In Bauknecht, Brauer, Mück (eds.). Informatik 2001, Tagungsband der GI/OCG Jahrestagung, Band 1, OCG, Wien, S. 277 - 284 (ISBN 3-85403-157-2)

Next Generation von One-Stop Government Portalen: das Projekt eGOV Maria Wimmer und Johanna Krenner Institut für Angewandte Informatik, Universität Linz, {mw, krenner}@ifs.uni-linz.ac.at

Zusammenfassung: In diesem Beitrag wird im ersten Abschnitt allgemein auf e-Government, one-stop Government und globale Zugangsportale zu den elektronischen Leistungsangeboten und Informationen der öffentlichen Verwaltung eingegangen. Im Abschnitt 2 und 3 wird einerseits das österreichische „help.gv“ als Paradebeispiel für aktuelle e-Government Portale vorgestellt und andererseits Anforderungen für ein globales, integriertes one-stop Government Portal diskutiert. Daraufhin wird das EU Projekt „eGOV“ vorgestellt, welches die Entwicklung einer integrierten Plattform für online one-stop Government zum Ziel hat. Im Abschnitt 5 gehen wir auf einen wesentlichen Aspekt bei der Entwicklung von e-Government Systemen näher ein, nämlich auf eine nahtlose Integration des Portals mit den Back-office Prozessen. Schließlich wird im Abschnitt 6 das Vorgehen für die Entwicklung eines integrierten one-stop Government Portals vorgestellt.

1. E-Government im Aufwind Electronic Government umspannt viele Visionen und Ziele, welche die Öffentliche Verwaltung in naher Zukunft zu realisieren hat. Dabei sind sowohl grundlegende Änderungen, Reengineering der Verwaltungsprozesse sowie Einbindung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie angesprochen. Angespornt von der Euphorie im Bereich des electronic Commerce sind weltweit eine Unzahl von e-Government Initiativen und Projekten entstanden, wie einige aktuelle Studien zeigen [1], [3], [4], [10]. Jedoch hat mit der Euphorie für e-Government auch eine Phase der konzeptuellen Überlegungen und der Reife einherzugehen, wo nicht nur ein Web Server aufgesetzt wird und einzelne Prozesse elektronisch abgebildet werden. Vielmehr bedarf e-Government einer guten Planung und Abstimmung der einzelnen Schritte bis zur Realisierung und Inbetriebnahme. Derzeit kann man sagen, dass e-Government noch in seinen Kinderschuhen steckt und dessen Einflüsse und Auswirkungen noch nicht klar sind. Um die Visionen und Ziele von e-Government rascher umzusetzen, hat die Europäische Kommission im 5. Rahmenprogramm

eine eigene Sparte für geförderte e-Government Projekte eingerichtet [2]. Mit dieser Initiative unterstützt die EU Entwicklungen und Innovationen für die nächste Generation von benutzerfreundlichen, kosteneffektiven und interoperablen Leistungs- und Informationssystemen der öffentlichen Verwaltung. Die Verbesserungen und Vereinfachungen der Leistungen und Services der öffentlichen Verwaltung sollen dabei auf die verschiedenen Benutzergruppen bzw. Kunden (Bürger, Unternehmen und andere öffentliche Stellen) und deren Bedarfe gezielt abgestimmt werden (z.B. flexibler Zugriff auf das Angebot der öffentlichen Verwaltung für jede Person, zu jeder Zeit und von überall). eGOV ist ein solch gefördertes Projekt der EU, das die Entwicklung einer integrierten Plattform für online one-stop Government zum Ziel hat. One-stop Government bezieht sich auf die Integration des Leistungsangebotes der öffentlichen Verwaltung auf einen globalen Zutrittspunkt aus der Perspektive des Konsumenten (Bürger bzw. Unternehmen). Online one-stop Government erfordert dabei von allen Behörden und öffentlichen Stellen, dass sie miteinander vernetzt sind und dass der Kunde (Bürger, Privatunternehmen, öffentliche Stelle, Non-profit Organisation, usw.) die Leistungen des öffentlichen Sektors von einem einzigen Punkt aus betreten kann, unabhängig davon wo auch immer die Leistung effektiv produziert wird und ob diese von mehreren Organisationen erstellt wird. Das online onestop Government Portal bietet dabei einfache Funktionen wie Suche, Personalisierung, Strukturierung nach Lebenslagen bzw. Business-Situationen usw., wobei der Kunde kein spezielles Wissen über die Fragmentierung und Aufgabenverteilung im öffentlichen Bereich benötigt. Ein elektronisches Portal bietet für eine möglichst breite Nutzergruppe eine Einstiegsseite via Internet zu spezifischen Informationen und Leistungen einer Organisation oder einer Reihe von Institutionen. Allerdings handelt es sich hier nicht nur um eine HTML-basierte Link-Sammlung, sondern es werden zusätzlich verschiedene Funktionen angeboten [15]. Aktuelle Pionierbeispiele solcher globaler Portale sind das österreichische Portal www.help.gv.at, das französische Portal www.service-public.fr und das englische Portal

