Meromorphe Funktionen mit geteilten Grenzwerten

Meromorphe Funktionen mit geteilten Grenzwerten Vom Fachbereich Mathematik der Gerhard-Mercator-Universit¨at Gesamthochschule Duisburg zur Erlangung d...
Author: Pia Kaiser
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Meromorphe Funktionen mit geteilten Grenzwerten Vom Fachbereich Mathematik der Gerhard-Mercator-Universit¨at Gesamthochschule Duisburg zur Erlangung der Lehrbef¨ahigung im Lehrgebiet Mathematik genehmigte Habilitationsschrift

von Dr. Andreas Sauer aus Duisburg

Genehmigt am: 5. Juli 2000

Inhalt Vorwort

2

1 Grundlagen 4 1.1 Werteverteilungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2 Normale Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Geteilte Grenzwerte 2.1 Definition des Begriffs Grenzwerteteilen . . . . . . . . 2.2 Wachstumsabsch¨atzungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Beispiele von Funktionen die alle Grenzwerte teilen . 2.4 Beispiele von Funktionen die endlich viele Grenzwerte 2.5 Ein Fu ¨nf-Grenzwerte-Satz . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Fortsetzbarkeit des Grenzwerteteilens . . . . . . . . . 2.7 Eine Verallgemeinerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Julia-Richtungen und Juliasche Ausnahmefunktionen

. . . . . . . . . . . . teilen . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

3 Weiteres zur Ahlforsschen Theorie 3.1 Defekte rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Nullstellen von zusammengesetzten meromorphen Funktionen 3.3 Ahlforssche Ausnahmewerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Beweise zur Ahlforsschen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . .

1

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

13 13 16 18 21 25 27 29 33

. . . .

47 47 52 54 56

Vorwort Die vorliegende Arbeit besch¨aftigt sich mit dem Verhalten meromorpher Funktionen in der Na¨he von wesentlichen Singularita¨ten. Die grundlegende Aussage zu wesentlichen Singularit¨aten ist der große Satz von Picard, der besagt, daß eine meromorphe Funktion jeden Wert der Sph¨are mit h¨ochstens zwei Ausnahmen in jeder Umgebung einer wesentlichen Singularit¨at unendlich oft annimmt. Betrachtet man meromorphe Funktionen f in der Ebene mit einer wesentlichen Singularit¨at in ∞, so gibt es  eine Folge z → ∞ mit f (z ) → a. also insbesondere zu jedem a ∈ C n n Die von R. Nevanlinna [37] begru ¨ndete Theorie meromorpher Funktionen versch¨arft diese Aussagen wesentlich. Mit Hilfe der charakteristischen Funktion, welche als Verallgemeinerung des Grades rationaler Funktionen angesehen werden kann, zeigte Nevanlinna in seinem zweiten Hauptsatz, daß, bis auf gewisse Ausnahmewerte, alle Werte in einem geeigneten Sinn gleich h¨aufig angenommen werden. Wir verweisen hier auf die einfu ¨hrenden Monographien [21], [31], [39] und [40]. Eine u ¨berraschende Anwendung des zweiten Haupsatzes ist der Fu ¨nf-Werte-Satz von Nevanlinna [38]. Er besagt, daß zwei meromorphe Funktionen in der Ebene deren  gleich sind, notwendig identisch sind (sofern nicht Urbilder zu fu ¨nf Werten aus C beide Funktionen konstant sind). Nevanlinnas zweiter Hauptsatz ist in seiner Struktur der klassischen Riemann-Hurwitz-Formel sehr ¨ahnlich. Tats¨achlich gelang es Ahlfors [2] in seiner Theorie der ¨ Uberlagerungsfl a¨chen aus der Riemann-Hurwitz-Formel eine sehr allgemeine Werteverteilungstheorie herzuleiten. Dabei spielen Urbilder von Gebieten die Rolle, welche die Urbilder von Punkten in der Nevanlinnaschen Theorie innehaben. Spezialisierungen der Ahlforsschen Theorie liefern wesentliche Aussagen der Nevanlinna Theorie, wir werden im ersten Kapitel darauf eingehen. Der zentrale Begriff dieser Arbeit ist das Teilen von Grenzwerten. Wir untersuchen dabei die Zusammenh¨ange zwischen meromorphen Funktionen, die zu gegebenem  auf denselben Folgen z → ∞ gegen a konvergieren. Unseres Wissens exia∈C n stiert zu diesem Thema bisher keine Vero¨ffentlichung. Zur Behandlung dieser Frage ist die Ahlforssche Theorie sehr gut geeignet. Dies liegt daran, daß das Teilen von Grenzwerten eine Art Teilen von Inseln bewirkt. Dies fu ¨hrt insbesondere dazu, daß die Charkteristiken von Funktionen die Grenzwerte teilen vergleichbare Gr¨oßenordnung haben. Es ist jedoch nicht m¨oglich, den Beweis des Fu ¨nf-Werte-Satzes auf 2

3

diese Situation zu u ¨bertragen. So zeigen einfache Beispiele wie f und f + 1/z, daß meromorphe Funktionen alle Grenzwerte teilen k¨onnen, ohne identisch zu sein. Wir werden dennoch nachweisen, daß wie beim Werteteilen zwischen vier und fu ¨nf geteilten Grenzwerten ein nicht-trivialer Unterschied besteht. Am deutlichsten zeigen sich die Parallelen zwischen Werteteilen und Grenzwerteteilen bei elliptischen Funktionen mit gleichen Perioden. In diesem Fall sind beide Begriffe identisch, wie man ¨ leicht durch Ubergang zum Torus sieht. Die Arbeit ist wie folgt organisiert. Im ersten Kapitel stellen wir zuna¨chst die Ergebnisse zur Werteverteilungstheorie und zu normalen Familien zusammen, die wir sp¨ater ben¨otigen. Im zweiten Kapitel leiten wir dann unsere Ergebnisse zum Grenzwerteteilen her. Nach den angesprochenen Wachstumsabscha¨tzungen konstruieren wir Beispiele von meromorphen Funktionen, die alle Grenzwerte teilen, aber nicht durch einfache Modifikationen auseinander hervorgehen. Diese Beispiele wurden uns von J.K. Langley mitgeteilt. Wir m¨ochten ihm an dieser Stelle herzlich fu ¨r die Erlaubnis danken, die Beispiele in diese Arbeit aufzunehmen. Danach wenden wir uns der Konstruktion von Beispielen zu, bei denen nur endlich viele Grenzwerte geteilt werden. Dabei spielen rationale Funktionen, die Werte auf der Sph¨are teilen eine wichtige Rolle. Damit haben wir dem theoretischen Teil einige Beispiele vorangestellt. Wir meinen, daß eine Theorie ohne Beispiele unbefriedigend ist. Im u ¨brigen ist die Konstruktion solcher Beispiele nicht trivial. Mancher Beweis eines theoretischen Satzes war leichter zu finden als die Beispiele in Abschnitt 2.4. Im n¨achsten Abschnitt gehen wir dann auf den Fall fu ¨nf geteilter Grenzwerte ein. Die beiden folgenden Paragraphen besch¨aftigen sich mit der Fortsetzbarkeit des Grenzwerteteilens. Wir beweisen, daß, falls zwei Funktionen alle Grenzwerte aus einer offenen Menge teilen, sie notwendig alle Grenzwerte teilen. Es w¨are interessant zu entscheiden, ob schwa¨chere Voraussetzungen zur Fortsetzbarkeit fu ¨hren, etwa wenn man die offene durch eine nicht-diskrete Menge ersetzt. (Vielleicht reichen ja schon ¨ fu sind weitere Untersuchungen zur Struktur der ¨nf geteilte Grenzwerte.) Uberhaupt Menge der geteilten Grenzwerte no¨tig. So ist es uns z.B. nicht gelungen zu entscheiden, ob die Menge der geteilten Grenzwerte grunds¨atzlich abgeschlossen ist. Weiter gehen wir auf den Zusammenhang von Grenzwerteteilen und Julia-Richtungen ein. Im dritten Kapitel stellen wir dann weitere Anwendungen der Ahlforsschen Theorie dar, die nicht direkt im Zusammenhang mit Grenzwerten stehen. Ich mo¨chte meinem Lehrer Herrn Prof. Dr. F. Pittnauer herzlich danken. Er hat mich auf die Fragestellung des Grenzwerteteilens aufmerksam gemacht und mir die Beispiele von J.K. Langley zur Verfu ¨gung gestellt. Diese haben mich vor vielen naheliegenden aber falschen Vermutungen bewahrt.

Kapitel 1 Grundlagen 1.1

Werteverteilungstheorie

Wir stellen zuna¨chst einige grundlegende Ergebnisse der von R. Nevanlinna [37] begru ¨ndeten Theorie meromorpher Funktionen in der Ebene dar. Als Zugang w¨ahlen ¨ wir die Ahlforssche Theorie der Uberlagerungsfl ¨achen [2], eine topologische Version der Nevanlinnaschen Theorie.  := {(x , x , x ) ∈ R3 | x2 + x2 + (x − 1 )2 = 1 } die RiemannWir bezeichnen mit C 1 2 3 3 1 2 2 4 sche Spha¨re, welche durch stereographische Projektion auf die komplexe Ebene C  zu einem Modell der Alexandroffbezogen ist. Der Nordpol ∞ := (0, 0, 1) macht C Kompaktifizierung von C. Wir werden im folgenden die stereographische Projektion  betrachten. unterdru ¨cken, d.h., C als Teilmenge von C  l¨ Die Topologie von C aßt sich mit der chordalen Metrik χ vollst¨andig metrisieren: |a − b|  χ(a, b) :=  1 + |a|2 1 + |b|2 fu ¨r a, b ∈ C und

1 χ(a, ∞) :=  1 + |a|2

fu ¨r a ∈ C. Damit ist χ(a, b) gerade der euklidische Abstand der Projektionen von a und b im R3 . Die sph¨arische Metrik d ergibt sich, wenn man durch a und b den  legt und als Abstand die L¨ eindeutigen Großkreis K auf C ange des ku ¨rzeren der beiden B¨ogen nimmt, in die K von a und b geteilt wird. Etwa mit lim

a→b

1 χ(a, b) = |a − b| 1 + |a|2

zeigt man



d(a, b) = inf γ

γ

4

1 |dz|. 1 + |z|2

5

Dabei durchl¨auft γ alle Wege, die a und b verbinden. Elementar ergibt sich π χ(a, b) ≤ d(a, b) ≤ χ(a, b). 2 Insbesondere induzieren χ und d dieselbe Topologie. Begriffe wie offene Menge,  erkl¨ art. Gebiet etc. sind im topologischen Raum C  Wie u blich betrachten wir C als kompakte Riemannsche Fla¨che. Damit ist der ¨   offen erkl¨ Begriff einer meromorphen Abbildung f : U → C mit U ⊂ C art. Eine  meromorphe Abbildung f : U → C mit ∞ ∈ f (U ) bezeichnen wir als holomorph.  mit U ⊂ C meromorph, so ist die sph¨ Ist f : U → C arische Ableitung von f : |f  (z)| χ(f (z), f (w)) = lim f (z) := w→z |z − w| 1 + |f (z)|2 #

fu ¨r z ∈ U . Es gilt f # = (1/f )# und somit ist f # in Polen von f definiert. Weiter ist f # : U → R+ stetig. Ist γ ein rektifizierbarer Weg in U , so ergibt sich als sph¨arische La¨nge L(f ◦ γ) des Bildweges f ◦ γ  L(f ◦ γ) =

f # (z)|dz|.

γ

Wir setzen weiter Dr (a) := {z ∈ C | |z − a| < r}, Dr := Dr (0) und D := D1 . Den topologischen Abschluß von Dr bezeichnen wir mit Dr := {z ∈ C | |z| ≤ r}.

 meromorph und D ⊂ C  ein Gebiet. Die beDefinition 1.1 Sei f : C → C schr¨ankten Komponenten von f −1 (D) heißen Inseln (u ¨ber D) und die unbeschr¨ankten Komponenten Zungen (u ber D). Mit n(r, f, D) bezeichnen wir die Anzahl der ¨ in Dr enthaltenen Inseln von f u ¨ber D und mit ne (r, f, D) die Anzahl der einfach zusammenh¨angenden Inseln in Dr . Weiter sei 

L(r, f ) := ∂

und A(r, f ) :=

Dr

f # (z)|dz| =

 2π 0

|f  (reiϕ )|r dϕ 1 + |f (reiϕ )|2

1  2π  r |f  (ρeiϕ )|2 ρ 1 (f # (z))2 dz = dρ dϕ. π Dr π 0 0 (1 + |f (ρeiϕ )|2 )2

L(r, f ) ist die in der spha¨rischen Metrik gemessene La¨nge des Bildwegs von ∂ Dr unter f . Die Gr¨oße π · A(r, f ) gibt die mit Vielfachheiten gemessene sph¨arische Fl¨ache des Bildes von Dr unter f an.

 der auf [a, b) Als Jordanbogen bezeichnen wir einen stetigen Weg γ : [a, b] → C injektiv ist. Ein geschlossener Jordanbogen ist eine Jordankurve. Ein Jordangebiet ist das Innere einer Jordankurve. Jordangebiete sind nach dem Jordanschen Kurvensatz einfach zusammenh¨angend.

6

¨ Das zentrale Ergebnis der Ahlforsschen Theorie der Uberlagerungsfl ¨achen ist der sogenannte Zweite Hauptsatz. Wir formulieren ihn fu ¨r den von uns betrachteten Fall meromorpher Funktionen in C.  meromorph und D , . . . , D Satz 1.2 (2. Hauptsatz, Ahlfors) Seien f : C → C 1 q Jordangebiete mit disjunkten topologischen Abschlu ¨ssen. Dann gilt

(q − 2)A(r, f ) ≤

q 

ne (r, f, Dk ) + O(L(r, f )).

