Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang

Informationen zur Raumentwicklung Heft 12.2003 709 Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang 1 Das Modellvorhaben der...
Author: Frida Graf
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Informationen zur Raumentwicklung Heft 12.2003

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Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang 1 Das Modellvorhaben der Raumordnung „Anpassungsstrategien für ländliche/periphere Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang in den neuen Bundesländern“ Ländliche periphere Regionen in den neuen Ländern stehen vor einer großen Herausforderung: Sie mussten bereits in den zurückliegenden Jahren teilweise dramatische Bevölkerungsverluste hinnehmen. Ihre für bundesdeutsche Verhältnisse bereits dünne Besiedlungsdichte ging weiter zurück. Und auch zukünftig müssen sie sich allein aufgrund der natürlichen Bevölkerungsentwicklung auf anhaltende Bevölkerungsverluste einstellen. Zugleich verändert sich die Altersstruktur erheblich, jüngere Altersgruppen nehmen ab und die Zahl Älterer wächst. Aufgrund des Bevölkerungsrückgangs werden Tragfähigkeitsgrenzen der bisherigen Infrastrukturversorgung in der Fläche erreicht, während parallel die Zahl von Bewohnern zunimmt, die auf bestimmte soziale Dienste besonders angewiesen und zugleich begrenzt mobil sind. Neue Strategien und Lösungen zur Sicherstellung der infrastrukturellen Versorgung werden daher benötigt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen (BMVBW) führt seit 2001 mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) das Modellvorhaben der Raumordnung „Anpassungsstrategien für ländliche/periphere Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang in den neuen Bundesländern“ durch. Im Rahmen des Modellvorhabens sollen die Regionen Mecklenburgische Seenplatte, LausitzSpreewald und Ostthüringen, die im April 2002 nach einem zweistufigen Bewerbungsverfahren ausgewählt wurden, Strategien für die Anpassung von Infrastrukturangeboten auf regionaler Ebene erarbeiten und in Projekten erste Umsetzungen prüfen. Sie werden dabei vom IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH beraten und wissenschaftlich begleitet. Koordination und Steuerung des Projektes er-

Thomas Thrun

Organisationsstruktur des Modellvorhabens IfS

BMVBW/BBR

Forschungsassistenz

Regionalforen

Projektgruppe

Workshops

Facharbeitsgruppen

Modellregion Fachöffentlichkeit/Internet

folgen durch eine gemeinsame Projektgruppe von BMVBW, BBR und IfS. Den Prozess der Anpassung aktiv gestalten heißt, die Herausforderung mit Hilfe neuer Ideen, neuer Technologien, neuer Partnerschaften, aber auch bereits bewährter Konzepte aus benachbarten Ländern anzunehmen. Der Dialog ist daher ein zentrales Prozesselement des Modellvorhabens. In den Regionen erfolgt ein intensiver Dialog mit den dortigen Akteuren: Zum einen sind diese in die einzelnen Facharbeitsgruppen eingebunden, die Strategien für ausgewählte Infrastrukturangebote entwickeln. Zum anderen werden auf Regionalforen, die in den Modellregionen bisher jeweils zweimal durchgeführt wurden, Handlungsbedarf, Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten im Kreise einer größeren regionalen Öffentlichkeit erörtert. Des Weiteren werden kontinuierlich Erfahrungen zwischen den Modellregionen ausgetauscht sowie Erfahrungen aus anderen dünn besiedelten Regionen und von Fachleuten aus dem In- und Ausland einbezogen. Nicht zuletzt wird der Austausch mit der Fachöffentlichkeit gesucht – u. a. durch die kontinuierliche Berichterstattung über den Projektverlauf auf einer Projekt-Seite im Internet1.

Infrastrukturanpassung an Bevölkerungsrückgänge in dünn besiedelten Räumen bedingt neue Angebotsformen und Kooperationen.

Thomas Thrun IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH Lützowstraße 93 10785 Berlin E-Mail: [email protected]

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(1) www.regionale-anpassung.de (2) Die Abgrenzung zwischen engerem Verflechtungsbereich Brandenburg-Berlin sowie äußerem Entwicklungsraum erfolgt auf Gemeindeebene. Für bestimmte Daten, die auf Kreisebene vorliegen (z. B. BBRPrognose, Arbeitslosenquote) können nur Angaben zur Gesamtregion, nicht aber zum Modellraum (äußerer Entwicklungsraum der Region LausitzSpreewald) gemacht werden.

Thomas Thrun: Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang

Ein Beitrag zum regions- und länderübergreifenden Erfahrungsaustausch war der Workshop „Bevölkerungsrückgang und Infrastruktur-Erfahrungen aus dem In- und Ausland“ am 2. Dezember 2002 in Berlin, dessen Beiträge in diesem Heft wiedergegeben sind. Im Folgenden wird ein Überblick über die Situation und die Ansätze in den Modellregionen gegeben. Dieser spiegelt einen Zwischenstand wider (Juli 2003). Die Regionen haben zwar in den meisten Themenfeldern die Phase der Bestandsanalyse abgeschlossen sowie Ansätze und Ideen zur Entwicklung der Infrastruktur vorgestellt. Die Prüfung der politischen Konsensfähigkeit der Ansätze durch Beschlüsse und die Umsetzung stehen jedoch noch aus.

