Kai Buchholz. Design und Philosophie die Frage nach dem Sinn des Lebens

Kai Buchholz Design und Philosophie – die Frage nach dem Sinn des Lebens Warum habe ich Sie während des Semesters mit der schwierigen Frage nach dem ...
Author: Brit Geier
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Kai Buchholz Design und Philosophie – die Frage nach dem Sinn des Lebens

Warum habe ich Sie während des Semesters mit der schwierigen Frage nach dem Sinn des Lebens konfrontiert? Ausgangspunkt für mich war die einfache Überlegung, dass die Arbeit des Designers dann als gelungen gelten darf, wenn sie das Leben verbessert. Genauer: wenn die vom Designer gestalteten Gebrauchsgegenstände zum guten menschlichen Leben beitragen. Dabei geht es nicht um die Menschen im Allgemeinen, sondern um diejenigen Menschen, die diese Gegenstände verwenden. Aber was heißt das – ›das Leben verbessern‹? Meines Erachtens lässt sich diese Frage nur beantworten, wenn man vorher ein anderes Problem gelöst hat. Nämlich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das liegt daran, dass gutes Design das Leben ja wirklich verbessern soll und nicht nur dem Anschein nach. Mit einer Überlegung Pascals lässt sich das gut illustrieren: Trägt der Designer mit den von ihm gestalteten Dingen zur Zerstreuung (divertissement) der Menschen bei, werden diese das vielleicht lange Zeit begrüßen. Möglicherweise stellen sie aber irgendwann fest, dass diese Zerstreuung sie von den wirklichen Herausforderungen des Lebens abgehalten hat, dass das Leben angenehm, aber bedeutungslos an ihnen vorbeigerauscht ist.1 Provokativ formuliert, lautet die These also: Vernünftige Kriterien für gutes Design und damit für die konkrete Arbeit des Designers lassen sich nur angeben, wenn die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet ist. Ich räume ein, dass das auch auf intuitiver Ebene geschehen kann. Der Designer kann die Antwort möglicherweise in sich spüren und, wenn er diesem Gespür folgt, gelungene Entwürfe hervorbringen. Wenn es aber darum geht, die Qualität von Design sprachlich zu beurteilen, muss diese Antwort ans Licht gezogen werden können. Angesichts der unterschiedlichen Meinungen über gutes Design – sowohl bei Gestaltern als auch bei Nutzern – ist dieser Anspruch kein fiktiver, sondern ein realer. Klärung der Frage Nun ist leider bereits die Frage »Was ist der Sinn des Lebens?« eine sehr unklare. Sie scheint uns immer irgendwie durch die Finger zu rinnen. Es mag an dieser Schwierigkeit liegen, dass sie vergleichsweise selten gestellt wird, obwohl es doch schon auf den ersten Blick kaum eine Frage gibt, die für den Menschen wichtiger wäre. Lassen Sie mich hinzufügen, dass es mir nicht darauf ankommt, Sie mit dieser Frage unnötig zu quälen. Vielmehr geht es mir darum, Ihnen deren Bedeutung für das Gestalten vor Augen zu führen. Denn vielleicht erfährt Ihre eigene Arbeit so irgendwann objektive Gültigkeit und führt für Sie zu tiefer subjektiver Befriedigung. Es mag für Sie wahrscheinlich noch ein gewisser Weg zurückzulegen sein, bis Sie hier zu einem Urteil ge-

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kommen sind, das Sie selbst völlig überzeugt. Dennoch möchte ich zum Schluss der Vorlesung von meiner Seite eine Antwort wagen. Lassen Sie mich dazu noch etwas bei der Frage selbst verweilen, damit möglichst klar ist, worum es mir mit dem Sinn des Lebens geht. Wie ich schon mehrmals betont hatte, interessiert mich hier nicht die ›biologische‹ Lesart. Es soll nicht herausgefunden werden, warum es überhaupt Leben gibt, welchen Sinn es hat, dass das Weltall von Lebewesen bevölkert ist. Diese Frage ist in gewisser Weise objektivistisch: Der Fragende stellt sich außerhalb des Weltgeschehens, vergisst sich