziplinen – in diesem Fall das Architekturbüro – mit BIM arbeitete,

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resultierte daraus eine beachtliche Reduktion der Planungs- und Bauzeit. Ein weiteres Beispiel: Beim Bau eines Spitals in Castro Valley nahe San Francisco einigten sich die Beteiligten auf eine neue Form der Zusammenarbeit. Grundlage war ein gemeinsamer Vertrag aller elf Planungs- und Ausführungsfirmen mit der Bauherrschaft. Er regelte die Projektabwicklung und die geteilte Verantwortung für die Risiken sowie die Partizipation am Gewinn. In Kalifornien müssen Spitäler hohe Auflagen erfüllen und auch bei schweren Erdbeben zuverlässig funktionieren. Um die behördlichen Anforderungen einzuhalten, war schon in der Planung eine hohe Präzision notwendig: Buchstäblich alles, was grösser als ein Zentimeter war, wurde mit BIM entworfen, modelliert und koordiniert. Die Beschaffung, Fabrikation und Installation gab man erst auf der Basis vollständiger Kosten- und Zeitplaninformationen frei; so minimierte sich das Risiko für Änderungs- und Ausbesserungsarbeiten. Und man konnte der Bauherrschaft den Leistungsumfang, das Budget und den Zeitplan verlässlich zusichern. Dies gelang nur, weil in der Planung erstmalig neue Methoden – wie BIM-basiertes «Design to Cost» – zum Einsatz kamen. Das komplexe, insgesamt 320 Millionen Dollar teure Spital konnte 2012 nach dreieinhalbjähriger Bauzeit termingerecht übergeben werden – und zwar ohne wesentliche Kompromisse hinsichtlich der Leistungsvorgaben und ohne Gewinneinbussen für die Beteiligten. Für eine solch hoch kollaborative Zusammenarbeit hat das American Institute of Architecture (AIA) 2010 einen Leitfaden für das sogenannte «Integrated Project Delivery (IPD)» samt Musterverträgen herausgegeben.

02 Sera Architects aus Portland/Oregon untersuchten die Auswirkungen verschiedener Arbeitsmethoden auf die Zeit, die für Entwurf und Bau eines Gebäudes mit rund 4650 m2 (50 000 square feet) notwendig war. Bei Typ A arbeitete man ausschliesslich mit 2-D-Plänen und legte wenig Wert auf die Zusammenarbeit. Bei Typ B arbeitete nur ein Planerteam – die Architekten – mit 3-D, und man legte mehr Wert auf die Zusammenarbeit der verschiedenen Planer. Bei Typ C arbeiteten alle mit BIM, die Zusammenarbeit hatte höchste Priorität – einige Planer hatten sogar ihren Arbeitsplatz in ein gemeinsames Büro verlegt. (Grafik: Red.)

Manfred Breit, [email protected], Studiengangsleiter MAS/CAS Digitales Bauen (dBAU) und Leiter Forschungsfeld 4-D-Technologien, Institut für 4-D-Technologien, FHNW  Literatur – Harvey M. Bernstein Ed., The Business Value of BIM in North America: Multi-Year Trend Analysis and User Ratings: (2007–2012). Smart Market Report, McGraw-Hill Construction, New York 2012. – Martin Fischer, You Thought BIM was Innovative – You Ain’t Seen Nothing Yet: A Peek over the Construction Technology Horizon. Invited Keynote Paper, Forum for the Construction Industry, American Bar Association, 2013 Annual Meeting, Dana Point (CA) 2013. – Chuck Eastman, Paul Teicholz, Rafael Sacks, Kathleen Liston: BIM Handbook. A Guide to Building Information Modeling for Owners, Managers, Designers, Engineers and Contractors. Wiley Publishing, Hoboken 2011. – Willibald Günthner, André Borrmann: Digitale Baustelle – innovativer Planen, effizienter Ausführen: Werkzeuge und Methoden für das Bauen im 21. Jahrhundert. Springer VDI, Düsseldorf 2011.

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Ist die Branche zu Träge? Ganz im Unterschied zu den USA oder Skandinavien hat die digitale Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) in der Schweiz bisher noch nicht recht Fuss gefasst. Warum ist das so, und was müsste sich ändern? TEC21 hat Vertreter verschiedener Fachrichtungen mit sechs Thesen konfrontiert, die Kritiker gegen BIM anführen. Ein Vertreter aus einem Ingenieurunternehmen, ein Gebäudetechniker, ein Architekt und der Leiter Normen des SIA, die sich allesamt im Alltag mit der Technologie beschäftigen, halten manchmal vehement dagegen – und stimmen manchmal zu. «BIM lohnt sich nur für komplexe Projekte. Ansonsten ist der Zusatzaufwand zu gross.»

