Landgericht Berlin. Im Namen des Volkes. Urteil

Landgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil Geschäftsnummer: 29 0 135/12 verkündet a m : 25.04.2012 Justizbeschäftigte In dem Rechtsstreit des In...
Author: Harald Walter
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Landgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil Geschäftsnummer: 29 0 135/12

verkündet a m :

25.04.2012 Justizbeschäftigte

In dem Rechtsstreit des Initiative zum Erhalt des Kunsthauses Tacheles e.V., vertreten d.d. Vorstand U M f c C d m und G0ftMMMOiMM A

Straße 90-M, 1 I M F Berlin, Antragstellers, - Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt C ^ j ü y straße Ä IftffrBerlin,-

geg e n den Herrn Rechtsanwalt als gerichtlich bestellter Zwangsverwalter für das Grundstück OmftHßßgm Straße f p - £ * 1(0Ü Berlin, pstraße (fr, i f t M Berlin, Antragsgegner, - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Sch^MMr, iWk & | M I Hamburg,-

hat die Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 25.04.2012 durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin

für ZP550

Recht

e r k a n n t

1. Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, sämtliche sich im 5. OG (Dachgeschoss) im Gebäude 0 0 0 * 0 0 1 0 * Straße M M M f t 10117 Berlin befindlichen Räume an den Verfügungskläger herauszugeben.

2. Die Kosten des Verfügungsrechtsstreits - unter Ausnahme der durch die Anrufung des Amtsgerichts Mitte entstandenen Kosten, welche der Verfügungskläger zu tragen hat - hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.

Tatbestand

Am 07.12.2011 gegen 9.00 h erschienen die für den Verfügungsbeklagten handelnden Rechtsanwälte Prof. Dr. SchflUitt", Dr. S c h l u n d ANN* mit etwa 30 schwarz gekleideten Mitarbeitern eines privaten Sicherheitsdienstes im Kunsthaus Tacheles in der O 4 t M 0 t i P * Straße A M ^ p , 1fMPBerlin. Sie verschafften sich dort Zugang zu den Ausstellungsräumen im 5. OG, indem eine Tür des verschlossenen Raumes aufgebrochen wurde. Schloss und Scharniere wurden dabei zerstört. Dahinter befand sich die seinerzeit aktuelle Ausstellung, die der Verfügungskläger in den Räumlichkeiten durchführte. Es handelte sich um eine Gruppenausstellung/Kunstaustausch mit Künstlern aus Weißrußland mit dem Namen Dach 15 „Eternal Traveller an His Friends", die für das öffentliche Publikum regelmäßig von ca. 10.00 h bis ca. 24.00 h zugänglich gewesen ist. Der überwiegende Teil der vom Antragsteller ausgestellten Kunstwerke gehörte dem Künstler A

Der schon seit geraumer Zeit zur Registernummer 28080B in das Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragene Verfügungskläger - insoweit wird auf den als Anlage ZP550

Ast 1 vorgelegten Registerauszug vom 20.12.2011 verwiesen - führte in den streitbefangenen Atelierräumlichkeiten im 5. OG des Kunsthauses Tacheles seit Sommer 2008 unzählige wechselnde Ausstellungen und andere künstlerische und kulturelle Veranstaltungen durch.

Während des streitgegenständlichen Vorfalles und zeitnah danach rühmte sich niemand dem Verfügungsbeklagten gegenüber ausdrücklich des Besitzes an den streitgegenständlichen Räumlichkeiten. Insbesondere der Künstler R0MI gab in den sich anschließenden Verfahren um die Herausgabe seiner Kunstwerke an, nicht selbst Besitzer der Räumlichkeiten gewesen zu sein. In diesem Zusammenhang wird auf die als Anlagen AG 9 und AG 14 vorgelegten Schriftsätze vom 27.10.2011 - 32 O 412/11 - und vom 09.01.2012 - 33 O 472/11 - der jeweils vor dem LG Berlin geführten Verfahren sowie den Bericht derTAZ vom 10.12.2011 (AG 13) verwiesen.

Seit der Inbesitznahme der Räumlichkeiten durch den Verfügungsbeklagten ist die Eingangstür des 5. OG von diesem verschlossen und Mitarbeiter des von ihm beauftragten security-Dienstes bewachen den Eingangbereich.

