Jänner / Februar 2015

Entschleunigung

schafft Konzentration

„Janusz Korczak Kindern eine Stimme geben“ Eine Wanderausstellung in 18 Tafeln – deutsch/polnisch

19.Jänner - 27. Februar 2015 Pädagogische Hochschule, 1100, Grenzackerstraße 18 Mo. - Fr. 8:00 – 18:00 Uhr EINTRITT FREI

Janusz Korczak ist vielen als derjenige bekannt, der auch im Warschauer Ghetto die ihm anvertrauten Waisenkinder nicht verließ und sie in das Vernichtungslager Treblinka begleitete. Manchen ist er als der Autor vom „König Hänschen bzw. MaciuĞ“ bekannt. In dieser Ausstellung wird sein Leben für und mit den Kindern, seine langjährige Tätigkeit im jüdischen Waisenhaus „Dom Sierot“ in Warschau und seine Tätigkeit als Kinderbuchautor vorgestellt. Seine Pädagogik der Achtung des Kindes ist noch heute von ungeschlagener Aktualität, denn er sah das Kind nicht idealisiert sondern als Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen. Seine Forderung ist „das Recht des Kindes auf Achtung“. Im Waisenhaus begründete Janusz Korczak mit seiner Kollegin Stefa WilczyĔska verschiedene Institutionen, die das Zusammenleben von über 100 Kindern regelten. Es gab ein Parlament, das Kameradschaftsgericht, das Schwarze Brett und Erinnerungspostkarten. Dazu gehörte auch die Burse, das heißt ein Internat für junge Erzieher, die im Waisenhaus arbeiteten. Die „Kleine Rundschau“ als eine Zeitung von Kindern für Kinder erschien als Freitagsbeilage in ganz Polen. Der Fakt, dass es sich um jüdische Pädagogen, jüdische Kinder, ein jüdisches Waisenhaus und letztendlich um ein jüdisches Schicksal handelt, taucht auf, ist aber nicht der Schwerpunkt. Es soll das Leben und nicht der Tod im Vordergrund stehen. Die historischen Fotos wurden vom Ghetto Fighter’s Museum in Beit Lohamei Haghetaot in Israel zur Verfügung gestellt. Konzeption und Inhalt der Ausstellung wurden durch die Kooperation der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, des Pädagogischen Instituts der Jagiellonen-Universität Kraków und dem Schulmuseum – Werkstatt für Schulgeschichte ermöglicht.

KLASSENFÜHRUNGEN – TERMINE NACH VEREINBARUNG Die Ausstellung richtet sich an Schüler_innen ab 12 Jahren und kann in den Lehrplan der Fächer Deutsch, Geschichte, Religion und Ethik eingebunden werden. Anmeldungen unter: Büro für Inklusive Bildung (BIB) Tel.: +43 1 60118 3712 Fax: +43 1 60118 3711 E-Mail: [email protected]

Wir bitten auch um Anmeldung, wenn Sie die Ausstellung mit ihrer Gruppe/Klasse ohne Führung besuchen wollen.Danke!

Pädagogische Hochschule Wien | Grenzackerstraße 18 | 1100 Wien | ÖSTERREICH | www.phwien.ac.at | Tel. +43 1 601 18-0

LIEBE KOLLEGINNEN uND KOLLEGEN! BSI RR Walter GUSTERER, MSc .................... 4

SuCH NICHT NACH DER VERLORENEN ZEIT Konsulent Dr. Franz OCHENBAUER .............. 5

ENTSCHLEuNIGuNG Andreas FISCHER, MSc.............................. 6

Liebe Leserinnen, liebe Leser! Die stillste Zeit des Jahres ist vorüber – und nicht selten hört man in PädagogInnenkreisen: „Was bis Weihnachten nicht gelernt und durchgemacht wurde, das wird sicherlich nicht so lange in den Schülerinnenköpfen halten...“ – dabei sind es gerade mal die ersten 4 Monate des Schuljahres, die hinter uns liegen. Nicht einmal noch die Hälfte – könnte man argumentieren. und dennoch, die Sache mit der Konzentrationsfähigkeit hat schon etwas für sich.

editorial

Inhalt

SPIELEN IM uNTERRICHT Andreas FISCHER, MSc ..............................8

SPIELE ERFINDEN – LERNEN ERLEICHTERN Interview mit Tina BIEDERMANN .............. 10

ALTERNATIVEN Zu FINNLANDExKuRSIONEN HD Dr. Marcus HUFNAGL............................11

RELIGIöSE BILDuNG IN EuROPA Dr. Birgit S. MOSER-ZOUNDJEKPON...............12

HABEN SIE SCHON JEMALS DARAN GEDACHT Zu uNTERRICHTEN MMag. Melitta MATOSEK..........................14

PERSONALVERTRETuNGSWAHLEN 2014 Stephan MARESCH...................................17

F ü R S I E G E L E S E N ........................... 18 WIR GRATuLIEREN S E H R H E R Z L I C H .............................. 19 T E R M I N E ......................................... 19

Nach den Turbulenzen und teils chaotisch wirkenden Anfangswochen des Schuljahres – stellt sich dann jene Athmosphäre ein, die zur Präsentation neuen Lehrstoffes aber auch zur Aufnahme desselben hilfreich ist. „Normale” Schulwochen, an denen nix Besonderes die Routine stört. Ja – da spürt man dann – und kann es auch durch Rückmeldeverfahren sich selbst und den Kids vor Augen führen, dass viel gelernt wird. Wie gelingt es aber, diesen äußeren Rahmen zu schaffen, damit der Lehr- und Lernprozess effektiv angegangen werden kann. Ein schlichtes Wort fällt mir dazu ein: Entschleunigung. Die Geschwindigkeit, mit der wir gerade im pädagogischen Bereich unterwegs sind – führt unweigerlich zu Oberflächlichkeit und Stress. Was nicht alles in kurzer Zeit angeboten, angerissen und „durchgenommen” werden soll. Da rate ich einmal zum Selbstversuch. Wie lange brauchen Sie denn, um einen neuen Inhalt, der Sie selbst vielleicht nicht wirklich interessiert, sich so zu verinnerlichen, dass Sie ihn nach drei Wochen noch fehlerfrei wiedergeben können? Welche Strategien wählen Sie für den Aneignungsprozess? Freilich, wir sind alle unterschiedlich – aber mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie zu jenen Menschen gehören, die sich einen ruhigen Ort suchen, eine Zeit reservieren, in der Sie von nichts abgelenkt werden können und sich vielleicht ein warmes Getränk gönnen, damit das Lernen selbst erfolgreich werden kann. Entschleunigung vom Alltag also – Gang raus und entspannt sich den Inhalten nähern. Auf ein entschleunigtes 2015 Andreas Fischer, msc

impressum Wiener Lehrerzeitung, Organ der Christlichen Lehrerschaft Wiens redaktionelle mitglieder: Andrea Fischer, MSc; Prof. Mag.Dr. Heribert Schopf; Wolfgang Weissgärber; mit der Herausgabe beauftragter Chefredakteur: Andreas Fischer, MSc; Für namentlich gekennzeichnete Beiträge sind die Autoren verantwortlich. Alle: 1010 Wien, Stephansplatz 5/4, Tel. 01/512 64 60, Bankverbindung: Kto. 000-47244, Erste-Bank; erscheinungsweise: 5 Ausgaben/Schuljahr Hersteller: ALWA & DEIL Druckerei GmbH; 1140 Wien, Sturzgasse 1a schutzgebühr: 4 Euro Bildnachweis: Autorenbilder – privat – Titelbild: freundlicherweise von Hans-Peter KREINDL zur Verfügung gestellt: Fotoquelle: skitourenwinter.at; alle übrigen Fotos: Andreas Fischer