www.ukonline.gov.uk. Auch in der Schweiz ist ein derartiges globales Portal „Guichet Virtuel“1 geplant.

2. @mtshelfer online als Vorreiter Das österreichische Portal zur öffentlichen Verwaltung2 gilt als Paradebeispiel und Pilotprojekt für viele eGovernment Portale. Das Projekt startete 1995 und wurde in drei Phasen gegliedert: Informationsbereitstellung, Download von Formularen, Realisierung von online Transaktionen. Abgesehen von den Wegweiser Informationen für die Amtswege bietet das Portal den Bürgern und Unternehmen3 die Möglichkeit, sich Formulare herunterzuladen, welche der Bürger zu Hause / der Mitarbeiter im Unternehmen an seinem Arbeitsplatz am PC ausfüllen und dann über den traditionellen Weg bei der entsprechenden Stelle einbringen kann. Die dritte Ausbaustufe des österreichischen Portals ist derzeit in Entwicklung. So ermöglichen einige Pilotgemeinden/-städte bereits einfache Transaktionen über Online-Formulare4 welche mittels eines qualifizierten Links vom nationalen Portal aus direkt zugänglich sind. Help.gv adressiert bereits einige wichtige Anforderungen, die für ein globales one-stop Government Portal notwendig sind: • Navigationsstruktur ausgerichtet nach Lebenslagen • Unterscheidung von verschiedenen Benutzergruppen • Regionalisierung • Online verfügbare Formulare Die Umsetzung komplexerer Amtswege mit sensiblem Inhalt mittels help.gv bereitet allerdings noch einige Schwierigkeiten und ist bis jetzt nicht nutzbringend umgesetzt. Denn auch wenn viele Konzepte und Realisierungen von e-Commerce im privaten Sektor bereits erfolgreich eingesetzt werden, bedarf es einer sorgfältigen Anpassung und Adaptierung dieser Konzepte für den öffentlichen Sektor. Dabei dürfen die spezifischen Charakteristika und Anforderungen der öffentlichen Verwaltung nicht einfach der Prozessoptimierung zum Opfer fallen [11]. Weitere Hindernisse, help.gv als nationales one-stop Government Portal mit integraler Anbindung der Backoffice Prozesse zu realisieren, mögen beispielsweise darin liegen, dass:

1

Geplante URL: www.ch.ch www.help.gv.at 3 für die @mtswege online (Behördenkontakte von Unternehmen) war der Launch des Portals, welches im @mtshelfer online integriert ist, im März 2001 4 z.B. die Hundeanmeldung in der Stadt Salzburg, in der Gemeinde Pasching oder in der Gemeinde Schwechat 2