Modellregionen des Modellvorhabens der Raumordnung „Anpassungsstrategien für ländliche/periphere Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang“

2 Die Modellregionen Modellregion bzw. Untersuchungs- und Bearbeitungsraum des Modellvorhabens sind jeweils nur die ländlichen/peripheren Räume einer Planungsregion. Nur in der Modellregion Mecklenburgische Seenplatte ist der Untersuchungsraum des Modellvorhabens identisch mit der formalen Planungsregion. In den Regionen LausitzSpreewald und Ostthüringen wurden die städtischen und ballungsraumnahen Teilräume der Region ausgeklammert. In der Region Lausitz-Spreewald umfasst der betrachtete Raum, der so genannte äußere Entwicklungsraum der Region LausitzSpreewald, mit 94 % der Fläche den Großteil der Region.2 In der Planungsregion Ostthüringen beschränkt sich das Modellvorhaben räumlich auf zwei der sieben Kreise und kreisfreien Städte (47 % der Regionsfläche). Träger in den Modellregionen sind die jeweiligen Planungsverbände bzw. -gemeinschaften der Region. Die Bearbeitung und Steuerung in den Regionen obliegt jeweils der Planungsstelle des Verbandes bzw. der Gemeinschaft. Siedlungsstrukturelle und topographische Merkmale

Mecklenburgische Seenplatte

Lausitz-Spreewald

Ostthüringen

Planungsregion ländlich/peripherer Raum der Planungsregion (Modellregion) städtischer/agglomerationsnaher Raum der Planungsregion

Bei der Flächenausdehnung ergeben sich zwei Größentypen: die mit rund 2 200 km2 vergleichsweise kleinen Landkreise Saalfeld-Rudolstadt/Saale-Orla-Kreis (Region Ostthüringen) einerseits und die rund 5 800 bzw. 6 800 km2 umfassenden großen Regionen Mecklenburgische Seenplatte und Lausitz-Spreewald (äußerer Entwicklungsraum) andererseits. In den Regionen wohnen zwischen 231 000 bis 591 000 Einwohner. Die Region Mecklenburgische Seenplatte hat mit 56 Ew./km2 die geringste Besiedlungsdichte und ist nach den siedlungsstrukturellen Gebietstypen des BBR als ländliches Gebiet geringer Dichte einzuordnen. Der äußere Entwicklungsraum der Region Lausitz-Spreewald mit seiner Siedlungsdichte von 88 Ew./km2 und die Kreise Saalfeld-Rudolstadt/Saale-Orla-Kreis mit 106 Ew./km2 sind gemäß BBR-Klassifizierung ländliche Kreise innerhalb verstädterter Räume (Ausnahme Kreis Dahme-Spreewald).

Informationen zur Raumentwicklung Heft 12.2003

Modellregion

Mecklenburgische Seenplatte

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Äußerer Entwicklungsraum der Region Lausitz-Spreewald

Landkreise SaalfeldRudolstadt und SaaleOrla-Kreis (Ostthüringen)

Fläche

5 810 km2

ca. 6 750 km2

2 182,9 km2

Einwohner

325 502 (2000)

590 750 (2001)

231 477 (2000)

Einwohnerdichte

56 Ew./km2

88 Ew./km2

106 Ew./km2

Bevölkerung 1990–2000

-7,8%

-7% von 1989–1999 (Region insgesamt)

-7,5%

Arbeitslosenquote

22,9% (2000)

23,1% Region insg. (02/2002)

16,1% (2000)

Kreise der Modellregion

Müritz Mecklenburg-Strelitz Demmin Neubrandenburg (Kreisfreie Stadt)

Elbe-Elster Dahme-Spreewald Oberspreewald-Lausitz Cottbus (Kreisfreie Stadt)

Saalfeld-Rudolstadt Saale-Orla-Kreis

Städte Neubrandenburg >20 000 Einwohner (72 000 Ew.) Neustrelitz (23 000 Ew.) Waren (22 000 Ew.)

Cottbus (109 000 Ew.) Forst (24 000 Ew.) Senftenberg (25 000 Ew.) Lübbenau (20 000 Ew.)

Saalfeld (30 000 Ew.) Rudolstadt (28 000 Ew.)