Hintergrund des vorstehenden Sachverhaltes ist ein Mietvertrag vom 21.02.2000 des ehemaligen Hauptmieters des Kunsthauses, des Tacheles e. V., der zum 31.12.2008 endete. Da der Tacheles e. V. nach Vertragsbeendigung das Mietobjekt nicht herausgab, strengte der hiesige Beklagten seinerzeit bereits Zwangsverwalter des streitbefangenen Grundstücks - eine Räumungsklage gegen den Tacheles e. V. an (LG Berlin - 32 O 105/09), die in ein rechtskräftig gewordenes Räumungsurteil vom 27.08.2009 mündete. Insoweit wird auf die Anlage AG 1 verwiesen. In dem damaligen Räumungsprozess war der Besitz des Tacheles e. V. an dem gesamten Gebäude unstreitig geblieben.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 02.08.2010 wurde über das Vermögen des Tacheles e. V. das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt J t f M Ü t V % f - S f l ^ z u m Insolvenzverwalter bestellt. Auf den vom Insolvenzverwalter unter dem 29.09.2010 gefertigten Schlussbericht (Anlage AG 8) wird verwiesen.

Der Verfügungskläger nimmt den Verfügungsbeklagten mit Antragsschrift vom 12.03.2012 im Wege der einstweiligen Verfügung aus Besitzschutz auf Wiedereinräumung des Besitzes an den Räumlichkeiten im 5. OG in Anspruch.

Er behauptet, die streitbefangenen Räume auf der Grundlage des als Anlage Ast 7 vorgelegten Nutzungs- und Überlassungsvertrages vom 19.08.2008, auf den verwiesen wird, vom Tacheles e. V. rückwirkend zum 01.08.2008 zur Nutzung überlassen erhalten zu haben. In unmittelbarem ZP550

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Anschluss an die seinerzeitige Vertragsunterzeichnung habe er die Schlüssel zu der großen Eingangstür aus Stahl zum 5. OG durch Übergabe an sein Vorstandsmitglied, Llftta C Ü » , erhalten. In diesem Zusammenhang wird auf die vom Verfügungskläger zur Glaubhaftmachung eingereichten eidesstattlichen Versicherungen der LttHl C0fc»und des M*M) RMlF (Vorstand Tacheles e. V.), jeweils vom 16.03.2012 (Ast 11 und Ast 12) verwiesen.

Der Verfügungskläger beantragt, dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, dem Verfügungskläger sämtliche, sich im 5. OG (Dachgeschoss) im Gebäude Ot Straße ÜNPNl, 1 | M 0 Berlin befindlichen Räume an ihn herauszugeben.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die Klage auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte, der zunächst auch die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessvertreters des Verfügungsklägers gerügt hatte - insoweit wird auf die im Termin vorgelegte Vollmachtsurkunde vom 12.03.2012 verwiesen - rügt die fehlende Aktivlegitimation des Verfügungsklägers. Dies erfolgt vor dem Hintergrund seines Zusatzes „i. G." in dem Rubrum des vorgelegten Nutzungs- und Überlassungsvertrages (Ast 7).

Er behauptet, der vorgenannte, auf den 19.08.2008 datierte Untermietvertrag sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Tacheles e. V. nachgefertigt worden. Der Vertrag, so meint er, sei nichtig, da eine Besitzüberlassung an den Verfügungskläger gar nicht wirklich gewollt gewesen sei, sondern man sich wohl lediglich der in einem Schreiben M«fl)r R l ^ Ü vom 16.01.2009 - insoweit wird auf die Anlage AG 3 verwiesen - bereits angekündigten „kreativen Mittel" bedient habe, um die Räumungsvollstreckung zu vereiteln.

Dass tatsächlich der Tacheles e. V. auch nach dem 19.08.2008 noch Besitzer des Kunsthauses geblieben sei, belegten neben dessen unstreitig gebliebenen Besitz im Räumungsverfahren die Tatsache, dass der Verfügungskläger vorprozessual zu keinem Zeitpunkt als Besitzer Erwähnung gefunden habe oder in Erscheinung getreten sei. Insbesondere enthielten frühere Äußerungen M t f t R # t H i und L M P C4Mto - seinerzeit unstreitig Pressesprecherin des Tacheles - keinen ZP550

Hinweis auf den Besitz des Verfügungsklägers. Es sei im Gegenteil nie ein Zweifel gelassen worden am Besitz des Tacheles e. V.. Auf die in diesem Zusammenhang eingereichten Anlagen AG 4 (Schreiben vom 17.11.2009) und das Anlagenkonvolut AG 5 (Presseveröffentlichungen) verwiesen.

Auch dem Insolvenzverwalter des Tacheles e. V. sei - insoweit unstreitig - ein Untermietverhältnis mit dem Verfügungskläger nicht bekannt gewesen. Der Insolvenzverwalter habe, so behauptet der Verfügungsbeklagte, „die Immobilie an den Zwangsverwalter herausgegeben" und damit den mittelbaren Besitz daran an ihn übertragen.

