Namibia Notizen am Rande

Namibia 2015 Notizen am Rande Es ist unmöglich, die Eindrücke in Worte zu fassen, die dieses Land der Wüsten und der rauhen Berge hinterläßt. Man mu...
Author: Anna Reuter
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Namibia 2015 Notizen am Rande

Es ist unmöglich, die Eindrücke in Worte zu fassen, die dieses Land der Wüsten und der rauhen Berge hinterläßt. Man muß es selbst erleben. Und genießen. Dies ist nur eine kleiner Schritt für die Menschheit, aber eine großer Sprung für Sonnen­ und Hitze­empfindliche Eisbären. Die folgenden Notizen sind deshalb auch kein handelsüblicher Reisebericht, sondern eine Sammlung von Anekdoten und Beobachtungen, subjektiven Meinungen und Kommentaren. Einiges mag übertrieben sein, anderes politisch inkorrekt. Möge der Humor mit Euch sein beim Lesen dieser leider viel zu vielen Zeilen.

08.09. 2015 Dienstag zurück zu den Wurzeln, in die Wiege der Menschheit, Afrika. Das Land meiner Alpträume, Sonne... Hitze... Mückenplage. Aber ein Paradies für Astronomen. Einer der dunkelsten Flecken der Erde, ohne Lichtverschmutzung, keine Reklametafeln, keine Straßenlaternen, bei Neumond nur das Licht der Sterne und der Milchstraße. Am Flughafen lasse ich meine Blicke über die Checkin­Schlange schweifen. Unsere Mitreisenden sollten leicht erkennbar sein: Seniorenstudenten mit Silberschopf (ähnlich, aber nicht zu verwechseln mit den Silberrücken bei den Gorillas). Von den ursprünglich mal weit über 20 Interessenten sind noch 14 übriggeblieben. Unser Anführer, ein (ebenfalls silberhaariger) Astronomie­Professor, erscheint im Indiana­Jones­Look. An Bord begrüßt uns Süd­Afrika, Typ lebenslustige afrikanische Mama. Der Service ist gut, die Sitze wie in der Economy­Class üblich etwas unförmig, d.h. die Form paßt eigentlich nicht zu einem normalen Erwachsenen. Nach kurzer Zeit steht ein Steward mit Tablett vor mir. Ihm scheinen die Gesichtszüge kurz zu entgleiten, als er ein "Asian vedge" hervorstößt und mich fassungslos ansieht: wie kann man nur so etwas essen? Zum Schlafen finde ich glücklicherweise einen freien Platz in der Flugzeugmitte über den Flügeln, wo eine weggelassen Sitzreihe dem Personal den Wechsel zwischen den Gängen ermöglicht und mir das Ausstrecken der Füße. 09.09.2015 Mittwoch Noch im Dunkeln wird das Frühstück serviert. Nach kurzer Zeit dann der Sonnenaufgang über einem Afrika unter Wolken. In Johannisburg betrete ich erstmals afrikanischen Boden. Die eineinhalb Stunden Aufenthalt reichen gerade, um nach diversen Kontrollen das Gate nach Windhoek zu erreichen. Eine halbe Stunde vor Windhoek beginnt der Sinkflug und mir macht etwas Sorgen, daß ich in der halben Stunde kein einziges Haus und keine Straße sehe. Dagegen wirkt z.B. der Provinzflughafen Greven in Westfalen wie eine Millionenmetropole. Wie sich rausstellt, sind wir nicht in der Steppe abgestürzt, sondern tatsächlich auf dem Flughafen 40km östlich von Windhoek. Beim Betreten der Gangway ins Freie denke ich: "Ankunft Windhoek, die Frisur sitzt" und erinnere mich an die getaftete Geschäftsfrau, die sich von keinem Wüstenwind aus der Fassung bringen läßt. Nach der Landung müssen wir den Weg vom Flugzeug ins Gebäude über das Flugfeld zu Fuß zurücklegen. Dabei bekommen wir einen Zettel zum Ausfüllen mit Angaben über unseren Gesundheitszustand, aber ohne Personalien. Die Zettel werden 50m weiter wieder eingesammelt (und vermutlich weggeworfen). Bereits während des Fußwegs treibt mir die afrikanische Heìßluft den Schweiß auf die Stirn: mir wird klar, warum der Homo sapiens diesen Kontinent fluchtartig verlassen hat, Formalitäten wie Visum und Kontrollen klappen problemlos. Jetzt holen wir uns erst mal Dollars und erfahren dabei, daß der angeschriebene Wechselkurs nur ein Richtwert ist, der tatsächliche Kurs geht in den Sinkflug mit länger werdender Schlange...Angebot und Nachfrage, das ist Marktwirtschaft...als Schnellste und Erste in der Schlange kriegen wir den besten Kurs. Der Angestellte legt einen dicken Stapel 200­Namibian­Dollarscheine in einen Zählautomaten, stellt den Betrag ein, dann rattert die Maschine. Er zeigt auf den Betrag in der Digitalanzeige und reicht uns den ausgeworfenen Stapel. Jetzt brauchen wir nur noch unser Auto. Nach kurzer Verwirrung werden wir

belehrt, daß es unseren Autovermieter Alamo hier nicht gibt, sondern daß man zum Stand von Europcar muß. Die eigentliche Übergabe verläuft reibungslos, aber dann müssen wir uns zunächst ein Belehrungsvideo des Vermieters ansehen: nicht der Linksverkehr ist hier die Herausforderung, sondern das Fahren auf Schotter­ und Wüstenpisten: die tieferen sandigen Stellen sowie die nicht befestigten Pistenränder lassen den selbstbewußten Autofuzzi aus Deutschland immer wieder abheben zu beeindruckenden Pirouetten oder mehrfachen Rittbergern und einer mit tödlicher Sicherheit mißlungenen Landung auf dem Kopf. So schaffen es die ausländischen Gäste, daß die Rate der Verkehrstoten in Namibia die deutsche um ein vielfaches übersteigt. Unser Problem ist aber zunächst ein anderes: wie kommen wir jetzt zur Hakosfarm? Das Navi kennt zwar die Farm, weigert sich aber, dorthin zu fahren, weil es keine Straße gibt. Die Farm liegt offenbar in the middle of nowhere. Um nicht erst die Bedienungsanleitung studieren zu müssen, wollen wir erst mal mit Karte losfahren. Ich sage Regina, sie solle schon mal nach Westen losfahren.... was naturgemäß und intuitiv bei Nordlichtern erst mal schiefgeht, da hier ja die Sonne im Norden steht. Ich bin jetzt etwas beunruhigt, da ich auch keine Karte im Auto finden kann und somit wollen wir uns erst mal an der Tankstelle am Flughafen eine Karte holen. Die Zufahrt ist die erste unbefestigte Schlaglochpiste und wir erfahren erstaunt, daß sie keine Karte haben... unser Start in Namibia ist Loriot­reif. Also noch mal kurz zurück zum Autovermieter. Dort erfahren wir, daß doch 3 Touristen­Prospekte im Auto lägen (Nord­/Mitte­/Süd­Namibia) und darauf seien neben Werbung für Restaurants und Lodges auch alle Straßen skizziert, mehr brauche man nicht. Zur Hakosfarm sollten wir erst mal grob in die Richtung fahren und dann nach Schildern schauen. Wir finden dann nach Windhoek rein und zur richtigen Seite wieder raus. Kurz hinter Windhoek ist ihnen der Asphalt ausgegangen. Nach 3 Stunden Piste und unseren ersten Pavian­ und Kudu­Sichtungen kommen wir auf der Farm an. Die anderen Gruppenmitglieder hatten einen Bustransfer und sind schon da. Darüber hinaus sind noch 3 Amateurastronomen da, die den aktuellen Neumondzyklus für den Neuaufbau eines Teleskops nutzen. Die Mahlzeiten auf Hakos sind ein geselliger Event. Während des Abendessens sehen wir durch die Rundumverglasung einen traumhaften Sonnenuntergang hinter den Hakos­Bergen. Wir sitzen an zwei selbstgemachten 10er­Rundtischen wie in China, in der Mitte kreist auf einem (nicht sichtbaren) ausgedienten LKW­Radlager eine große Holzplatte, auf der afrikanische Hausmannskost serviert wird. Ich lasse mir erklären, daß afrikanisch hier kolonial­afrikanisch bedeutet und nicht einheimisch­afrikanisch, das sei einem europäischen Touristen kaum zumutbar. Durch Drehen holt man sich die Köstlichkeiten der Hausherrin auf den Teller, man muß allerdings stets gut drauf achten, daß man nicht in einem unpassendem Moment einem anderen Gast das Essen unter der Gabel wegzieht. Wie überall in Namibia gibt es jeden Abend (für den nicht­Vegetarier) ausgezeichnetes Fleisch, nicht wie  in Europa Rind oder Huhn aus der Massenzucht, sondern Oryx, Elan Antilope, Gamsbock, Zebra usw. direkt aus der freien Wildbahn. Aber auch die Nachtische, selbstgebackenes Brot, Marmelade und Joghurt der Hausherrin sind äußerst lecker. Und wir können feststellen, daß die südafrikanischen Weine in nichts denen Europas nachstehen. (Den alltäglichen nachmittags Kaffee gibt es übrigens auf einem riesigen Tisch auf der offenen Veranda, natürlich mit selbstgebackenem Kuchen.) Nach dem Abendessen geht es raus in die absolut klare Nacht, es erwartet uns ein atemberaubender Sternenhimmel. Mit einem Laser­Pointer zeigt uns unser Professor die markantesten Erscheinungen, Alpha­ und Beta­Centauri, Kreuz des Südens, den Skorpion mit Saturn am Ende, Eta­Carina, kleine und große Magellansche Wolke, die galaktische Ebene der Milchstraße mit ihrem Zentrum und dem vermuteten schwarzen Loch, den Himmelssüdpol ohne Stern,... Stoff für viele Beobachtungsabende.... Beim Abendessen erfahren wir noch, daß die Stimmung in der Eigentümer­Familie sehr gedämpft ist: der 78­jährige Patriarch und Erbauer der Farm, bis vor 3 Wochen noch das blühende Leben selbst, hatte einen Zusammenbruch mit der Diagnose schwerer Herzprobleme. Da man in diesem Teil Welt