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obmann 4

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Die Personalvertretungswahlen sind geschlagen, mit einem hervorragenden Ergebnis für die Wählergruppe „Ein starker Beruf – eine starke Vertretung – fcg-öaab-clw“. Nicht nur, dass die Mehrheit im Zentralausschuss gehalten wurde, sie wurde sogar stimmenmäßig ausgebaut, es wurden auch in den Dienststellenausschüssen Stimmen dazugewonnen und bei zwei konnte die Mehrheit gewonnen werden. Hinter diesen Fakten verbirgt sich aber große Einsatzbereitschaft und Konsequenz in der Vertretung der Lehrerinnen und Lehrer in unserer Stadt. Letztlich geht es nur um das konkrete Handeln. Darin wird nicht nur die Absicht, sondern auch die Wirksamkeit sichtbar. und den Menschen die überzeugt agieren, wird das Vertrauen geschenkt und bei Wahlen die Stimme gegeben. und das ist im Bereich der Schule ebenso. Gestern (9.12.2014) habe ich zum ersten Mal einen Politiker öffentlich (ZIB 2) sagen hören, dass Bildungsqualität und Schulentwicklung im Klassenzimmer in der konkreten Arbeit entsteht. Staatssekretär Mahrer ließ sich auch nicht von der „news-gierigen“ Journalistin verleiten, sich zwischen Gesamtschule und Gymnasium entscheiden zu müssen. Mehr als deutlich wurde damit gezeigt wie eng die Debatte geführt wird. Gute Schule machen die Lehrkräfte mit den Schülerinnen und Schülern. Aber viele der sogenannten Bildungsexperten mit deren Bildungsinitiativen haben ausschließlich die Strukturfrage im Gepäck und somit wird die Diskussion auf die alles dominierende Frage ob Gesamtschule oder nicht reduziert. Auch das Konzept „Bildung 2020“ der Industriellenvereinigung beschäftigt sich sehr viel mit Fragen der Schulstruktur, doch finden sich im Bereich der sieben angeführten Visionen auch so manche inhaltliche Aussagen, denen ich etwas abgewinnen kann. Wie z.b. im Bereich der LehrerInnenaus-, -fort- und -weiterbildung: „Konsequente umsetzung des „sabbatical“-Konzepts, zum regelmäßigen außerschulischen Wissens- und Praxiserwerb“, und „unterstützung und Ergänzung der Lehrerinnen und Lehrer durch Expertinnen und Experten aus verschiedenen Spezialbereichen am Schulstandort und in der Region, um den „Lebensraum“ Schule realisieren zu können“. Hier meine ich, dass die Direktorinnen und Direktoren auch durch „Administrativexpertinnen und -experten“ unterstützt und entlastet werden könnten. Wohl werden im Konzept der IV auch die gesellschaftlichen umbrüche und Veränderungen als wesentlich für die Veränderung von Rahmenbedingungen für die Schule gesehen, doch hier findet sich nur der Auftrag, dass dies ausschließlich die Schule zu managen habe. Zwar mit unterstützung durch die öffentliche Hand oder außerschulischen Institutionen, aber mit keinem Wort werden die Eltern in die Pflicht genommen auch ihren Beitrag für eine „umfassende Bildung“ zu leisten. Dass sich pädagogisch-inhaltliches eigentlich nicht finden lässt, ist verständlich, waren doch in der Steuerungsgruppe Industrielle am Werke, die dann eher so Sätze wie „Bildung als Wachstumstreiberin“ schreiben. Aus einem kleinen Beitrag, die Form des Lernens und Lernkonzepte zu beschreiben, ist ein kleines „No

na net!“ für die Pädagogen und Pädagoginnen geworden, denn alles was dort steht wird bereits verwirklicht und umgesetzt. Zuletzt möchte ich mir aber etwas fürs Neue Jahr von all den die öffentlichkeit suchenden Bildungsexperten wünschen: Stützt die Lehrkräfte die bereits im System arbeiten und stützt jene Familien die, aus den unterschiedlichsten Gründen, oft ihre Kinder nicht mehr mit den so entscheidend wichtigen Grundkompetenzen ausstatten können. Dass allen Schülerinnen und Schülern viel Zutrauen geschenkt wird, dass sie ihren Weg bestmöglich schaffen können, das wünscht sich von den Lehrkräften Ihr optimistischer

Walter Gusterer, msc Obmann

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Wiener LeHrerZEITuNG | JäNNER / FEBRuAR 2015

Diese Artikelüberschrift fand ich in den vergangenen Tagen. Peter Klein (Kommunikation und Seminar 3/2014, 16–19) schreibt da unter anderem: „Millionen von verkauften Büchern über Zeitmanagement, jede Führungskraft hat mehrfach Seminare dazu besucht. Digitale Medien und Effizienzmodelle helfen uns Zeit zu sparen – aber, wo ist sie geblieben, die eingesparte Zeit? Fühlen wir uns nicht mehr gehetzt denn je? Wird die To-do-Liste trotz abgehakter Punkte nicht immer länger – obwohl wir Ziele und Prioritäten setzen? Das Problem scheint irgendwie komplexer zu sein. Es ist kein Problem des Einzelnen. Die ganze Gesellschaft ist auf „Speed“. Beschleunigung begleitet uns seit der Moderne. Sie hat mittlerweile alle Lebensbereiche erfasst. Manche Menschen lieben den Geschwindigkeitsrausch. Andere fühlen sich gehetzt, gestresst und ausgebrannt. Zeit ist Geld. Es ist nur eine Metapher. Doch sie beherrscht das Denken. und das Hochfrequenzgeschäft an den Börsen erscheint nur als vorläufiges Ende der Fahnenstange. „Das vertaktete Leben macht Menschen zu Maschinen“, schrieb der Philosoph Karlheinz A. Geißler über das Phänomen unseres umganges mit der Zeit. Glaubenssätze treiben uns an: Streng dich an, beeil dich, sei perfekt, es ist noch nicht genug. Die Schnellen fressen die Langsamen. Indem wir ihnen folgen, erleiden wir die Hetzkrankheit. Egal was wir schaffen, es bleibt die unzufriedenheit. Ein wenig mehr geht immer: Stillstand ist Rückschritt. Wir leben im Takt von Google, Facebook, Twitter. Nach dem Event ist vor dem Event. Dazwischen rasch ein Tweet für die Communities. Es mehren sich die Stimmen, die sagen, dass unsere Wirtschaft die Grenzen des Wachstums erreicht hat. Neue Produkte werden immer schneller in den Markt gebracht und verschwinden ebenso schnell, für die updates, die noch schneller auftauchen als ihre Vorgänger es taten. Wer braucht all den Kram? Von allem ist zu viel da. Essen, Arbeit, Ablenkung. Immer mehr Entscheidungen sind zu treffen, die Zeit verdichtet sich. und wir? Laufen rund um die uhr, wie die Maschinen, das Internet, alles. Wie viel schneller lässt sich das Rad noch drehen? „Die Trennung von Arbeit und Freizeit macht unglücklich und unfrei“, las ich (Peter Klein) neulich in einem Artikel von Lothar Seiwert, erschienen in der Zeitschrift von Stephan Landsiedel „JETZT ERFOLGREICH!´, Sonderausgabe 2013. Generationen von Fach- und Führungskräften haben sich nach seinen Zeitmanagement-Konzepten weitergebildet und gelernt, wie sie sich, ihren Arbeitsplatz und ihre Zeit besser als vorher „managen“ können. Mit fünf Millionen verkauften Büchern zum Thema hat Seiwert sich in der Weiterbildungs- und Beratungsbranche eine Menge Verdienste

erworben. Es mag die Zufriedenheit Tausender fleißiger Leute gefördert haben. und doch sind nach Erhebungen von Krankenkassen und auch nach dem urteil der WHO Depression, Burn-out und andere seelische Leiden unter den abhängig Beschäftigten in den Industrieländern im Vormarsch. Da läuft ganz offenkundig etwas falsch. und nun kommt Lothar Seiwert und sagt, an seinen Projekten arbeite er auch nachts im Schlaf. Der Begriff Work-Life-Balance sei für ihn ein veraltetes Konzept. Zu behaupten, dass man nicht lebe, während man arbeite, und nicht arbeite, während man lebe, führe „zur eigenen Ohnmacht werktags zwischen 9 und 17 uhr“. und das Gefühl der Machtlosigkeit sei Stress pur. Lothar Seiwert setzt dagegen folgende Formel des Lebens und Arbeitens: „7 mal 24 gleich 168 Stunden“. So viele Stunden, wie eine Woche hat. „Ja, ich arbeite immer. und ich habe immer Freizeit. Es ist beides dasselbe.“

spirituelles

”C”

such nicht nach der verlorenen Zeit

Es wäre nicht uninteressant, den gesamten Artikel zum Weiterdenken zu lesen (www.profikom.de/dokumente/ZEIT_Artikel_KuS.03.2014.pdf). Mir kommt die Bibel in den Sinn. Sie kennt eine andere Erfahrung, von der es sich lohnt, sie sich wieder in Erinnerung zu rufen – gerade am Beginn eines neuen Jahres: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: ... eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz.“ (Kohelet 3,1.4) Fast vergessen scheint mir jene Erfahrung der Menschen biblischer Zeit. Ich glaube, dass es uns gut täte, an diese alte biblische Erfahrung wieder anzuknüpfen. Genießen sie in diesem Sinn den Fasching in seinem Frohsein und seiner Ausgelassenheit, machen Sie aber auch ernst mit der Fastenzeit, mit ihrem Ruf zur umkehr und Erneuerung. Denn: Alles hat seine Zeit.