TEC21: Wir möchten Sie im Gespräch mit verschiedenen Thesen konfrontieren, die man gegen BIM vorbringen könnte. These 1 lautet: BIM lohnt sich nur für komplexe Projekte. Ansonsten ist der Zusatzaufwand zu gross. Was sagen Sie dazu? Rolf Mielebacher (R. M.): BIM nur für grosse Projekte zu nutzen wäre für den Anfang der falsche Ansatz: Das Projekt ist komplex und die Software nicht ganz einfach. Für den Einstieg ist ein normales Projekt sinnvoll. Markus Gehri (M. G.): Ich finde, es kann auch bei kleinen Projekten nützen. Auch für ein normales Sechsfamilienhaus müssen viele Nachweise geführt werden – da bringt BIM Vorteile. Jobst Willers (J. W.): Ich bin überzeugt, BIM wird nur bei komplexen Projekten wie Spitälern oder Industriebauten kommen, weil dort der Lebenszyklusnutzen massiv zum T ­ ragen kommt. M. G.: Da hat jetzt der Gebäudetechniker gesprochen, der Gebäude mit ausgeklügelter Technologie ausstatten möchte. Aber BIM fängt schon früher an, bei der Schalung, bei den Fenstern. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Sechsfamilienhaus ohne aufwendige Gebäudetechnik mit BIM projektiert wird. Andreas Derrer (A. D.): Ich finde, nicht die Projektgrösse entscheidet, sondern der ­ etaillierungsgrad. Bei einem kleinen Ladengeschäft geht es nicht um die gleichen Themen D wie bei einem Spital. Das Wichtigste ist für mich immer die Frage nach den Schnittstellen: Wie sammle ich die Informationen, wie bereite ich sie auf, und wie halte ich sie à jour? R. M.: Gerade bei kleinen Projekten kann BIM Bauprozesse standardisieren. Die Bauwirtschaft möchte immer Unikate erschaffen. BIM könnte bei Käuferausbauten leicht Kosten sparen, wenn man beispielsweise Steckdosen und Wände zusammen verschieben kann, statt aufwendig alles einzeln anzupassen.

«Mit BIM entsteht für die Planer ein Zusatzaufwand, der nicht honoriert wird.»

TEC21: These 2: Mit BIM entsteht für die Planer ein Zusatzaufwand, der nicht honoriert wird. J. W.: Unsere bisherige Denkart in sechs SIA-Phasen steht uns im Weg. Wir sind das Arbeiten vom Groben ins Feine gewohnt. M. G.: Ich glaube, die Leistung wird einfach zeitlich nach vorn verschoben. Im Idealfall entsteht im Vorprojekt bereits ein virtuelles Gebäude, bis hin zur letzten Schraube. Später gleicht sich das aus – sagt man –, weil bei der Realisierung weniger Kosten entstehen. Wie aber dieser Zusatzaufwand am Anfang mit den gesparten Kosten gegen Ende ausgeglichen und aufgeteilt wird, ist noch offen. Einfacher ist die Situation für einen GU oder TU. J. W.: Ausserhalb dieser Unternehmen sieht es doch so aus: Wir haben oft ein Planerteam von acht oder mehr Ingenieurparteien. Drei davon haben von BIM keine Ahnung. Was macht man mit denen? Der Markt regelt das hoffentlich: Entweder verschwinden die Unkundigen, oder sie wenden BIM an.

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A. D.: Viele sind sich nicht recht bewusst, was sie mit BIM erreichen möchten. Bei Spital­ projekten in Kalifornien ist das Modellieren bis zur letzten Schraube unter anderem ein Grund dafür, den Genehmigungsprozess zu beschleunigen – weil der Ort, an dem die Schraube gesetzt wird, Einfluss auf die Erdbebensicherheit der abgehängten Decke hat. Dafür existiert dort eine Norm. Solange wir das in der Schweiz nicht haben, definieren wir selbst, wie detailliert modelliert werden soll – und folglich, welchen Zusatzaufwand wir generieren. Wir sehen das heute als eine Phase des Lernens an, die wir selbst steuern können. R. M.: Wir haben bei uns jetzt einen BIM-Master angestellt. Die Chance, dass er vom ­Kunden separat vergütet wird, ist bei null. Man muss diverse Abmachungen treffen und überlegen, wer wann welche Information braucht, damit es für alle ein bisschen einfacher geht. Man bekommt nicht mehr Zeit dank BIM. M. G.: Es besteht die Gefahr, dass die Bauherrschaft schon im Wettbewerb zu viel erwartet. Manchmal wird zum Beispiel gefordert, dass der behördliche Brandschutznachweis erbracht ist. Dafür muss man bereits im Wettbewerb wissen, welches Gerät eingesetzt wird und wo. Ein grosser Schweizer TU hat mir gesagt, dass bei ihm kein Wettbewerbsentwurf ohne E ­ nergienachweis angenommen wird. BIM kann das zwar, aber das bedeutet auch, dass der Aufwand im Wettbewerb quasi beliebig gross werden kann. Wird am Ende doch nicht gebaut, sieht es mit der Honorierung des bereits erbrachten Zusatzaufwands schlecht aus.

