MEIN HOF. UNSER LEBEN.

Positionen

2011

Inhaltsverzeichnis Einführung 4 Neue bäuerliche Ordnung

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Bildung, Familie, Soziales

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Energie und Umwelt

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Jugend und Europa

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Land- und Forstwirtschaft und Ländlicher Raum

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Regional- und Kommunalpolitik

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Familie ist der höchste bäuerliche Wert 14 Maßnahmen 16 Gestalten statt verbrauchen 22 Maßnahmen 24 Die Jugend ist unsere Zukunft 30 Maßnahmen 33

Klug beim Säen. Vertrauensvoll bei der Arbeit. Dankbar beim Ernten. In der Politik aufrecht und ehrlich. Bauernbund

Österreichs Bauern haben Zukunft 38 Maßnahmen 41 Wer an die Zukunft denkt, hat auch eine 46 Maßnahmen 48

Wirtschaft 52 Landwirtschaft ist Wirtschaft 54 Maßnahmen 56

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Neue bäuerliche Ordnung Der weltweite Verteilungskampf um Ressourcen wird immer spürbarer. In der Land- und Forstwirtschaft steigen Kostendruck und Produktionsauflagen, sodass die bäuerlichen Betriebe in eine verschärfte Wettbewerbssituation geraten. Wir stehen am Wendepunkt zu einer neuen EU-Agrarpolitik, die sich direkt auf die österreichische Landund Forstwirtschaft auswirkt.

Einführung

Wir haben in diesen Monaten unseren siebenmilliardsten Erdenbürger willkommen geheißen und überschreiten im Jahr 2050 die Neunmilliardengrenze. Der Klimawandel schränkt durch Dürre und Überflutun-

gen die landwirtschaftlichen Produktionsflächen ein. Ungebrochen bleibt die Nachfrage nach Nahrung, Wasser, Rohstoffen und Energie. Dieser ungebremste Appetit wird die weltweite gesellschaftliche Entwicklung in diesem neuen Jahrhundert nachhaltig prägen. Experten erwarten Veränderungen in einem Ausmaß, wie es sie noch nie gegeben hat. Die Finanzkrise des Jahres 2009 mit den folgenden „Rettungspaketen“ hat die Überschuldung vieler Staaten der westlichen Welt verstärkt. Die daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen engen die staatlichen Handlungsspielräume ein und bedrohen den entwickelten Sozialstaat und den westlichen „Way of Life“. Engere staatliche und private Budgets zwingen zum

Umdenken und erschüttern das Vertrauen in die Politik, die häufig „Wohlstand ohne Wenn und Aber“ für alle versprochen hat. Persönliche Verfehlungen wesentlicher Repräsentanten dieses Systems verstärken diesen Effekt noch zusätzlich. Die Auswirkungen sind einschneidend und tiefgreifend: Aus der Finanzkrise ist eine Vertrauenskrise in tragende Institutionen der Gesellschaft geworden, die nur durch radikale Offenlegung, Analyse und Neuorientierung überwunden werden kann. Francis Fukuyama zufolge bremsen Vertrauensverluste sogar die Wirtschaftsentwicklung: “Wenn in einer Gesellschaft großes Misstrauen herrscht, werden alle wirtschaftlichen Aktivitäten gewissermaßen mit einer Steuer belegt. Gesellschaften mit viel Vertrauen 5

müssen diese Steuer nicht zahlen.“ An einer Selbstreinigung führt unter diesen Umständen kein Weg vorbei. Vor diesem Hintergrund steht der bäuerliche Wertekanon gekoppelt mit einer bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft am Beginn eines neuen Zeitalters. Eine bäuerliche Ethik ist zutiefst geprägt von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialen Zusammenhängen. Wenn sich politische Entscheidungsträger anschicken, Entscheidungen zu überdenken, Fehlentwicklungen zu korrigieren oder Missverhältnisse wieder ins rechte Lot zu bringen, dann sind sie gut beraten, sich von einer nachhaltigen, ressourcenorientierten, verantwortungsvollen,

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bäuerlichen Ordnung anleiten zu lassen. Rolle des Bauernbundes - Verantwortung der Landwirtschaft Im Zuge der Diskussion eines zeitgemäßen Bauernbund-Programms haben wir überprüft, ob die Statik des Bauernbundes trägt. Für die ÖVP ist der Bauernbund eine starke, tragende Säule und verfügt über eine gut motivierte Organisation, die unser Rückgrat bildet und der ÖVP stets den Rücken stärkt. Der Bauernbund vertritt die Interessen breitester Bevölkerungsgruppen, die ihre Heimat im ländlichen Raum haben. Die Politik des Bau-

ernbundes geht damit weit über den landwirtschaftlichen Produktionsbereich hinaus. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, die gesellschaftspolitische Dimension unserer Grundhaltungen nicht nur systematisch für uns selbst darzustellen, sondern mit diesem Papier auch all jenen Menschen zu vermitteln, die verwandte Anliegen vertreten. Unser Programm „Mein Hof. Unser Leben“ versteht sich als herzliche Einladung zur Mitarbeit, zur gemeinsamen Gestaltung unserer Lebensgrundlagen. Landwirtschaft steht in der zentralen Verantwortung, die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und die Natur und ihre Endlichkeit zu respektieren. Wesentlicher Dreh- und

Angelpunkt wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit ist und bleibt das private Eigentum an Grund und Boden – es ist dies das Produktionsmittel der Land- und Forstwirtschaft, das untrennbar mit freiheitsliebender, bäuerlicher Wirtschafts- und Lebensethik verknüpft ist. Das Engagement für die Familie und die Gemeinschaft gehört zu den wesentlichen Grundlagen unserer Gesellschaft. Der Bauernbund geht aber weit über den Versorgungsauftrag hinaus und bekennt sich als Organisation zum Respekt vor der Schöpfung und damit zum Respekt vor dem Leben und vor allen Menschen und ihrer Einzigartigkeit, die wiederum in der Verantwortung gegenüber unseren Kindern gipfelt.

Angesichts knapper werdender Mittel können wir den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens nur durch die notwendige Kombination von Eigenverantwortung und finanzierbarer Hilfestellung aufrechterhalten. All die angesprochenen Aspekte gewinnen freilich nur dann an Bedeutung, wenn sie mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verknüpft sind. Nachhaltigkeit ist die Grundmaxime bäuerlichen Handeln und Denkens – so schließt sich der Kreis zur – eingangs erwähnten – Endlichkeit aller Ressourcen.

Grundsätzliches zur Landund Forstwirtschaft Die Land- und Forstwirtschaft ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden und vitalen ländlichen Raums. Herzstück unserer Land- und Forstwirtschaft sind bäuerliche Familienbetriebe, ihre Menschen tragen seit Generationen durch ihre regionale Verbundenheit, ihre nachhaltige Wirtschaftsweise und ihr Engagement im öffentlichen Leben wesentlich zur positiven Entwicklung des ländlichen Raums bei. Die ökosoziale Agrarpolitik des Bauernbundes will Bedingungen schaffen, die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) den Familien die Möglichkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der

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bäuerlichen, flächendeckenden, multifunktionalen und wettbewerbsfähigen Land- und Forstwirtschaft in Österreich gibt. Europas Bauern sichern die Versorgung einer halben Milliarde EUBürgern mit Lebensmitteln. Die europäische Land-, Agrar- und Ernährungswirtschaft erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von rund 1,3 Billionen Euro. Über 40 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt am EU-Agrarsektor. In Österreich hängen an der heimischen Landwirtschaft in Summe 530.000 Arbeitsplätze. Die Produktion des heimischen Roh- und Wertstoffes Holz wird durch eine international anerkannte Familienforstwirtschaft nachhaltig gewähr-

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leistet. Nach dem Tourismus hat die waldbasierte Wertschöpfungskette die zweitgrößte Außenhandelsbilanz in Österreich. Gerade in den ländlichen Räumen ist daher die Land- und Forstwirtschaft als vitaler und gestaltender Faktor unverzichtbar. Die Landwirte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr auf einen offenen Wettbewerb in europäischen und internationalen Märkten eingestellt. Darüber hinaus bietet die österreichische und europäische Land- und Forstwirtschaft der Allgemeinheit zugleich auch ein ganzes Bündel an bislang unentgeltlichen Dienstleistungen (Erhaltung der Biodiversität, die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und ein

pflegliches Wasser- und Bodenmanagement). Bis 2050 sehen die Prognosen ein weltweites Bevölkerungswachstum auf bis zu 9 Milliarden Menschen vor, die Welt-Nahrungsproduktion müsste daher laut Einschätzung der FAO um 70 % aufgrund veränderter Ernährungsgewohnheiten gesteigert werden. Europa muss neben der Sicherstellung der eigenen Nahrungsmittelversorgung auch seine Verantwortung für die globale Ernährungssicherheit wahrnehmen und das unter größtmöglicher Schonung der natürlichen Ressourcen. Zusätzlich wird die europäische Land- und Forstwirtschaft die von der Gesellschaft gestellten neuen

Herausforderungen zu bewältigen haben. An vorderster Front jene des Klimawandels, der regionalen Energiebereitstellung, aber auch der Erhaltung der Biodiversität, der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen, des Wasser- und Bodenmanagements. Das führt im internationalen Vergleich zu höheren Produktionsauflagen und Standards. Diese neuen Herausforderungen bedeuten aber gleichzeitig auch neue Chancen für die Land- und Forstwirtschaft, denn Klima- und Umweltschutz sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden, wo im Hinblick auf die Produktion erneuerbarer Energieträger und die nachwachsenden Rohstoffe ein großes

Potential besteht. Unter dem Stichwort „Energieautarkie“ und „green jobs“ können hier – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – krisensichere Arbeitsplätze entstehen und kann ein Schritt zur Erreichung der verbindlichen, europäischen Klima- und Energieziele gesetzt werden. Darüber hinaus wird damit auch ein Beitrag zur Verringerung der Energieimportabhängigkeit in Europa geleistet – ein Thema von größter Brisanz. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft braucht auch künftig einen wirksamen Ausgleich für höhere EU-Standards im Umwelt-, Verbraucher-, Tier- und Naturschutz, zur Abgeltung natürlicher Bewirtschaftungserschwernisse,

zur Gewährleistung eines akzeptablen Anteils an der Wohlstandsentwicklung sowie für den Erhalt der Kulturlandschaft und für die Gewährleistung einer ausreichenden heimischen Produktionskapazität (Versorgungssicherheit). Aus diesem Grund sind Planungssicherheit, Vertrauensschutz und Kontinuität unverzichtbar. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft hat vor diesem Hintergrund den Weg der Qualitätsproduktion und der regionalen Profilierung eingeschlagen und will zugleich ihren Aufgaben im Klimaschutz mit nachhaltig erzeugten nachwachsenden Rohstoffen nachkommen. Der Bauernbund in Österreich setzt sich für die vollständige Kofinanzierung der EU-Agrarprogramme auf Bundes-

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und Länderebene ein und damit für die vollständige Auslösung der aus Brüssel abholbaren Finanzmittel. Programm-Diskussion in sechs Arbeitsgruppen Auf die skizzierten Herausforderungen, aber auch Chancen, hat sich der Österreichische Bauernbund mit dem Bundesbauernrat am 8. Oktober 2011 in Linz intensiv vorbereitet. Sechs Arbeitsgruppen, geleitet von den Spitzen des Bauernbundes, setzten sich mit den Kernthemen bäuerlicher Identität im 21. Jahrhundert auseinander. Vizepräsident Franz Reisecker, LK-Vizepräsident in Oberösterreich, erarbeitete in seiner Gruppe „Bildung, Familie

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und Soziales“ Lösungsmodelle zur Erhaltung des sozialen Friedens. Hermann Schultes, Abgeordneter zum Nationalrat und LK-Präsident in Niederösterreich, bereitete seine Domäne, „Energie und Umwelt“, für die neue Fassung eines Leitprogramms auf. Vizepräsidentin und Mitglied des Europäischen Parlaments, Elisabeth Köstinger, zeigte auf, welche Perspektiven es für „Jugend und Europa“ gibt. Bauernbund-Präsident Abgeordneter zum Nationalrat Fritz Grillitsch und Gerhard Wldokowski, LK-Präsident Österreich koordinierten die Diskussionen in „Land- und Forstwirtschaft und ländlicher Raum“. Während Bauernbund-Vizepräsident und Abgeordneter zum Nationalrat Jo-

hannes Schmuckenschlager mit „Regional- und Kommunalpolitik“ betraut war, beschäftigte sich Vizepräsident Josef Moosbrugger, LK-Präsident in Vorarlberg, wiederum mit dem Generalthema „Wirtschaft“. Begleitet wurde dieser Programmprozess von herausragenden Persönlichkeiten aus dem weit verzweigten Netzwerk des Bauernbundes. Mit dabei: EUParlamentspräsident Jerzy Buzek und Joseph Daul, Fraktionschef der europäischen Volkspartei, Landeshauptmann Erwin Pröll und Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, der aus Oberösterreich stammende AnimaRektor Franz Xaver Brandmayr

sowie der deutsche Klima- und Energieforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker. Die Diskussionen in den Arbeitskreisen bezogen sich jeweils auf das traditionelle Wertegebäude des Bauernbundes, jeder praktische Umsetzungsentwurf entspringt dieser bäuerlichen Wertearchitektur, jedes Lösungsmodell wurde auf seine Vereinbarkeit mit dem ÖVP-Wertekanon von Eigentum, Familie und Föderalismus geprüft. Der Bauernbund ist durch seine Identität und durch seine Stärke ein wesentlicher Bestandteil für ein funktionierendes Staatswesen in Österreich.

