Josef Hilbert bei der Fachtagung „Pflege auf Augenhöhe“ Gelsenkirchen, am 3. Juni 2014
Nicht auf Rosen gebettet und dennoch auf Zukunft programmiert? Zahlen, Daten, Fakten zur aktuellen Lage, Überlegungen für die Zukunft.
Was will ich ansprechen?
1. Arbeiten in der Gesundheitswirtschaft: Von außen hui, von innen pfui? 1. Wie geht´s uns denn? Was fehlt uns denn? • Einkommen • Arbeitsbelastung • Veränderungsdynamik • Qualitätsprobleme
2. Hoher Arbeitskräftebedarf, mäßige Arbeitsbedingungen: Suchrichtungen für Zukunftsfähigkeit
ÄrztInnen und PflegerInnen – Ansehen in der Bevölkerung außergewöhnlich gut!
In einer Allensbach-Studie “Lehre(r) in Zeiten der Bildungspanik “ für die Vodafone Stiftung (2013) schnitten beim Ansehen die Gesundheitsberufe am besten ab! (Befragt wurden 1.570 Personen ab 16 Jahre in ganz Deutschland im Zeitraum vom 15. bis 30. April 2013 vom Institut für Demoskopie Allensbach.)
Das hohe Ansehen von Außen spiegelt sich nicht in einer vergleichbaren inneren Zufriedenheit! Wie zufrieden sind Sie mit….
WWSI-Lohnspiegel, IAT / HBS 2014
Manche schauen mit Sorge, grübelnd in die Zukunft – vor allem geringer qualifizierte und ältere Beschäftigte
Machen Sie sich Sorgen um Ihren Arbeitsplatz? (2008 - 2/2011; 1 = Niemals; 5 = Täglich) 1 Arzt/Ärztin
2
3 2,0
2,8 2,9 2,7 2,6 3,2 3,2
Helfer/in in der Krankenpflege Altenpfleger/in
2,8
Altenpflegehelfer/in
2,8
Stationsleiter/in Krankenpflege Sonstige Pflegeberufe
2,8 2,7
3,0
3,2 3,2
2,6 2,6 2,8
3,3 3,1 3,0
Sonstige Medizinische Fachberufe
2,8
Insgesamt
2,8 2,8
Quelle: WSI/LohnSpiegel; eigene Berechnungen; n = 4.795
45 und mehr
2,9
Medizinisch-Technische/r Assistent/in
© Institut Arbeit und Technik
3,0
unter 45
Zahntechniker/in
Arzthelfer/in
3,2
2,5 2,5
Zahnarzthelfer/in
Sonstige zahnmedizinische Berufe
5
2,3
Krankenschwester/-pfleger Sonstige: Operations-, Anästhesieschwester/-pfleger
4
3,0
Einkommen: Nicht auf Rosen gebettet! Niedrige Einkommen vor allem bei Helferqualifikationen!
Durchschnittliches Monatseinkommen nach Berufsgruppen (2008 - 2/2011; Angaben in €) 2.490 Gesundheitsberufe
3.005 3.368
EDV/IT/Informatik
4.406 2.456
Handelsberufe
3.029 2.604
Metallberufe
2.862
45 und mehr
2.959
Techniker/in, gleichrangige nichttechnische Berufe
Sozialberufe, Erzieher/innen
unter 45
3.510 2.512 3.027 2.866
Gesamt © Institut Arbeit und Technik
3.320
Hohe geschlechtsspezifische Lohndifferenzen im Gesundheitswesen
Steigende Fallzahlen bei geringerer Verweildauer geht (derzeit) nur mit neuen Behandlungsverfahren und verdichteter Arbeit
Quelle: DKG-Foliensatz Krankenhausstatistik 2/2014
Mehr Köpfe in der Pflege, ja, aber Zugewinne vorwiegend bei Teilzeit und Minijobs!