(1)

k=1

Zu den topologischen Anforderungen an die Zielgebiete D1 , . . . , Dq bemerken wir, daß Ahlfors [2], S. 178, von ausserhalb einander liegenden, einfach zusammenh¨angenden Gebieten spricht. Hayman [21] verlangt in seiner Darstellung, daß die D1 , . . . , Dq disjunkte Abschlu ¨sse haben und die R¨ander stu ¨ckweise analytische Jordankurven ohne Spitzen sind. Die in Satz 1.2 scheinbar schw¨achere Forderung l¨aßt sich problemlos durch Haymans Formulierung rechtfertigen. Jedes Jordangebiet Dj l¨aßt sich  mit stu in ein einfach zusammenh¨angendes Gebiet D ¨ckweise analytischem Rand j  disjunkte ohne Spitzen einbetten (etwa mit Hilfe von Polygonzu ¨gen), so daß die D j  Abschlu ¨sse haben. Die Ungleichung ne (r, f, Dj ) ≤ ne (r, f, Dj ) zeigt dann die Gu ¨ltigkeit von (1). Wir werden als Zielgebiete fast ausschließlich Kreisscheiben betrachten, womit keinerlei topologische Probleme entstehen. Insbesondere werden die R¨ander der entstehenden Inseln und Zungen stu ¨ckweise analytisch sein. Wir werden nun die Ungleichung (1) logarithmisch integrieren. Dies fu ¨hrt zu den von Nevanlinna urspru ¨nglich betrachteten Gr¨oßen. Die Ahlfors-Shimizu Charakteristik ist definiert durch (siehe [21], S. 10)  r

T (r, f ) := 0

A(t, f ) dt. t

(2)

Eine wesentliche Eigenschaft von T ist ihre als Erster Hauptsatz bezeichnete M¨obiusInvarianz: Fu ¨r jede M¨obius Transformation M gilt T (r, M ◦ f ) = T (r, f ) + O(1). Die Funktion T (r, f ) unterscheidet sich von der von Nevanlinna eingefu ¨hrten Charakteristik nur um eine beschra¨nkte Gro¨ße. Wir wollen die beiden Charakteristiken daher im folgenden nicht unterscheiden. Analog zu (2) definieren wir − N (r, f, D) :=

 r 0

und entsprechend

− Ne (r, f, D) :=

 r 0

n(t, f, D) dt t ne (t, f, D) dt. t

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Es bleibt

r 0

L(t, f )/tdt zu betrachten. Wir ben¨otigen die Absch¨atzung  r

L(t, f ) dt = o(T (r, f )) t 0 außerhalb einer m¨oglicherweise auftretenden Ausnahmemenge (bzgl. r) von endlichem linearen Maß. Diese Aussage wurde von Miles [33] bewiesen. Im Fall, daß f von endlicher Ordnung ist, d.h., falls ρ(f ) := lim sup r→∞

log T (r, f ) 0 nur endlich viele Inseln von f u ¨ber Dε (a) existieren. Nach Satz 1.6, ii) hat f h¨ochstens zwei Ahlforssche Ausnahmewerte. Man sieht leicht, daß Picardsche Ausnahmewerte auch Ahlforssche Ausnahmewerte sind, die Umkehrung gilt jedoch nicht. Dies zeigt z.B. f (z) := exp(z) + 1/z mit dem Ahlforsschen Ausnahmewert 0. Jedoch ist der Wert 0 fu ¨r f im Sinne der Nevanlinna-Theorie nicht einmal defekt.  die Wir werden im folgenden h¨aufig implizit benutzen, daß fu ¨r Jordangebiete D ⊂ C −1 Komponenten von f (D) nach ∞ wandern, d.h., jede Kreisscheibe Dr nur endliche viele Komponenten von f −1 (D) schneidet. Intuitiv scheint dies klar zu sein, einen trivialen Beweis konnten wir jedoch nicht finden. Wir wollen daher einen Beweis angeben. Dazu ben¨otigen wir lediglich, daß f stetig und diskret ist. Die Behauptung gilt also z.B. auch fu ¨r quasimeromorphe Funktionen. Wir erinnern daran, daß f diskret ist, falls fu r Bildpunkte a die Urbildmenge f −1 ({a}) diskret ist. ¨

Lemma 1.7 Es sei 0 < r < R, A := DR \ Dr und f : A → C stetig. Weiter sei D ⊂ C ein Jordangebiet und γn : [0, 1] → A eine disjunkte Folge von Jordanb¨ogen die ∂ DR und ∂ Dr verbinden. Gilt f (γn ) ⊂ ∂D fu ¨r alle n, so ist f nicht diskret.

Beweis. Angenommen f ist diskret. Sei αn der Anfangspunkt von γn auf Dr und βn der Endpunkt auf DR . Wir ko¨nnen αn → α ∈ ∂ Dr und βn → β ∈ ∂ DR annehmen. Da f stetig ist, gilt f (αn ) → f (α) und f (βn ) → f (β). Angenommen f (α) = f (β). Sei ϕ : ∂ D → ∂D ein Hom¨oomorphismus und Fn := ϕ−1 ◦ f ◦ γn : [0, 1] → ∂ D. Da Fn stetig ist und ϕ bijektiv gilt fu ¨r a := limn→∞ Fn (0) = limn→∞ ϕ−1 ◦ f (αn ) = ϕ−1 ◦ f (α) und b := limn→∞ Fn (1) = limn→∞ ϕ−1 ◦ f (βn ) = ϕ−1 ◦ f (β) offensichtlich a, b ∈ ∂ D und a = b. Nun zeigen einfache Argumentationen mit dem Zwischenwertsatz, daß ein c ∈ ∂ D existiert mit c ∈ Fn ([0, 1]) fu ¨r unendlich viele n. Also gibt es einen Punkt ω0 ∈ ∂D, der von unendlich vielen f ◦ γn u ¨berdeckt wird. Wegen der Disjunktheit der γn ist f −1 (ω0 ) unendlich, besitzt also einen Ha¨ufungspunkt in A, im Widerspruch zur Diskretheit von f . Es folgt f (α) = f (β). Wiederholen wir die obige Argumentation fu ¨r A := DR \ Dr mit r < R < R, so erhalten wir fu ¨r alle R ∈ (r, R) ein αR ∈ ∂ DR mit f (αR ) = f (α). Dies widerspricht der Diskretheit von f . ✷

10

Daraus folgt:  meromorph, nicht-konstant und D ⊂ C  ein JorLemma 1.8 Es sei f : C → C dangebiet. Dann schneidet jede Kreisscheibe Dr nur endlich viele Komponenten von f −1 (D).

Beweis. Angenommen Dr schneidet unendlich viele Komponenten von f −1 (D). W¨ahle R > r. Dann schneidet ∂ DR unendlich viele der Komponenten von f −1 (D) die Dr schneiden. Sonst enth¨alt DR unendlich viele Inseln von f u ¨ber D im Widerspruch zur Diskretheit von f . Es lassen sich in den R¨andern dieser Komponenten unendlich viele disjunkte Jordanb¨ogen finden, die ∂ Dr und ∂ DR verbinden. Lemma 1.7 zeigt die Behauptung. ✷ Aufgrund der engen Beziehungen zwischen dem von uns sp¨ater betrachteten Teilen von Grenzwerten und dem klassischen Begriff des Werteteilens erwa¨hnen wir noch:  meromorph und a ∈ C  . Dann teilen f und Definition 1.9 Es seien f, g : C → C g den Wert a, falls fu ¨r alle z ∈ C gilt

f (z) = a ⇐⇒ g(z) = a, d.h., falls f und g bzgl. a dieselben Urbilder haben. ¨ Einen Ubersichtsartikel zum Werteteilen findet man in [35]. Das grundlegende Resultat zu diesem Begriff ist der Fu ¨nf-Werte-Satz von Nevanlinna [38].  meromorph und nicht beide Satz 1.10 (Fu ¨ nf-Werte-Satz) Es seien f, g : C → C  konstant. Teilen f und g fu ¨nf Werte aus C, so gilt f = g.

In Abschnitt 3.1 werden wir ein etwas allgemeineres Resultat beweisen. Aus dem zweiten Haupsatz von Nevanlinna folgt leicht:  meromorph. Proposition 1.11 Es seien f, g : C → C  , so gilt i) Teilen f und g drei Werte aus C

T (r, f ) ≤ 3 · T (r, g) + S(r, f ).  , so gilt ii) Teilen f und g vier Werte aus C

T (r, f ) = T (r, g) + S(r, f ).

11

1.2

Normale Familien

¨ Neben der Ahlforsschen Theorie der Uberlagerungsfl ¨achen werden wir ausgiebig Montels Theorie normaler Familien meromorpher Funktionen nutzen. Wie u ¨blich betrachten wir dabei die Menge aller meromorphen Funktionen auf einem Gebiet G, versehen mit der Topologie der kompakten Konvergenz. D.h., eine Folge meromorpher Funktionen fn auf G konvergiert gegen f , falls fu ¨r alle Kompakta K ⊂ G die Folge fn gleichm¨aßig auf K (in der chordalen Metrik) gegen f konvergiert: lim sup χ(fn (z), f (z)) = 0.

n→∞ z∈K

(6)

Die Grenzfunktion f ist dann selbst meromorph auf G. (Die meromorphe Funktion f ≡ ∞ ist dabei nicht ausgeschlossen.) Eine normale Familie ist eine pra¨-kompakte Menge im Raum der meromorphen Funktionen mit kompakter Konvergenz. Definition 1.12 Eine Familie F meromorpher Funktionen auf einem Gebiet G heißt normal, falls jede Folge in F eine konvergente Teilfolge besitzt. Der Grenzwert muß dabei nicht in F liegen. Wir verweisen auf die Monographien [34] und [50]. Insbesondere in [50] findet man alle Aussagen dieses Abschnitts. Betrachtet man Familien holomorpher Funktionen, so ist es oft natu ¨rlicher mit der euklidischen Metrik zu arbeiten, d.h., statt (6) lim sup |fn (z) − f (z)| = 0

n→∞ z∈K

zu verlangen. Das grundlegende Kriterium fu ¨r Normalita¨t ist die folgende Aussage, die auf Montel zuru ¨ckgeht. Satz 1.13 Es sei F eine Familie holomorpher Funktionen auf einem Gebiet G. Ist F lokal gleichgradig beschr¨ankt, d.h., gibt es zu jedem Kompaktum K ⊂ G eine Konstante M (K), so daß fu ¨r alle f ∈ F gilt: max |f (z)| < M (K), z∈K

dann ist F eine normale Familie.

12

Wir ben¨otigen weiter: Satz 1.14 (Vitali) Es sei fn eine normale Folge holomorpher Funktionen auf einem Gebiet G. Konvergiert fn punktweise auf einer nicht diskreten Menge in G, dann konvergiert fn kompakt auf G. Das wohl wichtigste hinreichende Kriterium fu ¨r Normalita¨t stammt von Montel. Wir werden es im folgenden als Satz von Montel bezeichnen. Satz 1.15 (Montel) Es sei F eine Familie meromorpher Funktionen auf einem  gibt, die von keinem f ∈ F angenommen Gebiet G. Falls es drei feste Werte in C werden, dann ist F normal. Aus diesem Kriterium folgt beispielsweise der Satz von Picard. Wir werden weiterhin die folgende Charakterisierung normaler Familien von Marty ben¨otigen. Satz 1.16 (Marty) Es sei F eine Familie meromorpher Funktionen auf einem Gebiet G. F ist genau dann normal, wenn die spha¨rischen Ableitungen aller f ∈ F lokal gleichgradig beschr¨ankt sind, d.h., falls es zu jedem Kompaktum K ⊂ G eine Konstante M (K) gibt, sodaß fu ¨r alle f ∈ F gilt: max f # (z) ≤ M (K). z∈K

Wir erwa¨hnen, daß Lappan [27] dieses Kriterium wesentlich verscha¨rft hat. Zum Schluß dieses Abschnitts geben wir noch zwei klassische S¨atze der Funktionentheorie an, mit deren Hilfe man auf die Existenz von Nullstellen fu ¨r gewisse Funktionen schließen kann. Satz 1.17 (Rouch´ e) Seien f und g holomorph auf einem Gebiet G und γ ein nullhomologer rektifizierbarer Weg in G mit nichtleerem Inneren. Gilt |f − g| < |f | auf γ, so haben f und g die gleiche Anzahl Nullstellen (mit Vielfachheiten gez¨ahlt) im Inneren von γ. Mit dem Satz von Rouch´e zeigt man leicht: Satz 1.18 (Hurwitz) Sei fn eine konvergente Folge meromorpher Funktionen in einem Gebiet G mit fn → f = const. Besitzt f eine Nullstelle in G, so auch alle fn mit n ≥ n0 .

Kapitel 2 Geteilte Grenzwerte 2.1

Definition des Begriffs Grenzwerteteilen

Wir definieren nun den zentralen Gegenstand dieser Arbeit. Wir bezeichnen dabei fu ¨r M ⊂ C das Komplement bzgl. C mit M c . Nach dem Satz von Casorati-Weiertraß  fu liegt fu ¨r alle r > 0 das Bild von Dcr unter f dicht in C ¨r ganze Funktionen f . Satz c  1.6 zeigt, daß sogar C\{a, b} ⊂ f (Dr ) fu ¨r alle r > 0 und transzendentes meromorphes  gilt. Es gibt also zu jedem a ∈ C  eine Folge z ∈ C f mit geeignet gew¨ahlten a, b ∈ C n mit zn → ∞ und f (zn ) → a. Wir betrachten in Zukunft transzendente meromorphe  auf denselben Folgen z → ∞ Funktionen f und g, die fu ¨r gewisse Werte a ∈ C n gegen a konvergieren.  transzendente meromorphe Funktionen und Definition 2.1 Seien f, g : C → C  a ∈ C. Wir sagen f und g teilen den Grenzwert a, falls fu ¨r jede Folge zn → ∞ gilt:

f (zn ) → a ⇐⇒ g(zn ) → a. ¨ Die formale Ahnlichkeit der Begriffe Werteteilen und Grenzwerteteilen la¨ßt zuna¨chst auf ¨ahnliche Resultate hoffen. Wir erl¨autern an einigen einfachen Beispielen, daß dies im allgemeinen nicht der Fall ist. Sei z.B. f beliebig vorgegeben und f1 := (z + 1)f und f2 := zf . Wegen f1 /f2 = (z + 1)/z teilen f1 und f2 alle Grenzwerte in ¨ C , die Differenz f1 − f2 = f ist jedoch beliebig. Ahnlich kann man mit geeignetem g erreichen, daß der Quotient (g + 1/z)/g = f mit beliebigem f ist. Wieder teilen sich g + 1/z und g alle Grenzwerte und dies sogar bei gleichm¨aßiger Konvergenzgeschwindigkeit 1/z. Beide Beispiele sind jedoch insofern trivial, als entweder der Quotient oder die Differenz rationale Funktionen sind. Wir werden in Abschnitt 2.3 ein Beispiel konstruieren, bei dem dies nicht der Fall ist. Das folgende Lemma erm¨oglicht die Ahlforssche Theorie zu nutzen. Dabei ist es von Vorteil folgende Notation einzufu ¨hren: Fu ¨r M, N ⊂ ∼ wir N ⊂ M , falls N \ M beschr¨ankt ist. 13

C schreiben

14  teilen den Grenzwert a ∈ C  Lemma 2.2 Meromorphe Funktionen f, g : C → C genau dann, wenn fu ¨r alle ε > 0 ein δ(ε) > 0 existiert mit

g −1 (Dδ (a)) ⊂ f −1 (Dε (a)) und f −1 (Dδ (a)) ⊂ g −1 (Dε (a)). ∼



Beweis. ”⇒” Angenommen es gibt ein ε > 0, so daß die Mengen Mn := g −1 (D 1 (a))\ n f −1 (Dε (a)) fu ¨r alle n ∈ N unbeschr¨ankt sind. W¨ahle zn ∈ Mn mit |zn | ≥ n. Dann gilt zn → ∞ und wegen |g(zn ) − a| < n1 auch g(zn ) → a. Da zn ∈ f −1 (Dε (a)) gilt |f (zn ) − a| ≥ ε also f (zn ) → a, im Widerspruch dazu, daß f und g den Grenzwert a teilen. Symmetrie zeigt die Notwendigkeit. ”⇐” Angenommen es existiert eine Folge zn → ∞ mit f (zn ) → a aber g(zn ) → a. ¨ Durch Ubergang zu einer Teilfolge k¨onnen wir annehmen, daß ε > 0 existiert ∼ mit |g(zn ) − a| > ε fu ¨r alle n ∈ N. Da {zn } ⊂ f −1 (Dδ (a)) fu ¨r alle δ > 0 und −1 −1 −1 {zn } ∩ g (Dε (a)) = ∅ ist f (Dδ (a)) \ g (Dε (a)) unbeschr¨ankt fu ¨r alle δ > 0, im Widerspruch zur Voraussetzung. Symmetrie zeigt den Rest. ✷ Das folgende Lemma erleichtert es manchmal nachzuweisen, daß sich f und g alle Grenzwerte teilen. Lemma 2.3 Seien f, g : ¨aquivalent:

C → C meromorph.