«Die Kommunikation über BIM zu organisieren passt nicht zu den gewohnten Abläufen in der Schweizer Baubranche mit ihren speziellen Bewilligungsverfahren.»

TEC21: Die dritte These lautet: Die Kommunikation über BIM zu organisieren passt nicht zu den gewohnten Abläufen in der Schweizer Baubranche mit ihren speziellen Bewilligungsverfahren. M. G.: Das ist momentan noch richtig. Die positiven Beispiele für BIM-Projekte kommen derzeit noch aus den USA und Skandinavien, aber dort sind ganz andere Vertragsformen üblich. Der SIA plant ein Arbeitspapier, das hierzulande übliche Zusammenarbeitsmodelle auflistet. Mit dieser Basis kann man nachdenken, wie BIM bei uns Erfolg haben könnte. R. M.: Für die hiesigen Bauherren ist klar: Das wird heute noch angepasst, auch wenn ich morgen einziehe. Aber wenn du einer Ziegelei sagen kannst, dass du in 18 Monaten baust, bekommst du einen guten Preis. Das ist auch für den Kunden interessant. Nur: Die Gefahr von unzähligen Varianten und Änderungen verschiebt sich mit BIM nach vorn. M. G.: Da machen unsere Gepflogenheiten ein Problem von BIM deutlich: Bei der Arbeit mit dem Modell muss man Änderungen direkt dort nachführen, bei der Arbeit mit Papier­plänen geht das recht unkompliziert mit Rotstift. TEC21: These vier lautet: BIM behindert im Entwurf, weil die Software zu früh zu viele Informationen verlangt.

Die Diskussionsteilnehmer: Jobst Willers, dipl. Ing. FH, gründete 1989 die Beratungs- und Planungsfirma Jobst Willers Engineering AG, die in Rheinfelden, Bern und Zürich ansässig ist. Die Gebäudetechniker arbeiten seit einiger Zeit mit BIM und sehen die Vorteile der Methode vor allem bei technisch anspruchsvollen Projekten. Willers ist zudem Präsident der Berufsgruppe Technik des SIA, die ihre Jahrestagung kürzlich dem Thema BIM widmete. In dieser Funktion steht er auf S. 28 (Mitteilungen des SIA) zu der neuen Art der Planung Rede und Antwort. Markus Gehri ist studierter Bauingenieur und sammelte in seinem Berufsleben viel Baustellen-

erfahrung. Aktuell leitet er beim SIA das Ressort Normen. Er verfügt zwar nicht über praktische Erfahrungen mit BIM, betreute aber 2012 innerhalb des SIA eine Spurgruppe BIM, die Möglichkeiten einer Normierung untersuchte. Noch dieses Jahr soll beim SIA ein Projekt starten, das organisatorische Aspekte zur Arbeit mit BIM in ein Merkblatt einbringen soll. Markus Gehri betont, dass Interessierte gern daran mitarbeiten können. Rolf Mielebacher, dipl. Maschineningenieur FH, ist Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Amstein + Walthert AG, einem Ingenieur- und Consultingunternehmen mit 650 Mitarbeitern.

Das Unternehmen hat bereits erste Erfahrungen mit BIM gesammelt und kürzlich eigens die Stelle eines «BIM-Masters» geschaffen. Andreas Derrer ist dipl. Architekt FH, Mitgründer von OOS und Mitglied der Geschäftsleitung. Er ist in dieser Funktion für die Weiterentwicklung der internen Arbeitsprozesse (u. a. BIM) und Arbeitstools sowie die Mitarbeiterrekrutierung von OOS zuständig und leitete als Partner vor allem die Planung der drei Servicecenter und Bürogebäude für Novartis. Im Rahmen seiner Assistenzstelle am Departement Architektur der ETH Zürich arbeitete er an der Entwicklung eines virtuellen Campus.

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«BIM behindert im Entwurf, weil die Software zu früh zu viele Informationen verlangt.»

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M. G.: Die frühe Phase, in der man entwickelt, dürfen wir nicht verlieren. Ein gutes BIM-Programm sollte zulassen, dass ich summarisch anfange und dann ins Detail gehe. A. D.: Wenn im Wettbewerb verlangt würde, dass man ein Projekt schon in diesem Stadium mit 3-D komplett durchgeplant haben muss, dann wird das für uns zu einem Problem. Aber wenn es nur darum geht, Elemente als 3-D abzuliefern, die ohnehin zu einem Wettbewerbsprogramm gehören, dann geht das schon. Das Problem liegt eher darin, dass man sich anders organisieren muss, wenn man mit BIM statt mit 2-D arbeitet. Aber wir arbeiten in einem ersten Stadium noch immer auch mit Handskizzen. R. M.: Beim Neubau sehe ich weniger Probleme. BIM ist nur so gut wie die Grundlage. Im Umbau müssen wir bei der Genauigkeit zulegen. Ist der Bestand so gut aufgenommen, dass das Modell funktioniert?

