Kleiner Mann in Hans Falladas Roman Kleiner Mann was nun?

Kleiner Mann in Hans Falladas Roman Kleiner Mann – was nun? Eine Untersuchung aus literatursoziologischer Sicht Magisterarbeit zur Erlangung des Magi...
Author: Josef Arnold
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Kleiner Mann in Hans Falladas Roman Kleiner Mann – was nun? Eine Untersuchung aus literatursoziologischer Sicht

Magisterarbeit zur Erlangung des Magister Artiums an der deutschen Fakultät der Shanghai International Studies University

Vorgelegt von Liang Ning Betreut von Prof. Dr. Xie Jianwen Shanghai, im Dezember 2011

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2011 verfasst und an die deutsche Fakultät der Shanghai International Studies University(SISU) als Abschlussarbeit des Magisterstudiums für Germanistik vorgelegt. Meine Arbeit wäre ohne die Betreuung von Herrn Prof. Dr. Xie Jianwen nicht zustande gekommen. Herr Xie regte mich ständig zur Aufdämmerung der Ideen sowie zu deren Realisierung an, und er half mir wesentlich beim Korrekturlesen des Manuskripts. Für seinen unermüdlichen Rat und intensive Unterstützung zur Entstehung und Verbesserung der Arbeit möchte ich ihm herzlich danken. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Wei Maoping, Herrn Prof. Dr. Chen Xiaochun, Herrn Prof. Dr. Chen Zhuangying, nicht zuletzt Frau Sandra Holtermann vom DAAD, die mir während des Magisterstudiums Forschungsmethoden für wissenschaftliche Studien beigebracht haben. Weiterhin bin ich meinen Studienkolleginnen Frau Yan Hui und Frau Li Ting, die zur Zeit in Deutschland studieren und mir viele nützliche Materialien für die Arbeit bieten, sehr zu Dank verpflichtet. Nicht unerwähnt bleiben sollen meine Mitstudierenden an der SISU, die durch praktische Vorschläge und Kritiken zu meiner Arbeit beitrugen. Ihnen wollte ich auch meine herzliche Dankbarkeit ausdrücken.

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论文摘要 汉斯·法拉达(1893-1947)是二十世纪德国最受欢迎的作家之一,在德国文学 史上享有“了不起的小人物作家”之美誉。以此为主题的小说如《小人物,怎么办?》、 《用洋铁罐吃饭的人》、 《小人物,大人物,阴差阳错》、 《人人孤独地死》和《狼群中 的狼》等,被翻译成多国语言,甚至多次拍成电影或搬上戏剧舞台,在世界上很多国 家拥有广泛的读者群。其中《小人物,怎么办?》是法拉达最优秀的代表作,是他最 成功的小人物作品,作家的名字也因此而为世界所熟知。对他而言, “小人物”是特 定社会环境的代表者。作家以客观冷静而又清新理智的描写方式让同时代的很多读者 在作品中找到了自己的影子。 本文以《小人物,怎么办?》为研究对象,对作品中几种类型的“小人物”进行 分析,探讨不同类型小人物各自的特点和他们所表现出来的共性。由于法拉达不是把 小人物的命运作为个人悲剧,而是作为整个社会制度的危机来揭示的,所以本文也尝 试探讨小人物与社会环境之间的联系。 为了更清晰地揭示不同类型的小人物形象,本文亦将法拉达笔下的小人物和德国 著名作家伯尔作品《一声不吭》中有类似经历的小人物进行对比,以期发现他们在不 同社会历史时期所具有的共性,并试图用文学社会学的方法分析形成这种共性的内在 与外在原因。

