„Kommunale Ressourcenmobilisierung“ – Der Arnsberger Weg Hans-Josef Vogel Bürgermeister der Stadt Arnsberg Fachforum des Kompetenzzentrums für Raumforschung und Regionalentwicklung in der Region Hannover e.V. „Kommunale Finanznot – was nun?“ Hannover, 4. Februar 2011

Um was geht es? Antworten auf neue Notwendigkeiten Î Klimawandel - Zukunftsfähige Lebensweisen

Î Demografischer Wandel - quantitativ und qualitativ

Î Finanz- und Wirtschaftskrise (Buchtitel von Leggewie/Welzer) 2

- Auswirkungen auf Zukunftsgrundlagen

Um was geht es? Schon für die „alte“ Welt gilt: Auch wenn der Staat genug Geld hätte, könnte er nicht auf bürgerschaftliches Engagement verzichten. (Konrad Hummel) •

Gesellschaft kann nicht allein durch Geld oder Gesetze zusammengehalten werden.



Staat kann neuer Vielfalt der Gesellschaft nicht entsprechen. Er muss standardisieren (Schule, Hartz IV, Pflege).



Entwicklung von Gesellschaft und Staat kann nicht ausreichend durch „eingeschränkte“ Innovationskraft des Staates gefördert werden. Staat kann schlecht Alternative zu sich selbst finden und sein.

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Um was geht es? Was soll erst für den Wandel und die „neue“ Welt gelten? Î Sozialer Zusammenhalt Î Vielfalt Î Innovationen/ Alternativen

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Um was geht es? „Ressourcenmobilisierung“

„Funktionalisierte/r BürgerIn“

Î

Unterstützung der Entfaltung von Potentialen „Selbstbestimmte/r BürgerIn“

Î Thema: Wie Bürger zu erfolgreichen Akteuren des Wandels werden können. Î Potentiale: Engagementbereite Bürger/Bürgergesellschaft zur Entfaltung bringen. Ein Weg: Arnsberg. Ich verhelfe ihm zum Erfolg, dafür bin ich da. (Darren Cahill, Coach von Andre Agassi) 5

Um was geht es? Alte Welt Ressourcen(aus-)nutzungsGesellschaft

Î

Neue Welt PotentialentfaltungsGesellschaft führt zu erneuerbaren, da selbstbestimmten Ressourcen/lebendigen Kräften

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Um was geht es? Kurzer Blick zurück (1): Stadt = staatliche Verteilungsagentur und bürgerschaftliche Kommune Ausdehnung des Zentralstaates und Verdrängung der Bürgerkommune Diskreditierung und Abwehr von bürgerschaftlichem Engagement/bürgerschaftlicher Kritik des Staates Tolerante Wahrnehmung mit ersten kleineren „Rückzügen“, aber überwiegend Nichtförderung neuer Formen

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Um was geht es? Kurzer Blick zurück (2): Stadt = staatliche Verteilungsagentur und bürgerschaftliche Kommune

Positive Wahrnehmung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements der Bürgergesellschaft als „Ressource“

Neue Governance (new urban governance): Unterstützungsagentur für zielorientierte oder öffentlich wirksame Entfaltung bürgerschaftlicher Potentiale und Teilhabe in Form von „Kooperationen/Koproduktionen“

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Wie kann es gehen? Arnsberg Am Anfang Perspektivwechsel 1. Potential-Sicht statt Defizit-Sicht Wir haben einen scharfen Blick für Defizite und einen schwachen Blick für Potentiale. (Rita Süssmuth) 2. Potential-Sicht führt zu Potentialen Beispiel: Akteure der Gestaltung des demografischen Wandels Kinder und Jugendliche Ältere „Engagementbereit“ Zuwanderer Bürgergesellschaft

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Wie kann es gehen? Arnsberg Entfaltung von Potentialen unterstützen Die Entfaltung von Potentialen der ¾ Kindern und Jugendlichen ¾ Frauen ¾ Älteren und ¾ Zuwanderern optimal unterstützen und positiv begleiten, damit sie ihre Stärken zugunsten anderer und ihres eigenen Lebensumfeldes (Stadt/teil) einbringen. Dadurch Ö Innovationen/Alternativen Ö Vielfalt als Gewinn Ö „Moralischer Mehrwert“ [Empathie/Rücksichtnahme/ bürgerschaftliche „Freundschaft“ (Aristoteles)] Ö Psychologische Produktivität Ö Gesellschaftlicher Wohlstand 10

Wie kann es gehen? Arnsberg Potentiale wirksam entfalten lassen ist eine Sache des Herzens, der Emotion und der Begeisterung Bürgerschaftliches Engagement können wir nicht erschaffen, erkaufen, beschließen, aber nachfragen, begleiten, unterstützen, wertschätzen. Für bürgerschaftliches Engagement können wir Möglichkeitsräume bereitstellen und Verantwortungsrollen und -räume schaffen. Beispiel „Alternde Stadt“ – Stadt des langen und guten Lebens – Wie will ich leben, wenn ich älter bin? – Exkursionen / Möglichkeiten / Lernen beim Leben – Neue Wohnformen mit Initiativverein – Innovation – Weiterentwicklung (z.B. „Demenzhaus“)

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Wie kann es gehen? Arnsberg Was sind die Gelingensbedingungen für die Entfaltung von Potentialen? Oder: Was muss die politisch-administrative Kommune lernen? Autonomie

Nur die eigenen Ziele sind Ziele, gegen die man sich nicht wendet

Soziale Eingebundenheit

Einladende, inspirierende kleine Lebenskreise, Nachbarschaften, Netzwerke, Teams für Austausch, Beziehung usw.