selbst dabei und fragt sich, welchen Sinn das Treiben hat, das er da beobachtet. Mir kommt es auf etwas anderes an. Nämlich darauf, dass es jedem Menschen in seinem Leben subjektivexistenziell ›um etwas geht‹. Ich nehme an, jeder Mensch, der sich selbst aufmerksam beobachtet, stellt fest, dass es Dinge, Ereignisse und Tätigkeiten gibt, die ihn besonders fesseln. Der alltägliche Lebensfluss wird dann unterbrochen. Man hat den Eindruck, dass das Leben plötzlich eine besondere Bedeutung erhält oder dass das Rätsel des Lebens eine gewisse Zeit lang gelöst ist. Auch das Gegenteil kommt vor: Der graue Alltag, den wir meist mit einer gewissen gleichgültigen Unbekümmertheit an uns vorbeiziehen lassen, kann auch ins Unerträgliche umschlagen. Tiefe Unzufriedenheit oder sogar Verzweiflung lässt uns dann am Sinn unseres Lebens zweifeln. Das ist es, was Viktor Frankl als das ›Leiden am sinnlosen Leben‹ bezeichnet.2 Ich bin wohlgemerkt immer noch nur dabei, zu präzisieren, wie ich die Frage nach dem Sinn des Lebens verstanden wissen möchte. Dabei kann ich nach dem bisher Gesagten erklärend formulieren, dass es mir auf das erfüllte Leben ankommt. Dieses muss für denjenigen, der es lebt, subjektiv erfüllend sein. Alternativ für ›erfüllend‹ könnte man auch ›glücklich‹ sagen. Man darf an dieser Stelle aber nicht den logischen Fehlschluss begehen, dass jedes subjektiv erfüllte Leben automatisch schon sinnvoll wäre. Das wäre zwar möglich, genauso gut ist es aber auch möglich, dass Menschen ein Leben als glücklich empfinden, das objektiv sinnlos ist. Gesucht wird also nach einer Lebensführung, die den Menschen subjektiv erfüllt, die gleichzeitig aber auch objektiver, kritischer Prüfung standhält. Wenn ich davon ausgehe, dass es jedem Menschen in seinem Leben um etwas geht, habe ich in etwa das im Auge, was Erich Fromm ›Religion‹ nennt: das, woran sich für den einzelnen Menschen bemisst, was ihm letztlich wertvoll ist.3 Dieses ›Lebensziel‹ lässt sich bei eingehender Betrachtung am Reden und Handeln des einzelnen Menschen ablesen. Es ist auch gar nicht so schwer, sich darüber klar zu werden, an welchen höchsten Werten man selbst das Leben bisher ausgerichtet hat. Was sind die Dinge, die das Leben für uns lebenswert machen? Um welcher Dinge willen sind wir bereit, große Anstrengungen und Entbehrungen in Kauf zu nehmen? Was sind die Fernziele, die wir mit unseren zahlreichen, alltäglichen Einzelhandlungen anstreben? Wer sich diese Fragen ernsthaft und geduldig stellt, wird verwundert sein, dass sich die jeweiligen Antworten erstaunlich deutlich abzeichnen.

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Ich hoffe, hinreichend klar umrissen zu haben, welche Lesart ich der Frage nach dem Sinn des Lebens hier zugrunde lege. Sollte dies nicht der Fall sein, lösen sich mögliche Verständnisprobleme hoffentlich bei meinem Antwortvorschlag, mit dem ich jetzt beginnen möchte. Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens Ausgangspunkt meiner Antwort ist die Tatsache, dass der Mensch sterblich ist. Das einzelne menschliche Leben bewegt sich immer zwischen Geburt und Tod. Wenn diese Lebensspanne insgesamt sinnvoll sein soll, muss die Sterblichkeit vernünftigerweise berücksichtigt werden. Versuchsweise könnte man formulieren: Das einzelne Leben ist genau dann sinnvoll, wenn es etwas gibt, das über dieses Leben hinaus Bestand hat. Menschen, deren Hauptantrieb Eitelkeit und Machtstreben sind, sind vielleicht von genau dieser Idee besessen. Wenn sie berühmt sind oder die materielle Welt in ihrem Sinne verändert haben, werden sie in gewisser Weise unsterblich: Auch wenn sie gestorben sind, hinterlassen sie im Leben der anderen Menschen noch Spuren. Aber reicht es aus, irgendwelche geistigen oder