关键词:汉斯·法拉达,《小人物,怎么办?》 , 小人物

II

Abstract Hans Fallada(1893 – 1947) gehört zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Kleiner Mann“ wird von vielen seiner Romane, z. B. Kleiner Mann – was nun?, Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, Kleiner Mann, Großer Mann – alles vertauscht, Jeder stirbt für sich allein und Wolf unter Wölfen thematisiert. Davon gehört Kleiner Mann – was nun? seit seinem Erscheinen(1932) zu den erfolgreichsten deutschen Romanen, durch den der Schriftsteller auch weltbekannt geworden ist. Für Fallada steht der kleine Mann für eine besondere Gesellschaftsschicht. Mit einer neutralen Erzähltechnik stellt er die bittere Realität dar und lässt viele Leser sich selbst in seinen Geschichten finden. Die vorliegende Arbeit behandelt die gewählten kleinen Männer aus dem erfolgreichen Roman Kleiner Mann – was nun?. Dabei werden die typischen kleinen Männer charakterisiert und deren Gemeinsamkeiten sowie die ursächlichen Zusammenhänge analysiert. Fallada zeigt die Schicksale der kleinen Männer nicht als Tragödie des Individuums, sondern als eine soziale Krise. Deswegen ist die enge Beziehung zwischen den kleinen Männern und der Gesellschaft zu untersuchen. Um in die verschiedenen typischen Figuren noch tiefer einzudringen, werden die kleinen Männer in Falladas Roman mit denen aus dem Roman und sagte kein einziges Wort des berühmten deutschen Schriftstellers, Heinrich Bölls, verglichen. Dabei lassen sich die Gemeinsamkeiten des kleinen Mannes zu den unterschiedlichen Zeiten finden, für die die Gründe aus literatursoziologischer Sicht zu suchen sind.

Schlüsselwörter: Hans Fallada, Kleiner Mann – was nun?, kleiner Mann

III

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ................................................................................................................... 2  1.1 Forschungsstand .......................................................................................................................... 2  1.2 Zielsetzung der Arbeit ................................................................................................................. 6  2. Literatursoziologie: Theoretische Perspektive ....................................................... 7  2.1 Ziele der Literatursoziologie ....................................................................................................... 7  2.2 Methoden der Literatursoziologie................................................................................................ 8 

3. Hans Fallada und sein Roman Kleiner Mann – was nun? ................................... 11  3.1 Schriftsteller und biographische Elemente in seinem Roman ....................................................11  3.1.1 Hans Fallada ............................................................................................................................11  3.1.2 Beziehungen Falladas zu dem Typ des kleinen Mannes ......................................................... 13  3.2 Ein zeitgeschichtlicher Roman: Kleiner Mann – was nun? ....................................................... 16  3.2.1 Historischer Hintergrund: Eine gefährliche Zeit..................................................................... 17  3.2.2 Zeitroman: Hauptinhalt und Eigenschaften ............................................................................ 18  3.3 Kleine Männer im Roman Kleiner Mann – was nun? ............................................................... 22  3.3.1 Typischer kleiner Mann: Pinneberg ........................................................................................ 22  3.3.2 Der Halt und die Hoffnung Pinnebergs: Murkel und Lämmchen ........................................... 26  3.3.3 Die moralisch verkommenen kleinen Männer: Jachmann und Heilbutt, Mia und Keßler...... 29  3.4 Resümee .................................................................................................................................... 32 

4. Vergleich mit den kleinen Männern in Bölls Roman Und sagte kein einziges Wort .......................................................................................................................... 35  4.1 Und sagte kein einziges Wort ..................................................................................................... 35  4.2 Kleine Männer im Roman ......................................................................................................... 36  4.2.1 Das getrennt lebende Ehepaar: Fred und Käte........................................................................ 36  4.2.2 Das Opfer des harten Lebens: Die schweigensamen Kinder .................................................. 39  4.2.3 Die Helle im dunklen Leben: Das Mädchen in der Imbißstube.............................................. 40  4.3 Vergleich der kleinen Männer in zwei Romanen ....................................................................... 42  4.3.1 Unterschiede: Lebensverhältnisse und Charakteristik der Hauptfiguren ................................ 42  4.3.2 Gemeinsamkeiten: Sozialer Status, Einstellung zum Leben und Schicksal der Hauptfiguren 45  4.3.3 Ursächliche Zusammenhänge ................................................................................................. 48 

5. Literarische Bedeutung des kleinen Mannes........................................................ 50  5.1 Der kleine Mann in der deutschen Literatur der Gegenwart...................................................... 50  5.2 Literaturgeschichtliche Bedeutung vom Roman über kleinen Mann......................................... 52  6. Schlusswort .............................................................................................................. 55  Literaturverzeichnis ................................................................................................... 57 

