Kapitel 1: GRUNDLAGEN DER UMWELT- UND RESSOURCEN-

KAPITEL 1 Kapitel 1: GRUNDLAGEN DER UMWELT- UND RESSOURCEN- ÖKONOMIE Gliederung 1. Umwelt und Ressourcen aus Sicht der Ökonomie 2. Zur Rolle von...
Author: Bernt Bruhn
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KAPITEL 1

Kapitel 1: GRUNDLAGEN

DER

UMWELT-

UND

RESSOURCEN-

ÖKONOMIE Gliederung 1. Umwelt und Ressourcen aus Sicht der Ökonomie 2. Zur Rolle von Wachstum 3. Zur Idee der Nachhaltigkeit 4. Zentrale Fragestellungen 1. Umwelt und Ressourcen aus Sicht der Ökonomie Abb. 1.1: Ökologischer Kreislauf

Abb. 1.1: Einfacher ökonomischer Kreislauf – Cowboy-Ökonomie (aus: R.L. Frey et. al.: Mit Ökonomie zur Ökologie, 1993, 2. Auflage., S. 16)

In der Makroökonomie ist es üblich, die gegenseitigen Abhängigkeiten der wirtschaftlichen Akteure in einem Kreislauf, ähnlich dem Blutkreislauf, darzustellen. Diese Darstellung kann man auch im Rahmen der Umweltökonomie nutzen (vgl. “Cowboy-Ökonomie”; Abb. 1.1). Die einfachste Darstellungsform des ökonomischen Kreislaufs umfasst die beiden AkteurGruppen Haushalte und Unternehmen mit den beiden realwirtschaftlichen Strömen Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) - die von den Haushalten den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden - und Konsumgüter - die von den Unternehmen als Gegenleistung für die Produktionsfaktoren den Haushalten dargeboten werden. Das Kreislauf-Schema hilft die gegenseitigen Beeinflussungen der Akteure im wirtschaftlichen System zu erklären. Obwohl die Umwelt am Wirtschaftsprozess beteiligt ist, wird die wechselseitige Beziehung zwischen Umwelt und Wirtschaft in der traditionellen Ökonomie vernachlässigt. Es wird lediglich die Beteiligung der Umwelt am wirtschaftlichen Prozess gesehen. Man kann sie nach diesem einfachen Modell folgendermassen charakterisieren: 1) Umwelt als Produktionsinput: Nutzung von erschöpfbaren Ressourcen (Erdöl, Mineralien) und erneuerbaren Ressourcen (Pflanzen, Sonne) 2) Umwelt als Aufnahmemedium für Reststoffe: Abluft, Abwasser, Abgase etc. 3) Umwelt als Konsumgut: Landschaft, Tourismus etc. 1

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Abb. 1.2: Der ökologischökonomische Kreislauf

Abb. 1.2: Der ökologisch-ökonomische Kreislauf – Raumschiff-Ökonomie (aus: R.L. Frey et. al.: Mit Ökonomie zur Ökologie, 1993, 2. Auflage., S. 17)

Um die gegenseitige Beeinflussung von Umwelt und Wirtschaft besser zu berücksichtigen, wurde (ca. 1970 ) der einfache ökonomische Kreislauf im wirtschaftlichen System um das ökologische System erweitert (vgl. “Raumschiff-Ökonomie”; Abb.1.2.). In diesem Modell sind Ursache und Wirkung zwischen den beiden Systemen besser zu erkennen. Durch die explizite Einbeziehung des ökologischen Systems in das Kreislaufschema kann die Absorptions- und Regenerationsfähigkeit der Umwelt zur Analyse wirtschaftlicher Handlungen herangezogen und Problemlösungen können diskutiert werden. Da die Grundfragestellung der Wirtschaftswissenschaften die optimale Nutzung knapper Güter beinhaltet, ist die Berücksichtigung des ökologischen Systems in der Analyse wirtschaftlichen Handelns eine verpflichtende Ergänzung. Die Wirtschaftswissenschaften können mit Hilfe ihres Analyseinstrumentariums erklären, warum Umweltbelastungen auftreten können und wie durch Anreiz-Mechanismen die Belastungen verringert werden können. In den Wirtschaftswissenschaften wird ein Ungleichgewicht des ökologischen Systems durch Marktversagen des wirtschaftlichen Systems erklärt. Möglichkeiten, das Versagen des Marktsystems durch Regulierungen oder Eingriffe in das Marktgeschehen von Seiten des Staates zu beeinflussen, werden in dieser Vorlesung besprochen.

