Lk 11,24-26)

Gt 08020 / p. 140 / 28.9.2007 Füllt den Raum aus – es kommt sonst noch schlimmer! (Beelzebulgleichnis) Q 11,24-26 (Mt 12,43-45 / Lk 11,24-26) (24) Im...
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Füllt den Raum aus – es kommt sonst noch schlimmer! (Beelzebulgleichnis) Q 11,24-26 (Mt 12,43-45 / Lk 11,24-26) (24) Immer wenn der unreine Geist einen Menschen verlassen hat, durchstreift er wasserlose Gegenden auf der Suche nach einem Ruheplatz; aber er findet keinen. Dann spricht er: »Ich will zurückkehren in mein Haus, aus dem ich herausgegangen bin.« (25) Wenn er dort ankommt, findet er es gefegt und aufgeräumt. (26) Dann bricht er auf, nimmt sieben andere Geister mit sich, die noch schlimmer sind als er, tritt ein und bezieht dort Wohnung. Das aktuelle Befinden jenes Menschen wird übler sein als das frühere.

Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit) Q 11,24-26 erzählt, nicht ohne humoreske Note, eine Geschichte mit zwei Antagonisten. Die Erzählfolge weist eine hohe Dynamik mit nur wenigen Handlungsknoten auf. Sie berichtet zunächst über das Schicksal eines aus einem Menschen ausgetriebenen Dämon, um mit einem Erzählerkommentar über das Schicksal des Menschen zu enden. Die Geschichte konzentriert sich auf das für sie Wesentliche; sie erzählt nicht vollständig, verschweigt sie doch die Vorgeschichte des Exorzismus, der notwendigerweise vor dem Erzähleinsatz erfolgt sein muss (schon Jülicher II 2 1910, 234). Im literarischen Kontext von Q ist solche Vorgeschichte durch den abgekürzten Exorzismus in Q 11,14 vorhanden, der der Kontroverse über Jesu exorzistisches Handeln (Q 11,15-20) vorausgeht; die narrative Abbreviatur eines Exorzismus stellt eine Modellhandlung für einen Dämonenaustrieb dar. Der Kontext innerhalb von Q dämpft den überraschenden Einsatz beim Dämon und seinem Schicksal ab, die Geschichte selbst erzwingt ein derartiges Modell aber nicht, sondern setzt die Vertrautheit mit derartigen Modellerzählungen beim impliziten Leser voraus. Der Held, auf den die Geschichte eigentlich hin erzählt wird (s. a. Trunk 1994, 94), ist ein Dämon; zum Dämon als »Helden« der Erzählung gehört es, dass er der Aktive ist, quantitativ die höchste Präsenz hat und mit allen weiteren Charakteren interagiert (vgl. zu den narratologischen Charakteristika Bal 2 1997, 131 f.). Der Dämon ist eine Figur, die eigentlich nur zum Antihelden taugt. Dass diese Gestalt eine schädliche Funktion hat, wird am Ende im Blick auf den ihm Wohnraum bietenden Menschen ausdrücklich festgehalten: »Das aktuelle Befinden jenes Menschen wird übler sein als das frühere« (V. 26). Welche konkreten negativen Auswirkungen wie Krankheiten oder Ähnliches der Dämon auf den Menschen hatte bzw. wieder haben wird, wird in der gesamten Kurzerzählung nicht berichtet; hierin liegt offensichtlich nicht das Erzählinteresse. Für den Dämon ist der Mensch nur Objekt seiner Behausung. Es geht um die Wiederkunft des Dämons in den bereiteten Raum mit noch verheerenderer Wirkung nach dem vorausgegangen Verlassen dieser Wohnstätte. Damit geht es auch nicht um den Kontrast zwischen dem Anfang als Zustand der Befreiung durch den Exorzismus und der späteren Rückkehr des Dämons (so Valantasis 2005, 130); im Blick auf den Menschen ist das Ende der story, 126

