Rede der Vorsitzenden der CDU Deutschlands, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, auf dem Bundesparteitag 2008 der CDU Deutschlands in Stuttgart

Rede der Vorsitzenden der CDU Deutschlands, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, auf dem Bundesparteitag 2008 der CDU Deutschlands in Stuttgart Sp...
Author: Johannes Voss
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Rede der Vorsitzenden der CDU Deutschlands, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, auf dem Bundesparteitag 2008 der CDU Deutschlands in Stuttgart

Sperrfrist: Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort!

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Liebe Freunde, wir erleben in diesen Wochen und Monaten Außergewöhnliches. Wir erleben, wie wichtig es ist, dass unser Gemeinwesen zusammensteht und gemeinsam handelt. Wir erleben, wie wichtig es ist, dass unser Gemeinwesen gut geführt wird. Wir erleben, wie wichtig es ist, dass wir uns gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern für unser Gemeinwesen einsetzen. Nirgendwo wird das so deutlich wie in unserer Partei. In der Partei, deren Mitglieder sich seit über 60 Jahren für die großen Weichenstellungen unseres Landes eingesetzt haben. •

Dafür, dass Deutschland die Soziale Marktwirtschaft bekam,



dafür, dass Europa geeint und der Euro eingeführt wurden,



dafür, dass unser Vaterland in Frieden und Freiheit vereint werden konnte.

Ich begrüße Sie herzlich zum Parteitag der Partei in Deutschland, die wie keine andere unser Land geprägt und gestaltet hat. Ich begrüße Sie zum 22. Parteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands hier in Stuttgart. Willkommen in der Mitte. Die Mitte war und ist Deutschlands Stärke. Die Mitte sind wir. Die Mitte, das ist die CDU Deutschlands. Liebe Freunde, wir alle wissen: In schwierigen Zeiten kommt es darauf an, dass man sich aufeinander verlassen kann. Die Menschen in Deutschland können sich auf die CDU verlassen. Und wir in der CDU können uns aufeinander verlassen. Dafür möchte ich danken. Ich danke meinen vier Stellvertretern Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Annette Schavan und Christian Wulff und unserem Generalsekretär Ronald Pofalla. Ich danke Ihnen stellvertretend für alle Mitglieder des Präsidiums und des Bundesvorstandes der CDU Deutschlands für Ihre Hilfe, Ihre Ideen und Ihre Unterstützung. Ich danke den Vertretern von CDU und CSU in der Bundesregierung: Ilse Aigner, Maria Böhmer, Michael Glos, Franz Josef Jung, Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière, Bernd Neumann, Wolfgang Schäuble und Annette Schavan. Sie prägen das Gesicht dieser Regierung. Ich danke dem Vorsitzenden der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU, Volker Kauder, und seinem 1. Stellvertreter, Peter Ramsauer. Unsere Konkurrenten werden nie verstehen, welche Kraft, welche Lebendigkeit, welche Stärke gerade in der Idee der Fraktionsgemeinschaft unserer beiden Parteien steckt. Lassen wir den anderen ihr Unverständnis und kämpfen wir weiter entschlossen und stark für unsere Ziele. Am Erfolg dieser Regierung hat gerade unsere Fraktion einen großen Anteil. Dafür danke ich Euch.

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Ich danke auch unseren Ministerpräsidenten. Da, wo die CDU regiert, geht es den Menschen besser. Die CDU ist stark, in den Kommunen, in den Ländern, im Bund und in Europa. Das ist ein großes Pfund, mit dem wir wuchern können. Das macht uns stärker als alle anderen. Ich danke dem Vorsitzenden unserer Schwesterpartei CSU, Horst Seehofer, und seinen Vorgängern Erwin Huber und Günther Beckstein. Ihnen allen danke ich – stellvertretend für die vielen Tausend Mitglieder und Millionen Anhänger von CDU und CSU, für die menschlich wie politisch herausragende Zusammenarbeit und für den großartigen Zusammenhalt. Ja, es ist wahr, wir streiten uns manchmal. Aber wahr ist auch: CDU und CSU wissen immer, wenn es darauf ankommt. CDU und CSU sind gemeinsam stark. Ohne den Zusammenhalt der Union von CDU und CSU wäre all das, was wir in 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland geleistet haben und was wir heute für die Zukunft unseres Landes leisten müssen, nicht möglich. Denn niemals kann einer alleine das schaffen, und sei das Amt noch so herausgehoben. Auch ich kann das nicht. Nur gemeinsam konnten wir die großen Herausforderungen des 20. Jahrhunderts meistern. Und nur gemeinsam können wir heute die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen. Wir stehen zusammen, deshalb heißen wir Union. Wir nehmen unsere Verantwortung für unser Land ernst. Dafür danke ich Ihnen allen. Liebe Freunde, wenn wir auf die ersten drei Jahre unserer Regierungszeit blicken, dann sehen wir zweierlei. Zum einen: Erfolgreiche Politik von CDU und CSU in Deutschland hilft den Menschen. Unsere Bilanz ist eindrucksvoll. Die Zahl der Arbeitslosen liegt nach langer Zeit wieder unter drei Millionen. Damit sind mehr als zwei Millionen Menschen weniger arbeitslos als unter Rot-Grün. Heute gibt es mehr Erwerbstätige in Deutschland als je zuvor. Die Jugendarbeitslosigkeit befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Es gibt mehr Ausbildungsplätze als je zuvor. Deutschland ist wieder Exportweltmeister. Das soll uns erstmal jemand nachmachen. Die Lohnzusatzkosten sind gesunken. Arbeitnehmer und Unternehmer wurden entlastet. So konnten neue Stellen geschaffen werden. Das hilft Millionen Menschen ganz konkret. Der Aufschwung der letzten Jahre wurde genutzt, um einem ausgeglichenen Haushalt sehr, sehr nahe zu kommen. Das ist Politik für die Zukunft, die nur mit der Union möglich geworden ist.