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2. Zur Rolle von Wachstum Wachstum wird in der Regel mit einem Anstieg des realen BruttoinlandsProdukts gleich gesetzt (vgl. Abb. 1.3.). Das Bruttoinlandsprodukt ist hierbei der Wert aller für den Endverbrauch bestimmten Güter und Dienstleistungen, die im Inland während eines Jahres hergestellt werden. Abb. 1.3: Wachstum

Abb. 1.3: Wachstum.

Determinanten des Wachstums bzw. des Anstiegs des Sozialproduktes (SP): Das Sozialprodukt wird durch folgende Kapitalarten determiniert: • • • •

Sachkapital (Maschinen, Gebäude etc.) Humankapital (Wissen, Ausbildung etc.) Naturkapital (Rohstoffe, Umweltqualität etc.) Sozialkapital (Rechtspflege, politische Institutionen etc.)

Diese Determinanten beeinflussen das Sozialprodukt über eine aggregierte Produktionsfunktion (vgl. Ökonomie I):

Sozialprodukt = f(Sachkapital, Humankapital, Naturkapital, Sozialkapital) Die Funktion f kann hierbei unterschiedliche Formen annehmen. Die Form hängt dabei von den Annahmen über den Grad der Substituierbarkeit zwischen den Kapitalarten (Produktionsfaktoren) ab. Entscheidend für den Einsatz der einzelnen Produktionsfaktoren sind ihre Preise, z.B. Zinssätze, Lohnsätze usw. Allgemein positive Effekte von SP-Wachstum: • Materieller Lebensstandard wird erhöht (Ernährung, Gesundheit, Konsum etc.; besonders wichtig für Entwicklungsländer). • Sicherung des Arbeitsplatzangebotes (trotz arbeitsparenden technischen Fortschritts können Arbeitsplätze (in anderen Bereichen) geschaffen werden => Strukturwandel). 3

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Verteilung von Einkommen und Vermögen kann leichter ausgeglichen werden (zusätzliches Einkommen an die ärmeren Bevölkerungsschichten umzuverteilen ist politisch einfacher durchzusetzen als die Umverteilung von bestehenden Vermögen und Einkommen). Staatsausgaben, die die Wohlfahrt steigern, z.B. im Umwelt- und Bildungsbereich, sind leichter durchzusetzen. Bei einem höheren SP können die Staatsausgaben erhöht werden, ohne dass die Staatsquote steigt (Staatsquote = staatliches Budget / BIP).

Allgemein negative Effekte von SP-Wachstum: • Wohlfahrtssteigerung/Steigerung der Lebensqualität ist durch SPWachstum nicht garantiert • Schädigung des Naturkapitals möglich (nicht-erneuerbare Ressourcen werden übernutzt etc.; s.u.); solche, eventuell sogar irreversible, Schädigungen können negative Auswirkungen auf das Human-, Sach-, und Sozialkapital haben. Zusammenhang SP-Wachstum und Naturkapital: 1. Einerseits beeinflussen Höhe und Qualität des Naturkapitals das SP-