Erlebter Erfolg

Machbarkeit, keine Teilnahme an Ohnmacht

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Wie kann es gehen? Arnsberg Weitere Erfolgsfaktoren 1. Positive Wahrnehmung als neue und erneuernde Gestaltungskraft ¾ Hilfe als Selbsthilfe organisieren ¾ Eigene Stärken zugunsten anderer (im eigenen Lebenskreis) mobilisieren ¾ Vielfalt entsprechen statt durch Standardisierung reduzieren ¾ Alternativen entwickeln ¾ Innovationen umsetzen (ohne „50%-Klausel“) ¾ Recht auf eigene Entwicklung und Lernen in Gemeinschaft unterstützen

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Wie kann es gehen? Arnsberg 2. Unterstützung und Begleitung ¾ Engagementfördernde/-unterstützende Infrastruktur: Ämter, Geschäftsstellen, Zentren für neue Formen bürgerschaftlichen Engagements – Städt. Mitarbeiter ¾ Geld ¾ Erleichterung: Ansprache, Nachfrage, Kontaktstelle, Transparenz, Vernetzung/Geschäftsführung, Zeitmanagement ¾ Öffnung von Institutionen und leichter Zugang: Bereitstellung von Erprobungs- und neuen Verantwortungsrollen und –räumen ¾ Zeit (kein quick-fix) ¾ Besondere Herausforderung: Bürgerschaftliche Unterstützung von Familien Æ „Leben mit Demenz“ Æ „früh“ ¾ Lernen fördern/begleiten durch VHS, SeniorTrainer 14

Wie kann es gehen? Arnsberg 3. Unabhängige Politik- und Gesellschaftsberatung ¾ „Stuttgart 21“: Prüffähige Alternativen bürgerschaftlich erarbeitet ¾ „Nur-Click“ führt nicht zur ernsthaften und wirksamen Beteiligung

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Wie kann es gehen? Arnsberg 4. Positive Begleitung ¾ Öffentliche Anerkennung/Sozialer Status/Sprache ¾ Rechtliche Erleichterung Ö Stiftungsrecht: Bürgerstiftungen/Stadtstiftungen Unabhängigkeit vom Zentralstaat ¾ Versicherung ¾ Vorschlag: - Bürgergesellschaftliche Steuer (Reinhard Mohn, Paul Nolte): Zweckbindung eines Teils der Steuern für Aufgaben der Bürgergesellschaft - Förderrecht EU/Bund/Land: Städt. Eigenanteil auch durch bürgerschaftlichen Eigenanteil zu erbringen

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Wie kann es gehen? Arnsberg 5. Vermittlung zwischen staatlicher Kommune und bürgerschaftlicher Kommune - Neue Rolle der Stadt ¾ Bürgerschaftliche Achtsamkeit der staatl. Kommune und ihrer Einrichtungen (Ziele, Bedingungen) ¾ Freundschaftliche Moderation auch bürgerschaftlicher Konflikte ¾ Bürger als „Koproduzent“ öffentlicher Leistung, Verwaltung einbeziehen in bürgerschaftliches Engagement: „Die Bürger mit der Verwaltung“ ¾ Gewährleistung – wo bürgerschaftliches Engagement fehlt (organisierte Interessen und nichtorganisierte Interessen)

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Wie kann es gehen? Arnsberg 6. Beispiele für neue Engagement-Formen ¾ „Bildungsstadt Arnsberg“ (Akteure, Bürger, Wirtschaft) über Zuständigkeiten hinweg im Netzwerk ¾ Zukunft Alter („Projektewelt“) ¾ Lernwerkstatt Demenz mit Robert-Bosch-Stiftung: Kopplung Profis, „Freiwillige“, Familie möglich ¾ Stadtteilkonferenzen zur Entwicklung gemeinsamer Projekte – demografischer Wandel, Klimawandel ¾ Planungs- und Bauvorhaben ¾ Online-Beratung der Stadt durch BürgerInnen, aber Vorbereitung, Einführung etc. und möglichst Begründung durch BürgerInnen

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Wie kann es gehen? Staat Unterstützung für die Kommunen als Agenturen für die Bürgergesellschaft ¾ Zentralstaat (EU, Bund, Länder) – Multi-Level-Governance (Barca-Bericht) ¾ Gesetzgebungsverfahren: Bürgerschaftliche Achtsamkeit im Rahmen der Folgenabschätzung ¾ Plattform auf Landesebene: Wissenstransfer ¾ Innovationszirkel: Voneinander Lernen

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Wie kann es gehen? Staat Förderung des bürgerschaftlichen Engagements/der Bürgergesellschaft = Wiedergewinnung örtlicher „Selbstverwaltung“ ¾ Freiherr vom Stein (1808) ¾ Bundesverfassungsgericht (1950) Kommunale Selbstverwaltung bedeutet: „Aktivieren der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten, die die in der örtlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und heimatliche Eigenart zu wahren.“ ¾ Recht auf Teilhabe auch im Sinne der Potentialentfaltung ¾ Recht auf optimale Unterstützung der Teilhabe ¾ Herausforderungen des Wandels und der „neuen“ Welt 20

Neue Welt hat begonnen Î Klimawandel Î Demografischer Wandel Î Wandel durch Finanz- und Wirtschaftskrise

(Buchtitel von Leggewie/Welzer) 21

Nennen Sie mir bitte ein Thema, das ohne örtliche Ebene und ohne bürgerschaftliches Engagement zu gestalten ist!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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