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1. Einleitung 1.1 Forschungsstand Hans Fallada(1893 – 1947) gehört zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine literarische Produktion umfasst Prose, Erzählungen, Romane, Erinnerungen und Märchen, die von großer literarischer Bedeutung sind. In seinen umfangreichen Werken ist „der kleine Mann die Gestalt, die Fallada von allen Schriftstellern seiner Zeit am eindrucksvollsten in die Literatur einführte.“ 1 „Kleiner Mann“ wird von vielen seiner Romane, zum Beispiel Kleiner Mann – was nun?, Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, Kleiner Mann, Großer Mann – alles vertauscht, Jeder stirbt für sich allein, Wolf unter Wölfen thematisiert. Davon gehört Kleiner Mann – was nun? seit seinem Erscheinen(1932) zu den erfolgreichsten deutschen Romanen, durch den der Schriftsteller auch weltbekannt geworden ist. Kleiner Mann – was nun? wurde 1932 erstmals bei Rowohlt Verlag veröffentlicht. „Die Vorkriegsausgabe erzielte eine Gesamtauflage von 188 000 Exemplaren.“2 Die Vossische Zeitung bringt davon einen Vorabdruck, danach wird der Roman noch ungefähr fünfzigmal als Fortsetzungsroman in Provinzzeitungen nachgedruckt. „Der wiedereröffnete Rowohlt Verlag beginnt seine Taschenbuchreihe 1950 mit Falladas Roman als Nummer 1 und verkauft innerhalb der ersten zwei Jahre 80 000 Exemplare, 1974 erreicht die Nachkriegs – Taschenbuchausgabe eine Auflage von einer halben Million.“3 Gesamtauflage der Werke von Hans Fallada in den rororo – Taschenbüchern ist über 2,3 Millionen Exemplare.4 Inzwischen ist das Buch in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt, nämlich ins Englische, ins Russische, ins Chinesische u.a. 1932 wurde es zum ersten Mal von Fritz Wendhausen in Deutschland verfilmt, und danach 1934 von Frank Borzage in den USA; 1967 von Hans Joachim Kasprzik in TV – DDR; 1973 von Peter Zadek in TV – D.5 In jeweils über vier Stunden wird der Roman unter der Regie von Luk Perceval an den Münchener Kammerspielen aufgeführt und die Inszenierung wird zum Berliner Theatertreffen 2010 1

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Bötter, Kurt& Geerdts, Jürgen Hans: Kurzgeschichte der deutschen Literatur von einem Autorenkollektiv. Berlin: Volk und Wissen Volkseigener Verlag 1983, S. 578. Brauneck, Manfred: Der deutsche Roman im 20. Jahrhundert. Analysen und Materialien zur Theorie und Soziologie des Romans. Band I. Bamberg: Buchner 1976, S. 209. Ebd. Vgl. Fallada, Hans: Kleiner Mann – was nun? Hamburg: Rowohlt Verlag 1983, S. 2. Vgl. Manthey, Jürgen: Hans Fallada. Reinbek: Rowohlt 1963, S. 95. 2

eingeladen.6 Dass der Schriftsteller Hans Fallada seit seinem Tode im Februar 1947 in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten ist, sieht man nicht nur an den Auflagen seines Werkes und an den Verfilmungen seines Romanes, die in regelmäßigen Abständen im Fersehen gesendet werden. Er hat auch in den öffentlichen Diskurs eingegangen. „Die 1. Internationale Hans – Fallada – Konferenz 1993 unternahm den Versuch, erstmals Fallada Experten aus aller Welt zu versammeln. Anlaß war der 100. Geburtstag des Schriftstellers und Ort des Treffens Greifswald, die Geburtsstadt Hans Falladas.“7 Das Unternehmen war ohne Zweifel ein Risiko: Fallada war und ist ein gelesener Autor mit einem Massenpublikum, seine Resonanz hält auch heute – sechzig Jahre nach seinem Tode – mit konjunkturellen Schwankungen – an. Die wissenschaftliche Erkundung des Werkes aber steht trotz aller beachtlicher Einzelbeiträge noch am Beginn und seine literarischen Werke sind bisher aber wenig von Literaturwissenschaftlern, insbesondere von den ausländischen Wissenschaftlern, erforscht und zitiert worden. Die Literaturwissenschaft ist Falladas Werk gegenüber bisher insgesamt recht zurückhaltend gewesen. Vorwiegend DDR – Autoren beschäftigten sich mit Fallada und hielten ihn für den Humanisten, der zwar die gesellschaftlichen Probleme seiner Zeit erkannte,

aber

die

falschen

privaten

Antworten

vorschlug.