Topographische Besonderheiten

Netz von Seen und Fließgewässern, 44 % der Region Schutzgebiet, kleine Siedlungseinheiten (51 % der Siedlungen weniger als 50 Einwohner)

erhebliche Unterschiede in der Besiedlungsdichte innerhalb der Modellregion, Braunkohletagebaugebiet

Ausschnitt der Mittelgebirgsschwelle des Thüringer Waldes, des Thüringer Schiefergebirges und des Thüringer Vogtlandes

Periphere Lage

entfernt von Ballungsraum

entfernt von Ballungsraum, EU-Außengrenze

entfernt von Ballungsraum

Die Regionen Mecklenburgische Seenplatte und Lausitz-Spreewald sind Teil der im bundesdeutschen Vergleich großräumig sehr dünn besiedelten Bereiche in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg sowie dem Norden Sachsen-Anhalts. Der ostthüringische Modellraum ist hingegen ein dünner besiedelter Teilraum innerhalb des dichter besiedelten mitteldeutschen Raumes. Alle Landkreise der Modellregionen haben eine Bevölkerungsdichte von unter 150 Ew./km2 – dem Orientierungswert des BBR für dünn besiedelte Räume. In allen Landkreisen der Mecklenburgischen Seenplatte sowie in zwei der vier Landkreise der Region Lausitz-Spreewald liegt die Bevölkerungsdichte sogar unter der Hälfte dieses Wertes. Lediglich die Region Lausitz-Spreewald verfügt mit Cottbus über ein Oberzentrum; ansonsten bilden wenige Mittel- oder Kleinstädte die Versorgungsschwerpunkte. Die Modellregionen zeichnen sich überwiegend durch hohe naturräumliche bzw. touristische Potenziale aus – so die mecklenburgische Seenlandschaft, der Spreewald und der ostthüringische Mittelgebirgsraum. Für die Region Lausitz-Spreewald sind weiterhin Bergbau- und Bergbaufolgelandschaften prägend, aus denen erst zu-

künftig reizvolle Seenlandschaften für Freizeit und touristische Nutzungen entstehen sollen. Zu den ländlichen Strukturmerkmalen der Räume tritt in allen drei Fällen eine periphere Lage bzw. große Entfernung zu Ballungsräumen hinzu. Die Region LausitzSpreewald liegt außerdem noch an der EU-Außengrenze. In allen Regionen bildet darüber hinaus die Topographie durch Zerschneidungseffekte teilräumlich besonders periphere Lagen. Bevölkerungsentwicklung und Entwicklungspotenziale Mit Arbeitslosenquoten von deutlich über 20% weisen die Regionen Mecklenburgische Seenplatte und Äußerer Entwicklungsraum der Region Lausitz-Spreewald sehr schlechte wirtschaftliche Ausgangsbedingungen auf. In den ostthüringischen Landkreisen Saalfeld-Rudolstadt/SaaleOrla-Kreis ist die Arbeitslosigkeit mit 16 % demgegenüber vergleichsweise gering. In den Modellregionen ging die Bevölkerung von 1990 bis 2000 zwischen 7,0 % (LausitzSpreewald) und 7,8 % (Mecklenburgische Seenplatte) zurück. Die Bevölkerungsverluste werden sich in allen drei Regionen

Siedlungsstrukturelle und topgraphische Merkmale der Modellregionen

Thomas Thrun: Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang

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Bevölkerungsentwicklung 1990–2020 in den Modellregionen

• Soziale Infrastruktur • technische Infrastruktur • Handel, Dienstleistungen und Verwaltung • Siedlungs- und Landschaftsbild • Kommunikation.

Indexiert (1990=100) 100

95

90

85

80 Region Mecklenburgische Seenplatte 75

Region Lausitz-Spreewald (ohne LK Dahme-Spreewald) Landkreise Saalfeld-Rudolstadt/Saale-Orla-Kreis (Ostthüringen) 20 20

18

16

20

14

20

20

12

08

10

20

20

20

04

06 20

20

02 20

98

00 20

19

96 19

94

92

19

19

19

90

70

Datengrundlage: BBR-Bevölkerungsprognose 1999–2020

fortsetzen, jedoch auf unterschiedlichem Niveau: In der Region Mecklenburgische Seenplatte wird die Bevölkerung gegenüber dem Jahr 2000 bis 2010 um 5 % sowie bis 2020 insgesamt um 9 % weiter stark zurückgehen; der Rückgang wird im Vergleich zu den 1990er Jahren schwächer sein. In der Region Lausitz-Spreewald (ohne Dahme-Spreewald3) und der Region Saalfeld-Rudolstadt/Saale-Orla-Kreis wird die Bevölkerung gegenüber 2000 bis 2010 um rund 10 % sowie bis 2020 um insgesamt 17 % (Saalfeld-Rudolstadt/SaaleOrla-Kreis) bzw. 18 % (Lausitz-Spreewald) zurückgehen. Damit wird der Rückgang in etwa gleich stark sein wie bisher. Alle Modellregionen werden altersstrukturelle Veränderungen verzeichnen. Vom generellen Alterungsprozess ist die Region Mecklenburgische Seenplatte besonders stark betroffen. Die Zahl der Hochbetagten (75 Jahre und älter) wird sich dort von 2000 bis 2020 verdoppeln; aber auch in den anderen Regionen nimmt diese Gruppe um 55 % (Ostthüringen) bzw. 72 % (LausitzSpreewald) zu.