Dann sind die folgenden Aussagen

. i) f und g teilen alle Grenzwerte in C  \ {a }. ii) f und g teilen alle Grenzwerte in C 0  und z → ∞ gilt: f (z ) → a ⇒ g(z ) → a. iii) Fu ¨r alle a ∈ C n n n

Beweis. i) ⇒ ii) ist trivial. ii) ⇒ iii). O.B.d.A. sei a0 = ∞. Falls a ∈ C folgt sofort f (zn ) → a ⇒ g(zn ) → a. Angenommen f (zn ) → ∞ aber g(zn ) → ∞. Durch  annehmen, ¨ Ubergang zu einer Teilfolge du ¨rfen wir wegen der Kompaktheit von C daß g(zn ) → a ∈ C. Es folgt der Widerspruch f (zn ) → a ∈ C. iii) ⇒ i). Angenom und z → ∞ mit g(z ) → a aber f (z ) → a. Durch Ubergang ¨ men es gibt a ∈ C n n n  zu einer Teilfolge und wegen Kompaktheit ko¨nnen wir f (zn ) → b ∈ C mit b = a annehmen. Also gilt g(zn ) → b. Widerspruch. ✷

15

Weiter ben¨otigen wir die folgende Aussage: Lemma 2.4 Es sei a ∈ C ein geteilter Grenzwert von f und g. Dann existiert ein ε > 0 so, daß g auf f −1 (Dε (a)) asymptotisch beschr¨ankt ist. D.h., es existieren r > 0 und M > 0, so daß fu ¨r z ∈ f −1 (Dε (a)) mit |z| > r gilt |g(z)| ≤ M. Beweis. W¨ahle ε1 > 0. Nach Lemma 2.2 existiert ε > 0 mit f −1 (Dε (a)) ⊂ g −1 (Dε1 (a)). Mit geeignetem r > 0 gilt dann fu ¨r z ∈ f −1 (Dε (a)) mit |z| > r : ∼

|g(z)| ≤ |a| + ε1 =: M. ✷ Zum Schluß dieses Abschnitts fu ¨hren wir noch einen Begriff ein.  . Wir sagen a ist Definition 2.5 Seien f und g meromorphe Funktionen und a ∈ C ein vollsta¨ndig ungeteilter Grenzwert fu ¨r f und g, falls keine Folge zn → ∞ existiert mit f (zn ) → a und g(zn ) → a.

Proposition 2.6 Seien f und g meromorphe Funktionen. Dann ist die Menge der von f und g vollst¨andig ungeteilten Grenzwerte offen.  Ha Beweis. Es sei a ∈ C ¨ufungspunkt von nicht vollsta¨ndig ungeteilten Grenzwerten (n) (n) (n) an . Dann gibt es Folgen zj → ∞ mit f (zj ) → an und g(zj ) → an fu ¨r j → ∞. (n) (n) (n) 1 1 W¨ahle jn so, daß |zjn | > n, |f (zjn ) − an | < n und |g(zjn ) − an | < n . Mit n → ∞ (n) (n) (n) gilt dann zjn → ∞ sowie f (zjn ) → a und g(zjn ) → a. Die Menge der nicht vollst¨andig ungeteilten Grenzwerte ist also abgeschlossen. ✷

Proposition 2.7 Seien f und g transzendente meromorphe Funktionen. Dann gilt . fu ¨r die Menge V aller von f und g vollst¨andig ungeteilten Grenzwerte V = C

 . Dann sind f −g und f /g nicht transzendent, da sonst Beweis. Angenommen V = C ¨ Folgen existierten mit (f − g)(zn ) → 0 bzw. (f /g)(wn ) → 1. Nach Ubergang zu  Teilfolgen erhielte man einen Widerspruch zu V = C. Also gibt es rationale Funktionen R1 , R2 mit f − g = R1 und f /g = R2 . Es folgt dann leicht g = R1 /(R2 − 1), im Widerspruch zur Transzendenz von g. (Der Fall R2 ≡ 1 ist trivial.) ✷

16

Sei f eine ganze transzendente Funktion und g := ef + f . Man zeigt leicht, daß f und g keinen Grenzwert teilen und daß hier V = C maximale Gr¨oße hat. Ein anderes Beispiel ist f (z) := ez + e−z und g(z) := ez − e−z . Wieder gilt V = C aber f und g teilen den Grenzwert ∞.

2.2

Wachstumsabsch¨ atzungen

Wie beim Werteteilen haben f und g im Fall, daß mindestens drei Grenzwerte geteilt werden, vergleichbare Charakteristiken.  transzendente meromorphe Funktionen, welche q ≥ 3 Satz 2.8 Seien f, g : C → C Grenzwerte teilen. Dann gilt

T (r, f ) ≤

q T (r, g) + S(r, f ). q−2

Beweis. Es seien a1 , . . . , aq die geteilten Grenzwerte. W¨ahle ε > 0 so, daß die Kreisscheiben Dε (a1 ), . . . , Dε (aq ) disjunkte Abschlu ¨sse haben. Gem¨aß Lemma 2.2 ∼ existiert δ > 0 mit g −1 (Dδ (ak )) ⊂ f −1 (Dε (ak )) fu r k = 1, . . . , q. Wir zeigen, daß, bis ¨ auf endlich viele, jede Insel von f u ¨ber Dε (ak ) eine Insel von g u ¨ber Dδ (ak ) enth¨alt. Angenommen es existiert eine Folge von Inseln In von f u ¨ber Dε (ak ), die keine ∼ Inseln von g u ¨ber Dδ (ak ) enthalten. Wegen g −1 (Dδ (ak )) ⊂ f −1 (Dε (ak )) gilt dann In ∩g −1 (Dδ (ak )) = ∅ fu ¨r n ≥ n0 . Jedes In enth¨alt ein zn mit f (zn ) = ak , also f (zn ) → ak . Nun ergibt |g(zn ) − ak | ≥ δ einen Widerspruch. Es folgt n(r, f, Dε (ak )) ≤ n(r, g, Dδ (ak )) + O(1) ≤ n(r, g, ak ) + O(1). Integriert man logarithmisch, so folgt mit Satz 1.3: (q − 2)T (r, f ) ≤

q 

− N (r, g, ak ) + S(r, f ) ≤ q · T (r, g) + S(r, f ).

k=1

✷  transzendente meromorphe Funktionen, welche Korollar 2.9 Seien f, g : C → C unendlich viele Grenzwerte teilen. Dann gibt es zu jedem ε > 0 eine Menge Eε ⊂ R+ von endlichem linearen Maß außerhalb der gilt:

T (r, f ) ≤ (1 + ε)T (r, g). Beweis. Unmittelbare Folge von Satz 2.8 mit großem q.



17 Das Beispiel f und g := f n mit beliebigem n ∈ N zeigt, daß zwei geteilte Grenzwerte im allgemeinen fu ¨r eine Absch¨atzung der Charakteristiken nicht genu ¨gen, denn f und g teilen die Grenzwerte 0 und ∞. Es gilt aber T (r, g) ∼ n · T (r, f ). Die Beweise zeigen, daß Grenzwerteteilen eine Art Inselteilen impliziert. Identit¨atss¨atze gelten jedoch nicht ohne weiteres, da man nicht auf die Existenz einer Nullstelle von f − g in den Inseln schließen kann. Unter speziellen Annahmen lassen sich die vorangegangenen Ungleichungen verbessern:  transzendente meromorphe Funktionen, welche einen Satz 2.10 Seien f, g : C → C Grenzwert a ∈ C \ {0} teilen. Hat f die Ahlforsschen Ausnahmewerte 0 und ∞, so gilt: T (r, f ) ≤ T (r, g) + S(r, f ).

Beweis. Da 0 und ∞ Ahlforssche Ausnahmewerte sind, gilt nach Satz 1.3 − T (r, f ) ≤ N (r, f, Dε (a)) + S(r, f ). Der Rest folgt wie im Beweis von Satz 2.8.



Die Voraussetzungen sind z.B. dann erfu ¨llt, wenn f ganz und nullstellenfrei ist. Wir geben nun noch einen echten Identita¨tssatz an. Es ist ein partielles, in dieser Arbeit etwas isoliertes, Resultat. Dennoch finden wir es erw¨ahnenswert. Es stellt sich die Frage ob man die Voraussetzungen (insbesondere bzgl. des Wachstums) abschw¨achen kann. Zum Beweis ben¨otigen wir eine einfache Folgerung aus dem Satz von Wiman ([11], S. 224): Satz 2.11 (Wiman) Es sei f : C → C eine nicht-konstante ganze Funktion mit ρ(f ) < 1/2 und M ⊂ C unbeschr¨ankt und zusammenh¨angend. Dann ist f (M ) unbeschra¨nkt. Satz 2.12 Es seien f, g : C → C nullstellenfreie ganze Funktionen, die alle Grenzwerte aus einer Umgebung von 0 teilen. Gilt ρ1 (f ) := so folgt f = g.

log log T (r, f ) 1 < , log r 2

18

Beweis. Da ρ1 (f ) < 1/2 gilt f = exp(ϕ) mit einer ganzen Funktion ϕ mit ρ(ϕ) < 1/2. Aus der Wachstumsabsch¨atzung aus Satz 2.10 folgt g = exp(ψ) mit ρ(ψ) < 1/2. Sei ε > 0 so, daß ∂ Dε in der von f und g geteilten Menge von Grenzwerten enthalten ist. Sei γ eine Komponente von f −1 (∂ Dε ). Dann ist γ unbeschra¨nkt und zusammenh¨angend. Betrachte f /g = exp(ϕ − ψ). Angenommen ϕ − ψ ist nicht konstant. Da ρ(ϕ − ψ) < 1/2 folgt aus dem Satz von Wiman, daß Γ := (ϕ − ψ)(γ) unbeschr¨ankt (und natu ¨rlich zusammenh¨angend) ist. Weiter gilt (f /g)(z) → 1 fu ¨r −1 z → ∞ in f (∂ Dε ), da ∂ Dε kompakt ist, also insbesondere f /g → 1 auf γ. Fu ¨r ∼ alle δ > 0 gilt also Γ ⊂ exp−1 (Dδ (1)). Da fu r geeignetes δ > 0 die Urbildmenge ¨ exp−1 (Dδ (1)) nur aus Inseln besteht, fu ¨hrt dies zu einem Widerspruch. Also ist ϕ − ψ konstant und es folgt f = g. ✷

2.3

Beispiele von Funktionen die alle Grenzwerte teilen

In diesem Abschnitt konstruieren wir eine Familie von ganzen Funktionen f und g,  teilen aber nicht durch rationale Transformationen ineindie alle Grenzwerte in C ander u ¨berfu ¨hrbar sind. Die Konstruktion wurde uns von J.K. Langley [26] mitgeteilt. Wir ben¨otigen einige technische Vorbereitungen. Sei an → ∞ eine komplexe Folge mit |an | ≤ |an+1 | fu ¨r alle n ∈ N. Wir definieren dist(r) := inf{|aj − ak | | j = k, |aj | ≥ r, |ak | ≥ r}. Weiter bezeichnen wir fu ¨r z ∈ C mit k(z) den Index so, daß |z − ak(z) | ≤ |z − aj | fu r alle j ∈ N . Falls mehrere aj minimalen Abstand von z haben, wa¨hlen wir k(z) ¨ maximal. Lemma 2.13 Sei an → ∞ eine komplexe Folge mit dist(r) → ∞ fu ¨r r → ∞. + + Dann existiert eine Funktion ϕ : R → R mit ϕ(r) → ∞ fu ¨r r → ∞ so, daß fu ¨r alle z ∈ C und j = k(z) gilt: |z − aj | ≥ ϕ(|z|). Beweis. Sei |z| = r und j ∈ N so, daß aj den zweitgeringsten Abstand von z hat. (Beachte: |ak(z) − z| = |aj − z| ist m¨oglich.) Wir nehmen zun¨achst |z − aj | < 2r an. Dies zeigt sofort |aj |, |ak(z) | ≥ 2r und damit |z − aj | ≥ 12 dist 2r . Sonst ergibt |aj − ak(z) | ≤ |z − aj | + |z − ak(z) | < 12 dist spruch. Es folgt |z − aj | ≥ min



r 1 , dist 2 2



r 2

 r 2

+ 12 dist

=: ϕ(r).

 r 2

= dist

 r 2

einen Wider✷

19

Satz 2.14 Fu ¨r jedes δ ∈ [0, 1) existieren ganze Funktionen f und g mit δ = ρ(f ) =  teilen. ρ(g) = ρ(f /g), die alle Grenzwerte in C Beweis. Wir setzen f (z) :=



1−

k=1

z ak



mit ak := 2k falls δ = 0 und ak := k 1/δ fu ¨r δ ∈ (0, 1). Diese Funktionen sind wohlbekannt und es folgt aus den grundlegenden Resultaten u ¨ber den Konvergenzexponenten und kanonischen Weierstraß-Produkten, daß ρ(f ) = δ fu ¨r δ ∈ [0, 1) (siehe [40]). Weiter w¨ahlen wir eine Folge bk mit |bk | = ak und |bk − ak | = εk → 0 mit einer positiven Folge εk , die wir sp¨ater festlegen. Wir setzen h(z) :=

∞ k=1



z 1− . bk

Es ergibt sich sofort, daß die Konvergenzexponenten von f und h u ¨bereinstimmen, also ρ(h) = δ. Fu ¨r große z gilt |f (z)| + |h(z)| ≤ exp(|z|). Auf den Kreisen |z − ak | = 12 (ak − ak−1 ) mit großen z und k gilt also |f (z)| exp(2ak ) ≤ exp(2ak ), ≤ 1 |z − ak | (a − ak−1 ) 2 k da 12 (ak − ak−1 ) → ∞. Nun ist f (z)/(z − ak ) holomorph auf |z − ak | ≤ 12 (ak − ak−1 ). Nach dem Maximumprinzip gilt also auf |z − ak | ≤ exp(−3ak ) die Absch¨atzung |f (z)| ≤ exp(−ak ). Dieselbe Ungleichung gilt fu ¨r h auf |z − bk | ≤ exp(−3ak ). Wir setzen εk := exp(−4ak ). Dann gilt |f (z)| ≤ exp(−ak ) und |h(z)| ≤ exp(−ak )

