Kroatien

Bild: Bernhard Vollmer Löfflerschutz in Krapje Djol / Kroatien Ein EuroNatur-Projekt gegen das Artensterben newsletter 2009 Bild: Guido Sachse Krap...
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Bild: Bernhard Vollmer

Löfflerschutz in Krapje Djol / Kroatien Ein EuroNatur-Projekt gegen das Artensterben newsletter 2009

Bild: Guido Sachse

Krapje Djol – Löffler Projekt 2009 Naturpark Lonjsko Polje - Löfflerkolonie weiter im Aufwind Leuchtende Augen und pure Begeisterung – so reagieren Vogelliebhaber gemeinhin auf die Frage nach den Save-Auen im Herzen von Kroatien. Gäbe es ein Ranking europäischer Natur-Regionen, so käme die rund 1.100 km² große Region südlich von Zegreb locker unter die Top-Ten. Als Geheimtipp gilt insbesondere die Löffler- und Reiherkolonie von Krapje Dol, ein Altarm der Save, inmitten des Naturparks Lonjsko Polje. Wenn dort im Frühjahr die Zugvögel aus ihren Winterquartieren in Tunesien zurück kehren, ist der ideale Zeitpunkt für einen Besuch. In keinem anderen Gebiet kann man die Vögel so schön aus der Nähe beobachten.

Im Jahr 2009 brüteten insgesamt 455 Vogelpaare in der Kolonie, darunter allein 140 Löffler-Brutpaare. Das ist das zweitbeste Resultat seit der Wiedervernässung von Krapje Dol in den frühen neunziger Jahren. Damals war der Löfflerbestand aufgrund der Trockenlegung des Altarms drastisch eingebrochen und erst die Initiative von Naturschützern brachte die Wende. Heute sind die Löffler weiter im Aufwind. EuroNatur und der Zoo Zürich unterstützen den Naturpark Lonjsko Polje beim Management und der langfristigen Sicherung der Löffler-Kolonie. Wichtiges Element dabei ist die Abpufferung der Kernzone des Naturparks durch einen Gürtel extensiv bewirtschafteten Weidelands. In diesem Jahr konnte erneut eine ein Hektar große Fläche im Osten der Pufferzone angekauft werden. Zudem werden regelmäßig Pflegearbeiten durchgeführt, wie etwa die Mahd des Wanderweges zu den Beobachtungsverstecken und die Bekämpfung des Bastard-Indigo Amorpha fructicosa, einem Neophyten aus Südamerika, der die Weidefläche überwuchert.

Bilder: Martin Schneider-Jacoby

Eine Art Markenzeichen der Region sind die hübschen Löffler (Platalea leucorodia) mit ihren großen, löffelartig verbreiterten Schnäbeln, die bei der Jagd oft in Trupps auftreten und im Flachwasser die Beute vor sich hertreiben. Spektakulär sind aber auch die zahlreichen Reiherarten: Purpurreiher, Graureiher, Nachtreiher, Seidenreiher und Silberreiher – klangvolle Namen für faszinierend schöne, ja geradezu majestätische Vögel. Gut verborgen im 2008 errichteten Beobachtungsturm kann man sie hier in aller Ruhe entdecken und beim An- und Abflug genießen.

Die Rückkehr der „Reisenden“, so EuroNatur-Projektleiter Martin Schneider-Jacoby, ist jedes Jahr ein regelrechter Show-down, der in diesem Jahr am 4. April 2009 begann - 4 Tage früher als im Vorjahr. Löffler und Reiherarten fanden sich ein, aber auch die Zwergrohrdommel, einzelne Zwergscharben und Moorenten.

Im Jahr 2009 brüteten insgesamt 455 Vogelpaare in der Kolonie in Krapje Dol. Löfflerpaar im Nest.

Purpurreiher in Löfflergesellschaft.

Graphik: Martin Schneider-Jacoby

Entwicklung des Löfflerbestandes seit Beginn der Beobachtung. 1989 und 1990 brüteten keine Löffler, da die Kolonie ausgetrocknet war.

Jahr Art

1986

1987 1988

1989

1991

2002

2004

2005

2006

2007

2008 2009

Zwergscharbe

0

0

0

0

0

3

1

0

0

0

0

1

Rohrdommel

0

0

0

0

1

?

?

0

0

1

0

0

Zwergdommel

2

3

2

0

3

?

?

1

0

2

1

1

Nachtreiher

150

200

150

0

100

100

220

270

182

100

85

157

Rallenreiher

1

0

0

0

1

6

?