Programmatik und Maßnahmenkatalog Aus jeder der sechs Kernthesen formulierten die Arbeitskreise ein Programm, das für die kommenden 10 Jahre die Politik des Bauernbundes anleiten und prägen soll. Zu jedem Themenfeld zeigen wiederum einzelne Maßnahmenbündel die konkrete praktische Umsetzung. Im Vordergrund dieser Programmdiskussion standen das Ziel und die Herausforderung, traditionelle bäuerliche Werte zeitgemäß zu formulieren und verlässliche Orientierung für das Leben im ländlichen Raum und darüberhinaus zu geben. Weil den Bauern jetzt und in Zukunft eine ganz wesentliche Aufgabe in der Gesellschaft zukommt: nämlich

Abg. z. NR Fritz Grillitsch Präsident

unsere Lebensbasis zu erhalten. Die Maßnahmen verstehen sich als systemstabilisierende und daher im Sinne der Nachhaltigkeit notwendige Impulse, die mitunter rasch umgesetzt werden müssen, wenn sie wirken sollen. Dazu braucht es die Bereitschaft, sowohl in der Politik, als auch im Vollzug, mit Vernunft und „menschlichem Maß“ schnelle Lösungen zu erwirken. In diesem Sinne versteht sich „Mein Hof. Unser Leben“ selbstverständlich als ein Bekenntnis dazu, Verantwortung für sich selbst, für die Familie, für die Gemeinschaft, für den Staat und damit für unser aller Wohlergehen zu übernehmen.

Dr. Johannes Abentung Direktor

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Bildung, Familie, Soziales

„Ich bin von meinen Wurzeln und meinem Charakter oberösterreichischer Bauer. Bei mir gibt es ein Prinzip: Grund wird nicht verkauft.“ Monsignore Franz Xaver Brandmayr

Rektor des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell‘Anima, Rom

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triebswirtschaftliches Grundwissen aneignen. Da gibt es Nachholbedarf im Schulwesen, aber auch in der Erwachsenenbildung. Denn Bildung ist die wichtigste Zukunftsvoraussetzung damit Bauern erfolgreich wirtschaftende und vor allem investierende Bauern sein können. Das höchste Gut, das wir der nächsten Generation mitgeben können, sind Wissen und Können. Eigenverantwortung stärken Vieles, was im urbanen Sektor bereits verloren gegangen ist, ist im ländlichen Raum noch intakt: Zusammengehörigkeit und Eigenverantwortung, wenn es um häusliche Pflege oder soziales Engagement geht. Dabei sollte

Franz Reisecker, Vizepräsident des Bauernbundes

Familie ist der höchste bäuerliche Wert Soziale Aufgaben sind nur mit gestärkter Eigenverantwortung lösbar und finanzierbar. Die Bauern leben nicht davon, dass sie ihre Höfe verkaufen. Ihr Wirken ist langfristig und über Generationen hinaus ausgerichtet. Als soziale Keimzelle des Hofes steht die Familie im Mittelpunkt. Nicht nur die Familie, die jetzt und heute den Hof bewirtschaftet, sondern mehrere Generationen, die oftmals sogar unter einem Dach leben. Für eine günstige Nachfolgeregelung braucht es 14

aber sowohl für die junge als auch die ältere Generation sozialpolitische Anreize, damit die Betriebsübergabe reibungslos und wenn notwendig schon vor dem Pensionsantritt klappt. Es stellt zwar für die Bauern einen ganz besonderen Wert dar, dass die Arbeit auch bis ins Alter Freude machen kann. Trotzdem muss auf die Finanzierbarkeit der Pensionen geachtet werden. Jeder Beitragszahler wird gebraucht. Also müssen wir genau drauf schauen, dass die gesamte Bürgerschaft und so auch die Bauern mit gutem Gesundheitszustand bis zum gesetzlichen Pensionsalter arbeiten können.

die häusliche Pflege drei Grundprinzipien folgen: Erhalt der Würde für alle Beteiligten, höchstmöglicher Grad an Eigenverantwortung und nicht zuletzt die Finanzierbarkeit. Dank unterstützender Hauskrankenpflege kann ein pflegebedürftiger Mensch sehr lang in seinem gewohnten Umfeld und somit bei seiner Familie bleiben. Um Bauernfamilien die Angst zu nehmen, dass Fremde ins Haus kommen, streben wir innerhalb der Landwirtschaft eine Hilfsorganisation an, die Pflegeleistungen stundenweise anbieten kann. Für den bäuerlichen Familienbetrieb sind die Kinder der Garant dafür, dass der Hof weiterlebt. Der Betrieb lebt nur durch die sich erneuernde

bäuerliche Familie und ihre Kinder weiter. Ohne Nachwuchs, ohne Übernehmer stirbt der Hof aus. Deshalb ist die Familie als Keimzelle des Hofes unzweifelhaft unser höchster Wert. Sie sichert den Fortbestand der bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich. Positionen: • Höhere Bildung ist der Garant für die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft • Wenn die vorhandene Eigenverantwortung bei der Pflege noch zusätzlich unterstützt wird, profitiert nicht nur die bäuerliche Familie, sondern auch der Staatshaushalt

Bildung verspricht Rentabilität Wohlstand und Reichtum einer Gesellschaft liegen in einer Jugend, die gerade im Begriff ist, ihre Schaffenskraft zu entwickeln. Wirtschaftlich gesprochen ist jedes Kind eine Investition in die Zukunft, jedes gut ausgebildete Kind verspricht Freude und damit Leben am Hof. Qualität geht in der Bildung vor Quantität. Auch wenn es im bäuerlichen Bereich bereits sehr viele Betriebsführer gibt, die eine umfassende Ausbildung genossen haben. Mit den wachsenden wirtschaftlichen Anforderungen braucht es Landwirte, die sich in einer höheren Ausbildung solides be15

Sozialpolitische Maßnahmen Maßnahme 1: „Ausgabenbremse – Kopplung der Sozialausgaben Österreichs an das BIP Wachstum“ Begründung: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) haben die Sozialausgaben im Jahr 2009 in Österreich 84,5 Mrd. Euro betragen, das entspricht 30,8 % des Bruttoinlandsproduktes. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist bei unveränderter Gesetzeslage davon auszugehen, dass bis zum Jahr 2030 der Anteil der Sozialausgaben am BIP jedenfalls deutlich über 40 % ansteigen wird. Dieses Wachstum ist insbesondere auf die

rasch steigenden Aufwendungen im Bereich Pflege und Gesundheit, aber auch im Bereich der Pensionsversicherung zurückzuführen. Da nicht davon auszugehen ist, dass dieser dramatische Mittelmehrbedarf entweder durch wesentlich höhere Steuern und Abgaben bedeckt werden kann, noch dass auf der anderen Seite in den übrigen staatlichen Ausgabenbereichen massive Einschränkungen im Hinblick auf die Finanzierungsbedürfnisse des Sozialbereiches erfolgen können, muss akzeptiert werden, dass der Generationenvertrag in seinem üblichen Verständnis in naher Zukunft nicht im bisherigen Ausmaß eingehalten werden kann. Um ein auch im internationalen Vergleich ausgezeichnetes Sozialsystem nicht zu gefährden, sind daher in allen Bereichen Maßnahmen

notwendig, die die Finanzierbarkeit des Systems gewährleisten. Maßnahme 2: „Schrittweise Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters auf das gesetzliche Pensionsalter bis zum Jahr 2020. Abschaffung der Hacklerregelung ab 2013.“ • Generell ist die im harmonisierten Pensionssystem fehlende Ausrichtung der Erwerbsunfähigkeits-, Invaliditäts- und Berufsschutzpensionen vorzunehmen; die „Härtefallregelung“ für Personen ohne Berufsschutz ist ins Dauerrecht zu übernehmen • Das Pensionssystem ist auf die Grundtatbestände Erwerbsunfähig-

keit und Alterspension zurückzuführen. Ziel eines funktionierenden Pensionssystems muss sein, die Menschen möglichst lange im Arbeitsprozess zu halten • Die Korridorpension sowie die Schwerarbeitspension ist hinsichtlich der Abschlagshöhe zu überprüfen • Verstärkung der Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bei Erwerbsunfähigkeitspensionsanträgen, wie bereits gesetzlich beschlossen • Weitere Anpassung des fiktiven Ausgedinges auf die tatsächlichen Lebenserhaltungskosten und somit eine weitere Absenkung auf 10 % des Richtsatzes Begründung: Das durchschnittliche Zugangsalter in der Pensionsversicherung liegt in Österreich derzeit bei 58,1 Jahren. Das faktische Pensionsantrittsalter kann nur angehoben werden, wenn es im Bereich der Erwerbsunfähigkeits- Invaliditäts- und Berufsschutzpensionen zu Änderungen kommt: Die gesetzliche Angleichung der Berufsschutzbestimmungen auf Basis der Bestimmungen des BSVG (Berufsschutzalter generell: vollendetes 57. Lebensjahr). Es ist nicht erklärbar, dass die Arbeitslosenversicherung ei-

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nen Berufsschutz im engen Sinn der Pensionsversicherung nicht mehr gewährt, in der Pensionsversicherung dieser Berufsschutz bei öffentlich Bediensteten, Angestellten, erlernten und angelernten Berufen jedoch im vollen Umfang aufrecht ist. Selbstverständlich sind auch begleitende Maßnahmen seitens der Arbeitgeber notwendig, um ältere Arbeitnehmer entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit mit geeigneten Aufgabenstellungen im Unternehmen zu halten. Hier wird es auch schrittweise arbeitsrechtliche Anpassungen geben müssen, um dies zu gewährleisten. Maßnahme 3: „Einführung eines einkommensbezogenen Kostenanteilsmodells für alle Leistungsbereiche“ Begründung: Die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen wird nur bei stärkerer Wahrnehmung der Eigenverantwortung eingebremst werden können. Daher wird die Einführung eines einkommensbezogenen Kostenanteilsmodells für alle Leistungsbereiche nach dem Vorbild der Rezeptgebührenobergrenzenregelung vorgeschlagen. Unter dieser Voraussetzung ist die Beibehaltung der Wahlfreiheit der Versicherten im Gesundheitssystem in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Die Alternative wären administrative Kosten-

steuerungen durch Zugangsbeschränkungen (Managed Care Systeme etc.). Auch für den Spitalsbereich ist für nicht akute Maßnahmen die freie Wahl der Patienten über Landesgrenzen hinweg zu gewährleisten. Für die Spitäler ist mittelfristig ein ausschließlich leistungsbezogenes Verrechnungssystem vorzusehen. Die Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten wird in Zukunft verstärkt auf die ambulante Leistungserbringung in den Spitälern auszurichten sein. Diese haben sich auf diese Aufgabenstellung vorzubereiten. Es braucht die Sensibilität, um ausreichend und wirkungsvoll zu versorgen und es braucht Verantwortungsbewusstsein, um auch die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines öffentlichen Leistungssystems zu erkennen Maßnahme 4: „Eine nachhaltige Finanzierung des Pflegesystems in Österreich“ Begründung: Die Konzeption des österreichischen Pflegegeldgesetzes hat sich bewährt. Das Geldleistungssystem kann die Bedürfnisse besser und flexibler abdecken als ein stärker sachleistungsorientiertes System. In den hohen Pflegestufen ist die Entwicklung der Fremdleistungskosten durch stärkere Anpassungen zu berücksichtigen. 17

Bildungspolitische Maßnahmen Maßnahme 1: „Reform der Facharbeiterausbildung an den landwirtschaftlichen Fachschulen“ • Stärkere Konzentration der höheren land- und forstwirtschaftlichen Schulen auf die Kernzielgruppe „Land- und Forstwirtschaft, Betriebswirtschaft und politische Bildung“ • Partnerschaftliche Kostenteilung für den finanziellen Aufwand, der aus dem Besuch von Schülern des verpflichtenden 9. Schuljahres erwächst.

