Lefebvre 2.0? – Teil 1 4. Aug. 2015 1. Hartn•ckig h•lt sich bei Anh•ngern und Mitgliedern der „Piusbruderschaft“, vornehmlich solchen, welche der gegenw•rtigen F„hrung derselben kritisch gegen„berstehen und sich desto verzweifelter auf „den Erzbischof“ berufen, der Glaube, Erzbischof Lefebvre sei zwar in den fr„heren Jahren bisweilen etwas schwankend gewesen, in seinen letzten Jahren jedoch, sp•testens seit den Bischofsweihen im Jahr 1988, sei seine Haltung der „Konzilskirche“ gegen„ber eindeutig ablehnend geworden und fortan klar und fest geblieben. Also eine Art „Update“ auf „Lefebvre 2.0“? Analysiert man ein wenig die Hinterlassenschaft der Texte, die uns aus dieser Epoche zwischen 1988 und 1991 von Mgr. Lefebvre „berliefert sind, so entpuppt sich dies als ein weiterer Traum der Lefebvristen, eine Fortspinnung der Lefebvre-Legende. In Wahrheit hat Seine Exzellenz seine Position nie wirklich ge•ndert, gekl•rt oder gefestigt. Sie blieb stets die gleiche. 2. Wir d„rfen vorab noch einmal kurz wiedergeben, wie sich die Haltung von Erzbischof Lefebvre charakterisieren oder besser beschreiben l•…t. Zun•chst ist eine un„bersehbare Widerspr„chlichkeit festzustellen, die auch schon als die „zwei Gesichter“ von Monseigneur bezeichnet worden ist. Einerseits war da der tiefgl•ubige Kirchenmann, der sich „ber die „konziliare“ Religionsfreiheit und den Greuel von Assisi emp†ren konnte und starke Worte fand, um deren Urheber und die „Konziliare Kirche“ zu verurteilen. Andererseits war da der Diplomat, der mit den Mitteln der Politik durch Taktik und Kompromisse die „Kirchenkrise“ zu l†sen suchte. Daraus ergab sich notwendig ein Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis, und da bei Erzbischof Lefebvre als langj•hrigem Missionar die praktische Seite stets „berwog, war die Theorie nie besonders ernst zu nehmen. „Der Erzbischof“ sagte es sogar selber einmal in einem Vortrag bei Priesterexerzitien im Jahr 1980, da… die von ihm bisweilen gebrauchten klaren Ausdr„cke nicht so w†rtlich gemeint seien: „Ich war bisweilen imstande, recht starke Worte zu •u‚ern, beispielsweise da‚ das Konzil mehr oder weniger schismatisch war. In einem gewissen Sinn ist das wahr, denn es war ein gewisser Bruch mit der Tradition. Daher kann man sagen, da‚ in diesem Sinn, wonach das Konzil sich in einem Bruch mit der Tradition befindet, es in einem gewissen Ma‚e schismatisch ist. Aber als ich das gesagt habe, wollte ich damit nicht sagen, da‚ das Konzil wahrhaft, definitiv zutiefst schismatisch ist. Man mu‚ es zusammen sehen mit allem, was ich sage. Das Konzil ist schismatisch in dem Ma‚e, wie es mit der Vergangenheit bricht, das ist wahr. Aber damit soll dennoch nicht gesagt sein, da‚ es im pr•zisen, theologischen Sinn des Wortes schismatisch sei.“ Man kann also „mehr oder weniger schismatisch“ sein, „in einem gewissen Sinn“, „in einem gewissen Ma‚e“? Kann man auch „mehr oder weniger katholisch“ sein, „in einem gewissen Sinn“ oder „in einem gewissen Ma‚e“? Das Motto der Halbkonservativen „The more catholic the better“ l•…t gr„…en! Diese Relativierung f„hrt zur Aufl†sung aller Begriffe, und auch das ist typisch f„r das Denken und vor allem Reden Erzbischof Lefebvres, das eine tiefe Zusammenhanglosigkeit offenbart. Die einzige wirkliche Konstante in seinem Denken und Handeln war stets das „Werk seiner H•nde“, die „Piusbruderschaft“. Sie war sein Augapfel und Augenstern. Ihrem Wohl und Wehe war er bereit, alles zu opfern, auch priesterliche Existenzen, auch die Wahrheit. In seinen ‡u…erungen