(3) Nur Teile des Kreises DahmeSpreewald gehören zur Modellregion. Auf die Einberechnung der nur für den Gesamtkreis vorliegenden Prognosedaten muss verzichtet werden, da die dort eingeschlossene Entwicklung des Berliner Umlandes zu einer erheblichen Ergebnisverzerrung führen würde.

3 Handlungsfelder Aufgrund der generellen Entwicklungstrends in den neuen Ländern sowie der Erfahrungen ausländischer Regionen mit der Sicherstellung infrastruktureller Versorgung in dünn besiedelten Räumen ergeben sich fünf vorrangige Handlungsfelder für Anpassungsstrategien:

Da in den verschiedenen Infrastrukturbereichen sehr unterschiedliche Anforderungen bestehen, erfolgt die Entwicklung von Anpassungsstrategien in den Modellregionen zunächst sektoral für die aus Sicht der Regionen vorrangigen Problemstellungen. Die Auswahl der behandelten Infrastrukturangebote ist insoweit ein Indikator für den in den Regionen vorrangigen Handlungsbedarf. Handlungsfeld soziale Infrastruktur Im Handlungsfeld soziale Infrastruktur liegt aktuell der größte Handlungsbedarf. Es geht einerseits um die Aufrechterhaltung wohnortnaher Bildungsangebote, andererseits um eine Anpassung der sozialen Einrichtungen an eine alternde Bevölkerung. Im Modellprojekt „Dorfzentrum“ (Ostthüringen) sollen verschiedene soziale Infrastrukturen sowie ggf. private Dienstleistungen gebündelt werden, um Funktionen, die jeweils für sich nicht tragfähig wären, durch gemeinsame Nutzung von Räumen oder Gebäuden im ländlichen Raum zu erhalten. Die Weiterentwicklung der Bildungsinfrastruktur wird durch neue organisatorische und teilweise auch neue pädagogische Ansätze angestrebt, z. B. durch: – Modifikation der Schulstruktur der allgemeinbildenden Schulen mit gebietskörperschaftsübergreifender Abstimmung und z. T. neuen Schulmodellen wie die Zusammenlegung von Schulklassen oder -typen oder jahrgangsübergreifendem Unterricht (alle Modellregionen), – Anpassung der Berufsschulstruktur unter Einbeziehung eines Nachbarkreises der Region (Mecklenburgische Seenplatte) sowie – technische und organisatorische Optimierungen beim Schülerverkehr (Mecklenburgische Seenplatte) oder des ELearnings (Lausitz-Spreewald). Alle drei Modellregionen entwickeln auch strategische Überlegungen zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung. Die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen hat vor allem in dünn besiedelten schrump-

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Projekte zur Anpassung der Infrastruktur in den Modellregionen Modellregion

Mecklenburgische Seenplatte

Äußerer Entwicklungsraum der Region Lausitz-Spreewald

Gesamtstrategien

Soziale Infrastruktur

Landkreise Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla-Kreis

– Fortschreibung des Regionalplanentwurfs / Weiterentwicklung Zentralörtliche Gliederung – Weiterentwicklung der regionalen Agenda Lausitz-Spreewald – Anpassung der Berufsschulstruktur unter Einbeziehung eines Nachbarkreises der Region – Anpassung der Schulstruktur unter besonderer Berücksichtigung des ÖPNV – Sicherstellung der medizinischen Versorgung

Technische Infrastruktur

fenden Regionen dazu geführt, dass Einrichtungen – bisweilen selbst in zentralen Orten – nicht mehr kostendeckend angeboten werden können. Hier stehen Überlegungen zur Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung sowie zum Umgang mit den Rückgang der Zahl von Praxen aufgrund fehlender Nachfolger für altersbedingt aufgebende Landärzte im Vordergrund. Handlungsfeld technische Infrastruktur Das Handlungsfeld technische Infrastruktur ist ein weiterer Schwerpunkt der Modellregionen: In zwei Regionen soll das ÖPNV-Angebot verbessert werden, und zwar in der Region Lausitz-Spreewald durch die Entwicklung eines neuen Gemeinschaftsverkehrs mit flexiblen Bedienungszeiten, in Ostthüringen durch die Bündelung der ÖPNV-Angebote (kreisübergreifendes Besteller-/Betreibersystem). Damit wird in der Lausitz ein von traditionellen Bedienformen abweichendes neues System entwickelt, während im noch etwas dichter besiedelten Ostthüringen die wirtschaftliche Optimierung des Liniensystems zur Aufrechterhaltung des Angebots trotz geringerer Bevölkerung anvisiert wird. In der Region Mecklenburgische Seenplatte soll das Problem des Wegbrechens der Grundauslastung des ÖPNV durch den

– Optimierung der Bildungsangebote inklusive E-Learning – Strategien zur Sicherung der medizinischen Versorgung