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Die Sozialversicherungen wurden sicherer gemacht. Die Gesundheitsreform wird für mehr Transparenz und Wettbewerb sorgen. Die Rente steht heute auf viel festeren Beinen als noch vor drei Jahren. Das gibt der Generation, die unser Land aufgebaut hat, die Sicherheit, die sie verdient. Den Familien geht es viel besser. Sie können heute besser wählen. Wahlfreiheit setzt Wahlmöglichkeit voraus. Das Elterngeld, mehr Betreuungsplätze, das Betreuungsgeld, die Mehrgenerationenhäuser – dies alles steht für Wahlfreiheit und unsere Vorstellung von Familie. Wir schreiben niemandem vor, wie er zu leben hat. Es werden wieder mehr Kinder geboren. Deutschland hat neues Vertrauen in die Zukunft. Das ist die schönste Nachricht für unser Land überhaupt. Wir haben Bildung und Forschung mit Milliardeninvestitionen gestärkt. Unser Land ist als Ideenschmiede und Innovationswerkstatt stark geworden. Das Land der Ideen sprüht vor Ideen. Wir haben Nobelpreisträger aus Deutschland zu feiern. Unsere Unternehmen arbeiten erfolgreich an den Produkten für die Märkte der Zukunft. Damit stärken wir die Zukunft wie noch keine Regierung zuvor. Unsere föderale Ordnung ist moderner geworden, unsere Sicherheitsarchitektur den Notwendigkeiten der Terrorismusbekämpfung angepasst. Deshalb fordere ich die SPD-regierten Bundesländer auf, ihre Blockade beim BKA-Gesetz aufzugeben. Diese Blockade ist unverantwortlich. Schließlich, aber wahrlich nicht zuletzt: Deutschlands Ansehen in Europa und der Welt wurde gemehrt. Wir haben das Denken in Achsen und Konfrontationen beendet. Deutschland denkt heute wieder in Partnerschaften und Bündnissen. Dafür bekommt man nicht jeden Tag Schlagzeilen, aber Vertrauen und Einfluss. Das ist wichtiger und gar nicht hoch genug einzuschätzen. Liebe Freunde, wenn wir uns die Frage stellen: Sind wir in Deutschland vorangekommen, so gibt es diese klare Antwort: Ja! Ja, wir sind große Schritte in die richtige Richtung gegangen. Ja, Deutschland ist in den letzten drei Jahren stärker geworden. Und Deutschland ist gerechter geworden. Zwei Millionen Menschen mehr in Arbeit. Darauf können wir stolz sein. Wir alle gemeinsam: Arbeitnehmer, Unternehmer und die Politik. Liebe Freunde, aber seit wenigen Monaten gibt es ein Zweites: Wir haben es mit einer dramatischen Krise der internationalen Finanzmärkte zu tun, gefolgt von einer weltweiten Wirtschaftskrise. Als Exportweltmeister haben wir ein überragendes Interesse daran, dass die Weltwirtschaft wieder in Ordnung kommt. Dabei sollten wir uns keine Illusionen machen: Die Politik ist vor Herausforderungen gestellt, die so noch nicht da waren. Niemand auf der Welt kann auf wirklich vergleichbare Erfahrungswerte zurückgreifen.

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Warum, weil wir noch nie so unmittelbar erfahren haben, wie sehr die Wirtschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene vernetzt ist. Die Welt ist ein globales Dorf. Erst wenn wir das erkennen, erst dann können wir dafür sorgen, dass wir die Krise überwinden. Und indem wir die Ursache bekämpfen, schaffen wir auch die Voraussetzungen, dass sie sich nicht wiederholt. Wir müssen zeigen, dass wir aus den Erfahrungen früherer Krisen lernen – die letzte liegt kein Jahrzehnt zurück. Auf einmal liest man überall, warum die Finanzmärkte vor dem Kollaps standen, auch von denen, die vorher noch Anlagen empfohlen haben, die sie selbst nicht begriffen haben. Und dabei ist es eigentlich so einfach. Man hätte hier in Stuttgart, in Baden-Württemberg, einfach nur eine schwäbische Hausfrau fragen sollen. Sie hätte uns eine ebenso kurze wie richtige Lebensweisheit gesagt, die da lautet: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben. Genau das ist es, liebe Freunde, so einfach ist das, über die eigenen Verhältnisse zu leben – das rächt sich. Und das ist im Kern das Problem unserer heutigen internationalen Krise. Wenn wir den Ratschlag der schwäbischen Hausfrau beherzigen und wenn wir wissen, dass die Welt ein globales Dorf ist, dann heißt das: Es bedarf einer qualitativ neuen Antwort, einer bisher nicht da gewesenen Antwort, eine Antwort des 21. Jahrhunderts, um diese Krise schnell zu bekämpfen und zu verhindern, dass sie sich wiederholt. Eine solche Antwort ist ein gemeinsames, ein geordnetes Vorgehen auf drei Ebenen: Erstens: Auf der nationalen Ebene. Zweitens: Auf der europäischen Ebene. Drittens: Auf der globalen Ebene. Auf allen drei Ebenen müssen wir handeln, jeweils spezifisch, aber immer auch gemeinsam. Das verlangt höchste Anstrengung, aber es ist der Schlüssel zur Lösung. Ich will, dass die CDU Deutschlands die Partei ist, die diese historische Aufgabe annimmt. Dazu brauchen wir im Übrigen auch den Mut, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen. Denn warum ist die Welt in dieser schwierigen Lage? Doch auch weil viel zu sehr Experten geglaubt wurde, die keine Experten waren. Vielleicht wussten wir damals nicht, dass sie keine Experten waren, aber wir wissen es heute. Wenn wir heute gemeinsam darüber nachdenken, wie man diese neue globale Frage beantwortet,