scheute er deshalb nicht zur„ck vor Halbwahrheiten, Sophismen, Verdrehungen, T•uschungen und Entstellungen der Realit•t, sogar der geoffenbarten Wahrheit, wenn es ihm n„tzlich erschien. (So etwa seine dauernde Falschinterpretation des Galaterbriefs, um damit sein Verhalten gegen„ber dem „konziliaren“ Rom zu rechtfertigen.) Er hing dem fatalen Irrtum an, mit seiner „Piusbruderschaft“ einerseits die Zeit der „Krise“ „berbr„cken zu helfen, indem er Zufluchtsorte der „Tradition“ schuf, andererseits und vor allem aber die „Krise“ zu Lefebvre 2.0 – Teil 1

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„berwinden, indem er dem Zusammenbruch einen Neuaufbau entgegenstellte und dadurch sogar zur „Bekehrung“ der „konziliaren Autorit•ten“ beitrug. Denn, so seine Strategie, wenn er diesen vorexerzierte, wie man auf dem Boden der „Tradition“ bl„hendes kirchliches Leben aufbaut, w•hrend sich bei ihnen Seminare, Kirchen und Kl†ster leeren, so w„rden sie unweigerlich allm•hlich ihren Fehler einsehen und selbst zur „Tradition“ zur„ckkehren – wenn auch nur nach und nach, „mehr oder weniger“, „in gewissem Sinn“ oder „gewissem Ma‚e“. Das nannte er das „Experiment der Tradition“, welches ihn machen zu lassen er daher so hartn•ckig bei den „konziliaren“ R†mern einforderte. 3. Hierbei „bersah er v†llig den apostatischen Charakter der „Konziliaren Kirche“, den er selber mehrfach – freilich in seiner unzusammenh•ngenden Weise, „mehr oder weniger“ – konstatiert hatte. Da w•re nun wirklich am Platz gewesen, den heiligen Paulus zu h†ren, und zwar aus dem Hebr•erbrief: „Denn unm„glich ist es, da‚ Menschen, die einmal erleuchtet worden waren, die himmlische Gabe gekostet, die Mitteilung des Heiligen Geistes empfangen, das herrliche Gotteswort und die Kr•fte der kommenden Welt versp…rt haben, und dennoch abfielen, nochmals zu einer Umkehr gebracht werden“ (Hebr 6,4-6). Er erlag somit einer Illusion oder Selbstt•uschung, an welcher er jedoch unersch„tterlich festhielt, und das umso lieber, da sie es ihm erm†glichte, seine „Piusbruderschaft“ und das Wohl der Kirche in eins zu setzen. So konnte er sich ganz und gar auf sein eigenes Werk fokussieren, das zum Mittelpunkt seines Lebens und Webens wurde. Dieser Partikularismus, welcher der Universalit•t der katholischen Kirche gerade entgegengesetzt ist, wurde leider zum Erbe aller Lefebvristen, selbst solcher, die sich von der Bruderschaft gel†st haben, um dann doch blo… wieder ihren je eigenen „Club“ aufzumachen und ihr Steckenpferd darin zu reiten. Der Dominikaner Albert Maria Wei…, selbst ein Ordensmann, schreibt einmal: „Ein korrekter katholischer Ordensmann stellt sich nie ausschlie‚lich auf den Standpunkt seines Ordens. … Stellt sich einer unbewu‚t ausschlie‚lich auf den Standpunkt des Ordensmannes, dann ist er nicht korrekt, und tut er es mit Wissen und mit Berechnung, dann ist er nicht katholisch. … Ein Ordensmann, der seinen Orden an die Stelle der Kirche setzt, ein Ordensmann, der nicht fa‚t, da‚ sein Orden wie jeder Orden nur ein von Gott gegebenes Mittel ist, um die allgemeinen Zwecke der Kirche zu f„rdern und ihm selber die allgemeine Aufgabe aller Christen, die eigene Heiligung, zu erleichtern, ein Ordensmann, der alles nur vom Standpunkt seines Ordens aus betrachtet, versteht nicht einmal die Bedeutung des Ordenslebens und verdient nicht den Namen des Ordensmannes.