(7)

gleichzeitig auf |z − ck | < 12 exp(−3ak ), wobei ck := 12 (ak + bk ). Die Vereinigung dieser Kreisscheiben bezeichnen wir mit E, d.h., E := {z ∈ C | |z − ck |
0. Das Zalcman-Lemma liefert eine Folge von linearen Transformationen Tj → d ∈ Dr , so daß eine Teilfolge gj ◦ Mj ◦ Tj kompakt auf C gegen eine nicht-konstante meromorphe Funktion H konvergiert. Da fj ◦ Mj auf ganz C kompakt gegen F konvergiert, gilt fj ◦ Mj ◦ Tj → F (d) kompakt auf C. Seien a1, . . . , a5 die fu¨nf geteilten Grenzwerte. Da H nicht konstant ist, nimmt H einen der geteilten Grenzwerte an. O.B.d.A. sei H(z0 ) = a1 . Dann gilt also zj := Φj ◦ Mj ◦ Tj (z0 ) → ∞ und g(zj ) → a1 . Da a1 geteilter Grenzwert ist, gilt f (zj ) → a1 und damit F (d) = a1 . Es folgt f ◦ Φj ◦ Mj ◦ Tj (z) → a1 fu ¨r alle z ∈ C und damit wegen Φj ◦Mj ◦Tj (z) → ∞ auch g ◦Φj ◦Mj ◦Tj (z) → a1 , im Widerspruch zu H = const. Es konvergiert also eine Teilfolge gj ◦ Mj kompakt auf C gegen eine meromorphe Funktion G. Sei nun ai einer der fu ¨nf geteilten Grenzwerte von f und g und F (z0 ) = ai . Dann gilt zj := Φj ◦Mj (z0 ) → ∞ und f (zj ) → ai . Also auch g(zj ) → ai und damit G(z0 ) = ai . Ein Symmetrieargument zeigt, daß F und G die fu ¨nf geteilten Grenzwerte als Werte teilen. Da F nicht konstant ist, gilt nach dem Fu ¨nf-Werte-Satz von Nevanlinna  mit h¨ F = G. Nach dem Satz von Picard gibt es zu jedem a ∈ C ochstens zwei Ausa nahmen ein za ∈ C mit F (za ) = a und damit die Folge zj := Φj ◦ Mj (za ) → ∞ mit f (zja ) → a. Wegen F = G gilt dann auch g(zja ) → a. Da die Menge der vollst¨andig ungeteilten Grenzwerte offen ist (Proposition 2.6), gibt es auch zu den mo¨glichen zwei Ausnahmewerten entsprechende Folgen. ✷

27

Falls f und g ganz sind, so sind auch F und G ganz. Es folgt: Satz 2.21 Seien f und g zwei ganze transzendente Funktionen, die vier endliche  eine Folge z → ∞ mit f (z ) → a und Grenzwerte teilen, so gibt es zu jedem a ∈ C j j g(zj ) → a. Das obige Beweisverfahren gibt zu jedem Identit¨atssatz bzgl. des Werteteilens ohne Multiplizita¨ten (von mindestens drei Werten) eine entsprechende Aussage zum Grenzwerteteilen. Es gilt z.B. (siehe [36]):  meromorph und nicht-konstant. Teilen f und f  drei Satz 2.22 Es sei f : C → C endliche Werte, so gilt f = f  .

Daraus folgt:  transzendent und meromorph. Teilen f und f  drei Satz 2.23 Sei f : C → C  eine Folge z → ∞ mit f (z ) → a endliche Grenzwerte, so gibt es zu jedem a ∈ C j j  und f (zj ) → a.

Ein wichtiges technisches Hilfsmittel in den Beweisenist die Abbildung Φj . Sie ist ¨ die universelle Uberlagerung von D auf C \ {|z| ≤ |wj |}. Es u ¨berrascht nicht, daß Φj in gewissem Sinn extremal ist fu ¨r die scharfe Form des Landauschen Satzes von Hayman [20]. Wir werden im dritten Kapitel die Abbildung Φj noch einmal im Zusammenhang mit alternativen Beweisen von Satz 1.6, ii) und iii) benutzen.

2.6

Fortsetzbarkeit des Grenzwerteteilens

Wir verlangen nun, daß f und g alle Grenzwerte aus einer offenen Menge teilen.  teilen. Wir Wie sich zeigt, mu ¨ssen dann f und g bereits alle Grenzwerte aus C beschreiben kurz die Idee des Beweises in einem Spezialfall.  die offene geteilte Menge von Grenzwerten. O.B.d.A. sei Dc ⊂ M Sei also M ⊂ C r fu ¨r ein r > 0. Es bleibt zu zeigen, daß f und g alle Werte aus Dr teilen. Falls f −1 (Dr ) und g −1 (Dr ) nur aus Inseln bestehen (dies ist unsere spezielle Annahme), folgt aus dem Maximumprinzip, daß (f − g)(z) → 0 fu ¨r z → ∞ in diesen Inseln. −1 −1 Denn es gilt ∂f (Dr ) ⊂ f (∂ Dr ) und da ∂ Dr ⊂ M kompakt ist, gilt f − g → 0 auf ∂f −1 (Dr ). Symmetrie zeigt, daß f und g alle Grenzwerte aus Dr teilen. Das m¨ogliche Auftreten von Zungen bereitet einige Schwierigkeiten. Wir verfolgen jedoch im wesentlichen die obige Strategie, dazu ben¨otigen wir jedoch Aussagen, die als Ersatz fu ¨r das Maximumprinzip im Fall von unbeschr¨ankten Mengen dienen k¨onnen. In der Literatur sind solche Aussagen als universelle Phragm´en-Lindel¨of

28

S¨atze bekannt (siehe [13]). Der folgende Satz wurde von Newman [41] vermutet und von Fuchs [15] bewiesen. Satz 2.24 Sei G ein unbeschr¨anktes Gebiet und f holomorph auf G so, daß fu ¨r jeden endlichen Randpunkt w ∈ ∂G gilt lim sup |f (z)| ≤ 1.

z→w,z∈G

Weiter sei MG (r, f ) :=

sup z∈∂

Dr ∩G

|f (z)|.

Falls lim inf r→∞ MG (r, f )/r = 0, so gilt |f (z)| ≤ 1 fu ¨r alle z ∈ G. Das bemerkenswerte an diesem Satz ist, daß keinerlei topologische Anforderungen an das Gebiet G gestellt werden. Die Wachstumsbedingung gilt also universell. Weiter ben¨otigen wir eine allgemeine Version eines Satzes von Lindel¨of (siehe z.B. [11], S. 226), der besagt, daß z.B. in einem Winkelraum jede beschr¨ankte holomorphe Funktion, die auf dem Rand fu ¨r z → ∞ gegen 0 geht, auch im Inneren des Winkelraums gegen 0 konvergiert. Eine solche Aussage ergibt sich aus dem folgenden Satz von Sakai [49] (siehe auch [13]). Satz 2.25 (Sakai) Sei G ein unbeschra¨nktes Gebiet mit unbeschra¨nktem Rand und f auf G holomorph. Gilt fu ¨r jeden Randpunkt w ∈ ∂G mit w ∈ D bei Ann¨aherung in G \ D : lim sup |f (z)| ≤ 1 z→w

und gilt |f (z)| ≤ a|z|b in G \ D mit a, b > 0 geeignet, so folgt lim sup |f (z)| ≤ 1.

z→∞,z∈G

Korollar 2.26 Sei G ein unbeschr¨anktes Gebiet mit unbeschr¨anktem Rand und f auf G stetig und beschr¨ankt sowie holomorph in G. Konvergiert f auf dem Rand gegen 0, d.h., gilt lim f (z) = 0, z→∞ z∈∂G

so konvergiert f auch in G gegen 0: lim f (z) = 0.

z→∞ z∈G

29

Beweis. Fu ¨r alle ε > 0 existiert ein r > 0, so daß 1ε f (rz) auf 1r G die Bedingungen von Satz 2.25 erfu ¨llt, also lim supz→∞,z∈G |f (z)| ≤ ε. Mit ε → 0 folgt die Behauptung. ✷ Damit ko¨nnen wir den angestrebten Satz beweisen.  transzendente meromorphe Funktionen, die alle Satz 2.27 Seien f, g : C → C Grenzwerte aus einer offenen Menge teilen. Dann teilen f und g alle Grenzwerte . aus C

 die offene geteilte Menge und o.B.d.A. Dc ⊂ M . Wir Beweis. Es sei M ⊂ C r −1 betrachten f (Dr ). Nach den einleitenden Bemerkungen dieses Abschnitts reicht es, die unbeschr¨ankten Komponenten von f −1 (Dr ) zu untersuchen. Angenommen, es existiert eine Folge zn → ∞ mit f (zn ) → a ∈ Dr aber g(zn ) → a. Es gibt dann wie erw¨ahnt eine Teilfolge zn , die in den unbeschr¨ankten Komponenten von f −1 (Dr ) liegt. Sei Zn die Komponente in der zn liegt. Falls die Zn nach ∞ wandern, dann gilt lim (f − g)(z) = 0. z→∞ z∈∂f −1 (

Dr )

Weiter ist f − g auf f −1 (Dr ) asymptotisch beschr¨ankt. Denn sonst gibt es eine Folge wn → ∞ in f −1 (Dr ) mit g(wn ) → ∞ aber f (wn ) beschra¨nkt, was im Widerspruch dazu steht, daß f und g den Grenzwert ∞ teilen. Nach Satz 2.24 gilt lim max(f − g)(z) = 0,

n→∞ z∈Zn

was (f − g)(zn ) → 0 widerspricht. Also liegen fast alle zn in einer festen Zunge Z. Da lim (f − g)(z) = 0 z→∞ z∈∂Z

und f − g auf Z asymptotisch beschra¨nkt ist, gilt nach Korollar 2.26 lim (f − g)(z) = 0,

z→∞ z∈Z

im Widerspruch zu (f − g)(zn ) → 0. Symmetrie zeigt die Behauptung.

2.7



Eine Verallgemeinerung

Eine natu ¨rliche Verallgemeinerung des Grenzwerteteilens ist es, vorauszusetzen, daß  offen eine Funktion ϕ : M → C  existiert mit fu ¨r M ⊂ C f (zn ) → a ∈ M ⇐⇒ g(zn ) → ϕ(a) ∈ ϕ(M ).

30

Wir werden zeigen, daß dann ϕ notwendig eine schlichte Abbildung ist. Es besteht jedoch keine große Vielfalt bzgl. der wirklich auftretenden Funktionen ϕ. Wir beweisen, daß ϕ die Restriktion einer M¨obius-Transformation auf M ist und, daß sich  fortsetzt. das Grenzwerteverhalten von f und g in naheliegender Weise auf ganz C  transzendente meromorphe Funktionen, Lemma 2.28 Es seien f, g : C → C   M ⊂ C und ϕ : M → C so, daß fu ¨r alle Folgen zn → ∞ gilt:

f (zn ) → a ∈ M ⇒ g(zn ) → ϕ(a). Dann ist ϕ stetig. Beweis. Sei a ∈ M und ak eine Folge in M mit ak → a. O.B.d.A. nehmen wir a, ϕ(a), ak , ϕ(ak ) ∈ C an. W¨ahle eine Folge zn(k) → ∞ mit f (zn(k) ) → ak fu ) − ak | < k1 , ¨r n → ∞ und somit g(zn(k) ) → ϕ(ak ). Sei nun nk so, daß |f (zn(k) k )−ϕ(ak )| < k1 und |zn(k) | ≥ k. Dann gilt zn(k) → ∞ mit k → ∞ und f (zn(k) ) → a. |g(zn(k) k k k k (k) ✷ Also g(znk ) → ϕ(a) und somit auch ϕ(ak ) → ϕ(a). Bemerkenswert ist, daß nicht einmal die Stetigkeit von f und g benutzt wurde. Der vorausgegangene Beweis l¨aßt sich also unter viel allgemeineren Voraussetzungen durchfu ¨hren. Wir verzichten jedoch hier darauf. Weniger offensichtlich ist, daß ϕ meromorph sein muß.  Lemma 2.29 Unter den Voraussetzungen von Lemma 2.28 mit offenem M ⊂ C  meromorph. ist ϕ : M → C

Beweis. Sei a ∈ M . Ohne Einschr¨ankung nehmen wir a ∈ C, ϕ(a) ∈ C und ϕ = ∞ auf Dε (a) mit ε > 0 geeignet an. Der Fu ¨nf-Insel-Satz zeigt, daß, bis auf h¨ochstens vier Ausnahmepunkte, zu jedem a ∈ M (nach eventueller Verkleinerung von ε > 0) f unendlich viele schlichte Inseln u ¨ber Dε (a) besitzt. Seien In eine Folge schlichter −1 Inseln von f u ber D (a) und f : Dε(a) → In die entsprechenden Zweige der Um¨ ε n  mit F := g ◦f −1 . Nun ist g auf kehrfunktion von f . Wir betrachten Fn : Dε (a) → C n n  I := In asymptotisch beschr¨ankt. Sonst gibt es eine Folge zn ∈ I mit zn → ∞ und ¨ g(zn ) → ∞. Nach Ubergang zu einer Teilfolge k¨onnen wir f (zn ) → b ∈ Dε (a) annehmen. Es folgt ϕ(b) = limn→∞ g(zn ) = ∞ im Widerspruch zur Wahl von ε. Also ist Fn eine normale Folge und konvergiert punktweise gegen die stetige Funktion ϕ|Dε (a) . Nach dem Satz von Vitali konvergiert Fn kompakt. Also ist ϕ holomorph auf Dε (a). Die Stetigkeit von ϕ zeigt die Hebbarkeit der vier m¨oglichen Ausnahmepunkte. ✷

31  transzendente meromorphe Funktionen, M ⊂ C  Satz 2.30 Seien f, g : C → C  offen und ϕ : M → C derart, daß fu ¨r jede Folge zn → ∞ gilt:

f (zn ) → a ∈ M ⇐⇒ g(zn ) → ϕ(a) ∈ ϕ(M ). Dann l¨aßt sich ϕ zu einer M¨obius-Transformation fortsetzen und es gilt  ⇐⇒ g(z ) → ϕ(a) ∈ C , f (zn ) → a ∈ C n

d.h., ϕ ◦ f und g teilen alle Grenzwerte.