7

2

2

0

0

Seidenreiher

30

70

50

0

50

50

130

260

173

150

130

140

Purpurreiher

10

>10

10

2

>5

10

20

7

8

7

13

7

Graureiher

0

0

0

0

0

0

1?

1

0

2

3

6

Silberreiher

0

0

0

0

?

2

3

0

1

0

5

Löffler

150

170

180

0

30

50

80

82

155

100

105

140

Sichler

0

0

0

0

0

0

0

1

0

0

0

0

Anzahl Paare

343

443

392

2

185

219

453

632

520

365

337

457

Bestandsentwicklung der einzelnen Reiherarten in der Kolonie Krapje Dol von 2004 bis 2009.

Bild: Naturpark Lonjsko-Polje

Krapje Dol - Hotspot für den Artenschutz Das ornithologische Reservat Krapje Dol ist als eine der Kernzonen des Naturparks von großer Bedeutung für den Artenschutz insgesamt. So weist eine Dokumentation unter der Regie von Naturpark und Naturschutzamt allein 11 Amphibien- und 5 Reptilienarten nach, darunter ein Massenvorkommen der gefährdeten Rotbauchunke (Bombina bombina) sowie weitere Arten der Roten Liste des IUCN, zum Beispiel Laubfrosch (Hyla arborea) und Kammmolch (Triturus cristatus dobrogicus). Auch die großen Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) kann man hier beim Sonnen beobachten.

Karte: Kroatisches Naturschutzamt

Vier international gefährdete Pflanzengesellschaften und 29 gefährdete Pflanzenarten kommen im Schutzgebiet vor. Unter ihnen der Zungen-Hahnenfuß (Ranunculus lingua), die BlasenSegge (Carex vesicaria) und die kleinste europäische Pflanze, die Zwerglinse (Wolffia arrhiza).

Die Kernzone dieses wertvollen Schutzgebietes soll nun im Westen um eine weitere, ca. 50 ha große Top-Fläche erweitert werden: die Hutweide Orlinci, eine extensiv genutzte Weide, die bereits vor zehn Jahren mit Hilfe von EuroNatur und dem Econet Action Fond renaturiert wurde. Inzwischen weidet dort eine Herde mit ca. 70 Podolac-Rindern, einer in Kroatien sehr seltenen Nutztierrasse, die dank ihrer mächtigen Hörner eine echte Attraktion im Naturpark darstellt. Das Podolac-Rind – oder slawonisch-syrmisches Grauvieh – ist eine alte Nutztierrasse, für deren Erhaltung der kroatische Staat Prämien zahlt. Im Schutzgebiet Krapje Dol sorgen die Rinder einerseits für die nötige extensive Beweidung, andererseits halten sie - dank der abschreckenden Hörner - Besucher von den Weiden fern und schützen so die Nester der Reiher, die dort brüten.

Die Fläche des Altarmes Krapje Dol bzw. des Ornithologischen Reservates ist in dunklem Grün eingezeichnet. Im Westen befindet sich die große Hutweide Orlinci, die nun Teil der Kernzone des Naturparks werden soll. Im Osten – grün gekennzeichnet - sind die Ackerflächen eingezeichnet, die vom Naturpark zuerst als Pufferzone aufgekauft wurden

Bild: Kerstin Sauer

Vom Beobachtungsturm aus bieten sich faszinierende Einblicke in die gemischte Reiher- und Löfflerkolonie.

Die Kolonie verlagert sich wieder auf die Weidenbüsche Nur in extrem trockenen Jahren, brüten die Löffler in Krapje Dol im Schilf. 2008 war solch ein trockenes Jahr, in dem der Altarm fast ausgetrocknet wäre. Im Frühjahr 2009 dagegen erlaubte der hohe Wasserstand der Save die erneute Flutung des Altarms durch die 1989 gebaute Wasserleitung. Die Reaktion der Vögel ließ nicht lange auf sich warten: Löffler und Reiher kehrten umgehend zu ihrem Lieblingsplatz auf den hochwassersicheren Weidenbüschen beim neuen Turm zurück. „Ein wahrlich imposanter Anblick und ein unvergessliches Erlebnis!“, so bringt eine Besucherin ihre Eindrücke auf den Punkt.