vieles hinnimmt und nicht mit Hightech wie künstlichen Herzklappen oder Herzschrittmachern repariert, hat wohl viel mit den rauhen Lebensbedingungen in dieser Wildnis und der nüchternen Kosten­Kalkulation für Krankenversicherungen zu tun. Waltraud, die in Deutschland mal in der Alten­ und Krankenpflege gearbeitet hat, wird mir später erklären, daß man hier noch ein viel natürlicheres Verhältnis zu Leben und Sterben hat als in Europa. Neben der Erbin Waltraud sind deshalb noch die beiden in Deutschland lebenden Söhne und die in Südafrika lebende Mutter und jüngere Tochter angereist, um Abschied zu nehmen. 10.09.2015 Donnerstag Am Vormittag ist eine Planungsbesprechung angesetzt, die Stimmung ist aber getrübt, da völlig untypisch für diese Jahreszeit sich bedeckter Himmel angekündigt hat. Trotzdem zeigt der Professor mit vielen Bildern, welche bekannten Kugelhaufen­Galaxien, Messier­Objekte,.. er uns im Teleskop zu zeigen gedenkt. Dazu die Saturnringe und Sirius als Doppelsternsystem. Danach schlagen Waltraud und Friedhelm, die Besitzer der Farm, einige mögliche Exkursionen vor. Highlight ist sicherlich der Ausflug auf das Gamsberg­Plateau, eine Art Tafelberg, im Outback ca. 500m aus dem Umland aufragend, mit ca. 2km2 Plateau­Fläche, die dem IAS (http://www.ias­observatory.org) gehört. Die weiteren Exkursionen können wir nicht mitmachen, da wir bereits nach 5 Tagen die Farm verlassen werden und auf Namibia­Rundreise gehen. Außerdem gehören sie zu unserem eigenen Rundkurs. Der Rest der Senioren­ studenten nimmt jedoch die Vorschläge trotz nicht geringer Preise für die Exkursionen (alle außer Gamsberg mit Auswärtsübernachtung) mit Begei­ sterung auf. Am Nachmittag braucht Regina wie immer Auslauf. Wir machen eine Wanderung in die wilde Landschaft, die angeblich zu Wasserfällen führt. Der Wasserfall ist natürlich ein Fake, zumindest jetzt, am Ende der Trockenzeit. Die ganze Landschaft ist staubig und trocken, die ganze spärliche Vegetation dunkelbraun bis tiefrot oder schwarz. 11.09.2015 Freitag Heute steht der Gamsberg auf dem Programm. Die beiden großen Jeeps der Farm stehen bereit, einer geschlossen, der andere mit 9 Sitzplätzen auf der überdachten, seitlich offenen Ladefläche. Der geschlossene fährt natürlich hinten, da andernfalls die Passagiere der Ladenfläche Staub schlucken müßten. Los geht die wilde Fahrt. Die ansonsten eher zahm wirkende Waltraud entpuppt sich als wilde Pistenbraut. Mit 70 bis 80 brettert sie über die Buckelpisten, was den älteren Herrschaften auf der Ladenfläche manch kurze Momente der Schwerelosigkeit beschert. Wie ich von oben beim Blick in die Fahrerkabine erkennen kann, schiebt sich Waltraud dabei noch 2 Stullen rein und lenkt derweil mit einer Hand: sie hatte wohl keine Zeit für's Frühstück. Zum Fuß des Gamsberges sind es ca. 30km, dazwischen liegt ein kleiner Pass, der angeblich von einem einzigen Arbeiter freigesprengt wurde, kaum breiter als eine Fahrzeugspur, mit Steigungen über Stock und Stein, die die allradgetriebenen Jeeps an ihre Grenzen führen. Vorher durchqueren wir noch eine Region, in der 9 Rhinos ausgesetzt wurden. Waltraud ruft uns zu, die Augen offen zu halten. Aber leider sind 9 Rhinos in diesen unendlichen Weiten wie 9 Nadeln im Heuhaufen. Nach einer kurzen Pause hatte ich meinen Außenplatz mit Regina getauscht, was sich aber schon nach kurze Strecke als Fehlentscheidung

herausstellte: ein von der Seite hereinragender Zweig mit hier üblichen scharfen Dornen wurde von dem Dachträger vor uns vorgespannt und fetzte dann mit Schwung in die Ladefläche hinein. Ein kurzer Aufschrei neben mir zeigte den Treffer an, zum Glück aber nur leichte Ritzer auf Stirn und Nase. Die Augen waren Gott sei Dank durch die Sonnenbrille geschützt. Nach kurzer Diagnose erklärten Arzt und Anästhesist aus unserem Reiseteam die Verletzung für harmlos, ich wurde wieder außen positioniert und weiter ging's. Wir kommen am Fuß des Gamsberges an und wie besprochen wird jetzt neu sortiert: nur 1 Jeep wird versuchen, den langsam verfallenden Weg hochzufahren, die zweite Hälfte muß zu Fuß hoch. Ich melde mich freiwillig für die Gruppe der Abenteurer (manche sagen auch Fußkranke oder Faulpelze), die an dem Himmelfahrtskommando mit dem Jeep teilnehmen wollen. Mit seiner speziellen Übersetzung und im 1.Gang quält sich der Jeep den Pfad hoch, mit häufigen Steinstufen und Kanten bis zu 20cm Höhe und übersät mit scharfkantigen Steinen, die an steilen Stellen mit durchdrehenden Rädern tief ins Gummi schneiden. Logischerweise haben wir nach halbem Anstieg einen Platten. Um gleich für den Rest des Namibiaurlaubs zu üben, helfe ich Friedhelm beim Reifenwechsel. Zunächst wird mit Steinen und einem dicken Brett (was immer an Bord ist) eine kleine waagerechte Rampe in diesen steilen Anstieg gebaut, auf die der Jeep dann zum Aufbocken zurückrollt. Der erste Ersatzreifen, der gestern aus der Reparatur kam, ist schon wieder platt. Also nehmen wir den zweiten, den man in Namibia immer dabei haben sollte. Friedhelm zeigt keinerlei Verständnis für die europäischen Asphalt­Blechkisten, die statt Ersatzreifen nur noch Spraydosen zum Ausschäumen mitführen. Nach 20min sind wir fertig und die Fußgängertruppe hat uns gerade überholt. Irgendein Trottel stellt jetzt noch die Frage, was denn die Ursache für diesen Platten sei und Friedhelm erklärt, ein Teil des Problems sei die hohe Zuladung, mit Gewichtsverringerung ließe sich auch das Plattenrisiko reduzieren. Plötzlich schaut mich die ganze Gruppe der Fußkranken und Faulpelze an. Mir fällt auch nicht so recht ein, wie ich jetzt argumentieren sollte und so geht endlich mein Lebenstraum in Erfüllung, in der Hitze Afrikas auf einen Berg zu steigen. Unser 74 jähriger Professor erklärt sich bereit, mein Leiden zu teilen und wir schnaufen der Fußgängertruppe hinterher. Auf dem Plateau laufen wir noch 1.5km zur anderen Kante mit spektakulärem Blick und in einem dafür errichteten Picknick­Stand gibt es die mitgebrachte Brotzeit. Nach ausgiebigem Essen und Fotografieren gibt es dann noch eine Besichtigung der spartanischen Astronomen­Unterkünfte und des größten hier aufgebauten Teleskops. Leider gibt es unter den heute verweichlichten Astronomie­Studenten keine Freiwilligen mehr, die hier beobachten wollen: weit abseits jeglicher medizinischer Notversorgung mit wilden Tieren und Schlangen auf einem Bergplateau, dazu selbst kochen und regelmäßig aufräumen um die Hütte, um keine Tiere anzulocken, kein Fernsehen und keine Videospiele, nur ein Kurzwellensender als Verbindung zur Außenwelt....da übernachten doch die meisten lieber bei Waltraud und ihrer Vollpension und begnügen sich mit den dortigen Teleskopen. Als wir wieder runter wollen, kommt grad eine kleine Herde Zebras oben an. Die Abfahrt vom Berg verläuft ohne Panne. Kleinere Probleme gibt es nur an dem oben erwähnten Paß. Zweimal kommt Waltraud an einer Steigung nicht hoch und rutscht etwas unkoordiniert mit dem Jeep wieder ab. Friedhelm erklärt mir nachher unter 4 Augen, daß Frauen beim Abrutschen etwas zu sinnlosen