«Schweizer Bauherrschaften haben, anders als in Skandinavien oder den USA, kein Interesse an BIM.»

«Vielerorts wird behauptet, die Technologie sei nicht ausgereift.»

TEC21: These 5: Schweizer Bauherrschaften haben, anders als in Skandinavien oder den USA, kein Interesse an BIM. J. W.: Wir sind eine träge Branche! Wenn der Bauherr nicht bestellt, passiert nichts. Aber vielleicht kommt jetzt die Wende, wenn selbst Stararchitekten per Stellenanzeige einen BIMKoordinator suchen. In anderen Ländern verlangt der Gesetzgeber nach der Planung mit BIM. Unsere KBOB für öffentliche Bauten äussert sich vorläufig noch nicht dazu. M. G.: Die Energiedirektoren könnten Treiber sein, wenn sie beschliessen, dass gewisse Nachweise bereits frühzeitig erbracht werden müssen. R. M.: Der Druck auf die Branche wird kommen, wenn es sich herumspricht, dass man ein digitales Modell bestellen kann – oder wenn die Facility-Management-Branche darauf drängt. Aber seien wir ehrlich: Die Baubranche könnte diesem Druck auch zuvorkommen. TEC21: Die letzte These: Vielerorts wird behauptet, die Technologie sei nicht ausgereift. J. W.: Die Software ist sehr kompliziert. Wir brauchen eine Aus- und Weiterbildung. Die Ausbildung machen zurzeit aber hauptsächlich die Softwarelieferanten. R. M.: Die Software selbst ist nicht das Problem, sondern ihre Anwendung. Und ich ­merke: Die Jungen in unserer Firma wollen BIM. Unser BIM-Master kommt aus der Software­ industrie. Er ist damit beschäftigt, Informationen so zu übersetzen, dass wir sie darstellen können. A. D.: Ich glaube, die Technologie ist nicht die grosse Frage. Es geht vielmehr darum, wie diese Methode unsere Abläufe neu organisiert. Wie kontrolliere ich das Modell? Und wie findet der Austausch statt? Schicke ich Formate wie pdf und dwg, dann weiss der andere, was er erwarten kann. Aber wenn ich ein Modell schicke? Wie bekommen wir welche Informationen wohin, und wie bekommen wir sie wieder raus? Wir können nicht so weiterarbeiten wie die letzten 20 Jahre, aber die jeweilige spezifische Software der einzelnen Disziplinen muss weiterhin einsetzbar bleiben. Sonst würde BIM eine massive Einschränkung bedeuten. Aber der Zwang zu einer intensiveren Zusammenarbeit und das grössere Vertrauen, das vorausgesetzt wird, könnten noch ein Hindernisgrund für den Einsatz von BIM sein. Denn ich muss meine Daten nicht nur abschicken, sondern mich auch dafür interessieren, wie sie angekommen sind. Kurz: Ich muss die Motivation haben, mich mit dem Blick der anderen Fachplaner darauf einzulassen. M. G.: Aus meiner Sicht geht die Entwicklung dahin, dass weiterhin mit dem weichen Bleistift entworfen und die Dinge anschliessend im virtuellen Arbeitsraum fixiert werden. An dieser Stelle muss ein Umdenken stattfinden: Das BIM-Modell ist ab einem gewissen Zeitpunkt fix und kann nicht auf der Baustelle wieder verworfen werden. Ich sehe das virtuelle Modell als Zwischenstufe zwischen Handskizze und fertigem Bauwerk. Der Zusatzaufwand, der dafür entsteht, muss sich wieder einspielen, weil die Endphase reibungsloser und fehlerfreier stattfinden kann. Barbara Hallmann, [email protected], Daniela Dietsche, [email protected]

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Kraftwerk Aus Daten Bauingenieur Martin Valier und Architekt Christian Penzel planen derzeit den Neubau des Wasserkraftwerks Hagneck am Bielersee. Im Wettbewerb konnten sie sich gegen sieben andere Teams durchsetzen. Valier und Penzel sagen, die Arbeit mit Building Information Modeling habe ihnen und ihrer Zusammenarbeit einen entscheidenden Vorteil verschafft.