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• Anerkennung der an den HBLFAs erworbenen Ausbildung für die Facharbeiterprüfung (3 absolvierte Schuljahre) und die Meisterprüfung (Matura) • Sicherstellung der Durchlässigkeit in die 5-jährige Ausbildung bis zur „Fachmatura“ mit der Möglichkeit für einen Meisterabschluss Begründung: Die land- und hauswirtschaftliche Fachausbildung in Österreich erfreut sich einer ungebremsten Beliebtheit und wird entsprechend wahrgenommen. Trotzdem bedarf es nunmehr einer tiefgreifenden Reform, um einerseits das Schulangebot an die neuen Herausforderungen in der

Haus-, Land- und Forstwirtschaft anzupassen und andererseits die Finanzierung der Schulen auch für die Zukunft abzusichern. Viele Schüler in Österreich absolvieren ihr verpflichtendes 9. Schuljahr an einer landwirtschaftlichen Fachschule in Vorbereitung einer späteren dualen Ausbildung. Das ist insofern sehr erfreulich, weil damit viele junge Menschen, die später außerhalb der Landwirtschaft tätig sind, etwas über Landwirtschaft, Ernährung, Hauswirtschaft etc. lernen und ihren Bezug dazu intensivieren können. Vor allem aus budgetären Gründen ist es heute erforderlich, eine Strukturbereinigung bei den haus- und landwirtschaftlichen Fachschulen vorzunehmen und die Verlagerung des Bildungsaufwandes in das Agrarbudget zu überarbeiten. Eine Strukturreform muss den Spezialisierungstendenzen in den land- und hauswirtschaftlichen Kernfächern gerecht werden. Ein qualitativ hochwertiger Abschluss in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft muss im Mittelpunkt der Fachausbildung stehen.

Maßnahme 2: „Meisterabschluss auf Fachhochschulniveau“ Begründung: Die Meisterausbildung soll mit zusätzlichen Kompetenzen und Inhalten in Richtung Fachhochschulniveau aufgewertet und der Meistertitel auf Bachelorniveau angeboten werden. Das weiterführende Bildungsangebot in Richtung Fachhochschulniveau muss länderübergreifend angeboten werden. Alle höheren land- und forstwirtschaftlichen Schulen (HLFS) sollen in Zukunft die Möglichkeit für einen Meisterabschluss anbieten. An der Universität für Bodenkultur ist ein postgraduierter Masterstudienlehrgang (MSc) für Land- und Forstwirtschaft einzurichten.

Zur Ausarbeitung einer gemeinsamen Vorgangsweise mit den Bundesländern ist eine Arbeitsgruppe einzurichten, die bis Ende 2012 eine Reform ausarbeitet und ab 2013 deren Umsetzung begonnen werden kann.

Familienpolitische Maßnahmen

Maßnahme 3: „Land-, Forstund Ernährungswirtschaft als fixer Bestandteil in den Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen“

Begründung: Die bäuerliche Sozialversicherung gibt nicht nur eine optimale Grundversorgung für bäuerliche Familien, sie soll auch einen unterstützenden Beitrag bei der Hofübergabe leisten. Dies ist mit entsprechenden Anreizsystemen sowohl bei den Förderungen (Niederlassungsprämie, Investitionsförderung etc.) als auch mit steuerlichen und sozialrechtlichen Erleichterungen zu unterstützen.

Begründung: Im Bereich des allgemeinbildenden Schulwesens sollen die Lehrpläne insoweit entwickelt werden, dass Grundwissen über die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft und deren volkswirtschaftliche Bedeutung vermittelt wird.

Maßnahme 1: „Erleichterung der Hofübergabe durch sozialund steuerrechtliche Anreize“

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Energie und Umwelt

„Lenin hatte die Idee, dass man Wasser und Weißbrot praktisch verschenken muss. Als Folge wurden Schweine mit Weißbrot gefüttert. Wir müssen umschwenken – Nahrungsmittel brauchen einen entsprechenden Preis.“ Ernst Ulrich von Weizsäcker

Klima- und Energieforscher 21

weiden der Wiesen durch unsere Haustiere. Demgegenüber sucht die Wissenschaft unermüdlich nach neuen Technologien: Seit 40 Jahren träumen etwa die Nuklearphysiker davon mit der Kernfusion ein endloses Sonnenfeuer zu zünden. Bislang vergeblich. Generationenvertrag statt Ausbeutung von Ressourcen

Hermann Schultes, Umweltsprecher der ÖVP

Gestalten statt verbrauchen Wer in einen sonnendurchfluteten Wald geht, um ihm beim Wachsen zuzusehen, hat schon viel getan. Er kennt die unerschöpfliche Kraft, die Lebewesen aus der Sonne ziehen. Klar, dass nur geerntet werden kann, was zuvor gesät wurde und dann gewachsen ist. Wer in den Wald geht, versteht damit um ein Vielfaches mehr von Umwelt und Energie, als jemand der auf einer Bohrinsel in 6.000 Meter Tiefe nach Öl bohrt, das nie wieder nachwach22

sen wird. Zumal mit jeder Tiefbohrung die Einladung verknüpft ist, Ressourcen zu verschleudern als gäbe es kein Morgen. Weil es da ist, wird es verbraucht. Täglich mehr. Wohlstandswachstum und Ressourcenverbrauch gehen noch immer Hand in Hand. Würden 7 Milliarden Menschen so leben wie ein durchschnittlicher US-Amerikaner, bräuchten wir fünfmal die Reserven unserer Mutter Erde. Versorgung mit Lebensmitteln und Energie Seit in grauer Vorzeit aus Jägern und Sammlern sesshafte Acker-

bauern wurden, kultiviert der Mensch Pflanzen, die Sonnenlicht auf wundersame Weise in Brot verwandeln. Die Landwirtschaft weiß wie dieses Wachstumsprinzip funktioniert. Weil jedes bäuerliche Tun und Handeln darauf ausgelegt ist, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten, schaffen es die Landwirte immer mehr Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen.

Niemand erlebt die Endlichkeit der Ressourcen härter und eindringlicher als die Bauern. Jede Dürre, jeder Winter führt diese Endlichkeit – mitunter schmerzlich – vor Augen. Die Hoffnung auf neue Ernte darf nur hegen, wer sein Saatgut nicht aufisst, sondern aufbewahrt. Voreiliger, verschwenderischer Konsum würde

unmittelbar in den Ruin führen. Voraussetzung dafür ist, dass natürliche Grenzen eingehalten werden. Denn Sorglosigkeit gefährdet direkt unsere eigenen Lebensgrundlagen. Wer seine Heimat und Herkunft in der bäuerlichen Welt hat, weiß das. Bäuerliches Wirtschaften kennt damit nur einen Zugang: Schonung und Verbesserung der Grundlagen ist hier selbstverständlicher Generationenvertrag. Schuldlasten tilgen durch Sparen Damit ist die Land- und Forstwirtschaft eine exzellente Lehrmeisterin für verantwortungsvolles Wirtschaften. Völlig gegen jede Logik von Verantwortung und Nachhaltigkeit haben unsere Gesellschaften

Schuldlasten aufgehäuft, die kaum zu tilgen sind: Die Atmosphäre ist mit klimaschädlichem CO2 angereichert, Atomkraftwerke und Nuklearmüll werden immer noch da sein, wenn vergessen ist, wozu sie eigentlich betrieben wurden. Genauso wie horrende Staatsverschuldungen behindern, dass folgende Generationen aus eigener Kraft zu Wohlstand kommen. Was verbraucht ist, ist weg. Deshalb ist gute Land- und Forstwirtschaft vernünftig, verantwortlich und behutsam im Umgang mit Ressourcen.

Uralt ist die Bereitstellung von Lebensmitteln, je nach Nutzung auch von Energieträgern, Nichts anderes ist nämlich die bewusste Nutzung von Pflanzen und Bäumen durch Saat und Ernte, das Ab23

Verschwendung macht arm, Autarkie reich Der schonungslose Verschleiß von Rohstoffquellen und Lebensgrundlagen, genauso wie die Bodenversiegelung, sind lebensbedrohlich. Das wird immer mehr Menschen bewusst. Das Prinzip nachhaltigen Wirtschaftens, weiters Eigentum und persönliche Verantwortung sowie die wirkungsvolle Nutzung der eigenen Möglichkeiten ist heute nicht nur für uns Bauern Grundlage für Wohlstand und Weiterentwicklung. Viele Menschen denken in diesem umfassenden Sinne „bäuerlich“. Aus diesem Grundverständnis und angesichts der vorhandenen Möglichkeiten ist es unvernünftig, Energie aus

5.000 Kilometern Entfernung zu beschaffen und unterdrückerischen Regimen unsere Kaufkraft zu überlassen. Fossile Energieimporte widersprechen nicht nur der ökonomischen Logik, sondern dem bäuerlichen Denken und damit unserem Wertegebäude. Es wird Zeit, dass wir in den Wald und auf den Acker gehen und unseren Kulturen beim Wachsen zusehen und jeden Tag innovativ und fleißig daran arbeiten, diesen Reichtum den Menschen in unserer Heimat nutzbar zu machen. Unser politisches Programm kann nur darauf hinauslaufen, dass Menschen, die dieser Logik folgen, auch die Gewinner im Streben nach Wohlstand und Freiheit sind.

Positionen: • Wertschöpfung, Krisenvorsorge und Klimaschutz, Basisziele der Energiewirtschaft, waren für die Bauern immer schon Lebensgrundlage. Sie sind die Kernelemente eines über Generationen bewährten, nachhaltigen bäuerlichen Wirtschaftens.

Maßnahmen Maßnahme 1: „Umsetzung der EU 20-20-20 Ziele bis 2020 – Energieautarkie bis 2050“ • Steigerung des Anteils erneuerbarer Energiequellen bis 2020 auf 34 % • Reduktion der Treibhausgase bis 2020 um 16 % (Basis 2005) • Steigerung der Energieeffizienz Begründung: Der Energiebedarf steigt weltweit massiv an (bis 2050 um geschätzte 100 %). Bei Öl werden Preissteigerungen von 6,1 % jährlich erwartet (lt. WIFO). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert in den nächsten Jahren einen Preis von 200 Dollar, selbst die OPEC sieht den Ölpreis in Richtung 200 Dollar pro Barrel steigen: für eine dreiköpfige Familie in einem Haus mit Öl-

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heizung und Auto würde das jährliche Mehrkosten von 3.360 Euro betragen. Die Europäische Union - und damit Österreich - hat sich verpflichtet bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 20 % zu reduzieren (30 % im Rahmen eines internationalen Abkommens), den Gesamtanteil an erneuerbaren Energien auf 20 % zu steigern und die Energieeffizienz um 20 % zu erhöhen. Für Österreich bedeutet das eine Steigerung der erneuerbaren Energiequellen auf 34 % im Jahr 2020 und eine Reduktion der Treibhausgase um 16 % (Basis 2005 im Non-ETS-Bereich). Die „Energieautarkie“ für Österreich bis 2050 ist machbar (übers Jahr wird in Österreich nicht mehr Energie verbraucht, als erneuerbar hergestellt werden kann). Österreich kann so viel Energie erzeugen wie es selbst verbraucht, und das aus heimischen Ressourcen (allerdings erfordert dies eine Drittelung des Energieverbrauchs). Zur Erreichung der Energieautarkie bedarf es eines langfristigen Umbaus des heimischen Energie- und Wirtschaftssystems. Für den Bauernbund ist klar, dass ein Erreichen der Energieautarkie engagierte, klare und eindeutige politische Entscheidungen auf allen Ebenen erfordert. Das betrifft u.a. ökonomische Instrumente (z.B. Energiepreise), Vorschriften, Infrastrukturinvestitionen (v.a.

im Bereich Mobilität, Stromnetzinfrastruktur, Energiespeicher), verstärkte Energieforschungsanstrengungen, etc. Maßnahme 2: „Steigerung des Einsatzes erneuerbarer Energie im Wärmebereich – Novellierung des Mineralrohstoffgesetzes und des Umweltförderungsgesetzes“ • Umstellung von 40.000 bis 60.000 Wohneinheiten pro Jahr auf eine alternative Wärmeversorgung (Nah- und Fernwärme, Solarthermie, Biomasse) • Aufbringung der notwendigen Förderungsmittel durch eine Anhebung des Förderzinses, der für die Gewährung der Rechte für die Öl- und Gasförderung eingehoben wird. Begründung: Die Internationale Energieagentur in Paris (IEA) warnt seit Jahren vor einer Versorgungskrise bei Erdöl. Die Ölpreise sind seit 2009 schon wieder um fast 100 % gestiegen; der Gaspreis wird bald folgen. Derzeit werden in Österreich noch 1,7 Millionen Wohneinheiten mit Öl oder Gas geheizt. Demnach sind etwa 4 Millionen Menschen in Österreich direkt von den steigenden Öl- und Gaspreisen betroffen mit Mehrausgaben pro Wohneinheit

von 500 bis 2.000 Euro im Jahr. Für viele Familien sind die hohen Investitionskosten ein Haupthindernis für den Umstieg auf erneuerbare Energie im Wärmebereich. Deshalb braucht es neue Finanzierungsmodelle, um einen raschen Umstieg zu ermöglichen. Durch die Bereitstellung von jährlich 150 Mio. Euro sollen Investitionen von Privatpersonen für einen Nah- und Fernwärmeanschluss, für Solarkollektoren und für Biomasseheizungen gefördert werden (Investitionszuschuss für die Umstellung von 40 % bundesweit einheitlich). Die Aufbringung dieser Mittel soll durch eine Erhöhung des Förderzinses erfolgen, der für die Gewährung von Förderrechten für Öl und Gas in Österreich eingehoben wird. Die Bestimmungen dazu sind im Mineralrohstoffgesetz enthalten. Die Abwicklung der Fördermaßnahme soll durch eine Novelle des Umweltförderungsgesetzes geregelt werden. Der Bund als Eigentümer der Öl- und Gasvorräte in Österreich vergibt Förderrechte und hebt als Gegenleistung einen Förderzins ein; doch ist dieser so begrenzt, dass die Wertzuwächse durch höhere Weltmarktpreise für Öl und Gas zu vier Fünftel den Inhabern der Nutzungsrechte und nur zu einem Fünftel dem Eigentümer, also der Republik zu kommen. Es wird vorgeschlagen diese Mehreinnahmen zwischen Bund 25

und den Unternehmen gerechter zu verteilen und die dadurch erzielbaren Mehreinnahmen von 150 bis 200 Millionen Euro für die Finanzierung des Schwerpunktprogramms „Erneuerbare WärmeWohnen“ zu verwenden. Maßnahme 3: „Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugung auf Basis der gegebenen Potentiale“ • Umsetzung der Zielsetzungen des Ökostromgesetzes 2012 • Umsetzung von „Talschaftsmodellen“ bei Großwasserkraftwerken und großen Windkraftparks

• Ausbau der Netzinfrastruktur in Österreich gemäß den Erfordernissen durch den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung

ik- und Geothermieanlagen um jeweils 1,4 TWh (Potential aufgrund des Ökostromgesetzes 2012) bis zum Jahr 2020 gesteigert werden.