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dann sollten wir weniger selbsternannten Experten glauben, sondern einem Prinzip folgen: dem der praktischen Vernunft! Liebe Freunde, wovon gehen wir aus? Erstens auf der nationalen Ebene: Weil wir wissen, dass 2009 ein Jahr schlechter Nachrichten wird, bauen wir mit unseren Maßnahmen eine Brücke für Investitionen und Beschäftigung, eine Brücke für Bürger und Unternehmen, damit es 2010 wieder aufwärts geht. Mit schnellen, mit zielgerichteten und am besten mit zeitlich befristeten Maßnahmen. Vorschläge für das nationale Vorgehen bei der Bewältigung der Krise gibt es beinahe unendlich viele: Infrastrukturprogramme oder Steuersenkungen, Mehrwertsteuer als Ganzes senken oder nur in Ausnahmefällen, Konsumgutscheine oder Senkungen der Einkommenssteuer, als Umfang der Hilfen 1, 2 oder 3 % des BIP, Aufgabe des Stabilitäts- und Wachstumspakts ja oder nein. Viele Vorschläge widersprechen einander. Manche widersprechen sogar sich selbst. Spätestens da sollten wir widersprechen. Wichtig ist, die nationalen Maßnahmen müssen zur Situation in unserem Land passen. Sie müssen unsere Stärken ausbauen und unsere Schwächen abbauen. Welche Grundsätze leiten uns dabei? Es sind vier. Erster Grundsatz: Bei der Rettung der Finanzinstitutionen hat der Staat mit aller Kraft eingegriffen, weil es um unser Gemeinwohl geht. Er hat das nicht für die Banken, sondern für die Sparer und für die Wirtschaft getan. Das kann gar nicht oft genug gesagt werden. Zweiter Grundsatz: Unserer Wirtschaft müssen wir Brücken bauen, deshalb leistet der Staat Hilfe zur Selbsthilfe. Was er nicht tut, das ist, Produkte zu subventionieren und damit notwendige Strukturwandel zu verhindern. Das ist mit uns nicht zu machen. Dritter Grundsatz: Der Staat hilft, den Menschen Arbeitsplätze durch Weiterbildung und Kurzarbeit zu erhalten. Er schafft den Menschen finanzielle Freiräume, wo immer das geht, um das eigene Leben selbst zu gestalten. Vierter Grundsatz: Wir verlieren auch in der Krise die Zukunft nicht aus dem Blick. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts wird später erreicht, aber es bleibt unser Ziel für die nächste Legislaturperiode, weil wir uns sonst langfristig unserer Zukunft berauben. Und der Stabilitäts- und Wachstumspakt bleibt Maßstab unseres Handelns. Auf dieser Grundlage handeln wir. So legen wir fest, was unmittelbar wirkt. Die Bundesregierung hat entschieden: Es ist die richtige Zeit, unsere Infrastruktur, gerade auch in den alten Bundesländern, voranzubringen, denn wahr ist – heute leben wir vielfach von der Substanz, das gilt von den Autobahnen bis zur Grundschule.

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Deshalb brauchen wir vorgezogene Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz. Wir brauchen spezifische Hilfen für unsere stärksten Industrien, zum Beispiel im Auto- und Maschinenbau. Aber wir brauchen noch mehr: Die Hochgeschwindigkeitsnetze sind die Autobahnen des 21. Jahrhunderts. Welcher Schub würde durch Europa gehen, wenn jedes Haus – wirklich jedes – Zugang zu diesen Zukunftsnetzen hat? Ich will Breitbandzugang für alle in ganz Europa. Das ist eine Aufgabe, die unseren Kontinent wieder an die Spitze führt. Das hieße, aus der Krise eine Chance zu machen. Wir brauchen Sicherheit für unsere Fachkräfte. Deshalb haben wir das Kurzarbeitergeld verlängert, und deswegen werden wir die Weiterbildung verstärken. Denn nach der Krise werden Fachkräfte gesucht werden, wie heute schon Lehrlinge in den neuen Bundesländern. Und vor allem müssen wir alles tun, um gegen die Kreditklemme für unsere Unternehmen anzugehen. Dies kann eines der schwierigsten Themen werden. Deshalb kommt der Hilfe durch unsere staatlichen Förderbanken entscheidene Bedeutung zu. Damit setzen wir in den nächsten zwei Jahren Investitionen und Maßnahmen in Höhe von 32 Milliarden Euro, das heißt 1,3 % des Bruttoinlandsproduktes ein. Aber ich füge hinzu: Deutschland wird die Lage immer wieder neu analysieren. Deutschland wird sich alle Optionen offen halten, um die Folgen der weltweiten Krise weiter wirkungsvoll zu bekämpfen, ich betone: alle Optionen. Das nächste Treffen des Koalitionsausschusses, auf dem wir eine Bestandsaufnahme machen und über unser weiteres Vorgehen entscheiden, findet am 5. Januar statt. Was wir nicht machen werden, das ist strukturelle Steuerreform an die Stelle sofort wirkender, zeitlich befristeter Konjunkturimpulse zu setzen. Liebe Freunde, die Deutschen können sich auf eine Regierung verlassen, die verantwortungsbewusst und umsichtig handelt, wenn nötig auch blitzschnell. Aber an einem Überbietungswettbewerb von immer neuen Vorschlägen, an einem sinnlosen Wettbewerb um Milliarden – daran beteiligen wir uns nicht. Der ist mit uns, der ist mit mir nicht zu machen. Die Deutschen können sich auf eine Regierung verlassen, deren Handeln vielmehr aus dem erwächst, was Deutschland stark gemacht hat, aus den Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft. Die Soziale Marktwirtschaft – sie ist die menschliche Marktwirtschaft. Sie belohnt Leistung, und sie bestraft Unfairness. Sie gibt dem Starken Freiraum, und sie ermöglicht dem Schwachen Solidarität. Sie weiß um das Wesen des Menschen. Darum spornt sie an, aber sie setzt auch Grenzen. Sie schafft Wohlstand und Gerechtigkeit. Sie ist die dem Menschen gemäße Form des Wirtschaftens, sie ist die menschlichste Form, Wirtschaft zu gestalten. Es war die Christlich Demokratische Union

