Personen: Vorspiel Kurzinfo: HA: NA: HA:

Das Bühnenspiel - 419 nach acht läutet die Schulglocke, außer in den Ferien Per Nilsson / Christian Tietz natürlich, um zwanzig nach zwei ist die S...
Author: Lucas Schuster
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Das Bühnenspiel - 419

nach acht läutet die Schulglocke, außer in den Ferien

Per Nilsson / Christian Tietz

natürlich, um zwanzig nach zwei ist die Schule aus, nur

Die Dreizehn-Uhr

Donnerstags nicht, da hört sie schon um zwei Uhr auf, um

Aus dem Schwedischen von BRIGITTA KICHERER

halb fünf holt Papa sie ab, nur Freitags nicht, da holt Mama

Für die Bühne bearbeitet von CHRISTIAN TIETZ

sie ab, - und so geht es weiter, bis Hanna ins Bett muss, wo sie dann schläft, "was das Zeug hält". An Schlaf ist

"Klockan tretton"

aber bald nicht mehr zu denken, nachdem sie in Besitz

von Per Nilsson, - Alfabeta, Bokförlag, Stockholm, 1993

einer ungewöhnlichen Uhr ist, denn Stunde für Stunde

Deutsche Übersetzung "Da schlägts Dreizehn"

verschiebt sich Hannas Tag. Dass sie nun erst eine

von Brigitta Kicherer, - Sauerländer Verlag, Aarau, 1997

Stunde zu spät in die Schule kommt, bald aber erst dann, wenn die anderen gerade in die Mittagspause gehen oder

Bestimmungen über das Aufführungsrecht

dass Mama und Papa schon im Bett sind, wenn sie zu

Das Recht zur einmaligen Aufführung dieses Stückes wird

Abend isst und ihre Lieblingsfernsehserie wohl nicht mehr

durch den Kauf der vom Verlag vorgeschriebenen Bücher

ausgestrahlt zu werden scheint, gehört zu Hannas neuem

erworben. Für jede Wiederholung bzw. weitere Aufführung

Alltag. Doch nur deshalb lernt sie den Landstreicher Bengt

des Stückes muss eine vom Verlag festgesetzte Gebühr

nachts im Park kennen, der sie schließlich in die Schule

vor der Aufführung an den Deutschen Theaterverlag,

begleitet, sie erlebt, dass Sara vielleicht doch nicht ihre

Grabengasse 5, 69469 Weinheim gezahlt werden, der

beste Freundin ist - und sie lernt, auf sich selbst zu

dann die Aufführungsgenehmigung erteilt.

vertrauen. An ihrem Geburtstag bekommt Hanna dann von

Für jede Aufführung in Räumen mit mehr als 300 Plätzen

Oma eine "richtige Uhr" geschenkt, und der Alltag hat

ist außer dem Kaufpreis für die vorgeschriebenen

Hanna wieder.

Rollenbücher eine Tantieme an den Verlag zu entrichten. Diese Bestimmungen gelten auch für

Spieltyp: Kinderstück, von Erwachsenen

Wohltätigkeitsveranstaltungen und Aufführungen in

für Kinder gespielt

geschlossenen Kreisen ohne Einnahmen.

Bühnenbild: Einfache Bühne genügt

Unerlaubte Aufführungen, unerlaubtes Abschreiben,

Spieler: 5w, 3m 1 bel.,

Vervielfältigen oder Verleihen der Rollen müssen als

Spieldauer: Ca. 50 Min.

Verstoß gegen das Urheberrecht verfolgt werden. Den

Aufführungsrecht: 10 Bücher

Bühnen gegenüber als Handschrift gedruckt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, Verfilmung,

Personen:

Rundfunk- und Fernsehübertragung, sind vorbehalten.

HA und NA als Hanna 1 und Hanna 2,

Das Recht zur Aufführung erteilt ausschließlich der

XYZ, Mama, Papa, Lehrerin, Bengt, PolizistIn,

Deutsche Theaterverlag, Grabengasse 5, 69469

Oma, evtl. Sara, die Klasse.

Weinheim/Bergstraße.