Quelle: www.Sozialpolitik-aktuell.de; 5.3.2012
Arbeitsreport Krankenhaus 2013/14: Dynamisches Veränderungsgeschehen v.a. bei Organisation, Dokumentation, Patientenbeziehungen Veränderungen im eigenen Arbeitsbereich nach Aufgaben
© IAT / HBS
Arbeitsreport Krankenhaus 2013/14: Aber: Die veränderte Welt der Arbeit wird von den Beschäftigten überhaupt nicht gut beurteilt „Meine Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten 5 Jahren verbessert.“
© IAT / HBS
Hohe Arbeitsanforderungen führen zu starken Belastungen, u.a. bei Pausen, Überstunden und Arbeitszeit
„Kommt es vor, dass Sie Ihre Pause nicht nehmen können?“
© IAT / HBS
Arbeitsreport Krankenhaus 2013/14: Fachliche Defizite werden bei Fragen gesehen, die mit Patienten zu tun haben Vernachlässigte Aufgaben im eigenen Arbeitsbereich
© IAT / HBS
dip Pflegethermometer: Beschäftigte sehen Verbesserungsmöglichkeiten bei Arbeitsabläufen durch Mitarbeiterengagement
Arbeitsabläufe durch Mitarbeiterengagement optimierbar? Quelle: dip, Pflegethermometer 2009
Arbeitsreport Krankenhaus 2013/14: Aber kaum Hoffnung, dass mehr Beteiligung kommt.
"Ich werde an strategischen Entscheidungen, die meinen Arbeitsplatz betreffen, besser beteiligt werden." (alle Berufe, n=2186
© IAT / HBS
In der stationären Altenhilfe überraschend wenig Unzufriedenheit Zufriedenheit mit ausgewählten Indikatoren Zusammenarbeit im Team
28,9
Fort- und… Zusammenarbeit mit…
24,0
6,9 12,3
Übernahme besonderer…
13,4
Aufstiegsmöglichkeiten 0%
33,7
sehr zufrieden
20%
zufrieden
30%
6,5 2,8 30,7
38,0
10%
9,9
37,2 48,5 33,3
40%
teils, teils
50%
60%
unzufrieden
5,7 1,7 11,7
70%
3,8 5,7 1,2
16,6
41,3
11,3
6,3
24,9
32,9
Beteiligung an Neuerungen…
6,0 1,0
23,8
50,1
2,7
5,6 1,9
32,0 46,7
18,1
7,2
21,9
48,8
19,4
Information über…
18,8
46,6
12,2
Mitarbeitergespräche und…
leistungsbezogene Vergütung
42,4
80%
90%
5,7
100%
sehr unzufrieden
Quelle: KCR-Mitarbeiterbefragung 2012; n= 2000, aus Benchmarkingkreis KCR
Stat. Altenhilfe: Positiv auf Zufriedenheit wirken Führung, Mitarbeiterorientierung und Anerkennung von Außen
Quelle: KCR-Mitarbeiterbefragung 2012, n = 2000, aus Benchmarkingkreis KCR
Arbeitsverdichtung führt langsam aber sicher zu Frustration und Dienst nach Vorschrift 18
Forschungsprojekt WAMP* (Braun/Klinke/Müller 2010): „Wandel von Medizin und Pflege im DRG-System“ • Arbeitsverdichtung, Dissonanzen zwischen Normen und beruflichem Alltag, Verschlechterung der Versorgungsqualität der Patienten; • Belastungen (hoher Zeitdruck, Organisationsmängel, störende Unterbrechungen, unregelmäßige Arbeitszeiten, administrative Tätigkeiten, mangelhafter Arbeitsschutz) nahmen zwischen 2003 und 2008 zu! • Pflegerisches Selbstverständnis wird zunehmend den ungünstigen Praxisbedingungen angepasst! * WAMP= Querschnittsuntersuchungen und Längsschnittstudie für die Jahre 2003 bis 2008; schriftlich standardisierte Befragung examinierter Pflegekräfte; Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen
RN4CST: Und auch eine internationale vergleichende Studie zeichnet ein graues Bild
Nurse Forecasting: Human Resources Planning in Nursing