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Dr. Franz Ochenbauer

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titel

entschleunigung Nicht alles, was geht, geht wirklich

Sie wissen, dass es nicht wirklich pädagogische Gründe waren, die die 50 Minuten-unterrichtsstunde einläutete. Zeit ist etwas Absolutes – wird aber – und auch das wissen Sie – als etwas sehr Relatives erlebt. und SchülerInnen geht es freilich ebenso. An die Zeit der schriftlichen Vorbereitungen einer Stunde erinnere ich mich auch noch mit unterschiedlichen Gefühlen, aber sich die Frage zu stellen, wie ich die 50 Minuten (optimistisch gedacht), die mir zur Verfügung stehen, gestalte, sodass die Schüler und auch ich nach dieser Phase wissen, was geschehen ist, hat ihre Berechtigung. Dabei läuft man Gefahr, die Länge einer unterrichtsstunde entweder zu über- oder eben zu unterschätzen. Erfahrung mit der Gruppe ist notwendig. Wie lange benötigen wir als Lerngemeinschaft, um die Rahmenbedingungen herzustellen, um „aufnahmebereit” zu sein. Wenn aber diese wichtige Erfahrung erworben wurde, ist es sicherlich möglich, die tatsächliche Interaktionszeit zu erheben und diese entsprechend zu gestalten. Entschleunigung in diesem Zusammenhang bedeutet, dass man nicht mit mehr Zeit rechnen darf, als man zur Verfügung gestellt bekommt.

dramaturgie eines Kurzfilms

Die Zeit ist beschränkt – und damit auch die Möglichkeit, alles, was in einem spannenden Gruselschocker die Aufmerksamkeit zwei Stunden bindet, in 50 Minuten zu verpacken. Dennoch – wir wissen selbst aus eigener Erfahrung, dass es nichts Schlimmeres gibt, als Berieselung teils von Bekanntem, teils von Dingen, ohne die mein derzeitiger Gemütszustand sich auch nicht wesentlich verändern würde. Klar – es gibt ihn, den Lehrplan – aber, und das macht die Sache dennoch lehrenswert – es ist ein Rahmenlehrplan, der mir als Regisseur einigen Freiraum und Interpretationsmöglichkeit offen lässt. Die 50 Minuten, oder das, was eben an Interaktionszeit übrigbleibt, braucht nun ein Drehbuch. Kein ausgefeiltes und immer wieder verändertes. Grundsätzlich stimmt das schon, was wir in unseren Grundschulen beim Erlebnisaufsatz einmal lernten: Einstieg – Hauptteil – Schluss. Wie wir die Teile nun pädagogisch zugespitzt nennen wollen, hängt vom jeweiligen Zugang ab – aber die Phase der Fesselung, jene des didaktisch wirksamen Interagierens – und jene der Festigung wird es wohl in jedem unterricht geben müssen. Verfolgt man die Entwicklung in pädagogischer Fachliteratur für die Praxis, so findet man Titeln wie „100 Einstiege”, „100 effizente Ausstiege” oder auch „99 Tipps zum motivierenden unterrichtseinstieg”. Das hat seine Berechtigung – und man darf nicht hinterher so oft raunzen, dass die Kids so fad in den Reihen sitzen, sodass es dem Lehrer selbst nur mehr geringen Spaß macht, die ohnehin nicht aufregenden Inhalte zu präsentieren. Dann schiebt man gerne den Lehrplan vor. Also – ein kurzes Drehbuch – mit all den Phasen, die es auch in einem Film gibt – pausenlose Achtsamkeit gelingt nur selten, kontinuierliche 200%ige Konzentration wünschen wir uns

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ohnehin nicht wirklich – daher sind unterschiedliche Phasen einzuplanen – Entschleunigung, indem kurzzeitig an etwas ganz Anderes gedacht werden kann, indem man kurzzeitig die RESET-Taste drücken, und die letzte Minute sich vielleicht noch einmal abspielen kann. EIn kleines Spielchen ermöglicht, die Konzentration für den nächsten Schritt zu erhöhen.

nicht alles, Was bisher gut lief,....

Bei der Jahresplanung fällts schon auf – da kommen Themen, die wir schon seit vielen Jahrzehnten in ähnlicher Form miteinander diskutierten, SchülerInnen wie LehrerInnen kennen diese nur allzu gut. Selbst die Auswahl an Beispielen „aus dem Alltag” sind jene, die auch schon einige Jährchen erlebten – wobei sich hier der Alltag auch verändert hat. und dennoch, wir haben sie liebgewonnen – und freuen uns darauf. Sie bieten, um es auch ehrlich zu sagen, eine Entlastung an, die vielleicht anders auch erreicht werden könnte. Themenspezifisches Arbeiten ist im Sekundarstufenbereich nicht erst seit SQA wichtig. Da geht es um Synergie-Effekte. Dass ein Thema nicht in unterschiedlichen Abschnitten des Jahres in unterschiedlichen Gegenständen immer wieder neu motivierend angerissen werden muss. Nein – den Partner-Gegenstand mitnehmen – die Motivation, die dort erreicht wurde nutzen und eigene Inhalte bereitstellen. Dann ergeben sich Zeitfenster, die jenes Maß an Entschleunigung möglich macht, das für spannende tagesaktuelle Themen notwendig ist. Allein die letzten Meldungen der Medien bieten in allen Gegenständen Stoff genug an, um auch im Lehrplan stehende Inhalte didaktisch aufbereitet zu präsentieren. Oft nimmt man sich die Zeit nicht – weil man Angst hat, etwas anderes Wichtiges auslassen zu müssen. Noch einmal zurück zur Jahresplanung, die durch die mögliche Konzentration auf zu vermittelnde Fähigkeiten und Fertigkeiten, die inhaltliche Seite sehr individuell gestalten lässt. Dass man für Römer und Griechen – oder auch für die Zeit des Mittelalters mit seinen Burgen und Rittern extrem viel Zeit investiert – scheint ein recht anschauliches Beispiel zu sein, dass Entschleunigung dann möglicher wäre, wenn man hier in der Planung die Zeitressourcen anders gewichtet.

in der ruhe liegt die Kraft

Die neuen Medien suggerieren einem, dass man alles zu jeder Zeit abrufbar vorbereitet haben sollte – zumindest in den Favoriten am I-Phone. Pausenlos Online – das macht krankt. Ja, da haben die Eltern ein hohes Maß an Verantwortung und es ist sehr schwer, Kindern aus dem von Kindesbeinen an antrainiertem Verhalten wieder herauszuholen. Wenn es aber selbst im unterricht nicht mehr gelingt, Ruhe auszuhalten, dann braucht man sich nicht mehr wundern, wenn es mit dem Alter der SchülerInnen zunehmend schlimmer wird. Kontemplativer unterricht – und Schweigeexerzitien sind