materiellen Dinge zu hinterlassen, die den Stempel der eigenen Persönlichkeit tragen, um unsterblich zu werden? Oder kommt es vielleicht weniger darauf an, dass diese Dinge die eigene Individualität zum Ausdruck bringen, als vielmehr darauf, dass es gute Dinge sind? Um diese Frage zu beantworten, richte ich den Blick zunächst auf die von den vorgestellten Philosophen kritisierten Lebensentwürfe: es sind das gleichgültige Dahinleben (Platon, Pascal, Heidegger), das sich zum Beispiel darin äußert, dass man sich von unhinterfragten Handlungszielen leiten lässt (Schopenhauer, Schlick), die Geldgier (Aristoteles, Fromm), der Hedonismus (Aristoteles, Kierkegaard, Theunissen) sowie das Streben nach Macht und Ruhm (Aristoteles, Kierkegaard, Fromm). Erstaunlicherweise widersprechen sich diese Kritikpunkte nicht. Sie scheinen mir im Gegenteil eine vollständige Aufzählung misslungener Lebensformen zu sein. Dabei sind die hier als sinnlos eingestuften Lebensziele deshalb zu verwerfen, weil sie entweder unreflektiert sind (Dahinleben), weil sie keinen Bestand über den Tod hinaus besitzen (Geldgier, Hedonismus) oder weil sie selbstwidersprüchlich sind, indem sie sich bei dem Wunsch nach Überlegenheit (Macht, Ruhm) gerade von der Unterwerfung oder vom Urteil anderer abhängig machen. Sind damit schon diejenigen Lebensziele als sinnlos ausgeschlossen, denen sich vermutlich leider die meisten Menschen (bewusst oder unbewusst) hingeben, ist vielleicht auch die positive Antwort in greifbarer Nähe Klar ist zunächst folgendes: Gelegentlich finden wir Dinge zufällig, etwa wenn uns beim Aufräumen ein Gegenstand in die Hände fällt, der uns viel bedeutet. Dennoch steigt die Wahrscheinlichkeit etwas zu finden deutlich, wenn wir auch danach suchen. Das mag banal klingen. Im Fall der Frage nach dem Sinn des Lebens wird diese triviale Einsicht meiner Beobachtung nach aber kaum berücksichtigt. Kaum jemand stellt sich dieser Frage und sucht nach einer Antwort. Vielmehr hört man oft Dinge wie »Diese Frage lässt sich nicht beantworten« oder »Was sinnvolles Leben ist, muss jeder für

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sich selbst entscheiden«. Diese Ansichten sind meines Erachtens falsch: Ob sich eine Frage beantworten lässt, kann man doch wohl nur dann herausfinden, wenn man ausgiebig nach der Antwort gesucht hat. Und wenn jeder ohnehin schon weiß, worin der Sinn des eigenen Lebens besteht, müsste es doch auch jeder sagen können. Wer ernsthaft daran interessiert ist, ein sinnvolles Leben zu führen, lernt gerne von anderen. So auch ich. Nur leider ist es gewöhnlich so: Gerade diejenigen, die meinen, jeder solle für sich entscheiden, welches Leben für ihn oder sie sinnvoll sei, können über den Sinn ihres eigenen Lebens keine besonders fundierte Auskunft geben. Man beachte an dieser Stelle übrigens das Wort ›entscheiden‹ – als ob man sich für eine sinnvolle Lebensweise genauso entscheidet wie für eine bestimmte Tütensuppe im Supermarkt. Aus alledem folgt: Wer sein Leben sinnvoll verbringen möchte, tut gut daran, die Frage zu stellen, worin ein sinnvolles Leben besteht. Diese Einsicht entspricht dem, was bei Platon der Weg aus der Höhle ist, bei Pascal die Flucht vor der Zerstreuung und bei Heidegger die Befreiung vom Man.4 Wer es sorgfältig bedenkt, kommt vielleicht auch zu der Auffassung, dass wir eine Art Wünschelrute in uns haben, auf die wir ernsthaft und aufmerksam hören sollten, wenn wir mit Erfolg suchen wollen – Platon nennt es das Daimonion, Heidegger das Gewissen.5 Aber lässt sich auch umreißen, was man findet, wenn man nach dem Sinn des Lebens sucht? Auf den ersten Blick fallen die Antworten der ins Auge gefassten Philosophen unterschiedlich aus: für Platon ist es das Gute, für