8

Den

bisherigen

Interpretationen liegt, soweit ich weiß, mehr oder weniger eine Zweiteilung zugrunde, die Spähre der literarischen Stilart des Romans und die Spähre des politischen Standpunktes Falladas und seiner Hauptfiguren. Im Allgemeinen gilt Falladas Kleiner Mann – was nun? als ein repräsentatives Werk des Realismus. Dieser Roman zeigt, wie sich die Krise des Kapitalismus im Leben der kleinen Angestellten widerspiegelt. Mit sehr viel Engagement hob Tamara Motyljowa diesen Roman ab: „Er zeigt das mit solcher Klarheit, wie es noch kein revolutionärer Autor vorher getan hat.“9 Weil Fallada konkretes Faktenmaterial im Roman verarbeitete und teilweise 6

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Vgl. Kleiner Mann – was nun? In: http://de.wikipedia.org/wiki/Kleiner_Mann_%E2%80%93_was_nun%3F (Stand:25.11.2010). Müller, Gunnar & Waldeck, Roland Ulrich: Hans Fallada: Beiträge zu Leben und Werk, Materialien der 1. Internationalen Hans – Fallada – Konferenz vom 10.06. bis 13.06.1993, 1. Auflage. Rostock: Hinstorff, 1995 S. 7. Vgl. Brauneck, Manfred: Der deutsche Roman im 20. Jahrhundert. Analysen und Materialien zur Theorie und Soziologie des Romans. Band I. Bamberg: Buchner 1976, S. 209. Klatt, Gudrun: Vom Umgang mit der Moderne. Ästhetische Konzepte der dreßiger Jahre. 2., unveränderte Aufl. Berlin: Akademie – Verlag 1985, S. 72. 3

reportagenhafte Züge annahm, schlug Tamara Motyljowa vor, „das Buch ins Russische zu übersetzen, da es den sowjetischen Lesern Vergleichsmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeits – und Lebensbedingungen in der UdSSR und im von der Krise erschütterten Deutschland gibt.“10 Konstantin Fedin, der bekannte sowjetische Autor, schrieb dort, der Roman hat in Deutschland ein Millionenpublikum gefunden, „weil Fallada die Auswirkungen der Krise, [...] wie sie im Leben der einfachen Menschen erfahren wurde, dargestellt hat.“11 Die meisten Leser können sich selbst im Schicksal des Helden finden. Fedin hat darauf hingewiesen, „dass Fallada die Psychologie von Millionen kleinen Leuten beschreibt.“12 Das ähnliche hohe Lob über Falladas realistische Darstellung gibt es noch viel. Während Fallada wegen dieses Romans einen guten Ruf als „einen Vertreter des kleinbürgerlichen aufrührerischen Realismus“13 genießt, wird er von einigen Kritikern wie Georg Lukacs als „den typischen Nachkriegs – Pseudorealist“ 14 bezeichnet. Nach Meinung von Lukacs gibt es im Roman Kleiner Mann – was nun? keine klaren Klassen, sondern nur Reiche und Arme, Kluge und Schwache. Diese Gesellschaftskritik beschränkt sich nur auf abgedroschene Reformprojekte und führt zur Apologie der Gesellschaft in der imperialistischen Periode. An dieser Stelle behandelt Fallada nur die weitere Entwicklung in der imperislistischen Phase des Kapitalismus und nimmt die vorgefundenen Fakten als fatalistische Gegebenheit hin. Daher soll weder Fallada für Realist gehalten werden, noch sein Roman zum Realismus gezählt werden. Dennoch stockt die Diskussion darüber nicht hier. Lukacs Behauptung wird weiter von anderen Kritikern bewiesen. Die Verhalten Falladas und seines Hauptfigurens werden als Indiz bzw. als den schlüssigen Beweis für die Unzulänglichkeit einer Position bezeichnet. Dies hat enge Beziehung mit den Entscheidungen zu tun, die er nach dem Naziregime traf, Deutschland

nicht

zu

verlassen

und

sich

zur

unpolitischen

Kinder



und

Unterhaltungsliteratur zu wenden. Trotz dem großen Lob über den Roman kritisierte Tamara Motyljowa dann Falladas Helden, Pinneberg, dass er „ebensowenig wie der Autor 10