01 Am bestehenden Hagneckkanal wurde das alte Wehr abgerissen; bis 2015 werden ein neues Wehr sowie ein neues Krafthaus mit zwei Turbinen für die Kraftgewinnung gebaut. Im alten Kraftwerk, das unter Denkmalschutz steht, bleibt nur eine Turbine von ehemals fünf in Betrieb. Weiter entstehen eine Bootstransportanlage zwischen Bielersee und Hagneckkanal sowie ein Umgehungsgerinne für den Fischaufstieg. (Foto: Bielerseekraftwerke AG)

Beteiligte Planer Bauherrschaft: Bielersee Kraftwerke AG, Biel Gesamtplanung: BKW Energie AG, Bern Architektur: Penzel Valier AG, Zürich Tragkonstruktion: Penzel Valier AG, Chur Landschaftsarchitektur: Raymond Vogel Landschaften AG, Zürich Baugrube und Wasserhaltung: CSD Ingenieure AG, Liebefeld Koordination Gebäudetechnik/Sanitär: Grünig & Partner AG, Liebefeld Gebäudetechnik: Marcel Rieben Ingenieure AG, Bern Elektroplanung: eproplan AG, Gümlingen Bauphysik: Gartenmann Engineering AG, Bern Umweltbaubegleitung: Prona AG, Biel

Die Rahmenbedingungen waren präzise, die Gestaltungsfreiheit musste aus der Aufgabe erarbeitet werden: Jahrelange Variantenstudien und Planungen hatten dazu geführt, dass den Teilnehmern im Wettbewerb für das neue Wasserkraftwerk Hagneck nicht viel Spielraum blieb (vgl. TEC21 16-17/2010). Wie die technischen Anforderungen eines solch komplexen Bauwerks auch gestalterisch anspruchsvoll realisieren? Um die beste Lösung auszuloten, musste die Zusammenarbeit zwischen Bauingenieuren, Architekten und Gesamtplaner noch enger verlaufen als in Arbeitsgemeinschaften üblich. Für Martin Valier und Christian Penzel bot sich dafür Building Information Modeling an, dessen Vorteile, aber auch dessen Fallstricke sie bereits bei der Arbeit am Tramdepot Bern (vgl. TEC21 25/2008) kennengelernt hatten. Ihr Projekt «Tiefgang», das die Jury einstimmig zur Weiterbearbeitung empfahl, gliedert die Anlage in Maschinenraum, Pfeiler und Wehröffnungen. Der Entwurf überzeugte mit seiner Massstäblichkeit sowie der Einheit von Funktion und Form. Zudem macht ein Spazierweg über die Wehrbrücke den Zweckbau aus verschiedenen Blickwinkeln erlebbar. Er befindet sich auf einem höheren Niveau als die Fahrbahn; dadurch wirkt das Kraftwerk in seiner Form differenzierter und passt sich besser in die Landschaft ein.

Von 2-D nach 3-D – und zurück Penzel und Valier entschieden sich für das Modell des «little bim»: Der Ingenieur erhielt ein 3-D-Modell von den Architekten und arbeitete die Bewehrung direkt in dieses ein; da man die gleiche Software benutzt, entstanden keinerlei Import-/Exportverluste. So konnten gestalterische Lösungen direkt auf technische Anforderungen reagieren und vice versa – und Entscheidungen wurden frühzeitig aufeinander abgestimmt. Während des Wettbewerbs konnte der Entwurf mehr Bearbeitungsschlaufen durchlaufen, als es ohne BIM möglich gewesen wäre. Allerdings wurden noch keine Zusatzinformationen zu den Baumaterialien hinterlegt, da die Bauherrschaft diese Leistung nicht nachfragte. Ein weiteres Plus lag in der starken Ausrichtung auf die Vorfabrikation: Viele Unternehmer erhielten die Daten im 3-D-Format und konnten sie so direkt nachbearbeiten und an ihre Fertigungsabteilung weitergeben oder gemeinsam mit den Architekten im 3-D-Modell optimieren. Mittlerweile nutzen Penzel Valier die 3-D-Daten auch intern zur physischen Entwurfskontrolle: Ein 3-D-Drucker übersetzt diverse Varianten in detaillierte Arbeitsmodelle, an denen sich die Planung überprüfen lässt. Dennoch birgt die Planung mit BIM einige Herausforderungen, zu deren Bewältigung Vorbilder fehlen. So erhielten die Architekten von einigen Fachplanern zu detaillierte 3-D-Modelle. In der Kommunikation mit anderen Fachplanern kam wiederum die Software an ihre Grenzen – der Datenaustausch funktionierte nicht optimal, und die Architekten mussten neue Planungsinformationen von Hand ins 3-D-Modell einfügen. Das Potenzial der dreidimensionalen Planung beim Kraftwerk Hagneck ist auf der folgenden Doppelseite schematisch dargestellt: Die Planer übergeben ihre koordinierten Daten den Architekten im 3-D-Format .icf; sie werden geprüft und in der Folge ins digitale 3-D-Modell übernommen. Bei Bedarf kann man die Pläne mit wenig Aufwand als 2-D extrahieren. Barbara Hallmann, [email protected]

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SchnItte, anSIchten etc.

ansichten, Schnitte, draufsichten und grundrisse lassen sich aus dem fertigen 3-d-Modell generieren. damit entfällt das zeichnen und anpassen einzelner 2-d-Pläne. (Alle Bilder dieser Doppelseite: Penzel Valier)

vOrfaBrIKatIOn

die 3-d-daten können direkt an die unternehmer weitergereicht werden. das spart Kosten bei der vorfabrikation von Bauteilen.

vOrSPannung und BeWehrung

die geometrie der Oberwasserbrücke erforderte massive Bewehrungseisen und Spannkabel. die beengten Platzverhältnisse konnten durch überlagerung der einzelnen 3-d-teilmodelle (Koordination Werkleitungen, rohbaugeometrie und Bewehrung) sowie durch den laufenden abgleich gelöst werden. einzelknotenbetrachtungen sind mehrfach zwischen den einzelnen Planern ausgetauscht worden.