viele regionale und lokale Behörden noch keine entsprechende technische Infrastruktur und notwendigen Applikationen verfügbar haben; • die Umstellung von organisationsbezogenen auf lebenssituationsbezogene Prozesse oft noch nicht vollzogen ist; • Formulare häufig nur als File downloadbar sind und möglicherweise benötigte Hilfe beim Ausfüllen der Formulare fehlt; • die Information nur in einer Sprache vorhanden ist; • der Zugang nur über Internet möglich ist und noch keine Push-Services angeboten werden; • es bis dato nur wenige, kaum bekannte öffentliche Zugänge gibt; • Front-Office und Back-Office strikt getrennt sind; und/oder • die Probleme der Identifikation und Authentifizierung von Benutzern sowie der Authentizität von Daten technisch noch nicht zufriedenstellend gelöst sind. In einem von der EU geförderten Projekt („eGOV“5) wird nun die Entwicklung einer „Next Generation“ onestop Government Plattform mit einem integrierten, globalen Portal angestrebt, welches einige der oben aufgelisteten Schwierigkeiten zu überwinden versucht. Diese integrierte Plattform zur Realisierung von onestop Government wird im Folgenden näher beschrieben. Zuvor wird jedoch auf einige wesentliche Aspekte eines globalen Zugangs zu den Services und Informationen der öffentlichen Verwaltung eingegangen.

3. Globaler Zugang zu Informationen und Leistungen der öffentlichen Verwaltung In der Vision von one-stop Government spielt ein globales, integriertes Portal eine Schlüsselrolle, da es den Zugang zu allen elektronisch verfügbaren Leistungen und Informationen verschiedener öffentlicher Stellen ermöglichen soll. Lokale Services sind demnach über die selbe Schnittstelle zugänglich wie Informationen und Leistungen regionaler und nationaler Stellen. Einige wesentliche Anforderungen eines solchen globalen Portals betreffen Aspekte wie: • Erreichen einer breiten Benutzergruppe • Funktionsumfang • klare und verständliche Strukturierung und Navigation basierend auf verschiedenen „Lebenslagen“ • multimedialer Zugang über das Portal. Nachfolgend wird auf die einzelnen Faktoren näher eingegangen. 5

Akronym für: An Integrated Platform for Realising Online One-Stop Government, siehe www.egov-project.org

3.1. Benutzergruppen eines globalen Portals

3.3. Strukturierungskonzept „Lebenslagen“

Die Benutzer eines globalen Zuganges zur öffentlichen Verwaltung sind einerseits die Bürger als die im ursprünglichen Konzept des e-Government vorwiegend angedachte Nutzergruppe. Andererseits stellen in neueren Überlegungen eines e-Government die Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen selbst diejenige Nutzergruppe dar, welche für sich und auch für die Behörde selbst den größeren Nutzen daraus ziehen kann. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass Unternehmen wie andere öffentliche Stellen mit einer Behörde wesentlich öfter in Kontakt treten als einzelne Bürger. So hat beispielsweise ein Unternehmen zumindest monatlichen Kontakt mit dem Finanzamt. Ein wesentlicher Nutzen ergibt sich auch für die Mitarbeiter von Front-office Stellen wie öffentlichen Anlaufstellen, Bürgerbüros und Call-Centers. Diese können als „Vermittler“ dem Bürger beim Zugang zur öffentlichen Stelle über das Portal behilflich sein oder selbst den Zugang für den Bürger herstellen.

Eine gute Strukturierung der Links und des Inhalts im Portal sowie eine einfach gestaltete Navigation zu den gewünschten Behörden ist ebenso wichtig. Bisher orientierten sich allerdings die Verwaltungsabläufe vorwiegend an der Struktur der einzelnen Stellen und deren internen Abläufen. Um dem Bürger eine selbständige elektronische Navigation im „Behördendschungel“ und durch die komplexen Verwaltungsabläufe zu ermöglichen, wurde für das österreichische Portal bereits 1995 das Konzept der Lebenslagen [14] entwickelt. Dabei werden die Behördenkontakte, die der Bürger in den verschiedenen Situationen wie Geburt, Schule, Auto, Umzug, Heirat, Todesfall, etc. zu erfüllen hat, entsprechenden Lebenslagen zugeordnet. Seit März 2001 gibt es auch ein Pendant für Unternehmen strukturiert nach Geschäftssituationen. Mittlerweile wird das Lebenslagen-Konzept in vielen öffentlichen Portalen realisiert.