Begründung: Das Potenzial erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung in Österreich beträgt bis zum Jahr 2020 55,7 TWh. Das ist eine Zunahme von 14,4 TWh (Basis 2010). Dieser Ausbau ist zur Erreichung der europäischen Ziele, die für Österreich verbindlich gültig sind, dringend notwendig. So kann die Wasserkraft lt. Energie Österreich bis zum Jahr 2020 noch um 7 TWh ausgebaut werden. Die Stromproduktion aus Windkraftanlagen kann um 4,3 TWh, die Erzeugung aus Biomasse um 2,9 TWh und jene durch Photovolta-

Ungefähr 11 % des österreichischen Stroms werden in geförderten Ökostromanlagen (Windkraft-, Biomasse-, Photovoltaik-, Geothermie- und Kleinwasserkraftanlagen bis zu einer Leistung von 10 MW) erzeugt (Stand 2010). Bis 2020 sollen inklusive Großwasserkraft 85 % der Stromerzeugung durch erneuerbare Energieproduktion erreicht werden (derzeit 69 % mit Stand 2010). Voraussetzung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien sind stabile gesetzliche Bedingungen damit sich der Bau und Betrieb der Anlagen zur Erzeu-

gung erneuerbaren Stroms wirtschaftlich rechnet. Bei noch weiter von der Marktreife entfernten Technologien, wie etwa der Photovoltaik, muss verstärkt in Forschung & Entwicklung investiert werden. Durch die Einbindung der betroffenen Gebietskörperschaften bei der Errichtung von Großwasserkraftwerken und großen Windkraftpark soll die Akzeptanz der Bevölkerung für den Ausbau gehoben und ermöglicht werden. Maßnahme 4: „Entfall der Steuerbefreiungen für den Gastransport in Rohrfernleitungen“ • Energieabgabenvergütung nur noch für Betriebe, deren Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht • Keine Sonderstellung für Dienstleistungsbetriebe beim Transport fossiler Energieträger Begründung: In Österreich ist die für die Fortleitung und Speicherung von Erdgas verwendete Energie (Erdgas oder Strom) sowohl von der Erdgas- als auch von der Elektrizitätsabgabe zur Gänze befreit. Das Umweltbundesamt rechnet in den nächsten zehn Jahren mit einer Verdoppelung des Energieeinsatzes bei den für den Leitungsbetrieb notwendigen Verdichterstationen,

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die jetzt schon mehr Energie als die Eisenbahn verbrauchen. Der aus der Steuerbefreiung resultierende Steuerausfall würde damit von derzeit rund 25 Mio. auf bis zu 45 Mio. Euro im Jahr 2020 steigen. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde die österreichische Energieabgabenvergütung wieder auf produzierende Unternehmen eingeschränkt. Konsequenterweise müsste auch der Bereich der Verdichterstationen durch eine Änderung von Elektrizitäts- und Erdgasabgabegesetz aus der Vergütungsfähigkeit bzw. Steuerbefreiung gestrichen werden. Maßnahme 5: „Ausweitung der NOVA auf künftige Neu/ anschaffungen/zulassungen von Ölkesseln“ Begründung: Die Neuanschaffung von PKW´s unterliegt einer speziellen Zulassungsbesteuerung, der Normverbrauchsabgabe (NOVA.) Im Zuge mehrerer Novellen wurde bei der NOVA die ökologische Komponente durch ein CO2-Bonus-Malus-System gestärkt. Heizölkessel wurden bei diesen Ökologisierungsbestrebungen völlig ausgeklammert, obwohl ein durchschnittlicher Heizölkessel durch die Verbrennung von gefärbtem Dieselöl (= Heizöl) weitaus mehr CO2 emittiert als ein durchschnittlicher Diesel-PKW. Neu angeschaffte Öl-

kessel verursachen daher zusätzliche und vermeidbare CO2 Emissionen, die zusätzlichen Ankauf von CO2 Zertifikaten durch die Allgemeinheit erforderlich machen. Um diese Kosten jenseits von 2.000 Euro (je nach tatsächlichen CO2Zertifikatspreis auch entsprechend höher) zu ersetzen, ist beim Ankauf eine entsprechende NOVA vorzuschreiben. Maßnahme 6: „Regionale Produktion und regionale Nährstoffsysteme“ • Mineralische Nährstoffe, die den Böden entzogen und durch die Nahrung aufgenommen werden, sollten in Zukunft verstärkt im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wieder den Böden zugeführt werden. Begründung: Die natürlichen Vorkommen einzelner mineralischer Nährstoffe gehen zur Neige, damit muss die Wiedergewinnung dieser Nährstoffe in der Abfallwirtschaft ein Thema der Zukunft sein. Beispielsweise erwartet man ein Versiegen des für die Landwirtschaft unverzichtbaren Nährstoffs „Phosphor“ bis 2040. Diese Entwicklung erfordert die rasche Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts der regionalen Produktion und Versorgung mit Nährstoffen für die Land- und Forstwirtschaft. 27

Jugend und Europa

„Unsere Landwirtschaft ist die Herzkammer der europäischen Integration. Von ihr lebt Europa – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Jerzy Buzek

EU-Parlamentspräsident, Brüssel

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zu wollen. Fragt man nach der größten Bedrohung des ländlichen Raums, stellt er sich folgend dar: die Jungen gehen, die Alten bleiben, der ländliche Raum leert sich. Der demographische Wandel ist eine Herausforderung, der man mit klugen Maßnahmen begegnen muss. Vor allem braucht die Jugend Perspektiven, um sich ein Auskommen am Land vorstellen zu können. Und die Jugend braucht Anreize, damit ihre Innovationslust am Land ein treibender Motor bleibt.

Elisabeth Köstinger, Vizepräsidentin des Bauernbundes

Die Jugend ist unsere Zukunft Um die Zukunft abzusichern, müssen wir in die Jugend investieren. Das höchste Gut, welches wir der nächsten Generation mitgeben können, sind Wissen und Können. Hier setzen auch die Programme der Europäischen Union an. Es ist ein Grundsatz der EU, dass Kinder innerhalb des EU-Raumes Anspruch auf einen Schulbesuch sowie einen rechtlichen Anspruch auf kostenlosen Sprachunterricht haben. Darauf aufbauend stehen im aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen sieben Milliarden Euro 30

an EU-Geldern für Bildungsprogramme zur Verfügung: Comenius, Erasmus, Leonardo da Vinci und Grundtvig. Diese vier Einzelprogramme der Aktion ‚Lebenslanges Lernen‘ decken alle Lebensabschnitte, von der Schulzeit über die Hochschulzeit bis hin zu den Berufsjahren, ab. Ergänzend dazu besteht für unsere Jugend die Möglichkeit, durch den Europäischen Freiwilligendienst Erfahrungen im EU-Ausland zu sammeln und so die Vielfalt der gemeinsamen Union zu erfassen. Denn internationaler Austausch fördert das Wissen um andere Kulturen, überwindet Sprachbarrieren und belebt die Viel-

falt der EU. Diese Bildungs-Programme stärken die Europäische Jugend, sie sind Investitionen in das Kapital der Zukunft: Bildung. Friedvolles Zusammenleben, grenzenlose Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit, Wahlfreiheit und Chancengleichheit sind Attribute der Europäischen Union, die nicht immer selbstverständlich waren und denen das Wissen um eine gemeinsame Vergangenheit und das Wollen um eine gemeinsame, sichere Zukunft zugrunde liegen.

Die Gestaltungsfreude am Land geht Hand in Hand mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU: Die Landund Forstwirtschaft sichert einerseits jeden dritten Arbeitsplatz am Land, gleichzeitig werden unzählige Projekte zur Entwicklung des Ländlichen

Raums durch die GAP ermöglicht. Das Leader-Programm beispielsweise spricht alle Aktiven am Land an. Denn durch den Leader-Ansatz werden nicht Programme vorgegeben, sondern wird die Verantwortung auf die Regionen übertragen. Die Ideen kommen von den Dörfern und Gemeinden selbst und spannen den Bogen von sozial, bis wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig. Es ist klar: zu lebenswerten Regionen gehören Bauernhöfe und die Betriebe. Die Anerkennung durch EU-Programme und durch die Einbettung in die Gemeindeentwicklung macht den Beruf auch in Zukunft attraktiv. Die Generationenfrage rückt immer mehr in den Mittelpunkt der Diskussionen im Europäischen Parlament. Nur

sechs % aller Bauern in Europa sind jünger als 35 Jahre. Alle künftigen Reformschritte der Gemeinsamen Agrarpolitik müssen Antworten auf diese Fragen geben. Es braucht ein Maßnahmenbündel für Hofübernehmer, welches Niederlassungen, berufliche Qualifikation und die Übergabebereitschaft der Elterngeneration fördert. Die junge landwirtschaftliche Generation soll auch in Zukunft mit Begeisterung die Höfe übernehmen können. Europa darf nicht Gefahr laufen, der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum ihre Bedeutung als wichtigste Lebensgrundlage der Bürger abzusprechen. Es geht um die Lebensmittelsicherheit für 500 Millionen Europäer und um 30 Millionen Arbeitsplätze.

Die Jugend am Land hat eine besondere Stellung. Denn entgegen allen Trends zeichnet sie der Mut aus, ihre Zukunft im ländlichen Raum gestalten 31

Maßnahmen

Positionen: • Eine Gesellschaft, die nicht in die Geisteskraft, Kreativität und Dynamik der Jugend investiert, gibt sich selbst auf. • Die Jugend verleiht dem Werk der älteren Generation die Würde und den Wert, indem sie selbst die Verantwortung für die Bestellung des Hofes übernimmt. • Die Europäische Land- und Forstwirtschaft mit der gesamten Wertschöpfungskette ist ein bedeutsamer Wirtschaftsmotor und hat eine tragende Beschäftigungsfunktion.

• Österreich profitiert gesamthaft von den EU-Geldern für die Ländliche Entwicklung. Lebendige ländliche Räume sind wichtig für alle Wirtschaftssektoren.

Maßnahme 1: „Nachhaltige Positionierung der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU-Politik zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit in Europa“ – Die GAP als Schlüsselbereich der Gemeinschaftspolitik“ • Beibehaltung des bewährten Zusammenspiels der ersten und zweiten Säule – Direktzahlungen sowie Sicherung eines flächendeckenden Agrarumweltprogramms und Entwicklung eines Programms für Berggebiete und benachteiligte Gebiete. • Weiterführung Schwerpunkt „Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft“.

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Begründung: Nur eine gemeinsame europäische Agrarpolitik kann auch in Zukunft eine flächendeckende, nachhaltige und multifunktionale Landwirtschaft sicherstellen und die gesellschaftlich anerkannten Mehrleistungen für Umwelt- und Klimaschutz garantieren. Darüber hinaus muss die GAP auch in Zukunft der Vielfalt der Landwirtschaft in den 27 EUMitgliedstaaten Rechnung tragen und eine Produktion in allen Regionen – vor allem auch in den Berggebieten – sicherstellen. Die EU-Ausgleichs- und Leistungszahlungen an die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sind ein unverzichtbarer Bestandteil für die bäuerlichen Einkommen in Österreich und müssen weiterhin als Ausgleich für höhere Standards und höhere Produktionskosten gewährt werden. Die globalen Herausforderungen wie z.B. das Bevölkerungswachstum, die Landverknappung, die Klimaveränderung, der zunehmende Wassermangel oder die Landflucht, fordern die Politik im Bereich des Erhalts der Ernährungssouveränität oder der Belebung des Ländlichen Raums. Die GAP – mit ihrer 2-Säulenstruktur – muss auch in Zukunft die landwirtschaftliche Produktion in Europa flächendeckend ermöglichen und den Ländlichen Raum beleben.