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dem Kind die stimme geben

Der Sprachunterricht zeigts vor, hier geht es darum, dass Kinder kommunizieren lernen – ja, dass sie sich in einer immer stiller werdenden Zeit (die 5-Minuten-Gespräche mit dem Partner belegen es) sprechen trauen. Emotionen werden entweder über die Medien verbreitet oder in sich hineingefressen, nur um nicht aufzufallen. Die elterlichen Gespräche und Einwortsätze belegen, dass Kinder, die in derartig sprachlos gewordenen Konstellationen aufwachsen, auch im unterricht selbst entsprechend still sind. Reden können vorbereitet und auch zeitlich effizent geplant werden. Wann kommt ein Zitat, wann ein Spruch, wann lockert ein Witz auf. Kinder brauchen Zeit um ins Gespräch zu kommen. und diese Gespräche sind nicht wirklich planbar. Die Redezeit des Lehrers an einem Vormittag wurde schon oft empirisch erhoben – und es tut auch hier ganz gut – sich einem Selbstexperiment zu unterziehen. Kindern – vor allem Grundschülern – aber auch in zunehmenden Maße SchülerInnen im Sekundarstufenbereich – soll die Stimme gegeben werden. Gerade Interviews, oder Plan- und Rollenspiele machen deutlich, welche Gedanken gerade in unseren jungen Menschen präsent sind. Darauf lässt sich immer ein Thema aufbauen, das auch im Lehrplan wiederzufinden ist. Eine unterhaltungssendung darf es freilich nicht werden, sonst läuft man Gefahr, in einer anderen Einheit „die Zeit wieder einholen zu wollen”. Entschleunigung im Zusammenhang mit Gesprächen kann bedeuten, dass den Erzählungen wieder mehr Raum und Zeit eingeräumt wird. Aus Geschichten, die das Leben schreibt, lernen wir, die Inhalte mit uns selbst zu verbinden. Das erspart viel Lern- und Festigungsleistung.

und ausWahl ermöglichen

zusammenfassung

Als ehemaliger Schulbauchautor eines Mathematikbuches und an Schulbüchern im allgemeinen interessierter Lehrer, schaue ich gern in alte Schulbücher und entdecke dort, welchen Wert man dem Wort gegeben hat. Nicht nur – aber auch gerade im Geschichts- und Geographiebuch. Gleichaltrige Semester werden die Autoren noch aufzählen können. und damals sprach niemand von einer Buchstabenwüste, nein – man konnte sich einem Thema nähern und sich inhaltlich damit auseinandersetzen. Dass man z.B.: Bergbauern auf 1/2 Seite anbietet – und dann vieles selbst einsetzen und gestalten kann, wirkt zum oben gesagten eher konträr. Da gelingts nicht wirklich. Da fehlt die Tiefe – da fehlt die Möglichkeit, sich etwas Wichtiges herauszusuchen – seinen eigenen „Bergbauern” zu definieren und mit ihm in Dialog zu kommen. Auch – und gerade durch das Wort. Einige andere Themen in anderen Gegenständen wären ebenfalls beispielhaft. Die bereits vorgenommene Konzentration auf das Wichtigste – verhindert, dass man sich aus dem Text selbst Verbindungen mit bereits Bekanntem schafft. Die Fähigkeit der unterscheidung zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem, wird durch viele Bücher bereits vorweggenommen. Zusammenfassungen wiederholen meist nur den komprimierten Text der vergangenen Seite. Entschleunigung meint in diesem Zusammenhang wieder die Möglichkeit zu haben, aus einem umfangreicheren Material jene Brückenwörter herauszufiltern, die es dem individuellen Lernprozess leichter macht, nachhaltig Inhalte zu speichern. Außerdem heißt es auch hier – weniger ist oft mehr. Nicht alle Themen, aber jene, die exemplarisch Inhalte wiedergeben sollen, weit genug aufzuspannen. Entschleunigung in der Quantität.

titel

Methoden von früher, und würden nur schwer in unseren Tagesplan eingliederbar sein. und dennoch – das Aufstehen am Beginn einer Lernphase – die Stilleübungen, die über den Tag verteilt in vielen Grundschulen praktiziert werden, vermitteln dem Schüler die Wichtigkeit dieser Phasen. Warum gibt es ein abgeschirmtes Starthaus bei Schirennen? Weshalb herrscht bei vielen Turnbewerben absolute Ruhe – und nur der Tennisball ist im 3. Rang der Stadthalle hörbar? Da wissen einige schon, worum es sich bei der Ruhe handelt. Die Macht der Stille, in der sich die Gedanken ordnen können, wenn man ihnen Zeit lässt. Da brauchts eben unterschiedlich lange Ruhephasen, damit das individuelle Synapsensystem die Chance hat, sich mit anderen zu verbinden, um das AHA-Erlebnis vorbereiten oder erleben zu können. Bei einer Gruppengröße von 25 sehr schwierig – aber gerade bei derart unpädagogischen Gruppengrößen ist die Ruhe eine unterstützung. Entschleunigung in diesem Zusammenhang heißt eben auch, sich für Ruhephasen Zeit zu gönnen, sich selbst und vor allem auch den Schülerinnen und Schülern.

zum schluss

Erlebtes verarbeiten und Gehörtes in Zusammenhänge setzen können sind wesentliche Ziele von unterricht. Diese Phasen im Lernprozess gilt es auch den Kindern zu ermöglichen. Die Zeit ist eine fixe Größe. um nicht Gefahr zu laufen, schon in jungen Jahren dem Druck der Maschinen zu entsprechen, bieten Entschleunigungs-Aktivitäten die Möglichkeit, dem eigenen Rhythmus wahrnehmend, Lernprozesse inidividuell auszuprobieren. und allein dieser Vorgang des Probierens braucht wieder Zeit. Nicht alles was messbar ist, muss minimiert werden. Andreas FisCHer, msc

Leiter der NMS St. Elisabeth – Wien 2, Aktiv in der Lehrerfortbildung tätig

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praxis

spielen im unterricht Entschleunigungs- und Differnzierungsinstrument für alle

Im Zusammenhang mit Entschleunigung passt eine pädagogische Betrachtung des Spiels. Selbst die alten Griechen und Römer haben die besonderen Eigenschaften des Spiels schon erkannt. Manager in ihrer Ausbildung müssen heutzutage ihre Entscheidungskompetenz in diversen Rollenspielen unter Beweis stellen. Auch Piloten und selbst Straßenbahnfahrer proben den Ernstfall am Simulator. Das Leben ist zu kostbar, um erst im Ernstfall zu entscheiden, welche der vielen Alternativen die enprechend richtige Entscheidung ist. Im unterricht wird meines Erachtens viel zu wenig der positiven pädagogischen Wirkung von Spielen Rechnung getragen. In Rollen – und/oder Planspielen können Schülerinnen lernen, wie man in anderen Positionen ein und diesselbe Begebenheit auch sehen kann. Eine der wichtigsten Kompetenzen, die man in seiner Schulzeit erwerben sollte, ist sicherlich, miteinander sozial zusammenzuwachsen. Diese erfordert von jedem einzelnen die Bereitschaft, Regeln zu akzeptieren, die Konsequenz für sein eigenes Handeln zu erfassen und strategisch zu agieren, wenn man etwas vom anderen möchte. Wo, wenn nicht im Spiel können schon sehr junge Menschen diese Verhaltensweisen lernen und ausprobieren? Dazu kommen noch das Erleben, einen Fehler begangen zu haben, oder seine bisherige Strategie ändern zu müssen. Auch dies lernt man am besten im Spiel, denn da kann einem auf Grund der zeitlichen Begrenztheit und des klar strukturierten Rahmens eigentlich nichts passieren. Man kann ja jederzeit das Spiel beenden. Meiner Erfahrung nach, können jedoch Kinder immer weniger miteinander spielen. Die Gründe dafür sind sicherlich vielschichtig – und sollen hier auch nicht thematisiert werden. Wer spielen kann, ist einfach zugänglicher, den kann auch nicht so leicht etwas erschüttern, vielleicht hat er durch das Spiel auch seine Frustrationen besser unter Kontrolle. Gerade bei Jugendlichen, so scheint es mir, kann man diesen Zusammenhang recht gut erkennen. Aus Fehlern lernen – dieses wichtige Prinzip des Lernprozesses fällt jenen Menschen leichter, die sich im Spiel in eine Rolle begeben, und in dieser agieren. Dort dürfen sie auch Fehler machen und werden aus diesen lernen. Wenn das Spiel auch verloren ist, steigt man aus der Rolle heraus und hat