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die schlimmere Rückkehr des Dämons (s. a. Trunk 1994, 95), das Entscheidende, wie der Kommentar zeigt, wohingegen die Geschichte selbst das Schicksal des Dämons erzählt. Dieser Antiheld wird durch den Erzähler auf einen zweifachen Weg geschickt. Als aus einem Menschen Ausgetriebener sucht sich ein Dämon einen neuen Aufenthaltsort. Da seine Suche erfolglos verläuft, findet eine Gegenbewegung statt. Er erinnert sich seiner früheren Wirkungsstätte, die er nunmehr angenehm aufgeräumt findet. Erzähllogisch ist die Rückkehr die nächste Option, aber diese Rückkehr erfolgt nicht unmittelbar, sondern nach Ausspähen der Stätte fällt er mit sieben Kumpanen ein, über die ausdrücklich gesagt wird, dass sie schädlicher sind als der erste. In diesem Folgeschaden und weniger im Gedanken, dass eine Verstärkung eine erneute, im Erzählgang nicht anvisierte Austreibung verhindern würde (Jülicher II 2 1910, 235), liegt die Pointe der Gefährten als narrative Charaktere. Erst am Ende dieser Geschichte mit dem »happy end« für den Dämon kommt der Mensch, aus dem der Dämon ausgetrieben wurde, wieder in den Blick mit der Feststellung: Dieses Ende bringt ihn in eine schlechtere Situation als vor der Austreibung. Doch dies ist nicht alles, was die Erzählung zur Beschreibung des Menschen als Charakter beiträgt. Als »Wohnraum« des Dämons ist er in dessen Weg präsent. Der Mensch, indem er vom Dämon als wohlgefälliger Raum aufgefunden wird, lädt ihn indirekt zur Rückkehr ein. Für den Menschen ist die Geschichte eine Geschichte der verpassten Chance. Die Aktivität liegt, da der Mensch als handelnder Charakter in der story selbst nicht begegnet, in seiner Passivität (s. a. Jülicher II 2 1910, 236). Er kommt nie in eine aktive Rolle hinein und das ist sein Fehler. Er bleibt im religionsgeschichtlichen Rollenschema Objekt des Dämons. Die Geschichte ist rätselhaft und ihre Pragmatik erschließt sich schwer. Eine Anwendung oder Folgerung aus der Geschichte wird in Q nicht gezogen; allein der Kontext hilft, eine dem literarischen Dokument entsprechende Deutung zu eruieren. Obwohl der Dämon und nicht der Mensch im Fokus der Erzählung steht, ist der Mensch wohl dennoch als Mensch die Identifikationsgröße für die Adressaten, für die Dämonen eine Bedrohung darstellen, wie sie in der Erzählung durch den Rückfall mit negativer Wirkung auch aktualisiert wird. Der Abschluss mit dem Hinweis auf die üblere Situation nach der Rückkehr des Dämons und seiner Genossen ist die Warnung, auf die die Erzählung zuläuft. Die Adressaten sind gefordert zu verstehen, wie dieser Erfolg des Dämons zu verhindern gewesen wäre. Die bereitete Wohnung stellt das Problem dar. Die Rückkehr des Dämons ist kein notwendiges Geschick, sondern konditioniert durch den Menschen, indem der Raum nicht neu gefüllt ist (zum sprachlich-argumentativen Problem vgl. Jeremias 4 1988, 152 f.). Umkehr und Nachfolge Jesu sind Handlungsoptionen, die im Sinne des Erzählers eine den Dämon nicht mehr einladende, eine ihm letztlich unzugängliche Wohnstätte bereitet hätten. Gegen den narrativen Fluss Handlungsfähigkeit zu gewinnen und so zur Herberge des Gottesreichs zu werden, ist die Pragmatik der Geschichte. Vorschläge zur Formbestimmung von Q 11,24-26 reichen von exorzistischer Belehrung (Böcher 1972, 17; Kollmann 1996, 199-201) über »exorzistische Volksweisheit« (Luz 3 1999, 281; zustimmend Trunk 1994, 99; Allison 1997, 127) bis zu Gleichnis / Parabel (z. B. Fleddermann 2005, 508; Jacobson 1992, 170). Im Zusammenhang der exorzistischen Bestimmung würde der Text über die Gefahr eines Rückfalls informieren oder vor ihr warnen, wie es Bernd Kollmann versteht: »eine Warnregel für Wundertäter, dass 127