“ Diese Worte sind sicher bedenkenswert, zumal sie f„r solche gesprochen wurden, welche wahre Ordensm•nner und Mitglieder echter, von der katholischen Kirche errichteter Orden sind. Wieviel mehr m„…ten sie beherzigt werden von solchen, welche eigene, private Gemeinschaften gr„nden oder sich solchen anschlie…en – selbst wenn diese sich, zurecht oder unrecht, auf eine „kanonische Errichtung“ als „pia unio“ „ad experimentum“ durch irgendwelche „konziliare“ Beh†rden berufen. Gewi… hat „der Erzbischof“ stets betont, da… er seine „Piusbruderschaft“ nicht f„r die Kirche halte, sondern lediglich f„r ein kleines bescheidenes Werkzeug zu ihrem Dienst und ihrer Rettung; doch schon das scheint etwas „bertrieben und blieb zudem ein reines Lippenbekenntnis, wie so vieles bei ihm. Zwischen Reden und Handeln klaffte da nicht selten ein Gegensatz, so etwa, wenn er behauptete, die „konziliare“ Hierarchie anzuerkennen oder keine Parallelhierarchie errichten zu wollen. In Wahrheit scherte er sich wenig darum, was die „konziliaren“ Autorit•ten ihm befohlen, gestatteten oder verboten, und bezeichnete sich selbst ungeniert als „die derzeitige kirchliche Obrigkeit“ bzw. lie… sich so bezeichnen (vgl. Kurze Kritische Untersuchung des Lefebvrismus). Doch kommen wir nun zu den Aussagen Seiner Exzellenz selbst, damit man uns nicht der ˆbertreibung oder gar Verf•lschung und Verleumdung zeiht. Wie schon angek„ndigt, werden wir uns ausschlie…lich mit Texten aus den Lefebvre 2.0 – Teil 1

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Jahren 1988, n•herhin nach dem 30. Juni dieses Jahres, bis 1991 besch•ftigen und •ltere nur heranziehen, um diese zu beleuchten. 4. Am 10. Juli 1988 •u…erte sich Erzbischof Lefebvre laut Bemerkung in dem Buch „Damit die Kirche fortbestehe“, Stuttgart 1992 S. 760, erstmals †ffentlich seit den Bischofsweihen. In seiner Predigt anl•…lich einer Primiz im els•ssischen Egelshardt erkl•rte er: „Weil wir uns allen diesen ‡nderungen, die uns protestantisch machen oder bewirken, da‚ wir sogar den Glauben verlieren, absolut widersetzen und weil wir nicht den Glauben verlieren wollen, verfolgt man uns. Ja, man mu‚ es sagen: Man verfolgt uns, weil wir katholisch bleiben wollen. Deshalb bezeichnet man uns aufgrund der Geschehnisse, die wir heute erleben und die leider nicht von mir abh•ngen, als schismatisch, bezeichnet man uns als exkommuniziert. Fragen wir uns aber, wer uns solcherma‚en anklagt und warum man uns exkommuniziert. Diejenigen, welche uns exkommunizieren, sind ja bereits selbst seit langem exkommuniziert! Warum? Weil sie Modernisten sind, weil sie, selbst von modernistischem Geist, eine Kirche geschaffen haben, die dem Geist der Welt konform ist. Das aber ist jener Modernismus, der vom hl. Pius X., dem Patron der Bruderschaft, verurteilt wurde. Dieser letzte heilige Papst hat die Modernisten verurteilt und exkommuniziert. Alle diese Geister, die modernistisch sind, sind durch den hl. Pius X. exkommuniziert. Diese von modernistischen Prinzipien durchdrungenen Personen sind es, die uns exkommunizieren, wo doch sie selbst durch den heiligen Papst Pius X. exkommuniziert sind!“ Etwas „ber ein Jahr zuvor hatte derselbe Erzbischof Lefebvre in der Zeitschrift „Fideliter“ (Ausgabe Mai/Juni 1987) behauptet: „Papst Pius IX. hat die liberalen Katholiken verurteilt. Er hat sogar diesen furchterregenden Satz gesagt: ‘Die liberalen Katholiken sind die schlimmsten Feinde der Kirche.’ Was h•tte er mehr sagen k„nnen? Und dennoch hat er nicht gesagt: alle liberalen Katholiken sind exkommuniziert, befinden sich au‚erhalb der Kirche und man mu‚ ihnen die Kommunion verweigern. Nein, er betrachtete diese Leute als ‘die schlimmsten Feinde der Kirche’ und hat sie dennoch nicht exkommuniziert. Der heilige Papst Pius X. hat in seiner Enzyklika Pascendi Dominici Gregis ein •hnlich strenges Urteil …ber den Modernismus gef•llt, welchen er das ‘Sammelbecken aller H•resien’ nannte. Ich wei‚ nicht, ob man ein strengeres Urteil f•llen kann, um eine Bewegung zu verurteilen. Aber er hat nicht gesagt, da‚ alle Modernisten deswegen exkommuniziert seien, da‚ sie sich au‚erhalb der Kirche bef•nden und ihnen die Kommunion zu verweigern sei.“ 5. Hat Seine Exzellenz also dazugelernt? Man m†chte es fast denken. W•hrend er 1987 noch meint, der heilige Papst Pius X. h•tte nicht alle Modernisten verurteilt und exkommuniziert, so stellt er 1988 zutreffend fest, da… dies eben doch der Fall war. L•…t sich somit nicht in der Tat ein Zuwachs an Klarheit und Festigkeit bei ihm erkennen? In einer Ansprache am 8. Dezember 1988 in Flavigny rechtfertigt Mgr. Lefebvre die Linie seiner „Piusbruderschaft“ und sieht sie durch den Erfolg gerechtfertigt, in welchem er den „Segen Gottes“ meint erblicken zu d„rfen. „Wenn man den zur…ckgelegten Weg, angefangen von den ersten Schritten in Freiburg, betrachtet und die heute 220 Priester und die 250 Seminaristen der Bruderschaft, aufgeteilt in 6 Seminare, dann kann man nur dem lieben Gott danken, da‚ Er ein Werk gesegnet hat, das nur gegr…ndet worden ist, um Ihm und dem Heil der Seelen zu dienen. Einige haben uns verlassen, weil wir mit Rom Schwierigkeiten hatten, andere, weil sie meinten, wir h•tten uns nicht gen…gend vom Papst distanziert. Das war vor allem in den Vereinigten Staaten der Fall, wo sich 1983 12 von unseren 19 Priestern von uns getrennt haben, um ihren Sedisvakantismus zu bekr•ftigen. Das war damals eine schwere und leidvolle Pr…fung f…r die Bruderschaft. Aber das ist alles …berstanden. Die Zahl unserer Priorate ist ebenso gewachsen wie unser Einflu‚.“ Nach Aussage eines damals mitbetroffenen Zeugen sah die „schwere und leidvolle Pr…fung f…r die Bruderschaft“ im Jahr 1983 ein wenig anders aus. Es waren nicht jene Priester, die sich von der Bruderschaft trennten, „um ihren Sedisvakantismus zu bekr•ftigen“, sondern es war Lefebvre 2.0 – Teil 1

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Erzbischof Lefebvre, der sie entfernte, weil sie mit einigen seiner Positionen aus theologischen Gr„nden nicht einverstanden waren. Ausl†ser war die Frage der Liturgie, welcher wir uns in einem weiteren Teil unserer Arbeit noch n•her zu widmen haben. Ein junger amerikanischer Priester hatte sich geweigert, die liturgischen B„cher von 1962 anzunehmen und wurde daraufhin von Monseigneur mit dem Hinauswurf bedroht. Unser Zeitzeuge: „Im Fr…hjahr 1983 drohte Ebf. Lefebvre P. Zapp aus der FSSPX herauszuwerfen, weil dieser die Reformen von Johannes XXIII. nicht annehmen wollte. Diese Drohung des Erzbischofs widersprach dem kanonischen Recht und der Tradition der Kirche, die verlangt, da‚ jeder Bischof, der einen Priester ordiniert, daf…r zu sorgen hat, da‚ der Priester …ber einen ‘kanonischen Titel’ verf…gt, das hei‚t im zeitlichen Sinne versorgt ist. Selbst wenn ein Bischof einen Priester ordiniert ohne kanonischen Titel, wie es Ebf. Lefebvre tat, verpflichtet das kanonische Recht den Bischof und seine Nachfolger, den Priester lebenslang zu versorgen. Ebf. Lefebvre machte eine laufende Praxis daraus, Priester mit dem Ausschlu‚ zu bedrohen oder sie tats•chlich auszuschlie‚en, und diese dann vollst•ndig fallenzulassen. Im Jahre 1983 war das die Standardvorgehensweise des Erzbischofs, •rgere ihn und du fliegst auf die Stra‚e, ohne Berufungsm„glichkeit.