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Klatt, Gudrun: Vom Umgang mit der Moderne. Ästhetische Konzepte der dreßiger Jahre. 2., unveränderte Aufl. Berlin: Akademie – Verlag 1985, S. 72. Ebd., S. 73. Ebd. Ebd., S. 74. Ebd., S. 75. 4

keinen Ausweg aus der Krise wüßte.“15 Im allgemeinen ist man immer der Meinung, Pinneberg entwickelt sich im Roman nie zu einem wirklichen Klassenbewußtsein, und Fallada in der Wirklichkeit auch. Außer den Beschäftigungen mit den obengenannten Streitpunkten studieren die Rezipienten wie Kurt Tucholsky,16 Carsten Gansel, Werner Liersch,17 mehr die kleinen Figuren aus Falladas Werken, z. B. Pinneberg aus Kleiner Mann – was nun?, Kufalt aus Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, Quangels aus Jeder stirbt für sich allein, Gustav aus Der eiserne Gustav u.s.w. Falladas kleine Männer werden unter verschiedenen Aspekten betrachtet, miteinander verglichen und im Abriß dargestellt. Bernd Hüppauf18 versucht in seinem Artikel noch über die Beziehungen zwischen kleinen Leuten und über deren Position, Rolle, Familie und Schicht zu diskutieren. In China findet Falladas kleiner Mann noch keinen starken Widerhall, und seine Werke verbreiten sich auch nicht so rasch wie in Europa und in den USA. Aber auch in China gibt es die gestellten Fragen von Fallada in seinem Roman. Die obengenannten diskutierten Probleme wecken meine Neugier, Fallada und seine kleine Männer zu untersuchen. Dies alles ermutigen zur Fortführung des eingeschlagenen Weges. Die hier vorgelegte Untersuchung kommt dagegen zu dem obengenannten Ergebnis, dass Falladas kleine Männer im Roman Kleiner Mann – was nun? als Gegenstand gewählt werden und die typischen Züge einer gesellschaftliche Entwicklung aufweist. Um eine vertiefende Figurenanalyse vorzunehmen, wird die Aufmerksamkeit der Arbeit auf die kleinen Männer in Falladas Roman Kleiner Mann – was nun? gelegt und diese kleinen Männer werden in drei Gruppen aufgeteilt, nämlich der typische Angestellte Anfang der 1930er wie Pinneberg; die äußerlich schwache, innerlich aber starke Hausfrau wie Lämmchen und die moralisch verkommenen kleinen Männer unter dem sozialen Druck wie Mia, Keßler usw. Um die typischen Züge des kleinen Mannes aufzuweisen,

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Klatt, Gudrun: Vom Umgang mit der Moderne. Ästhetische Konzepte der dreßiger Jahre. 2., unveränderte Aufl. Berlin: Akademie – Verlag 1985, S. 72. Kurt Tucholsky hat in seinem Buch Kritiken und Rezensionen. Gesammelte Schriften(1907 – 1955). Stuttgart: Metzler 1984. über das Werk und die Figuren urteilt. Gansel Carsten und Werner Liersch haben das Buch Zeit vergessen, Zeit erinnern: Hans Fallada und das kulturelle Gedächtnis. Göttingen:Vandenhoeck & Ruprecht 2007. geschrieben und ideologiekritische Analysen zu den kleinen Leuten von Nestroy, Weerth und Fallada gemacht. Hüppauf Bernd hat den Artikel Hans Fallada, Kleiner Mann – was nun? ( In:Manfred Brauneck: Der deutsche Roman im 20. Jahrhundert I. Analysen und Materialien zur Theorie und Soziologie des Romans Bamberg: Buchner 1976, S. 209.) geschrieben. 5

vergleichen sie sich mit Bölls kleinen Leuten im Roman Und sagte kein einziges Wort. Der Schwerpunkt liegt bei den Gemeinsamkeiten der kleinen Männer, die unter dem verschiedenen

sozialen

Umfeld

herausgebildet

sind,

und

den

ursächlichen

Zusammenhängen zwischen kleinen Männer und Gesellschaft. Der Interpretation liegt die Anwendung einiger literatursoziologischer Methoden zugrunde, unter ihnen muss man vor allem historischen Hintergrund und biographische Elemente berücksichtigen. Die hier vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf einige wenige Aspekte und muss aus meimem begrenzten Verständnis auf die Behandlung der umfangreichen Fragen gänzlich verzichten.