– „Kleine Schulen in ländlichen Gebieten“ – Modell Dorfzentrum: Bündelung von Bildungs-, Gesundheits-, Sozialversorgung – Ärztenetzwerk: Kooperation ambulante/stationäre Ärzte

– Entwicklung eines neuen Gemeinschaftsverkehrs / integrierten Verkehrssystems mit flexiblen Bedienungszeiten „ÖPNV im Fürst-Pückler-Land“

– ÖPNV: kreisübergreifendes Besteller-/Betreibersystem· – Strategien zur Abfallvermeidung, -verwertung – Wasser: Entwicklung/Prüfung alternativer Lösungen

Rückgang der Zahl der Ober- und Berufsschüler im Zusammenhang mit den Konzepten zur Anpassung der Strukturen der weiterführenden, allgemeinbildenden Schulen bearbeitet werden. Ver- und entsorgungstechnische Fragestellungen werden in der Region Ostthüringen zum einen mit Strategien zur Abfallvermeidung und -verwertung, zum anderen mit der Entwicklung bzw. Prüfung alternativer Lösungen der Wasserver- und -entsorgung behandelt. Aufgrund der eingeschränkten Flexibilität der Netzinfrastruktur stehen dort organisatorische Lösungen zur Erschließung von Effizienzpotenzialen (z. B. Zusammenlegung von Verbänden) und weniger technische Lösungen im Vordergrund. Handlungsfeld Handel, Dienstleistungen, Verwaltung Das Handlungsfeld Handel/Dienstleistungen/Verwaltung wird mit Ausnahme der Überschneidungen beim ostthüringischen Projekt „Dorfzentren“ von den Modellregionen nicht behandelt. Wie die Vorrecherchen, der Auftaktworkshop und der Austausch mit den Modellregionen zeigten, sind Lösungsansätze in diesem Handlungsfeld bekannt und erforscht (z. B. Nachbarschaftsläden, Bürgerämter etc.) 4 oder wurden bereits über klassische Strategien angegangen (z. B. Dorferneuerung, Wirtschafts-

(4) Siehe z. B. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR): Nachbarschaftsdienste in dünn besiedelten Gebieten, Eine Auswertung von Konzeptund Fallstudien. – Bonn 2001

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Thomas Thrun: Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang

förderung). Sie stellten so gesehen keine Herausforderung im Sinne eines Modellvorhabens dar. Dennoch muss betont werden, dass der Rückzug privater Dienstleister aus der Fläche sowie die Zentralisierungstendenzen im Handel weiterhin eine Herausforderung für entsprechende Angebote in der Fläche darstellen. Für das Handlungsfeld Handel/Dienstleistungen/Verwaltung besteht insoweit kein Forschungs-, sondern ein Implementationsbedarf. Hierbei könnte das Projekt „Dorfzentrum“ in Ostthüringen mit der diskutierten Zusammenführung öffentlicher und privater Angebote weiteres Potenzial aufzeigen. Handlungsfeld Siedlungs- und Landschaftsbild Die Ansätze zum Handlungsfeld Siedlungsund Landschaftsbild, die in der Analysephase von den Modellregionen erwogen wurden, beschränkten sich weitgehend auf den Stadtumbau in kleinen Städten. Stadtumbau ist Gegenstand des Bund-LänderProgramms Stadtumbau Ost und findet daher im Modellvorhaben keine besondere Berücksichtigung. Darüber hinausgehende Themen des Handlungsfeldes wie z. B. Leerstände in Dörfern bzw. im nicht-industriell gefertigten Wohnungsbestand, Brachen von Wirtschaftsgebäuden oder nicht genutzte Landwirtschaftsflächen haben aufgrund der bisherigen Entwicklung zumindest in den Modellregionen noch kein Ausmaß angenommen, das Anlass für eine systematische Strategie zum Umgang mit Veränderungen des Siedlungs- und Landschaftsbildes ist. Handlungsfeld Kommunikation Das Handlungsfeld Kommunikation wird nur am Rande bearbeitet, etwa als Möglichkeit zur Verbesserung des Bildungsangebots (E-Learning) oder der medizinischen Versorgung (Telemedizin). In diesen Feldern werden zunächst organisatorische Lösungen gesucht, denen dann technische folgen sollen. Zugleich hat eine Recherche ausländischer Beispiele gezeigt, dass dieses Handlungsfeld von besonderer strategischer Bedeutung für dünn besiedelte Räume ist. Neue Kommunikationstechnologien haben dort eine große Bedeutung bei

