Leitfaden zum Landwirtschaftspraktikum an Waldorfschulen und Rudolf-Steiner-Schulen

Leitfaden zum Landwirtschaftspraktikum an Waldorfschulen und Rudolf-Steiner-Schulen 1. Einführung zum Biologisch-Dynamischen Landbau für die 9. Klass...
Author: August Lorentz
9 downloads 4 Views 802KB Size
Leitfaden zum Landwirtschaftspraktikum an Waldorfschulen und Rudolf-Steiner-Schulen 1. Einführung zum Biologisch-Dynamischen Landbau für die 9. Klasse 2. Kurze Beschreibung des Praktikums 3. Hinweise und Aufgaben für Schülerinnen und Schüler 4. Verantwortung des Praktikumsbetreuers 5. Die Rolle der Eltern bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Praktikums 6. Wünsche der Bauernhöfe 7. Das Praktikum aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler 8. Vorstellung der Ergebnisse des Praktikums durch Schülerinnen und Schüler 9. Abschließende Einschätzung des Praktikums durch die Schule und der Bauernhöfe 10. Danksagung 11. Literatur 12. Anhang

1. Einführung zum Biologisch-Dynamischen Landbau und Biolandbau für die 9. Klasse Vor dem Praktikum, in der Regel in den Monaten Februar bis März findet eine fachliche Vorbereitungsepoche für die Klasse statt. Wichtige Themen zum Biologischen Landbau werden besprochen. Besonderer Wert wird auf die lebenden Stoffkreisläufe gelegt. Die Abhängigkeiten Boden, Pflanze, Tier erfahren hierbei eine besondere Bedeutung. Dabei sind Grundkenntnisse zur Tierhaltung, Viehzucht und Ackerbau mit ihren Produkten unablässig. Praktische Bestimmungsübungen, wie organoleptische Untersuchungen an Bioprodukten bilden einen Kernpunkt der Epoche. Konkret gesehen müssen wichtige Getreidearten, Saatgut von Zwischenfrüchten, Rüben, Leguminosen Klee klar determiniert werden. Die Vorbereitungsepoche gibt den Schülerinnen und Schülern ein Grundverständnis für den biologischDynamischen Landbau und sichert einen guten Start auf dem Bauernhof.

2. Kurze Beschreibung des Praktikums Die Thematik des Praktikums ist ein Bestandteil unserer Waldorfpädagogik. In der heutigen Zeit gewinnt dieses Praktikum besonders an Bedeutung. Die vielseitigen Arbeiten, sowie die Integration der Schüler auf dem Land sind außerordentlich wichtig. Folgende Aspekte möchten wir besonders herausstellen: Übung zur Selbständigkeit Die Begegnung mit den Tieren und Pflanzen Die Beziehung zum Tier Arbeitsfelder und Arbeitsrhythmen Während des Praktikums haben die Schüler die Möglichkeit, die Landwirte bei vielen Tätigkeiten zu begleiten, mitzuhelfen, aber auch selbstständig Arbeiten zu übernehmen, Gemüse zu putzen, Kartoffeln sortieren, Joghurt und Käse herstellen oder auch Brot zu backen. Aus den Begegnungen mit den Tieren und Pflanzen kann sich eine tiefe Ehrfurcht vor dem Lebendigen entwickeln. Arbeitsrhythmen bestimmen die Tätigkeiten auf dem Hof. Die Pflege, Fütterung der Tiere, alle diese Verrichtungen tragen der Willenserziehung unserer Schüler bei. Diese stattfindende Wesensbegegnung gilt es zu kultivieren. Die Schüler erleben dabei eine geistige Realität. Woher kommt das Leben? Nicht selten erleben sie die Geburt eines Kälbchens oder ein Tier stirbt und Hilfe ist unmöglich. Mit allen diesen Erlebnissen können die Schülerinnen und Schüler ihre Seelenfähigkeit kraftvoll entwickeln. Es kostet schon eine Gewöhnungszeit, sich in die Familienlebensgemeinschaft auf dem Bauernhof einzufügen. Morgens beginnt der lange Arbeitstag mit melken, füttern, Stall reinigen, Feldarbeiten, Möhren hakcen, unkraut jäten, vielleicht Brot backen. Natürlich ist man nach diesen Tätigkeiten am Abend müde und fällt ins Bett. Die Arbeitszeiten sind festgeschrieben!

Kann man sich im praktischen Leben täglich danach richten? Beispiel: Es ist 16 Uhr, auf der Weide liegt herrlich duftendes Heu. Ein Gewitter zieht auf. Das Heu muss in die Scheune – geschafft! Es ist 19 Uhr. Müde fallen die Schüler ins Bett. In dieser Situation ist Verständnis gefragt. Mühselige, langweilige Tätigkeiten sind da ganz einfach durchzustehen.