Aristoteles und Schopenhauer die theoretisch-betrachtende Lebensweise, für Pascal der Glaube an Gott, für Schlick das Spiel, für Fromm die Kunst des Seins.6 Mir scheint, die Unterschiede sind in Wirklichkeit gar nicht so groß. In allen Fällen geht es um ein Leben, das weder in spontanen Vorlieben noch in ichbezogener Selbstsucht befangen ist. Alle Antworten knüpfen den Lebenssinn an allgemeingültige, überzeitliche Werte. Doch was genau sind die richtigen Werte, nach denen man sich orientieren sollte? Und wie lassen sie sich so in das eigene Leben integrieren, dass sie diesem einen Sinn geben? Sicherlich besteht die Verwirklichung der Werte darin, das eigene Leben nach ihnen auszurichten. Und das gelingt nur, wenn man sich in eine solche Lebensweise geduldig einübt. Ziel des Übens ist es, das eigene Fühlen, Handeln und Denken zu kultivieren.7 Konkret kommt es darauf an, im gelungenen wahrnehmenden Spüren zu erfahren, was ästhetische Qualität ist, im gelungenen zwischenmenschlichen Handeln und im Beurteilen der Handlungen anderer zu erfahren, was ethische Qualität ist, und im gelungenen Denken zu erfahren, was wissenschaftliche Qualität ist.8 Aus diesen Überlegungen ergibt sich die folgende abschließende Antwort9: Sinnvolles Leben besteht darin, dass man sich 1. der Schönheit der Welt hingibt, 2. mit den Mitmenschen oder allgemeiner Mitgeschöpfen liebend verbindet, 3. Erkenntnisfragen unvoreingenommen und mit ernsthaftem Interesse begegnet.

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Das liegt daran, dass uns die Schönheit aus dem Netz der alltäglich unhinterfragt verfolgten Handlungsziele herausreißt, dass die Hinwendung zum Mitmenschen der fragilen Natur des einzelnen Lebens entspricht und dass sich vernünftige, überzeitliche Standpunkte ausschließlich durch unvoreingenommenes Hinterfragen gewinnen lassen. Sinnvoll ist ein Leben allerdings nur dann, wenn in ihm alle drei Aspekte gleichberechtigt verwirklicht werden. Im Extremfall wird man sonst etwa zum selbstsüchtigen Ästheten, zum planlosen Weltverbesserer oder zum kaltherzigen Wissenschaftler. So zeigt sich, dass die Beschränkung auf einen der drei Bereiche dazu führt, dass man letztlich auch in diesem Bereich scheitert (selbst wenn man der Menschheit durch das eigene Tun einen gewissen Dienst erweisen mag). Das liegt auch deshalb nahe, weil sinnvolles Leben ja dafür Sorge tragen muss, dass sich eine gelungene Einheit von Fühlen, Handeln und Denken einstellt. Konsequenzen für das Design Damit komme ich zur Relevanz meiner Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens für das Design. Aus den bisherigen Überlegungen folgt: Gutes Design ist 1. bezahlbar (Erläuterung: Es muss für diejenigen, die es verwenden wollen, erschwinglich sein.) 2. ökologisch nachhaltig (Erläuterung: Hier geht es um den langfristigen Erhalt der Lebensbedingungen. Da diese Bedingungen notwendige Voraussetzung für das Überleben und damit für die Möglichkeit sinnvollen Lebens sind, leistet ökologisch nachhaltiges Design einen wichtigen Beitrag zur überindividuell sinnvollen Lebensgestaltung.) 3. maximal hilfreich im Gebrauch, haltbar und pflegeleicht (Erläuterung: Der Mensch muss zahlreiche Dinge tun, um sein Überleben zu sichern. Es ist gut, wenn dies problemlos gelingt, damit man sich auf die eigentlich Sinn gebenden Tätigkeiten konzentrieren kann. Handelt es sich um Designobjekte, die im Zusammenhang von Selbstzweckhandlungen10 Verwendung finden, gilt das Kriterium ebenfalls, denn auch bei diesen ist es wünschenswert, dass sie möglichst gut gelingen.) 4. ästhetisch nachhaltig, das heißt: nicht modisch (Erläuterung: Wenn sich gestalterische Stile schnell ändern, führt das dazu, dass in den realen Alltagssituationen ein unbefriedigendes ästhetisches Durcheinander entsteht. Gebrauchsgegenstände schweben nicht im luftleeren Raum, sondern kommen immer im Verbund mit anderen Dingen vor.11 Ihr konkreter ästhetischer (und übrigens auch praktischer) Wert kann deshalb nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist immer so etwas wie ein ›Beitrag‹ zur ästhetischen Gesamtatmosphäre einer Situation.) 5. möglichst ungeeignet, sinnlose Lebensformen (z.B. Geldgier, Hedonismus oder Machtstreben) zu unterstützen (Erläuterung: Dieses Kriterium versteht sich von