Der Verfügungsbeklagte meint, am 07.12.2011 sei in Ermangelung seiner Kenntnis eines bestehenden Besitzes an den Räumlichkeiten des 5. OG keine verbotene Eigenmacht ausgeübt worden. Nachdem der Verfügungskläger sich 3 Monate nicht gerührt habe, bestehe auch kein Verfügungsgrund mehr. Vielmehr habe der Verfügungskläger die Dringlichkeit durch sein langes Abwarten mit der Einreichung der Antragsschrift vom 12.03.2012 selbst widerlegt.

Jedenfalls aber müsse er sich die dolo-agit-Einrede entgegenhalten lassen, da er schuldrechtlich kein Recht zum Besitz habe. Die Geltendmachung von Besitzschutzansprüchen sei vor diesem Hintergrund treuwidrig. Dem erhobenen possessorischen Besitzschutzantrag stehen ein entscheidungsreifer petitorischer Räumungsanspruch gegenüber. Dies führe - entsprechend der Rechtsprechung des BGH zur petitorischen Widerklage - einer Entscheidung des OLG Rostock (Urteil vom 03.05.2001 - 1 u 233/00 -) folgend, zu einer Ausnahme von § 863 BGB. Der „Gegenantrag" sei vorliegend in dem gestellten Klagabweisungsantrag zu sehen.

Schließlich würde durch den Erlass einer Herausgabeverfügung in unzulässiger Weise die Hauptsache vorweggenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das zunächst angerufene Amtsgericht Mitte von Berlin hat die Sache in Verneinung seiner sachlichen Zuständigkeit mit Beschluss vom 27.03.2012 an das Landgericht verwiesen.

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Entscheidungs

gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I 1. Nachdem der Beklagtenvertreter sich zu der im Termin vom Prozessvertreter der Verfügungsklägerin vorgelegten Vollmachtsurkunde - nach Einsichtnahme in diese - nicht mehr geäußert hat, ist davon auszugehen, dass die zuvor erhobene Vollmachtsrüge nicht mehr aufrechterhalten wird. Jedenfalls aber ist die erfolgte Bevollmächtigung des Prozessvertreters der Verfügungsklägerin durch die im Termin am 25.04.2012 gemäß § 80 ZPO im Original vorgelegte Vollmachtsurkunde hinreichend nachgewiesen.

2. Dass der streitgegenständliche Vorfall vom 07.12.2011 bei Einreichung der auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antragsschrift bereits über 3 Monate und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.04.2012 sogar über 4 Monate zurückgelegen hat, lässt entgegen der Rechtsauffassung des Verfügungsbeklagten - das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Verfügung - gerichtet auf die Wiedereinräumung des entzogenen Besitzes - nicht entfallen. Denn der erhobene Besitzschutzanspruch aus § 861 I BGB rechtfertigt eine einstweilige Verfügung ohne dass es daneben der Glaubhaftmachung eines besonderen Verfügungsgrundes bedarf. (OLG Celle ZMR 08, 288; OLG Köln, MDR 00, 152; Bassenge in Palandt, „BGB", 71. Aufig., Rd. 12 zu § 861 BGB).

Die Ausführungen des Verfügungsbeklagten bieten keinen Anlass, vorliegend hiervon abzuweichen. Mit den Vorschriften der §§ 859 ff., BGB hat der Gesetzgeber dem Besitzer sofort wirksame Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, Beeinträchtigungen seines Besitzes abzuwehren und ihm entzogenen Besitz umgehend zurückzuerlangen, ohne sich auf Auseinandersetzungen über die materielle Rechtslage einlassen zu müssen. Indem zunächst der „Status quo" wieder hergestellt und der vermeintlich Anspruchsberechtigte auf den Rechtsweg verwiesen wird, soll zugleich der Rechtsfrieden gewahrt und eigenmächtige Rechtsverwirklichung unterbunden werden. Diese Ziele würden nur unvollkommen erreicht, wenn der aus § 861 BGB vorgehende ehemalige Besitzer im einstweiligen Verfügungsverfahren zusätzliche Gründe darlegen und glaubhaft machen müsste, die eine sofortige Rückführung des Besitzes erfordern. Das erkennende Gericht hält deshalb daran fest, dass die in § 861 BGB tatbestandlich vorausgesetzte verbotene Eigenmacht zugleich den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt. Das gilt ZP550

auch, wenn der betroffene Besitzer - wie vorliegend der Verfügungskläger - den Anspruch aus § 861 BGB erst Monate nach dem Besitzverlust erhebt. Die Grenzen des besonderen Besitzschutzes hat der Gesetzgeber in § 864 BGB bestimmt. Solange die dort grundsätzlich festgelegte Jahresfrist nicht abgelaufen ist, besteht keine Anlass, besondere Darlegungen zum Anspruchgrund zu verlangen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.1993 - 11 U 11/93 veröffentlicht in juris). Im Übrigen lässt das Zuwarten des Verfügungsklägers hier auch nicht ohne weiteres auf mangelnde Eilbedürftigkeit schließen. Vielmehr hat der Verfügungskläger plausibel dargelegt, dass für ihn zunächst nicht die Durchsetzung der Wiedererlangung des Besitzes an den streitgegenständlichen Räumlichkeiten, sondern die Rückgabe der in diesen befindlichen Werke sowie des sonstigen Eigentums des Künstlers A t M M * Rttlft an diesen im Vordergrund gestanden hat.