der Überwindung von Erreichbarkeitsdefiziten oder dem dezentralen Zugang zu zentralen Ressourcen. Das Handlungsfeld Kommunikation hat mit den neuen Informationstechnologien eine starke technische Komponente. Diese kann von den Raumordnern, die jeweils die Initiatoren und Motoren des Modellvorhabens sind, nur schwerlich bedient werden. Zugleich stehen zu dieser Technik nicht entsprechende Fachplaner aus anderen Verwaltungen als Partner zur Verfügung, wie dies etwa bei den anderen technischen Themenstellungen ÖPNV, Abfallwirtschaft sowie Wasserver- und -entsorgung der Fall ist. Soweit keine fachlichen Partner zur Verfügung stehen, erscheint die Implementation neuer Kommunikationstechnologien über regionale Diskursprozesse schwierig. Eventuell können solche Partner noch über die sich ausweitende regionale Diskussion gefunden werden (u. a. durch die geplante Beteiligung der Fachhochschulen). Einbindung in Gesamtstrategien Wie die Übersicht der Handlungsfelder zeigte, können im Modellvorhaben insbesondere Ergebnisse zur sozialen und technischen Infrastruktur erwartet werden. Diese sektoralen Ansätze müssen in Gesamtstrategien eingebunden werden. Aufgrund unterschiedlicher Planungsstände verfolgen die Regionen dabei verschiedene Wege. Die Region Lausitz-Spreewald verfügt noch über keinen verbindlichen Regionalplan. Dort ist mit der Fortschreibung des Regionalplanentwurfs und der Fortsetzung des Lokale-Agenda-Prozesses die Einbindung der sektoralen Ansätze expliziter Projektgegenstand des Modellvorhabens. Die anderen beiden Modellregionen verfügen bereits über Regionalpläne; zugleich werden von den jeweiligen Landesplanungen neue Landesentwicklungspläne aufgestellt. Eine Überarbeitung der Regionalpläne kann bzw. soll daher erst nach Setzung des landesplanerischen Rahmens erfolgen. In den Regionen Mecklenburgische Seenplatte und Ostthüringen wird daher die Integration sektoraler Projekte über den intensiven regionalen Diskursprozess angestrebt.

Informationen zur Raumentwicklung Heft 12.2003

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4 Handlungsoptionen zur Weiterentwicklung einzelner Infrastrukturangebote

anlagen statt Großkläranlage mit Leitungsnetz, Bürgerämter statt Zentralverwaltungen).

Für die Anpassung der Infrastruktur stehen sechs Handlungsoptionen zur Verfügung, mit denen die bisherige Form der Leistungsbereitstellung modifiziert werden kann:

• Zentralisierung

• Erhöhung der Erreichbarkeit Durch eine bessere Erreichbarkeit (z. B. optimierte ÖPNV-Netze oder nachfrageorientierte Taktzeiten) wird die Auslastung einer selbst unveränderten Einrichtung erhöht. • Verkleinerung Eine Einrichtung wird auf das für die kleinere Nachfragergruppe adäquate Maß reduziert. • Dezentralisierung Durch die Aufteilung in kleinere Einheiten wird die Effizienz erhöht, wenn die Kosten der Anbindung der Fläche an die Großstruktur zu hoch sind (z. B. lokale Bioklär-

Durch Zusammenlegung von unterausgelasteten Einheiten wird eine Tragfähigkeitsgrenze erreicht, wobei zur Zentralisierung eine komplementäre Verbesserung der Erreichbarkeit im Einzugsbereich geschlossener Institutionen notwendig ist (z. B. Schulzusammenlegung mit Schulbussystem). • Temporär-mobile Ansätze Institutionen sind nur zu eingeschränkten Zeiten verfügbar, um durch die Senkung des Betriebsaufwandes eine Schließung zu vermeiden oder die Bedienung zu ermöglichen (z. B. Wochenmärkte, mobile Bibliotheken). • Neustrukturierung/Substitution Der Zweck wird durch eine neue Art der Aufgabenerfüllung erreicht bzw. durch eine andere Einrichtung erbracht, wie z. B. die Warenbestellung per Internet statt dem Einkauf im Geschäft.

Handlungsoption

Kennzeichen

Beispiel

Erhöhung der Erreichbarkeit

Verbesserung der Verkehrsanbindung zur Auslastungserhöhung

optimierte ÖPNV-Netze, nachfrageorientierte Taktzeiten

Verkleinerung

Proportionale Reduzierung der Einrichtung bzw. des Angebotes zur Bevölkerung

reduziertes Busnetz

Dezentralisierung

Aufteilung in kleinere effiziente Einheiten (bei hohen Anbindungskosten)

mehrere Biokläranlagen statt Großkläranlage, Bürgerämter statt Zentralverwaltung

Zentralisierung (mit Erreichbarkeitsstrategie)

Zusammenlegung von unterausgelasteten Einheiten mit komplementärer Erreichbarkeitsverbesserung

Schulzusammenlegung mit Schulbussystem

Temporär-mobile Ansätze

Versorgungsinstitution nur zu eingeschränkten Zeiten verfügbar (statt Totalschließung oder Nichteinrichtung)

Neustrukturierung/ Substitution

Zweck wird durch neue Art der Aufgabenerfüllung erreicht

¤ ?