Leider hat die Sache auch einen Haken: Die Beringung der Junglöffler wird unter diesen Bedingungen extrem schwierig. Da die Weidenbüsche im sumpfigen Untergrund schwimmen, können sie wegen Absturzgefahr nicht bestiegen werden, d.h. die Junglöffler sind quasi nicht erreichbar. Daher wurde 2009 auf die Beringung verzichtet, unter der Prämisse, im Winter bessere Zugangsmöglichkeiten zu prüfen oder gar Nestplattformen im Bereich der neuen Kolonie zu schaffen. So hofft man, an die Erfolge der ersten zwei Projektjahre mit dem Zoo Zürich anzuknüpfen, als 97 Löffler mit Farbringen markiert wurden.

Sicherung der Zugwege und der Winterrastplätze in Tunesien Die ersten Ergebnisse aus der Farbberingung sind vielversprechend. Löffler sind hoch spezialisierte Wasservögel und auf wenige Rastgebiete angewiesen. Während die Rastplätze auf dem westeuropäischen Zugweg seit langem erforscht werden und heute gut geschützt sind, besteht auf der zentraleuropäischen Route noch Handlungsbedarf. EuroNatur bemüht sich seit drei Jahren im Rahmen des „Adriatic Flyway“ Projektes, die Rastplätze an der Adria sicherer zu machen und auch die Zugrouten und Überwinterungsgebiete einzubeziehen. Bei der „Adriatic FlywayKonferenz“ im April 2009 in Ulcinj, Montenegro, saßen dann auch alle Betroffenen an einem Tisch – selbst die Vogelschützer aus Tunesien, die dort die Farbringe der Löffler im Winterquartier ablesen, waren vertreten. Auch die gemeinsame Arbeit am „International Action Plan“ zum Schutz der Löffler stärkt das Netzwerk aus Beobachtern und Beringern. Bereits mehrere Löffler aus der Kolonie Krapje Djol wurden auf dem Zug abgelesen.

Dank der Kooperation mit der „International Spoonbill Working Group“ können einzelne Vögel heute auf ihrem Zug verfolgt werden. So wurde 2006 ein Löffler aus den Save-Auen (Brutplatz Fischteiche Jelas Polje bei S. Brod) bei der Rast in der Saline Ulcinj abgelesen. Im Spätsommer 2007 und 2008 wurde ein Jungvogel aus der Kolonie Krapje Dol auf Sardinien beobachtet, und im Herbst 2009 wurde derselbe Vogel in Tunesien abgelesen. Ein weiterer Jungvogel aus dem Jahr 2007 konnte dank des Farbringes im Herbst 2007, 2008 und 2009 am „Lake Tunis“ beobachtet werden. Gleiches gilt für weitere Löffler aus Italien, Serbien und Ungarn. Damit zeigt sich die hohe Bedeutung der nordafrikanischen Feuchtgebiete für diese Vogelart. Insbesondere Tunesien hat mit der Ausweisung von 20 Ramsar Gebieten einen großen Beitrag zum Zugvogelschutz geleistet.

Bilder: Kerstin Sauer

Besuchersystem wird weiter ausgebaut Der im Jahr 2008 eröffnete erste Besucherturm bietet einen phantastischen Blick über den Altarm - 2009 konnte die Kolonie der Löffler auf den Weidenbüschen aus etwa 50 – 100 Metern Entfernung beobachtet werden - und symbolisiert zugleich in genialer Weise die Verbindung zwischen Natur und Geschichte: Er sieht aus wie eine Tschartake aus den Zeiten der österreichisch-ungarischen Militärgrenze und spiegelt gleichzeitig die traditionelle Architektur mit dem Eichenholz aus den Auwäldern wider.

Der Naturpark hat die Planungsarbeiten für den zweiten Beobachtungsturm inzwischen abgeschlossen und plant den Baubeginn für Winter 2009 – 2010. Dr. Martin Schneider-Jacoby und Katja Heller

Danksagung Die Betreuung der Löfflerkolonie wird durch Valerija Hima, Naturpark Lonjsko Polje, geleitet. Bei den Bestandsaufnahmen unterstützt Vlatka Dumbovic, Kroatische Naturschutzamt, den Naturpark. Die Farbberingung der Löffler wird durch Tibor Mikuska in Kroatien koordiniert. Bei der Beringung wird er von Mirko und Nenad Setina unterstützt. Die Ablesungen auf dem Zug wurden durch die Beobachter Hichem Azafzaf, Mike Smart, Sami Rebah (Tunesien), Sergio Nissardi (Sardinien), Damijan Denac und Borut Stumberger (Montenegro) ermöglicht und von Otto Overdijk (Niederlande) ausgewertet.