II Der auf Wiedereinräumung des Besitzes gerichtete Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers ergibt sich aus § 861 I BGB. Der Verfügungsbeklagte besitzt ihm gegenüber fehlerhaft, weil er ihm den Besitz durch verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 I BGB entzogen hat.

1. Für die hier zu treffende Entscheidung ist davon auszugehen, dass der Verfügungskläger zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls am 07.12.2011 Besitzer der in Rede stehenden Räumlichkeiten im 5. OG des Kunsthauses Tacheles gewesen ist. Das ergibt sich schon daraus, dass er in den Räumlichkeiten unstreitig seinerzeit eine Kunstausstellung einer Gruppe Künstler aus Weißrussland („Dach 15") mit dem Titel „Eternal Traveller and his Friends", im Wesentlichen mit Werken des Künstlers AHMttttpr RMW durchgeführt hat. Diese Ausstellung ist regelmäßig von ca. 10.00 h bis ca. 24 h für das öffentliche Publikum zugänglich gewesen.

Werden Kunstwerke - wie hier - gezielt zum Zwecke der Ausstellung an einen Aussteller übergeben, handelt es sich regelmäßig um einen Leihvertrag. Der Aussteller, welcher das Kunstwerk entleiht, übernimmt damit die Verpflichtung es bei Auf- und Ausstellung und Repräsentation vor Beschädigung von Außen und durch Dritte zu schützen (OLG Rostock, Urteil vom 05.03.2007 - 3 U 103/06 - veröffentlicht in juris). Die übernommene Obhutspflicht führt zugleich zur Begründung eines Verwahrungsverhältnisses gemäß § 688 BGB. Die Verwahrungspflicht des Ausstellers ist Nebenpflicht des Leihvertrages (Sprau in Palandt, a.a.O., Rd. 6 zu § 688 BGB). Dieser kann er nur gerecht werden, indem er unmittelbaren Besitz über die Ausstellungsräumlichkeiten ausübt. Unmittelbarer Besitz (§ 854 I BGB) ist als Innehabung der ZP550

tatsächliche Gewalt, also als tatsächliche Machtbeziehung zu verstehen, die von einem Besitzwillen getragen ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2001 - 10 U 125/01 - veröffentlicht in juris).

2. Vorliegend hat der Verfügungskläger durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen der L f c % C4fcHund des M j M f r R t f » , jeweils vom 16.03.2012, gemäß § 294 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass der Verfügungskläger bereits am 19.08.2008 im Wege der Schlüsselübergabe (vgl. Bassenge in Palandt, a.a.O., Rd. 5 zu § 854 BGB) insbesondere hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Atelierräumlichkeiten im 5. OG des Kunsthauses Tacheles vom seinerzeitigen Mieter des Gebäudes, dem Tacheles e. V., Besitz eingeräumt erhalten hat.

Die Beweiskraft der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen hat der Verfügungsbeklagte nicht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts zu erschüttern vermocht. Sein Vortrag gibt, insbesondere auch unter Berücksichtigung der eingereichten Anlagen, keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit LÜftrC4MM und/oder M f N b R 4 M H sowie der Glaubhaftigkeit des von beiden übereinstimmend im Hinblick auf die Übergabe des Schlüssels für die zu den Räumlichkeiten des 5. OG führenden Eisentür eidesstattlich versicherten Sachverhaltes zu zweifeln.

Zwar sind an die Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO weniger strenge Anforderungen zu stellen, als an den Vollbeweis nach § 286 I ZPO, so dass auch an den Erheblichkeitsmaßstab des Bestreitens entsprechend geringere Anforderungen zu stellen sind. Während Beweis eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist (BGH NJW 91, 3284), handelt es sich bei der Glaubhaftmachung nur um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (BVerfG 38, 39). Ein substantiiertes Bestreiten verlangt daher die Erschütterung dieser Wahrscheinlichkeit.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten vermögen dies weder die vorangegangene, zum Teil gerichtsbekannte, Historie, noch die vorgelegten Anlagen. Dass der Tacheles e.V. in dem gegen ihn im Jahr 2009 geführten Räumungsprozess, seinerzeit persönlich vertreten durch den Vorstand Mftlfe R4Hf bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 27.08.2009 keinen Zweifel an einem Besitz des Kunsthauses Tacheles gelassen hat, sondern der Besitzstand des Tacheles e. V. im Vorprozess unstreitig gewesen ist, steht einer bereits zuvor erfolgten Untervermietung und Übertragung des unmittelbaren Besitzes der hier in Rede stehenden Räumlichkeiten des 5.OG an den hiesigen Verfügungskläger nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der damalige Prozessvortrag des Tacheles e. V. keine Wirkung für und wider den hiesigen Verfügungskläger entfaltet, vermag er auch die Glaubwürdigkeit seines seinerzeitigen Vorstandes, M f f l l i RtiMF in Betreff seiner hier vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 16.03.2012 ZP550