Beweis. O.B.d.A. sei Dc ⊂ M und ϕ(∞) = ∞, d.h., f und g teilen den Grenzwert  holomorph fortgesetzt werden kann. ∞. Wir zeigen zun¨achst, daß ϕ nach ganz C Angenommen die Potenzreihenentwicklung von ϕ um ∞ hat den Konvergenzkreis ∂ Dr mit 0 < r < 1. Sei a ∈ ∂ Dr . Wir w¨ahlen ε mit 0 < ε < r und betrachten die offenen Ringsektoren Uε (a) := {z ∈ C | r − ε < |z| < 2, | arg z − arg a| < ε}. Nach dem Fu ¨r ¨nf-Insel-Satz gibt es h¨ochstens vier Punkte a ∈ ∂ Dr derart, daß f fu alle ε > 0 nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ber Uε (a) besitzt. Sei a zun¨achst kein solcher Ausnahmepunkt. Dann gibt es eine Folge In schlichter Inseln u ¨ber Uε (a) mit ε > 0 geeignet. Es seien wieder fn−1 : Uε (a) → In die entsprechenden Zweige der Umkehrfunktion. Da f und g den Grenzwert ∞ teilen, zeigt man wieder, daß g auf f −1 (Uε (a)) asymptotisch beschra¨nkt ist. Damit ist die Folge Fn := g ◦ fn−1 normal auf Uε (a) und konvergiert auf dem in Dc gelegenen Teil von Uε (a) gegen ϕ. Nach dem Satz von Vitali konvergiert Fn auf ganz Uε (a) gegen die Fortsetzung von ϕ. Sei nun a ∈ ∂ Dr so, daß f u ¨ber allen Uε (a) nur endlich viele schlichte Inseln besitzt. Wir bezeichnen mit Vε,δ (a) die verbundenen Ringsektoren Vε,δ (a) := Uε (a) \ Uδ (a) mit δ < ε. Wir behaupten, daß ein ε > 0 existiert, so daß f fu ¨r alle δ ∈ (0, ε) unendlich viele schlichte Inseln u ¨ber Vε,δ (a) besitzt. Angenommen solch ein ε existiert nicht. W¨ahle zu ε1 > 0 ein δ1 > 0, so daß f u ¨ber Vε1 ,δ1 (a) nur endliche viele schlichte Inseln besitzt. Zu ε2 > 0 mit ε2 < δ1 w¨ahle δ2 , so daß f nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ber Vε2 ,δ2 (a) besitzt usw. Da die Vεk ,δk (a) Jordangebiete mit disjunkten Abschlu ¨ssen sind, bricht das Verfahren nach dem Fu ¨nf-Insel-Satz sp¨atestens nach drei Wiederholungen ab und wir erhalten einen Widerspruch. (Beachte: f besitzt nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ber jedem Uε (a).) Also existiert ε > 0, so daß f fu ¨r alle δ > 0 unendlich viele schlichte Inseln u ber V (a) besitzt. Wie oben zeigt man, ¨ ε,δ c daß ϕ fu ¨r alle δ mit ε > δ > 0 nach Dr ∪ Vε,δ (a) fortsetzbar ist. Nun zeigt δ → 0, daß a eine isolierte Singularit¨at fu ¨r ϕ ist. Da ∞ geteilter Grenzwert ist, ist g auf ∪0 0 fast alle Kreisscheiben aus (13) in den Kreisscheiben (16) enthalten sind. ✷ Singul¨are Folgen sind also gerade die m¨oglichen Mittelpunkte von filling disks.

38

Die Beziehung zwischen singul¨aren Folgen und Grenzwerteteilen kl¨art die folgende Aussage: Satz 2.39 Seien f und g tranzendente meromorphe Funktionen, die drei Grenzwerte teilen. Dann haben f und g dieselben singul¨aren Folgen. Beweis. Sei zj singula¨re Folge von f . Setze fu ¨r festes ε ∈ (0, 1) Φj (z) := ε · |zj | · z + zj und betrachte Φj auf D. Da ε < 1 gilt Φj (D) → ∞. Nach Lemma 2.38 besitzt fj = f ◦ Φj keine konvergente Teilfolge. Angenommen gj = g ◦ Φj besitzt eine konvergente Teilfolge gj . Nach Lemma 2.35 ist die entsprechende Teilfolge fj normal und besitzt daher eine konvergente Teilfolge, im Widerspruch zu Lemma 2.38. Also hat auch gj keine konvergente Teilfolge und mit Lemma 2.38 ist zj daher auch eine singul¨are Folge fu ✷ ¨r g. Symmetrie zeigt die Behauptung. Es ergeben sich folgende Aussagen. Dabei sind in Korollar 2.42 die Wachstumsabsch¨atzungen aus Abschnitt 2.2 zu benutzen. Korollar 2.40 Seien f und g transzendente meromorphe Funktionen, die drei Grenzwerte teilen. Dann haben f und g dieselben Milloux-Richtungen. Korollar 2.41 Seien f und g transzendente meromorphe Funktionen, die drei Grenzwerte teilen. Dann sind entweder f und g beide Juliasche Ausnahmefunktionen, oder f und g besitzen eine gemeinsame Milloux-Richtung. Korollar 2.42 Sei f eine transzendente meromorphe Funktion welche (15) genu ¨gt. Teilt f mit einer meromorphen Funktion g drei Grenzwerte, so genu ¨gt auch g (15) und f und g haben eine gemeinsame Milloux-Richtung. Korollar 2.43 Seien f und g transzendente ganze Funktionen, die zwei endliche Grenzwerte teilen. Dann haben f und g dieselben Milloux-Richtungen. Korollar 2.44 Seien f und g transzendente ganze Funktionen, die zwei endliche Grenzwerte teilen. Dann haben f und g eine gemeinsame Milloux-Richtung. Wir bemerken noch, daß in [55] gezeigt wurde, daß bereits die Existenz eines Valirondefekten Wertes hinreichend dafu ¨r ist, daß f keine Juliasche Ausnahmefunktion ist. Dies wurde fru ¨her in [3] fu ¨r Nevanlinna-defekte Werte gezeigt. Man kann also Satz

39

2.19, i) allgemeiner fu ¨r Funktionen mit einem Valiron-Defekt formulieren. Dies erlaubt offensichtliche Versionen der vorangegangenen Korollare fu ¨r solche Funktionen. Fu ¨r den Rest dieses Paragraphen verlassen wir das Grenzwerteteilen (mit Ausnahme von Satz 2.53) und betrachten wie angeku ¨ndigt die Klasse der Juliaschen Ausnahmefunktionen. Aus der obigen Diskussion ergibt sich:  meromorph. Folgende Aussagen sind ¨ Proposition 2.45 Es sei f : C → C aquivalent:

i) f ist eine Juliasche Ausnahmefunktion. ii) Es gilt f # (z) = O(1/|z|) in der ganzen Ebene. iii) f besitzt keine Folge von filling disks. iv) f besitzt keine Milloux-Richtung. v) Fu ¨r jede Folge σj → ∞ ist fj (z) := f (σj z) normal in

C \ {0}.

Der einzige Punkt, der nicht sofort aus dem bisher Bewiesenen folgt, ist v). Es ist ¨ Ostrowskis [43] urspru ¨ngliche Definition Juliascher Ausnahmefunktionen. Die Aquivalenz von ii) und v) l¨aßt sich jedoch leicht mit dem Marty-Kriterium nachweisen. Wir zitieren Ostrowskis Charakterisierung [43] Juliascher Ausnahmefunktionen:  meromorph. Dann ist f eine Juliasche Satz 2.46 (Ostrowski) Es sei f : C → C Ausnahmefunktion genau dann, wenn f der Quotient zweier ganzer Funktionen der Ordnung 0 ist:  ∞ z 1− an p n=0 f (z) = dz , ∞ z 1− bn n=0

(d = 0, p ∈ Z) wobei die Pole und Nullstellen folgenden Bedingungen genu ¨gen a) |n(r, f, 0) − n(r, f, ∞)| = O(1). b) |n(r, f, 0) − n(2r, f, 0)| = O(1) und |n(r, f, ∞) − n(2r, f, ∞)| = O(1). c) Setzt man



r |an | |an |≤r M(r) := rp r , |b | |bn |≤r n

40 so gibt es eine von k unabh¨angige Konstante C1 > 0 mit M(|ak |) ≤ C1 und M(|bk |) ≥ 1/C1 fu ¨r alle k. d) Es gibt eine von k und l unabha¨ngige Konstante C2 > 0, so daß   ak  

bl

 

− 1 ≥ C2

fu ¨r alle k und l.

Vielfach wird in der Literatur fu ¨r ein Beispiel einer meromorphen Funktion ohne Julia-Richtung auf Ostrowski verwiesen. Uns ist jedoch keine Referenz bekannt, wo dieses Beispiel explizit benannt wird (etwa mittels einer Seitenangabe) oder gar ein vollst¨andiger Nachweis fu ¨r die nicht-Existenz einer Julia-Richtung fu ¨r diese Funktion gefu ¨hrt wird. Ostrowskis Arbeit ist recht umfangreich, jedoch ist wohl der einzig mo¨gliche Kandidat das Beispiel auf Seite 258: ∞





z 1− n q   f (z) = n=0 ∞ z 1+ n q n=0

(17)

mit q > 1. Unseres Erachtens weist Ostrowski mit Satz 2.46 jedoch nur nach, daß f eine Juliasche Ausnahmefunktion ist. (Dieser Nachweis findet sich auch bei Montel [34], S. 159.) Diese Unklarheiten ru ¨hren vielleicht daher, daß Ostrowskis Definition von Julia-Richtungen mit unseren Milloux-Richtungen zusammenf¨allt. Wir wollen im folgenden einen vollst¨andigen Beweis dafu ¨r geben, daß f tats¨achlich keine Julia-Richtungen hat. (J. Rossi hat mir einen alternativen Beweis mitgeteilt. Dieser beruht auf Valirons Integraldarstellung fu ¨r Weierstraßprodukte mit negativen Nullstellen und einem Maximumprinzip fu ¨r subharmonische Funktionen. Wir werden jedoch durch meine Sichtweise, wie ich finde, auf interessante Probleme gefu ¨hrt.) Da f eine Juliasche Ausnahmefunktion ist, kann eine Julia-Richtung von f keine Milloux-Richtung sein. Wir beweisen dazu das folgende notwendige Kriterium:  meromorph und J eine Julia-Richtung von f . Ist J keine Satz 2.47 Sei f : C → C . Milloux-Richtung, so liegt f (J) dicht in C

 . Dann existiert eine sph¨ arische Beweis. Angenommen f (J) ist nicht dicht in C Kreischeibe D mit Radius δ, so daß D ∩ f (J) = ∅. Weiter existiert ein Sektor Jε um J so, daß f # (z) < K/|z| auf Jε . Sonst gibt es eine Folge zj → ∞ mit arg zj → arg J und |zj |f # (zj ) → ∞. Damit w¨are J eine Milloux-Richtung. Wir w¨ahlen µ > 0 mit

41 µ < ε und µ < δ/(4K). Sei z ∈ Jµ und z0 ∈ J mit |z| = |z0 |. Die sph¨arische Distanz von f (z) und f (z0 ) kann abgesch¨atzt werden durch d(f (z), f (z0 )) ≤

 arg J+µ arg J−µ

f # (|z0 |eiϕ )|z0 |dϕ ≤ 2µK < δ/2.

Also ist der sph¨arische Abstand jedes Punktes in f (Jµ ) von f (J) geringer als δ/2. Da f (J) nicht D schneidet, folgt, daß f (Jµ ) die konzentrische Kreisscheibe in D mit Radius δ/2 nicht trifft. Dies widerspricht der Annahme, daß J eine Julia-Richtung ist. ✷  kann tats¨ Der Fall f (J) = C achlich auftreten, wie das in [60] gegebene Beispiel zeigt. Die dort konstruierte Julia-Richtung kann keine Milloux-Richtung sein, da die Funktion eine Juliasche Ausnahmefunktion ist. Zu bemerken ist, daß f (J) grundsa¨tzlich von erster Bairescher Kategorie ist, da f ([neiϕ , (n + 1)eiϕ ]) nirgends dicht ist fu ¨r alle n ∈ N0 .

Wir erhalten sofort eine Folgerung. Korollar 2.48 Es sei f eine transzendente meromorphe Funktion und J eine JuliaRichtung von f . Ist f auf J beschr¨ankt, so ist J eine Milloux-Richtung. Dies ist z.B. fu ¨r die Exponentialfunktion auf der imagin¨aren Achse der Fall.  . Wir bezeichnen mit a die Sei nun f eine Juliasche Ausnahmefunktion und a ∈ C n Urbilder von a geordnet so, daß |an | monoton w¨achst. Zu bemerken ist, daß Juliasche Ausnahmefunktionen keine Picardschen Ausnahmewerte haben k¨onnen, wie aus Satz 2.46 leicht folgt. Dies kann aber auch folgendermaßen begru ¨ndet werden: Da ein Picardscher Ausnahmewert nach dem Satz von Iversen (siehe Abschnitt 3.3) ein asymptotischer Wert ist, funktioniert Julias [22] Argumentation zum Nachweis einer Milloux-Richtung. In [60] wurde mit Ostrowskis Satz gezeigt, daß entweder

lim sup

|an+1 | 1 mit |an | ≤ K|an+1 | und |bn | ≤ K|bn+1 | fu ¨r alle n. (Fu ¨r f aus (17) kann man offensichtlich K = q setzen.) Fu ¨r festes k ∈ N besitzt dann fj fu ¨r j > j0 in dem Ring k−1 k {z ∈ C | K ≤ |z| ≤ K } eine Nullstelle und einen Pol. Damit hat f0 fu ¨r alle k ∈ N in {z | K k−1 ≤ |z| ≤ K k } eine Nullstelle und einen Pol, ist also transzendent. ✷ Damit k¨onnen wir folgende Aussage beweisen. Satz 2.50 Sei f ∈ F. Dann ist J eine Julia-Richtung von f genau dann, wenn  . Eine Julia-Richtung von f hat keine Ausnahmewerte, d.h., jeder Wert f (J) = C  wird unendlich oft angenommen in C

 . Ist f (J) Beweis. Falls J eine Julia-Richtung ist, so folgt aus Satz 2.47 f (J) = C  , so w¨  eine Folge σ → ∞ auf J, so daß f (σ ) → a. Wir dicht in C ahlen wir zu a ∈ C j j betrachten eine konvergente Teilfolge fj (z) := f (σj z) mit fj → F . Dann ist F nach dem vorangegangenen Beweis nicht-konstant und F (1) = a. Der Satz von Hurwitz zeigt die Existenz einer Folge wj → 1 mit fj (wj ) = f (σj wj ) = a. Aus σj wj → ∞ und arg(σj wj ) → arg J folgt, daß J eine Julia-Richtung ohne Ausnahmewerte ist. ✷

Damit ist klar, daß f aus (17) keine Julia-Richtung besitzt. Da n¨amlich alle Nullstellen auf der positiven reellen Achse liegen und alle Pole auf der negativen Achse sind, gibt es zu jedem Strahl J einen Winkelraum um J in dem f keine Nullstellen oder keine Pole hat. Eine Julia Richtung ha¨tte also einen Ausnahmewert, was Satz 2.49 widerspricht. Wir bemerken noch, daß f aus (17) das extremale Wachstum T (r, f ) ∼ (log r)2 besitzt. Man zeigt leicht n(r, f, 0) ≥ C log r und damit T (r, f ) ≥ N (r, f, 0) + O(1) ≥ C (log r)2 + O(1). 2

43

¨ Beispiel 2.51 Es ist u von q in (17) ¨berraschend, daß eine geringfu ¨gige Anderung dazu fu ¨hrt, daß jeder Strahl fu ¨r f eine Julia-Richtung ist. Dies ist der Fall, wenn man q ∈ C w¨ahlt mit |q| > 1 und arg q irrational. Wie man an Ostrowskis Satz 2.46 leicht u ¨berpru ¨ft, ist f dann wieder eine Juliasche Ausnahmefunktion und offensichtlich f ∈ F. Wir erhalten somit ein Beispiel einer Juliaschen Ausnahmefunktion mit Julia-Richtungen, daß einfacher ist als das in [60] konstruierte. Zun¨achst weist man fu ¨r f leicht die folgende Funktionalgleichung nach: 1 − qz f (qz) = · f (z) 1 + qz und damit f (q 2 z) =