Wochenmärkte, mobile Bibliotheken

Warenbestellung (Internet) statt Einkauf (Geschäft), Zusammenlegung von Klassen mit neuen pädagogischen Konzepten, Taxieinzelbedienung statt ÖPNVTaktbedienung

Handlungsoptionen der Infrastrukturentwicklung

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Thomas Thrun: Handlungsansätze für ländliche Regionen mit starkem Bevölkerungsrückgang

Die Einzugsbereiche der Infrastruktureinrichtungen entwickeln sich je nach Ansatz unterschiedlich. Sowohl eine Vergrößerung als auch ein Gleichbleiben oder eine Verkleinerung können eine problemadäquate Weiterentwicklung des Einzugsbereichs sein. Fallabhängige Eignung Die Handlungsoptionen sind nicht durch eine generelle Hierarchie gekennzeichnet. Es gibt keine grundsätzlich am besten geeignete Option bzw. keinen Königsweg. Bezogen auf einzelne Problemsituationen muss die geeignetste Variante ausgewählt werden. Dabei müssen der Kreis der Betroffenen (Einzugsbereich), die angestrebte Qualität der Leistungsbereitstellung, die wirtschaftliche Tragfähigkeit sowie die Realisierbarkeit berücksichtigt bzw. ggf. auch Änderungsbedarf bei wesentlichen Rahmenbedingungen formuliert werden. Als ein Erfolg versprechender Ansatz für das eher mit negativem Stigma belegte Thema „Verkleinerung“ kann das Beispiel der Stadtumbaumaßnahmen ostdeutscher Städte zum Vorbild genommen werden. Die ersten Beispiele lassen vermuten, dass die gezielte Rücknahme ausgewählter Marktangebote geeignet ist, einzelne Wohngebiete zu stabilisieren, wenn ergänzend gezielte Maßnahmen zur Aufwertung der Wohngebiete durchgeführt werden. Ebenso können auch ambulante, zeitlich beschränkte Angebote nicht nur eine Sicherung der Grundversorgung, sondern real sogar Verbesserungen bedeuten. Wenn z. B. Gemeinden das Ziel aufgeben, nicht tragfähige Läden anzusiedeln, und stattdessen zwischen den Dörfern Wochenmärkte mit abgestimmten Wochenmarkttagen organisiert werden, könnten solche Regionen für mobile Händler attraktiver werden (optimierte Reiserouten). Dadurch könnte sich die Versorgung mit Einzelhandelsgütern verbessern (breitere Angebotspalette, allerdings zu eingeschränkten Zeiten). Die Neustrukturierung der Leistungserbringung bzw. die Substitution der bisherigen Einrichtung durch eine andere, die den gleichen Zweck erfüllt, ist spätestens dann gefordert, wenn weder Ansätze der Verkleinerung, Zentralisierung, Dezentralisierung, temporäre Modelle noch die Verbesserung der Erreichbarkeit zu einer dauerhaften Tragfähigkeit des Versorgungsangebots

führen. Dies erfordert ein Denken außerhalb der gewohnten Bahnen und stellt entsprechende Hürden an die Umsetzung. Ansätze in den Modellregionen: Umsetzung bekannter Ideen und Neustrukturierungen Die in den Regionen diskutierten Ansätze zeigen bereits heute ein breites Ideenspektrum. „Anpassung der Infrastruktur“ wird nicht als ein passives oder einfaches Zurücknehmen von Angeboten verstanden. Die Regionen nutzen bei ihren Ansätzen die gesamte Spannweite der möglichen Handlungsoptionen „Erhöhung der Erreichbarkeit“, „Verkleinerung“, „Dezentralisierung“, „Zentralisierung“, „Temporär-mobile Ansätze“ sowie „Neustrukturierung/ Substitution“ und kombinieren diese miteinander in einem Instrumentenmix. Sechs der 14 Ansätze in den Modellregionen kommen bisher ohne Neustrukturierungen/Substitution der Form der Leistungsbereitstellung aus. Die Tragfähigkeit vorhandener Angebote wird jedoch durch Effizienzsteigerungen oder Bündelungen gesichert. Der Innovationsgrad „beschränkt“ sich hier auf die wichtigen Faktoren der Identifizierung von Leistungspotenzialen bei dünner Besiedlung oder die Realisierung von Effizienzsteigerungen durch Kooperationen (siehe unten). Weitere acht Ansätze sind dadurch gekennzeichnet, dass das Infrastrukturangebot in einer anderen als der bisher gängigen Form bereitgestellt wird. Dies kann erfolgen, indem das bisherige System modifiziert wird (z. B. Zentrale-Orte-Konzept Lausitz-Spreewald), das System durch neue Elemente ergänzt wird (z. B. flexibler Bedienverkehr; Filialpraxen) oder andere räumliche Organisationsformen durch eine neue inhaltliche Gestaltung des Angebots möglich werden (jahrgangsübergreifender Unterricht; Funktionsbündelung Dorfzentren). Für die sektoralen Felder deutet sich bisher nur für den Bereich der medizinischen Versorgung an, dass zur Zielerreichung im ländlichen/peripheren Bereich eine weitgehende Neustrukturierung der Leistungsbereitstellung zwingend erforderlich ist. In den anderen im Modellvorhaben behandelten Bereichen zeichnen sich sowohl „traditionelle“ als auch „neue“ Formen des Leistungsangebots als zielführend ab. Im Bereich des ÖPNV schlagen die Regionen