(Anlage AST 12) nicht zu erschüttern. Gemäß § 868 BGB ist auch der Vermieter, gegenüber dem ein Mieter auf Zeit zum Besitz berechtigt ist, (mittelbarer) Besitzer. Soweit im seinerzeitigen - von der nämlichen Einzelrichterin entschiedenen - Räumungsrechtsstreit vom damaligen Beklagten das Bestehen von Untermietverhältnissen vorgetragen worden ist, so hat sich dieser Vortrag jedenfalls nicht auf das hier streitgegenständliche 5. OG des Kunsthauses bezogen. Ein insoweit widersprüchlicher Vortrag zum Inhalt der einstweiligen Versicherung M f M i Pfßtfßs vom 16.03.2012 lässt sich mithin nicht feststellen.

Dem Verfügungsbeklagten ist allerdings zuzugeben, dass das als Anlage AG 4 vorgelegte, von M 4 Ü | RdNfe unterzeichnete, Schreiben des Tacheles e. V. vom 17.11.2009 sehr wohl den Tacheles e. V. als Vermieter des - unstreitig im 5. OG gelegenen - Atelier A/1 des Kunsthauses ausweist, und zwar zu einem Zeitpunkt, in welchem längst der Verfügungskläger seinerseits Untermieter gewesen zu sein behauptet. Das ausdrücklich „Zur Vorlage bei Ämtern und Behörden" gefertigte Schreiben, in dem es offenbar um einen Nachweis des von den namentlich benannten Künstlern monatlich zu erbringenden Mietzinses gegangen ist, steht allerdings im Einklang mit dem von Seiten des Verfügungsbeklagten erhobenen Vorwurf der mangelnden Transparenz des streitgegenständlichen Untermietverhältnisses allein zum Zwecke der Vereitelung der Räumungsvollstreckung.

Das erkennende Gericht stimmt dem Verfügungsbeklagten dahin zu, dass Vieles dafür spricht, dass die Besitzübertragung vom Tacheles e. V. an den hiesigen Verfügungskläger im Wesentlichen von der Motivation der Vereitelung, zumindest aber einer nicht unerheblichen Verzögerung der Räumungsvollstreckung gegen den Tacheles e. V. getragen gewesen ist. Es mag sich bei dem daraus resultierenden Besitzschutzanspruch durchaus um eines der von M4M^ R # N | in dem als Anlage AG 3 eingereichten Schreiben vom 16.01.2009 angekündigten „zu Gebote stehenden rechtlichen und kreativen Mittel" handeln. Damit im Einklang steht sowohl die mangelnde Transparenz des hier in Rede stehenden Untermietverhältnisses mit dem Verfügungskläger in dem im Jahr 2009 geführten Räumungsprozess, als auch die offenbar fehlende Offenbarung desselben dem eigenen Insolvenzverwalter gegenüber.

Dass sich auch in Presseveröffentlichungen auf Äußerungen der seinerzeitigen Pressesprecherin des Tacheles e V., LifeCfHPft kein entsprechender Hinweis auf eine Besitzübertragung auf den Verfügungskläger findet, ist vor diesem Hintergrund nur folgerichtig. Die Glaubwürdigkeit der LftlMi CAtofcin Betreff auf die von ihr unter dem 16.03.2012 abgegebene eidesstattliche Versicherung ist deswegen aber nicht erschüttert.

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Soweit die Vertreter des Verfügungsbeklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.04.2012 bestritten haben, dass der Verfügungsbeklagte am 07.12.2011 die Schlüsselgewalt zu den streitigen Räumlichkeiten inne hatte, können sie damit in Ermangelung der Glaubhaftmachung eines plausiblen Alternativsachverhaltes nicht gehört werden. Dem eigenen Vortrag des Verfügungsbeklagten zufolge, der insoweit Bezug nimmt auf den Bericht des Insolvenzverwalters des Tacheles e V. vom 29.09.2010 hatte dieser „die Immobilie"(gemeint das Kunsthaus Tacheles) bereits vor dem hier streitgegenständlichen Vorfall an ihn herausgegeben. Offenbar ist der Beklagte gleichwohl nicht in den Besitz eines Schlüssels zu den im 5. OG befindlichen Räumlichkeiten gelangt.