Wachstum. Bei geringerem Naturkapital und schlechterer Umweltqualität kann ceteris paribus nur ein geringeres SP-Wachstum erreicht werden. Der Zusammenhang zwischen Sozialprodukt und Naturkapital ist allerdings – anders als das Konzept der aggregierten Produktionsfunktion suggerieren mag – nicht einseitig funktional, sondern wirkt in beide Richtungen. Der gegenläufige Zusammenhang kann als Funktion des Naturkapitals vom SP ausgedrückt werden (NK = g(SP)). So beeinflusst also die Höhe des SP die Höhe und Qualität des Naturkapitals, z.B. via Emission von Schadstoffen. Ein höheres SP bringt tendenziell eine Verringerung des Naturkapitals mit sich. 2. Gemäss Environmental Kuznets Curve (EKC) nimmt mit steigendem SP/Kopf die Qualität der natürlichen Umwelt erst ab, dann wieder zu. Diese Hypothese ist theoretisch und empirisch zu überprüfen.

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KAPITEL 1 Hintergrund: Environmental Kuznets Curve (EKC) Der Begriff "Kuznets Curve" bezieht sich auf Kuznets' Beobachtungen zum Zusammenhang von Einkommensverteilung und Sozialprodukt pro Kopf (Artikel von 1954). In der hieraus abgeleiteten Kuznets-Kurve hängt die Gleichheit der Einkommensverteilung funktional von der Höhe des Pro-KopfEinkommens (PKE) ab. Wählt man als Mass für die Ungleichheit der Einkommensverteilung den Gini-Koeffizient (siehe Vorlesung Ökonomie I), kann man die Kuznets-Curve grafisch wie folgt darstellen (Abb. 1.4.): Abb. 1.4: Die Kuznets Curve

Abb. 1.4: Die Kuznets Curve

Interpretation: Bei niedrigem Pro-Kopf-Einkommen nimmt die Ungleichheit der Einkommensverteilung mit steigendem Einkommen zu, erreicht bei einem bestimmten Einkommenswert ihr Maximum und nimmt bei weiter steigendem PKE wieder ab. Problem: Kuznets' These beruht auf empirischen Querschnitts-Daten für verschiedene Länder. Aussagen über die f-Funktion in einem einzelnen Land (z.B. Effekte aus dem Wachstum des PKE in einem Land über die Zeit) können hieraus nicht ohne weiteres gewonnen werden. Die Environmental Kuznets Curve In der Diskussion über die "Environmental Kuznets Curve" (EKC) wird der oben dargelegte Gedanke auf den Zusammenhang von Umweltbelastungen und Sozialprodukt pro Kopf übertragen. Die These lautet: Bei steigendem Pro-Kopf-Einkommen steigen zunächst die Umweltbelastungen, erreichen bei einem bestimmten Einkommenswert ihr Maximum und gehen bei weiter steigendem PKE wieder zurück (vgl. Grafik 1.5.). Die Umweltbelastungen werden dabei häufig in Form von SchadstoffEmissionen (E) gemessen.

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Abb. 1.5: Die Environmental Kuznets Curve

Abb. 1.5: Die Environmental Kuznets Curve

Problem: Die EKC ist ein empirischer Sachverhalt. Es werden keine Erklärungen dafür angeboten, welche Mechanismen für diesen grafisch dargestellten Zusammenhang verantwortlich sein könnten. Ein Automatismus, der bei steigendem Pro-Kopf-Einkommen für Rückgänge in den Umweltbelastungen sorgt (fallender Ast der EKC), kann nicht angenommen werden. Dies soll im folgenden anhand einiger theoretischer Überlegungen deutlich gemacht werden. Theoretische Überlegungen Wovon hängt die Höhe der Umweltbelastungen bzw. der SchadstoffEmissionen in einer Volkswirtschaft ab? In der ökonomischen Literatur geht man davon aus, dass drei Effekte Einfluss auf das Ausmass der Umweltbelastungen bzw. Emissionen (E) haben: 1. Skaleneffekt: Wachstum der Wirtschaftsaktivität; führt bei konstanter Bevölkerung zu einem Anstieg der Umweltbelastungen. 2. Technikeffekt: Technische Entwicklungen in der Volkswirtschaft (z.B. ökologisch bessere Technologien) reduzieren - ceteris paribus - die Umweltbelastungen bzw. E. 3. Kompositionseffekt: Strukturwandel in einer Volkswirtschaft, z.B. Anstieg der relativen Bedeutung des Dienstleistungssektors; kann - ceteris paribus - die Umweltbelastungen bzw. E reduzieren. Bei wachsendem PKE kann es zu einem Rückgang der Umweltbelastungen bzw. von E kommen, wenn der Skaleneffekt (1) von den Technik- (2) und Kompositionseffekten (3) überkompensiert wird. Der Technikeffekt kann den Skaleneffekt überkompensieren, wenn neue Technologien besonders umweltfreundlich sind. Das Emissionsniveau nimmt dann mit steigendem PKE ab. Der Kompositionseffekt kann den Skaleneffekt überkompensieren, wenn der Anteil an umweltschonenden Sektoren im Verhältnis zu den übrigen Sektoren zunimmt. Das Emissionsniveau nimmt dann mit steigendem PKE ab. Umweltfreundliche Technologien und eine Zunahme umweltfreundlicher Dienstleistungen und Unternehmen sind eine zentrale Voraussetzung für die Existenz des fallenden Asts der EKC. 6