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Deutschlands, die es geschafft hat, diese Soziale Marktwirtschaft einzuführen und durchzusetzen, in Deutschland. Hier bei uns ist sie ein großer Erfolg. Aber in Europa und vor allem in der Welt ist die Soziale Marktwirtschaft noch nicht überall angekommen. Wir haben Druckmaschinen, Kaffeefilter und Plüschtiere zu Welterfolgen gemacht. Warum jetzt nicht auch die Soziale Marktwirtschaft? Liebe Freunde, das kann sich jetzt ändern. Das soll sich jetzt ändern. Das wollen wir jetzt ändern. Das ist der Schlüssel zur nachhaltigen Überwindung der Krise. Das ist der Schlüssel, mit dem die Exzesse der Märkte eingedämmt werden. Der Staat nimmt seine Rolle als Hüter der Ordnung wahr, in Deutschland wie in Europa und der Welt, damit sich eine solche Krise nicht wiederholt. Ich will, dass wir unser Modell der Sozialen Marktwirtschaft zum europäischen und weltweiten Exportschlager machen. Zuerst einmal – und das betrifft die zweite Ebene unseres Handeln – in Europa. Wir Europäer haben bereits jetzt viele gemeinsame Prinzipien. Wir Europäer sollten uns im umfassenden Sinne die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zu eigen machen, Subsidiarität und Wettbewerb, Ausgleich und Solidarität. Dafür werden wir, die Europapartei in Deutschland, im Europawahlkampf im nächsten Jahr werben. Gemeinsam mit unseren Freunden im Europäischen Parlament, denen ich herzlich danke – stellvertretend für alle dem Präsidenten des Parlaments Hans-Gert Pöttering. Mit ihm hat das Europäische Parlament neuen Schwung bekommen. 15 Länder in der Europäischen Union haben eine gemeinsame Währung. Alle 27 Mitgliedsstaaten sind durch einen gemeinsamen Binnenmarkt miteinander verbunden. Die 27 Staats- und Regierungschefs bilden so etwas wie eine Wirtschaftsregierung Europas. Europa hat eine gemeinsame Wachstumsstrategie, die Lissabon-Strategie, die Nationalstaaten haben Kompetenzen an die Kommission abgegeben. Deshalb war es notwendig und richtig, dass die Kommission Vorschläge für ein Investitionspaket gemacht hat. Genau darum haben wir die Kommission gebeten. Im Dezember werden wir auf dem Rat der Staats- und Regierungschefs der EU diese Vorschläge besprechen. Es kann heute schon gesagt werden: Die Vorschläge der Kommission gehen eindeutig in eine richtige Richtung. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Den Ausbau zum Beispiel des Breitbandnetzes werden wir so noch nicht schaffen, sondern nur wenn uns die Kommission dazu die richtigen Rahmenbedingungen ermöglicht. Wir brauchen Beweglichkeit bei den Strukturfonds und bei staatlichen Beihilfen.

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Denn nicht allein neue Milliarden sind immer entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass wir die Milliarden, die vorhanden sind, ausgeben können. Im Übrigen hängen die Dinge miteinander zusammen, was wir auch bei Arbeitsplätzen und Klimaschutz sehen. Europa ist auf dem Weg, seine Vorreiterrolle im Klimaschutz mit wirtschaftlichen Vorteilen zu verbinden. Damit eines ganz klar ist: Der Schutz des Klimas duldet in diesem Jahr so wenig Aufschub wie im letzten. Es waren übrigens wir, es war die CDU, die als erste von der Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft gesprochen hat. Weil wir wissen, dass wir unsere Schöpfung bewahren müssen. Deshalb stehen wir ohne Wenn und Aber zu der Vorreiterrolle der EU im Klimaschutz und den 20-20-20-Klimaschutzzielen. Aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen. Aber ich sage ebenso klar: Bei der Frage der CO²-Auktionierung dürfen wir nicht über das Ziel hinausschießen. Solange weite Teile der Welt den Zertifikathandel nicht kennen, müssen wir verhindern, dass Industrien und Arbeitsplätze abwandern. Das wäre ökonomisch wie ökologisch schädlich. Dafür werde ich auf dem Rat in Brüssel in der nächsten Woche eintreten, und zwar unmissverständlich. Im Übrigen hoffe ich, dass mit der neuen amerikanischen Regierung auch neuer Schwung in die internationalen Klimaschutz-Verhandlungen kommt. Denn nur gemeinsam können wir ein solches globales Problem bekämpfen. Hier müssen Worten Taten folgen. Liebe Freunde, koordiniertes Vorgehen auch auf der zweiten, der europäischen Ebene, allein wird nicht ausreichen. Die weltweite Finanzkrise zeigt uns: Bei international vernetzten Märkten brauchen wir auch auf der dritten Ebene, der globalen, ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen. Deshalb müssen wir entschieden darauf drängen, dass die Prinzipien unseres Handelns, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft international verankert werden. Ich habe schon beim G8-Gipfel in Heiligendamm dafür geworben. Damals hatte ich noch keinen Erfolg. Das räume ich offen ein. Heute aber ist die Zeit, in der die Welt ihre Lektion lernen muss. Und die lautet, dass die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft weltweit zur Entfaltung kommen müssen. Ihr Grundprinzip heißt: Fairer Wettbewerb in einem ordnenden Rahmen. Diesen Rahmen setzt das Gemeinwesen. Das heißt in einem weiteren Schritt: Wer sich nicht an den Rahmen hält, der schadet allen. Das nimmt die Gemeinschaft nicht hin. Ich schließe mich voll und ganz den Worten unseres Bundespräsidenten Horst Köhler an, der schon seit Jahren eine Kultur im Bankwesen gefordert hat, die – ich zitiere ihn – „auch vom Bewusstsein über die Grenzen der Beherrschbarkeit und