“ Wie wir wissen, blieb dies die Standardvorgehensweise nicht nur „des Erzbischofs“, sondern auch seiner „Piusbruderschaft“ bis heute. Sie widerspricht nicht nur dem kanonischen Recht und der Tradition, sondern auch den Statuten der Bruderschaft selbst, in welchen unter „De Sodalitii Operibus“ die neunte Nummer lautet: „Die Bruderschaft soll bereitwillig den alten, kr•nklichen, ja selbst den untreuen Priestern zu Hilfe kommen.“ Nun aber wirft sie ihre eigenen Priester mittellos auf die Stra…e, ohne da… diese sich etwas zuschulden kommen lie…en als den politischen Zielen der Oberen im Wege zu sein, und kommt ihnen fortan in keiner Weise zu Hilfe. Wir sehen hier nicht nur, auf welcher Seite die „schwere und leidvolle Pr…fung“ tats•chlich lag – zumal Seine Exzellenz entgegen seiner anf•nglichen Zusage die Sache sofort gro… publik machte und seine ehemaligen Priester sogleich mit einem Proze… „berzog –, sondern auch, worum es in Wahrheit ging. Erzbischof Lefebvre wollte sich ganz einfach den Weg nach dem „konziliaren“ Rom nicht verbauen lassen, weil er stets hoffte, mit dessen Segen sein „Experiment der Tradition“ machen zu k†nnen. Zu diesem Zweck wurde damals das Delikt des „Sedisvakantismus“ erfunden, welches jeweils dann vorliegt, wenn jemand meint, da… dieses „Experiment“ mit modernistischer Guthei…ung kein statthaftes katholisches Vorgehen ist. 6. Auch in dieser Haltung hat sich „der Erzbischof“ nach den Bischofsweihen keineswegs ge•ndert. In derselben Ansprache in Flavigny vom 8. Dezember 1988 f„hrt er an sp•terer Stelle aus: „Wir h•tten auch andere Haltungen einnehmen k„nnen, vor allem jene einer radikalen Opposition: Der Papst erlaubt die liberalen Ideen, also ist er H•retiker, und somit gibt es keinen Papst mehr. Das ist der Sedisvakantismus: Es ist aus, man schaut nicht mehr nach Rom. Die Kardin•le, die vom Papst ernannt wurden, sind nicht Kardin•le; alle Entscheidungen, die er trifft, sind nichtig. F…r diese Haltung haben sich P. GuŠrard des Lauriers und einige der Priester entschieden, die uns verlassen haben: Es gibt keinen Papst mehr.“ Hingegen: „Pers„nlich war ich immer der Ansicht, da‚ das eine zu sehr vereinfachte Logik w•re. So einfach liegen die Dinge nicht. Man kann jemanden nicht so leicht ausdr…cklich bezichtigen, ein H•retiker zu sein. Es schien mir daher richtig, da‚ ich mich nur von den Fakten distanzieren m…sse, um doch noch mit Rom einen Kontakt aufrechtzuerhalten und anzunehmen, da‚ es in Rom nach wie vor den Nachfolger Petri gibt. Einen schlechten Nachfolger Petri, sicherlich, dem man nicht folgen darf, weil er liberale und modernistische Auffassungen hat. Aber er ist vorhanden und k„nnte sich jederzeit bekehren. Andererseits hat man, wie der hl. Thomas sagt, das Recht, den Autorit•ten auch „ffentlich entgegenzutreten, wenn sie Irrt…mer verk…nden und bekennen. Und das tun wir. Wer wei‚, ob nicht die Gnade Gottes den Papst einmal bewegen wird, sich zu bekehren? Man sagt mir manchmal: ‘Das ist eine Utopie! Es wird Ihnen nie gelingen, ihn zu Lefebvre 2.0 – Teil 1