3.4. Multimedialer Zugang 3.2. Umfassende Funktionalitätsanforderungen Der Leistungsumfang und die Funktionalität eines eGovernment Portals sind vielfältig. So wird beispielsweise Zugang zu Informationen über Behördenwege, das Downloaden von Formularen für Anträge, im besten Fall sogar elektronische Übermittlung des Antrages bzw. die Erledigung eines gesamten Amtsweges angeboten, ohne dass der Benutzer von vornherein wissen muss, wer wofür zuständig ist und ohne die verschiedenen Stellen persönlich aufsuchen zu müssen. Ein Überblick über die verschiedenen Funktionen eines one-stop Government Portals ist von Lenk und Traunmüller in [6] zusammengefasst. Abgesehen von den oben erwähnten Grundfunktionen soll demnach ein one-stop Zugang dem Benutzer auch Folgendes bieten: • Möglichkeit der Vorinformation für Bürger • Hilfe beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen • Übersetzen der Anliegen der Bürger von der „Bürgersprache“ in eine in der Verwaltung üblichen Ausdrucksweise • Abbilden von Anfragen auf gesetzliche Strukturen und anschließende Weiterleitung an das zuständige Back-Office • Verfolgung des Prozesses Weiters sind über das Portal Aspekte wie eine sichere Übertragung von vertraulichen Informationen und Daten, eindeutige Identifizierung und klare Authentifizierung, Authentizität von Daten, sowie Mehrsprachigkeit zu implementieren.

Der Zugang zu den Prozessen strukturiert nach Lebenslagen soll darüber hinaus über verschiedene Medien (PC, öffentlicher Kiosk, Mobiltelefon, PDA u.a.) möglich sein, um dem Trend des unbeschränkten und mobilen Zugangs zu entsprechen. Wichtig dabei ist, dass der Benutzer zwischen den verschiedenen Möglichkeiten des Zugangs selbst wählen kann, wie z.B. über Internet von zu Hause aus, einem öffentlichen Kiosk oder einer öffentlichen Servicestelle; telefonisch durch persönliches Gespräch, SMS oder WAP Applikationen; brieflich oder durch persönliche Vorsprache.

4. Das Projekt eGOV Das Projekt eGOV (“An Integrated Platform for Realising Online One-Stop Government“, IST-200028471)6 [11] ist ein von der EU gefördertes zweijähriges Forschungs- und Technologie-Entwicklungsprojekt (FTE) im 5. Rahmenprogramm der Europäischen Kommission (IST Key Action I: Systems and Services for the Citizen [2]), welches im Juni 2001 startete. Die Partner stellen einen ausgewogenen Mix aus öffentlichen Verwaltungen, Forschungsinstitutionen und privaten Serviceprovidern aus Deutschland, Finnland, Griechenland, Österreich und der Schweiz dar.

6

http://www.egov-project.org/

4.1. Ziele von eGOV Das Hauptziel von eGOV ist die Spezifikation, Entwicklung, Implementierung und Evaluierung einer integrierten Plattform für die Realisierung von online one-stop Government. Diese eGOV Plattform stellt für die Kunden des öffentlichen Sektors einen allgemeinen und global zugänglichen Eintrittspunkt zu allen elektronisch angebotenen Informationen und Leistungen. Die Benutzer sind sowohl private Bürger wie Unternehmen und auch öffentliche Institutionen selbst. Die Navigation durch das Portal ist nach Lebenslagen bzw. Business-Situationen strukturiert. Das Portal stellt die Eintrittsstelle zu den Service Repositories der einzelnen Behörden dar, wo die lokalen Prozesse abgebildet sind. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung einer Governmental Markup Language (GovML) als XML Derivat, welche das Bindemittel zwischen dem Portal und den verschiedenen Service Repositories darstellt. Die GovML ermöglicht einen reibungslosen Datenaustausch zwischen den einzelnen Beteiligten und den Service Repositories und ist als Basis eines künftigen offenen Standards für e-Government angedacht, um die Zusammenarbeit und den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Behörden horizontal (z.B. zwischen Gemeinde, Land und Bund) und vertikal (z.B. zwischen verschiedenen Institutionen der gleichen Ebene) wesentlich zu vereinfachen. Das integrierte Portal soll darüber hinaus Funktionalitäten wie Personalisierung, Mehrsprachigkeit, Unterstützung von Push-Services und digitaler Signatur, etc. anbieten. Durch die integrale eGOV Plattform soll insgesamt eine Steigerung der Effektivität, Effizienz und Qualität der öffentlichen Leistungen erzielt werden.