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Verantwortbarkeit von Risiken und damit von ethisch-moralischen Beweggründen bestimmt ist“ – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde, gut, dass wir diesen Mann in diesem Amt wissen. Gut, dass sich daran nichts ändern wird. Unser Bundespräsident ist ein Glücksfall für unser Land. Besser als der Bundespräsident können wir es nicht auf den Punkt bringen. Es geht um ethisch-moralisch begründetes Handeln auch und gerade in der Wirtschaft. Wir müssen eben auch über Verantwortlichkeiten sprechen. Denn zu unserem Verständnis von Freiheit gehört das Wissen um die Verantwortung für das eigene Tun und Lassen. Das ergibt sich aus unserem christlichen Menschenbild, aus dem C im Namen unserer Partei. Wir trauen dem einzelnen Menschen verantwortliches Handeln zu, ja, wir erwarten es von ihm. Freiheit in Verantwortung. Das ist Richtschnur für unser Denken und Handeln, und zwar nicht nur national und europäisch, sondern auch global, also auf allen drei Ebenen unseres Lebens und Handelns. Denn wenn nur wir so denken und viele andere nicht, dann werden nicht erfolgreich sein. Natürlich: Es geht nicht um die Suche nach Sündenböcken. Jeder Mensch macht Fehler. Wir sind und bleiben auch die Partei, die betont: Leistung muss sich lohnen. Ja, die Übernahme von unternehmerischem Risiko und von Verantwortung muss sich lohnen. Wer viel leistet, soll auch angemessen verdienen. Wir brauchen die Energie, die Tatkraft und die Leidenschaft von Unternehmen. Eines aber können die Unternehmen nicht, weder bei uns noch in den USA oder in Steueroasen, und hier beginnt manche streitige Diskussion, auch mit Wirtschaftsverbänden: Sie können nicht den Rahmen setzen. Das kann nur die Politik. Die muss jetzt Außerordentliches leisten, denn der Rahmen, um den es geht, ist so groß wie die Welt. Das heißt: Wir müssen national das tun, was geboten ist. Wir müssen in Europa das tun, was geboten ist. Und wir müssen global das tun, was geboten ist. Ein globales Problem verlangt eine globale Lösung. Der Rahmen, der eine unbeherrschbare Weltwirtschaft zu einer Sozialen Marktwirtschaft formt, dieser Rahmen muss auch international gebaut werden. Alles andere würde der Aufgabe nicht gerecht. Für diese Lösung müssen wir Europäer unsere Kräfte bündeln und mit einer Stimme sprechen, wie wir es auf dem Weltfinanzgipfel der G20 in Washington vor 14 Tagen getan haben. Dort sind wir einen großen, einen erfolgreichen Schritt voran gekommen. Dieser Weltfinanzgipfel war ein historisches Ereignis.

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Vieles, was wir früher gefordert haben, wird nun endlich umgesetzt: mehr Transparenz, eine bessere Regulierung durch Rating-Agenturen, eine bessere Verzahnung von FSF/IWF. In Washington wurde aber auch deutlich: Die Industrieländer allein können das nicht schaffen. Es ist gelungen, die Schwellenländer in diesen Prozess einzubeziehen. Das ist ein großer Fortschritt. Nur so kann in Zukunft weltweite Zusammenarbeit erfolgreich sein. Ohne Zweifel: Dieser Weltfinanzgipfel setzt ehrgeizige Ziele. Er ist ein Ansatz für globales Handeln. Und er trägt ganz eindeutig unsere deutsche und unsere europäische Handschrift. Liebe Freunde, wenn manch einer jetzt sagt: Die internationale Verankerung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft – das gelingt doch nie, dann sagen wir Deutschen und Europäer: das kann doch gelingen, denn wir Europäer bringen eine gemeinsame Erfahrung dazu ein. Wir wissen als Europäerinnen und Europäer: Vertrauen kommt nicht über Nacht, aber Vertrauen kann man schaffen. Sogar unter noch viel schwierigeren Bedingungen als heute. Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich möchte die gegenwärtige Krise wahrlich nicht klein reden, dazu ist sie viel zu ernst. Dennoch ist sie nichts gegen die Katastrophe, die Europa durchleiden musste, ehe es zur europäischen Einigung kam. Die späteren Gründungsmütter und Gründungsväter der Christlich Demokratischen Union hatten ein vereintes, ein friedliches Europa schon vor Augen, als sich unser Kontinent noch dem Untergang nahe im Zweiten Weltkrieg befand. Im kommenden Jahr werden wir 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland und 20 Jahre Fall der Mauer feiern. Erinnern wir uns daran, dass Deutschland 1945 in Trümmern lag. Unsere Städte waren nur noch Ruinen. Die Wirtschaft war zerstört. Die Menschen haben gefroren und gehungert. Millionenfaches menschliches Elend, Trauer um die Opfer des Krieges in den Familien und Existenznöte prägten diese Zeit. Darunter waren auch Millionen Vertriebene und Flüchtlinge ohne Heimat, gezeichnet von schlimmen Erinnerungen und großem persönlichen Leid. Zugleich lastete auf unserem Land das Wissen um die Gräuel der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, des Holocaust als unvergleichliches Menschheitsverbrechen und des Vernichtungskrieges. Nur vier Jahre nach dieser Katastrophe wurde das Grundgesetz verabschiedet. Die freiheitlichste Verfassung, die es je in Deutschland gegeben hat. Sie war die Grundlage für unser demokratisches Gemeinwesen, für Wohlstand, soziale Sicherheit und unsere Rückkehr in die internationale Staatengemeinschaft. Darauf können wir im kommenden Jahr mit Dankbarkeit und Freude zurückblicken. ...