KAPITEL 1 Eine strenge Umweltpolitik kann Anreize für Firmen setzen, zusätzlich in Forschung und Entwicklung im Bereich umweltfreundlicher Technologien zu investieren. Eine strenge Umweltpolitik ist nur möglich bei Präferenzen der Gesellschaft für eine hohe Umweltqualität. Derartige Präferenzen treten nur bei hohen PKE-Werten auf (finanzieller Spielraum vorhanden; merkliche Umweltschäden vorhanden; höheres Umweltbewusstsein wegen höherer Bildung). Schlussfolgerung Ein genereller Automatismus bezüglich der Existenz des fallenden Asts der EKC besteht nicht, jedoch kann ein höheres Pro-Kopf-Einkommen zu strengerer Umweltpolitik und damit zur Dominanz von Technik- (2) und Kompositionseffekt (3) gegenüber dem Skaleneffekt (1) führen.

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3. Zur Idee der Nachhaltigkeit Im Zusammenhang mit Wachstum wird häufig der Begriff "Nachhaltigkeit" (Englisch: "Sustainability") erwähnt. Seit dem Brundtland-Bericht (1987) wird der Begriff auch in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Gemäss dem Brundtland-Bericht kann von Nachhaltigkeit gesprochen werden, wenn es möglich ist, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne dass dadurch die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen gefährdet wird. Die Weltbank hat 1995 den Begriff Nachhaltigkeit konkretisiert: Nachhaltigkeit bedeutet, dass das Gesamtvermögen Volkswirtschaften im Zeitverlauf nicht kleiner wird.

von

Das Gesamtvermögen setzt sich zusammen aus dem Humankapital, dem Naturkapital, dem Sachkapital und dem Sozialkapital einer Volkswirtschaft (siehe oben). Betrachtet man diese allgemeinen Definitionen genauer, stellen sich für die konkrete Anwendung Fragen zu folgenden Aspekten: 1. Welche Substitutionen sind zulässig?

Steht die Summe aller Kapitalarten im Vordergrund, oder müssen auch die einzelnen Kapitalarten unverändert belassen werden? Je nach Auslegung ergeben sich unterschiedliche Konkretisierungen von Nachhaltigkeit. Eine strenge Nachhaltigkeit erlaubt keine Substitution der Kapitalarten, während eine schwache Nachhaltigkeit eine komplette Substitution tolerieren würde. "Vernünftige" Nachhaltigkeit ("sensible sustainability") lässt "gewisse" Substitutionen zu. 2. Regionale Abgrenzung: Ist eine Kompensation in anderen Regionen

erlaubt? 3. Zeitliche

Abgrenzung: Für wie viele Generationen Bedürfnisbefriedigung ermöglicht werden?