3. Hinweise und Aufgaben für die Schülerinnen und Schüler Eine gründliche Vorbereitung der Klasse ist entscheidend für den Erfolg des Praktikums. Nach dem Schuljahresbeginn können sich die Schüler bis zum 6. Dezember ihren Hof mit Hilfe ihrer Eltern selbst suchen. Danach geben wir Hofadressen (Biohöfe) an die Schüler aus und sie können sich einen Hof, natürlich unter Vorbehalt, selbst auswählen und sich den gewählten Hof ansehen. Natürlich trifft die letzte Entscheidung der Praktikumsbetreuer, denn es ist nicht einfach 20 und mehr Schüler auf geeigneten Höfen unterzubringen. Die Anreise zum Hof ist von den Praktikanten möglichst allein, in Absprache mit der Bauernfamilie vorzunehmen. Öffentliche Verkehrsmittel sind zu bevorzugen. Was ist zu beachten: Allergien, zum Beispiel gegenüber Tierhaaren, die Einnahme wichtiger Medikamente, alle diese Dinge sind mit den Eltern abzuklären. Welche schriftlichen Arbeiten sind von den Praktikanten während des Praktikums zu erfüllen? 1. 2. 3. 4.

Tägliche Arbeitsaufzeichnungen (Stichpunkte) Praktikumsbericht (Hofbeschreibung, eigene Eindrücke) Welchen Eindruck hinterließen die Menschen auf dem Hof? Fotos für die Praktikumswandzeitung welche unmittelbar im Anschluss erstellt wird

Arbeitskleidung, warme Pullover, Regenkleidung, ein schönes Buch, Fotoapparat sind selbstverständlich. Auf Smartphone, Handy, Tablet oder Notebook ist dringend zu verzichten. Dringende Telefonate können vom Bauernhof geführt werden

4. Verantwortung des Praktikumsbetreuers Der Praktikumsbetreuer kann nur erfolgreich sein, wenn die gesamte Klasse 9, mit ihrem Klassenbetreuer hinter ihm steht. Es muss die Landwirtschaftsbetriebe mit ihren Menschen kennen, welches natürlich im praktischen Leben nicht immer gelingt. Allerdings ist es für den Betreuer sehr wichtig den Kontakt zu den Höfen ganzjährig zu pflegen. Meist entsteht zwischen Betrieb und Schule eine lebende Verbindung auf die wir stolz sind. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern ist selbstverständlich. Auftretende Probleme, Unstimmigkeiten sind umgehend zu lösen. Vielleicht ist noch zu erwähnen, dass der Praktikumsbetreuer während der Praktikumszeit erreichbar sein sollte. Neue Praktikumsbetriebe sind vom Betreuer zu besuchen, um sich ein Bild von den Menschen und Hofstrukturen zu machen. Die Wahl der Höfe kann in der Regel von den Jugendlichen bestimmt werden. Freunde können meist zusammenfahren. Natürlich gibt es auch Zwänge, letztlich entscheidet der Betreuer des Praktikums.

5. Die Rolle der Eltern bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Praktikums Für die Schülerinnen und Schüler ist es in der Regel das erste Praktikum, welches sie fern von zu Hause verbringen. Die Jugendlichen werden aus ihrer vertrauten Umwelt herausgelöst. Neues kommt auf sie zu. Neben Freude, Spaß, Bereicherung und neuen Erfahrungen gibt es auch Schmerz und Enttäuschungen. Wie können die Eltern helfen? Am allerwichtigsten ist LOSLASSEN, Vertrauen setzen. Das ist eine Grundvorraussetzung welche wir in den Jahren erkannten. So haben die Jugendlichen die große Chance zur eigenen Identität zu kommen. Bitte besuchen Sie ihre Kinder nur in Ausnahmefällen. Lassen Sie ihr Kind allein zum Hof anreisen. Schauen Sie sich den Bauernhof doch einfach vor Beginn des Praktikums an. Seien Sie ohne Vorurteile. Die Lebensgewohnheiten, hygienische Bedingungen, Essgewohnheiten, Zeiteinteilung, diese Dinge erfordern eine nicht geringe Umstellung. Kommen Sie zum Elternabend und zur Auswertung des Praktikums. Ihr Kind wird Ihnen stolz über alle Arbeitsergebnisse berichten. Freuen Sie sich mit ihrem Kind auf das Landwirtschaftspraktikum!