Unstreitig hat der Verfügungskläger seit Sommer 2008 bis zum Datum des streitgegenständlichen Vorfalls wechselnde Ausstellungen und andere künstlerische und kulturelle Veranstaltungen in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten im 5. OG durchgeführt, was, wie eingangs unter II 1. dargelegt, jeweils die Ausübung des tatsächlichen Besitzes an den Räumlichkeiten erfordert und für durchgängigen, fortlaufenden Besitz spricht.

Wenn die Vertreter des Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2012 nun geäußert haben, dass zu vermuten sei, dass in Wirklichkeit gar nicht der Verfügungskläger sondern doch die jeweiligen Künstler selbst - insbesondere am 07.12.2011 Herr AJMtMtaF

R0I*

- Besitz an den Räumlichkeiten gehabt hätten/habe und der Sachverhalt von diesem lediglich anders dargestellt worden sei, so müssen sie sich entgegenhalten lassen, dass eine diesbezügliche Glaubhaftmachung etwa in Form einer eidesstattlichen Versicherung oder des Zeugnisses des A f t M M P R f N f e i m Termin jedenfalls nicht präsent gewesen sind. Vielmehr hat der bei der streitgegenständlichen „Stürmung" in den Räumlichkeiten angetroffene Künstler R i t t * jeglichen Besitz seiner selbst an den Räumlichkeiten unstreitig von Anfang an in Abrede gestellt. Das ergibt sich bereits aus dem Vortrag des Verfügungsbeklagten selbst, wonach sich zunächst niemand eines entsprechenden Besitzrechts berühmt habe, und wird durch die vom Verfügungskläger vorgelegten Schriftsätze vom 27.10.2011 - 32 O 412/11 - und vom 09.01.2012 - 33 O 472/11 - (Anlagen AG 9 und AG 14) bestätigt. Gegenteilige Anhaltspunkte sind weder aus dem als Anlage AG 13 vorgelegten Bericht der TAZ vom 10.12.2011 ersichtlich, anlässlich dessen der darin wörtlich zitierte Künstler Rtfftj offenbar persönlich interviewt worden ist, noch aus dem gerichtsbekannten Internet-Video vom 12.12.2011 „Arrested Exhibition A M M H R # ^ 2 0 1 1 Berlin" auf You Tube.

3. Entgegen der Rechtsauffassung des Verfügungsbeklagten ist der Verfügungskläger für den erhobenen Besitzschutzanspruch auch aktivlegitimiert. Zwar hat es sich bei dem Verfügungskläger ZP 550

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am 19.08.2008, dem Tag der von ihm behaupteten Schlüsselübergabe gemäß der eingereichten Anlage AST 7 (Nutzungs- und Überlassungsvertrag vom 19.08.2008) noch um einen e.V. in Gründung gehandelt. Dass die durch Vorlage eines Vereinsregisterausdrucks des AG Charlottenburg vom 20.12.2011 nachgewiesene Eintragung in das Vereinsregister bereits am 16.07.2008 erfolgt ist, ergibt sich - entgegen dem Vortrag des Verfügungsklägers - aus dem vorgelegten Registerausdruck gerade nicht. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um das Datum der Satzungsgebung. Seine Rechtsfähigkeit erlangt der Verein gemäß § 21 BGB erst mit der Eintragung in das zuständige Vereinsregister. Die am 19.08.2008 an LflM» CMIte als Vertreterin des (seinerzeit noch gar nicht rechtsfähigen) Vereins erfolgte Schlüsselübergabe (vgl. Bassenge in Palandt, a.a.O., Rd. 10 zu § 854 BGB) hat jedoch dazu geführt, dass sie - bei entsprechender Willensrichtung, die sich wiederum aus ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 16.03.2012 ergibt - spätestens seit der Eintragung des Vereins für diesen Besitz ausgeübt hat.

4. Dieser Besitz ist dem Verfügungskläger am 07.12.2011 durch die - unstreitig für den Verfügungsbeklagten handelnden - Rechtsanwälte und Security-Leute widerrechtlich im Wege verbotener Eigenmacht nach § 858 I BGB entzogen worden. Verbotene Eigenmacht begeht, „wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet" (§ 858 I BGB).

Der Verfügungsbeklagte kann in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg einwenden, keine Kenntnis vom Besitz des Verfügungsklägers gehabt zu haben, da sich niemand zeitnah eines Besitzrechts an den streitgegenständlichen Räumlichkeiten berühmt habe.