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bekehren.’ Ich mache mir da auch wirklich nicht viele Hoffnungen, denn nicht ich kann ihn bekehren, das kann nur der liebe Gott. Aber bei Gott ist alles m„glich.“ Aber hatte Seine Exzellenz nicht noch einige Monate zuvor selbst ge•u…ert, wie wir gesehen haben, da… „diejenigen, welche uns exkommunizieren“, „bereits selbst seit langem exkommuniziert“ sind, „weil sie Modernisten sind“? „Das aber ist jener Modernismus, der vom hl. Pius X., dem Patron der Bruderschaft, verurteilt wurde. Dieser letzte heilige Papst hat die Modernisten verurteilt und exkommuniziert. Alle diese Geister, die modernistisch sind, sind durch den hl. Pius X. exkommuniziert. Diese von modernistischen Prinzipien durchdrungenen Personen sind es, die uns exkommunizieren, wo doch sie selbst durch den heiligen Papst Pius X. exkommuniziert sind!“ Und geh†rt zu diesen Geistern, „die modernistisch sind“, zu diesen „von modernistischen Prinzipien durchdrungenen Personen“, welche „uns exkommunizieren“, nicht auch Wojtyla alias Johannes Paul II.? Und doch kann man diesen pl†tzlich wieder „nicht so leicht ausdr…cklich bezichtigen, ein H•retiker zu sein“? Wie l†st sich dieser Widerspruch? Es zeigen sich hier abermals die beiden Gesichter von Erzbischof Lefebvre. Das eine Mal spricht der Kirchenmann, der, angefacht durch das ihm widerfahrene Unrecht einer „Exkommunikation“, seine Widersacher als exkommunizierte Modernisten gei…elt, das andere Mal spricht der Politiker, der sich die Chancen nicht verbauen will, mit ebendiesen exkommunizierten Modernisten wieder ins Gespr•ch und ins Gesch•ft zu kommen. So kehrt er wieder ganz jene Haltung hervor, die er auch bereits 1987 in der zitierten Nummer von „Fideliter“ einnahm, wo er wie folgt fortfuhr: „Ich denke, da‚ wir ebenso wie diese beiden P•pste [Pius IX. und Pius X.] sie [die „konziliaren P•pste“] sehr streng verurteilen m…ssen, aber nicht notwendigerweise, indem wir sie als au‚erhalb der Kirche befindlich betrachten. Das ist der Grund, warum ich den ‘Sedisvakantisten’ nicht folgen will, welche sagen: Das sind Modernisten, der Modernismus ist das Sammelbecken der H•resie, also sind die Modernisten H•retiker, sie befinden sich also nicht mehr in der Gemeinschaft der Kirche, also gibt es keinen Papst mehr… Man kann kein Urteil von so unerbittlicher Logik f•llen. Es steckt in dieser Art des Urteils Leidenschaft und ein wenig Stolz. Beurteilen wir diese Leute und ihre Irrt…mer so, wie die P•pste selbst es getan haben.“ Nun, und eben diese P•pste haben diese Leute f„r exkommuniziert und au…erhalb der Kirche betrachtet, wie er selbst oben zugab. Aber das w•re „eine zu sehr vereinfachte“, ja „unerbittliche Logik“. Schlie…lich kann man ja auch „mehr oder weniger“ h•retisch sein, nur „in einem gewissen Sinn“ oder „in einem gewissen Ma‚e“. Albert Maria Wei… schreibt in seinem Buch „Lutherpsychologie als Schl„ssel zur Lutherlegende“: „H•retisch denken und h•retisch reden, sagt Gerson, hei‚t noch nicht ein H•retiker sein. Um diesen harten Namen zu verdienen, mu‚ sich einer moralisch, d.h. durch seinen hartn•ckigen Willen im Irrtum befestigen. … Sowenig der Glaube blo‚ durch die Erkenntnis der Wahrheit zustande kommt, wenn nicht der gute Wille dazu tritt, so wenig wird ein H•retiker einzig durch den Irrtum der Meinung, wenn nicht der verkehrte, hartn•ckige Wille das seinige dazu beitr•gt. Dies ist die Lehre der Theologie, sicher der beste Beweis daf…r, da‚ sie die psychologischen, d.h. die subjektiven R…cksichten in der Erkl•rung nicht ausschlie‚t. Aber sie ist besonnen genug, um sich mit der Erkl•rung allein nicht zufrieden zu geben, und sie hat so viel Achtung vor dem souver•nen Rechte der Wahrheit, da‚ sie diese nicht der pers„nlichen Willk…r des Menschen zu opfern bereit ist. Darum schreitet sie von der Erkl•rung zur Beurteilung. Selbst wenn der Mensch ohne seine Schuld irrt, so bleibt der Irrtum doch Irrtum und das, was gegen die Wahrheit verst„‚t, unwahr. Dazu, sagt Gerson, ist nicht einmal n„tig, da‚ die, welche irren, wissen, da‚ sie geirrt haben. Sogar da, wo der Irrende f…r seine Person aus inneren Gr…nden Entschuldigung verdient, kann und darf der Irrtum nicht besch„nigt werden. Denn dieser wird nicht aus pers„nlichen Gr…nden, sondern nach objektivem, also absolutem Ma‚stab bemessen.