Das Stück kann mit vier oder vielen Schauspielern gespielt

Für die einmalige Aufführung dieses Stückes ist der Kauf

werden. Das Stück kann auch mit vielen Hannas gespielt

von 10 Textbüchern vorgeschrieben. Zusätzliche

werden, wo zum Beispiel jeden Morgen eine andere Hanna

Textbücher können zum Katalogpreis nachbezogen

aus dem Bett krabbelt.

werden. Vorspiel Kurzinfo:

HA:

Bühnenfassung nach Per Nilssons Roman "Klockan

Ich stehe jeden Tag um sieben Uhr auf, nur samstags und

tretton". Ein geheimnisvoller Fremder verschenkt eine Uhr

sonntags nicht. - Um Viertel vor acht mache ich mich auf

mit dreizehn Stunden, die das Leben eines Mädchens

den Weg zur Schule,

gehörig durcheinanderbringt. Kindertheater für erfahrene

NA:

Ensembles und professionelle Regie.

außer in den Ferien natürlich.

Hannas Leben ist gut durchstrukturiert, wie sie uns gleich

HA:

zu Anfang aufzählt: um sieben steht sie auf, um viertel 1

Um Viertel nach acht läutet die Schulglocke. Zwanzig nach

Und das weiß Oma auch. Also kann ich an meinem

zwei ist die Schule aus,

Geburtstag garantiert mit einem Paket rechnen, in dem

NA:

eine Uhr liegt.

nur donnerstags nicht.

NA:

HA:

Mein Geburtstag ist am Sonntag.

Da hören wir nämlich schon um zwei Uhr auf. - Um halb

HA:

fünf holt Papa mich vom Freizeitheim ab, nur freitags nicht,

Bis dahin ist es nur noch eine Woche.

NA:

NA:

weil mich dann Mama abholt.

Bis dahin muss ich noch ohne Uhr auskommen. -

HA:

HA:

Um Viertel nach sechs fängt die Kindersendung im

Das habe ich mir so gedacht. Das habe ich tatsächlich

Fernsehen an. - Abends um halb neun gehe ich ins Bett.

geglaubt. Aber so kam es nicht.

NA:

XYZ:

Außer dienstags,

Psst!

HA:

NA:

dann darf ich nämlich eine Fernsehserie gucken, die erst

Was ist?

um neun aus ist. Um zwölf Uhr nachts schlafe ich, was das

XYZ:

Zeug hält.

Ich habe ein Geschenk für dich.

NA:

HA:

Und zwar immer.

Natürlich weiß ich, dass man als kleines Mädchen keine

HA:

Geschenke von fremden Männern annehmen darf. - Aber

Außer an Silvester natürlich. - Man muss wirklich

dieser Mann sah irgendwie gar nicht so aus wie einer von

unheimlich viele verschiedene Zeiten im Kopf behalten. -

diesen fremden Männern. Aber ein bisschen misstrauisch

Im Frühling war es noch viel schlimmer, da musste ich mir

war ich trotzdem.

auch noch die Gymnastik, den Bastelklub und drei

NA:

Fernsehserien merken. Inzwischen habe ich alles

Ein Geschenk? Was denn für eins? Und warum?

aufgesteckt.

XYZ:

NA:

Das hier! - Weil du es dir gewünscht hast.

Nur meine Dienstagsserie nicht.

(Schwups! Eine Uhr)

HA:

Bitte sehr!

Trotzdem gibt es noch genügend verschiedene Zeiten, die

NA:

man beachten muss. - Und ich kann die Uhr sehr gut.

Da...anke! -

NA:

XYZ:

Nur habe ich keine.

Gefällt sie dir nicht?

HA:

HA:

"Wenn du die Uhr kannst, schenke ich dir eine schöne

Die Uhr war nämlich offensichtlich schon alt und

eigene Uhr",

gebraucht. Sehr gebraucht sogar. Das Glas war

NA:

zerschrammt und hatte seitlich einen Sprung. Und das

hat meine Oma vor fast einem Jahr gesagt.

Armband war schon ausgefranst und ziemlich hässlich.

HA:

Außerdem stimmte irgendwas nicht mit der Uhr. Sie sah

Und dabei konnte ich schon damals die Uhr - wenigstens

irgendwie nicht aus wie eine normale Uhr. Aber ich kam

beinah.

einfach nicht dahinter, woran das lag. - Wenigstens nicht

NA:

sofort.

Inzwischen kann ich sie aber total - ganz und gar.

NA:

HA:

Doch, doch. Sie ist ... schön. Aber geht sie überhaupt? XYZ:

2

Ohohoo! Und ob die geht! Die ist schon immer gegangen.