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Erinnern werden wir uns im kommenden Jahr auch an das schlimme Erbe des Sozialismus in Deutschland. Ich weiß aus eigenem Erleben, was die Menschen in der DDR persönlich geleistet haben, oft unter ganz schwierigen Bedingungen. Und zwar in einem Staat, der ein Unrechtsstaat war. Ein Staat, der moralisch und wirtschaftlich bankrott war und die Umwelt verwüstet hat. Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hat vor kurzem gesagt: „Wer den Sozialismus für das bessere System hält, hat ihn nicht erlebt.“ – Ende des Zitats. Es war ein Staat, dessen Herrschende mit Willkür und Repression über Jahrzehnte Demokratie und Freiheit der Menschen unterdrückt hatte. Umso höher sind der Mut und die Beharrlichkeit derer zu würdigen, die am Ende erfolgreich das SED-System in die Knie gezwungen haben. Noch heute trägt ganz Deutschland an der Überwindung der Folgen, die der Sozialismus über die Menschen in Ostdeutschland gebracht hat. Jetzt melden sich manche von denen wieder und wollen uns ihr verschrottetes Modell als neues Traumauto unterjubeln. Das wird auch nicht besser durch einen ehemaligen SPD-Vorsitzenden, der zu Euch übergelaufen ist. Wir erinnern uns: Er wollte die Einheit nicht. Als er in der Bundesregierung etwas hätte leisten müssen, da begab er sich auf die Flucht. Ich finde, Vorsitzender der SED-Nachfolgepartei, das ist dafür eine angemessene Bestrafung. Liebe Freunde, der Fall der Mauer, dessen 20. Jahrestag wir im kommenden Jahr begehen, kann uns alle in Deutschland stolz und dankbar machen. Stolz, weil es ohne Widerstand und Opposition der Menschen in der DDR die deutsche Einheit nicht gegeben hätte. Und dankbar auch, weil es ohne Prag 1968, ohne die Solidarnoscz in Polen, ohne die Treue der Vereinigten Staaten von Amerika, ohne die Reiseerleichterungen einerseits wie auch die Festigkeit im Grundsätzlichen andererseits und – ja - auch ohne den Reformkurs von Michail Gorbatschow die deutsche Einheit ebenso wenig gegeben hätte wie ohne das beherzte Handeln von Helmut Kohl und das Vertrauen, das er in Ost und West genoss. Der 9. November mit dem Mauerfall und der 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit – das sind keine ost- oder westdeutschen Ereignisse. Das sind gesamtdeutsche Ereignisse. Sie gehören zu den glücklichsten Tagen in der Geschichte unserer Nation. Und mit Stolz können wir sagen: die Union hat hieran einen entscheidenden Anteil. Liebe Freunde, warum sollten wir heute – im Zeitalter der Globalisierung - nicht den gleichen Mut zu einer großen, verbindenden Idee haben, wie unsere Gründungsmütter und Gründungsväter ihn hatten? Nur weil manche glauben, die Krise heute sei kleiner

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als die Herausforderungen der Vergangenheit, nur deshalb muss das doch noch lange nicht heißen, dass wir auch kleinmütig sein müssten. Lassen Sie uns auf diesem Parteitag in Stuttgart diese Idee formulieren: Wir wollen für die beiden grandiosen Gedanken, die uns Frieden und Wohlstand gebracht haben, in der Welt werben. Das waren der Gedanke der Sozialen Marktwirtschaft und der Gedanke der Einigung der Völker Europas. Heute heißt das: Wir wollen, dass die Welt in einer menschlichen Marktwirtschaft lebt. Und damit dies möglich wird, wollen wir mit den Völkern der Welt zusammenwirken. Ich sage, wir haben die historische Pflicht, dieses Ziel zu befördern. Wer, wenn nicht wir, ergreift besser Partei für eine menschliche Weltwirtschaft! Heute geht es um die Wünsche von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Sie warten darauf, dass die Weltwirtschaft einen Ordnungsrahmen bekommt, der ihnen ein würdiges Leben ermöglicht, der sie vor Exzessen schützt und der ihre Lebensgrundlagen bewahrt. Die Welt braucht eine Weltwirtschaftsordnung. Dieser Gedanke wurde schon in Washington beim Weltfinanzgipfel von vielen unterstützt. Die G8 sind wichtig, aber nicht mehr ausreichend. Die G20 sind ein Fortschritt, aber noch nicht das ganze Bild der Welt. Und deshalb brauchen wir so, wie wir für die Fragen der Sicherheit und der Menschenrechte die Vereinten Nationen und einen UN-Sicherheitsrat haben, für die Wirtschaft einen Weltwirtschaftsrat. Wir brauchen eine Wirtschafts-UNO. Das beginnt nicht bei Null. Einen Anfang dafür haben wir schon im Rat für Wirtschafts- und Sozialfragen der UNO (Ecosoc), aber dieser Rat muss gestärkt und ausgebaut werden. Heute führt er ein Schattendasein. Das muss sich ändern. 2009 ist das Jahr der Chance, diesem Ziel näher zu kommen. Liebe Freunde, was macht mich, was macht uns Europäer so mutig und entschlossen, solche Ideen zu formulieren? Es ist die europäische Erfolgsgeschichte, die mit Institutionen für die wirtschaftliche Ordnung begann. Erst bei Kohle und Stahl, dann bei Energie, später der Binnenmarkt und schließlich sogar eine gemeinsame Währung, die auf dem europäischen Stabilität- und Wachstumspakt fußt. Dieser Pakt macht gemeinsames Wirtschaften möglich. Wenn es eine Lehre aus den internationalen Wirtschaftskrisen des letzten Jahrzehnts gibt, dann ist es diese: Wachstum braucht Stabilität. Wachstum ohne Stabilität ist der Lärm vor dem Zusammenbruch. Die CDU hat deshalb Stabilität und Wachstum zur Grundlage des europäischen Ausgleichs machen können. Der