soll

die

4. Mengen- vs. Preiseffekte?

Der Abbau etwa von Rohstoffmengen führt zu einem Anstieg der Rohstoffpreise, da die Rohstoffe knapper werden. Dadurch kann der Gesamtwert steigen, obwohl der Bestand dieser Rohstoffe sinkt. Eine Lösung könnten "preisbereinigte Kapitalien" sein. Folgerung: Es gibt nicht “die” richtige Nachhaltigkeitsdefinition; Werturteile (der Gesellschaft) spielen eine entscheidende Rolle für das, was als nachhaltig angesehen wird. Ergänzung: Nachhaltigkeit im Sinne des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) in Deutschland Der WBGU hat für die deutsche Bundesregierung zahlreiche sog. “Leitplanken” zur Orientierung definiert. Die Idee ist, dass dann nachhaltig gehandelt wird, wenn diese Leitplanken als begrenzende Vorgaben eingehalten werden. Einige werden hier beispielhaft erwähnt: Ökologische Leitplanken • Klimaschutz: ƒ Temperaturanstieg < 0.2 °C pro Jahrzehnt 8

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• • •

ƒ Temperaturanstieg gegenüber vorindustrialisierter Phase < 2 °C Begründung: Gemäss IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist bei einer Überschreitung dieser Werte mit einem Anstieg des Meeresspiegels um ca. 1 m zu rechnen. Nachhaltige Flächennutzung: ƒ 10 – 20 % der Landfläche sollen als “Sicherheitspolster” dem Naturschutz vorbehalten sein ƒ Ca. 3 % der Fläche für Bioenergiepflanzen ƒ Vorrang für Nahrungsmittelversorgung Kriterien zur Nutzung der Flüsse Kriterien zur Nutzung der Meeresökosysteme (z.B. keine Einleitung von CO2) Kriterien in Bezug auf die Luftverschmutzung

Sozioökonomische Leitplanken • Zugang zu moderner Energie (Strom etc.) für alle (heute hat nur ca. ein Drittel der Weltbevölkerung Zugang) • Anteil der Energieausgaben am Budget der Haushalte < 10 % Idee: Es darf nicht zu viel vom Einkommen für Energie ausgegeben werden. Bsp: Wenn durch die Einführung einer Ökosteuer die Preise für Energie steigen, muss für die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien eine niedrigere Energiemenge genügen. • Kriterien für den Mindestbedarf einer Person an Energie (Anzahl kWh) • Kriterium zum Mindestentwicklungsbedarf (BIP pro Kopf ca. 2900 $) Idee ist, dass nicht nur auf ökologische Kriterien geachtet werden sollte, sondern, dass auch ökonomische Entwicklungen für die Einhaltung der Nachhaltigkeit gesteuert werden müssen. • Kriterien zur Abschätzung von “Risiken im Normalbereich” (die Meinung ist z.B., dass die Kernenergie deshalb nicht mehr in den “Normalbereich” fällt, da sie wegen der Angreifbarkeit bei terroristischen Angriffen ein erhöhtes Risiko darstellt). • Gesundheitskriterien im Zusammenhang mit der Energienutzung Es ist klar, dass bei der Festlegung all dieser Kriterien Werturteile und auch Unsicherheiten eine Rolle spielen. Die Zahlenwerte für die Leitplanken sind deshalb auch in gewissem Masse willkürlich. Aber die Festlegung dieser Leitplanken erlaubt erst eine Nachprüfbarkeit, und zentraler Gedanke ist, dass irgendwo angefangen werden muss (dass es sinnvoller ist, sich an Leitplanken zu orientieren, deren Werte eventuell nicht exakt dem Optimum entsprechen, als gar nichts zu unternehmen und stattdessen lange über mögliche Zahlenwerte als Grenzen zu diskutieren). 4. Zentrale Fragestellungen Es gibt viele Teilgebiete der Ökonomie, die sich zumindest indirekt mit der Umweltproblematik beschäftigen. Die Ressourcenökonomie (Hinweis: Vorlesung "Energieökonomik" jeweils im Sommersemester) beschäftigt sich mit der - in einem bestimmten Sinn - "optimalen" Nutzung natürlicher Ressourcen (erschöpfbare und erneuerbare Ressourcen). Die Umweltökonomie beschäftigt sich mit den Interdependenzen von Wirtschaft und Umwelt, d.h. damit, welche Auswirkungen das wirtschaftliche System auf das ökologische System hat - und umgekehrt. Die Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich als Sozialwissenschaft auch mit den politischen, gesellschaftlichen und internationalen Zusammenhängen, die die Umweltproblematik betreffen.