1 − q 2 z 1 − qz · · f (z). 1 + q 2 z 1 + qz

(19)

Wir setzen

1 − q 2 z 1 − qz · . 1 + q 2 z 1 + qz Offensichtlich gilt r(∞) = 1. Etwas Rechnung liefert fu ¨r |z| > 2: r(z) :=

|r(z) − 1| ≤

4 1 · . |q| |z|

(20)

Mit (19) und (20) erhalten wir fu ¨r |z| > 2: |f (q 2 z) − f (z)| ≤ 

Division durch



4 |f (z)| · . q |z|

1 + |f (z)|2 1 + |f (q 2 z)|2 liefert sofort: χ(f (q 2 z), f (z)) ≤

4 1 · . |q| |z|

(21)

 und ε > 0. Da f keinen Picardschen Ausnahmewert besitzt, gibt Es sei nun a ∈ C es ein z0 ∈ C mit f (z0 ) = a, |z0 | > 2 und 



1 1 ε |q| − . < |z0 | 8 |q| Wir setzen zn := q 2n z0 . Dann gilt fu ¨r alle n ∈ N0 : χ(a, f (zn ))

= =

χ(f (z0 ), f (zn )) ≤ ∞  n=0

(21)



∞ 

χ(f (zn ), f (zn+1 ))

n=0

χ(f (zn ), f (q 2 zn ))

∞  4 1 ε 4 1 1 = · · · 1 < . 2n |q| · |z0 | n=0 |q| |z0 | |q| 1 − |q|2 2

44

Da arg q irrational ist, ist auch arg q 2 irrational. Damit liegt die Folge arg q 2n z0 = arg zn dicht in [0, 2π]. Ist J nun ein beliebiger Strahl von 0 nach ∞, so gibt es ein zn mit | arg J − arg zn | < ε/(2K). Dabei ist K wieder eine Konstante mit f # (z) ≤ K/|z|. W¨ahlt man nun z ∈ J mit |z| = |zn |, so folgt   arg J 

d(f (z), f (zn )) ≤  ≤

arg zn

 

f # (|z|eiϕ )|z|dϕ

  arg J    K  |z|dϕ  | arg zn |z

ε < . 2

 und ε > 0 ein z ∈ J mit χ(a, f (z)) ≤ Insgesamt gibt es also fu ¨r alle a ∈ C  und somit J nach Satz 2.49 χ(a, f (zn )) + d(zn , f (z)) < ε. Daher ist f (J) dicht in C eine Julia-Richtung von f .  liegt, Eine Frage die sich stellt ist, ob, falls f (J) mit einem Strahl J dicht in C J grundsa¨tzlich eine Julia-Richtung ist. Mittels elementarer konformer Abbildung eines Winkelraums um J stellt sich die Frage, ob es eine in D meromorphe Funktion F gibt, die drei Werte ausl¨aßt und einen Plessner-Punkt besitzt. Ein PlessnerPunkt ist ein z0 ∈ ∂ D, so daß das Bild jedes Stolz-Winkelraums mit Spitze z0 unter  liegt (siehe [10], S. 147). J geht bei geeigneter konformer Abbildung im F dicht in C wesentlichen in den Radius [0, 1) u ¨ber, so daß F ([0, 1)) dicht liegt. Umgekehrt zeigt man mit einem Argument ¨ahnlich wie im Beweis von Satz 2.47, daß, falls F drei Punkte ausl¨aßt und z0 ein Plessner-Punkt von F ist, das Bild des Radius [0, z0 ) schon  liegen muß. Nun ist bekannt, daß die elliptische Modulfunktion µ Plessnerdicht in C Punkte besitzt. Die Menge der nicht-Plessner-Punkte ist sogar eine Nullmenge. Wir verweisen auf [17]. Jedoch l¨aßt µ drei Werte aus. Dies zeigt, daß eine rein lokale Argumentation nicht genu ¨gt bzw. den Eindruck vermittelt, daß es m¨oglich ist, daß f (J) dicht liegt, aber J keine Julia-Richtung ist. Wir beweisen hier  meromorph und J ein Strahl mit f (J) = C  . Gilt Proposition 2.52 Sei f : C → C

lim inf |z|f # (z) > 0,

z→∞,z∈J

so ist J eine Julia-Richtung von f . Ist J keine Milloux-Richtung, so nimmt f sogar  in jedem Winkelraum um J unendlich oft an. jeden Wert a ∈ C Beweis. Falls J eine Milloux-Richtung ist, ist nichts zu beweisen. Angenommen, J ist keine Milloux-Richtung. Wie im Beweis von Satz 2.47 bereits erl¨autert, gibt es dann einen Winkelraum Jε um J mit f # (z) ≤ K/|z| auf Jε . Sei 0 < δ ≤ ε ≤ π/2  . Da f (J) dicht in C  liegt, gibt es eine Folge z ∈ J mit z → ∞ und und a ∈ C j j f (zj ) → a. Nach Voraussetzung existiert ein c > 0 mit |zj |f # (zj ) > c fu ¨r j > j0 .

45 Wir betrachten nun fu ¨r |z| < 1 die Folge fj (z) := f (sin(δ)|zj | · z + zj ). Dann gilt fj (0) = f (zj ) → a und fj# (z) = sin(δ)|zj |f # (sin(δ)|zj |z + zj ) ≤ sin(δ)|zj |

K

| sin(δ)|zj |z + zj |

< K

wegen sin δ < 1. Nach dem Marty-Kriterium ist fj normal. Es existiert also eine konvergente Teilfolge fj → F mit F meromorph in |z| < 1. Weiter gilt F (0) = lim fj (0) = a j→∞

und F # (0) = lim fj# (0) = lim sin(δ)|zj |f # (zj ) ≥ sin δ · c > 0. j→∞

j→∞

Also ist F nicht konstant. Nach dem Satz von Hurwitz nehmen unendlich viele fj den Wert a an, d.h., f nimmt den Wert a unendlich oft in Jδ an. ✷ Die Klasse F hat auch bezu ¨glich des Grenzwerteteilens interessante Eigenschaften. Teilen na¨mlich f, g ∈ F fu nf ¨ Grenzwerte, so teilen sie schon alle Grenzwerte. Es gilt also in der Klasse F das bestm¨ogliche Analogon zum Fu ¨nf-Werte-Satz von Nevanlinna. Satz 2.53 Seien f, g ∈ F meromorphe Funktionen, die fu ¨nf Grenzwerte teilen. Dann teilen f und g alle Grenzwerte. Beweis. Angenommen, f und g teilen nicht alle Grenzwerte. Dann gibt es eine Folge zj → ∞ mit f (zj ) → a und g(zj ) → b mit a = b. Die Folgen fj (z) := f (zj z) ¨ und gj (z) := g(zj z) sind nach Proposition 2.45 normal in C \ {0}. Nach Ubergang zu einer Teilfolge k¨onnen wir fj → F und gj → G annehmen. Die vor Satz 2.49 erwa¨hnten Ergebnisse in [60] zeigen, daß F und G transzendent sind. Weiter gilt F (1) = lim f (zj ) = a und G(1) = lim g(zj ) = b. Andererseits teilen F und G die fu ¨nf Grenzwerte als Werte. Denn falls F (w) = a1 mit einem geteilten Grenzwert a1 , so folgt f (zj w) → a1 . Damit gilt g(zj w) → a1 und somit G(w) = a1 . Nun gilt der Fu ¨nf-Werte-Satz schon lokal (siehe [38], Satz 2), d.h., die betrachteten Funktionen mu ¨ssen nur fu ¨r |z| > r definiert sein. Dies ist fu ¨r F und G mit r = 0 der Fall und es folgt F = G. Dies widerspricht F (1) = G(1). ✷

46

Wie wir gesehen haben, besitzen, abgesehen von Juliaschen Ausnahmefunktionen, alle transzendenten meromorphen Funktionen eine Folge von filling disks. Aus den entsprechenden Normalit¨atskriterien folgt, daß praktisch alle nicht-quantitativen Aussagen der Werteverteilungstheorie schon in den filling disks gelten. Man kann sich fragen, ob etwas a¨hnliches fu ¨r Juliasche Ausnahmefunktionen auf gro¨ßeren Mengen gilt. Wir beweisen dazu: Satz 2.54 Sei f eine transzendente Juliasche Ausnahmefunktion. Dann gibt es Fol mit ho gen rj → ∞ und εj → 0, so daß f jeden Wert in C ¨chstens zwei Ausnahmen unendlich oft in jeder Teilfolge der Ringgebiete: Rj := {z ∈ C | rj

1−εj

1+εj

< |z| < rj

}

annimmt. Beweis. Nach Satz 2.19, ii) gibt es eine Folge zj → ∞ mit f # (zj ) ≥ (3|zj |)−1 . Wir betrachten wie im Beweis zu Satz 2.20: Φj (z) := zj |zj |z/(1−z)  . Dann gilt wieder und fj := f ◦ Φj : D → C

Mj := fj# (0) ≥

1 · log |zj | → ∞. 3



Wir setzen δj := 1/ Mj → 0 und Fj (z) := fj (δj z) fu ¨r z ∈ δj fj# (0) =



D.

Es folgt Fj# (0) =

Mj → ∞. Also besitzt Fj keine konvergente Teilfolge. Der Satz

 mit h¨ von Montel zeigt, daß jede Teilfolge von Fj jeden Wert in C ochstens zwei Ausnahmen unendlich oft annimmt. Man u ¨berpru ¨ft leicht fu ¨r z ∈ D

δj δj 1− 1+ 1 + δj ≤ |Φ (δ z)| ≤ |z | 1 − δj . |zj | j j j Setzt man rj := |zj | und εj := 2δj , so folgt die Behauptung.



Geht man im obigen Beweis etwas genauer vor, so sieht man, daß εj = c(log rj )−α mit α ∈ (0, 1) und c > 0 gew¨ahlt werden kann.

Kapitel 3 Weiteres zur Ahlforsschen Theorie 3.1

Defekte rationale Funktionen

Im ersten Abschnitt dieser Arbeit haben wir Nevanlinnas zweiten Hauptsatz zitiert. Er gibt eine Absch¨atzung fu ¨r die charakterisitische Funktion T (r, f ) gegen die An: zahlfunktionen der Nullstellen von Funktionen der Form f − ak mit ak ∈ C (q − 2)T (r, f ) ≤

q 

− N (r, f − ak , 0) + S(r, f ).

(22)

k=1

Es ist naheliegend zu untersuchen, inwieweit sich die ak durch allgemeinere meromorphe Funktionen ersetzen lassen, ohne daß (22) seine Gu ¨ltigkeit verliert. Dabei ist es natu ¨rlich n¨otig, die Klasse der zul¨assigen Funktionen ak zu beschr¨anken. Eine Funktionenklasse in Abh¨angigkeit von f , die sich in vielerlei Hinsicht als interessant erwiesen hat, sind die sogenannten kleinen Funktionen (zu f ). Dabei ist a eine kleine Funktion, falls T (r, a) = o(T (r, f )). Ist f transzendent, so ist insbesondere jede rationale Funktion a eine kleine Funktion, da T (r, a) = O(log r). Schon Nevanlinna ([39], S. 75) hat (22) in folgender Weise verallgemeinert: Satz 3.1 (Nevanlinna) Seien f transzendent und meromorph und a1 , a2 , a3 paarweise verschiedene kleine meromorphe Funktionen zu f . Dann gilt − − − T (r, f ) ≤ N (r, f − a1 , 0) + N (r, f − a2 , 0) + N (r, f − a3 , 0) + S(r, f ).

47

(23)

48

Nevanlinna fu ¨hrt (23) mit Hilfe einer M¨obius-Transformation auf (22) zuru ¨ck. Fu ¨r q > 3 ergeben sich jedoch schwierige Probleme. Einen gewissen Abschluß fanden die Untersuchungen zu diesem Thema im folgenden Satz von Steinmetz [53]. Satz 3.2 (Steinmetz) Seien f meromorph und transzendent und a1 , . . . , aq paarweise verschiedene kleine Funktionen zu f . Dann gibt es zu jedem ε > 0 ein S(r, f ), so daß (q − 2 − ε)T (r, f ) ≤

q 

N (r, f − ak , 0) + S(r, f ).

(24)

k=1

Einen unabh¨angigen Beweis hat Osgood [42] gegeben und fu ¨r rationale Funktionen ak wurde (24) fru ¨her von Frank und Weissenborn [14] bewiesen. Eine recht ausfu ¨hrliche Darstellung findet man in [31]. Die Ungleichung (24) von Steinmetz unterscheidet sich jedoch insofern von (22) − und (23), als in (24) N statt N verwendet wird. Dieser Umstand ist nicht zu − untersch¨atzen, da viele Beweise wesentlich auf der Betrachtung von N beruhen, z.B. Sa¨tze u ¨ber geteilte Werte und u ¨ber verzweigte Werte. Es ist jedoch ein offenes − Problem ob (24) mit N statt N gilt. Wir wollen nun eine Version von (22) beweisen, − die viel weniger allgemein als (24) ist, wo aber ohne jede Einschr¨ankung N statt N verwendet werden kann. Satz 3.3 Seien f eine transzendente meromorphe Funktion und a1 , . . . , aq rationale Funktionen mit paarweise verschiedenen Werten in ∞. Dann gilt (q − 2)T (r, f ) ≤

q 

− N (r, f − ak , 0) + S(r, f ).

k=1

Beweis. Sei αk := ak (∞). O.B.d.A. ko¨nnen wir annehmen, daß alle αk endlich sind, sonst betrachten wir 1/(f − c) und 1/(ak − c) mit geeigentem c ∈ C. Wir w¨ahlen offene Kreisscheiben Dk := Dr (αk ) mit r > 0 so, daß die Dk disjunkte Abschlu ¨sse haben. Gem¨aß Satz 1.2 gilt (q − 2)A(r, f ) ≤

q 

n(r, f, Dk ) + O(L(r, f )).