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dennoch viel gelernt. Betrachtet man das riesige Angebot von Spielen, so sind freilich nicht alle gleichwertig pädagogisch sinnstiftend. Der Idee der Entschleunigung entsprechend seien auch die vielen Spielkonsolen und Apps für Android nicht unerwähnt, die durchaus ihre Vorzüge gegenüber traditionellen Gesellschaftsspielen haben. Wichtig bei jedem Einsatz eines Spiels ist eine, wenn auch kurze, Reflexionsphase. Die Schüler erhalten Fragen wie: Was haben wir aus diesem Spiel gelernt? Wie ist es dir im Laufe dieses Spieles gegangen? Hier überraschen auch schon sehr junge Schülerinnen mit ihren Feedbacks nicht nur den Lehrer, sondern oft auch sich selbst und die Mitschüler. „Hast du bemerkt, dass du nicht immer der Beste bist?“ Hier nun eine unvollständige Liste von Spielen, die sich eignen auch im Regelunterricht, freilich verkürzt und mit leicht veränderten Spielregeln, einzusetzen. Sie können dort als wiederholende Festigung oder als Impuls, bzw. zum Aufbauen von Konzentration herangezogen werden.

fürs logische denKen

Club 2% (piATNiK) – Wer kann diese Rätsel lösen? In einer Reihe von Häusern leben unterschiedliche Bewohner, manche davon mit einem Haustier. Aufgabe ist es, das Rätsel zu lösen: „Wer wohnt wo?“ potzblitz (rAVeNsBurGer) – das turbulente Würfelspiel voller Hochspannung! In diesem Würfelspiel erhalten oder verlieren Mitspieler in den einzelnen Runden „Blitze“ – je nachdem wie schnell oder langsam die gestellten Aufgaben gelöst werden. Dabei handelt es sich um mathematische Aufgaben, die durch Würfelaugen dargestellt und gelöst werden müssen. indigo – Verschlungene Pfade – überraschende Wendungen – zauberhaft einfach – Verlag: Ravensburg. Bei diesem Spiel versuchen die Spieler, die wertvollen Edelsteine zu sammeln. Dazu legen sie Wege, auf denen sie die Edelsteine zu den Ausgängen am Rand des Spielfeld bewegen. Diese Ausgänge gehören ihnen entweder alleine oder sie teilen sie sich mit einem Mitspieler. Während im ersten Fall alle anderen leer ausgehen, freut sich im zweiten Fall der Mitspieler, denn auch er wird mit Edelsteinen belohnt. ubongo Ein Spiel, das auch in großen Gruppen gespielt werden kann. Es geht in den diversen Ausführungen (Extrem, 3D,...)

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traditionelles

Sehr beliebt sind auch traditionelle Speile wie DAME, MüHLE oder FuCHS und HENNE, die auch in den Pausen der Beruhigung dienen können. Kurzweilig sind auch Schätzspiele – oder das vom ehemaligen Fx – Schmid Verlag herausgebrachte Begriffs-Spiel: Auf Zack, das nunmehr bei Ravensburger erhältlich ist.

WissenserWerb

Eine Reihe von Quizspielen laden in ihrer Werbung Familien ein, sich gemeinsam an kniffligen Aufgaben zu probieren. Speziell für den Bereich Geographisches Wissen eignen sich recht gut: europareise – spielend europa entdecken (rAVeNsBurGer) Die Spieler reisen mit Auto, Bahn, Schiff und Flugzeug von Stadt zu Stadt und steuern mit drei Reisegesellschaften verschiedene Ziele an. Guinness World records Eine Fähigkeit, die auch Schule vermitteln soll, ist richtiges Abschätzen von Größen. Dazu eignet sich dieses neu auf dem Markt gekommene Spiel vom Verlag KOSMOS „Wie viele Menschen passen in eine Seifenblase? Wie hoch ist der höchste Klettersteig? Oder welche Geschwindigkeit erreicht der schnellste Rasenmäher?“ In jeder Quizrunde wird reihum ein verrückter Rekord geschätzt. Wer besonders gut rät, bekommt die volle Punktzahl. Aber keine Bange – die Zahl braucht nicht genau getroffen zu werden. Denn auch wer knapp daneben liegt, erhält noch Punkte. Wer rät am cleversten und bricht den Punkterekord? Seit fast sechs Jahrzehnten erscheint das „Guinness-Buch der Rekorde“, mit ungebrochenem Erfolg. Jetzt kann jeder die fantastische Welt der Rekorde am Spieltisch erleben! Rund 400 bebilderte Fragekarten garantieren lang anhaltenden Spielspaß. Ob Groß oder Klein – jeder kann hier mitraten und einen Tipp auf die richtige Lösung abgeben. Je näher dieser an der richtigen Antwort ist, umso mehr Punkte gibt es. Die verblüffenden und manchmal auch verrückten Rekorde lassen die Spieler immer wieder staunen oder bringen sie zum Lachen. (http://www.kosmos.de/produktdetail-1086-1086/Guinness_World_Records_Das_verrueckte_Rekorde_Quiz-7342/)

höheres Maß an Durchhaltevermögen voraussetzen. Oft lassen sich Schülerinnen nur auf Kurzspiele ein – auch ein Zeichen der Zeit. Auf Zack Eines meiner Lieblingsspiele, für jede Supplierstunde geeignet. In der Gruppe müssen Begriffe zu einem Oberbegriff gesammelt werden. Jeder Buchstabe des Alphabeths soll dabei vorkommen. Zum Beipiel: Obstsorten: Apfel, Birne, Datteln. Nach 15 Sekunden ist diese Runde um – der nächste Oberbegriff wird genannt, und es sind leider nicht mehr alle Buchstaben möglich...

praxis

darum, eine vorgegebene Fläche mit unterschiedlich geformten Teilflächen vollständig belegen zu können. Diese Kurzzeit-übung ermöglicht es, die Konzentration zu erhöhen. Vorallem, wenn man es in der Gruppe (man benötigt hiezu 2 komplette Spiele) als Wettspiel anlegt. Hier spielen dann soziale Aspekte eine entscheidende Rolle. Auch kleine PuZZLE-Spiele können der Gruppe zeigen, ob sie tatsächlich bereits ein gemeinsam agierendes Team sind, oder ob nicht doch noch einige „das Sagen” haben.

Kreativität

Sehr beliebt, aber ein wenig zeitintensiv sind Spiele, die die Kreativität schulen helfen. Das beinahe schon traditionelle ACTIVITY in all seinen Formen sei hier der Vollständigkeit wegen erwähnt. Neue Spiele wie Dixit fordern die Kommunikation und Kreativität in besonderer Weise. „Zu Beginn erhält jeder Mitspieler 6 der Bildkarten. Wer an der Reihe ist, nennt einen Begriff, ein Wort, einen Satz oder ein Zitat zu einer seiner Karten, die er verdeckt in die Mitte legt. Die übrigen Mitspieler suchen aus ihren Handkarten eine aus, die dem genannten Begriff in etwa entsprechen könnte und legen sie ebenfalls in die Mitte. Alle in der Mitte liegenden Karten werden nun gemischt und offen ausgelegt. Jeder außer dem Spielleiter dieser Runde entscheidet sich nun für eine Karte, die er für die des Spielleiters hält und legt ein entsprechendes Plättchen verdeckt ab. Danach gibt der Rätselsteller seine Karte zu erkennen”. ( http://de.wikipedia.org/wiki/Dixit_(Spiel)) Diese Karten eignen sich auch, Geschichten erfinden zu lassen. Reihum entsteht eine Erzählung, wer aussetzen müsste, zieht eine Karte nach... Andreas FisCHer, msc

VerANsTALTuNG Pädagogischer Mittwoch mittwoch, 18. februar – 18.00 uhr

spielen im unterricht Werkzeug zur Differenzierung

aufbau von sozialKompetenz

Zum Thema „Aufbauen von Sozialkompetenzen” eignen sich freilich neben Brett- und Gesellschaftsspielen auch noch diverse aus dem Theatersport stammende Rollen- und Planspiele. Sehr empfehlenswert ist ein SPIEL-Projekt, das sich über einen Tag erstrecken könnte. Dazu sind auch Gesellschaftsspiele empfehlenswert, die freilich schon ein