4.2. Systemarchitektur der eGOV Plattform Die allgemeine Systemarchitektur der integrierten one-stop Government Plattform ist in Abbildung 1 dargestellt. Die technischen Komponenten haben folgende Funktionalität: • das online one-stop Government Portal stellt den globalen one-stop Eintrittspunkt zu den Leistungen und Informationen der öffentlichen Verwaltung dar und bietet auch eine Reihe von Zusatzfunktionen wie den Zugriff über unterschiedliche Medien und Endgeräte, Personalisierung, kundenspezifische Anpassung, Mehrsprachigkeit, Unterstützung von Push Services und Digitale Signatur, etc. • ein globales und viele lokale Service Repositories (SR) enthalten die verschiedenen (globalen und lokalen) Services und Informationen der einzelnen Behörden und Verwaltungsstellen



das Service Creation Environment (SCE) ist eine Applikation, welche für jedes SR die Wartung und Erstellung von Informationen und öffentlichen Leistungen unterstützt

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Abbildung 1: Systemarchitektur der eGOV Plattform für online one-stop Government Wie die Abbildung zeigt, haben die verschiedenen Stellen der öffentlichen Verwaltung jeweils ihre eigenen Service Repositories, wo sie mit Hilfe des Service Creation Environments selbst die Wartung und Verwaltung ihrer lokalen Leistungen und Informationen übernehmen. Für die Wartung und Pflege des globalen SR mit den Portalinhalten ist eine nationale Stelle der Regierung verantwortlich. An die Umsetzung der einzelnen technischen Komponenten sind hohe Erwartungen geknüpft. So wird der Zugang über das Portal mittels Internet und Wireless Application Protocol (WAP), UMTS oder GSM angestrebt. Dadurch kann der Benutzer/Kunde nicht nur über Internet vernetzte PCs und öffentliche Kiosks auf die Informationen und Leistungen der öffentlichen Verwaltung zugreifen. Vielmehr wird auch der Zugang und die Kommunikation mit den Behörden über Handys und andere mobile Endgeräte wie PDAs möglich. Ein weiterer wesentlicher Aspekt der one-stop Government Plattform ist die Integration des Portals mit

den lokalen Service Repositories. Denn hinter den Service Repositories verbergen sich sehr komplexe Prozessabläufe der lokalen Verwaltungen. Im nächsten Abschnitt wird daher näher auf die Integration der Prozesse und des one-stop Government Portals eingegangen.

5. Integration von Portal und Prozessen Für ein effizientes one-stop Government ist eine nahtlose und für den Benutzer unsichtbare Verknüpfung des elektronischen Portals mit den dort angestoßenen Back-office Prozessen wesentlich. Somit muss sich der Benutzer nicht mehr an mehrere Stellen wenden, um einen notwendigen Amtsweg zu erledigen. Um diese Vision entsprechend umzusetzen, bedarf es jedoch einer Anpassung und Gestaltung der Verwaltungsstrukturen und –prozesse nach dem Konzept der Lebens- bzw. Businesssituationen. Lenk und Klee-Kruse [5] betonen, dass bei der Reorganisation der Prozesse auf Verwaltungsebene eine Anlehnung an das Business Process Reengineering Konzept durchaus machbar und sinnvoll ist. Allerdings ist in weiterer Folge auf die Besonderheiten von eGovernment Prozessen Rücksicht zu nehmen (siehe [11]). Darüber hinaus liegt aus dem Bereich e-Commerce eine Reihe von erfolgreichen Prozessmodellen vor, die als Basis für die Anpassung der Verwaltungsprozesse an e-Government dienen. Allerdings gilt dies nur für einen Typ der vielgestaltigen Verwaltungsprozesse, nämlich für Routineprozesse wie z.B. die Beantragung eines Reisepasses, welche ähnlich den kommerziellen Prozessmodellen ohne größeren Aufwand in e-Government umgesetzt werden können. Für die viel komplizierteren Prozesse der individualisierten Fallbehandlung wie etwa ein Betriebsansiedelungsverfahren und der Aushandlungsprozesse (z.B.: Asylantrag)7 gibt es aus dem Bereich e-Commerce bis dato noch kaum konkrete Beispiele. Es ist demnach weder möglich noch sinnvoll, alle Prozesse der öffentlichen Verwaltung durch vorgegebene Workflows strikt zu kanalisieren und auf one-stop Government abzubilden. Trotzdem ist eine grundlegende Strukturierung und teilweise Abbildung der Aushandelungsprozesse und individualisierten Fallbehandlung in e-Government anzustreben. Dadurch sollen sowohl die Verwaltung als auch deren Kunden bei der Durchführung solcher Prozesse bestmöglich unterstützt werden. 7