Aber Mama wollte ich die Uhr nicht zeigen, dazu war sie

Und sie wird immer gehen.

einfach zu hässlich. Und ich wollte auch nicht erzählen,

NA:

wie ich zu der Uhr gekommen war, denn dann würde

Aber ... Irgendwas an ihr ist komisch. Sind das nicht

Mama nur misstrauisch werden und mich ausfragen

ziemlich viele Zahlen? Soll die wirklich so aussehen?

wollen. - Nein, diese Uhr würde ich keinem Menschen

XYZ:

zeigen.

Natürlich muss sie so aussehen! So hat sie schon immer

NA:

ausgesehen. Und so wird sie immer aussehen. Du kannst

Das ist doch kein Bett. Das ist doch eine Rutschbahn.

dich auf mich verlassen ... Nein, verlass dich lieber nicht

PAPA:

auf mich. An deiner Stelle würde ich das nicht tun. Aber

Hm.

verlass dich dafür auf dich selbst. Und verlass dich auf

HA:

deine Uhr. - So, und jetzt zeig mir, dass du die Uhr auch

Papa hatte den ganzen Nachmittag und den ganzen

schön umbindest, mein kleines Fräulein. - Ja, die Uhr steht

Abend versucht, im Schlafzimmer ein Bett von IKEA

dir gut.

zusammenzuschrauben, nachdem er am Vormittag zwei

NA:

große, flache Pappkartons angeschleppt hatte.

Also ... also krieg ich sie wirklich? Einfach so?

MAMA:

XYZ:

Haben wir für heute Nacht überhaupt ein Bett, in dem wir

Du kriegst sie einfach so. - Bis auf Weiteres.

schlafen können?

NA:

PAPA:

Recht vielen Dank.

Das hier ist in null Komma nix fertig!

(angedeuteter Knicks)

HA:

XYZ:

Als ich später in meinem Bett lag, konnte ich ihn nebenan

Ist schon gut.

immer noch schrauben, fluchen und seufzen hören.

(Poff)

MAMA:

HA:

Jetzt ist es schon neun. Bald ist es Schlafenszeit.

Poff. Weg war er.

PAPA:

NA:

Ja, ja.

Ich kann sie ja bis zu meinem Geburtstag tragen. Dann

NA:

schenkt Oma mir eine schöne neue Uhr. Das hat sie

Punkt neun. - Eine gute Uhr. Zuverlässig. Aber hässlich. -

versprochen. Und diese Uhr ist besser als gar keine. -

Hässlich. Aber zuverlässig.

Irgendwas Komisches hat sie zwar an sich, aber es ist

MONTAG

immerhin meine erste ganz eigene Uhr.

MAMA:

NA:

Raus aus den Federn, mein Schatz! Ich muss jetzt los.

Wie spät ist es? -

Papa ist schon weg. Küsschen!

MAMA:

NA:

Zehn vor sechs. Ich wäre wirklich froh, wenn du endlich

Küsschen, Küsschen. - Sechs Uhr!

eine eigene Uhr hättest. Du fragst ja mindestens

(NA hält die Uhr ans Ohr, sie tickt fleißig)

siebenundzwanzigmal am Tag, wie spät es ist.

HA:

(NA schaut auf ihre Uhr)

Warum hat Mama mich denn so früh geweckt?

HA:

NA:

Stimmt gar nicht. Ich frage höchstens zwanzigmal. Und du

Wahrscheinlich musste sie heute einfach früher anfangen

weißt genau, dass Oma mir am Sonntag eine Uhr

oder irgendsowas.

schenken wird.

HA:

NA:

Wunderbar, da konnte ich noch eine ganze Stunde im Bett

Zehn vor sechs. Sie geht richtig. Gut.

bleiben und faulenzen. - Dann ging ich zum Frühstücken in

HA:

die Küche. Du liebe Zeit! NA: 3

Acht Uhr!

(SARA: Warum kommst du so spät?)

HA:

NA:

Schnell lief ich ins Schlafzimmer meiner Eltern und schaute

Psst!

auf den Radiowecker. Die grünen Ziffern leuchteten:

HA:

NA:

Habe ich schon erwähnt, dass ich Hanna heiße?

08:02.

HA:

HA:

An diesem Montag gab es eine Stunde früher als sonst

Oje.

Mittagessen in der Schule. Und Papa holte mich schon um

(NA schaut auf ihrer Uhr nach)

halb drei vom Freizeitheim ab.

NA:

NA:

Kurz nach sieben! -

Warum kommst du so früh?

HA:

PAPA:

Verlass dich auf deine Uhr, hatte der Mann gesagt.

Hm.

NA:

HA:

Und verlass dich auf dich selbst. - Und das mache ich

Mein Papa antwortet fast nie, wenn ich ihn etwas frage.

auch.