38 | Veranstaltungen | Vorschau

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LUGINSLAND. ARCHITEKTUR MIT AUSSICHt Die Ausstellung zeigt in einem Panorama architektonische Interventionen zum Blick auf die Landschaft aus den vergangenen 15 Jahren.
Auswahlkriterium ist zunächst die architektonische Qualität, wobei es sich nicht nur um Türme, sondern auch um Plattformen oder Kleinarchitekturen handelt. Spezielles Augenmerk gilt touristisch inszenierten Landschaften wie den Nasjonale Turistveger in Norwegen oder der Ruta del Peregrino in Mexiko. Datum: 9. 11. 2013–9. 2. 2014 Ort: SAM Schweizerisches Architekturmuseum, Steinenberg 7, Basel Weitere Infos: www.sam-basel.org Murturm. terrain:loenhart&mayr, Gosdorf, Steiermark, Österreich, 2009. (Foto: © Hubertus Hamm)

Anlass details

Infos / Anmeldung

werkbericht «Architektur als Synthese von Funktion – Konstruktion – Deutung am Beispiel von Stadien»

Anhand eigener Bauten und Projekte zeigt Volkwin Marg von gmp-Architekten aus Hamburg, wie die unterschiedlichen kulturellen Kontexte – der Genius Loci –, verschiedene Funktionen und die jeweilige Konstruktion zur Ästhetik einer unverwechselbaren Architektur verschmelzen.

13. 11. 2013 | 19.30 Uhr Konzerthaus Freiburg, Konrad-Adenauer-Platz 1, Freiburg (D) Weitere Infos: www.architekturforum-freiburg.de

Ausstellung «ArchiAid: Rethinking – Reconstruction. Die grosse Erdbebenkatastrophe Ost-Japans»

Die Ausstellung wirft einen kritischen Blick auf die Bemühungen zur Rekonstruktion und stellt die Arbeit von ArchiAid vor – ein Netzwerk von japanischen Architekten zur Förderung des Wiederaufbaus.

Bis 28. 11. 2013 Di–Fr 11–18.30 Uhr, Sa–So 13–17 Uhr Aedes am Pfefferberg, Studio, Christinenstr. 18-19, Berlin Weitere Infos: www.aedes-arc.de

forum «Internationales Holzbau-Forum IHF 2013. Aus der Praxis – Für die Praxis»

Das IHF 2013 bietet Holzbauern, Planern, Ingenieuren sowie Architekten die Gelegenheit, über Erfahrungen, Arbeiten und Ziele mit Holztragwerken bzw. Holzkonstruktionen zu berichten. Zudem gibt es Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch.

4.–6. 12. 2013 Kongresszentrum, Richard-Strauss-Platz 1, Garmisch-Partenkirchen (D) Weitere Infos und Anmeldung (bis 23. 11.): www.forum-holzbau.com

Ausstellung «Thomas Schütte. Houses»

Neben seinem skulpturalen Werk setzt sich Thomas Schütte mit dem Bauen im öffentlichen Raum auseinander. Vorherrschende Moden in der Architektur greift er in seinen Modellen kritisch auf oder entwickelt raffinierte Behausungen für den einzelnen Menschen.

Bis 16. 2. 2014 | Di–So 10–17 Uhr, Mi 10–20 Uhr Kunstmuseum Luzern, Europaplatz 1, Luzern Weitere Infos: www.kunstmuseumluzern.ch

archi 5/2013 11. 10. 13

TEC21 46/2013 8. 11. 13

TRACÉS 20/2013 17. 10. 13

Planifier l’hétérogénéité Manières d’assembler: Considérations sur la pratique du projet | L’agglomération assemblée | La nouvelle place de la République par l’agence TVK

www.espazium.ch /revue-traces

Luoghi del silenzio Appunti per una storia dei cimiteri nel Canton Ticino | Last Landscape, verso un paesaggio cimiteriale | Architetture della morte e vita dell’architettura

www.espazium.ch /rivista-archi

HOLZ VERBINDET HOLZ Einfache moderne Holzverbindungen | Das Ziehen der Säge

www.espazium.ch / tec21

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WerKLeItungen

aus der zusammenarbeit zwischen architekt und Ingenieur entstand ein 3-d-Modell. gestalterische Lösungen konnten direkt auf technische anforderungen reagieren und vice versa. die abbildungen auf dieser doppelseite sollen beispielhaft das Potenzial der dreidimensionalen Planung zeigen.

die Brücke Oberwasser dient nicht nur der erschliessung des Kraft werks, sondern ist gleichzeitig die verbindung für die energieableitung mit einer vielzahl von rohrleitungen.

entWurfSKOntrOLLe und eXterne KOMMunIKatIOn aus dem 3-d-Modell lassen sich ebenfalls renderings generieren, die die externe Kommunikation vereinfachen, zum Beispiel mit der Bauherrschaft , dem Betrieb, der Bauleitung, dem Bauunternehmen sowie mit Ämtern und der Bevölkerung.