Auf die Kenntnis vom Besitzwillen eines anderen kommt es im Rahmen der Tatbestandsverwirklichung des § 858 I BGB gar nicht an. Jede ohne den Willen des unmittelbaren Besitzers und ohne gesetzliche Gestattung erfolgte Besitzbeeinträchtigung ist widerrechtlich. Selbst wenn man der von den Vertretern des Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung dahin, dass das Vorfinden einer verschlossenen Tür nicht immer zwingend bedeute, dass jemand Besitzwillen an den durch die Tür versperrten Räumlichkeiten habe, folgt, so ist das Gegenteil eines besitzlosen Zustandes doch vorliegend jedenfalls mit der erfolgten Öffnung der Tür angesichts der dahinter befindlichen Ausstellung und Kunstwerke offenbar geworden. Eine verbotene Eigenmacht liegt damit zumindest in der durch den Verfügungsbeklagten erfolgten anhaltenden Inbesitznahme der Räumlichkeiten nachdem die Tür aufgebrochen worden war.

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Auch die Tatsache, dass der Verfügungskläger vor Ablauf von 3 Monaten nach dem streitgegenständlichen Vorfall dem Verfügungsbeklagten gegenüber weder Besitzschutzrechte geltend gemacht hat, noch sich ihm gegenüber auch nur ausdrücklich auf sein Besitzrecht berufen hat, führt zu keiner anderen rechtliche Bewertung. Denn für eine erfolgte Besitzaufgabe seitens des Verfügungsklägers, wozu die Änderung des auf die Besitzausübung gerichteten Willens der für ihn handelnden Organe genügen würde, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Weder haben die Vertreter des Verfügungsklägers die Inbesitznahme der streitgegenständlichen Räumlichkeiten bewusst wort- und tatenlos geschehen lassen. Denn die Vorstandsmitglieder LMlPC#fth und G|ffcAi||flWtOA|flMfrsind bei der „Stürmung" der Räumlichkeiten unstreitig nicht persönlich zugegen gewesen. Noch liegt in dem darauf folgenden mehrmonatigen Abwarten eine konkludente Aufgabe des Besitzwillens. Dazu hätte es vor Ablauf der Jahresfrist des § 854 I BGB eines ausdrücklichen Aufgabeaktes bedurft.

5. Ob der Verfügungskläger ein Recht zum Besitz hat, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang. Dem Besitzschutz aus § 861 I BGB kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gläubiger zum Besitz nicht berechtigt sei. Die Frage der verbotenen Eigenmacht beantwortet sich vielmehr unabhängig von der Berechtigung des Besitzers, gegen den die Besitzentziehung verübt wird. Aus § 863 BGB folgt, dass die Besitzschutzansprüche der §§ 861, 869 BGB den Besitzer in die Lage versetzen sollen, gegenüber Besitzbeeinträchtigungen schnellen gerichtlichen Schutz zu erlangen, wenn er sie nicht selbst nach § 859 BGB abwehren kann oder will (Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.10.2006 - 4 U 229/06 - veröffentlicht in juris). Auf die Wirksamkeit des als Anlage Ast. 7 vorgelegten Nutzungs- und Überlassungsvertrages vom 19.08.2008 kommt es mithin nicht an. Ob dieser nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Tacheles e. V. nachgefertigt worden ist, wie der Verfügungsbeklagte behauptet, spielt für die hier zu treffende Entscheidung keine Rolle.

6. Selbst wenn die - hier maßgebliche - Besitzübertragung an den Verfügungskläger als solche alleine dem Zwecke der Vereitelung der Räumungsvollstreckung gedient haben sollte, ein Verdacht, der vorliegend naheliegt und jedenfalls nicht von der Hand gewiesen werden kann, führt dies nicht dazu, dass Besitzschutzansprüche des Verfügungsklägers deswegen nach Treu und Glauben zurückgewiesen werden müssen.

Ebenso wie ein Zwangsvollstreckungsgegner im Rahmen der formellen Zwangsvollstreckung in zulässiger Weise einwenden kann, dass er in dem Titel oder der Klausel nicht namentlich bezeichnet ist, darf es dem Besitzer - selbst wenn es sich um eine rein formale und ggf. bewusst ZP550

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missbräuchlich erlangte Rechtsstellung handelt -, nicht verwehrt sein, sich auf seine possessorisch geschützen Rechte zu berufen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob er bei Besitzerlangung oder Aufrechterhaltung des Besitzes gegen Treu und Glauben verstoßen hat, etwa weil er gewusst hat, dass der mittelbare Besitzer (Vermieter), von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, selbst nicht mehr zum Besitz berechtigt, sondern seinerseits zur Herausgabe verpflichtet ist. Die Räumungsvollstreckung - hier des Zwangsverwalters - gegen den im Titel nicht genannten Besitzer ist selbst dann unzulässig, wenn feststeht, dass dieser materiell-rechtlich zur Herausgabe verpflichtet ist (BGH, Beschluss vom 14.08.2008 - I ZB 39/08 -).