Wahrscheinlich hört er schlecht. - Aber dafür riecht er gut.

HA:

HA:

Also setzte ich mich hin, um in aller Ruhe zu frühstücken.

Im Fernsehprogramm hatte es auch Änderungen gegeben.

Ich fand es viel netter und erholsamer, mich auf mich

Als ich um Viertel nach sechs den Fernseher anschaltete,

selbst zu verlassen, als gleich zur Schule loszuhetzen. -

kam keine Kindersendung. Womöglich hatte das etwas mit

NA:

diesen komischen Einsparungen zu tun, von denen immer

(mit Rucksack)

die Rede war.

So munter wie heute habe ich mich schon lange nicht mehr

NA:

gefühlt.

Und was ist mit all den vielen unschuldigen kleinen

HA:

Kindern, die sich auf die Sendung gefreut haben? Ist so

Der Schulhof lag ungewöhnlich leer und verlassen da.

was überhaupt erlaubt?

NA:

HA:

(mit einem Blick auf ihre Uhr)

An diesem Abend war ich ungewöhnlich müde. Draußen

Fünf nach acht.

war es auch ungewöhnlich dunkel.

HA:

NA:

Der Schulflur war auch leer.

Gute Nacht!

NA:

PAPA:

Komisch. Habe ich einen Ausflug oder sowas verpasst?

Wieso bist du noch nicht im Bett?

HA:

HA:

Sicherheitshalber warf ich einen Blick ins Klassenzimmer.

Was sollte das heißen? Heute ging ich doch sogar eine

LEHRERIN:

Stunde früher als sonst ins Bett! - Meine Uhr steckte ich

Guten Morgen, Hanna!

wieder unters Kopfkissen. Ich hatte mich einen ganzen

NA:

Tag auf sie verlassen und das hatte gut geklappt.

Habt ihr schon angefangen?

NA:

LEHRERIN:

Wenigstens einigermaßen.

Du bist wirklich zu komisch, Hanna! Dir kann man einfach

DIENSTAG

nicht böse sein. So, komm jetzt herein und setz dich auf

MAMA:

deinen Platz. Wir nehmen gerade die Steinzeit durch.

Raus aus den Federn, mein Schatz! Ich muss jetzt los.

HA:

Küsschen!

Warum hätte sie mir denn böse sein sollen? - Übrigens

NA:

kann Frau Lindmann gar nicht böse werden. Meine

Küsschen, Küsschen, Mama.

Lehrerin ist nämlich ein Engel.

(Gähnen, auf die Uhr sehen) 4

Was?! Erst vier Uhr! Vier Uhr morgens!

NA:

HA:

Ah, Sie sind das! Die hier können Sie von mir aus

Warum ging Mama so früh zur Arbeit? Und warum hatte

wiederhaben. Die ist ja total wertlos. Total unbrauchbar!

sie mir nichts davon gesagt?

XYZ:

NA:

Wertlos? Oh, nein, das kann ich gar nicht glauben.

Ein Glück, dass ich eine eigene Uhr habe, sonst wäre ich

NA:

ja viel zu früh aufgestanden.

Sie geht echt mordsmäßig nach. Sehen Sie doch selbst!

HA:

Jetzt komme ich auch noch zu spät zur Schule!

Und dann schlief ich wieder ein. - Punkt sieben wachte ich

XYZ:

auf. Sprang aus dem Bett, hüpfte in die Küche und ... Die

Die Uhr geht kein bisschen nach. Nicht eine Minute geht

Küchenuhr zeigte ...

sie nach!

NA:

NA:

zehn Uhr!

Und was soll das hier sein? - Auf meiner Uhr ist es erst

HA:

acht! Und auf allen anderen Uhren ist es elf!

Das war doch einfach unmöglich.

XYZ:

NA:

Woher willst du wissen, dass alle anderen Recht haben

Das kann nicht stimmen. Die Batterien müssen leer sein.

und du dich irrst? Du musst dich doch auf dich selbst

HA:

verlassen. Habe ich dir das nicht schon gesagt? Verlass

Ja, das war die Erklärung. Und ich schüttete Milch über die

dich auf dich selbst. Und auf deine Uhr.