Vereinsheim: 1010 Wien; Stephansplatz 5

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HD Andreas FISCHER,MSc

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praxis

spiele erfinden – lernen erleichtern Interview mit Tina Biedermann

Sie sind Lehrerin – ab wann kam Ihnen die Idee, dass Spielen im Unterricht ein wesentliches didaktisches Instrument sein könnte? Seit über vier Jahren bin ich hauptberuflich als selbstständige Legasthenietrainerin in Feldkirchen in Kärnten tätig. Da die Kinder ausschließlich nach der Schule das Training besuchen, ist es häufig eine Herausforderung die Motivation und Aufmerksamkeit der Kinder zu gewinnen. Der schulische Alltag ist oft geprägt von Arbeitsblättern und übungen in unterrichtsbüchern. Wenn man dann im außerschulischen Training die Kinder mit weiteren Arbeitsblättern fördern möchte, so ist es nicht selten der Fall, dass die Kinder gänzlich die Lust verlieren. So ist es mir ein großes Anliegen der Aufforderung nach kreativen unterrichtstechniken, individueller Förderung und dynamischen unterrichtselementen nach zu kommen. Gut aufbereitete Lernspiele können hier einen wertvollen Beitrag leisten.

Der Mensch probiert im Spiel Neues aus und schweift nicht mit seinen Gedanken ab. Beim Spiel ist man vollkommen bei der Sache und bei den Mitspielern, was sich sehr positiv auf den Lernerfolg auswirkt. Die letzten zehn Jahre der Gehirnforschung zeigen, dass Glück und Lernen sehr eng miteinander verbunden sind. Bei Neugierde werden Mechanismen aktiviert, welche für rasches Lernen sorgen. Mittlerweile wurde nachgewiesen, dass Veränderungen der Synapsen bei Neugierde beschleunigt werden und somit kommt es zu einer Art „Lernturbo“. TAMABI „Wortaktiv“ als Brettspiel ermöglicht den Kindern, die reale Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen. Nicht nur die positiven Rückmeldungen der Eltern, die besseren schulischen Leistungen bei Diktaten und Schularbeiten, sondern vor allem die Rückmeldungen der Kinder, zeigen mir, dass das spielerische Lernen, wenn es richtig eingesetzt wird, zielführend ist. Wenn Kinder über Jahre noch immer gerne das Training besuchen, stabile Leistungen erbringen und viel selbstbewusster geworden sind, so ist das der schönste Lohn für meine Bemühungen.

Wie oft spielen Sie im Unterricht mit Ihren SchülerInnen? Immer. Meine Stunden sind generell sehr abwechslungsreich gestaltet und hierbei dürfen Lernspiele und Lernteppiche nicht fehlen. Durch den Einsatz von spielerischen Elementen, Bewegung, Spaß und Kreativität gelingt es mir Neugierde und Motivation in den Kindern zu wecken.

Worum geht's in Ihrem Spiel TAMABI konkret? TAMABI „Wortaktiv“ ist ein Brettspiel mit Gesellschaftsspielcharakter und zeichnet sich aus durch einen ganzheitlichen Ansatz, welcher viele wertvolle Methoden miteinander in einem Spiel kombiniert. Das interaktive Lernwortspiel eignet sich zum Erarbeiten, üben und Vertiefen von Lernwörtern, Fehlerwörtern und den verschiedenen Rechtschreibschwerpunkten. TAMABI „Wortaktiv“ verbindet Lernen mit allen Sinnen, Spaß, Abwechslung, Kreativität und Bewegung. Dadurch, dass das Spiel für Gruppen bis zu sechs Personen geeignet ist, wird auch die Gruppendynamik und der Teamgedanke gefördert. Wo setzt TAMABI „Wortaktiv“ an? Richtiges Lernen sollte aktiv und selbstbestimmt ablaufen, um erfolgreich zu sein.

Wie argumentieren Sie gegenüber der Kritik: „Spielen gehört in die Freizeit“. Das Spiel hat für die Entwicklung von Kindern eine hohe Bedeutung. Kinder lernen durch das Spiel d.h. das Spiel ist gewissermaßen der Hauptberuf des Kindes. Spielen unterstützt die Lernfreude, Lernmotivation und damit die Neugierde – somit ist das Spielen ein wesentlicher Faktor für den Lernerfolg. Vor allem Lernspiele tragen bei Kindern zur Motivation bei und ermöglichen ein abwechslungsreiches Training sowie einen abwechslungsreichen unterricht, was von den Kindern gerne angenommen wird. „Wenn man an einer Sache Spaß hat, macht man es gerne und wenn man es gerne macht, macht man es oft und wenn man es oft macht, macht man es gut!“ Welche Erfahrungen machen Sie bei Leistungsrückmeldungen, wenn Inhalte spielerisch erarbeitet – dargeboten oder gefestigt wurden?

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Das Lernen fällt viel leichter, wenn Freude oder Spaß dabei empfunden wird. Werden mit dem Lernen von Wörtern bestimmte Bewegungen oder Emotionen verbunden, so können sich die Kinder leichter an die Wörter erinnern und genau hier setzt das Lernspiel „Wortaktiv“ an. Ab wann werden wir es selbst spielen können? TAMABI „Wortaktiv „ wird Ende Februar 2015 am Markt erhältlich sein. Informationen zum unternehmen, zum Produkt sowie zum Onlineshop finden sie unter www.tamabi.at

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ODER: Unge-gender-te Reisen zu lehrreichen Plätzen

Eine zufällig getroffene finnische Kollegin erzählte einem Wiener Volksschullehrer, dass das finnische Schulsystem in Wirklichkeit sehr durchschnittlich sei. Einige wenige Schulen seien aufgepäppelt und würden so den naiven mittel-europäischen Reisegesellschaften voller Professoren und Bildungsexperten vorgeführt. Man treffe sich beim Wodka nach getaner Präsentation und amüsiere sich köstlich über die beeindruckten und leicht zu befriedigenden Gemüter der fremden Gäste. Aus diesem Grunde bemüht sich diese Ausgabe der WLZ, der treuen Leserschaft alternative Destinationen anzubieten. Skandinavien ist sowieso schweineteuer, im Winter ist es dauernd finster und die Selbstmordrate auch nicht ohne. und obendrein liegt es in der Nähe von Russland und bei diesem Putin weiß man ja nie. Zuerst möchten wir ins Disneyland reisen. Dort ist alles bunt und schön, der Erfolg ist easy mit Geld zu erkaufen. Ganz wie man sich eine gute Schule heute vorstellt. Statt konsequenten Lernens und konzentrierten Arbeitens in einem nüchternen Alltag wünscht sich der moderne Pädagoge ein lautes, ständig präsentierbares Etwas aus Lärm, Entertainment und Projektorientierung. Willkommen auf der Oberflächlichkeit! Anschließend fahren wir nach Hallstatt. Dort gibt's an sich nix Sensationelles im Bereich der Schulentwicklung, man trifft dort aber asiatische Touristen, welche die beeindruckte Mimik perfektioniert, vorexerzieren. Ein angepasster Besucher fremder Schulen muss das jedenfalls können: schwer beeindruckt schauen, in Ehrfurcht erstarren, quasi „den dreijährigen Seppi-steht-vorm ChristbaumBlick“ aufsetzen. Schaut eventuell a bissi bescheuert aus, macht aber nix, gehört zum Spiel der Bildungsexperten dazu. Als nächste Station schlägt die Wiener Lehrerzeitung ein Freilichtmuseum vor, wahlweise Stübing oder Kramsach. Ach, wie kann man da die gute alte Zeit glorifizieren! Die einklassige Volksschule (gilt die als Mehrstufenklasse?), der brave Dorflehrer (dem man das Brennholz und den Speck mitnimmt), die Reinheit des Ablaufes, die heile Familie: alle sind zugegen. – Einfach der Traum einer funktionierenden Schule! Da werden noch die richtigen und sogar mehrstimmigen Lieder gesungen. ADHS gibt's noch nicht, denn die Eselsbank und das Scheitlknien haben als Konzept genügt. und der Kopierer ist auch nie hinich, weil den hazz noch nicht gegeben.

auch sein. Die Schüler hupfn aufn Tisch und schrein: „O Captain, mein Captain!“ unglaublich super, und der unsympathische Lehrer daneben schaut traurig aus da Wäsch. und „New Wonder“ spricht beim gespielten Telefonanruf in einer neuen Synchronfassung: „Herr Direktor, es ist der liebe Gott. Wir sollen endlich mit dem Genderwahnsinn aufhören!“ Dafür gibt es dann selbst im 21. Jahrhundert Schläge! Abschließend besuchen wir unsere eigenen Schulen. Anstatt in die weite Welt zu schielen, das Seelenheil in der Ferne zu suchen und sich grenzenlos darüber zu bedauern, was bei uns alles so mies ist, empfehlen wir: Was suchst du das Heil in der Ferne, es schlummert in dir. Das wahre Potential der Pädagogik liegt immer am eigenen Standort und im Zutrauen der eigenen Fähigkeiten. Klar, man kann sich Anregungen holen. Aber es gilt, eigene Ideen zu erfinden und diese schöpferisch am eigenen Standort mit seinen Kollegen und den anvertrauten Kindern umzusetzen.