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selbst. Der Ausdruck ›möglichst‹ ist an dieser Stelle wichtig, denn es soll nicht ausgeschlossen werden, dass Gebrauchsgegenstände besonders anziehend gestaltet sind. Es kann zwar durchaus sein, dass sie sich dann dazu eignen, mit ihnen zu protzen. Jedoch soll nur Design, das geradezu auf solche Gebrauchsweisen hin angelegt ist (sehr verbreitet bei der Gestaltung von Automobilkarosserien), mit diesem Kriterium als schlecht bewertet werden.) 6. sozial verbindend (Erläuterung: Zur sinnvollen Lebensführung gehört die liebende Hinwendung zu den Mitmenschen. Es ist gut, wenn Design das unterstützen kann.) 7. so beschaffen, dass es dazu anregt, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen (Erläuterung: Hier weisen Designobjekte über die unmittelbaren Handlungsvollzüge hinaus, die mit ihnen ausgeführt werden, und helfen den Menschen dabei, das eigene Leben nicht gleichgültig verstreichen zu lassen. Dies kann mindestens auf zwei Wegen geschehen: a. indem Design nicht nur gebrauchsfreundlich ist, sondern auch zeigt, inwiefern sich im gelingenden Gebrauch geglücktes Menschsein manifestiert12, b. indem es schön ist, denn echte Schönheit macht den Menschen auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben aufmerksam.)

Anmerkungen Vgl. Pascal, Blaise: Gedanken. Wiesbaden 1953. S. 72-85. Vgl. Frankl, Viktor E.: Das Leiden am sinnlosen Leben. In: Ders.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. München, Zürich 2007. S. 46: »Noch nie hat ein Tier danach gefragt, ob das Leben einen Sinn hat. Das tut eben nur der Mensch, und das ist nicht Ausdruck einer seelischen Krankheit, sondern der Ausdruck geistiger Mündigkeit, würde ich sagen. Denn es ist geistige Mündigkeit, wenn jemand es verschmäht, eine Antwort auf die Sinnfrage einfach aus den Händen der Tradition entgegenzunehmen, vielmehr darauf besteht, sich selber und selbständig auf die Suche nach Sinn zu begeben. Aber ›der Mensch auf der Suche nach Sinn‹, um diesen Buchtitel zu gebrauchen, wird unter den gesellschaftlichen Bedingungen von heute eigentlich nur frustriert! Und das rührt daher, daß die Wohlstandsgesellschaft beziehungsweise der Wohlfahrtsstaat praktisch alle Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen imstande ist, ja, einzelne Bedürfnisse werden von der Konsumgesellschaft überhaupt erst erzeugt. Nur ein Bedürfnis geht leer aus, und das ist das Sinnbedürfnis des Menschen – das ist sein ›Wille zum Sinn‹, wie ich ihn nenne, das heißt, das dem Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis, in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden – und hinzugehen und ihn zu erfüllen!« 3 Vgl. Fromm, Erich: Haben oder Sein. Stuttgart 1977. S. 132-137. 4 Vgl. Pol. 514a-518b; B. Pascal, a.a.O., S. 73; Heidegger, Martin: Sein und Zeit. Tübingen 1984. S. 126-130 (= § 27). 5 Vgl. Apol. 31c-32a; M. Heidegger, a.a.O., S. 274-280 (= § 57). 