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Parabeln in der Logienquelle Q

ein ›Leerstehen des Hauses‹ dem Krankheitsgeist die Möglichkeit zur Wiederkehr gibt« (Kollmann 1996, 200; anders Allison 1997, 127: Warnung vor Exorzismen »outside the faith«). Auch wenn man eine exorzistische Praxis Jesu und im frühen Christentum in Rechnung stellt (nach Hoffmann 3 1982, 291.299 auf das Wirken der Jünger Jesu zu beziehen), so ist dieser Geschichte keine Regelung exorzistischer Praxis zu entnehmen (s. a. Tuckett 1996, 290), die über die allgemeine Weisheit, »es kommt schlimmer«, hinausgeht. Die Überlieferungskontexte verstehen den Text bildhaft, wenngleich in unterschiedlicher Weise. Für ein bildhaftes Verstehen spricht m. E. auch die Fokussierung auf den Dämon selbst als Helden und die durchaus humorvoll zu nennende Erzählstimmung, die die Erzählung geradezu zu einem Schwank werden lässt. Damit sind die Grenzen zu volksweisheitlichen Regeln exorzistischer Praxis überschritten. Es bleibt das Schlimmer-Werden, das als Drohung oder Warnung fungieren kann. Das Gefälle der Erzählung läuft auf die Aussage über den Menschen hinaus und legt nahe, es als Warnung an ihn und damit an die sich mit dieser Person identifizierenden Adressaten zu verstehen. Es geht darum, nicht die Wohnung für den bereits besiegten Dämon wieder zu bereiten. Es wird eine Befreiung vorausgesetzt, die es jetzt zu bewahren gilt (s. a. Fleddermann 2005, 508), ohne dass die Geschichte sich in konkreten Handlungsanweisungen bewegt. Q 11,24-26 erzählt also eine mit Anfang, Hauptteil (Problem) und Schluss mustergültig aufgebaute Geschichte, die einen bestimmten Fall aus dem Alltag erzählt, um ihn als Argument für Adressaten zu verwenden, die im Licht dieser Erzählung neue Erkenntnis gewinnen bzw. eine neue Haltung einnehmen sollen; dies entspricht spannungslos dem rhetorischen Modell einer Parabel (hierzu R. Zimmermann 2007a).

Sozialgeschichtliche Analyse (Bildspendender Bereich) Unreine Geister und Dämonen: Die antike Welt wird im Bewusstsein der in ihr lebenden Menschen neben diesen auch von Göttern und zahlreichen Zwischenwesen bevölkert, die für Krankheiten und anderes Unheil verantwortlich gemacht werden; solche bedrohlichen Wesen werden als Dämonen oder jüdisch als »unreine Geister« bezeichnet (Reiling 1999; vgl. zum Spektrum der differenten Dämonenvorstellungen den luziden Sammelband von Lange, Lichtenberger und Römheld 2003). Menschen bilden für diese Wesen, die in jüdischen und frühchristlichen Textzusammenhängen oft dem Teufel an die Seite gestellt werden können, Wohnung (Jeremias 4 1988, 153; über die dämonologischen Vorstellungen im Hintergrund von Q 11,24 ff. informieren prägnant Trunk 1994, 95-97; Ebner 2003, 127 f.). Sie gelten im Wortsinn als besessen, weil diese Wesen durch Öffnungen im menschlichen Körper in Menschen eindringen und in ihnen Raum in Besitz nehmen. Ein Exorzismus ist eine Handlung, die ebenso handgreiflich und konkret als Austreibung zu verstehen ist. Die Dämonen werden durch den Exorzisten aus ihrem Raum vertrieben und es gilt, keinen Eingang für eine mögliche Rückkehr zu belassen. Anschaulich für Praxis und Vorstellung einer solchen Austreibung ist Lukians Schilderung im Lügenfreund über das Haus des Eubatides: »Unbewohnbar, sagte er, war es seit langer Zeit wegen schrecklicher Dinge. Wenn jemand dort einzog, wurde er sogleich erschreckt und floh, verfolgt von irgendeinem fürchterlichen und Schrecken erregenden 128