Glosse: HufnäGl

Alternativen zu Finnland-exkursionen

Modell des eigenen Standortes. Hier: GTVS Dopschstraße, Wien 21

Dass dies gelinge, wünsche ich euch allen und damit alles Gute für das Jahr 2015!

HD Dr. Marcus Hufnagl, MEd.

Wir wechseln zur Kulisse des Hollywood-Schinkens „Der Club der toten Dichter“. Hier sind alle vereint, ob Sozialist, Konservativer, Grüner oder Traditionsbewusster. Dieser Lehrer ist ein Held, ein Vorbild für alle. So möchten wir

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Praxishauptschule der KPH Campus Strebersdorf

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reliGiöse bildunG

religiöse Bildung in europa Notwendigkeit oder lästiges Anhängsel?

„In vielen öffentlichen Bereichen ist es einfacher, sich als Agnostiker denn als Gläubigen zu bezeichnen; man hat den Eindruck, dass sich Nichtglauben von selbst versteht, während Glauben einer gesellschaftlichen Legitimation bedarf, die weder selbstverständlich ist noch vorausgesetzt wird“. Dieses Resumée der europäischen Bischofssynode 1999 spiegelt die geistige Grundhaltung in Europa wieder, die als Folge der historischen Entwicklungen Religion tendenziell als Gegensatz zur Vernunft versteht. Dazu kommt, dass man großen Institutionen Misstrauen entgegenbringt, diese manchmal von der Gesellschaft allgemein zunehmend Ablehnung erfahren. Dies trifft nicht nur die Kirche, sondern auch andere große gesellschaftliche Player, die mit Mitgliederschwund und Bedeutungsverlust kämpfen. „Religion ist Privatsache“ ist außerdem zu einem beliebten Schlagwort geworden, mit dem Religion insgesamt, insbesondere aber auch institutionalisierte Religion aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden soll.

gefährliche engführungen Zugleich ist das dominierende Konzept von Bildung durch eine ökonomistische Engführung gekennzeichnet Auf europäischer Ebene vertritt die Kommission der Europäischen union im „Weißbuch zur beruflichen und allgemeinen Bildung“ praktisch ausschließlich diesen Zugang zu Bildung. In österreich gehen derzeit erhobene Forderungen der Industrie in die gleiche Richtung. Religion und religiöse Bildung haben in diesem Zusammenhang mangels unmittelbarer wirtschaftlicher Verwertbarkeit entweder wenig Platz, oder sie werden instrumentalisiert. Erst zuletzt hat Harnoncourt Denkwürdiges zur Bildungsdiskussion und zur Marginalisierung von Musik geäußert – ein ähnliches Schicksal, wie es den Gegenstand Religion zu ereilen droht: „Es ist eine Katastrophe, wie man überhaupt an Bildung herantritt. Es geht nur noch darum, dass die Kinder so früh wie möglich im Arbeitsprozess funktionieren. Kunst ist da überflüssig... Mit der Bildung von Menschen hat das nichts zu tun, denn es ist ein Menschenrecht, dass die Fantasie ebenso geschult wird wie die andere Gehirnhälfte. Ich nehme auch gern zur Kenntnis, dass musikalische Ausbildung bessere Mathematiker hervorbringt. Aber das ist nicht das Wesentliche.“

rechtliche anmerKungen Allerdings wird damit übersehen, dass Religion Teil des menschlichen Lebens ist. Dies muss nicht nur auf individueller Ebene im Sinne eines Schutzes der Privatsphäre berücksichtigt werden. Die öffentliche Religionsausübung wurde hart erkämpft und ist ein wesentlicher Teil der Religionsfreiheit. Damit muss der weltanschaulich neu-

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trale Staat Religion einen angemessenen Platz in der öffentlichkeit geben, um nicht Gefahr zu laufen, genau diese Neutralität im Sinne einer gleichen Distanz zu allen Religionen und Weltanschauungen zu verlieren. Dies widerspräche dem grundsätzlichen Anliegen des Konzepts der Grundrechte, mit dem letztlich das Zusammenleben der Menschen in einem Staat in Freiheit, Gleichheit und Würde ermöglicht werden soll. Gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist ein Aspekt von Bildung „Verständnis und Respekt/Toleranz gegenüber allen […] religiösen Gruppen zu fördern“. Dementsprechend hält auch die OSZE 2007 fest, dass religiöse Bildung zum Standard einer Schule im Europa des 21. Jahrhunderts gehört .

das verständnis von religiöser bildung Der Begriff der „religiösen Bildung“ kann jedenfalls unter zwei Akzenten betrachtet werden: „learning in religion“ und „learning about religion“. Beide Konzepte haben unter anderem den Anspruch, die SchülerInnen dazu zu befähigen, mit Religionen und Weltanschauungen in all ihrer Diversität umgehen zu können. unterschiedlich ist jedoch die Herangehensweise. „Learning in religion“ findet seinen primären Ausdruck in der schulischen Wirklichkeit in einem konfessionellen, von den Kirchen und Religionsgesellschaften verantworteten Religionsunterricht. SchülerInnen können sich ihrer eigenen konfessionellen Identität bewusst werden und sich darin beheimaten, indem LehrerInnen, die selbst in der selben Konfession / Religion zuhause sind, den unterricht authentisch im Auftrag der jeweiligen Kirche oder Religionsgesellschaft erteilen. Selbstverständlich sind dabei seit Jahrzehnten neben ethischen Fragen auch andere Religionen und Weltanschauungen Thema. „Learning about religion“ will demgegenüber aus einer grundsätzlichen Außenperspektive über Religion(en) berichten und deren Inhalte möglichst neutral darstellen. Auf der europäischen Ebene finden sich beide Vorstellungen in unterschiedlichsten Ausprägungen und Abfolgen im Rahmen eines Bildungskontinuums.

ein differenzierter ansatz des europarats Bemerkenswert ist, dass der Ansatz des Europarates durchaus differenzierter ist. Er stellt religiöse Bildung insofern in einen Zusammenhang mit interkultureller Bildung, als sein Fokus grundsätzlich auf der Stärkung der Menschenrechte in Hinblick auf ein friedliches und solidarisches Miteinander liegt. Das ist in weiten Bereichen ja auch eines der Grundanliegen der Religionen. Die Aus-

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%LOGXQJ KHXWH IU PRUJHQ gangsposition des Europarates ist daher, Religion als soziales, kulturelles und politisches Phänomen wahrzunehmen und zur Förderung eines demokratischen Bürgerverständnisses heranzuziehen. Religion und Weltanschauung werden hier bewusst als Teil der menschlichen Identität wahrgenommen, deren Entfaltung zu fördern ist. Der Europarat hält auch fest, dass es keineswegs ausreicht, darüber zu informieren, welche Religionen und Weltanschauungen es gibt. Dies könne vielmehr sogar insofern eine Gefahr sein, als bestimmte Gruppen marginalisiert werden könnten. Es müsse vielmehr sichergestellt werden, dass Kinder ihre eigene religiöse / weltanschauliche Identität stärken und erleben können, dass sie in ihrer jeweiligen Identität gesellschaftlich angenommen werden. Dies sei die Grundlage für eine wertschätzende Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen. In Hinblick auf ein friedvolles Zusammenleben hat Toleranz eine große Bedeutung, und zwar nicht nur im Sinne eines „Ertragens“ anderer, sondern in dem Sinn, dass anderen Einstellungen mit Wertschätzung begegnet wird. Hier begegnet das Anliegen des Europarates genau dem Grundanliegen des konfessionellen Religionsunterrichts.