hektischen Lenkbewegungen neigen. Nachdem sie vor dem dritten Anlauf vorne an der Achse eine Differentialsperre eingelegt hat, klappt es dann. Die letzten Kilometer zur Farm werden wieder eine wilde Hatz, bei der dann auch noch leichter Nieselregen über die Ladenfläche peitscht. 12.09.2015 Samstag Ab in die Botanik. Nach längeren Diskussionen unter dem Einfluß des bewölkten Himmels haben wir uns auf folgendes Programm geeinigt: vormittags Wanderung in der Farm­Umgebung unter Führung der jüngeren Tochter, studierter Biologin, die uns Fauna und Flora erklären wird. Nachmittags mangels Beobachtungsmöglichkeit theoretische Astronomie. Abends ein Diavortrag über Flora und Fauna in Namibia und dann vielleicht noch Sternegucken. Zunächst laufen wir also 4 Stunden durch die Landschaft und erfahren, was hier alles im Moment nicht wächst und gedeiht, welche Bäume wie blühen oder als Weihnachtsbaum dienen, was der Nationalbaum Namibias ist, wie man Skorpione findet und ihre Gefahrenklasse einstuft... und am Wasserloch finden wir auch noch das abgenagte Skelett eines Zebrafohlens. Nach dem Mittagessen hält der Professor seinen Astronomie­Vortrag, wie immer gespickt mit diversen Dönkes. Leider kann er uns wenig Hoffnung machen, das alles auch zu sehen, was er uns erzählt. Aber wir werden es zumindest versuchen. Nach dem Kaffeetrinken bemerke ich eine gerötete Einstichstelle an meinem Arm, von der aus sich ein ebenfalls roter Kanal wegschlängelt. Offensichtlich eine Folge des Ausflugs in die Botanik. Ich frage die einheimische Botanikerin und Waltraud um Rat. Die geben sich ahnungslos und raten abzuwarten. Wie schon erwähnt tröstet mich Waltraud mit dem Hinweis, Verletzungen gehörten hier zum Alltag und Behandlungen seien im allgemeinen zu aufwändig, man warte in solchen Fällen immer ab und außerdem gehörten Leben und Sterben zum natürlichen Lauf der Dinge. Versehen mit diesem Ratschlag aus der Naturphilosophie frage ich noch Daniel um Rat, einen Farm­Arbeiter aus dem Stamme der Himbas. Er ist sich ziemlich sicher, daß es sich um eine Verletzung durch einen Akazienstrauch handelt, kann sich den gewundenen Kanal aber auch nicht erklären. Wie die anderen rät er dazu abzuwarten, ob ich den nächsten Morgen erlebe. Daniel ist übrigens ein gewiefter Geschäftsmann. Er verkauft Nüsse mit eingeritzten Tierzeichnungen, ritzt dann in Sekundenschnelle als persönliche Widmung den Namen des Kunden und verlangt für das Kunstwerk umgerechnet 6 Euro. Und er weiß genau, welcher der Gäste ihm schon eine Nuß abgekauft hat und wer nicht. Daß er meinen Namen wie bei den Buren üblich als Pieter geritzt hat, ist kein Problem: das überschüssige i ist schnell wieder weggekratzt. Nach diesen ernüchternden Erfahrungen wende ich mich noch an die europäische Schulmedizin, schließlich reist ein Arzt aus Sauerlach mit, begleitet von seinem Sohn, einem Anästhesisten. Beide beunruhigt etwas der sich windende Kanal unter der Haut, der nicht von eine geraden Stachel stammen könne. Sie stürzen sich ins Internet und beginnen zu googeln, was aber bei der schlechten Verbindung hier zu nichts führt. Schließlich meint mein Sauerlacher Senioren­Kumpel, mit dem ich letztes Semester auch die Lesch­Vorlesung gehört habe, nach seiner ganzen Lebenserfahrung habe hier ein Insekt mit einem Stich Larven unter der Haut platziert, die sich jetzt planlos unter der Haut einen Kanal bauten. Man müsse einfach nur abwarten, erklärt er mir mit einem väterlichen Lächeln. Irgendwann würden sich Pusteln bilden und die Larven würden dann herauskommen und meinen Körper wieder verlassen. Ich erinnere mich an einen Filmtitel wie "Der Feind in meinem Körper" und er spürt mein leichtes Unbehagen. Um den Prozess zu beschleunigen rate er zu der alten Weisheit: Alkohol, in hoher Konzentration genossen, schade auch den kleinsten Lebewesen. Er habe da so eine spezielle Sagrotan­Lösung dabei, im wesentlichen hochkonzentrierter Alkohol. Und wenn wir die auf den Kanal streichen, wären die Larven so benebelt, daß sie nicht weiter bauen würden. Diese Therapie erweist sich als äußerst hilfreich, es geht doch nichts über Schulmedizin. Ich erwache

tatsächlich noch einmal am nächsten Morgen und die Rötung ist merklich abgeklungen. Außerdem haben die Larven ihre Bautätigkeit eingestellt. 13.09.2015 Sonntag Heute nehmen wir Abschied von den meisten Mitgliedern der Astrogruppe. Sie machen eine 2­tägige Exkursion in die Wüste, die von Hakos organisiert wird. Ein einziger weiterer Seniorenstudent bleibt mit uns zurück. Wir nutzen die Gelegenheit, um unseren eigenen Wagen einzusetzen. Der Chef der Hakosfarm fährt einige Kilometer mit der Exkursionsgruppe vor uns her, um uns den Einstiegspunkt für unsere geplante Wanderung zu zeigen. Dies ist insofern sinnvoll, als hier weder Schilder noch Steinmandl dem europäischen Alpenweichei den Weg weisen. Die bis zum Horizont monoton hügelige Struktur hat schon so manches Skelett hinterlassen, erklärt er uns, letztes Jahr noch die von neunmalklugen europäischen Erwachsenen mit ihren Kindern, die 400m von der Straße entfernt verdurstet sind, weil sie die Straße nicht gesehen haben.

Beitrag meiner angetrauten Bergsteigerin: Wanderung zu den Köcherbäumen: Wir starten zu dritt, HP, Volker (ein Astro Kommilitone) und ich. Hier gibt es natürlich für den verwöhnten Alpinisten keinerlei Markierungen sondern nur eine vage Beschreibung des Hausherrn: man folge dem Weg der sich allerdings mehrfach gabelt, dabei immer die Abzweigung Richtung Gamsberg nehmen und am Schluß Richtung Bäume weglos den Hang hoch....und im Zweifelsfall folge man immer den Zebrawegen, wo Zebras gehen, können auch Menschen gehen ....  Die Hitze wächst beständig  und nach etwa 1,5h tritt HP den geordneten Rückzug zum Nissan an. Volker und ich marschieren weiter und erreichen nach weiteren 30' den Talkessel. Eine wirklich beeindruckende Szenerie, vollkommen abgeschieden und einsam, von Felswänden umrahmt und in der Mitte knarrt ein altes Windrad. Plötzlich dann Mark erschütterndes Geschrei, eine Herde Paviane hat uns  entdeckt. Ich werde respektvoll etwas langsamer, aber Volker meint solange keiner direkt vor uns steht kein Grund zur Panik. Ich erinnere mich an die Erzählungen unseres Professors, daß bei einem Kampf zwischen Pavian und Leopard zweifelsohne der Pavian gewinnt und man sich einem  Pavian keinesfalls in den Weg stellen sollte. Aber die Paviane ziehen sich Gott sei Dank unter Geschrei die Wände hinauf zurück und beobachten uns Eindringlinge wie Gallionsfiguren vom Felsrand. Wir verfolgen also weiter die empfohlene Route entlang der Riviere und den Hang