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Gespenst. Das Haus begann nun schon zu verfallen, und das Dach kam herunter, und überhaupt niemand brachte den Mut auf, hineinzugehen. … Ich aber nehme eine Lampe und gehe allein hinein. Im größten Raum stellte ich das Licht ab und widmete mich in aller Ruhe der Lektüre, am Boden sitzend. Da tritt der Dämon an mich heran, in der Meinung, einen von den vielen (die er schon vertrieben hatte) vor sich zu haben, und in der Hoffnung, auch mich in Furcht versetzen zu können wie die anderen: struppig, langhaarig und schwärzer als die Finsternis. Nachdem er herangetreten war, nahm er den Kampf mit mir auf, indem er mich von allen Seiten anfiel, ob er mich von irgendwo überwältigen könnte, und wurde bald ein Hund, ein Stier oder ein Löwe. Ich aber nahm die schauerlichste Beschwörungsformel zur Hand – ich redete in ägyptischer Sprache – und trieb ihn unter Zauberformeln in eine Ecke des finsteren Zimmers. Nachdem ich gesehen hatte, wohin er untergetaucht war, hatte ich für den Rest der Nacht Ruhe. … Ich nahm also ihn (den Eubatides; M. L.) und viele von den anderen mit – sie folgten nämlich wegen des paradoxen Vorfalls –, führte sie genau an die Stelle, wo ich den Dämon hatte untertauchen sehen, und gab die Anweisung, Hacken und Spaten zu nehmen und zu graben. Und als sie das machten, fand sich etwa ein Klafter tief eingegraben ein verwester Leichnam, lediglich was die Knochen angeht in seiner (ursprünglichen) Lage. Jenen bestatteten wir nun, nachdem wir ihn ausgegraben hatten, das Haus aber wurde von jenem Zeitpunkt an von Gespenstern nicht mehr belästigt« (Luc. philops. 31; Übers. Ebner u. a. 2001, 97.99). Auch wenn es in dem Textbeispiel um ein wirkliches Haus geht, so darf man sich die Besetzung eines »Raumes« im Menschen analog vorstellen; der Dämon »nistet« sich im Menschen ein und beansprucht diesen als sein Eigentum. Der Besessene selbst wird zum Haus des Dämons (s. u. Analyse des Bedeutungshintergrunds [Bildfeldtradition]; zur Vorstellung auch Jeremias 11 1998, 196). Der Dämon, ein Totengeist, begegnet dem Exorzisten, wird überwunden, aber nicht freigesetzt, sondern findet durch das Begräbnis Ruhe und Frieden. Menschen begegnen Dämonen nach antikem Verständnis in unterschiedlichen, bisweilen entgegengesetzten Kontexten, an denen etwas Befremdliches und Erklärungsbedürftiges geschieht. So verbindet antiker Volksglaube Dämonen mit Quellen und Wasserstellen, aber auch mit wüsten und / oder menschenleeren bzw. menschenfeindlichen Gebieten, in die man sie austreibt, um sich vor ihnen bzw. ihrer Rückkehr zu schützen. In jedem Fall scheint es notwendig, eine Rückkehr zu verbieten (z. B. Mk 9,25), in der zitierten Parallele durch Bestattung oder durch anderweitige Bindung (z. B. Tob 8,2 f.; zur Sache van der Horst 2007, 179), und Vernichtung (Mk 5,13) zu verhindern. Außerhalb menschlicher Behausung gelten sie als ruhelos und somit auch als Gefahr auf der Suche nach einer neuen Unterkunft. Kulturanthropologisch ist auf zwei problematische Aspekte der Vorstellung dämonischer Besessenheit hinzuweisen; einerseits wird dem Betroffenen eine (Mit-)Verantwortung zugemessen, was das Opfer zum Täter werden lässt, und andererseits wird im Volksglauben Besessenheit auch »als Konsequenz der Verderbnis bringenden Offenheit für alles Fremde interpretiert« (Ebner 2003, 128). Antike Dämonologie hat ihren Platz da, wo Angst und Klärungsbedarf vor dem Unerklärlichen, Unwirklichen, aber auch Fremden einschließlich feindlicher politischer Mächte (vgl. Mk 5,9.15) besteht. Sie schafft Orientierung mit bisweilen fatalen Folgen für die Betroffenen.