Maßnahme 2: „Sicherung des EU-Agrarbudgets innerhalb des EU-Gesamthaushaltes: Anpassung des mehrjährigen Finanzrahmens an den gestiegenen politischen Anforderungen • Aufstockung des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU für den Zeitraum 2014 bis 2020 gegenüber dem Finanzrahmen von 2007 bis 2013, damit die beschlossenen Mehrleistungen abgegolten werden können. • Sicherung des Anteils des Agrarbudgets am EU-Gesamthaushalt. Begründung: Die gemeinsame Agrarpolitik war von Beginn an eine tragende Säule der Europäischen Einigung. Nach den bitteren Erfahrungen und Leuterungen im vergangenen Jahrhundert war und ist die ausreichende Versorgung der Bevölkerung an Lebensmitteln ein existenzielles Anliegen der Europäischen Union. Heute ist es selbstverständlich, mit wenig Aufwand und kurzen Distanzen aus einer Fülle von Lebensmitteln wählen zu können. Basis dafür ist vor allem die gemeinsame Strategie in der EU-Agrarpolitik. Als existenzieller Politikbereich ist die Agrarpolitik gemeinschaftlich auf EU-Ebene geregelt - entspre-

chend groß ist der Anteil am EUBudget. Die gesamte europäische Politik steht vor großen Herausforderungen im Bereich der Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Unter täglicher Belastungsprobe muss die Europäische Union der maßgebliche Verantwortungsträger für die – mittlerweile auf 27 Mitglieder herangewachsene – Staatengemeinschaft sein. Um das Funktionieren der Union weiterhin garantieren zu können, braucht es einen ausreichenden EU-Finanzrahmen, der den gestiegenen Anforderungen an die EU-Politik und den erweiterten Verantwortungsbereichen Rechnung trägt. Nur durch einen ausreichenden Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 kann auch der Agrarpolitik in Zukunft derselbe hohe Stellenwert zugesichert werden. Maßnahme 3: „Initiative für die Errichtung eines Europäischen Bauernbundes im Sinne eines parlamentarischen Agrarklubs, als politische Basis für die Bündelung aller bäuerlichen Kräfte.“ • Ausbau der agrarpolitischen Aktivitäten auf europäischer Ebene durch eine aktive Vernetzung der bäuerlichen Interessen; Positionierung junger Agrarpolitiker innerhalb der Europäischen Volkspartei

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Begründung: Die GAP kommt politisch wie budgetär immer mehr unter Druck. In der laufenden Periode können die bäuerlichen Interessen vor allem aufgrund des Einsatzes von engagierten Bauernvertretern auf allen politischen Ebenen gut verteidigt werden. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, braucht es mehr junge, starke Bauernvertreter in den politischen Entscheidungsgremien. Es müssen neue Netzwerke geschaffen und besonders junge Hofübernehmer zum politischen Engagement angeregt und entsprechend unterstützt werden. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die demokratische Position des EU-Parlaments als Gesetzgeber weiter gestärkt. Die europäische Integration wird weiter

voranschreiten und die politischen Entscheidungen auf EU-Ebene zunehmen. Angesichts dieser Entwicklung ist es unverzichtbar, dass die politische Arbeit für Österreichs Bauern auf EU-Ebene weiterentwickelt und ausgeweitet wird. Ein solcher Schritt erzwingt eine Neuausrichtung der Bauernbundorganisation in Österreich einhergehend mit organisatorischen, strukturellen etc. Anpassungen. Der Bauernbund in Österreich ist aufgerufen, eine Strategie sowie deren Umsetzung für diese Weiterentwicklung zu erstellen und gemeinsam mit Partnern auf EU-Ebene die Errichtung eines Europäischen Bauernbundes im Sinne eines parlamentarischen Agrarklubs zu verwirklichen.

Maßnahme 4: „Mehr Europapolitik im Rundfunk - Reform der Zuwendungen an den ORF“ • Der Rundfunk in Österreich soll dazu angeregt werden, mehr über die EU-Politik zu berichten (z.B. Mindestsendezeiten pro Nachrichtenblock, ein eigenes Magazin pro Woche etc.) und damit dem Wunsch der Bevölkerung nach objektiven Informationen Rechnung getragen werden. Begründung: Zur optimalen Steuerung dieser Zielsetzung sollten die Fernseh- und Radiogebühren künftig zielorientierter eingesetzt werden. Das derzeitige System der Einnahmenlukrierung aus

den Gebühren für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk sollte gründlich überarbeitet werden. Die Verwendung des Rundfunkbeitrages sollte nach ganz konkreten Kriterien erfolgen, etwa dem Angebot an qualitativen Produkten im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Auftrags. Die Festlegung der Kriterien sollte jedenfalls durch ein unabhängiges Expertengremium vorgenommen werden. Lt. einer Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) zu „15 Jahre EUMitgliedschaft Österreichs“ vom März 2010 (752 Befragte) meinten 71 % der Befragten, dass die Europäische Union das Wirtschaftswachstum gefördert hat. In Bezug auf die EU-Berichterstattung im ORF fordert eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, nämlich 91 %, dass der ORF häufiger darstellt, wie sich EU-Entscheidungen auf Österreich auswirken, 70 %, dass der ORF öfter Diskussionen über die EU sendet und 70 %, dass der ORF ein regelmäßiges EU-Journal ausstrahlt. Maßnahme 5: „Investitions- und Bildungsoffensive für Hofübernehmer im Rahmen der GAP (Ländliche Entwicklung)“ • Ausbau des Bildungsbonus-Systems in der Niederlassungsprä-

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mie von einem derzeit 2-stufigen System zu einem 3-stufigen System. 1. Stufe Facharbeiterausbildung, 2. Stufe Meisterausbildung, 3. Stufe Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen in den auf die Investition folgenden Jahren, wie bspw. Betriebsbuchführung mit Arbeitskreisberatung. • Erhöhung des Fördersatzes in der Investitionsförderung für Hofübernehmer bis 40 Jahre. Die technischen und organisatorischen Anforderungen an junge Hofübernehmer nehmen laufend zu. Nur wer über modernste Technik und spezialisiertes Wissen für Produktion, Vermarktung etc. verfügt, kann künftig am Markt bestehen. Begründung: Lt. Agrarstrukturerhebung 2007 sind mehr als die Hälfte (60,4 %) der bäuerlichen Betriebsführer zwischen 35 und 54 Jahre alt und nur 9,3 % jünger als 35 Jahre. Der Anteil der unter 35-Jährigen sinkt stetig (2005: 10,5 %; 1999: 15,3 %). Im EU Vergleich liegt Österreich damit zwar im europäischen Spitzenfeld, trotzdem braucht es verstärkt Maßnahmen, um die Entwicklung der Altersstruktur in Zukunft positiv zu beeinflussen, va. um die natur- und strukturbedingten Benachteiligungen der heimischen Bauernhöfe bestmöglich abfedern zu können.

Aus den statistischen Daten (Agrarstrukturerhebung 2005) ist ersichtlich, dass nur 18,9 % der Betriebsleiter eine fachliche Grundausbildung und 26,8 % eine umfassende Fachausbildung aufweisen (Facharbeiter, Meisterprüfung, land- und forstwirtschaftliche Bundeslehr-anstalt bzw. Universität). Mehr als die Hälfte (54,3 %) führt den Betrieb mit vorwiegend praktischen land- und forstwirtschaftlichen Erfahrungen. D.h. der Anteil der Betriebsführer mit agrarischer Ausbildung muss ausgebaut und in Zukunft forciert werden. Die Zeitspanne bis zur aktiven Hofübernahme wird immer länger, währenddessen sind viele potentielle Hofübernehmer außerhalb der Landwirtschaft tätig. Es ist daher sicherzustellen, dass im Informations- und Weiterbildungsbereich der Kontakt dieser zukünftigen Betriebsleiter zur Landwirtschaft erhalten bleibt und das Wissen stets am neusten Stand bleibt. Es sind aus diesem Grund speziell Weiterbildungsmaßnahmen für Jungübernehmer und die ländliche Jugend gezielt über das Programm der Ländlichen Entwicklung zu fördern.

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Land- und Forstwirtschaft und Ländlicher Raum

„Wir müssen dafür sorgen, dass allein in der EU 500 Millionen Menschen essen können. Es geht nicht, dass wir in der Landwirtschaft weniger produzieren. Wir können nicht wieder die Kerze anzünden und nur noch mit dem Fahrrad fahren.“ Joseph Daul

Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Straßburg 37

bildung und Rahmenbedingungen sollen auch jungen Menschen das Bauersein attraktiv machen. Unternehmerische Tätigkeit darf nicht durch Bürokratie oder Steuerlasten, etwa Vermögenssteuern, behindert werden. International kompetent

Gerhard Wlodkowski, Präsident Landwirtschaftskammer und Fritz Grillitsch, Präsident Bauernbund

Österreichs Bauern haben Zukunft Lebensmittelversorgung und flächendeckende Landwirtschaft stehen im Fokus der EU für die kommende GAP-Periode. Die Bevölkerungsentwicklung ist die zentrale Herausforderung für die weltweite Lebensmittelversorgung. OECD und FAO wollen die Produktivität der Landwirtschaft weltweit erhöhen und messen Familienbetrieben eine steigende Bedeutung zu, damit 2050 der Lebensmittelbedarf von 9 Milliarden Menschen gestillt werden kann.Klimawandel und 38

die steigenden Produktionskosten sind in der Agrardiskussion große Zukunftsthemen. Mittelfristig ist mit steigenden Preisen für agrarische Produkte und erhöhter Nachfrage zu rechnen. Lebensmittel - hochqualitativ und leistbar Die Österreicher sind heute mit einem großzügigen Angebot an Lebensmitteln versorgt. Dank steigender Einkommen und der Leistungsfähigkeit unserer Bauern entfallen nur etwa 12 % des Haushaltsbudgets auf Nahrungsmittel. Die Basis dafür ist eine flächende-

ckende Landwirtschaft, die nicht nur in Gunstlagen, sondern auch in benachteiligten Gebieten jede verfügbare Agrarfläche zu nutzen weiß.

Der internationale Wettbewerb auf den Agrarmärkten ist vermehrt spürbar und erfordert hohe Kompetenz in allen Sektoren. Österreichs Bauern brauchen eine leistungsfähige Lebensmittelverarbeitung: vom kleinen Familienbetrieb bis hin zu den international aufgestellten Markenartiklern. Erstrebenswert sind neue Kooperationsformen zwischen Bauern

und Gewerbetreibenden. Starke Erzeugergemeinschaften, Genossenschaften und Verarbeitungsbetriebe, aber auch staatliche Qualitätsprogramme (AMA-Gütesiegel) sind für die Bauern wichtiger denn je. Der Wertschöpfungsmotor treibt im ländlichen Raum einen Wirtschaftsstandort an, der Arbeitsplätze nicht nur sichert und schafft, sondern den ländlichen Raum auch lebenswert und vital erhält. Steigende Bedeutung kommt dem vergleichsweise neuen Standbein der dezentralen Energieversorgung zu. Ländliche Entwicklung Viele Betriebe, speziell im Nebenerwerb und in den Berggebieten,

erwirtschaften aus der Marktproduktion kein ausreichendes landwirtschaftliches Einkommen. Dennoch sind ihre Leistungen und die der heimischen Forstbetriebe zur Erhaltung unserer beeindruckenden Kulturlandschaft und regionalen Siedlungsstrukturen unverzichtbar. Gerade für diese Betriebe braucht es die bewährten Programme der ländlichen Entwicklung. Weil Österreichs Bauern bei der Bevölkerung höchstes Vertrauen genießen, ist ihnen auch eine planbare Zukunft sicher. Neben dieser positiven Grundhaltung ist die Land- und Forstwirtschaft auf die Unterstützung durch EU, Bund und Länder angewiesen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Die Bauern in Österreich haben in den letzten Jahrzehnten große Veränderungen erlebt. Dies zeigt sich an der Zahl der Höfe, am Produktivitätsfortschritt in Bezug auf Leistungsniveaus, am Arbeitskräfteeinsatz gepaart mit Arbeitsteilung und Spezialisierung. Der technische Fortschritt ist nicht aufzuhalten neben der immer besseren Ausbildung ist er die Haupttriebfeder des Wandels. Bestmögliche Aus39