Cornflakes. - Nachdem ich gefrühstückt hatte, wischte ich

NA:

den Tisch ab und spülte das Frühstücksgeschirr. Dann

Aber ...

putzte ich mir extragründlich die Zähne, goss sämtliche

XYZ:

Topfpflanzen in der ganzen Wohnung und sortierte die

Versuch es. Es wird hinhauen. Mach dir nichts draus, was

Schuhe in der Garderobe. - Ich fühlte mich herrlich munter

die anderen sagen oder meinen. Verlass dich auf dich

und ausgeruht. - Auf dem Schulweg hüpfte ich wie ein

selbst!

glückliches Kaninchen vor mich hin und sang dazu

NA:

fröhliche Lieder ... bis ich zum Uhrmacher kam,

Aber ...

"Jakobssons Gold & Uhren".

XYZ:

(NA mustert die Zuschauer, "die Uhren")

Mach's gut. Bis bald. Und viel Glück, mein kleines Fräulein!

Im Schaufenster lagen Hunderte von Uhren. Hunderte von

(Poff)

verschiedenen Uhren. Und sämtliche Uhren, von der

HA:

allerkleinsten Brilliantuhr bis zur großen Standuhr, zeigten

Poff! Und weg war er. - Warum soll ich diesem Heini - mit

alle ein und dieselbe Zeit:

seinen schwarzen Kleidern und seinem falschen Lächeln -

NA:

glauben?

Elf Uhr. Eine Minute nach elf.

NA:

(NA vergleicht)

Aber ... Trotz allem ist es meine eigene Uhr. Meine erste

Eine Minute nach acht! - Dieser Kerl hat mich doch

eigene Uhr.

tatsächlich reingelegt. Er hat mir eine wertlose Mistuhr

HA:

geschenkt!

Und allmählich hatte ich sie sogar gern, obwohl sie

HA:

hässlich war. Und obwohl sie mehr Ziffern hatte als

Direkt vor dem Uhrenladen gab es einen Gully ...

irgendeine der vielen Uhren im ganzen Schaufenster. - Sie

NA:

sah fast ein wenig traurig aus, als wüsste sie, dass ich sie

Typisch. Da hat man endlich eine eigene Uhr und dann

in den Gully hatte werfen wollen.

muss das so eine Mistuhr sein. - Tschüss, du doofe

NA:

Mistuhr ...

Du bist wohl die einsamste kleine Uhr auf der ganzen Welt.

XYZ:

- Also gut. Von mir aus. Dann mache ich eben noch einen

Hrm!

Versuch und verlasse mich auf mich selbst und meine Uhr. 5

Aber nur diese eine Woche. Am Sonntag schenkt mir Oma

immerhin. - Also brummte ich irgendetwas als Antwort und

eine Geburtstagsuhr. Einen Versuch kann ich noch

schlief wieder ein. - Um sechs wachte ich auf und ging in

machen. Mal sehen, was daraus wird.

die Küche.

HA:

(NA macht das)

Heute war der Schulhof voller Kinder, genau wie sonst

Die Küchenuhr zeigte elf. Ich stellte sie auf sechs zurück,

auch, wenn man zur Schule kommt. Aber eine Sache war

weil mich das so nervös machte. Dann frühstückte ich,

trotzdem ungewohnt. Wenigstens für mich war es

staubsaugte die ganze Wohnung, wischte den

ungewohnt, am frühen Morgen als erstes Mittag essen zu

Küchenboden auf, sortierte alle Bücher in meinem

müssen. Um Viertel nach acht. Alle anderen Kinder

Bücherregal der Größe nach und putzte mir dreimal die

schienen das ganz normal zu finden.

Zähne. Und die ganze Zeit sang ich wie ein

(SARA: Wo bist du gewesen?)

wildgewordener Rocksänger. - Ich hätte es nie für möglich

NA:

gehalten, dass ich ein solcher Frühaufsteher sein konnte! -

Zuhause natürlich.

Das Telefon läutete ein paar Mal, aber das überhörte ich,

HA:

weil der Staubsauger so laut röhrte. Oder ich, als

Papa kam um halb eins.

Rocksänger.

NA:

HA:

Holst du mich jetzt schon ab?

Auch heute waren ziemlich viele Kinder auf dem Schulhof.

PAPA:

(SARA: Wo bist du den ganzen Tag gewesen?)

Hm.

LEHRERIN:

HA:

Wo bist du den ganzen Tag gewesen, Hanna?

An diesem Abend war ich noch müder. Wenn das so

NA:

weitergeht, macht diese Uhr einen Frühaufsteher aus mir.