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Parabeln in der Logienquelle Q

Analyse des Bedeutungshintergrunds (Bildfeldtradition) Haus: Der Begriff Haus umfasst ein weites semantisches Feld, das vom Bauwerk bis zu seinen Bewohnern und ihren Nachkommen reichen kann. Auch als Bauwerk ist es nicht eindeutig definiert, sondern steht für unterschiedliche Bauformen vom Palast bis zum einfachen Gebäude. So repräsentiert es auch unterschiedliche Sozialformen, die von der Familie solcher einfachen Behausung bis hin zu komplexeren, hierarchischen Strukturformen reichen können. Aus diesen Gefügen leitet sich eine Reihe metaphorischer Wortbedeutungen ab, wie z. B. das Haus als Herrschaftsraum. Das Haus als Sozialform repräsentiert dabei die untere Strukturstufe sozialer Gemeinschaft, die verschiedene Generationen umfassen kann. Haupt dieses Gebildes ist der Hausherr, in der Regel der pater familias (»Familienvater« als rechtliches Oberhaupt der Familie, dem das Haus in der Regel gehört). Q 11,24-26 informiert nicht über die Bauform des Menschen als Haus, aber es reicht, an einen einfachen Raum zu denken, den der Dämon als sein Eigentum (»mein Haus«: tŠn oâkƒn mou [ton oikon mou]) betrachtet. Er beansprucht den Menschen, den er »bewohnt«, als sein Eigentum und, man darf ergänzen, auch im metaphorischen Sinne als seinen Herrschaftsraum. Der Mensch selbst wird durch den Dämon enteignet. Sieben: Die Siebenzahl ist auffällig und gehört in den Bereich der Zahlensymbolik. Sie repräsentiert eine Vollzahl, so dass wohl hinter Q 11,26 der Gedanke der vollständigen und endgültigen Übernahme des Menschen durch die Dämonen steht (Jeremias 11 1998, 196). Gerne wird auf eine Vorstellung von »sieben Geistern« als naher Parallele zu den sieben Begleitern des rückkehrenden Dämonen hingewiesen (Jacobson 1992, 171; Trunk 1994, 96), die ebenfalls den Bereich der Zwischenwesen anspielen, aber wie die sieben Geister bei Ezechiel oder in der Johannesapokalypse (Ez 9,1 f.; Apk 3,1; 4,5; 5,6 u. ö.) nicht sachnotwendig negativ konnotiert sind. Der von sieben Geistern behauste Mensch wäre für das Gottesreich in seiner Verweigerung gegen Jesu Anspruch (11,23) verloren. Auch wenn man die »Sieben« nur im Sinne einer »Übermacht« verstehen will (Luz 3 1999, 282), so ist der Sieg über diesen Menschen durch die Dämonen in der Erzählung vollzogen.