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Welterfolg des Euro steht auf genau diesem Fundament. Dieses Fundament wird die CDU, wird die Union niemals aufgeben. Jetzt ist Wachstum und Stabilität unsere Botschaft für die internationalen Verhandlungen für eine Weltwirtschaft, die Exzesse nicht fördert, sondern erschwert. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt und die gemeinsame Lissabonstrategie geben Europa Möglichkeiten, auf europäischer Ebene gemeinsam zu handeln und dies mit nationalen Maßnahmen zu kombinieren. Genauso können wir es auch weltweit angehen, Schritt für Schritt. Der nächste Schritt auf einem langen Weg wird im April das nächste G20-Treffen sein. Der Gedanke des Stabilitäts- und Wachstumspakts muss weltweit verankert werden. Dafür werde ich mich auf diesem Treffen einsetzen. Wir wissen, dass der europäische Weg anspruchsvoll war. Die deutschen Bundeskanzler von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl haben ihn unermüdlich verfolgt, vorneweg zusammen mit ihren französischen Partnern und Freunden bis heute. Der Weg zu einer Weltwirtschaftsordnung wird noch schwieriger werden, denn die Interessen und Kulturen der Völker der Welt sind noch vielfältiger, ich mache mir da keinerlei Illusionen, aber dieser Weg ist jede Anstrengung wert. Und er ist ohne vernünftige Alternative, wenn wir verstehen: Eine globale Krise lässt sich nur global lösen und genau das hilft den Menschen zu Hause im eigenen Land. Bei meinem ersten Treffen mit dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama, werde ich für dieses Ziel werben. Liebe Freunde, Deutschland ist für diese Aufgabe gut gerüstet. Für die Christlich Demokratische Union bedeutet das jetzt und in der nächsten Legislaturperiode nach innen wie nach außen: Eine Politik fortzusetzen, die sich an Werten und Interessen gleichermaßen orientiert, die keine Gegensätze zwischen Werten und Interessen aufbaut, sondern beides miteinander im Zusammenhang sieht. Denken Sie an den Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende. Die unantastbare Würde jedes einzelnen Menschen ist in unserem christlichen Menschenbild unverzichtbar. Von diesem Kerngedanken her machen wir Politik. Deshalb wird es mit uns auch eine Legalisierung der Sterbehilfe niemals geben. Wir wollen den Menschen ein würdiges Sterben ermöglichen. Aber wir sind gegen das Sterben der Würde. Denken wir auch an eine neue Regelung bei den Spätabtreibungen. Hier geht es um vergleichsweise wenige Fälle. Aber wenn es um die Würde des Menschen geht, dann braucht es keine großen Fallzahlen, um ein Thema für uns wichtig zu machen. Denken wir an unsere Politik für die Migranten in unserer Gesellschaft. Wir sind für Integration, nicht für Multikulti. Folgenden Satz habe ich vor einiger Zeit gelesen: „Die Multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion von Intellektuellen.“ Gesagt hat ihn ...

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Helmut Schmidt. Recht hat er. Ob man für eine solche Aussage in der SPD heute schon eine Rüge bekommt? Liebe Freunde, für uns dagegen ist klar: Wer sich bei uns integrieren möchte, soll einsteigen und aufsteigen können und seine Talente in unser Gemeinwesen einbringen. Natürlich, wenn er unsere Gesetze anerkennt. Deutschland ist Integrationsland. Die Islamkonferenz und die Integrationskonferenz bedeuten das Ende eines jahrzehntelangen Schweigens, das hierzu in unserem Land geherrscht hat. Der Nationale Integrationsplan ist ein echter Meilenstein. Denken wir nicht zuletzt auch an die Außen- und Sicherheitspolitik. Unsere Werte leiten unser politisches Handeln nicht nur bei uns zu Hause, sondern weltweit. Das gilt, wenn wir dem Iran klar sagen, dass wir eine Nuklearbewaffnung nicht akzeptieren können und er seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen muss. Das gilt auch bei der Bekämpfung der Piraterie oder der Schaffung politischer Stabilität in Afghanistan. Liebe Freunde, wir wissen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten dabei unter Einsatz ihres Lebens für unsere Freiheit eintreten. Dafür danken wir ihnen. Und es war überfällig, dass unser Verteidigungsminister den Bau eines Ehrenmales für diejenigen durchgesetzt hat, die in dem Kampf um die Freiheit ihr Leben verloren haben. Unsere Werte werden uns auch darin leiten, wenn wir uns weiter für eine Neuordnung der internationalen Sicherheitsarchitektur einsetzen. 60 Jahre NATO – das feiern wir im nächsten Frühjahr in Kehl und Straßburg. Das wird der Ort sein, an dem die NATO einen neuen, einen entscheidenden Anlauf zu neuen Strukturen nehmen muss, um als Sicherheits- und Wertegemeinschaft auch im 21. Jahrhundert stark sein zu können. Liebe Freunde, es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, und es wird sich auch in den nächsten Jahren zeigen: Die Welt wartet nicht auf uns. Deshalb werden wir in der nächsten Legislaturperiode alles daran setzen, unser Land noch stärker zu machen. •

Durch eine Strukturreform für ein einfacheres und gerechtes Steuersystem, das die Leistungsträger motiviert, den Missstand der kalten Progression abschafft und Familien stärkt, mehr Netto von Brutto ist unser Ziel.



Wir wollen unser Land stärker machen durch ein Arbeitsgesetzbuch, das noch mehr Menschen die Chance für Arbeit gibt. Vollbeschäftigung in unserem Lande bleibt unser Ziel.



Wir wollen unser Land stärker machen durch das Eintreten für faire Löhne, der Stärkung der Tarifautonomie und ein Mindesteinkommen statt Mindestlohn,

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durch eine Alterssicherung, die trotz demographischen Wandels das im Arbeitsleben Geleistete auch in der Rente anerkennt,



durch eine Pflegeversicherung, die durch eine Kapitaldeckung zukunftsfest gemacht wird,



durch eine Politik, die die paritätischen Lohnzusatzkosten dauerhaft unter 40 % hält,



durch eine Energiepolitik, die das Industrieland Deutschland stärkt. Wir wollen einen Energiemix aus erneuerbaren Energien, Kohle, Gas und Kernenergie und stoppen den Ausstieg aus der Kernenergie.



