Ökumenischer Gottesdienst zur Einheitswoche 22.1.2017 Richterswil „Die Liebe Christi drängt uns zur Versöhnung und Einheit“ 2. Kor 5,14-20/Joh 17,20-23

Liebe Mitchristen und Mitchristinnen aus beiden Kirchen, das Thema unseres heutigen Gottesdienstes im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen hat dieses Jahr eine ganz besondere Note. Es ist unübersehbar, nicht nur für die, die „forum“ und „reformiert.“ inkl. „kirchenfenster“ erhalten und auch lesen: Zum 500. Mal jährt sich der Beginn einer Bewegung, die mit leichter Verzögerung auch die Schweiz erreichte – die Reformation. Für die einen eine schreckliche zweite Kirchenspaltung nach der ersten von Ost- und Westkirche im Jahre 1054. Für die anderen der notwendige Prozess, um den dazumal von allerlei Unbiblischem zugedeckten Schatz des Glaubens an einen gnädigen Gott wieder freizulegen. Viel Richtiges und auch viel Falsches ist im Nachgang geschehen, auf beiden Seiten. Wie immer, wenn Menschen sich für etwas mit ganzem Herzen einsetzen, oder sich im schlimmsten Fall mit dem Glauben auf der Fahne missbrauchen lassen. Intoleranz, Glaubenskriege, gegenseitige Verteufelungen und Verfolgungen, Kulturkampf und dergleichen stehen geistiger und geistlicher Befreiung und Neuaufbrüchen ungeahnter Grössenordnung gegenüber. Schatten

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und Licht. Aber wer sind wir, um zu richten? Umso erfreulicher ist es, dass nun dieses 500Jahr-Jubiläum ganz anders daher kommt als die runden Jubiläen vorher. Auch Luther, Zwingli, Calvin und all die anderen Vorreiter der Reformation werden heutzutage differenziert betrachtet, mit Licht- und Schattenseiten. Vor 100 Jahren inmitten des 1. Weltkriegs musste Luther noch als der „deutsche Herkules“ herhalten, Zwingli wurde Ende des 19.Jh. als Kulturkämpfer mit dem Schwert in der Hand vor die Wasserkirche in Zürich als Denkmal gestellt. Nun soll dieses Jubiläum als „Christusfest“ begangen werden. Damit sind wir im Hier und Jetzt und in dem, was wir aus der Bibel gehört haben, die allen Christen gemeinsame Grundlage ist. Das heutige Evangelium spricht eine eindeutige Sprache. Durch Glauben und Wort sollen/müssen/dürfen wir alle „eins seien“, so wie er es mit dem Vater ist, sagt Christus. Damit renne ich sicher „offene Türen“ ein. Das ökumenische Miteinander ist – Gott sei Dank – in Richterswil/Samstagern auf gutem Wege. Grundlage für dieses Miteinander wie für alle Formen des Miteinanders von Menschen ist Versöhnung. Die Worte des Apostels Paulus an die Korinther sagen dies klar und deutlich. Mit den Korinthern hat er es nicht einfach gehabt, drum führt er

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es ihnen und uns vor Augen: Gott hat sich mit uns versöhnt, durch Christus zu seinen Söhnen und Töchtern gemacht, zu neuen Geschöpfen, die neu anfangen dürfen und können. Mit sich selbst und mit den anderen. Das dürfen und sollen wir allen Menschen ausrichten. „Dienst der Versöhnung“ nennt Paulus das. Im Kleinen kann und muss dies beginnen. Im täglichen Miteinander, wo und wie auch immer Menschen zusammenleben und miteinander zu tun haben. Oftmals leichter gesagt als getan. „Über den eigenen Schatten springen“ ist nicht ohne Grund Hochleistungssport. Mit Weihnachten im Rücken möchte ich einen Mutmachvers dazu zitieren, aus dem Lied „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen“ von Dieter Trautwein: „Schreckt dich der Menschen Widerstand, bleib ihnen dennoch zugewandt.“ Versöhnung mit Gott ist Gnade und Geschenk, Versöhnung mit Menschen oft harte Arbeit. Wo es im Kleinen gelingt, kann es auch im Grossen gelingen. Für das Miteinander in der Ökumene gibt dafür ein schönes Beispiel. Papst Franziskus, dem viele wünschen, dass er über möglichst noch recht viele Schatten der Vergangenheit springen kann, leitete im letzten Herbst gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes den Gottesdienst zur Eröffnung des Reformations-Gedenkjahres.

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Ein Jahr zuvor besuchte er die evangelisch-lutherische Gemeinde in Rom nahe der Villa Borghese. Als Geschenk brachte der Papst - einen Abendmahlskelch mit, den sonst Diözesen als Zeichen der Einheit bekommen. Tat und Wort zeigen Hoffnungsvolles auf dem Weg zu Versöhnung und Einheit. Ökumene, so schreibt Franziskus, der sich bescheiden als „Bischof von Rom“ bezeichnet im Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“, „Freude des Evangeliums“, ist ein „Austausch der Gaben“. Es reiche nicht aus, „Informationen über die anderen zu erhalten, um sie besser kennenzulernen“. Es geht darum „das, was der Geist bei ihnen gesät hat, als ein Geschenk aufzunehmen, das auch für uns bestimmt ist“. Ebenfalls weist Franziskus in diesem Schreiben darauf hin, dass Spaltungen ein „Negativ-Zeugnis“ sind. Rivalitäten schwächen die Glaubwürdigkeit des Christentums. Aktueller denn je: Den Herausforderungen der Zeit, wie sie sich zB im Themenfeld Migration und Integration zeigen, können wir uns nur gemeinsam stellen. So wie Christus einer ist und will, dass wir „eins seien“, wie es das Evangelium sagt. Paulus gibt uns im 1. Brief nach Korinth (Kap. 12) das Bild von dem einen Christus als ein Leib mit vielen Gliedern mit auf den Weg und vom einen Geist und den vielen Gaben. Welche Gaben könnten das sein?

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Der Basler evangelische Theologe Oscar Cullmann hat 1986 in der Schrift „Einheit durch Vielfalt“ dieses gegenseitiges Beschenken so skizziert: Jede der drei grossen Kirchen hat eine besondere Gabe, griechisch „Charisma“: Die katholische Kirche verfügt über die Gabe des Universalismus und der Institution; die orthodoxe pflegt die Liturgie und eine ausgeprägte Theologie des Heiligen Geistes; die Reformationskirchen zeichnen sich durch die Konzentration auf die Bibel und ein waches Freiheitsbewusstsein aus. Diese Charismen sind nicht gegeneinander auszuspielen, vielmehr können sie als Stärken im ökumenischen Austausch für alle fruchtbar gemacht werden. Gönnen Sie sich doch bei Gelegenheit ganz individuell einige ruhige Momente zum Nachdenken. Darüber, was Sie an der jeweiligen Schwesterkirche für das eigene Glauben und Feiern anregend und bereichernd finden. Da käme sicher für jede und jeden noch ganz eigenes an Gaben hinzu, die es zu entdecken gilt. Gelebte Ökumene – gerade auch hier vor Ort – als Austausch dieser Gaben – das bedeutet nicht Gleichmacherei unter Verlust der eigenen Identität. Sondern Freude an den Gaben der anderen. Das ist zugleich Freude am Evangelium, Evangelii Gaudium. Und ganz „im Sinne des Erfinders“ – Jesus Christus. Amen

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