Zusammenfassende Auslegung (Deutungshorizonte) An den Aspekt erfolgter Befreiung durch Jesus, den mit dem Finger Gottes befreienden Künder und Wirker des Gottesreiches (Q 11,19 f.), knüpft die Komposition in Q an. Beachtenswert ist, dass Q das Logion über die Rückkehr der unreinen Geister mit der Beelzebul-Kontroverse (Q 11,14-23; hierzu Labahn 2001) verknüpft und so eine inhaltlich und sprachlich differente, aber doch durch das Motiv von den bösen Geistern nicht fremde Tradition anfügt (die Bestreitung einer »engeren Sachbindung« durch G. Schneider 2 1984, 267, entspricht nicht der durch die Komposition erzeugten Textkohärenz in Q). Die Rückkehr der unreinen Geister hängt am Motiv des Exorzismus und ist durch Q 11,23 christologisch zu füllen (zum engen Anschluss von 11,24-26 an 11,23 Schröter 1997, 268; Hüneburg 2001, 196: die Parabel ist »nur im Zusammenhang mit V. 23 verständlich«). Mit dem Wirken Jesu ist das Reich Gottes befreiend präsent und macht Men130

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schen – mit 11,14 real von Dämonen – frei zu diesem Reich. Dies gehört hinein in den Kampf gegen den Satan, in dem dessen Reich bereits als besiegt anzusehen ist (11,1518.21 f.). Mit 11,23 aber stellt das Dokument Q die Frage, auf welche Seite sich die Adressaten in dieser Auseinandersetzung stellen: Es gibt »keine Neutralität, sondern nur Für oder Wider« (Schröter 1997, 265; Tuckett 1996, 290; Hüneburg 2001, 196). Q 11,24-26 schärft ein, dass es nur eine Antwort geben kann. Für die, die sich auf die Seite Jesu gestellt haben, gibt es kein Zurück, sonst bereiten sie den Dämonen wieder eine Wohnung und laden sie ein, es schlimmer zu treiben (s. a. Klein 2006, 416; dagegen Kilgallen 1993). Eine Materie, die durch die Parabel angestoßen wird, ist die der Fremdbestimmung, in der auch die eigene Position und die eigene Meinung Thema ist. Der schlimmer wiederkommende Dämon und seine Kumpanen füllen in der Parabel ein sie einladendes Vakuum. Die Kontextualisierung der Parabel in Q fordert demgegenüber die Aufhebung einer solchen Leerstelle durch die Einnahme einer qualifizierten Position, die nach Q in der Anerkennung des im Text dargestellten befreienden Handelns Jesu liegt. Das Nachdenken über die fremdartige Parabel kann die Notwendigkeit, eine eigene religiöse wie auch weltanschauliche Position zu gewinnen und qualifiziert zu vertreten, ebenso thematisieren wie den in Q bewahrten Interpretationsansatz, dass Jesus als Werkzeug Gottes den Fremdbestimmten Befreiung verschaffen will; konkret sind in Q 11,1426 die Befreiten die von Dämonen Betroffenen.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Matthäus: Q 11,24-26 findet sich bei Matthäus zwar innerhalb des Kontextes der Beelzebul-Kontroverse (Mt 12,22-30), dennoch aber absichtsvoll umgestellt (z. B. Fleddermann 2005, 488; G. Schneider 2 1984, 267; für die Ursprünglichkeit der mt. Akoluthie: Jacobson 1992, 155). Die Parabel Mt 12,43-45 bildet nun den Abschluss der Zeichenforderung an Jesus, die dieser durch das Wort vom Jona-Zeichen (12,38-40) und mit der Gerichtsandrohung über »diese Generation« (12,41 f.), mit der die textinternen Adressaten angeredet werden, beantwortet. So wird ein Gerichtshorizont aufgespannt, in den sich die Parabel durch die Ergänzung von »so wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen« in Mt 12,45 (bei nur sehr geringen textlichen Abweichungen zwischen Matthäus und Lukas) explizit und mit matthäischer Sprache (Luz 3 1999, 273) einfügt. Die Wiederkehr des unreinen Geistes mit seinen sieben neuen und schlimmeren Begleitern wird als ein Gerichtsbild über die textinternen Gegner Jesu gedeutet. Die Parabel wird von der individuellen Anrede zu einer kollektiven Gerichtsansage transponiert. Über die teilweise verheerende Wirkungsgeschichte, die diese Gerichtsanrede einerseits gegen die so genannten Häretiker einsetzt und die anderseits in der unheilvollen Nutzbarmachung dieses Wortes durch den Antijudaismus besteht, informiert Ulrich Luz (3 1999, 283; vgl. auch die Hinweise bei Jülicher II 2 1910, 237). Lukas: In seiner Rezeption der Beelzebul-Kontroverse setzt Lukas wenig eigene Akzente und bleibt offensichtlich nahe an seinem Prätext. Die Kontextstellung von Lk 11,24-26 lässt jedoch eine lukanische Deutung erkennen, wie das durch den Exorzismus entstandene Vakuum in dem vom Dämon befreiten Menschen zu füllen ist. So stellt die Gebets131