Wir wollen unser Land stärker machen durch eine Politik, die aus der Bundesrepublik eine Bildungsrepublik macht. Dabei setzen wir Schritt für Schritt – Bund und Länder gemeinsam – das Ziel um, bis 2015 10 % des BIP für Forschung und Bildung auszugeben. Dazu knüpfen wir an die Erfolge der Bildungspolitik der unionsregierten Länder an, sei es die der PISA-Studie – Glückwunsch an Sachsen – oder bei den Exzellenzuniversitäten, von den allen vier in Baden-Württemberg beheimatet sind. Wir setzen auf Vielfalt, in der jeder Jugendliche eine Chance bekommt. Die Einheitsschule lehnen wir ab.



Wir wollen unser Land stärker machen durch eine Politik, die die Integration der Migranten weiter in das Zentrum der Politik stellt. Ohne Integration, insbesondere der jungen Menschen, werden wir den demographischen Wandel nicht ohne Verlust an Wohlstand gestalten können.



Wir wollen unser Land stärker machen durch eine Politik, die Familien stärkt, indem wir ein Familiensplitting schrittweise einführen, das Betreuungsgeld durchsetzen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessern,



durch eine neue Politik für die ältere Generation. So wie wir hier sitzen, werden wir im Durchschnitt 90 Jahre alt. Darauf müssen wir durch ein Aktiv-AltersProgramm eine Antwort geben. Und den Zusammenhalt der Generationen stärken.



Wir wollen unser Land stärker machen durch eine Politik, die erst erarbeitet, was sie danach verteilt, eine Politik, die das Schuldenmachen beendet, um den kommenden Generationen Spielräume zu lassen.

Das, liebe Freunde, sind nur einige der Aufgaben, vor denen wir ab Herbst 2009 für die neue Legislaturperiode stehen. Dazu brauchen wir eine starke Union, um dieses Programm umzusetzen. Und wir wollen es als starke Union gemeinsam mit der FDP in der neuen Regierung umsetzen. Liebe Freunde, während wir national und international handeln, während wir unsere Agenda für die nächste Legislaturperiode festlegen, beschäftigen andere sich mit sich selbst. Ich habe gerade in einigen Zeitungen gelesen, dass die SPD ihren Wahlkampfslogan ...

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festgelegt hat. Er soll heißen: „lebendig, einig, mutig“. Wir sollten uns das auf der Zunge zergehen lassen: Lebendig, einig, mutig. Da wurden wohl die Erfahrungen aus der Hessen-SPD verarbeitet. Lebendig geht es dort in der SPD ganz bestimmt zu. Es gibt auch Mutige, es sind genau vier. Und wenn sie rausgeekelt worden sind, dann wird sich die hessische SPD ungestört einig, und zwar mit der Linken. Die SPD und die Linken haben in Hessen vorgemacht, was Deutschland im nächsten Jahr blühen kann: Erst werden die Wähler angelogen, und dann soll ein linksroter Durchmarsch kommen. Die SPD ist tatsächlich zweimal mit dem gleichen Kopf gegen die gleiche Wand gerannt. Jetzt lernt sie dazu. Sie nimmt einen neuen Kopf. Aber der rennt schon wieder gegen die gleiche Wand. Lieber Roland Koch, liebe Freundinnen und Freunde aus Hessen! Ihr habt gezeigt, was Verantwortungsbewusstsein bedeutet. Ihr habt Euch neues Vertrauen erworben. Erspart Hessen und Deutschland, dass unbelehrbare DKPKader im Land der Paulskirche mitregieren. Darum werden wir gemeinsam kämpfen. Lieber Roland Koch: Die ganze CDU steht an Eurer Seite. Das Gleiche sage ich unseren anderen Landesverbänden zu, die im kommenden Jahr ihre erfolgreiche Regierungsarbeit den Wählerinnen und Wählern zur Abstimmung stellen und um erneutes Vertrauen werben: Lieber Dieter Althaus, lieber Peter Müller, lieber Stanislaw Tillich, liebe Johanna Wanka: Lasst uns im kommenden Jahr zeigen, dass die CDU gemeinsam für den Erfolg arbeitet! Denn es gilt: Wo die CDU regiert, da geht es den Menschen besser. In Hessen, in Thüringen, im Saarland, in Sachsen, in Brandenburg und natürlich auch bei der Europawahl, den Kommunalwahlen und der Bundestagswahl: Wir wollen gemeinsam für unsere Überzeugungen kämpfen. Wir wollen den Führungsanspruch der Christlich Demokratischen Union Deutschlands in Europa, im Bund, in den Ländern und in den Kommunen deutlich machen. Alles, was wir tun, tun wir, um die Grundlage dafür zu stärken, dass Deutschland offen bleibt. Offen für den Wandel, für Innovation, für die Initiative des Einzelnen, die Leistungsbereitschaft der Vielen, die Hilfe für die Hilfsbedürftigen und das Verantwortungsbewusstsein aller in der staatlichen Gemeinschaft. Denn das und nur das ist die Grundlage unseres Wohlstandes und unserer Zukunftsfähigkeit. Das kommende Jahr wird ein Superwahljahr. Es liegt in unserer Hand, dass es ein super Wahljahr für die Union wird. Wenn wir zusammenstehen. Wenn wir gemeinsam handeln. Dann dienen wir unserem Land. Deutschland zu dienen, das war mein Einsatz für die erste Runde. Das ist mein Einsatz auch für die nächste Runde. Das schaffe ich nur mit Ihrer Unterstützung. Um die bitte ich Sie auch weiterhin.

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Denn, liebe Freunde, vor uns liegt ein forderndes Jahr. Es wird nicht einfach. Deutschland braucht dafür Verantwortungsgefühl, Entschlossenheit und praktische Vernunft. Deutschland braucht die Mitte. Die Mitte, das ist Deutschlands Stärke. Die Mitte, das sind wir. Das wird unser Jahr. Vielen Dank.

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