“ Er f•hrt fort: „Gilt das schon dort, wo einer den Irrtum durch Erziehung oder durch Verf…hrung …berkommen hat, so trifft es nat…rlich in doppeltem Ma‚e dort zu, wo einer selber den Irrtum Lefebvre 2.0 – Teil 1

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erfindet oder weiter verbreitet. Ein Lehrer, sagt Gerson, der eine h•retische Lehre aufstellt, ist ein H•retiker auch in solchen F•llen, in denen ein anderer es nicht w•re. Denn eine falsche Lehre statt der wahren aufstellen, kann nicht wohl ohne Hartn•ckigkeit abgehen.“ Das sind goldene Worte, welche sich die Lefebvristen einpr•gen sollten, die immer die „konziliaren P•pste“ mit ihren Irrlehren aus psychologischen Gr„nden entschuldigen wollen und dabei Erkl•rung und Beurteilung verwechseln. 7. „Die Haltung, die ich pers„nlich glaubte einnehmen zu m…ssen, scheint mir immerhin die umsichtigste, die zweckm•‚igste und zugleich die am meisten apostolische zu sein, vor allem wegen der Hoffnung auf Bekehrung, wegen der Hoffnung, den Papst durch unseren Widerstand und durch nachdr…ckliche Vertretung unseres Standpunktes schlie‚lich zum ‹berdenken der Lage zu bewegen. Im Gegensatz zu den Sedisvakantisten richten wir uns in unserem Handeln nach ihm als dem Nachfolger Petri. Wir wenden uns an ihn in dieser seiner Eigenschaft, und wir beten f…r ihn.“ So Seine Exzellenz wiederum in seiner Ansprache vom 8. Dezember 1988 in Flavigny. Hier treten die politischen und diplomatischen Gr„nde seiner Position und ihr pragmatischer Charakter deutlich zutage, sie ist „die umsichtigste“, die „zweckm•‚igste“ und „die am meisten apostolische“ – aber eben nicht unbedingt die wahre oder richtige. Und wieder tr•umt er seine selbst so genannte „Utopie“ von der Bekehrung der „konziliaren“ Autorit•ten, deren Wirklichkeitsferne wir oben schon gesehen haben, die aber ihrerseits durchaus „zweckm•‚ig“ ist, da sie eine Fortf„hrung des Spiels um das „Experiment der Tradition“ erlaubt. Die Behauptung, man w„rde sich in seinem Handeln nach dem „konziliaren“ Papst als dem Nachfolger Petri richten, wird durch die damals j„ngst erfolgten Bischofsweihen selbst L„gen gestraft. Hier hat man sich ebensowenig wie sonst nach Wojtyla „als dem Nachfolger Petri“ gerichtet, andernfalls h•tte man sie strikt unterlassen m„ssen. Die Aussage „Wir wenden uns an ihn in dieser seiner Eigenschaft“ gilt nur sehr bedingt, insofern man n•mlich aus „apostolischen“ Gr„nden gerne von ihm einen Persilschein f„r das „Experiment der Tradition“ h•tte, um unter dem Anstrich der „Legalit•t“ mehr Personen erreichen zu k†nnen. Ansonsten wendet man sich nie und in keiner Angelegenheit an Wojtyla als „Nachfolger Petri“. Die Formel „und wir beten f…r ihn“ ist das Alibi schlechthin, um frei und ungebunden zu tun, „was wir wollen“, solange man nur den Namen des jeweiligen „konziliaren Papstes“ im Kanon der Hl. Messe nennt. Ist also die Haltung Erzbischof Lefebvres in dieser Frage nach den Bischofsweihen tats•chlich klarer und fester, realistischer oder auch nur etwas konsistenter oder konsequenter geworden? Uns will es nicht so scheinen.

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