1.2 Zielsetzung der Arbeit In der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick über die kleinen Männer von dem berühmten Schriftsteller Fallada gegeben. Das Ziel dieser Arbeit ist vor allem herauszufinden, welche gemeinsame Charaktere die kleinen Männer haben und aus welchem Grund sie das gleiche traurige Schicksal erleiden müssen; außerdem möchte ich durch die Untersuchung aus literatursoziologischer Sicht eine Betrachtungsperspektive für das Leser eröffnen. Die Arbeit ist in sechs Teile gegliedert. Im ersten Teil wird die Motivation und Zielsetzung der Arbeit erklärt; die theoretische Perspektive wird im zweiten Teil dargestellt, so dass man die Untersuchungssicht besser erkennen; nach der Vorstellung der theoretischen Perspektive werden die Hintergrundinformationen, nämlich der Schriftsteller und der historische Hintergrund des Romans im dritten Kapitel gezeigt, dies ist sehr wichtig für das Verstehen des Romans, im nachfolgenden Text wird die Figurenanalyse ausführlich durchgeführt; im vierten Teil werden die kleinen Männer Falladas mit den Bölls verglichen. Die Ursachen für die Gemeinsamkeiten muss man auch in diesem Teil weiter untersuchen. Im fünften Teil geht es um die literarische Bedeutung des kleinen Mannes, nämlich die Bedeutung der kleinen Mann in der deutschen Literatur der Gegenwart und der Status und Einfluss von den Romanen über kleinen Mann in der Literaturgeschichte. Das letzte Kapitel ist eine Zusammenfassung der Arbeit.

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2. Literatursoziologie: Theoretische Perspektive Die theoretische Basis der vorliegenden Untersuchung bilden hauptsächlich Werke der Literatursoziologen wie Hans Norbert Fügen, Alphons Silbermann, Escarpit Robert u.a. Die Arbeit hier kann nicht den gesamten Bereich literatursoziologiescher Fragestellungen abdecken, soll nur die Probleme bei der Erforschung des Falladas Romans aus der literatursoziologischen Sicht durchleuchten.

2.1 Ziele der Literatursoziologie Alphons Silbermann hat in seinem Buch Kunst – Sozilogie(1958) das Ziel der Literatursoziologie in drei Aspekten ausführlich gedeutet: Erstens ist es aus der Perspektive der Kunstformen, „den dynamischen Charakter des sozialen Phänomens ,Kunst‘ in seinen diversen Ausdrucksformen (Drama, Lustspiel, Roman, Novelle, Folklore, Volkstanz, Kunsttanz, klassische Musik, Kirchenmusik, Unterhaltungsmusik, Jazz, geistliche Malerei, profane Malere, Bildhauerei usw.) zu veranschaulichen“19 ; zweitens aus der Perspektive des Textes, „einen allgemeinverständlichen, überzeugenden und gültigen Annäherungsweg an das Kunstwerk“ 20 zu erreichen; drittens entspricht den allgemeinen Regeln der wissenschaftlichen Forschung, „Gesetze der Vorhersage zu entwickeln, die es ermöglichen, zu sagen, dass, wenn dieses oder jenes geschieht, wahrscheinlich dies oder das folgen wird.“21 Nach Meinungen der meisten Literatursoziologen zielt die literatursoziologische Untersuchung auf die Erhellung typischer Formen des Verhältnisses, also auf die Erhellung des Rollenverhaltens der am literarischen Leben beteiligten Gruppen und Einzelpersonen; kurz und gut, die Kernfrage der Literatursoziologie liegt bei der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Literatur und Gesellschaft. Das heißt, man muss darauf achten, welche Zusammenhänge zwischen den literarischen Werken und der sozialen Wirklichkeit gibt, oder wie sich die gesellschaftlichen Problemen in den literarischen Werken widerspiegeln. Um die Ziele der Literatursoziologie zu erreichen, muss man sich sehr bemühen, die 19

20 21

Gutzen, Dieter & Oellers, Norbert & Petersen, Jürgen H.: Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft. 6. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1976, S. 237. Ebd., S.238. Ebd. 7