hinauf und entdecken die ersten Köcherbäume. Wahre Überlebenskünstler, sie speichern die Feuchtigkeit in ihren dicken weißen Stämmen und bilden dann oben Palmwedel artige Büsche. Die größten stehen oben und diesmal bin ich vorneweg um den Felsrand mit 2 besonders eindrucksvollen Exemplaren von ca. 15m Höhe zu erreichen. Köcherbäume haben wir auch später noch gesehen, aber nie so groß und in einer so grandiosen Umgebung. Es lockt der Nachmittagskaffee und wir treten den gar nicht so leicht zu findenden Abstieg an.  Zum Kaffee sind wir zurück auf der Farm und treffen die 3 Amateurastronomen. Meine intensiven Fragen nach Teleskopen, Kameras Montierungen etc. für den interessierten Einsteiger tauen die introvertierten Sternegucker sichtbar auf und ich bekomme anschließend eine Privatführung durch die gesamte Astronomie­Anlage des Vereins. Das Abendessen findet heute im kleinen Kreis der 3 Amateurastronomen und uns verbliebenen Seniorenstudenten statt. Begleitet wird das Essen zunächst von lebhaftem Gedankenaustausch über die Welt im Großen und die Welt im Kleinen, also die Rolle der Elementarteilchenphysik in der Welt der Sterne und des Kosmos. Danach wechseln wir zu Namibia als Urlaubsland, holen uns Tipps zu unserer weiteren Reiseroute und bekommen von einem der österreichischen Astronomen die Warnung mit auf den Weg, hohe Gräser im Bereich der wenigen Wasserstellen zu meiden, da dort schwarze Mambas, Cobras und die gefährlichen Puffottern ihr Hausrecht hätten. 14.09.2015 Montag Nach einem ausgiebigen Frühstück stellt Waltraud unsere Rechnung ohne jegliche Elektronik zusammen und auch die Kreditkarte wird mit der vertrauten Ratsche aus dem letzten Jahrhundert gelesen. Wir verabschieden uns von der Familie und machen uns auf den Weg nach Süden. Dies heißt zwar näher zum Südpol, bedeutet aber dennoch nichts Gutes: es geht aus den Bergen in die tiefergelegene Wüste. Unterwegs sehen wir tatsächlich 3 Oryx, ca. 10 Springböcke und schließlich am Rand der Wüste noch eine kleine Herde Schafe in Begleitung zweier Mitbürger dunkler Hautfarbe, um es mal korrekt auszudrücken. Unterwegs rast plötzlich ein höhergelegter deutscher Nobel­SUV an uns vorbei, nicht nur das Modell ist deutsch, sondern auch das Kennzeichen: S­PO..... Vermutlich hat Mutti sich mit ihren Kleinen auf dem Weg zur Schule verfahren. Schon nach 2min werde ich unsicher mit meiner Vermutung: ein zweiter SUV knallt vorbei, wieder weiß, wieder S­PO...... Nach 8 unheimlichen Begegnungen der deutschen Art wird mir klar: S(tuttgart)­PO(rsche).... läßt hier die Sau raus. Die Super­SUVs, von denen die Hersteller wissen, daß ihre mittlere Fahrstrecke dem durchschnittlichen Schulweg eines deutschen Upper­Class­Kindes entspricht, werden hier unter praxisnahen Gesichtspunkten getestet. In Solitaire, beim berühmtesten Apfelkuchen Namibias, sehen wir die weißen Porsches wieder, schön aufgereiht. Auch die Fahrer tragen Einheitslook, weiß mit dunkelblau abgesetzten Schulterstücken. 8 weiße Cayennes nebeneinander sieht man wahrscheinlich nicht mal vor dem Gymnasium in Grünwald. Wir müssen erstmals tanken und ich werde ab jetzt mit ständig wachsender Begeisterung zur Kenntnis nehmen, daß der Benzinpreis immer zwischen 11,11 und 11,11 Dollar liegt. Kein exaltierter Marktwirtschaftsschwachsinn wie in Grünwald oder Oberhaching, wo der Benzinpreis je nach Tageszeit um bis zu 10 Cent schwankt, keine geisteskranke überdrehte Schnäppchengesellschaft, wo derjenige honoriert wird, der ständig im Internet auf der Lauer nach den billigsten Benzinpreisen liegt und damit seine Lebenszeit verschwendet. Das mögen eine Handvoll Neoliberale vielleicht geil finden, aber offenbar kann man sich nur in einem Land wie Namibia gegen diesen Terror wehren. Ein positiver sozialer Nebeneffekt bei uns wäre, daß arme Familien mit Kindern nicht während der

Schulferienzeit besonders ausgebeutet werden. Schließlich kommen wir in der Sossusvlei Lodge an. Die Porsches sind natürlich schon da, nur zum Gucken, die Lodge ist wohl nobel, aber nicht elitär genug. Abends werden sie weg sein. Die Gästeunterkünfte sind kleine Steinbauten für den Eingangsbereich und das Bad, verlängert um eine Zeltkonstruktion für das Schlafzimmer. Mit einem flauen Gefühl betrete ich diese in der Wüstensonne liegende Konstruktion, atme dann aber erleichtert auf, als ich genau an der richtigen Stelle eine Klimaanlage entdecke: genau über dem Bett kann man einen angenehmen Wind erzeugen. Sofort aktiviere ich dieses zivilisatorische Meisterwerk und entledige mich meiner zivilisatorischen Schutzbekleidung während Regina den Pool der Lodge ansteuert. Beim Abendessen treffen wir einen ehemaligen Mitarbeiter Reginas mit seiner Frau: beide routinierte Afrika­Urlauber. Nach dem Essen sitzen wir noch bei Bier und Wein zusammen. Man spürt einen leichten Ärger, als sie von ihren 2 Platten innerhalb der ersten Tage erzählen: ihr eigentlich in früheren Urlauben bewährter Autovermieter hat ihnen diesmal wohl einen Wagen mit abgelutschten Reifen hingestellt. 15.09.2015 Dienstag Heute geht's in die berühmten Dünen bei Sossusvlei, oder sagen wir lieber kurz vorher bei Deadvlei. Sossusvlei selbst ist gar nicht so spektakulär, bei Deadvlei aber sind die beiden toten Salzseen und die große Düne mit 300 Höhenmeter. Für diese Wüstenhappening muß man früh sein: um sieben öffnet der Naturschutzpark und am Eingang hat sich bereits eine Schlange von PKW gebildet. Bis zu den Dünen muß man noch 60km fahren und man will ja vor der Mittagshitze in der Wüste fertig sein. Also herrscht in der Lodge schon um sechs Tohuvabohu am Früh­ stücksbuffet. Die letz­ ten km kann man mit eigenem PKW fahren wenn man sich in den Sand traut und vielleicht einen Kompressor dabei hat, um nachher wieder aufzupumpen. Ansonsten stehen hier Jeeps für den Transport bereit. Meine holde Gattin will natürlich die hohe Düne machen, ich begnüge mich angesichts des Wüstenklimas mit der Überschreitung der halb so hohen Vordüne und fotografiere dann meine Angetraute auf dem Weg nach oben. Zwei drittel der Touristen latschen nur in die ausgetrockneten Flächen der toten Seen, der Rest versucht sich mehr oder weniger weit an den Dünen. Bereits gegen 11Uhr vormittags, als ich wieder unten bin, flaut der Touristenbetrieb wegen der unerträglichen Hitze merklich ab. Gerade in diesem Moment düsen die 8 Porsches vorbei, Test der Wüstensandtauglichkeit, besonders wichtig für sandarme Gegenden wie vor den Gymnasien Grünwalds. Ein paar weibliche Touristen meckern auf deutsch, daß diese dusseligen Porschefahrer weder links noch rechts gucken und die Schönheiten der Landschaft gar nicht wahrnehmen (welche

eigentlich? Die Hitze und den Sand?). Ihr Reiseführer erklärt ihnen, daß die für's Kilometerfressen bezahlt werden und daß sie ihre Rundtour mehrmals in 4 Wochen abspulen müßten. Man könne sich auch als normale Mutti um diesen Job bemühen, müsse bereit sein, daß die Rücksitzbank mit Laptops für Messungen statt mit Schminkköfferchen vollgestopft wird, und müsse jeden Tag sein km­Pensum schaffen. Daraufhin klingt die Meckerei der weiblichen Touristinnen merklich ab. Den interessierten Herren erklärt der Reiseleiter, daß es in Swakopmund die einzige Schrottpresse des Landes gebe und daß Daimler seine tollsten Super­S­Klasse­Modelle gleich nach dem Test verschrotte, da sich der Rücktransport ins Schwabenländle nicht lohne und man den armen Namibianern nicht zumuten wolle, diese fast fabrikneuen Autos weiterzufahren. Auf der Rückfahrt kommen wir mit unserem Jeep bei einem jungen Pärchen aus Deutschland vorbei, die mit ihrem eigenen PKW im Sand steckengeblieben sind. Ein anderer (natürlich farbiger) Jeep­Fahrer hat sich großzügig bereiterklärt, die schwierige Technik des Fahrens im Sand zu übernehmen. Er sitzt also am Lenker und feuert das (natürlich weiße) deutsche Pärchen an, kräftig zu schieben...ein wunderbarer Kontrast zu früheren Kolonialzeiten und eine Erfahrung, die ich dem bayrischen Innenminister auch mal gönnen würde. Zurück in der Lodge springen wir zur Erholung in den kühlen Pool. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie schaffen sie es hier, kühles Wasser in den Pool zu bekommen, so daß die meisten weiblichen Touristinnen draußen bleiben. Nach dem Essen sitzen wir noch auf unserer eigenen Terrasse und nachdem der Lärm unserer italienischen Hüttennachbarn abgeklungen ist, sehen wir tatsächlich Springböcke und Oryxe durch unseren Garten streifen. 16.09.2015 Mittwoch Weiterfahrt nach Helmeringhausen. Kurz nach dem Start kommen uns 8 weiße Porsche Cayenne entgegen. Früh übt sich, wer viele km schaffen muß... Nach weiteren 20km ist klar, wo sie herkommen: hier gibt es mitten in der Wüste ein Hotel, das aussieht wie eine mittelalterliche Burg aus dem Schwabenländle. Der Eindruck verstärkt sich, daß die Hersteller der Nobel­Karossen aus Deutschlands Südwesten dabei sind, Deutsch­Südwest zu rekolonisieren...Kaiser Wilhelm hätte seine helle Freude. Die Strecke selbst führt durch hunderte Kilometer Nichts....schöne Wüstenlandschaft, die Regina gleich noch mal mit einem Schlenker um 80km verlängert. Trotz fast nicht vorhandener Vegetation sind die Farbspiele hier das Reizvolle und die plötzlichen Sandverwehungen auf der Piste das Tückische. Am späten Nachmittag kündigt sich das berühmte, bereits Hunderte Kilometer vorher angekündigte Helmeringhausen an. Ich hab nicht genau gezählt, aber es dürften tatsächlich um die 10 Häuser sein! Die Anlage unseres Hotels sieht ganz nett aus. Am Eingang gleich der Hinweis, die Tore geschlossen zu halten, damit das Abendessen nicht wegläuft. Uns empfängt ein junger deutscher (!) Schnösel, Sohn der deutschen Eigentümer, der vermutlich von nichts Ahnung hat und alle Arbeit dem schwarzen Koch überläßt. Als ich ihm sage, daß aus dem Warmwasserhahn nur Luft bläst, sagt er mir, er schicke gleich den Koch vorbei! Mit einer merkwürdigen Freude registriert er, daß ich Vegetarier bin. Der Grund wird mir später klar werden. Derselbe Koch muß uns auch Kuchen und Getränke servieren und stellt sich als netter aufgeweckter Owambo heraus. Nach 20:30Uhr verschwindet Junior und überläßt die gesamte Abendbetreuung der Gäste dem Koch. Der darf sogar die Zimmerrechnung für die Gäste machen, vermutlich alles für'n Appel und 'n Ei. Alles pure Marktwirtschaft: die Eigentümer streichen ohne Arbeit die Profite ein, die Angestellten rackern.