Informationen zur Raumentwicklung Heft 12.2003

Lausitz-Spreewald und Ostthüringen jeweils mit der Zielstellung der Kundenorientierung bewusst unterschiedliche Wege (Stärkung Linienstruktur vs. Ergänzung flexibler Bedienverkehr) ein, wobei eine wechselseitige Übertragbarkeit beider Ansätze möglich erscheint. Im Bereich der Bildung ist als gemeinsame Komponente die gebietsübergreifende Abstimmung der Schulangebote, insbesondere der Berufsschulen ersichtlich. Darüber hinaus werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt (pädagogische Konzepte, Einbeziehung der Schüler in den Diskurs, Verknüpfung Schülerverkehr etc.).

5 Kernelement Kooperation In den Modellregionen beruhen alle Ansätze zur Weiterentwicklung der Infrastrukturentwicklung auf der Kooperation zwischen regionalen Akteuren. Die von der Raumordnung seit langem geforderte Kooperation ist unter Schrumpfungsbedingungen nicht nur erforderlich, sondern erhält unter dem Damoklesschwert des Wegbrechens noch vorhandener Angebote besondere Umsetzungschancen. Strukturell ist zwischen zwei Arten von Kooperationen zu unterscheiden: • Kooperationen zwischen Institutionen gleichen Typs Zwei oder mehrere für die gleiche Infrastruktur, aber in unterschiedlichen Gebieten verantwortliche Träger (insbesondere Kreise) überwinden funktionale Hemmnisse von Verwaltungsgrenzen respektive berücksichtigen stärker räumlich-funktionale Verflechtungen. Hierbei wird zwar ein traditionelles, in anderen Feldern bewährtes Instrumentarium genutzt, wie z. B. Zweckverbände. Mit über mehrere Kreise hinausgehenden Kooperationen werden jedoch bei den anvisierten Ansätzen großräumige, z. T. über die Region hinausgehende Dimensionen erreicht. • Kooperationen zwischen Institutionen unterschiedlichen Typs Die Institutionen eines Gebiets und Handlungsfeldes, die jeweils in ihren Bereichen unterschiedliche Verantwortung tragen (Kommunen, staatliche Einrichtungen, Ver-

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bände, private Akteure etc.), kooperieren miteinander. Hier steht die Überwindung der bisherigen streng abgegrenzten eigenen Wirkungskreise durch die Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung für das Themenfeld im Vordergrund. In diesem Bereich gibt es noch keine ausgeprägte Tradition der Kooperation – sieht man von Pflichtverfahren der Beteiligung an Aufstellungsverfahren oder Formen des allgemeinen regionalen Diskurses (Regionalforen, Agenda-Prozesse etc.) ab. Die überwiegende Anzahl der Ansätze in den Modellregionen (zehn von 14) beruht auf dieser Kooperationsform. Sie beinhaltet durch die Erschließung neuer Netzwerke besonderes Potenzial für die Weiterentwicklung der Infrastruktur. Erfordert bereits die Kooperation zwischen miteinander konkurrierenden Gebietskörperschaften ein hohes Maß an Integrationsfähigkeit, so ist dies für die – besonders chancenreichen – Kooperationen zwischen Institutionen unterschiedlichen Typs umso stärker erforderlich. Denn hier müssen nicht nur unterschiedliche Interessenlagen, sondern auch unterschiedliche rechtliche, instrumentelle und organisatorische Strukturen zusammengeführt werden. Vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen ist es von besonderem Interesse, dass die Kooperation bis hin zu gemeinsamen wirtschaftlichen Kalkulationen geht, die ein gesamtkalkulatorisches Optimum identifizieren, das aber nicht zwingend zu einem Vorteil aller Kooperanten führen muss. Kernansatz für alle Kooperationsformen sind daher – umfangreiche – Diskussions- und Moderationsprozesse. Die Regionalplanung ist aufgrund ihrer Querschnittsorientierung prinzipiell geeignet, die erforderlichen neuen Kooperationen zu initiieren und zu moderieren. Durch ihre Erfahrung in der Zusammenführung verschiedener Rauminteressen im Rahmen der planerischen Abwägung und durch den Ausschluss eines eigenen operativen Leistungsangebots besitzt sie eine Profilierung, die für die übergreifende Integration verschiedener Träger besonders günstig ist. Die Anleitung dieser Diskussions- und Moderationsprozesse erfordert jedoch eine entsprechende Qualifikation der Vertreter der Regionalplanung und organisatorischarbeitstechnische Kapazitäten.