Eine ausführliche Diskussion der einzelnen Prozesstypen der öffentlichen Verwaltung findet der interessierte Leser in [5] und [13].

Um an dieses komplexe Vorhaben heranzugehen, bedienen wir uns eines Referenzmodells (siehe Abbildung 2, in Anlehnung an das Business Media Reference Model von Schmid [9] und die Information Architecture von Mok [7]). Dieses Referenzmodell unterstützt ein besseres Verständnisses eines Verwaltungsprozesses aus zwei unterschiedlichen Sichten: • Horizontal: verschiedene Phasen in einem Prozess; • Vertikal: verschiedene Ebenen der Betrachtung.

5.1. Phasen eines Verwaltungsprozesses Grundsätzlich lassen sich Verwaltungsprozesse in folgende vier Phasen zergliedern: - In der Informationsphase sucht der Benutzer nach entsprechenden Informationen betreffend eines möglicherweise beabsichtigten Amtsweges. Dabei kann er über das globale Portal nach konkreten Möglichkeiten der Durchführung suchen, nach benötigten Unterlagen und Voraussetzungen für die erfolgreiche Abwicklung eines solchen Amtsweges, usw. Andererseits kann der Benutzer auch durch eine proaktive Strategie der Behörde mittels PushServices erinnert und darauf aufmerksam gemacht werden, dass er einen Amtsweg zu erledigen hat und was er dazu an Unterlagen benötigt. In dieser Phase fragt der Benutzer vorwiegend einfache Wegweiserinformationen ab. - In der Intentionsphase bekundet der Benutzer seine Absicht, einen Verwaltungsprozess auszuführen. Dazu wird er mit der betreffenden Stelle Kontakt aufnehmen und ggf. die erforderlichen Unterlagen und Voraussetzungen nochmals klären. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Benutzer schon genau weiß, was er zu tun und beizusteuern hat. Er lädt sich dafür das entsprechende Formular vom Server und füllt es aus. Wichtig für e-Government ist in dieser Phase, dass es dem Benutzer so einfach und verständlich wie möglich gemacht wird, damit er die notwendigen Schritte weitgehend im Selbstbedienungsmodus erledigen kann. - In der Vertragsphase reicht der Benutzer den Antrag ein bzw. stößt einen konkreten Verwaltungsprozess an. Dies kann über eine online Transaktion erfolgen, mittels schriftlicher oder elektronischer Übermittlung des Antrages oder auch durch persönliche Vorsprache im Amt. Bei der elektronischen Abwicklung sind hier die Aspekte der Authentifizierung und der Authentizität abzuklären. Im nächsten Schritt kontrolliert die Behörde die beigebrachten Unterlagen und Materialien, prüft die Situation des Kunden und die Voraussetzungen und akzeptiert den Antrag (bzw. weist ihn zurück oder fordert weitere Unterlagen ein). Insgesamt werden in dieser Phase von

Abbildung 2: Referenzmodell für one-stop Government Prozesse beiden Seiten verbindliche Abmachungen getroffen und der Prozess wird bei beidseitiger Akzeptanz vom Front-office ins Back-office zur Bearbeitung und Erledigung weitergereicht. - In der Erledigungsphase wird der Prozess abgearbeitet und das Ergebnis dem Kunden übermittelt. Dies kann die Ausstellung eines Dokumentes betreffen, die Genehmigung einer sozialen Unterstützung, einer Betriebsansiedelung, u.ä., wo ein Bescheid zugestellt wird, usw. Bei Zuerkennung finanzieller Mittel wird die Zahlung des Betrages veranlasst. Im Fall einer Genehmigung oder der Ausstellung eines Dokuments usw. wird die Bezahlung aktiviert. Es ist auch möglich, dass ein Benutzer nicht alle Phasen des Prozesses durchläuft. Er kann beispielsweise lediglich Informationen zu einem Prozess sammeln. Dabei kann er entweder nur die Informationsphase oder auch die Intentionsphase durchqueren. Ein anderer Benutzer kennt die Abläufe bereits und schickt im ersten Schritt gleich das ausgefüllte Formular online an die ihm bekannte zuständige Stelle (Beginn mit der Vertragsphase).