17.09.2015 Donnerstag Am Morgen erfahren wir, daß ich für mein vegetarisches Essen einen Zuschlag zahlen muß. Zuschlag!!! Nicht Preisnachlaß!!! Begründet wird das damit, daß es in dieser Wüste nichts Vegetarisches gibt, daß das Wild hier aber kostenlos abgeknallt werden kann. Außerdem hätte der Koch ja mehr Aufwand (ich bin mir absolut sicher, daß er jedenfalls nicht mehr Lohn bekam). Mag ja stimmen, daß das vegetarische Essen hier schwer zu beschaffen ist, aber die Relationen stimmen nicht: Nicht der Preis, der war ja ohnehin in der Halbpension drin, sondern der Aufschlag auf den Preis, war schon mehr als der Gegenwert der teuersten Flasche Weißwein auf der Karte. Und der Wein muß ja auch herbeigeschafft werden und wächst hier nicht. Und dabei war 80% des Tellers mit der normalen Halbpension identisch, lediglich ein kleines Stückchen Kürbis mit etwas Füllung ersetzte das Fleisch. Aber das Unverschämteste war, daß sie dazu vorher gar nichts gesagt hatten und dieses Preisgebaren steht weder auf Homepage noch Speisekarte. Wir versprechen unserer liebenswürdigen Gastgeberin einen netten Warnhinweis für zukünftige vegetarische Gäste auf dem Holiday Check Portal zu hinterlassen und machen uns auf den Weg zum Fish River. Es geht weiter, 280km durch vegetationsarme Geröllland­ schaft. Unterwegs im Nirgendwo liegt das kleine Nest Bethania, immerhin mit Supermarkt und Tankstelle. Ein zweites Highlight ist Wasser an einem kleinen Staudamm, in dessen Nähe sich eine grüne Oase gebildet hat. Hier werden sogar auf einer großen Fläche Weintrauben angebaut, sowie eine uns unbekannte andere Pflanze. Schließlich kommen wir zur Canyon River Lodge: hier hat sich ein ehemaliger deutscher Lehrer verwirklicht: traum­ hafte Anlage, jedes kleine Gästehäuschen in die Fels­ landschaft integriert. Das Haupthaus ist liebevoll ausge­ stattet, nicht mit Gedöns, was vielleicht den weiblichen Gästen gefallen würde, sondern mit altem Werkzeug und Gerät aus der Gründerzeit. Ein weiteres Highlight ist der Swimmingpool, unterhalb der Felsen auf einer natürlichen Terrasse gelegen mit weitem Blick in die Landschaft. Am ersten Nachmittag haben wir diesen Traumpool ganz für uns allein. Nach dem leckeren Abendessen stimmt das Personal im Speisesaal spontan einige rhythmische afrikanische Gesänge an, beschwingt ziehen wir uns auf unsere Panorama Terrasse zurück und genießen den Sternenhimmel. 18.09.2015 Freitag Mein morgendlicher Tiefschlaf wird beendet durch das Gemeckere meiner holden Gattin über den Eiswind, der durch unsere Hütte pfeift. Auch wenn das maßlos übertrieben ist, scheint der ursprüngliche Rat unseres Professors jetzt eher verständlich, man (oder besser frau) solle in das heiße Namibia Pullover und Anorak mitnehmen. Als ich ins Hauptgebäude mit dem Frühstückszimmer komme, stelle ich mit Erschrecken fest, daß mitten im Zimmer ein Kaminfeuer brennt. Und als ich dann unsere schwarzen Perlen erblicke, die zusätzlich in dicke Pullover gepackt sind und mich

fassungslos in meinem Einstein­T­Shirt anstarren, dämmert mir, daß Afrika für Frauen zu kalt ist. Apropo schwarze Perlen: die gibt es hier in allen Ausprägungen: vom lauten, lebenslustigen, kräftig gebauten Mama­ Typ, der die Herrschafts­ form des afrikanischen Matriarchats gewöhnt ist, bis zur scheuen Gazelle, die am liebsten weg­ springen würde, wenn ein ursus maior (größerer Bär) von der Nordhalbkugel vorbeikommt. Heute steht Fish River Canyon auf dem Programm. Vielleicht nicht ganz so groß, wie der Grand Canyon, aber genauso atemberaubend. Und vor allem kein Rummel! Die meisten der ohnehin wenigen Besucher fahren nur zum "main viewpoint" und machen nicht mal die höchstens 2km Fußwanderung zu einem nahegelegenen schönen Aussichtspunkt. Entlang des Fußwegs immer wieder Hinweisschilder, daß das Hinabsteigen in den Canyon einschließlich kurzer Spaziergänge strikt verboten ist. Die sind natürlich für die verrückten Weißen gedacht, ein Farbiger würde nie auf die Idee kommen, da reinzulaufen. Als wir zum main viewpoint zurückkommen, jammert dort ein amerikanischer Tourist über seinen Platten. Eigentlich sollte er froh sein: seine Straßenkreuzer hätten jetzt Achsbruch und 4 Platten. Übrigens sieht man hier auch keine Porsche Cayenne, die sind auch wohl nur bedingt geländetauglich. Im zweiten Teil fahren wir mit unserem Japaner zwei weitere Viewpoints am Canyonrand an, deren Zufahrten deutlich unwegsamer sind. In den ca. 2 Stunden, die wir dafür brauchen, treffen wir nur einen weiteren Jeep. Am Ende mache ich 3 Kreuze, daß ich in diesem Klima nicht raus mußte zum Reifenwechsel. Am Nachmittag gehe ich noch einmal zum Pool, gut zehn Leute sitzen drumherum, keiner drin. Ich setze wie gewohnt meinen Hut auf und stürze mich in das angenehm kühle Naß. Als ich so entspannt am Beckenrand hänge und herausschaue, verstehe ich endlich, wie sich die Paviane fühlen, wenn sie von einem Haufen Menschen rundherum begafft werden. 19.09.2015 Samstag Weiter geht's nach Ai­Ais am Ende des Canyons. Hier stranden die Verrückten, die die 80km­Strecke entlang des Canyon­Bodens in der Gluthitze Afrikas unbedingt zu Fuß machen wollten. Farbige gehen da nur rein, wenn sie dusselige Weiße da rausholen müssen. Man braucht hier wohl sogar mehr Trinkwasser als im Grand Canyon. Neben den Verrückten gibt es noch die Zelter/Camper und die Zivilisierten, die Mauern, Klimaanlagen und Bett zu schätzen wissen. An der Rezeption werden wir gleich gemahnt, die Zimmertüren nicht nur zu schließen, sondern zu verschließen, um ungebetene Gäste zu vermeiden. Unsere nahen Verwandten, die hier lebenden Primaten, hätten keine Probleme mit dem Öffnen von Türen. Da wir etwas früh sind, müssen wir in der Bar noch auf unser Zimmer warten. Nach kurzer Zeit startet am Flachbildschirm die Premierleague und Regina stellt mit Schrecken fest, daß es ohne WLAN auch keine Infos zu ihrem Traumspiel Darmstadt gegen Bayern, also Geburtsort gegen Wahlheimat gibt. Und das Angebot von 20,79Euro, die 1und1 für ein Megabyte Daten haben will, können sie sich sonstwohin schieben. Das Zimmer ist für afrikanische Verhältnisse riesig: Balkon,