(25)

k=1

Wir zeigen nun, daß, bis auf endlich viele, jede Insel von f u ¨ber Dk eine Nullstelle von f − ak entha¨lt. Auf den R¨andern der Inseln von f u ¨ber Dk gilt |f − αk | = r. Da ak (∞) = αk , existiert ein Rk > 0, so daß |ak (z) − αk | < r/2 fu ¨r alle z mit |z| > Rk . Nun liegen

49 alle, bis auf endlich viele, Inseln von f u ¨ber Dk außerhalb von |z| ≤ Rk . Es gilt auf den R¨andern |f − αk − (f − ak )| = |ak − αk | < r/2 < |f − αk |. Da jede Insel I von f u ¨ber Dk eine αk -Stelle von f enth¨alt, besitzt nach dem Satz von Rouch´e f − ak eine Nullstelle in I. Wir haben gezeigt: n(r, f, Dk ) ≤ n(r, f − ak , 0) + O(1). Setzt man dies in (25) ein und integriert logarithmisch, so folgt die Behauptung. ✷ Es ist naheliegend die folgende Gr¨oße zu betrachten: 

 − N (r, f − a, 0)  inf 1 − ΘN (f, a) := lim r→∞ T (r, f )

fu ¨r kleine Funktionen a. Satz 3.3 zeigt sofort folgende Verallgemeinerung der Defekt-Relation. Korollar 3.4 Seien f eine transzendente meromorphe Funktion und Ra eine Fa . Dann gilt milie rationaler Funktionen mit Ra (∞) = a, a ∈ C 

C

ΘN (f, Ra ) ≤ 2.

a∈ 

Daraus ergibt sich sofort Korollar 3.5 Sei f eine transzendente meromorphe Funktion. Die Menge aller  , so daß eine rationale Funktion R mit R (∞) = a und Θ (f, R ) > 0 exia∈C a a N a stiert, ist ho¨chstens abza¨hlbar. : Wir setzen fu ¨r a ∈ C 

 − N (r, f, D (a)) ε  ΘA (f, a, ε) := lim inf 1 − r→∞ T (r, f )

und ΘA (f, a) := lim ΘA (f, a, ε). ε→0

50

Satz 1.3 zeigt

  a∈C

ΘA (f, a) ≤ 2.

Man k¨onnte ΘA als Ahlforsschen Defekt bezeichnen.  mit Θ (f, a) = Satz 3.6 Seien f eine transzendente meromorphe Funktion und a ∈ C A 0. Dann gilt ΘN (f, Ra ) = 0 fu ¨r alle rationalen Funktionen Ra mit Ra (∞) = a.

Beweis. Wie im Beweis von Satz 3.3 zeigt man n(r, f, Dε (a)) ≤ n(r, f − Ra , 0) + O(1). Daraus folgt dann 

 − , 0) N (r, f − R a  inf 1 − ΘN (r, f − Ra , 0) = lim r→∞ T (r, f )   − (a)) N (r, f, D ε  ≤ lim inf 1 − r→∞ T (r, f )

= ΘA (f, a, ε). Also ΘN (r, f − Ra , 0) ≤ limε→0 ΘA (f, a, ε) = 0.



Korollar 3.7 Sei f eine transzendente meromorphe Funktion mit   a∈C

ΘA (f, a) = 0,

dann hat f keine defekte rationale Funktion. Man sagt, f und g teilen die Funktion a, falls die Gleichungen f = a und g = a dieselben Lo¨sungen haben. Wie bereits erwa¨hnt, folgt aus dem Teilen von fu ¨nf Konstanten bereits f = g. Es ist bekannt, daß zwei nicht-konstante meromorphe Funktionen, die sieben kleine Funktionen teilen, identisch sind [54]. Fu ¨r ganze Funktionen reichen schon vier geteilte kleine Funktionen, um f = g zu folgern [30]. Satz 3.3 zeigt: Satz 3.8 Seien f, g transzendente meromorphe Funktionen, die fu ¨nf rationale Funktionen mit paarweise verschiedenen Werten in ∞ teilen. Dann gilt f = g. Beweis. Es seien a1 , . . . , a5 die geteilten rationalen Funktionen. Da rationale Funktionen nur endliche viele Pole haben, stimmen die L¨osungen von f = ai und g = ai ,

51 i = 1, . . . , 5, bis auf endlich viele, mit den Nullstellen von f − ai und g − ai u ¨berein. − Angenommen f − g ist nicht konstant, dann gilt N (r, f − g, 0) ≤ T (r, f − g) + O(1) und daher nach Satz 1.4 3(T (r, f ) + T (r, g)) ≤

5 

− − (N (r, f − ak , 0) + N (r, g − ak , 0) + S(r, f ) + S(r, g)

k=1

− ≤ 2N (r, f − g) + S(r, f ) + S(r, g) ≤ 2(T (r, f ) + T (r, g)) + S(r, f ) + S(r, g), was den Widerspruch T (r, f ) + T (r, g) ≤ S(r, f ) + S(r, g) ergibt.



Weiter l¨aßt sich Satz 1.5 auf unsere Situation verallgemeinern. Dabei bezeichnen wir mit N1) die Anzahlfunktion einfacher Nullstellen. Satz 3.9 Seien f eine transzendente meromorphe Funktion und a1 , . . . , aq rationale Funktionen mit paarweise verschiedenen Werten in ∞. Dann gilt (q − 4)T (r, f ) ≤

q 

N1) (r, f − ak , 0) + S(r, f ).

k=1

Beweis. Der Beweis verl¨auft analog zum Beweis von Satz 3.3. Statt Satz 1.2 benutzen wir jedoch Satz 1.5. Die Nullstellen, die man aus dem Satz von Rouch´e gewinnt, sind in schlichten Inseln einfach. ✷  mindestens eine der Aus Satz 1.4 folgt sofort, daß zu fu ¨nf vorgegebenen ai ∈ C Gleichungen f = ai unendlich viele einfache L¨osungen haben muß. Mit Satz 3.9 l¨aßt sich dies verallgemeinern:

Korollar 3.10 Seien f eine transzendente meromorphe Funktion und Ra eine Fa . Bis auf vier m¨ milie von rationalen Funktionen mit Ra (∞) = a, a ∈ C ogliche Ausnahmen besitzt jede Gleichung f = Ra unendlich viele einfache L¨osungen. Beweis. Angenommen dies gilt nicht, dann gibt es R1 , . . . , R5 mit N1) (r, f −Rk , 0) = O(log r) und somit T (r, f ) ≤ O(log r) + S(r, f ). Widerspruch. ✷

52

3.2

Nullstellen von zusammengesetzten meromorphen Funktionen

In [47] und [48] wurden von Rosenbloom die Fixpunkte von f ◦g mit ganzen Funktionen f und g betrachtet. Eines von Rosenblooms Resultaten ist, daß, falls f transzendent ist, f ◦ f unendlich viele Fixpunkte besitzt (siehe dazu auch [4]). Dieser Satz ist in vielf¨altiger Weise verallgemeinert worden in dem Sinne, die Anzahlfunktion − N (r, f ◦ g − h, 0) nach unten abzusch¨atzen. Dabei ist f meromorph, g ganz und h eine kleine meromorphe Funktion zu g, d.h., T (r, h) = o(T (r, g)). Unseres Wissens ist das Problem in vollster Allgemeinheit bisher nicht gelo¨st. Zumeist werden spezielle Voraussetzungen, etwa bzgl. des Wachstums von f und g, gemacht (siehe z.B. [59] und [57]). In [57] findet man viele Literaturhinweise und eine Einfu ¨hrung in diese Fragestellung. Wir werden hier einen Satz von Bergweiler [7] verbessern: Satz 3.11 (Bergweiler) Sei f meromorph mit mindestens zwei Polen, g ganz transzendent und R rational mit R(∞) = ∞. Dann hat f ◦ g − R unendlich viele Nullstellen und es gilt σ ≥ ρ(g). Dabei ist σ der Konvergenzexponent dieser Nullstellen und ρ(g) die Ordnung von g. Bergweiler bemerkt, daß σ ≥ ρ(g) wahrscheinlich nicht bestm¨oglich ist. Wir werden dies mit Hilfe der Ahlforsschen Theorie besta¨tigen. Satz 3.12 Sei f meromorph mit q ≥ 2 Polen, g ganz transzendent und R rational mit R(∞) = ∞. Dann gilt − N (r, f ◦ g − R, 0) ≥ (q − 1)T (r, g) + S(r, g).  | |z| > 1/ε} eine Umgebung von ∞. Wir Beweis. Zu ε > 0 sei Dε := {z ∈ C −1 betrachten f (Dε ) und behaupten, daß ε so gew¨ahlt werden kann, daß f −1 (Dε ) mindestens q beschr¨ankte, einfach zusammenh¨angende Komponenten I1 , . . . , Iq mit analytischen R¨andern und disjunkten Abschlu ¨ssen enth¨alt. Es seien z1 , . . . , zq Pole von f . Wir w¨ahlen Kreise K1 , . . . , Kq um diese Pole: Kj := Dδ (zj ). Dabei sei δ so gew¨ahlt, daß die Kj paarweise disjunkte Abschlu ¨sse haben und ∂Kj keinen Pol von f entha¨lt. Sei Ijε die Komponente von f −1 (Dε ) die zj entha¨lt. Angenommen, ε es gibt eine Folge εk → 0, so daß Ijεk ∩ ∂Kj = ∅. Fu ¨r z ∈ Ij k gilt |f (z)| > 1/εk . Dann existiert also zk ∈ ∂Kj mit |f (zk )| > 1/εk . Da ∂Kj kompakt ist, k¨onnen wir zk → z0 ∈ ∂Kj annehmen. Wegen limk→∞ |f (zk )| > limk→∞ 1/εk = ∞ ist z0 ein Pol, im Widerspruch zur Wahl von δ. Also gibt es ein ε0 > 0 so, daß fu ¨r alle 0 < ε < ε0

53 gilt: Ijε ∩ ∂Kj = ∅. Damit sind fu ¨r 0 < ε < ε0 die Komponenten Ijε in den Kj enthalten und sind daher beschr¨ankt und haben disjunkte Abschlu ¨sse. Angenommen es gibt eine Folge εk → 0, so daß Ijεk nicht einfach zusammenh¨angend ist. Sei S das Komplement von Ijεk in C. Dann l¨aßt sich S zerlegen: S = A1 ∪A2 mit A1 , A2 nicht-leer, abgeschlossen, disjunkt und A1 kompakt. Dann ist G := Ijεk ∪ A1 offen, da das Komplement A2 abgeschlossen ist. Weiter gilt ∂G = ∂Ijεk . Denn sonst existiert z ∈ A1 mit z ∈ ∂G. Da ∂G = ∂A2 gilt dann z ∈ ∂A2 ⊂ A2 im Widerspruch dazu, daß A1 und A2 disjunkt sind. Angenommen f hat keine Nullstelle in G. Dann ist 1/f holomorph auf G mit |1/f | ≤ εk auf ∂G. In den inneren Punkten z ∈ A1 gilt jedoch |1/f (z)| ≥ εk . Damit w¨are f konstant. Also besitzt f eine Nullstelle in G. Wegen Kjc ⊂ A2 gilt G ⊂ Kj und somit hat f eine Nullstelle in Kj . Nun zeigt δ → 0, daß zj H¨aufungspunkt von Nullstellen von f ist, im Widerspruch dazu, daß zj ein Pol von f ist. Insgesamt gibt es also ein ε1 > 0 so, daß fu ¨r 0 < ε < ε1 die Komponenten I1ε , . . . , Iqε beschra¨nkt und einfach zusammenh¨angend sind, sowie disjunkte Abschlu ¨sse besitzen. W¨ahlt −1 man schließlich ε < ε1 so, daß ∂f (Dε ) keine Verzweigungspunkte von f enth¨alt, so haben die zugeh¨origen Komponenten I1 , . . . , Iq die behaupteten Eigenschaften. Fu ¨ber ∞ hinzu, so gilt nach ¨gt man zu I1 , . . . , Iq ein hinreichend kleines Gebiet u Satz 1.2: (q − 1)A(r, g) ≤

q 

n(r, g, Ik ) + O(L(r, g)).

(26)

k=1

Wir zeigen, daß, bis auf h¨ochstens endlich viele, jede Insel von g u ¨ber I1 , . . . , Iq eine Nullstelle von f ◦ g − R entha¨lt. Wir betrachten F := 1/f ◦ g. Die Inseln von g u ¨ber Dε . Da 1/R(∞) = 0 zeigt eine Anwendung ¨ber I1 , . . . , Iq sind Inseln von F u des Satzes von Rouch´e wie im Beweis von Satz 3.3, daß, bis auf endlich viele, alle Inseln von F u ¨ber Dε eine Nullstelle von F − 1/R = (R − f ◦ g)/(f ◦ g · R) enthalten. Fu ¨r große z hat R(z) keine Pole oder Nullstellen. Damit sind die Nullstellen von F − 1/R in einer geeigneten Umgebung von ∞ Nullstellen von f ◦ g − R, da in Polen von f ◦ g dort F − 1/R = 0 gilt. Wir haben also q 

n(r, g, Ik ) ≤ n(r, f ◦ g − R, 0) + O(1)

(27)

k=1

gezeigt. Kombiniert man (26) und (27) und integriert logarithmisch, so folgt die Behauptung. Die Aussage u ¨ber den Fehlerterm folgt wieder aus dem Resultat von Miles [33]. ✷

54

Eine direkte Konsequenz ist: Korollar 3.13 Sei f eine meromorphe Funktion mit unendlich vielen Polen, g eine ganze transzendente Funktion und R rational mit R(∞) = ∞. Dann gilt − N (r, f ◦ g − R, 0) lim sup = ∞. T (r, g) r→∞ ¨ Ahnlich wie Satz 3.12 beweist man: Satz 3.14 Sei f eine rationale Funktion mit q ≥ 3 Polen, g meromorph und transzendent und R rational mit R(∞) = ∞. Dann gilt − N (r, f ◦ g − R, 0) ≥ (q − 2)T (r, g) + S(r, g). Falls f und g transzendent und meromorph sind, so ist f ◦ g im allgemeinen nicht mehr meromorph in der ganzen Ebene, sondern besitzt eine diskrete Menge von − wesentlichen Singularit¨aten. Die Anzahlfunktion N (r, f ◦ g − R, 0) ist dann nicht mehr wohldefiniert. Mit einer leichten Modifikation des obigen Beweises zeigt man jedoch: Satz 3.15 Sei f eine meromorphe Funktion mit q ≥ 3 Polen, g meromorph und transzendent und R rational mit R(∞) = ∞. Dann hat f ◦ g − R unendlich viele Nullstellen in C.

3.3

Ahlforssche Ausnahmewerte

 Ahlforsschen AusnahWie in Abschnitt 1.1 erw¨ahnt, nennen wir einen Wert a ∈ C mewert, falls f fu ¨r alle ε > 0 nur endlich viele Inseln u ¨ber Dε (a) besitzt. Satz 1.6, ii) zeigt, daß f ho¨chstens zwei Ahlforssche Ausnahmewerte hat. Jeder Picardsche Ausnahmewert ist ein Ahlforsscher Ausnahmewert. Wie f (z) = exp(z) + 1/z zeigt, muß ein Ahlforsscher Ausnahmewert kein Picardscher Ausnahmewert sein. Der Wert 0 ist fu ¨r f ein Ahlforsscher Ausnahmewert, aber nicht defekt im Sinne der Nevanlinna Theorie. Wir werden in diesem Abschnitt untersuchen, ob sich bekannte Aussagen u ¨ber Picardsche Ausnahmewerte auf Ahlforssche Ausnahmewerte u ¨bertragen lassen.  der 0 und ∞ verbindet mit lim f (γ(t)) = a, Existiert ein Jordanbogen γ : [0, 1] → C t→1 so heißt a asymptotischer Wert. Es gilt der folgende klassische Satz (siehe [51], S. 232):

55

Satz 3.16 (Iversen) Ein Picardscher Ausnahmewert ist ein asymptotischer Wert. Der Satz von Iversen l¨aßt sich u ¨bertragen: Satz 3.17 Ein Ahlforsscher Ausnahmewert ist ein asymptotischer Wert. Beweis. Sei a Ahlforsscher Ausnahmewert, ε > 0 und Zε eine Zunge von f u ¨ber Dε(a). Zε existiert, da sonst alle Werte in Dε(a) Picardsche Ausnahmewerte w¨aren. Gem¨aß Tsuji [56], Satz VI. 9. nimmt f jeden Wert aus Dε (a) in Zε mit h¨ochstens zwei Ausnahmen unendlich oft an. W¨ahlt man also δ < ε so enth¨alt Zε eine Zunge Zδ u ¨rden sonst alle Werte ¨ber Dδ (a), denn da a Ahlforsscher Ausnahmewert ist, wu aus Dδ (a) in Zε nur endlich oft angenommen. Mit δ → 0 la¨ßt sich wie im Beweis des Satzes von Iversen der gewu ✷ ¨nschte Weg nach ∞ konsturieren.