Aufgaben der Literatursoziologie zu erfüllen. Welche Aufgaben der Literatursoziologie gibt es? Allgemeinen gesagt ist „die Dependenzen und Interdependenzen aufzudecken“22 am wichtigsten. Die Bildung der Dependenzen und Interdependenz hängen von allen das literarische Leben bestimmenden Faktoren ab, z. B. die innerliterarische Spezialität wie Textstrukturen, Stilebenen, Ausdrucksform; die äußere Spezialität wie gesellschaftliche Beziehung, sozialer Status u.a. Um auf die Fragen deutlich zu antworten, müssen die am literarischen Leben Beteiligten einer nach dem anderen analysiert werden. Dies entspricht meinem Forschungsziel, daher wird diese theoretische Perspektive für die Untersuchung der kleinen Männer gewählt. Aber wegen der hohen Arbeitsbelastung wird der Schwerpunkt der literatursoziologischen Untersuchung auf die bedeutenden Faktoren gerichtet, die im Teil 2.2 dargestellt sind.

2.2 Methoden der Literatursoziologie Literatur ist ein gesellschaftliches Phänomen, sie entsteht in betimmten gesellschaftlichen Situationen, wirkt in konkreten Umgebungen und hängt von dem sozialen Umfeld ab. Im engeren Sinne ist Literatursoziologie eine Methode der Literaturwissenschaft, die sich mit den gesellschaftlichen Umständen eines literarischen Textes befasst; im weiteren Sinne ist sie eine interdisziplinäre Forschung, die sich auf zwei Punkte bezieht, nämlich Literaturwissenschaft und Soziologie. Die Literatur der Gegenwart wird von der empirisch – positivistischen Soziologie begleitet und der deutliche Charakter der Literatursoziologie wird von der Gesellschaftlichkeit bestimmt. Die literatursoziologischen Analysen beginnen mit der Annahme dieses Verhältnises und lassen sich nach der Meinung Escarpits in drei Aspekten gliedern, nämlich die Soziologie des Autors, des Werkes und des Rezipienten. Als der Mitglied der Gesellschaft ist der Autor einer der wichtigstern Beteiligten am literarischen Leben. Keine Literaturwissenschaftler werden bestreiten, „dass die Kenntnis der gesellschaftlichen Positon des Autors zum Verständnis seiner Werke wichtig ist.“23 Die soziale Herkunft, der familiäre Hintergrund, der wirtschaftliche Status, das politische

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Gutzen, Dieter & Oellers, Norbert & Petersen, Jürgen H.: Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft. 6. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1976, S. 232. Ebd., S. 227. 8

Bewusstsein und die Ideologie des Autors stehen für die Interpretation der sozialen Ansichten, die der Autor in seinen Werken äußern möchte, gleichzeitig auch für die Untersuchung des Typs des Autors in einer bestimmten Zeit zur Verfügung. Wenn ein Autor in der gesellschaftlichen Umwelt studiert wird, ist seine Herkunft vor allem zu beachten. Die Herkunft bezieht sich nicht nur auf die geographische, sondern auch auf die berufliche. Außerdem wird nach den Erlebnissen des Autors gefragt, die seine Dichtung bewirken. Darüber hinaus soll die Frage, welchen literarichen Typ repräsentiert der Autor, auch beantwortet werden. Also beginnt der richtige Weg der Literatursoziologie mit der Untersuchung des Autors. Die Soziologie des Werkes zeigt die Welt oder das soziale Leben, die/das der Autor in seinem Werk beschreibt. Die guten literarischen Werke entsprechen den Tatsachen und geben die gesellschaftliche Situation genau wieder, dadurch helfen den Lesern bei dem Erkennen der Gesellschaft; im Gegenteil verdrehen manche Werke die Tatsachen und bieten den Lesern die falschen Informationen an, dies gehört natürlich zu den wertlosen schlechten Werken. Als Kommunikationsmittel schlagen die literarischen Werke Brücken nicht nur zwischen Autor und Leser, sondern auch zwischen Literatur und Gesellschaft. Sie sind der Schwerpunkt der soziologischen Forschung. Die Literatursoziologen können die literarischen Werke als die sozialen Abbildungen oder die geschichtlichen Dokumente studieren; durch die sozialen Inhalte, die in den Werken geschrieben werden, die Geschichte vom Aufstieg und Untergang sowie die Veränderungen der Sitten und Gebräuchen

kennen.