Vorraum, großzügiges Schlafzimmer mit Traumschrank für riesige Frauenkoffer, Bad mit Dusche sowie zweiter Dusche in einem innenliegenden Lichthof, zweiten Ausgang direkt zum innenliegenden, sonnengeschützten Pool/Spa­Bereich. Wer nicht will, braucht also nicht durch die heiße Sonne laufen, um dann auch noch im heißen Wasser der Thermalquelle zu schwitzen. Der ganze Abend wird beherrscht von Rugby. Während wir uns dem Abendessen widmen, haben alle anderen auf der Terrasse ihre Stühle zum Flachbildschirm gedreht. Es ĺäuft grerade das dritte Spiel der Weltmeisterschaft in England: Südafrika gegen Japan. Vor dem Anpfiff war das eine klare Sache. Jetzt aber gewinnt Japan um Entsetzen des ganzen Publikums und entsprechend gedrückt ist hier die Stimmung in Grenznähe zu Südafrika. Nun sitze ich hier im schwülen Abend auf unserem Balkon und schreibe an meinem Reisebericht. Vom nahegelegenen Campingplatz kommt schöne Gitarrenmusik herüber und ich verstehe "In the jungle..." und "...the lion sleeps tonight.....". Schließlich wird mir klar, daß hier deutsche Gesangskünstler am Werk sind: "trink, trink, Brüderlein trink....." 20.09.2015 Sonntag Die nächsten 2 Tage geht es in langen Etappen nach Norden, klingt eigentlich gut, heißt aber hier Richtung Äquator. Zwischenstation nach der ersten Etappe ist eine Lodge in der Kalahari­Wüste. Man sagt uns, wir gehören zu den letzten Gästen. Zu Beginn der Regenzeit werde alles abgerissen. Der Trost für unsere Nachfahren: alles wird neu aufgebaut, noch größer, noch schöner, noch luxuriöser. Wir haben nur wenig Zeit, den jetzigen Zustand und insbesondere den angenehm kühlen Pool zu genießen: bereits in eineinhalb Stunden startet die Sundowner­Tour, mit dem Jeep zwei Stunden durch die Kalahari auf der Suche nach Wildtieren, dann in die roten Dünen zum Sonnenuntergang. Drei Jeeps je 9 Personen streifen herum und melden sich über Funk ihre Wild­Beobachtungen. Dadurch kann jeder mal die einzige Giraffe weit und breit sehen, dazu Strauße, Elan­Antilopen und Gnus. Oryxe und Springböcke sind ja ohnehin selbstverständlich, sie bevölkern ja auch die abendlichen Speisetische. Auf der Rückfahrt werden wir im Dunkeln sogar noch ein scheues Stachelschwein sehen: der routinierte Guide ahnt, das eines am Wasserloch sein könnte und trifft mit seinen Jeep­Scheinwerfen den rechten Moment. Auf einer der roten Dünen treffen sich alle drei Jeeps und bei Bier und Wein warten alle auf den Untergang der roten Sonne. Die Guides kommen auch beim Abendessen als Kellner zum Einsatz und beginnen mit dem Verlesen des Menüs, einer auf Englisch, ein anderer auf Nama mit Klicklauten. Der Abend klingt aus, wir sitzen auf unserer Terrasse und beobachten das Treiben am angestrahlten Wasserloch. 21.09.2015 Montag Nochmal eine lange Strecke, 700km an Windhoek vorbei bis zur Ghaub Guest Farm. Gehört wohl einem weißen Farmer, aber wir sehen nur Farbige, die alles im Griff haben. Die Farm liegt völlig einsam in einer der wenigen halbwegs grünen Regionen Namibias. Der Pool bietet wie schon öfter einen angenehmen Temperatur­Kontrast und ist menschenleer. Vom Poolrand blickt man weit in eine Ebene und erkennt dort lebhafte Aktivitäten. Auf der Wiese zwischen Pool und unserem Häuse läßt sich jedoch nur einmal ein schreckhaftes Warzenschwein sehen. Die Lodge ist ein altes renoviertes Schulhaus der vorletzten Jahrhundertwende. Das Abendessen wird auf der Terrasse des Hauptgebäudes serviert, 10 Tische sind völlig ausreichend für diese kleine Lodge. Vegetarisch ist überhaupt kein Problem, der Rest bekommt dicke Elan­Antilopen­Steaks.

Am nächsten Morgen hängt der Wagen unserer Nachbarn in leichter Schieflage: Platten hinten links. Unser frohe Botschaft am Frühstückstisch quittieren sie mit einem leicht genervt klingenden: "Schon wieder"! Nach dem Frühstück braucht meine holde Gattin noch etwas Auslauf auf den Trails rund um die Farm und ich treffe unseren Nachbarn zum Plausch unter dem Wagen liegend und nach der Stelle für den Wagenheber suchend. Vom heimischen Winterreifenwechsel ist er gut in Übung und ich erfahre, daß es schon sein zweiter Platten in 2.5 Wochen Urlaub ist. Auch seine Reifen wiesen schon bei Übernahme deutliche Gebrauchsspuren auf. Ich mache meine üblichen 3 Kreuze sowie noch etwas Smalltalk über ihre und unsere Rundtour, über die Affenhitze hier und die uns erwartenden Erlebnisse in Etosha, wo sie gestern herkamen. 22.09.2015 Dienstag Wir nähern uns dem Temperatur­Höhepunkt der Reise: Etosha. Erste Station ist die Mokuti­Lodge noch knapp außerhalb des Parks. Wir werden von einem jungen Mann empfangen und er erschreckt mich gleich mit der verstörenden Botschaft, daß es hier zur Zeit sehr heiß wäre, eine Einschätzung, die ich schon beim Öffnen der Wagentüre hatte. Außerdem sieht er dunkelschwarz verbrannt aus, was bei diesem Klima wohl nicht ausbleibt (im Gegensatz zu dem nur mittelbraunen Damara, den wir die 2km von der Lodge Einfahrt bis zur eigentlichen Lodge, wohl seinem künftigen Arbeitsplatz, mitgenommen haben, damit der arme Kerl nicht durch die Sonne laufen muß und am Ende ganz schwarz wird). Die Lodge erfüllt alle europäischen Komfort­Ansprüche inklusive der lebenswichtigen Klimaanlage. Eine große Pool­Anlage für die Damenwelt, die auch gern schwarz werden möchte, es oft aber nur ins Knallrote schafft, und zwischen Pools und Lodges grast das künftige Abendessen. Meine Angetraute hat nichts dagegen, nach den vielen Kilometer der letzten Tage jetzt mal ein paar ruhige Stunden zu verbringen und den Komfort zu genießen. Das Wasser ist naturgemäß in diesem Grill nicht so kühl wie auf den vorherigen Stationen, aber immer noch erfrischend. Nach 2 Badegängen ziehe ich es dann aber doch vor mich unter das Gebläse der Klimaanlage zu legen und politisch unkorrekte Texte für die Nachwelt zu verfassen. 23.09.2015 Mittwoch Morgens früh machen wir uns auf den Weg von Mokuti, direkt vor den Toren des Etosha­Nationalparks, nach Okaukuejo, einem Camp innerhalb des Parks, aber 150km entfernt. Der Park umfaßt ca. 23.000km2, davon bilden etwa 4500km2 die eigentliche Etosha­Pfanne. Am Eingang treffen wir schon wieder Reginas Arbeits­ kollegen aus Sossusvlei, der beim Verlassen von Etosha gerade desinfiziert wird und jetzt Richtung Viktoria Falls weiterfährt. Bereits nach einigen Hundert Metern steht Big One am Straßenrand an einem Baum, weit größer, als ich ihn rwartet hab. Später werde ich lesen, daß die Elephanten von Etosha zu den größten gehören, wofür es noch keine Erklärung gibt. Offenbar tendiert die Natur