Entgegen der Rechtsansicht des Verfügungsbeklagten kann dieser dem Herausgabeverlangen des Verfügungsklägers daher nicht den aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteten Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen halten. Zwar kann grundsätzlich beim Bestehen einer Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr ein schutzwürdiges Interesse an einer Leistung fehlen (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est), was ein darauf gerichtetes Begehren treuwidrig erscheinen lässt. Doch würde im Rahmen der Besitzschutzrechte auf diese Weise der Einwendungsausschluss des § 863 BGB umgangen. Der tatbestandlich begründete Besitzschutzanspruch entfällt daher nicht dadurch, dass der Störer/Entzieher einen Herausgabeanspruch hat und deshalb seinerseits gerichtlichen Schutz erlangen könnte (Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.10.2006 - 4 U 229/06 - veröffentlicht in juris).

7. Bei der auf die Herausgabe der umstrittenen Räumlichkeiten gerichteten Titulierung handelt es sich insbesondere auch nicht um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Eine Sequestration (Herausgabe an einen Sequester) kommt nicht in Betracht, da einzig durch die Herausgabe an den Verfügungskläger selbst die unzulässige Selbsthilfe bzw. „unorthodoxe Zwangsvollstreckungsmaßnahme" rückgängig gemacht werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.10.2003 - 2 W 26/03 - veröffentlicht in juris). Ob dies von Dauer sein wird, bleibt der Entscheidung über die - gerichtsbekannt bereits unter dem Aktenzeichen LG Berlin - 29 O 156/12 - rechtshängigen Räumungsklage vorbehalten.

8. Schließlich kann der Verfügungsbeklagte nicht damit gehört werden, dass dem vorliegend geltend gemachten possessorischen Besitzschutzantrag ein entscheidungsreifer petitorischer Gegenanspruch gegenüberstehe, was zu einer Ausnahme von § 863 BGB führen müsse.

Lediglich im Falle einer petitorischen Widerklage hat der BGH bislang eine Ausnahme anerkannt und zur Vermeidung widersprüchlicher Urteile in Anlehnung an die Regelung des § 864 II BGB die ZP 550

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Berücksichtigung entscheidungsreifer Besitzrechte gefordert. Danach ist die possessorische Besitzschutzklage bei Entscheidungsreife auch der petitorischen Widerklage abzuweisen und zugleich der Widerklage stattzugeben (BGH NJW 1979, 1358, 1359 und NJW 79, 1359, 1360).

Die Richtigkeit der Auffassung des OLG Rostock in seinem Urteil vom 03.05.2001-1 I 233/00 (veröffentlicht in Juris), wonach eine ebensolche Gefahr widersprechender Urteile auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestehe und Berücksichtigung finden müsse, wenn dem Antrag auf possessorischen Besitzschutz ein entscheidungsreifer, auf das Besitzrecht der Verfügungsbeklagten gestützter, petitorischer „Gegenantrag" auf Besitzeinräumung gegenüber stehe, kann für die hier zu treffende Entscheidung dahinstehen. Denn der vom Verfügungsbeklagten formulierte bloße Abweisungsantrag, betreffend den auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung gerichteten Klagantrag des Verfügungskläger kann schon nicht als petitorischer Gegenantrag bewertet werden. Andernfalls könnten - unter Zugrundelegung der vorgestellten Rechtsauffassung - Besitzschutzansprüche in streitigen Verfahren beim Bestehen eines begründeten Gegenanspruchs gar nicht mehr durchgesetzt werden. Dem aber steht die ausdrückliche Regelung des § 863 BGB entgegen.

Da überdies im einstweiligen Verfügungsverfahren weder die Möglichkeit einer Widerklage, noch eine Gegenantrages besteht, wäre es systemfremd, das Eilverfahren mit der Feststellung von materiell-rechtlichen Gegenansprüchen zu belasten. Hierbei ist insbesondere die vorläufige Natur der zu treffenden Entscheidung in die Überlegungen einzubeziehen. Letztlich wahrt der Erlass einer einstweiligen Verfügung nur solange den besitzrechtlichen Status quo, bis eine Entscheidung in der Hautsache eine materiellrechtliche Klärung herbeigeführt hat. Es besteht kein Bedarf, diese Klärung bereits in das Eilverfahren vorzuziehen und hierdurch das Hauptsacheverfahren zu entwerten (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 23.09.2005 - 4 U 25/05 - veröffentlicht in juris).

III Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 281 III, Satz 2 ZPO.

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ZP550