6. Wünsche der Bauernhöfe Wir können uns eigentlich in unserer Schule freuen, denn nicht wenige Höfe helfen uns über viele Jahre bei der Übernahme von Schülerinnen und Schülern. Diese Hilfe kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Viele Probleme werden ohne Aufsehen von den Bauernfamilien erfolgreich gelöst. Die Arbeit mit den jungen Leuten erfordert von den Familien viel Einfühlungsvermögen und Zeit. Welche Eigenschaften sind gefragt? Etwas mehr Selbstständigkeit. Einfache Pflegearbeiten ernst nehmen. Mehr Nachdenken bei der Arbeit. Unannehmlichkeiten auf sich nehmen (Einsichten sind gefragt, so dass Handyverbot bei der Arbeit). Mit wenig Aufwand können wir unseren Schülern helfen. Der Praktikumsbetreuer, Klassenbetreuer kann hier nur in Gemeinschaft mit den Eltern helfen.

7. Das Praktikum aus Sicht der Schülerinnen und Schüler Aus der Resonanz der Schülerinnen und Schüler ist zu erkennen, dass all mit vielen neuen Erfahrungen zurück in die Schule kamen. Weg von zu Hause, ein neues Umfeld, weitgehend auf sich gestellt. Nicht selten ergeben sich mit einmal ungeahnte Entwicklungen. Aus dem vorher wohlbehüteten Jugendlichen, entwickelt sich ein Mensch mit einer völlig neuen Lebenseinstellung. Es ist nicht verwunderlich, dass ein nicht geringer Teil der Schüler in den Ferien einige Tage auf dem bereits bekannten Bauernhof arbeiten. Andere halten über Jahre Kontakt zu den Bauernfamilien. Natürlich gibt es auch andere Schlussfolgerungen. Zum Beispiel: Niemals werde ich Biobauer, die Arbeit ist zu schwer, es gibt keine geregelte Arbeitszeit. Es ist alles Mist. Theater, Kino, Disko scheinen unerreichbar. Aber sind das nicht auch lebenswichtige Erfahrungen für einen jungen Menschen, auch die negativen Erfahrungen? Trotzdem, das Gefühl der Achtung für den landwirtschaftlichen Beruf, die Verantwortung für das Lebendige ist aus fast allen Gesprächen herauszuhören.

8. Vorstellung der Ergebnisse des Praktikums durch die Schülerinnen und Schüler Unmittelbar nach dem Praktikum findet ein Eltern-Schüler-Abend statt. Hier wird gemeinsam vom Praktikum berichtet. Bilder, Hofprodukte werden nicht ohne Stolz in anschaulicher Weise vorgestellt und geben dem Abend eine besondere Note. Natürlich fallen auch kritische Bemerkungen (zu viel Arbeit, Arbeitszeitprobleme, Verpflegung u.a.). Diese Anregungen werden dann versucht im nächsten Praktikum zu berücksichtigen. Nicht unerwähnt sollte die Einladung der 8. Klasse im Rahmen des Gartenbauunterrichtes bleiben. Hier können von der 8. Klasse viele Fragen zur Arbeit und dem Leben auf dem Bauernhof gestellt werden. Die Erfahrung hat uns gezeigt, wie wertvoll ein solcher Austausch ist.

9. Abschließende Einschätzung des Praktikums durch die Schule und durch die Bauernhöfe In einer nach dem Praktikum stattfindenden Lehrerkonferenz wird das Praktikum vom Betreuer und Klassenbetreuer vorgestellt. Der Praktikumsbetreuer, aber auch der Klassenbetreuer sollte versuchen die Schülerinnen und Schüler auf den Höfen zu besuchen. Sollte diese Absicht nicht klappen, ist ein Telefonat oder eine Postkarte für die Schüler recht sinnvoll, unterstreicht sie doch eine geschlossene Verbindung der Klasse.

10. Danksagung Dank geht an Hans Wolkers (Gartenbaulehrer) für die fachliche Durchsicht der Arbeiten. Besonderer Dank für die vielen Hinweise geht an Peter Lange (Arbeitskreis der Gartenbaulehrer an Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz). Ein ganz besonderer Dank gilt Hermann Schultka (Gartenbaulehrer) für die Erarbeitung und Bereitstellung dieses Leitfadens zum Landwirtschaftspraktikums. (November 2013)

11. Literatur Fuchs, Nikolai 2010, Wie weiter mit der Biologisch-Dynamischen Forschung? Verlag am Goetheanum Fuchs, Nikolai 2010, Was ist Biologisch-Dynamische Landwirtschaft? Verlag am Goetheanum Steiner, Rudolf 1999, Landwirtschaftlicher Kurs, R.Steiner Verlag, Dornach Schweiz

12. Wichtige Adressen: Demeter – Erzeugergemeinschaft Hauptstraße 41 15518 Eggersdorf Telefon: 033432 / 72 214 Telefax: 033432 / 72 213

Broschüre Ökohöfe Land Brandenburg zu beziehen über: Grüne Liga Brandenburg Waldstraße 1 14478 Potsdam Telefon/Telefax: 0331 / 87 13 513