in ariden Klimazonen wie Etosha zu Riesenwuchs. Dieser Befund paßt überhaupt nicht zu meiner Theorie über das feuchte westfälische Klima und seine Auswirkungen auf Größe und Gewicht der Westfalen. Eine Zeit lang bewegt sich nun bei Big One nichts außer den Unterkiefern, ideal zum Photographieren. Auch die Größte läßt nicht lange auf sich warten: eine Giraffe in unmittelbarer Nähe bedient sich gerade an den spärlichen Auslagen in einigen Meter Höhe. Wiederum kurze Zeit später kreuzt eine große Mischherde aus Springböcken und Zebras die Straße. Sie scheinen zu wissen, daß nur ihre Kumpel außerhalb des Zauns auf dem Speiseplan von homo sapiens stehen, jedenfalls halten sie einen respektvollen Abstand von Regina wohl für überflüssig. Daß sie von mir nichts zu befürchten haben, ist ihnen wohl instinktiv klar. Nach ein paar gut getarnten Kudus taucht dann Big Two auf, ein Spitzmaulnashorn am Straßenrand. Wir scheinen vom Glück verfolgt, allerdings gibt es an diesem Ende von Etosha auch noch relativ viele Bäume und Sträucher, was sicherlich positiv ist für die Großen. Big Two hat heute seinen gelassenen Tag und präsentiert sich während des Absuchens der Sträucher von allen Seiten. Wir werden während der ersten Hälfte des Weges immer wieder Elephanten sehen, auch größere Herden und man fragt sich, wo diese Kolosse in dieser Gegend zentnerweise Grünzeug finden, um die großen Haufen zu produzieren, die überall rumliegen. In der zweiten Hälfte des Weges sehen wir überwiegend Gnu­ und Springbock­Herden, liegt wohl daran, daß dieser Teil deutlich vegetationsärmer ist. Auf etwa halber Strecke kommt der Etosha­Outlook: man wird einige hundert Meter in die Pfanne geführt und hat dann eine spektakuläre Rundumsicht, ein scheinbar endloser See aus Schotter, Sand und Salz, überdeckt von einer flirrenden Hitzewolke. In der trostlosen Hitze des Nachmittags kommen wir an einen Punkt, an dem ein einzelner Baum mit einigen Strauchkumpanen überlebt, rundherum kilometerweit nichts. Und wer liegt unter diesem Baum? Madam Big Three! Anders als die Trägerinnen des X­Chromosoms beim homo sapiens scheint sie durch Photographen nicht in einen Erregungszustand versetzt zu werden. Jedenfalls präsentiert sie uns überwiegend ihr Hinterteil und hebt nur einmal kurz den Kopf, um sich zu erkennen zu geben. Nicht nur die Löwin sucht Schatten, unter fast jedem Baum finden sich jetzt in der brütenden Nachmittagshitze dichtgedrängt die Steinböcke. Auch das Camp Okaukuejo liegt in der Hitze, gegen die auch der Sprung in den Pool kaum Linderung verschafft. Ich geh noch kurz in den Lager­Shop und während ich die 3 Regale absuche, unterhalten sich die beiden Damen an der Kasse angeregt über die Vorgehensweise beim Auswählen eines Mannes. Von besonderem Interesse scheint zu sein, ob es ein Himba sein darf oder nicht. Ich überlege kurz mich einzuschalten mit dem Beitrag, in Daniel (s.o.) einen sehr geschäftstüchtigen Himba kennengelernt zu haben, beschließe dann aber, der Diskussion weiter kommentarlos zu lauschen. Wie ich bereits aus unserem Führer weiß, sind es hier die Damen, die über die Vermögenswerte verfügen, was gemäß den Regeln des Kapitalismus dazu führt, daß hier das Matriarchat herrscht, vermutlich nimmt sich Frau hier Mann und nicht umgekehrt. Insgesamt macht mir die Damenwelt hier einen überwiegend selbstbewußten und oft auch intellektuell aufgeweckteren Eindruck. Da ich mir das physikalisch nicht erklären kann, führe ich die Weiberherrschaft in Afrika auf Gottes Plan und göttliche Vorsehung zurück. Logischerweise ist jeder Bekehrungsversuch und die Besserwisserei der großen patriarchalischen Weltreligionen aus Rom und Mekka ein schweres Vergehen gegen die göttliche Vorsehung und eine Anmaßung gegenüber Gottes Weisheit. Ich unterbreche die matriarchalische Bräutigam­Schau kurz mit meinem Wunsch zu bezahlen und höre dann amüsiert, wie das Geplapper gleich weitergeht. Kurz vor Sonnenuntergang gehen wir noch zum Wasserloch am Camp­Rand und wie bestellt trotten gerade zwei Herden Elephanten heran. Die nächsten Stunden wird eine Herde nach der anderen versuchen, das Wasserloch leerzusaufen, die anderen Tiere müssen offenbar solange warten. Das wird alles auf den Flachbildschirm im Restaurant übertragen. Während wir unser Abend­Buffet genießen (sicher nicht so gut wie Mokuti, aber keinesfalls so schlecht, wie einige Kritiker behaupten),

brechen die heutigen Abendexkursionen zur 3­stündigen Etosha­Rundfahrt auf. Am Abend dürfte es immer noch locker über 30Grad sein, schlafen kann man hier eigentlich nur mit Klimaanlage. 24.09.2015 Donnerstag Gleich in der Früh brechen wir auf zu einer Rundfahrt durch Etosha an mehreren Wasserlöchern vorbei, die wir auf der gestrigen Durchquerung nicht ansteuern konnten. Tagsüber ist wohl die Zeit der Herden­ oder Beutetiere, man kann hier die Speisekarte rauf­ und runterbetrachten: Springböcke, Steinböcke, Zebras, Gnus, Oryxe und Antilopen. Eher seltener sieht man tagsüber Elephanten und Giraffen, äußerst selten wohl Nashörner. Und fast nie die Räuber, die dösen jetzt irgendwo herum und warten auf die kühlere Nacht. Nach der Rückkehr entspannen wir uns noch etwas am Pool bzw. unter der Klimaanlage. Vor dem Abendessen geht's noch mal zum Wasserloch des Lagers. Als wir ankommen, sind gerade 2 Nashörner da, sie bevorzugen die Trinkposition mitten im Wasserloch: Maul auf und reinlaufen lassen, was geht. Eine größere Herde Giraffen steht in einigem Abstand vom Wasserloch und alle blicken angestrengt in eine Richtung: ab und zu sieht man in dieser Richtung einen Schatten auftauchen, der sich einige Meter Richtung Giraffen bewegt: Simba ist auf der Pirsch. Nach einiger Zeit drehen die Giraffen ab ohne getrunken zu haben und auch wir drehen ab zum Abendessen. Dies ist heute kürzer, denn wir haben die Nachtexkursion gebucht. Um viertel vor acht kommen wir zu unserem Jeep, vor mir steht unser Guide, von Größe und Gewicht auf Augenhöhe mit mir, aber sehr viel jünger und durchtrainierter. Er stellt sich mit seinem Vornamen vor, der gleich sehr viel Vertrauen einflößt für die anstehende Exkursion: Rambo. Der Jeep hat 3 Dreiersitzreihen für 2 deutsche Paare, ein französisches und 3 Amis. Die fetteren Beutestücke werden auf den Mittelsitzen platziert, die Damen sitzen außen. Wir fahren ohne Licht, bei Halbmond gar kein Problem. Schon 50m nach Verlassen des Camps spüre ich durch den Fahrtwind etwas Erleichterung. Leicht verstört höre ich rund um mich herum Reißverschluss­Geräusche und sehe mit Erstaunen, wie Fleecejacken und Anoraks angezogen werden. Fassungslos sehe ich den Kopf der Amerikanerin neben mir in einer Kapuze verschwinden. Dieser Blödsinn bleibt natürlich nicht ohne Folgen: nach 5min in dieser Verpackung im Etosha­Wüstenklima fällt den vermummten Amerikanerinnen der Kopf auf die Brust und man hört deutliche Schnarchgeräusche. Rambo hat einen Scheinwerfer mit Rotlichtfilter in der Hand, den er aus dem Fenster hält und mit dem er permanent die Flächen beidseits des Weges ableuchtet. Da er im Rotlicht die Augen von Jägern und Gejagten unterscheiden kann, schwenkt er immer, wenn er typische Beuteaugen von Springböcken gesehen hat, auf die andere Wegseite, um nach Jägern zu suchen. Bereits kurz nach Verlassen des Camps sehen wir 2 Elephantenbullen im Rotlicht, zum Photographieren nimmt Rambo ab und zu mal für kurze Zeit den Rotlichtfilter runter und man sieht die Tiere im Weißlicht. Kurze Zeit später hören wir den König der Tiere brüllen. Rambo meint, der wäre ca. 2­3km entfernt, klingt aber beeindruckend in der Stille der Nacht.