5.2. Unterschiedliche Sichten auf Prozesse In der vertikalen Dimension kann ein Verwaltungsprozess auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden: - Auf der strategischen Ebene werden die grundlegenden organisatorischen Voraussetzungen für die Realisierung eines Prozesses über ein bestimmtes Medium diskutiert: Strategien, grundlegende Rollen, strategische Entscheidungen und Bedingungen. - In der Ebene der Prozeßmodelle werden die strategischen Überlegungen in Prozessmodelle konkretisiert. Dabei werden die betroffenen Rollen detail-

liert, Prozessabläufe festgelegt, das grundsätzliche Datenmaterial an Input, Throughput und Output abgestimmt und der Prozess an die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst. - Die Interaktionsschicht stellt die Zusammenführung der Prozessmodelle, Beteiligten und Daten- bzw. Informationsinhalte dar. D.h. auf dieser Ebene werden konkrete Prozesse umgesetzt, wobei hier die horizontalen Phasen am klarsten sichtbar und zu realisieren sind. - In der Daten- und Infrastrukturschicht geht es um die technische Umsetzung der Prozesse und Dateninhalte in IT. Diese Schicht realisiert somit einerseits die technische Implementierung der Datenbanken, des Portals und der Service Repositories. Andererseits werden hier auch die Kommunikations-, Transaktions- und Transportinfastruktur bzw. die zugehörigen Schnittstellen implementiert. Durch die Betrachtung der Verwaltungsprozesse mit Hilfe des obigen Referenzmodells wird eine Strukturierung aller drei Prozesstypen der öffentlichen Verwaltung möglich. Ein wesentliches Ziel von eGOV ist die Integration des Portals mit den lokalen Service Repositories und den damit verbundenen lokalen Back-office Prozessen. Dabei soll das obige Referenzmodell für one-stop Government Prozesse eine wesentliche Unterstützung bieten.

6. Vorgehensweise im eGOV Projekt Die Erarbeitung der eGOV Plattform ist in drei grundlegende Phasen gegliedert: 1) Analyse und Spezifikation; 2) Design und Implementierung; 3) Evaluierung und Inbetriebnahme.