6 Vgl. Pol. 517a/b: »Dieses ganze Bild nun [das Höhlengleichnis, K. B.], sagte ich, lieber Glaukon, mußt du mit dem früher Gesagten verbinden, die durch das Gesicht uns erscheinende Region der Wohnung im Gefängnis gleichsetzen und den Schein von dem Feuer darin der Kraft der Sonne; und wenn du nun das Hinaufsteigen und die Beschauung der oberen Dinge setzt als den Aufschwung der Seele in die Region der Erkenntnis, so wird dir nicht entgehen, was mein Glaube ist, da du doch dieses zu wissen begehrst. Gott mag wissen, ob er richtig ist; was ich wenigstens sehe, das sehe ich so, daß zuletzt unter allem Erkennbaren und nur mit Mühe die Idee des Guten erblickt wird, wenn man sie aber erblickt hat, sie auch gleich dafür anerkannt wird, daß sie für alle die Ursache alles Richtigen und Schönen ist, im Sichtbaren das Licht und die Sonne, von der dieses abhängt, erzeugend, im Erkennbaren aber sie allein als Herrscherin Wahrheit und Vernunft hervorbringend, und daß also diese sehen muß, wer vernünftig handeln will, es sei nun in eigenen oder in öffentlichen Angelegenheiten.«; Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1178b: »Wie umfas1 2

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send sich also die geistige Schau entfaltet, so weit auch das Glück, und je eindringlicher der Akt des Schauens, desto tiefer ist das Glücklichsein – ein Zustand, der nicht den Charakter eines Begleitumstandes hat, sondern auf der Schau (unmittelbar) beruht, denn diese trägt ihren Wert und ihre Würde in sich. Wir dürfen also das Glück als ein geistiges Schauen bezeichnen.«; Schopenhauer, Arthur: Zur Metaphysik des Schönen und Ästhetik. In: Ders.: Sämtliche Werke. Bd. 5. Frankfurt a. M. 1986. S. 490-532; B. Pascal, a.a.O., S. 16: »Es gibt drei Arten von Menschen: die einen, die Gott dienen, nachdem sie ihn gefunden haben; die anderen, die sich bemühen, ihn zu suchen, da sie ihn noch nicht gefunden haben; und wieder andere, die dahinleben, ohne ihn zu suchen und ohne ihn gefunden zu haben. Die ersten sind vernünftig und glücklich [heureux]; die letzten sind verrückt [fous] und unglücklich; die in der Mitte sind unglücklich und vernünftig.«; Schlick, Moritz: Vom Sinn des Lebens. In: Symposion. 1 (1927). S. 336: »Und zu eben dieser Wahrheit leitete uns nüchterne Betrachtung: nur im Spiel erschließt sich der Sinn des Daseins.«; E. Fromm, a.a.O., S. 167-169. 7 Vgl. dazu Buchholz, Kai: Der blinde und der sehende Amor. Über Liebe, Selbstkultivierung und Erkenntnis. In: Praxis der Philosophie – Gernot Böhme zum 70. Geburtstag (= 3. Jahrbuch für Lebensphilosophie). Hg. D. Croome et al. München 2007. S. 197-206. 8 Zum hier zugrunde gelegten Qualitätsbegriff vgl. vor allem Pirsig, Robert M.: Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten. Ein Versuch über Werte. Frankfurt a. M. 2007. 9 Es ist sicher kein Zufall, dass diese Antwort mit Platons Trias des Schönen, Guten und Wahren korrespondiert, die auch Schlick in seinen Überlegungen aufgreift, vgl. M. Schlick, a. a. O., S. 346. 10 Vgl. ebd., S. 334/335. 11 Vgl. M. Heidegger, a.a.O., S. 68/69 (= § 15): »Zeug ist seiner Zeughaftigkeit entsprechend immer aus der Zugehörigkeit zu anderem Zeug: Schreibzeug, Feder, Tinte, Papier, Unterlage, Tisch, Lampe, Möbel, Fenster, Türen, Zimmer. Diese ›Dinge‹ zeigen sich nie zunächst für sich, um dann als Summe von Realem ein Zimmer auszufüllen. Das Nächstbegegnende, obzwar nicht thematisch Erfaßte, ist das Zimmer, und dieses wiederum nicht als das ›Zwischen den vier Wänden‹ in einem geometrischen räumlichen Sinne – sondern als Wohnzeug. Aus ihm heraus zeigt sich die ›Einrichtung‹, in dieser das jeweilige ›einzelne‹ Zeug. Vor diesem ist je schon eine Zeugganzheit entdeckt.« 12 Dies ist keinesfalls mit dem zu verwechseln, was Jochen Gros im Rahmen seines Erweiterten Funktionalismus die ›Anzeichenfunktion‹ nennt. Vgl. Gros, Jochen: Grundlagen einer Theorie der Produktsprache. Bd. 1. Einführung. Offenbach a. M. 1983. S. 59-70.

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