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GRUNDLAGEN DER UMWELT- UND RESSOURCENÖKONOMIE Die Bedürfnisse der Menschen sind unbegrenzt. Die Diskrepanz zwischen knappen Gütern und den unbegrenzten Bedürfnissen der Menschen steht im Mittelpunkt der ökonomischen Theorie. Neben materiellem Wohlstand zählen Sicherheit, Freiheit und Gesundheit zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Selbst die Grundbedürfnisse sind direkt mit der Umweltproblematik verknüpft. Es bestehen folgende Zielkonflikte: 1) Umwelt versus wirtschaftliche Entwicklung (Wohlstand): Umweltschutzmassnahmen berühren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, z.B. über Preise oder Regulierungen. Beispiele: • Armut versus Umweltschutz: Sind menschliche Grundbedürfnisse, wie z.B. die Rodung des "letzten" Baumes für Brennholz, wichtiger als Umweltschutz? • Handel versus Umweltschutz: Gelten Umweltregulierungen auch für Importgüter (z.B. aus Entwicklungsländern) in Industrieländern (Ökodumping)? • Standort versus Umweltschutz: Gelten Umweltregulierungen auch, wenn dadurch Arbeitsplätze gefährdet sind? 2) Umwelt versus Sicherheit: Umweltprobleme (Katastrophen) intergenerative Sicherheit.

berühren

die

soziale,

politische

und

Beispiele: • Verteilungsgerechtigkeit versus Umwelt: Umweltkatastrophen können nur einen Teil der Bevölkerung treffen (Überschwemmungsschäden/ Massnahmen zu deren Beseitigung). Solche Asymmetrien in der Verteilung können den sozialen Frieden nachhaltig schwächen. • Politische Sicherheit versus Umwelt: Die Träger umweltpolitischer Massnahmen müssen Risiken künftiger und gegenwärtiger Umweltprobleme berücksichtigen. Wer wird dadurch betroffen (Steuern/ Regulierungen)? • Intergenerative Sicherheit versus Umwelt: Die Nutzung von erschöpfbaren Ressourcen durch die gegenwärtigen Generationen geht zu Lasten der möglichen Nutzung durch die zukünftigen Generationen (Nachhaltigkeit). 3) Umwelt versus Freiheit: Umweltmassnahmen (Regulierungen) berühren die Freiheit der Menschen. Beispiele: • Nutzung von Ressourcen versus Umweltregulierungen: Umweltregulierungen schränken die Nutzung von Ressourcen ein; Umweltregulierungen gelten z.B. auch für das eigene Grundstück. • Reststoffe versus Umweltregulierungen: "Mülltrennung nimmt uns die Freiheit, unsere Reststoffe irgendwo loszuwerden." 4) Umwelt versus Gesundheit: Umweltprobleme berühren das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen. Beispiele: • Direkt durch Krankheiten: Das Anwachsen des Ozonlochs vergrössert das Risiko von Hautkrebs. • Indirekt als Konsumgut: Ein Tankerunglück am Meer beschränkt unsere Erholungsmöglichkeiten. 10

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Literatur •

Schubert, Renate, Saladin, Stefan, Spitze, Katrin: Wirtschaftliche Entwicklung und Umwelt - Zur Relevanz der Umwelt-Kuznetskurve. In: Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 505: Währung und wirtschaftliche Entwicklung, Berlin: Duncker&Humblot, 2000, S. 275-299.



Wicke, Lutz: Umweltökonomie, München: Vahlen, 1991. S. 495-523

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