Andererseits

werden

die

Wahrheit

der

Werke

und

die

Darstellungsfähigkeit des Autors durch die Minigesellschaft, die in den Werken beschrieben wird, gezeigt. Kurz gesagt, man kann durch die literatursoziologieschen Analysen die Gesellschaft in der Literatur mit der Literatur in der Gesellschaft besser verbinden, deshalb darf man diese Dependenz und Interdependenz zwischen Literatur und Gesellschaft nicht trennbar verstehen.24 Die Soziologie des Rezipienten, d.h. die Aufdeckung der Korrelation zwischen Produktion und Rezeption, führt mehr zu Problemen der Rezeptionsästhetik. 25 Die in diesen Untersuchungen angeschnittenen Fragen nach Rezeption und Wirkung von Literatur 24

25

Vgl. Gutzen, Dieter & Oellers, Norbert & Petersen, Jürgen H.: Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft. 6. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1976, S. 232. Vgl. Ebd., S. 235. 9

können nicht so leicht durch die Methoden, die die Literatursoziologen erwähnen, sowie die Meinungsbefragung oder Konsumenten, gelöst werden. Auf die Fragen, z. B. Wer las Fallada? Warum? Welche Kenntnis besaß er? Wie ist die Lesefähigkeit des Publikums damals? kann man keine genauen Antwoten geben. Außerdem muss man noch den Mangel an Daten über das literarische Leben früherer Zeit berücksichtigen. Wegen dieser ungelösten Problemen lassen sich das Hauptgewicht der literatursoziologischen Untersuchung bei den Analysen Falladas Romans dem Froschungsziel entsprechend auf die Verhältnisse zwischen den kleinen Männern und der Gesellschaft legen.

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3. Hans Fallada und sein Roman Kleiner Mann – was nun? Vor der Einführung in den Hauptbegriff in diesem Roman werden noch einige bezugliche Kenntnisse über den Roman, nämlich der Hintergrund und Überblick über Falladas Leben und Werk nach den oben genannten literatursoziologischen Methoden gegeben, sodass man den Schriftsteller sowie die Ideen seines Schreibens und die eigentliche Bedeutung des Romans besser verstehen kann.

3.1 Schriftsteller und biographische Elemente in seinem Roman 3.1.1 Hans Fallada Hans Fallada, eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, wurde am 21. Juli 1893 in Greifswald in gutbürgerlichen Verhältnissen geboren. Als Sohn eines Juristen litt er unter dem Verhältnis zum autoritären Vater, der Richter beim Reichsgericht in Leipzig war und für ihn eine Juristenlaufbahn vorgesehen hatte. Beeinflußt von seiner Mutter aus der bürgerlichen Herkunft und von seinem Vater, der große Enthusiasmus für Musik und Literatur hatte, kannte Fallada durch seine Eltern viele berühmte Schriftsteller, wie Shakespeare, Göthe und Schiller u.a. Deswegen hatte er von klein auf das große Interesse für Musik und Literatur entwickelt. Im Jahre 1899 zog die Familie wegen des ersten von später mehreren Aufstiege seines Vaters nach Berlin, 1909 nach Leipzig, wo er wie schon in Berlin in der Schule als Außenseiter galt. Als Mitglied des Wandervogels zog er sich immer mehr in sich zurück. Daraufhin war er ganz in den Büchern versunken und las die Bücher von den berühmten Autoren wie Flaubert, Dostojewski, Dickens u.s.w.26 Wegen der schweren Verletzung bei einem Verkehrsunfall in seinem 16. jährigen verfiel er dem Laster des Morphiumnehmens, um die Schmerzen zu lindern. Seitdem war seine Gesundheit und sein psychischer Zustand wegen der Drogenabhängigkeit immer schlechter, er verlor das Interesse in der Schule und versuchte mehrmals den Selbstmord. Bei einem Duell mit seinem Freund überlebte er außergewöhnlich schwer verletzt. Wegen des Totschlags seines Freunds wurde er verhaftet, bei Zuerkennung der Unzurechnungsfähigkeit freigelassen und als Geisteskranker in eine

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Vgl. Hans Fallada. In: http://en.wikipedia.org/wiki/Hans_Fallada (Stand: 20.10.2010). 11