MAGAZIN | 9

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GLAS STATT GEBÄUDETECHNIK Die Verlagerung der Gebäudetechnik in die Gebäudehülle ist ein aktueller Trend. Aus diesem Grund lud die Universität Liechtenstein Anfang Oktober zur Präsentation des europäischen Forschungsprojekts «Fluidglass» ein. Das Ziel des Projekts: flüssigkeitsdurchströmte Glasfassadenelemente zur aktiven Energietransmissionskontrolle. Systeme wie Closed Cavity und dezentrale Gebäudetechnikelemente als Fassadenbausteine funktionieren bereits in modernen Fassaden. Heizen, Kühlen und Beschatten unter Beibehaltung von Wärmedämmung und Transparenz innerhalb eines kompakten Glaselements mit einer Gesamtdicke von angestrebten 66 mm ist dagegen aktuell unerreichbar. Zukünftig möglich machen soll dies eine wasserdurchströmte Glasscheibe. Wer sich nun vorstellt, es handle sich hier um eine einfache Doppelverglasung, die via zwei Wasseranschlüsse an einen Wasserkreislauf im Gebäude angeschlossen wird, liegt nicht ganz richtig. Es braucht mindestens vier, aktuell geplant gar fünf möglichst dünne Glasscheiben, um die Zwischenräume herzustellen, die für die aktive Bewirtschaftung und Steuerung der bauphysikalischen Eigenschaften notwendig sind. Die angestrebten zwei wasserführenden Schichten werden denn auch nur wenige Millimeter stark ausfallen und individuell mit Mikropartikeln versetzt. Diese wirken ähnlich wie das sich verdunkelnde Glas bei einer selbsttönenden Sonnenbrille – damit soll der Gesamtenergiedurchlassgrad, kurz g-Wert, dynamisch steuerbar werden und Bereiche von 0.03 bis 0.60 abdecken können. Gleichzeitig soll überschüssige Wärme über Wärmetauscher abgeführt werden. Umgekehrt kann in der kalten Jahreszeit vortemperiertes Wasser zugeführt werden, und die Glasscheiben fungieren so als quasi unsichtbare Wärmestrahler nach innen.

BREIT ABGESTÜTZTE INITIATIVE Der Kopf hinter dem angestrebten Produkt ist Dietrich Schwarz, Professor am Institut für Architektur und Raumentwicklung an der Universität Liechtenstein. Schwarz verfügt mit den Bauelementen aus der Reihe «GLASSX» bereits über langjährige Erfahrung in der For-

01 Sommer, Tag: Der regulierbare Sonnenschutz in der äusseren Schicht verschattet die sonnenbeschienene Seite entsprechend dem Bedarf. Auf der sonnenabgewandten Seite werden in der äusseren Schicht keine Partikel zugegeben und das maximale Tageslicht gelangt in den Innenraum. Über die raumseitige Schicht kann der Innenraum bei Bedarf gekühlt werden. Die Flächenkühlung sorgt für hohen Komfort. (Bilder: Universität Liechtenstein) 02 Sommer, Nacht: Wärmeüberschüsse, die am Tag im Gebäude durch die Raumkühlung (in der raumseitigen Schicht) und indirekt durch den Sonnenschutz (in der äusseren Schicht) angefallen sind, können über die äussere Schicht an den Nachthimmel abgestrahlt werden, wenn sie in einem thermischen Speicher zwischengelagert werden. Diese Methode der Kühlung ist energetisch besser als herkömmliche Kühlung durch Airconditioning. 03 Winter, Tag: Die maximale solare Einstrahlung in das Gebäude ermöglicht, da der Sonnenschutz in der äusseren Schicht ausgeschaltet ist. Die raumseitigen Schichten werden zum Beheizen des Innenraums genutzt. Dies erzeugt eine bessere Strahlungssymmetrie im Raum und sorgt für hohen Komfort.