Maßnahmen

Positionen: • Globale Entwicklungen und die Interessen der EU sprechen dafür, dass unserer Landwirtschaft in Zukunft ein höherer Stellenwert zukommt. Bis 2050 werden laut Studien der FAO bis zu 70 % mehr Lebensmittel für die Weltbevölkerung benötigt. • Der Schutz des Eigentums steht im Zentrum der politischen Arbeit des Bauernbundes und ist eine unabdingbare Position. • Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Der Weg hin zu einer CO2-armen Wirtschaft muss rasch beschritten werden. Die Land- und Forstwirtschaft ist dabei auch Teil der Lösung, weil sie die nachwachsenden Rohstoffe produziert, die eine Substitution von Materialien ermöglicht, bei deren Produktion und Verwendung große Mengen an CO2 in die Atmosphäre entweichen. • Der Bauernbund steht für die konsequente Weiterentwicklung einer nachhaltigen bäuerlichen Land- und Familienforstwirtschaft in Österreich. Das Konzept einer industriellen Landwirtschaft wird abgelehnt. • Die Sozialversicherung der Bauern dient unverzichtbar der sozialen Absicherung der bäuerlichen Familienbetriebe. 40

• Im Zuge der Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Agrarpolitik ist darauf zu achten, dass der Vertrauensschutz für Investitionen in der Land- und Forstwirtschaft gewahrt bleibt. • Das AMA-Gütesiegel hat sich in Österreich als Qualitätskennzeichen bestens bewährt und wird von den Konsumenten geschätzt. Eine Ausweitung des AMA-Gütesiegels wird unterstützt, insbesondere im Gastronomiebereich. • Die Land- und Forstwirtschaft in Österreich muss entsprechend der natürlichen Gegebenheiten weiterentwickelt werden (Standortangepasste Produktion). • Unabhängige Studien bestätigen – die österreichische Agrarpolitik ist erfolgreich: In Österreich wachsen die ländlichen Gebiete stärker als die städtischen Regionen (Wertschöpfung). • Immer weniger Menschen haben direkten Kontakt mit der Land- und Forstwirtschaft. Erfolgreiche Unterrichtsprogramme (z.B. „Schule am Bauernhof“) in den Schulen (Kindergarten, Volksschulen) und waldpädagogische Führungen verlaufen erfolgreich und müssen weiter ausgebaut werden.

Prioritär ist die Absicherung der Finanzierung (EU und national) der Programme. Maßnahme 1: „Nachhaltige Steigerung der Produktion der Land- und Forstwirtschaft in Österreich“ • Wissen und Kompetenz sollen verstärkt werden, damit die Chancen in der Land- und Forstwirtschaft optimal genutzt werden können. Bildung und Beratung sind der elementare Schlüssel zum Erfolg. Mehr unternehmerisches Denken und Handeln am Bauernhof. • Ein neues bäuerliches Selbstverständnis mit einem höheren Ausbildungsniveau und mehr Unternehmerkompetenz • Erhöhung der Mittel für die agrarische Forschung mit dem Ziel die nachhaltige Produktivität der landwirtschaftlichen Produktion zu steigern bei gleichzeitigem Ausbau der ökologischen Produktionsweise und Sicherstellung der Biodiversität bzw. Multifunktionalität im Forst. Ausarbeitung eines konkreten Forschungsplans in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur und Einbeziehung des Bundes-

forschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW) und der Kooperationsplattform Forst Holz Papier im Bereich der Waldbewirtschaftung. Koppelung der Forschung an die Praxis (Ausbau der angewandten Forschung). Sicherstellung der Unabhängigkeit der landwirtschaftlichen Produktion von den globalen GVO-Saatgutherstellern (Fixierung des GVO-freien Anbaus in Österreich. Begründung: Österreich steht vorbildhaft für eine nachhaltige und klimafreundliche Land- und Forstwirtschaft innerhalb der EU. Laut Einschätzung der Wissenschaft in mehreren Mitgliedstaaten der EU, müssen die Forschungsanstrengungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft in Zukunft verstärkt werden, will man dem steigenden Nahrungsmittel- und Rohstoffbedarf auf den Weltmärkten unter Berücksichtigung von ökologischen und klimaschutzrelevanten Aspekten entsprechen. Damit Österreichs kleinteilige und weitgehend in benachteiligten Gebieten nachhaltig wirtschaftende, Familienbetriebe zukunftsorientiert bleiben - bei gleichzeitig schärfer werdenden globalen Anforderungen - sind die agrarische Forschung, die Bildung und Beratung auszubauen und entsprechend budgetär zu bedecken.

Maßnahme 2: Modernisierung des Agrarsektors, Forcierung von Innovationen. Teilbereich: „Stallbauoffensive für tierhaltende – und Ausbau der Lagerkapazitäten für landwirtschaftliche Betriebe sowie Sicherung des Forststraßenbaus in Österreich“ • Erhöhung der jährlichen Stallneu- und Umbauten auf 2.500 pro Jahr mit besonderem Fokus auf jene Betriebe, die aufgrund des Tierschutzgesetzes in Bedrängnis kommen (Verbot der dauernden Anbindehaltung im Rinderbereich, Umstellung auf Gruppenhaltung etc. in der Sauenhaltung). Für Bauten, die überwiegend in Holz ausgeführt werden, ist dabei ein deutlich höherer Fördersatz im Rahmen der Investitionsförderung anzusetzen. • Ein durchschnittlicher jährlicher Forststraßenbau von rund 300 km zur Gewährleistung der vielfältigen Waldfunktionen ist über eine Investitionsunterstützung sicherzustellen. Begründung: Die Basis für eine wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Produktion in Österreich und der Verbleib von Bauernfamilien auf ihren Höfen sind wettbewerbsfähige Produktions-

stätten insbesondere im Tierbereich, zumal die tierschutzrechtlichen Bestimmungen ständig verschärft werden. In Österreich stehen viele tierhaltende Betriebe vor der Herausforderung, neuere Tierschutzbestimmungen zu erfüllen (Schweinehaltung) und Umbauten vorzunehmen. Hierbei sind hohe Investitionen in den kommenden Jahren notwendig. Die kleinstrukturierten Betriebe sehen sich oft außer Stande, teure bauliche Investitionen vorzunehmen, ohne sich dabei übermäßig zu verschulden. Eine solche Bauoffensive erfordert eine deutliche Erhöhung der Investitionsförderung innerhalb der Agrarprogramme für Österreichs Landwirtschaft. Holz ist jener Baustoff, der häufig den Betrieben direkt zur Verfügung steht und zudem je Kubikmeter zwei Tonnen CO2 speichert und substituiert. Die Sicherstellung einer nachhaltigen und umweltgerechten Holzproduktion sowie der vielfältigen Waldfunktionen im Sinne der Umwelt und der Gesellschaft ist nur über ein entsprechend ausgebautes Forststraßennetz zu gewährleisten. Diese hohen Investitionen sind über eine entsprechende Förderschiene abzufedern.

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Maßnahme 3: „Absicherung der Eigenversorgung mit heimischen Lebensmitteln – Verbesserung der Wettbewerbsposition österreichischer Produkte bzw. Erhöhung des Selbstversorgungsgrades in jenen Sektoren, die derzeit eine Unterversorgung aufweisen und durch die heimische Produktion gedeckt werden können“ • Herkunfts- und Qualitätssicherungssysteme im Rahmen des AMA-Gütesiegels weiter ausbauen. • Klare Positionierung und Stärke der österreichischen Lebensmittel forcieren – Schwerpunkt Regionalität.

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• Wertschätzung für Lebensmittel und der vielfältigen gesellschaftlichen Leistungen der Land- und Forstwirtschaft in der Bevölkerung erhöhen. • Weiterführung der Exportoffensive bei traditionell erfolgreichen Produktbereichen (Milch, Fleisch etc.). • Erhöhung des Selbstversorgungsgrads bei: Obst (derzeit bei 69 %) Gemüse (derzeit bei 60 %) Schaf- und Ziegenfleisch (derzeit bei 72 %) Ölsaaten (derzeit bei 49 %) Begründung: Die Globalisierung der Agrarmärkte bringt eine zu-

nehmende Abhängigkeit der heimischen Lebensmittelversorgung von Produkten, die außerhalb der EU erzeugt werden (Komparativer Kostenvorteil in den Schwellenländern). Andererseits wird ein verschärfter Kampf um verfügbare und leistbare Lebensmittel in den kommenden Jahrzehnten erwartet (70 % mehr Nahrungsmittelnachfrage 2050; Klimaveränderung, Wassermangel etc.). Österreich soll hier vorsorgen. Der heimische Konsument achtet derzeit beim Einkauf – wie in kaum einem anderen EU-Mitgliedstaat – auf die Herkunft der Lebensmittel, auch wenn deren Preise über jenen von importierten Produkten liegen. Das eröffnet Marktchancen für landwirtschaftliche Produkte aus Österreich. Durch spezielle Beratungs-, Vermarktungs- und Umstellungsprogramme sollen die heimischen Bauern dazu angeregt werden, sich auch in jenen Bereichen zu engagieren, wo Marktchancen existieren bzw. neue Märkte bedient und erschlossen werden können.

Maßnahme 4: „Sicherung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion in Form von neuen Betriebskooperationen vor allem in benachteiligten Gebieten“ • Absicherung der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und Erhalt der Kulturlandschaft im benachteiligten Gebiet mit großer Abwanderungsgefahr bzw. hoher Gefahr für Betriebsaufgaben. • Die Ausgleichszulage für die Berggebiete und Benachteiligten Gebiete ist das zentrale Instrument zur Aufrechterhaltung der Bewirtschaftung dieser Gebiete Begründung: Viele land- und forstwirtschaftliche Betriebe - speziell in stark abwanderungsgefährdeten Gebieten bzw. in Gebieten mit einer sehr kleinteiligen Landwirtschaft – werden nur deshalb weitergeführt, weil die Bauernfamilien außerlandwirtschaftliches Einkommen erarbeiten (deutlich über 50 %). Die Zukunft dieser Betriebe bzw. eine erfolgreiche Hofübernahme durch die nachkommende Generation (erfordert den Erhalt eines angemessenen Wohlstandes) kann dadurch verbessert werden, indem eine neue Kultur der Betriebskooperationen etabliert und unterstützt wird. Die Entlastung der Bewirtschafter durch eine Optimierung der landund forstwirtschaftlichen Produkti-

on auf Basis der bestehenden Betriebsstrukturen, kann zum Erhalt der Wohn- und Betriebsstätten, der Schaffung eines attraktiven Zusatzeinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft und somit zum Verbleib der Bauernfamilien in den genannten Gebieten beitragen. Hierfür sind Forschungsprojekte zu initiieren und neue Förderungsmodelle bzw. Maßnahmen auszuarbeiten. Maßnahme 5: „Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energiequellen und Maßnahmen zur Holzmobilisierung“ • Steigerung der Erzeugung von erneuerbarer Energie (z.B. Kleinwasserkraft, Windkraft, Photovoltaik) in Form von Kooperationen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe – dezentrale Versorgungslösungen. • Maßnahmen zur Holzmobilisierung durch eine entsprechende Verankerung in der LE 2014+ und damit Sicherstellung der Versorgung mit dem Roh- und Wertstoff Holz für die stoffliche - und bei steigender Nachfrage nach Biomasse für die energetische Verwertung. Begründung: Österreich strebt bis 2050 das Ziel der Energieautarkie an. Dies erfordert besondere Anstrengungen in der Nutzung

von erneuerbaren Energiequellen (Nutzung der natürlichen Gegebenheiten wie Sonne, Wasser, Wind etc.) sowie der Bereitstellung von ausreichend Biomasse. Der Bauernbund geht davon aus, dass künftig verstärkt Programme zur Umstellung fossiler auf erneuerbare Energieträger im Wärmebereich forciert werden. Eine Verknappung der Biomasse – vor allem, weil bestehende Potentiale nicht genutzt bzw. ausgebaut werden – würde die Preise für Biomasse übermäßig steigen lassen und eine positive Entwicklung hin zu mehr heimischen Energiequellen bremsen. Im Bereich der forstlichen Biomasse führt die verstärkte Aufbringung über die Nutzung der vorhandenen Potentiale bei Sägerundholz, weil damit zusätzlich das Koppelprodukt Energieholz im Forst und im Sägebetrieb sowie Biomasse über die kaskadische Nutzung anfällt. Durch wirksame Maßnahmen zur Holzmobilisierung (z.B. Stärkung forstlicher Zusammenschlüsse, Walderschließung, Aus- und Weiterbildung) soll ausreichend Rohstoff für die stoffliche und energetische Nutzung bereitgestellt werden, der zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar ist. Die Holz verarbeitende Industrie zählt zu den exportstärksten Branchen. Der Standort Österreich für die Säge, Papier- und Plattenindustrie soll ebenfalls abgesichert werden. 43

Regional- und Kommunalpolitik

„Mit den 70er Jahren sind wir in einen Versorgungsstaat hineingekommen. Je zentralistischer ein System geführt wird, umso mehr wird der Einzelne bevormundet. Je föderalistischer, umso mehr Chance hat das menschliche Maß.“ Erwin Pröll

Landeshauptmann von Niederösterreich 45

Vom Bauerndorf zum Dorfbauern Mit dem Rückgang der Landwirtschaft hat sich freilich das Bild des Dor fes geändert. Oft herrscht schon der Nebenerwerb vor. Es fehlt das Engagement für notwendige Gemeinschaftsaufgaben und Kulturleistungen. Alteingesessene Dor fwirtshäuser sterben, die Einkaufsmöglichkeiten dünnen aus, der nächste Arzt ist weit weg. Selbst Städter, die am Wochenende in Scharen aufs Land ziehen, merken, dass der Charme des ländlichen Raumes verlorenzugehen droht. Parallel wird das Dor f zur Schlafstätte.