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Parabeln in der Logienquelle Q

bitte um den heiligen Geist Lk 11,13 (vgl. den Zusammenhang Lk 11,9-13) eine positive Korrelation zum unreinen Geist dar. Bezieht man diese beiden Komponenten aufeinander (Ulonska 1995, 36), so vermeidet das Einziehen des heiligen Geistes die Rückkehr des unreinen Geistes und seiner Kumpanen. Die Konsequenzen der Überwindung des Vakuums zieht Lk 11,28b: »Besser, selig sind die, die das Wort Gottes hören und es befolgen«. Die Warnung der Parabel wird kultisch und ethisch aktualisiert, so dass die Befreiung zum Glauben lukanisch als Leben mit Gebet und in aktiver Befolgung des Gotteswortes begriffen wird. In seinem Lied Die kommen immer wieder von 1982 (veröffentlicht als Single und auf dem Album Eine Form von Gewalt) nennt der deutsche Dichter und wandlungsfähige Liedermacher Heinz Rudolf Kunze Gestalten der Weltgeschichte, die in verschiedenen Ereignissen wieder begegnen, und stellt im Refrain fest: »Die kommen immer wieder / die sind alle noch da / die kommen alle immer schlimmer wieder / die sind ganz ganz nah.« Hier ist nicht der Ort, dem Sinn dieser Passage aus dem frühen Werk Kunzes nachzuspüren, aber er macht eine grundlegende Plausibilität der Erwartung eines Schlimmer-Werdens deutlich und nachvollziehbar. Hierin begegnen sich antike und gegenwärtige volkstümliche Weisheiten an einer Kernstelle der Parabel, auch wenn die Geschichte von der Rückkehr des Dämons auf einer ganz anderen Wirklichkeitswahrnehmung und -beschreibung als die der Gegenwart basiert. Diese Fremdartigkeit gilt es festzuhalten, auch wenn in den Differenzen der Wirklichkeitswahrnehmungen die europäische kein globales Gültigkeitsrecht beanspruchen kann (über Afrika z. B. Nwaoru 2007). Die Engführung der Gerichtsadaption bei Matthäus (s. o.), auch wenn sie Gedanken aus Q nicht völlig unsachgemäß weiterentwickelt, wird man kritisch beleuchten müssen, da die Wirkungsgeschichte der Parabel der Diskreditierung von und nicht der Diskussion mit Andersdenkenden und Andersglaubenden Vorschub leistet. Dass in diesem Horizont auch moderne »Dämonologisierungen« – angesichts, mit und gegen die Parabel – eine kritische Aufarbeitung verdienen, kann ein willkommener Textimpuls sein. Auch kann die Auseinandersetzung um die Parabel gegen das Klagen über das immer Schlimmere zur Animation von Eigenverantwortung und zu Befreiungserfahrungen führen.

Michael Labahn

Literatur zum Weiterlesen M. Ebner, Jesus von Nazareth in seiner Zeit. Sozialgeschichtliche Zugänge, SBS 196, Stuttgart 2003, 126-129. D. Trunk, Der messianische Heiler. Eine redaktions- und religionsgeschichtliche Studie zu den Exorzismen im Matthäusevangelium, HBS 3, Freiburg u. a. 1994, 94-102.

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