Beim Ohrenarzt. Er musste nämlich nachgucken, ob meine

Mama und Papa waren offensichtlich auch müde, denn als

Ohrenröhren noch alle drin sind.

die Kindersendung endlich anfangen sollte, waren beide

LEHRERIN:

schon im Bett. Als ich den Fernseher einschaltete, landete

Aha. Aber wenn du nächstes Mal zum Arzt musst, bitte

ich mitten in einem Film, wo ein Mann und eine Frau ohne

deine Mutter lieber, dir vorher eine Entschuldigung

Kleider alles Mögliche miteinander anstellten. Ganz gewiss

mitzugeben. Sonst mache ich mir Sorgen und denke, dass

keine Kindersendung. Wo war denn meine Lieblings-

du vielleicht krank bist oder so.

Dienstagsserie geblieben? Ich gähnte und gähnte und

NA:

wanderte durch die stille, dunkle Wohnung, bis es auf

Mm.

meiner Uhr endlich acht war. Falls ich mich wirklich auf

HA:

meine Uhr verließ, würde ich in dieser Woche nicht viel

An diesem Tag ging ich nur eine einzige Stunde lang in die

fernsehen, das war mir inzwischen klar.

Schule. Und Mittagessen bekam ich auch keins. - Genau

NA:

die richtige Länge für einen Schultag, so müsste es immer

Aber ich mag dich trotzdem. Gute Nacht!

sein. - Papa holte mich um halb zwölf ab. Ich brauchte ihn

MITTWOCH

natürlich gar nicht erst zu fragen, warum er so früh kam.

MAMA:

NA:

Guten Morgen, mein Schatz. Höchste Zeit -

Guck mal, was ich gemacht hab!

HA:

(NA hält ihm eine kleine Tonschale unter die Nase)

Und so weiter.

PAPA:

NA:

Mm, sehr schön.

Um zwei Uhr nachts!

NA:

HA:

Das ist ein automatischer Toaster.

Das heißt, in meiner Zeit war es zwei Uhr nachts. Aber

PAPA:

inzwischen hatte ich beschlossen, mich nur nach meiner

Mm, sehr schön.

eigenen Uhr zu richten, daher war es für mich immer noch

NA:

Nacht. - Eine ungewöhnlich helle Nacht zwar, aber 6

Wenn man ihn an den Fernseher anschließt, wird ein Mixer

Du hast nicht zufällig ein Kopfkissen in deiner hinteren

daraus.

Hosentasche, Hanna?

PAPA:

NA:

Mm, sehr schön. So, hol` jetzt deinen Rucksack und komm

Nein. Nein, hab ich nicht. Ich habe nicht mal eine hintere

mit.

Hosentasche. -

HA:

BENGT:

Er hört nichts, sieht nichts und sagt [fast] nichts. Aber er

Kannst du nicht herkommen und einen kleinen Schwatz mit

riecht gut.

mir halten, Hanna? Ich bin nicht gefährlich. Und ich habe

MAMA:

ein paar Kerzen dabei, die kann ich anmachen.

Wir müssen neue Batterien für die Küchenuhr besorgen.

NA:

Sie ist heute stehengeblieben.

Ja, genau das hatte ich gerade vor. -

PAPA:

BENGT:

Mm.

Hier sitzt der Park-Bengt auf seiner Park-Bank. Bitte, nimm

NA:

doch Platz, kleine Hanna.

Stehengeblieben?

HA:

HA:

Nein, gefährlich sah er nicht aus. - Aber kaputt. Er hatte

Ich war nicht besonders überrascht, als Mama und Papa

kaputte Schuhe an, mit abgerissenen Schnürsenkeln. Eine

um vier Uhr nachmittags ins Bett gingen. Mir war klar, dass

kaputte, abgetragene Hose. Einen kaputten grauen Pulli

sie müde waren [wo sie immer so früh aufstanden].

und eine kaputte Jacke, die voller Flecken war. Eier,

Immerhin hatten sie ihre eigene Zeit, der sie folgen

dachte ich.

mussten. - Ich hatte meine - und war kein bisschen müde.

NA:

- In der Wohnung war es mir zu still und zu dunkel, daher

Spiegeleier.

beschloss ich, einen kleinen Spaziergang zu machen.

BENGT:

HA:

Hm?

Draußen war es ebenfalls dunkel. Es war dunkel wie die

HA:

Nacht, obwohl es auf meiner Uhr erst halb fünf war. Die

Und er roch stark und durchdringend.

Sonne und der Mond schienen sich kein bisschen nach

BENGT:

meiner Uhr zu richten. - Und Kinder waren auch keine

Bitte, nimm` doch Platz, Hanna. Wie kommt es, dass du so

draußen unterwegs. Soweit das Auge reichte, war kein

spät abends noch allein draußen unterwegs bist?

einziges Kind zu sehen.