„Timeo Danaos et dona ferentes“ ist ein klassisches Zitat, das heute vielfach schon nicht mehr bekannt ist – denn auch die klassischen Sprachen sind ja schon weitgehend dem neuen, pragmatisch-utilitaristischen Bildungsverständnis zum Opfer gefallen. Was soll man heute fürchten? Vielleicht eine Wirtschaftslobby, die Bildungskonzepte vorstellt? Vielleicht die Gleichgültigkeit der Gesellschaft, die Bildungsfragen manchen sogenannten Experten überlässt? Vielleicht die Beharrlichkeit der Technokraten, bei Bildungsreform hauptsächlich an Strukturänderungen zu denken?

reliGiöse bildunG

eine nachdenKlichKeit zum ende

Literatur: Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Ecclesia in Europa“, Rom 2003. Sekretariat der dt. Bischofskonferenz (Hg.), Verlautbarungen des Apostoli-

schen Stuhls 161, S. 7. „News“ Nr. 46/2014 vom 13.11.201 Vgl OSZE-Office for Democratic Institutions and Human Rights (Hg.), Toledo Guiding Principles on Teaching about Religions and Beliefs, 2007. Vgl dazu Europarat (Hg.), Religious diversity and intercultural education: a reference book for schools (2006) sowie Europarat (Hg.), White Paper on Intercultural Dialogue (2008) Europarat (Hg.), Religious diversity and intercultural education: a reference book for schools, S. 13. Europarat (Hg.), Religious diversity and intercultural education: a reference book for schools, S. 17.

Dr. Birgit s. moser-Zoundjekpon

Stellvertreterin der Amtsleiterin Leiterin der Abteilung für Rechtsangelegenheiten

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leHrer sein

Haben sie schon jemals daran gedacht, zu unterrichten? Gedanken einer Lehrerin Falls Sie grade in der jetzigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation nach Alternativen suchen, ermutige ich Sie unterrichten und Lehren als eine Alternative zu sehen. Es stimmt: die Medien zeichnen uns nicht immer im besten Licht, dennoch hören und lesen wir tagtäglich, wie wichtig Bildung für uns alle, für unser aller Zukunft ist. Sind Sie begeistert davon, Wissen weiter zu geben, anderen zu helfen, sich Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen und die Welt von morgen zu einem besseren Ort zu machen? Sie haben recht: es ist kein einfacher Beruf, ich würde ihn auf alle Fälle nochmals wählen. Warum ich wieder Lehrerin wählen würde? Wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen, die Sie auch dazu bewegen würden. Wegen der Zukunft, die in jedem Kind, in jedem Jugendlichen verborgen liegt. Wegen jedem „schwierigen“, aufmüpfigen und kritischen Teenpager -tätowiert, mit Nasen-, Ohren- und sonstigen Ringen, mit blauer Haarsträhne und blinkenden Schuhen. In den VielrednerInnen sehe ich motivierende Vortragende, in den Neben-den-Linien-schreibenden die nächsten ErfinderInnen und in den permanent Alles-was-LehrerInnen-sagen-in-Frage-stellenden, die zukünftigen OppositionspolitikerInnen. Wenn ich die ab Fünfzehnjährigen vor mir sitzen sehe, sehe ich AbsolventInnen und MaturantInnen, StudentInnen und Fachhochschul-Inskribierte, ich sehe KrankenpflegerInnen, KindergärtnerInnen, LehrerInnen, ForscherInnen, Personalverantwortliche, FirmengründerInnen, InnovatorInnen, PräsidentInnen, Fußballstars oder Filmstars und social Networkers. Wer wird mir am Finanzamt eine Auskunft geben? wer wird die kaputte Heizung reparieren? Bei wem muss ich ein Ansuchen um Kulturförderung stellen? Ich sehe die Zukunft: das Ziel in der Ferne und der (Stunden-)Plan dazu hilft auch meinen SchülerInnen, schwierige Stufen in der Schulzeit zu erklimmen. Alle haben unterschiedliche Gaben um diese mit anderen zu teilen: ich habe zweimal studiert und bringe – als geforderte Voraussetzung – zwei Jahre Berufserfahrung „in der Wirtschaft“ mit: von dieser schier unüberschaubaren Menge an angesammeltem Wissen und Fähigkeiten möchte ich so viel wie möglich weitergeben.

Engagement und Ideen und Wille. Die PolitikerInnen unterstützen das nicht unbedingt: LehrerInnen sind unter den Berufsgruppen, die als erstes für alles übel verantwortlich gemacht werden. Die Eltern sind oft das einzige – negative – Feedback für Lehrende. Sicher, der Lehrberuf ist nicht einfach. Dennoch: ich würde ihn wieder wählen. In der noch immer existierenden Lehrfreiheit des Rahmenlehrplans kann ich meine Ideen, meine Begeisterung und meine mittlerweile 20jährige unterrichtserfahrung an die Frau bzw. den Mann bringen, meine Freude über gelungene und meine Enttäuschung über misslungen unterrichtsstunden, die tiefe Befriedigung bei einem spontanen „Jetzt hab´ ich´s verstanden!“ und die Herausforderung beim geseufzten „Das ist mir viel zu anstrengend!“ Kinder und Jugendliche sollen von mir einige Werkzeuge und Wege bekommen um selbst Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, „wo nicht gefragt wird, wird auch nichts gelernt“ (nach Plato). Sie sollen Wahlmöglichkeiten erkennen und dafür einstehen lernen. „Danke, Frau Professor, für den BVW-unterricht, ohne den ich die erste Prüfung auf der Wu nicht bestehen hätte können.“ Ich allein bin unwichtig, als Mutter von vier inzwischen erwachsenen Kindern, die akademisch gebildet im Berufsleben ihren Platz gefunden haben, weiß ich, dass es viele „Bezugspersonen“ in Bildungseinrichtungen, privaten Kreisen, Vereinen, Kulturinstitutionen braucht um sie bestmöglich entwickeln zu lassen für die Herausforderungen der Zukunft. Wenn eins meiner Kinder mir eine Gehalts-, Prämienoder Bonusabrechnung zeigt, zuckt der Gedanken „hätt´ ich doch was anderes gelernt/studiert/gewählt…“ durchs LehrerInnenhirn, ich weiß dennoch genau, dass unterrichten können mit Leidenschaft eine Gabe ist, die – wie mit jedem Geschenk – sorgsam gehütet und genutzt werden muss. Also unterrichte. Ich bin LehrerIn. und Sie können auch eine bzw. einer sein. Nach einem Artikel in englischer Sprache, der mir aus der LehrerInnenseele sprach: http://www.linkedin.com/today/post/article/2014090720375570654912-considering-a-new-career-why-education-is-the-greatestfield-ever?trk=mp-details-rr-rmpost von Sara Baker, Ed.D., 7.September 2014 veröffentlicht auf LinkedIn.

Es ist so leicht – wie beim Fußball – mitzureden, zu kritisieren und Lehrenden Tipps fürs unterrichten zu geben: „Wollen Sie nicht den Omar neben die Ayse setzen?“ oder „Warum machen Sie keine Lehrausgänge?“ bis „Ein Zeitungsabonnement sollen die Kinder haben: und wer soll das zahlen?“ und schließlich „Ein Buch soll meine Corinna lesen?“ Aus meiner Zeit an der Pädagogischen Hochschule weiß ich: 2 Monate unterrichtsfreie Zeit im Sommer sind kein Argument der Studierenden, vielmehr ein hohes Maß an

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MMag. Mellitta Matousek

Unterrichtet kaufmännische Fächer an BMHS , Initiatorin des Freifachs Unternehmensführung an Humanberuflicher Schule Betreuung von Bachelorarbeiten in der Pflichtschullehrer/innenausbildung

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