RN4CST: Und auch hier Sorge um die Patienten als Konsequenz
Nurse Forecasting: Human Resources Planning in Nursing
Gesundheit: Arbeitsfeld mit Handicaps und begrenzter Zukunftsfähigkeit
• Sehr stark steigender (Personal)Bedarf • Engere Ressourcen: Anteil Gesundheitsausgaben am BIP seit 1996 stabil! • Unattraktive Arbeitsbedingungen: − Schlechte Organisation − Lange und schwer planbare Arbeitszeiten − Kontinuierliche Arbeitsverdichtung − Überbordende Bürokratie − Traditionelle Hierarchien − Oft unattraktive Entlohnung − Anstieg atypischer Beschäftigung
21
Gezeitenwende: Gestern suchten Arbeitskräfte Jobs, morgen fahnden Jobs nach Arbeitskräften! • Erwerbsbevölkerung wird kleiner, älter und bunter! • Arbeitslosigkeit sinkt langsam aber sicher • In vielen Branchen und Regionen Vollbeschäftigung absehbar • Unternehmen werden um Arbeitskräfte konkurrieren • Sehr hoher Bedarf bei Gesundheit (bis ca. 1 Mio. bis 2030; vgl. SVR 2012)
Zukunft der Arbeit in der Gesundheit: Was sind die gängigen Therapien? Überbetrieblich: • Mehr ausbilden, v. a. bei Pflege • Neue Zielgruppen für das Arbeitsfeld Gesundheit gewinnen • Neue Spezialisierungen, Qualifikationen • Akademisierung bei Pflege, Physio-, Ergound Logopädie • Neue Arbeitsteilung zwischen Berufsgruppen Innerbetrieblich: • Arbeitszeiten berechenbarer / familienfreundlicher • Altersgerechte, Gesundheitsfördernde Arbeitsplätze; Gesundheitsmanagement • Führung verbessern, Motivation steigern, mehr Wertschätzung • Arbeit anders, produktiver gestalten
Anders arbeiten: Auf der Suche nach neuen Ansätzen Konturen eins neuen Leitbilds Arbeitsgestaltung • statt Arbeitszersplitterung und Qualifikationsspaltung • Arbeitsintegration und breitflächiges Qualifikationsupgrading • statt Arbeitsteilung Aufteilung Patienten auf interdisziplinäre Teams • erleichtert durch Profil- u. Schwerpunktbildung bei Krankenhäusern • Bezugspflege / Advanced Nursing Practise sind Vorboten • Arbeitsunterstützende Technik Suche nach Orientierungsbeispielen • In anderen Branchen / Ländern (z.B. MAYO; Metall: „Besser statt billiger!“) • Erfahrungen aus Gesundheit sammeln, sortieren, auswerten, u.a. aus „Gute Arbeit“ Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) BGM-Projekten • in Forschungs-, Entwicklungs- und Erprobungsprojekten entfalten Bild kopiert bei Peter Bechtel
Qualifikationsaufwertung, Arbeitsintegration, Augenhöhe • sind Grundorientierungen des BPM / Pflegerates, • die zu Erkenntnissen und Gestaltungsperspektiven der Arbeitsforschung anschlussfähig sind. • In Einrichtungen, Unternehmen, in Wissenschaft- und Forschung, in der Politik aber noch stiefmütterlich behandelt werden. • Neben politischem Lobbying braucht sie mehr Forschung, Entwicklung und Erprobung • Die neue arbeitspolitische Offensive der Bundesregierung könnte hierfür eine Basis bieten.
Bild kopiert bei Peter Bechtel
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Josef Hilbert IAT Munscheidstr. 14 45886 Gelsenkirchen Tel. 0209/1707-120
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