NA:

BENGT:

Wieso denn spät? Es ist doch erst ... halb fünf.

Hallo, mein Kind!

BENGT:

NA:

So, so. Ja, was weiß ich ... Allerdings war ich der Meinung,

Wo bist du?

es sein schon nach zehn. Geht deine Uhr auch ganz

BENGT:

bestimmt richtig?

Hier.

NA:

NA:

Was heißt schon richtig. Ich richte mich jedenfalls nach ihr.

Wer bist du?

BENGT:

BENGT:

Hm! Na ja, ich selbst kümmere mich nicht um die Uhr. Ich

Bengt. - Und wer bist du?

muss keine Zeiten einhalten. Scheint die Sonne, ist es

NA:

Tag. Und dann bin ich wach. Scheint der Mond, ist es

Hanna.

Nacht. Dann schlafe ich. Und wenn ich Hunger habe, esse

BENGT:

ich. Das heißt ...

Hallo, Hanna.

NA:

NA:

Was?

Hallo, Bengt.

BENGT:

BENGT: 7

Das heißt, wenn ich etwas zu essen habe. Manchmal habe

Aber das ging doch nicht! - Von fremden Männern darf

ich was und manchmal nicht ... Aber heute habe ich Glück.

man keine Geschenke annehmen. - Und das hier ist ein

Guck mal! Äpfel!

fremder Mann. Und ein Apfel ist ein Geschenk. - Es ist

(Neben den Äpfeln und Kerzen sieht NA Papas IKEA-

schließlich allgemein bekannt, wie es Schneewittchen

Kartons)

ergangen ist.

NA:

NA:

Wozu hast du die vielen Kartons?

Ich ... ich hebe mir meinen Apfel noch auf. Hab jetzt

BENGT:

gerade keinen Hunger. Ich hebe ihn lieber auf.

Weil ich nicht frieren will.

BENGT:

NA:

Klar. Mach damit, was du willst. - Erstklassige Äpfel.

Was?

Erstklassige Ingrid-Marie-Äpfel. Hab sie selbst geklaut. In

BENGT:

einem Garten hinterm Park. - Ein Dieb bin ich aber nicht,

Nachts wird es jetzt schon ziemlich kalt. Als ich heute

falls du das glaubst. - Äpfelklauen ist erlaubt. Das gehört

Morgen aufgewacht bin, hab ich Raureif im Bart gehabt.

sozusagen zu den Menschenrechten. Das weiß doch jedes

NA:

Kind, hähä ...

Was? - Wieso? Wohnst du denn nachts hier draußen?

HA:

Schläfst du hier auf der Bank?

Oh Mannomann! Mein Zahnarzt wäre in Ohnmacht

BENGT:

gefallen. Oh Mannomann! Bengts Zähne waren der

Der Park-Bengt auf seiner Park-Bank. Ganz recht, so ist

Alptraum für jeden Zahnarzt. Oh Mannomann! Er war eine

es.

lebendige Reklame fürs Zähneputzen.

NA:

BENGT:

Aber hier bei uns haben alle Menschen ein Dach überm

Und worüber zerbricht sich so eine kleine Hanna jetzt

Kopf.

gerade wohl den Kopf?

BENGT:

NA:

Aha. Wer hat das gesagt?

Über gar nichts. - Das heißt ... Ich hab mir überlegt ... Was

NA:

arbeitest du eigentlich? Das hab ich mir überlegt.

Frau Lindmann. Das haben wir schon in der ersten Klasse

BENGT:

gelernt. Als wir über die Familie und solche Sachen

Ich hab aufgehört zu arbeiten.

geredet haben. Hier bei uns gibt es keinen Menschen, der

NA:

auf der Straße oder so schläft.

Aber alle müssen doch arbeiten. Das hat meine Lehrerin

BENGT:

gesagt.

Und ich? Gibt es mich denn nicht?

BENGT:

NA:

Die würde ich gerne mal kennenlernen.

Hier auf jeden Fall nicht.

NA:

(Jetzt lacht NA auch)

Das lässt sich machen.

BENGT:

BENGT:

Ich will ja nicht behaupten, dass deine Lehrerin sich irrt.

Aber ich habe mal gearbeitet. Bin Seemann gewesen. Bin

Aber vielleicht solltest du doch ein bisschen über diese

auf Schiffen gesegelt, die waren so groß wie ... der ganze

Sache nachdenken.

Park hier.