Johannes Schmuckenschlager, Vizepräsident des Bauernbundes

Wer an die Zukunft denkt, hat auch eine Durch Jahrhunderte war die Landwirtschaft der einzig prägende Faktor für den ländlichen Raum. Die Leistungen der Bauern wurden von der Bevölkerung geschätzt und anerkannt. Der Bauer erfüllte wichtige Aufgaben der Ernährungssicherung. Indem die Bauern die Landwirtschaft als älteste Kulturtechnik beständig verbesserten, schufen sie eine vielgestaltige Landschaft.

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Drehscheibe Landwirtschaft Heute ist das Zusammenwirken aller Berufsstände im ländlichen Raum eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung. Der bäuerlichen Landwirtschaft kommt trotz der anhaltenden Verstädterung weiterhin eine zentrale Funktion zu. Ohne Bauern verliert das Land seine „Seele“. Selbst wenn die Landwirtschaft nicht allein die Zukunft der Dörfer sichern kann, bleibt sie doch die zentrale Drehscheibe für sämtliche Wirtschaftskreisläufe

Sinnvolle Regionalpolitik Die Urbanisierung dauert an: Zwei Drittel der österreichischen Gemeinden kämpfen mit steigender Abwanderung. Damit ergeben sich Probleme in den sogenannten Abwanderungsregionen und in den Ballungszentren. Wo liegen nun die Chancen für entlegene Gebiete wie das Waldviertel, die Obersteiermark oder Osttirol? Es zeichnet sich ein kräftiger Gegentrend hin zur Regionalität ab. Heute wissen viele Menschen: Funktionierende ländliche Räume sind ein ungeheurer Schatz, den es zu hüten gilt. Vernünftige Raumordnung und Regionalpolitik muss

deshalb die Strukturen ausbauen. Erst ausgebaute Verkehrsnetze als Versorgungsadern für das ganze Land, gezielte Betriebsansiedelungen, regionale Energieversorgungskonzepte und eine digitale Infrastruktur schaffen Perspektive und setzen ein Gegengewicht zur Landflucht. Bestmögliche gleichwertige Lebensbedingungen für die ländliche Bevölkerung sorgen dafür, dass die Ressourcen in ihrer heutigen Dichte zukunftsfähig erhalten bleiben und weiterentwickelt werden können. Weil flächendeckende Landwirtschaft nicht nur die Basis ist für ein Österreich wie wir es uns vorstellen, sondern das Lebensgefühl vieler Österreicher widerspiegelt.

und Wertschöpfungsketten. Landund Forstwirtschaft sichern rund 500.000 Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich. Allen voran Tourismus, aber auch Handel, Gewerbe oder das bodenständige Handwerk gedeihen auf dem Substrat einer produzierenden Landwirtschaft. Unsere flächendeckende Land- und Forstwirtschaft dient deshalb der Systemerhaltung. Ohne die Leistungen der Bauern gibt es keine vitalen ländlichen Räume. Ohne unsere Bauern hätte der ländliche Raum ein völlig anderes Gesicht.

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Maßnahmen

Positionen: • Ohne unsere starken Betriebe gibt es keine vitalen ländlichen Räume. Oder anders gefragt: Welches Gesicht hätte der ländliche Raum ohne unsere Bauern? • Der ländliche Raum muss unverzichtbarer Lebens-, Wirtschaftsund Erholungsraum für alle Menschen und damit ein Kernelement einer offensiven Programmatik für den ländlichen Raum sein. • Die regional- und kommunalpolitischen Maßnahmen müssen zu einem ländlichen Raum mit den vielfältigen Funktionen wesentlich und dauerhaft beitragen.

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• Der Bauernbund, insbesondere durch seine Bürgermeister und Gemeinderäte, steht für eine Politik, in der alle ländlichen Regionen als wesentlicher Teil des Staatsganzen ihre Zukunft haben. Ein Rückzug aus Regionen ist keine Alternative.

Maßnahme 1: „Ersatz des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im Finanzausgleich durch einen aufgabenrelevanten Finanzierungsschlüssel“ • Entwicklung eines neuen aufgabenrelevanten Finanzierungsschlüssels zur nachhaltigen und ausgewogenen Finanzierung der Städte und Gemeinden in Österreich • Der künftige Finanzausgleich für die Gemeinden muss die höheren Kosten berücksichtigen, die aus der größeren Fläche in Verbindung mit einer geringen Be-

völkerungsdichte entstehen. Zudem bedarf es einer Deckelung der Abgeltung der Mehrkosten in Gebieten mit einer dünnen Besiedelung • Der Kostenausgleich für die Städte soll eine Abgeltung der zentralörtlichen Aufgaben ermöglichen, muss aber in Relation zur jetzigen Regelung abgeflacht werden Begründung: Selbst durch eine neuerliche Weiterentwicklung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels zugunsten von Gemeinden bis 10.000 Einwohner kann der Mittelabfluss aufgrund der demographischen Entwicklung politisch kaum mehr ausgeglichen werden. Das Instrument bietet nicht mehr genügend Antworten für die realen Gegebenheiten in den Landgemeinden. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Bevölkerungsentwicklung am Lande – besonders in peripheren Gebieten rückläufig ist. Z.B. nimmt im Bezirk Lienz die Bevölkerung um 3 % innerhalb der kommenden 25 Jahre ab, gleichzeitig schrumpft die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (zwischen 15 und 64 Jahren) um 17 %. Rechnet man die regionalen Zentren und Bezirkshauptorte heraus, schrumpft in den Tälern die erwerbstätige Bevölkerung sogar zwischen 20 und 30 %.

Ziel des Bauernbundes ist, die Abwärtsspirale der ländlichen Räume durch eine Stärkung der Investitionskraft und Sicherung einer gleichwertigen Daseinsvorsorge für die Bevölkerung aufzuhalten. Dazu muss der Finanzausgleich von seiner Grundkonzeption her geändert werden. Maßnahme 2: „Stärkung der Infrastruktur für den ländlichen Raum“ • Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur im ländlichen Raum (Glasfaserausrollung im Festnetzbereich) • Beim mobilen Internet bietet die Versteigerung der digitalen Dividende (freigewordene Rundfunkfrequenzen) die Chance, in kurzer Zeit eine flächendeckende Versorgung zu erreichen. Bei den Vergabebedingungen ist vorzusehen, dass die unterversorgten Regionen bis spätestens 2016 an vergleichbare Standards herangeführt werden. • Schaffung von bedarfsorientierten, kleinteiligen Nahverkehrslösungen. Evaluierung und zweckgebundener Einsatz von öffentlichen Geldern, die für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Österreichischen Bun-

desbahnen aufgewendet werden. Es ist ein staatspolitisches Erfordernis, dass die Bundesbahnen ihrer regionalpolitischen Verantwortung gerecht werden. Der Rückzug aus der Fläche wird daher entschieden abgelehnt • Entwicklung flächendeckender Instrumente zur Anpassung und Erhaltung des ländlichen Wegenetzes Begründung: Die demographische Entwicklung in den ländlichen Regionen zeigt besonders in den peripheren Gebieten alarmierende Entwicklungen, denen mit einer konsequenten Politik gegengesteuert werden muss. Basis jeglicher positiven wirtschaftlicher Aktivität ist eine funktionierende und dem Stand der Technik entsprechende, finanzierbare Infrastruktur in den ländlichen Gebieten. Maßnahme 3: „Regionalpolitik und Wirtschaftsförderung für den ländlichen Raum“ • Die Regionalpolitik der EU wird zu einseitig auf die Städte ausgerichtet. Sie muss daher in der Zukunft viel mehr die ländlichen Regionen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung innovativ stützen. 49

• Es geht dabei um die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen mit dem Ziel Wertschöpfung und Beschäftigungseffekte zu initiieren.

lichen Gebiete kann selbst der an Grund und Boden gebundene Bauernstand am Land nicht existieren und ist zur Aufgabe der Höfe und Abwanderung gezwungen.

• Eine vordringliche Aufgabe ist die Sicherung der bestehenden Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Eine zukunftsorientierte Entwicklung der ländlichen Regionen bedarf einer umfassenden Regionalpolitik, die die wirtschaftlichen Strukturen in den benachteiligten Regionen auf Dauer verbessert, indem nicht nur Aufgaben der Daseinsvorsorge, sondern innovative Unternehmen gestützt und die regionalen Ressourcen für eine stabile, eigenständige Regionalentwicklung nachhaltig genützt werden.

• Die GAP ist eine unverzichtbare Politik zur Stärkung der landund forstwirtschaftlichen Arbeitsplätze in ländlichen Raum sowie der damit verbundenen Beschäftigungseffekte in der Be- und Verarbeitung sowie insbesondere auch im Tourismus • Durch eine gezielte Wirtschaftsförderung soll insbesondere ein stärkerer Anreiz für die wirtschaftliche Weiterentwicklung kleiner Gewerbe- und Handelsunternehmen (bis max. 500 Arbeitsplätze) sowie der Tourismuswirtschaft geschaffen werden Begründung: Ohne Arbeitsplätze im ländlichen Raum gibt es keine Zukunft für die ländliche Bevölkerung. Selbst in der Land- und Forstwirtschaft werden mittlerweile im Durchschnitt 50 % des Einkommens außerhalb der Landwirtschaft erwirtschaftet. Ohne Arbeitsplatzoffensive für die länd50

Gerade im Vorfeld der Neukonzeption der EU-Regionalpolitik für den Zeitraum 2014 bis 2020 müssen alle Bemühungen darauf konzentriert werden, dass der ländliche Raum einen deutlichen Schwerpunkt in der EU-Regionalpolitik spielt. Maßnahme 4: „Sicherung der medizinischen Nahversorgung im ländlichen Raum“ • Sicherung einer gleichwertigen Gesundheitsversorgung für die ländliche Bevölkerung • Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die niedergelasse-

nen Ärzte in dünn besiedelten ländlichen Regionen • Anpassung der medizinischen Ausbildung an die spezifische Situation in diesen Regionen (z.B. verpflichtende Ableistung der klinischen Ausbildung bei niedergelassenen Ärzten) • Entlastung der Ambulanzen in Richtung niedergelassene Ärzte • Verbesserung der Vertretungsregelungen im niedergelassenen Bereich (24 Stunden Dienst, 7 Tage die Woche) • Anpassung des Honorierungssystems an die geringere Frequenzsituation der Landpraxen (höhere Basisabgeltungen für Ärzte oder „Peripheriezuschlag“) • Verbesserung der gesetzlichen Regelung zur Sicherung der Hausapotheken in peripheren Gebieten Begründung: Die Probleme der medizinischen Nahversorgung in ländlichen Raum wurden mittlerweile ausreichend diskutiert. Nun sind wirksame Gegenmaßnahmen gefragt, damit keine Zwei-Klassengesellschaft in der medizinischen Versorgung wie auch beim medizinischen Personal zwischen Städtern und Landbevölkerung entsteht.

Maßnahme 5: „Berücksichtigung von abwanderungsgefährdeten Regionen in der Wohnbauförderung und Nutzung regionaler Ressourcen“ • Zur Sicherung der Besiedelung in strukturschwachen Regionen soll eine verstärkte Förderintensität bei der Wohnbauförderung einen wirksamen Beitrag leisten. • Die Wohnbauförderung soll generell darüber hinaus mehr als bisher auf die zukünftigen Herausforderungen abgestellt werden. Es geht dabei nicht nur um energiepolitische Ziele angesichts der großen Abhängigkeit von fossiler Energie, sondern beispielsweise um die verstärkte Verwendung von Holz als Baustoff. Begründung: Die Schaffung eines Eigenheims gehört nach wie vor zu den zentralen Lebenszielen vieler Menschen. Trotz der rasch steigenden Wohnungspreise in den Städten drängen immer mehr Menschen in die Städte und Ballungsgebiete. Durch den gezielten Einsatz des Förderinstruments der Wohnbauförderung kann der Anreiz zur Schaffung eines Eigenheims bzw. Wohnraums am Land verbessert und damit die Besiedelung gesichert werden.