Am ersten Wasserloch sehen wir im Rotlicht einen Steinbock­Single, keine gute Idee für ein Beutetier, denn nach kurzer Zeit hat Rambo in ca. 200m Entfernung 2 Hyänen ausgemacht, die sich sehr langsam, Meter für Meter in Zeitlupe dem Wasserloch nähern. Rambo meint, sie hätten den Springbock bereits von seiner Herde getrennt, faszinierend zu beobachten, aber das Finale können wir leider nicht abwarten, das wird sich noch hinziehen. Auf der Fahrt zum nächsten Wasserloch grast ein Spitzmaulnashorn am Wegrand, läßt sich weder von Jeep noch von Rot­ oder Weißlicht beeindrucken, sie sind wohl neben Elephanten und Löwen die einzigen, die furchtlos nachts durch Etosha streifen. Am zweiten Wasserloch angekommen, können wir unser Glück kaum fassen: 6 Löwen liegen in der Nähe, eine 4er­Gruppe aus 3 Weibchen mit einem noch unreifen Jüngling sowie etwas abseits Chef Simba mit einem weiteren Weibchen. Rambo meint, diese Aufteilung weise auf eine Honeymoon­Nacht hin. Die 4er­Gruppe erhebt sich nach kurzer Zeit und zieht an unserem Wagen vorüber. Fachmännisch erklärt Rambo, der Umfang ihrer Bäuche weise darauf hin, daß sie etwa 3­4 Tage nicht mehr gefressen hätten, kritisch würde es erst ab 5­6 Tagen. Als seine Frage "anybody scared?" keine Reaktion bei unseren außensitzenden Weibchen hervorruft, läßt er den Motor wieder an und fährt nah an die 4er­Gruppe heran. Nachdem er angehalten hat, umrunden die 4 hinten unseren Jeep in weniger als 5m Abstand. Wir hören die Schritte und das Atmen. Ich spüre, wie meine holde Gattin instinktiv tiefer in den Sitz sinkt und versucht, den Blick auf mich freizugeben. Die 4er­Gruppe legt sich jetzt in ca. 5m Abstand auf der anderen Seite nieder, während gegenüber weiter Simba mit seinem Turteltäubchen liegt. So stehen wir fast 20 Minuten zwischen den Löwen, beleuchten sie mal mit Rot­ und mal mit Weißlicht und lassen uns von Rambo beruhigen, daß up to now noch nie ein Jeep mit Insassen angegriffen worden wäre: würde ich auch sagen, wenn ich vorne in der sicheren Fahrerkabine säße und die Gäste auf der offenen Ladefläche beruhigen müßte. Nach seiner Theorie riechen und hören sie uns, sehen aber nur einen großen Klotz, der keine Angst vor ihnen hat, weshalb wir auch keine vor ihnen haben müßten. Nach unserem Lion­date wissen wir jetzt, daß the lion sleeps tonight schlichtweg falsch ist: geschlafen wird tagsüber, nachts liegen sie am Wasserloch und beeindrucken Touristen. 25.09.2015 Freitag Nach dem Frühstück brechen wir auf Richtung Atlantik im Südwesten, weg aus dieser Hitze von 39 Grad, zwar immer noch kälter als Deutschland in diesem Sommer, aber hier bedeutet das erst den Anfang der warmen Jahreszeit. Am Ausgang des Etosha­Nationalparks werden unsere Füße und die des Autos desinfiziert, um keine Wildkrankheiten in die Farmen zu schleppen. In Omaruru ist es unwesentlich kälter, aber Zeit für eine Rast in einem kleinen Cafe im europäischen Stil. Etwas außerhalb von Omaruru verbringen wir eine Nacht auf der Onduruquea Guestfarm: klein, aber schöne komfortable Loge. Vor dem Abendessen gesellt sich der Pächter am Beobachtungsposten des Wasserlochs zu mir und wir plaudern über die harten alten Zeiten, über die 80er, als es fünf Jahre nicht geregnet hat, über die regelmäßig wiederkehrenden Dürren, in denen zuerst die Warzenschweine kaputtgehen (wie er es nennt), denen er jetzt auch schon wieder etwas Futter hinlegt. Zum Abendessen erschrecke ich mich über das offene Holzfeuer, dann stellt sich aber heraus, das es zum Grillen diverser Teile eines Kudus gedacht ist. Das Abendessen gibt es dann im kleinen Kreis von 8 Gästen und dem Pächter­Ehepaar. Etwas nervig ist nur eine deutsche Dame, von Beruf Radioreporterin und dementsprechend geübt in unidirektionaler Informationsverbreitung. 26.09.2015 Samstag Weiter geht's nach Swakopmund, unser Wirt glaubt mich zum Abschied mit den Worten erschrecken zu können, dort sei es kalt, merkt dann aber schnell, das die erhoffte Wirkung ausbleibt. Ich erkläre ihm noch mein Bedauern, daß er hier in der ewigen Dürre aushalten müsse und wir machen uns auf den Weg.

Bis kurz vor Swakopmund wächst meine Besorgnis, denn es bleibt heìß, trocken, staubig. Dann aber, ca. 30km vor dem Atlantik, kann man tatsächlich die Klimaanlage abschalten. Als wir ankommen, ist es geschätzte 15­20Grad kälter als in Etosha, der Himmel bedeckt, es könnte auch Helgoland sein. Bei Ankunft ist das Zimmer noch nicht fertig, und wir schauen uns zu Fuß schon mal den Ort an. Regina verweigert mir dann auch noch Kaffee und Kuchen, mit der Begründung, sie müsse erst ins Hotelzimmer und sich Polarbekleidung anziehen. Genervt füge ich mich in mein Schicksal und als wir danach wieder zum Cafe kommen, ist der Schokoladenkuchen weg. Den haben vermutlich die Damen verschlungen, die sich beidhändig an irgendwelche Tassen klammern, ich vermute mal mit heißem Tee oder Glühwein, der hier angepriesen wird. 27.09.2015 Sonntag Noch einmal volles Programm: für den Vormittag haben wir in Walvis Bay eine Fahrt durch die Bucht mit dem Katamaran gebucht. In der wellenlosen Bucht tuckert man in Begleitung von Seals, Pelikanen und Möwen hinaus. Als Gegenleistung für etwas Fisch spielen sie die freundlichen Reisebegleiter. Man kommt dann zu einer langsam durch Flußsand wachsenden Landzunge, auf der zur Nachwuchs­Zeit bis zu 40000 Seals lagern. In der von dieser Landzunge gebildeten Bucht gibt es große Austern­Zucht­Anlagen, die wachsen hier wegen des vielen Planktons so schnell wie sonst nirgendwo. Außerdem sind hier im ruhigen Wasser einige Ölbohrinseln aus Angola, deren Einsatz sich wegen des gefallenen Ölpreises zur Zeit nicht rechnet. Dann geht es noch einige Meter auf den deutlich unruhigeren Atlantik hinaus, wo uns wie auf Bestellung einige Delphine erwarten, eine Art, die es nur an der Küste von Namibia gibt. Auf der Rückfahrt darf, wer will, noch Austern essen und dann müssen wir schon zurück zum nächsten Event. Nachmittags steht Quad­Fahren in den Dünen an. Wie üblich wird man von einem Shuttle abgeholt, mit uns sitzen 9 Kiddies im Auto, 2 Generationen nach uns gebaut. Als wir auf den Hof des Veranstalters kommen, fühle ich mich im falschen Film, vor uns eine Herde Dromedare und unser Fahrer verkündet: "that are our quads, fully automatic, one gear forward!". Mir fällt dann ein Stein vom Herzen, als ich hinter dem Haus die Quads mit Rädern statt Füßen sehe. Wir bekommen eine

Kurzanleitung zum Quad­Fahren, Regina für Automatik, ich für Motorrad­ähnliche Fußschaltung, Helm auf und dann geht die Post ab. Im Gegensatz zu einigen Girlies, die lieber nur als Beifahrerin mitfahren wollen, traut sich meine holde Gattin auf ein eigenes Quad. Die Wüste so zu erkunden macht deutlich mehr Spaß als zu Fuß in Sossusvlei, dieser Duft nach Weite, Freiheit und Benzin!!! Mitten in der Sandwüste schaukeln tatsächlich mal 2 Quads der Dromedar­Klasse vorbei. Ansonsten begegnet man nur Kiddies mit ihren knatternden Knisten. Irgendwo auf einem Dünengipfel machen wir eine Photopause, nichts mehr zu sehen außer Sand und Dünen, so weit das Auge reicht. Nach 1.5 Stunden ist der Spaß vorbei.

28.09.2015 Montag Abfahrt bei Nordseewetter aus Swakopmund. Bereits nach 30km hat uns die unerbittliche Wüstensonne wieder. Uns scheint die Landschaft in den letzten 3 Wochen schon etwas grüner geworden zu sein, aber nur minimal. In Windhoek haben wir das schönste Hotel, etwas oberhalb gelegen mit Blick über die ganze Stadt. Wir wollen uns noch etwas die Stadt ansehen und der Security­Mann des Hotels mahnt uns, doch bitte vor 17Uhr zurück zu sein, da es dann nicht mehr sicher sei, herumzulaufen. Wir halten uns an den Ratschlag, zumal Windhoek auch nicht gerade der sehenswerteste Teil Namibias ist. Unser Gastgeber in Onduruquea hatte schon erzählt, daß in Windhoek bald das Wasser ausgehe, wenn die Dürre der letzten Jahre weiter anhalte. Und es gebe keinen Plan B zur Wasserversorgung. Trotzdem hält der Zustrom nach Windhoek weiter an, weil viele darauf hoffen, ihrem Elend auf dem Land zu entkommen. Auf der Hotelterrasse genießen wir unser letztes Abendessen in Afrika. Auch wenn wir über die letzten 3 Wochen nicht klagen können, so ist dies doch das mit Abstand beste (und natürlich auch teuerste). Das war's dann, Afrika. Die letzte Nacht steht bevor. Für diesmal, aber sicherlich nicht für immer. Meine Angetraute hat ihre anfängliche Skepsis gegenüber Afrika auch abgelegt. Schaun mer mal, was die Zukunft bringt. Ich mache meine letzten 3 Kreuze, daß ich in dieser Hitze keinen Reifen wechseln mußte. Morgen geht's zurück, Richtung Winter.