NA:

NA:

Ja ...

Ehrlich?

BENGT:

BENGT:

Nimm dir einen Apfel, während du nachdenkst.

Ja, da staunst du, was? Und ich bin weit herumgekommen,

NA:

bis ...

Danke.

HA:

HA:

Und dann erzählte Bengt von Amsterdam und Afrika und Eisbergen und grausamen Kapitänen und Stürmen und ... 8

Und er redete und erzählte und beantwortete alle meine

Okay, okay. Wenn es denn sein muss. Nur einen Moment

Fragen. - Aber gut riechen, das tat er nicht.

noch, ich muss meine Äpfel einstecken.

BENGT:

NA:

So, und jetzt werde ich dir was zeigen. Jetzt werde ich dir

Und wenn Bengt jetzt ins Gefängnis kommt? Vielleicht soll

einen echten chinesischen Drachen zeigen.

ich doch umkehren und der Polizei alles erklären?

NA:

HA:

Ehrlich?

Aber er hat ja nichts Schlimmes getan. Wenn man nichts

BENGT:

Schlimmes getan hat, kommt man nicht ins Gefängnis. -

Jawollja.

So dachte ich und ging nach Hause. Zuhause schliefen

(Er schiebt seinen Pullover hoch: eine Drachen-

meine Eltern noch immer. Ich war inzwischen auch müde.

tätowierung ist zu sehen)

Todmüde. Und das, obwohl es auf meiner Uhr erst sechs

NA:

war.

Das ist ja toll. Toll!

NA:

BENGT:

Heute gehe ich aber mal früh ins Bett!

Ja, meine Liebe, das hat Tsu-Fo-Sing gemacht. Der war

(Kicher)

der beste Tätowierer in ganz Schanghai. Und der teuerste.

Und die Kindersendung lasse ich heute Abend auch

Diese Herrlichkeit kostete mich ...

ausfallen.

POLIZISTIN:

(Kicherkicher)

He, Sie da! - Hallo! Was geht hier vor?

HA:

BENGT:

Dann schlief ich mit der Uhr unterm Kopfkissen ein.

Na so was, die Frau Wachtmeisterin Andersson. Schönen

DONNERSTAG

guten Abend, die Dame! Was verschafft mir die Ehre? - Ich

MAMA:

zeige das hier bloß meinen Freunden. Aber für ein kleines

Guten Morgen, mein Schatz ... Raus aus den Federn mit

Entgeld würde ich mein Kunstwerk natürlich auch der

dir!

Polizei vorführen.

NA:

POLIZIST:

Mmmm. - Halb eins. - Halb eins?

Was geht hier eigentlich vor? - Warum ziehst du dich hier

(zur Uhr)

aus?

Willst du mich verschaukeln?

BENGT:

HA:

Aber Frau Wachtmeisterin, ich zieh` mich doch nicht aus.

Tick tack. - Ich schleppte mich aus dem Bett, trank einen

Ich wollte doch bloß der kleinen Hann... Hanna ... Hanna?

Becher Milch, putzte mir innerhalb von zehn Sekunden die

Wo bist du? Hanna, komm her und erklär mal der lieben

Zähne und zog mich an. Auf der Küchenuhr war es halb

Tante Wachtmeister ... Hanna!

acht.

HA:

NA:

Flink wie eine kleine Parkmaus war ich davongeflitzt und

Jetzt ist sie wohl tatsächlich stehengeblieben.

stand hinter einem großen Baum versteckt.

HA:

POLIZISTIN:

Heute fühlte ich mich wirklich nicht wie ein Frühaufsteher.

Hallo, Kleine! Wo bist du denn? - Komm zurück, wir wollen

(HA liest den Zettel, den NA geschrieben hat/schreibt)

uns nur ein bisschen mit dir unterhalten. - Na, du kommst

An Frau Lindmann! Hanna ist heute beim Ohrenarzt

am besten mit aufs Revier, damit wir diese Angelegenheit

gewesen. Zur Nachuntersuchung. Ihre Ohrröhren sind

klären können.

rausgefallen. Viele Grüße von Mama

BENGT:

NA:

Aber ...

(steckt Bengts Apfel in ihren Rucksack)

POLIZISTIN:

Wie falsch kann eine Uhr eigentlich gehen? - Meine Uhr

Wird's bald?!

geht falsch und immer falscher. Wenigstens im Vergleich

BENGT:

zu allen anderen Uhren. Gestern war sie tüchtig hinterhergehinkt und heute ging sie ordentlich vor. 9