Die bekannten S¨atze u ¨ber Picardsche Ausnahmewerte und Nevanlinna-Defekte Werte fu r Funktionen von kleiner Ordnung (z.B. cos(πρ)-Theoreme, siehe [31], Chapter 7) ¨ lassen sich nicht ohne weiteres auf die entsprechenden Begriffe aus der Ahlforsschen Theorie u ¨bertragen. So besitzt z.B. die ganze Funktion √ ∞  sin z (−1)n f (z) = √ = · zn z n=0 (2n + 1)! die Ahlforsschen Ausnahmewerte 0 und ∞, es gilt jedoch ρ(f ) = 12 . Fu ¨r ganze Funktionen f mit ρ(f ) < 12 beweisen wir:

Proposition 3.18 Sei f : C → C eine ganze Funktion mit ρ(f ) < 12 . Dann hat f keinen endlichen Ahlforsschen Ausnahmewert. Beweis. Da nach Satz 3.17 jeder Ahlforssche Ausnahmewert asymptotischer Wert ist, w¨are f auf einer unbeschr¨ankten zusammenh¨angenden Menge beschr¨ankt, was dem Satz von Wiman widerspricht. ✷ Wir merken noch folgenden Zusammenhang zum Grenzwerteteilen an:  transzendente meromorphe Funktionen, die Proposition 3.19 Seien f, g : C → C  teilen. Dann ist a genau dann Ahlforsscher Ausnahmewert den Grenzwert a ∈ C von f , wenn a Ahlforsscher Ausnahmewert von g ist.

Beweis. Unmittelbare Folge von Lemma 2.2.



Dies zeigt sofort, daß f (z) = exp(z) + 1/z den Ahlforsschen Ausnahmewert 0 hat. Denn exp hat den Picardschen (und damit Ahlforsschen) Ausnahmewert 0 und f und exp teilen alle Grenzwerte.

56

3.4

Beweise zur Ahlforsschen Theorie

In einer ku ¨rzlich erschienenen Arbeit [6] gibt Bergweiler einen alternativen Beweis fu r einen Satz, den man als kleinen Fu ¨ ¨nf-Insel-Satz von Ahlfors bezeichnen ko¨nnte.  u Er besagt, daß eine nicht-konstante meromorphe Funktion f : C → C ¨ber fu ¨nf Jordangebieten mit disjunkten Abschlu ¨ssen mindestens eine schlichte Insel besitzt. Diese Aussage hat viele wichtige Anwendungen in der Theorie komplexer dynamischer Systeme. Im Zusammenhang mit dem von uns in Kapitel 2 betrachteten Grenzwerteteilen ist jedoch wichtig, daß fu ¨r transzendente Funktionen sogar unendlich viele schlichte Inseln existieren, d.h., daß der große Fu ¨nf-Insel-Satz von Ahlfors gilt. Wir werden in diesem Abschnitt aus Bergweilers Aussage mit unserer Methode aus Abschnitt 2.5 aus dem kleinen den großen Fu ¨nf-Insel-Satz herleiten. Diese Vorgehensweise l¨aßt sich auch auf die Situation von vier und drei gegebenen Jordangebieten anwenden und wir erhalten insbesondere einen Beweis von Satz 1.6, ii). Zun¨achst wollen wir jedoch einen Fu ¨nf-Insel-Satz fu ¨r kleine Kreise herleiten. In unseren Untersuchungen zum Grenzwerteteilen haben wir ja nicht immer von der vollen Kraft des zweiten Hauptsatzes von Ahlfors Gebrauch gemacht. In einigen F¨allen genu ¨gt es, daß zu fu ¨nf vorgegebenen Punkten auf der Sph¨are Umgebungen dieser Punkte existieren, so daß f u ¨ber mindestens einer der Umgebungen unendlich viele schlichte Inseln besitzt. Diese Aussage l¨aßt sich tats¨achlich elementar aus dem entsprechenden Satz der Nevanlinna-Theorie herleiten, n¨amlich, daß f h¨ochstens ¨ vier vollsta¨ndig verzweigte Werte hat. Uberhaupt werden wir hier aus der klassischen Werteverteilungstheorie Aussagen der Ahlforsschen Theorie herleiten. Die Strategie der Beweise ist immer die folgende: Wir nutzen die von Bergweiler bewiesenen kleinen S¨atze, d.h., die Existenz einer Insel mit gewissen Eigenschaften fu ¨r nicht-konstante Funktionen. Diese verallgemeinern wir dann in jedem Fall mit einer nahezu identischen Argumentation fu ¨r transzendente Funktionen zur Existenz unendlich vieler Inseln. Dies liefert insbesondere eine neue Methode aus dem kleinen Satz von Picard den großen Satz von Picard herzuleiten. Wa¨hrend der Fertigstellung dieses Abschnitts hat mir W. Bergweiler ein noch nicht ver¨offentlichtes Manuskript [8] zur Verfu ¨gung gestellt. Dort wurden unabh¨angig ¨ahnliche Resultate erzielt. Unter anderem beweist er dort folgende Aussage.  , G ⊂ C ein Gebiet. Dann existiert ein ε > 0, so Satz 3.20 Seien a1 , . . . , a5 ∈ C  , die keine schlichte daß die Familie Fε aller meromorphen Funktionen f : G → C Insel u ¨ber einer der Kreischeiben Dε (a1 ), . . . , Dε (a5 ) besitzt, normal ist.

Daraus folgt:  . Dann existiert ein ε > 0, so daß jede nichtSatz 3.21 Seien a1 , . . . , a5 ∈ C  eine schlichte Insel u konstante meromorphe Funktion f : C → C ¨ber einer der Kreischeiben Dε (a1 ), . . . , Dε (a5 ) besitzt.

57

Beweis. Falls f nicht-kostant ist, so ist f (nz) nicht in

C normal.



Damit beweisen wir:  . Dann existiert ein ε > 0, so daß jede transzenSatz 3.22 Seien a1 , . . . , a5 ∈ C  unendlich viele schlichte Inseln u dente meromorphe Funktion f : C → C ¨ber einer der Kreischeiben Dε (a1 ), . . . , Dε (a5 ) besitzt.

Beweis. Angenommen, f besitzt fu ¨r alle ε > 0 nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ber ¨ Dε(a1), . . . , Dε(a5). Wir  betrachten wie in Abschnitt 2.5 die universelle Uberlagerung von D auf C \ {|z| ≤ |wj |}: Φj (z) := wj |wj |z/(1−z) mit der Folge wj → ∞ aus Satz 2.19, ii). Wieder sei fj := f ◦ Φj . Dann ist fj wie gesehen nicht normal in D und das Zalcman Lemma liefert Mj , so daß Fj := fj ◦ Mj in C kompakt gegen eine nicht-konstante Funktion F konvergiert. Wir behaupten, daß F keine schlichte Insel u ¨ber den Kreisscheiben D2ε (a1 ), . . . , D2ε (a5 ) besitzt. Mit ε → 0 erhalten wir dann einen Widerspruch zu Satz 3.21. Sei I eine Insel von F u ¨r j > j0 eine Insel Ij von Fj u ¨ber Dε (a1 ) ¨ber D2ε (a1 ). Man zeigt leicht, daß I fu ¨ enth¨alt. Da Φj (D) → ∞, Φj eine Uberlagerungsabbildung ist und f nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ber Dε (a1 ) hat, ist Ij keine schlichte Insel. Mit dem Satz von Rouch´e folgt, daß I keine schlichte Insel ist. ✷ Wir betonen noch einmal, daß dieser Satz, bis auf die Benutzung von NevanlinnaTheorie, als v¨ollig elementar zu bezeichnen ist. Er ließe sich problemlos in einer Vorlesung u ¨ber Werteverteilung herleiten. Will man jedoch Aussagen fu ¨r die Inseln u ¨ber beliebigen Jordangebieten machen, so scheint es notwendig zu sein, tieferliegende Hilfsmittel einzusetzen. Dies zeigt sich auch in Bergweilers Beweis in [6], indem hier der Existenzsatz fu ¨r quasikonforme Abbildungen mit vorgeschriebener Dilatation benutzt wird. Dabei reicht es allerdings, glatte Dilatationen zu betrachten. In diesem Fall ist der Beweis des Existenzsatzes erheblich einfacher. Bergweiler benutzt quasikonforme Konjugation, um den Fall allgemeiner Jordangebiete auf den oben betrachteten Fall kleiner Kreise zuru ¨ckzufu ¨hren. Wir wollen hier nicht zu diesem einen Zweck quasikonforme Abbildungen einfu ¨hren und verweisen daher auf die Referenzen in [6].  eine transzendente meromorphe Satz 3.23 (Fu ¨ nf-Insel-Satz) Sei f : C → C Funktion. Dann hat f unendlich viele schlichte Inseln u ¨ber mindestens einem von fu ¨nf gegebenen Jordangebieten mit disjunkten Abschlu ¨ssen.

58

Beweis. Angenommen, es gibt fu ¨nf Jordangebiete D1 , . . . , D5 mit disjunkten Abschlu ssen, so daß f nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ ¨ber jedem dieser Gebiete hat. Genau wie im Beweis von Satz 3.22 erzeugen wir die nicht-konstante Abbildung F .  ,...,D  mit disjunkten AbDie Gebiete D1 , . . . , D5 k¨onnen in fu ¨nf Jordangebiete D 1 5  schlu ¨ssen eingebettet werden, so daß Dj relativ kompakt in Dj liegt fu ¨r j = 1, . . . , 5. Zu diesem Zweck k¨onnen z.B. Polygonzu ¨ge verwendet werden. Wir behaupten, daß     . Man F keine schlichte Insel u ber D , . . . , D ¨ ¨ber D 1 5 hat. Sei I eine Insel von F u 1 u ¨berpru ¨ft leicht, daß fu ¨r j > j0 die Insel I eine Insel Ij von Fj u ¨ber D1 enth¨alt. Da ¨ Φj eine Uberlagerung ist, Φj (D) → ∞ und aus der Voraussetzung, daß f nur endlich viele schlichte Inseln u ¨ber D1 , . . . , D5 hat, folgt, daß Ij keine schlichte Insel ist. Mit dem Satz von Rouch´e folgt, daß I nicht schlicht ist. Also ist F eine nicht-konstante  ,...,D  , ein Widerspruch. ✷ meromorphe Funktion ohne schlichte Inseln u ¨ber D 1 5

Es folgt aus Nevanlinnas zweitem Hauptsatz, daß eine nicht-konstante meromorphe Funktion in der Ebene mindestens ein Urbild der Ordnung k ≤ 2 fu ¨r vier gegebene Punkte auf der Sph¨are hat und ein Urbild der Ordnung k ≤ 3 fu ¨r drei gegebene Punkte. Wie in [6], §5, bereits bemerkt, kann man mit diesen Aussagen Bergweilers Beweis des kleinen Fu ¨nf-Insel-Satzes leicht modifizieren, um zu zeigen, daß nicht-konstantes f mindestens eine Insel der Ordnung k ≤ 2 u ¨ber vier gegebenen Jordangebieten mit disjunkten Abschlu ssen hat und eine Insel der Ordnung k ≤ 3 ¨ u ¨ber drei gegebenen Gebieten. Damit beweisen wir:  eine transzendente meromorphe Funktion. Dann hat f Satz 3.24 Sei f : C → C unendlich viele Inseln der Ordnung k ≤ 2 u ¨ber mindestens einem von vier gegebenen Jordangebieten mit disjunkten Abschlu ¨ssen und unendlich viele Inseln der Ordnung k≤3u ¨ber mindestens einem von drei gegebenen Jordangebieten mit disjunkten Abschlu ¨ssen.

Beweis. Wir werden nur die Aussage fu ¨r drei Gebiete zeigen. Angenommen, es existieren drei Jordangebiete D1 , . . . , D3 mit disjunkten Abschlu ¨ssen, so daß f nur endlich viele Inseln der Ordnung k ≤ 3 u ¨ber jedem dieser Gebiete hat. F sei wie oben. Mit den gleichen Bezeichnungen folgt aus den Voraussetzungen, daß die Ordnung von Ij fu ¨r großes j mindestens vier ist. Der Satz von Rouch´e zeigt, daß die Ordnung von I mindestens vier ist. Dies ist ein Widerspruch. ✷

Der zweite Haupsatz von Ahlfors zeigt, wie in Satz 1.6 bereits angegeben, daß im Sinne von Satz 3.23 unendlich viele einfach zusammenh¨angende Inseln existieren. Fu ¨r Funktionen mit einem Picardschen Ausnahmewert, z.B. ganzen Funktionen, ist dies sofort klar, da dann, bis auf endlich viele, jede Insel u ¨ber einem Jordangebiet

59

einfach zusammenh¨angend ist. Wir ben¨otigen ein Lemma:  eine nicht-konstante meromorphe Funktion und Lemma 3.25 Seien f : C → C D1 , D2 Jordangebiete mit disjunkten Abschlu ¨ssen. Entweder besitzt f eine einfach zusammenh¨angende Insel u ¨ber D1 oder D2 , oder f hat keine Insel u ¨ber D1 und D2 .

Beweis. Angenommen, f hat eine Insel u ¨ber D1 oder D2 , aber keine einfach zusammenh¨angende. Sei I1 eine Insel u ¨ber D1 . Da I1 nicht einfach zusammenh¨angt, enth¨alt das Komplement C \ I1 eine kompakte Komponente A. Man sieht leicht, daß  \ D . Da D f (A) ⊂ ∂D1 . Also enth¨alt A eine Insel von f u ¨ber dem Inneren von C 1 2  \ D enthalten ist und A kompakt ist, enth¨ im Inneren von C alt A eine Insel I2 von 1 fu ¨ber D2 . Die gleiche Argumentation wie oben kann man auf I2 anwenden. Induktiv folgt, daß A unendlich viele Inseln von f u ¨ber D1 enth¨alt. Dies ist unm¨oglich. ✷ Daraus folgt:  eine transzendente meromorphe Funktion. Dann exiSatz 3.26 Sei f : C → C stiert k ∈ N so, daß f unendlich viele einfach zusammenh¨angende Inseln der Ordnung k u ¨ber mindestens einem von drei gegebenen Jordangebieten mit disjunkten Abschlu ¨ssen hat.

Beweis. Man hat nur zu beachten, daß die Ordnung von Ij gegen ∞ geht und daher I nicht existieren kann. ✷

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