schung und Entwicklung von innovativen Produkten für die Gebäudehülle. Die Idee zur Entwicklung einer Glasscheibe, die aktiv bewirtschaftet werden kann, ohne auf die Vorzüge der Transparenz zu verzichten, ist denn auch nicht neu. Schwarz und sein grosses Netzwerk an Spezialisten aus Forschung und Industrie haben diese Vision bereits bis zur Herstellung und Analyse von Prüfkörpern vorangetrieben. Der aktuelle Schritt zum europäischen Forschungsprojekt erweitert das Budget um eine Fördersumme von 3.8 Mio. Euro und ermöglicht dadurch die weitere Entwicklung. Viel Geld, das in Anbetracht des grossen Produktpotenzials – sozusagen der Verlagerung der Gebäudetechnik in die Glasscheibe – jedoch benötigt wird, denn der Weg zur kompromisslosen Umsetzung wird nicht einfach. «Fluidglass» wird auf andere Hightech-Produkte zurückgreifen müssen, um zu einem Erfolg zu werden. Der Einbau an sich ist relativ einfach – Fensterrahmen für Glaselemente dieser Stärke gibt es schon, und das An-

Vakuumglas von dessen tiefen U-Werten bei gleichzeitiger Schlankheit profitieren. Unterdruck wird denn auch in den wasserführenden Schichten eine entscheidende Rolle spielen, damit das Gewicht der Wassersäule die dünnen Glasscheiben und deren Randverbund nicht aufdrückt.

schliessen der dünnen Wasserschläuche ist technisch kein Problem. Insbesondere die Wärmedämmung könnte durch Adaption von

Markus Schmid, dipl. Bauing. HTL/SIA,

EUROPÄISCHE FÖRDERUNG Unter insgesamt 14 Bewerbern erhielt das Forschungsprojekt den Zuschlag für die Unterstützung durch das 7. Forschungsrahmenprogramm der EU. Die Bedeutung des Projekts spiegelt sich in der hervorragenden Bewertung durch die Europäische Kommission wider. Sie evaluierte das Glasfassadensystem anhand der drei Kategorien «Wissenschaftliche und / oder technologische Exzellenz», «Qualität und Effizienz im Bereich Umsetzung und Führung» und «Potenzielle Auswirkungen von Entwicklung, Verbreitung und Nutzung der Projektresultate». Man darf auf die Forschungsarbeiten und die weiteren Entwicklungen gespannt sein. [email protected]

8 | Wettbewerbe

TEC21 45 / 2013

Preise

Jury

1. Rang (Empfehlung zur Weiterbearbeitung): Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH, Wolfwil, mit Ilg Santer Architekten GmbH, Zürich

Daniel Nadig, Leiter Bau, Mitglied der Ge­ schäftsleitung asm; Markus Schläfli, überge­ ordneter Brückenbauspezialist, Leiter Tragkon­ struktionen SBB; Stefan Janzi, Bauverwaltung Aarwangen; Hans Peter Oberhänsli, Planungs­ fachbüro EBB AG; Eva Schäfer, Dr.-Ing. des., Dipl. Arch. ETH, Denkmalpflege Kanton Bern; Adrian Stäheli, Raumplaner FH, Denkmalpflege Kanton Bern; Eugen Brühwiler, Prof. Dr. dipl. Bauing. ETH/SIA, EPFL, Experte des BAK

WEITERE TEILNEHMENDE DES selektiven STUDIENAUFTRAGS ACS Partner Zürich mit Edi Imhof, Luzern; Flückiger + Bosshard AG, Zürich, mit Homberger Architekten AG, Zürich

3.00

08

09

10

08–10 Projekt von Flückiger + Bosshard  und Homberger Architekten. Die beiden zweifeldrigen parallelgurtigen Vollwandstahlträger erscheinen elegant sie sind konventionell und wirken zugleich zeitgemäss. Sie ermöglichen eine effiziente Her­ stellung und Montage. Unterschiedlich geformte und zufällig angeordnete Rippen gliedern die Stegbleche; sie beleben die Träger und ergeben ein interessantes Licht-Schatten-Spiel – die Rip­ pen sind aber rein gestalterische Elemente und übernehmen keine statische Funktion. Sie wirken deshalb aufgezwungen und verursachen viele Schweissnähte, die bezüglich der Ermüdung grundsätzlich unerwünscht sind. Ausserdem ist die Konstruktion relativ schwer und hat eine grosse, mit Korrosionsschutz zu versehende Oberfläche. Der vorgeschlagene braun-rötliche Anstrich vermochte die Jury als Farbe für das technische Objekt, das die Bahnbrücke ist, nicht zu überzeugen. Das Gleis befindet sich als offene Fahrbahn auf etwa halber Höhe zwischen den beiden 3.0 m ho­ hen Hauptträgern. Die neue Brücke wird neben der bestehenden Brücke montiert und nach dem Abbruch der bestehenden Brücke durch Querein­ schieben an die definitive Lage versetzt. Dieser Bauvorgang macht eine Vollsperre des Bahnbe­ triebs von dreieinhalb Wochen notwendig und er­ fordert einen sehr grossen Strassenkran. (Pläne und Visualisierung: Projektverfasser)