In der Analyse werden verschiedene Benutzergruppen und Behörden in drei Ländern (Griechenland, Österreich, Schweiz) ausgewählt, wo mittels Fragebögen und Interviews die aktuelle Situation betreffend eGovernment Portalen und Systemen detailliert eruiert wird. Die Analyse ist auf vertiefende Fragen betreffend der Organisation, einzelner Verwaltungsprozesse, bereits angebotenen Services und Informationen nach Lebenslagen/Businesssituationen und verwendeten Informationstechnologie (vorwiegend bezüglich WebPublishing) aufgebaut. Dabei wird auch nach Schwachstellen und Verbesserungspotentialen in den einzelnen Bereichen gefragt. Die Benutzergruppen sind in drei Cluster (Bürger, Unternehmen, Mitarbeiter von öffentlichen Verwaltungen) gruppiert. Innerhalb der Cluster wird nochmals nach einer ausgewogenen Repräsentanz verschiedener Charakteristika getrachtet: Geschlecht, Alter, Erfahrung mit Internet, Betriebsgröße, Branche, Ebene der Verwaltungsstelle, Rolle in der Verwaltungsstruktur. Aufbauend auf die Erfahrungen und Einsichten aus der Analyse und aus den Beiträgen an Expertenwissen innerhalb des eGOV Konsortiums werden die Anforderungen und die Spezifikation für die eGOV Plattform formuliert. Weiters wird eine Marktanalyse von aktuell verfügbaren Technologien und e-Government Konzepten durchgeführt, auf deren Ergebnisse die Spezifikation und nachfolgende Implementierung aufbauen. Im zweiten Schritt werden die einzelnen technischen Komponenten der eGOV Plattform implementiert. Hier geschieht die Realisierung des globalen one-stop Government Portals, die Erstellung des Service Repositorys und die Implementierung des Service Creation Environments. Ein weiterer Schwerpunkt in dieser Phase ist die Entwicklung der Governmental Markup Language, welche die Grundlage der elektronischen Kommunikation und des Datenaustausches zwischen einzelnen Beteiligten sein wird. Gleichzeitig mit der Implementierung der technischen Komponenten werden Prozessmodelle für verschiedene Verwaltungsprozesse entwickelt, welche schließlich in der Evaluierungsphase mittels der SCEs in den Service Repositories abgebildet und über das globale Portal von verschiedenen Endgeräten aus zugänglich sein werden. In der dritten grundlegenden Phase wird die implementierte, integrierte one-stop Government Plattform in Griechenland, Österreich und der Schweiz installiert und mit ausgewählten Personen aus verschiedenen Benutzergruppen (entsprechend den Clustern in der Analyse – siehe oben) getestet. Die Evaluierung wird durch Beobachtung und Interviews der Testbenutzer durchgeführt, welche anhand von vorher entwickelten Szenarien (die auf die Prozessmodelle der vorherigen

Phase basieren) durch die one-stop Government Plattform navigieren und verschiedene Testfälle ausprobieren. Acknowledgement. eGOV (An Integrated Platform for Realising Online One-Stop Government, Grant IST2000-28471) ist ein von der EU gefördertes zweijähriges Projekt mit Beginn Juni 2001 mit folgenden Partnern: Siemens Austria, PSE, Wien (A); Archetypon S.A., Athen (GR); TietoEnator Corporation, Espoo (FIN); IKV++ GmbH Informations - und Kommunikationstechnologie, Berlin (D); Institut für Angewandte Informatik an der JK Universität Linz (A); National Centre for Scientific Research (NCSR) "Demokritos", Athen (GR); Hellenic Ministry of Interior – Public Administration and Decentralization, Athen (GR); Municipal Technology Company of Amaroussion (GR); Swiss Graduate School of Public Administration (IDHEAP), Universität Lausanne (CH); Österreichisches Bundesministerium für Öffentliche Leistung und Sport, Wien (A).

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Bürgerbüro, Speyer Forschungsberichte 205, Speyer, 2000 [9] B. Schmid, Elektronische Märkte – Merkmale, Organisation, Potentiale, www.netacademy.org, [26/06/2001] [10] W. Suter, Bericht über die Studie zu den Guichets Virtuels in der Welt, Studie der Schweizerischen Bundeskanzlei (Copiur), 20. Dezember 2000, http://www.admin.ch/e-gov/de/GV/documents.php [27/06/2001] [11] E. Tambouris, An Integrated Platform for Realising Online One-Stop Government: The eGOV Project, in: Proceedings of the DEXA International Workshop "On the Way to Electronic Government", IEEE Computer Society Press, Los Alamitos, CA, 2001 (in press) [12] M. Wimmer, R. Traunmüller, K. Lenk, Electronic Business Invading the Public Sector:

Considerations on Change and Design. In Proceedings of the 34th Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS-34), January 3-6, 2001, Maui, Hawaii [13] M. Wimmer, R. Traunmüller, und Klaus Lenk, Prozesse der öffentlichen Verwaltung: Besonderheiten in der Gestaltung von e-Government, Im Tagungsband zur gemeinsamen Arbeitskonferenz GI/VOI/BITKOM/OCG/TeleTrusT „Elektronische Geschäftsprozesse", Klagenfurt, 24-25 September 2001 [14] A. Winter, www.help.gov.at – Die österreichische Verwaltung im Internet, H. Reinermann (Hrsg.), Regieren und Verwalten im Informationszeitalter, Unterwegs zur virtuellen Verwaltung, R.v. Decker, Heidelberg, 2000; [15] www.ecin.de, [8/06/2001]