Maßnahme 6: „Zusammenlegung von Gemeinden nur auf freiwilliger Basis und Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen auf Basis objektiver und evaluierbarer Maßstäbe und Kriterien“ Begründung: Berechnungen und Studien zeigen, dass die Zusammenlegung von Gemeinden kaum Einsparungen und keine Verbesserung für die ländliche Bevölkerung bringt, weil die Verwaltungsbürokratie zunimmt und die Eigenverantwortung der Menschen abnimmt (betrifft Feuerwehren etc.). Darüber hinaus wäre schon eine bessere Aufgabendefinition auf Basis objektiver und evaluierbarer Maßstäbe und Kriterien für Körperschaften hilfreich. Die finanzielle Entlastung der kleinen ländlichen Gemeinden ist durch den weiteren Ausbau von Kooperation auf Verwaltungsebene voranzutreiben (Bauamt, Gewerbeparks etc.) bei gleichzeitiger Forcierung von Kooperationen im Bereich der Schaffung von Gewerbegebieten etc.

schaftliche Attraktivität von Ansiedlungen zu erhöhen. Begründung: Große Städte sind mit enormen Herausforderungen konfrontiert (Verkehr, Kriminalität, soziale Verwahrlosung etc.) und erzeugen entsprechend hohe Kosten für die Gesellschaft. Durch eine gezielte Ansiedelung der Menschen am Land – bei gleichzeitig sparsamem Umgang mit wertvollem Boden – könnten künftig Sozial- und Infrastrukturkosten gespart werden. Die Neuansiedelung von Menschen am Land darf allerdings zu keiner Zersiedelung führen. In Gebieten mit großen unbebauten Baulandflächen muss der Grundstückspekulation mit der Raumordnung gegengesteuert werden. Eine Umwidmungsabgabe für Bauland führt zu einer Verteuerung der Grundstückspreise und wird abgelehnt.

Maßnahme 7: „Forcierung der Ansiedelung am Land“ • Ausbau von gezielten Maßnahmen im Bereich der Gemeindepolitik (Vorsorge für kostengünstiges Bauland bzw. Revitalisierung von Ortskernen), um die wirt51

Wirtschaft

„Vom geistigen, gesellschaftlichen und emotionalen Input und dem was der Bauernstand in die Gesellschaft tragen kann, ist er nach wie vor unverzichtbar – was Ethik und die Verbundenheit zum Land, was Wahrheit und Werte betrifft.“ Christian Konrad

Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes

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Ohne Jammerhaltung Die Konjunkturlage in der Landwirtschaft lässt heute viele Landwirte zweifeln. Was wir für die Zukunft brauchen, ist umso mehr eine kreative Ökonomie statt wehleidiger Jammerhaltung. Ohne Motivation, Kreativität, aber auch den Unternehmergeist bäuerlicher Betriebsführer, wird es in Österreich nicht möglich sein, nachhaltig Lebensmittel zu produzieren und dabei rentabel zu wirtschaften. Stärkere Professionalisierung in der Produktion kommt neuen Verbraucherwünschen entgegen und stärkt damit die betriebliche Ertragskraft. Gesellschaftliche Trends verknüpft mit völlig neuen Produktions- und Dienstleistungsfeldern sind dabei kein Tabu. Beratung und das Bildungsangebot von Schule

Josef Moosbrugger, Vizepräsident des Bauernbundes

Landwirtschaft ist Wirtschaft Wirtschaftlich baut Landwirtschaft auf die langfristigen Kundenbeziehungen zu Verarbeitern und Konsumenten und den Erhalt von Ressourcen und Wertstoffkreisläufen. Weder die kurzfristige Maximierung von jährlichen Manager-Boni noch die schnelle Gewinnmaximierung steht auf ihrer Agenda. Doch ausgerechnet diese Tendenzen stellen die Wirtschaft akut vor größte Probleme. Die Lehre daraus: Vermögenszersetzendem 54

Spekulantentum gehört ein Riegel vorgeschoben – dies gilt nicht nur für Banken und Investoren. Gerade am Lebensmittelmarkt sollte aus Gründen der Staatssicherheit ein spezielles Sicherheitsnetz eingezogen werden. Verlässliche Partner Wer langfristig wirtschaften will, braucht verlässliche Partner. Genossenschaften wirken stabilisierend auf Märkten mit Akteuren, die immer globaler werden. Agrarische Verbände können dort, wo dem einzelnen Landwirt die

und Erwachsenenbildung müssen an die Anforderungen der zukünftigen Produktwünsche angepasst werden. Auch Dienstleistung kann man lernen: Die Zukunftsfelder im bäuerlichen Bereichen reichen vom Erlebnis- bis zum Care-Farming. Multifunktional Diversifizierung heißt das Gebot: Nicht Monokultur, sondern der ausgewogene Mix hat die heimische Landwirtschaft - ähnlich der Anlegerstrategie „Don’t put all your eggs in one basket“ – bislang krisenfest gemacht. Wer sich diese Strategie zu Herzen nimmt, landet automatisch bei den Maximen der multifunktionalen Landwirtschaft. Kernkompetenzen bäuerlichen Wirtschaftens wie

Nachhaltigkeit und der verlässlich funktionierende Wirtschaftsmotor im Ländlichen Raum erfahren im Licht der Welternährung und des Klimawandels eine Renaissance. 2050 werden gut 9 Milliarden Menschen die Erde bevölkern und den Bedarf an Nahrungsmitteln um das Doppelte in die Höhe schnellen lassen. Damit ist der Auftrag an die heimische Landwirtschaft klar definiert. Positionen: • Unsere Landwirtschaft ist dann zukunftsfähig, wenn wir die Produktion optimieren, neue Dienstleistungsfelder aufgreifen, Wertschöpfungsgewinne fair verteilen und der Spekulation im Lebensmittelbereich einen Riegel vorschieben.

Möglichkeiten fehlen, Innovationen fördern und damit neue Produktionsfelder und Marktchancen nutzen, von denen alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette profitieren. Über Maschinenringe und Verbände hat die heimische Landwirtschaft einen Organisationsgrad erreicht, der Schutz vor allzu harschem Marktdruck bieten kann. Zur gleichmäßigen Verteilung des Wertschöpfungsgewinnes zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Handel braucht die Landwirtschaft auch eine faire Partnerschaft mit dem Lebensmittelhandel. 55

Maßnahmen Maßnahme 1: „Verbesserung des Lieferantenschutzes für kleine und mittlere Unternehmen in Österreich“ Begründung: Die Konzentration bei Unternehmen in den Märkten wird durch die Harmonisierung des EU-Binnenmarktes und der voranschreitenden Globalisierung begünstigt und nimmt laufend zu. Für klein- und mittelständige Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, sich gegen die marktdominierende Stellung von großen Unternehmen durchzusetzen. Dies führt zu teilweise inakzeptablen – die Existenz der klein- und mittelständischen Unternehmen

gefährdenden – wirtschaftlichen Praktiken der großen Unternehmen gegenüber den kleinen, die einerseits den Wirtschaftsstandort und heimische Arbeitsplätze sowie letztlich auch den Konsumenten negativ treffen, wie beispielsweise eine weitere Verlängerung des Zahlungsziels, Preisdiktate etc. Die Verbesserung spezifischer Regelungen für den Lieferantenschutz soll hierbei Abhilfe schaffen. Maßnahme 2: „Sicherstellung der öffentlichen Unterstützung der land- und forstwirtschaftlichen Institutionen und Verbände in Österreich“ Begründung: Die land- und forstwirtschaftlichen Institutionen

und Verbände wie z.B. Landwirtschaftskammern, ZAR, die VÖS, die Land&Forst Betriebe, der Maschinenring und andere Organisationen erfüllen unverzichtbare Aufgaben zur Aufrechterhaltung der bäuerlichen und multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft in Österreich (Qualitätssicherung, Kostenreduktion, gemeinsame Vermarktung von Produkten etc.). Darüber hinaus erfüllen die Verbände eine seit Generationen wertgeschätzte soziale Funktion innerhalb der bäuerlichen Welt und darüber hinaus. Die Finanzierung dieser Organisationen wird immer schwieriger.

Maßnahme 3: „Einrichtung eines Wirtschaftsbeirates im Bauernbund“ Begründung: Die wirtschaftlichen Verflechtungen in den Märkte sowie die Anforderungen an die Unternehmen werden immer komplexer. Gleichzeitig steigt die Geschwindigkeit mit der sich neue Innovationen und neue Möglichkeiten für den Konsumenten auf dem Markt durchsetzen. Die Politik ist in diesen Zeiten gefordert, einen möglichst engen Kontakt und intensive Kommunikation mit den wirtschaftlichen Akteuren zu pflegen, um mit den richtigen politischen Maßnahmen und Rahmenbedingungen diese Entwicklungen auf den Märkten im Sinne der Unternehmen, der Arbeitnehmer, der Konsumenten aber auch der Bauern begleiten zu können. Durch die Einrichtung eines „Wirtschaftsbeirates“ im Bauernbund sollen vierteljährlich Entwicklungen auf den Märkten, Innovationen, neue Herausforderungen für die Unternehmen im vor- und nachgelagerten Bereich der Landund Forstwirtschaft besprochen und diskutiert werden, um Vorschläge in die Politik des Bauernbundes besser einfließen zu lassen. Maßnahme 4: „Bessere Positionierung der Genossenschaftsidee in der land- und forstwirtschaftlichen Ausbildung“

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Begründung: Der wirtschaftliche Erfolg der bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft in Österreich baut auf einer funktionierenden Genossenschaftsstruktur in allen Wirtschaftsbereichen auf. Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass die Genossenschaftsidee in Zukunft noch stärker gelebt und forciert werden muss, will man im Wettbewerb mit immer größeren Unternehmen bestehen. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen ist die Genossenschaftsidee und deren Möglichkeiten in der land- und hauswirtschaftlichen Ausbildung besser zu positionieren sowie entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Maßnahme 5: „Verbesserung der Lebensmittelkennzeichnung“ Herkunftskennzeichnung bei Milchund Fleischprodukten erforderlich Bei Milch- und Fleischprodukten ist die Herkunft des Hauptrohstoffes anzugeben, wie dies bereits bei Rindfleisch und –erzeugnissen im EU-Recht geregelt ist. Dies soll sowohl in der zurzeit diskutierten EU-Verbraucherinformations-Verordnung als auch im LMSVG verankert werden (Ausbau des Täuschungsschutzes um irreführende und falsche Kennzeichnung bei Lebensmitteln wirksamer bekämpfen zu können).

Kennzeichnung im Bereich der Gastronomie notwendig Im Bereich der öffentlichen Verpflegungseinrichtungen und in der Gastronomie ist die Herkunft und die Produktionsweise (Haltungsform) der wertbestimmenden Lebensmittel auf der Speisekarte bzw. Aushängen anzugeben. Nur so hat der Konsument die Möglichkeit, normalerweise auf einem Etikett verfügbare Informationen zu erhalten. Maßnahme 6: „Errichtung einer Krisenvorsorge für Lebensmittel“ Für bestimmte Grundnahrungsmittel ist eine Krisenvorsorge und Lagerung auf EU-Ebene vorzusehen (ähnlich wie bei Erdölprodukten). Maßnahme 7: „Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren zur Sicherung überlebensnotwendiger und nachhaltiger Systeme“. Gerade in Bezug auf die Wirtschaftskrise, insbesondere zur Sicherung von Arbeitskräften im Ländlichen Raum, sind oft schnelle Schritte im Verfahrensbereich notwendig. Deshalb sind vernünftige Vereinfachungen und die Einrichtung von „Eilverfahren“ (urgent procedure) aus öffentlichem Interesse zur Sicherung und Förderung der Stabilität unserer Lebensbereiche vorzusehen. 57

Impressum Für den Inhalt verantwortlich: Österreichischer Bauernbund Direktor Dr. Johannes Abentung Österreichischer Bauernbund Brucknerstraße 6/3, 1040 Wien Tel.: 01 / 505 81 73 - 0, Fax: DW - 65 E-Mail: [email protected] ZVR-Zahl: 882814846

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Bildnachweis AMA Marketing Bauernbund BMLFUW Christian Anderl Claudia Pichler – Foto Mitteregger EU-Parlament F. Pritz H. Köppel Karl Schwarz/Österreichischer Bauernbund Klaus Maislinger photography LK Niederösterreich LK Oberösterreich LK Vorarlberg ÖSF Edgar Bültemeyer Patrick Saringer Peter Schubert/Stift Klosterneuburg Stift Klosterneuburg Südtirol Information Tirol Werbung Wikipedia

Zum Gelingen des Bundesbauernrates 2011 haben beitragen: Konzeption, Inhalt, redaktionelle Bearbeitung sowie Gestaltung der „Positionen 2011“: Mag. Andrea Salzburger Mag. Norbert Totschnig (MSc) Für die Organisation und Vorbereitung des Bundesbauernrates sei folgenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen herzlich gedankt: DI Reinhard Bärnthaler Manuela Flicker Johann Forcher Andrea Halper DI (FH) Barbara Hieger Daniela Himler Stefanie Letzbor-Kalusch (BA) Elisabeth Rodler Christina Spangl Georg Steiner

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Klug beim Säen. Vertrauensvoll bei der Arbeit. Dankbar beim Ernten. In der Politik aufrecht und ehrlich. Bauernbund

www.bauernbund.at