Informationsdienst Dritte Welt-Tourismus

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Tourismus Vorwort Auszeichnung für Christine Plüss Internationale Tourismus-Börse ITB Berlin 2005 Veranstaltungen (Auswahl) Boykott-Aufrufe: Burma Botswana Survival International mit deutschem Büro Paradies oder Sündenfall in Brandenburg? Nepal: Urlaub unter dem Maschinengewehr? Menschenhandel in Burma Illegale Trophäenjagd in Uganda

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Di e Folgen des Tsunami Mangroven statt Touristen und Garnelen Küstenabschnitte unbebaut lassen Sextourismus, Alkohol und eine Atombombe Ein Hotel packt an Katastrophen-Tourismus in Sri Lanka 44 Nationen betroffen

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Bücher 21 "Tourismuspolitik" 22 Urlaubskartell? 22 Neue SympathieMagazine Tagungen i m Juni 22 Interkulturelle Kompetenz im Tourismus 23 Kooperation zwischen Freizeitwissenschaft und –wirtschaft 23 Umwelt-Werkstatt Alpen – Himalaya Anhang Weltsozialforum 2005, Porto Alegre, Brasilien: Solidarity with the Victims of the Tsunami in the Indian Ocean

Nummer

38 Mär z 2005

Herausgeber: Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED) Redaktion: Ludmilla Tüting Verantwortlich: Heinz Fuchs, EED-Arbeitsstelle TOURISM WATCH Ulrich-von-Hassell-Straße 76 53123 Bonn Telefon +49(0)228/8101-2303 Fax +49(0)228/8101-150 [email protected] www.tourism-watch.de Druck: typopress GmbH, Leinf.-Echterdingen gedruckt auf 100 % Altpapier TourismWatch erscheint viermal jährlich Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht Zwei Belegexemplare erbeten Nummer 38 – März 2005

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, die Internationale Tourismus-Börse ITB steht in Berlin wieder vor der Tür. Ein beherrschendes Thema werden sicherlich die Folgen der entsetzlichen Tsunami-Katastrophe sein. Auch Teilnehmer des Weltsozialforums (WSF), das in diesem Januar wieder im brasilianischen Porto Alegre stattfand, richteten einen Appell an die internationale Staatengemeinschaft, aktive Solidarität zu zeigen. Wir dokumentieren ihn im Anhang. Natürlich wünschen wir allen Menschen in den Flutgebieten eine rasche Rückkehr zur Normalität, soweit das überhaupt möglich ist! Dabei gehören wir zu denen, die für einen behutsamen, fairen und ökologisch nachhaltigen Wiederaufbau plädieren - ohne "Schnäppchen" und "Traumpreise". Sie finden dazu einige Ausführungen in dieser Ausgabe und zusätzlich auf unserer Website: "Tourismus nach dem Tsunami - ein kommentierender Zwischenruf" (vom 27. Januar 2005). Im Bereich des entwicklungspolitischen Dialogs ist TOURISM WATCH bekanntlich eine Arbeitsstelle im Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Der EED unterstützt Partnerorganisationen bei langfristigen Entwicklungsprogrammen in über 80 Ländern, vor allem durch finanzielle Förderung, Beratung und Vermittlung von Fachkräften. Partner des EED waren von der Katastrophe nicht unmittelbar betroffen. Durch ihre Ortskenntnis, gute Organisationsstrukturen sowie ihr hohes Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz, waren einige – wie z. B. in der indonesischen Provinz Aceh – zur Hilfestellung allerdings mit als erste vor Ort. Auf der ITB ist TOURISM WATCH in der neuen jung-dynamischen Halle 1.1 "Trends & Events" am Stand 204 präsent. Ausgesuchte Veranstaltungshinweise haben wir im Anschluss zusammengestellt. TOURISM WATCH selbst befasst sich am Freitag und Samstag mit sozialer Verantwortung im Tourismus unter dem Thema "Ein anderes Wachstum ist möglich". Am Samstag und Sonntag der ITB verleiht der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung wieder Preise für Filme und sozialverantwortliche Projekte. Am "To Do!" ist TOURISM WATCH ebenfalls beteiligt. Die Auszeichnungen gehen dieses Mal an sehr interessante Bewerber aus Costa Rica, Nicaragua und Tanzania, s. Seite 3. Die ausführlichen Preisbegründungen und Projektbeschreibungen werden während der Preisverleihung verteilt und sind danach auch in der "To Do!"-Fundgrube auf der Seite www.studienkreis.org nachzulesen. Vielleicht sehen wir uns auf einer Veranstaltung, am Stand oder bei anderer Gelegenheit auf der ITB! Mit freundlichen Grüßen

Heinz Fuchs

Ludmilla Tüting

Auszeichnung für Christine Plüss Dr. Christine Plüss, langjährige Geschäftsführerin des Basler Arbeitskreises Tourismus & Entwicklung, wurde im Januar in Lissabon mit dem "European Tourism Gold Stars Award 2004" geehrt. Damit würdigte die Europäische Reisejournalisten-Vereinigung (European Travel Press/ETP) ihren kontinuierlichen Einsatz für eine faire und maßvolle Tourismusentwicklung. Der ETP gehören Fachjournalisten aus Belgien, Großbritannien, Italien, Portugal, Schweden und der Schweiz an.

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Internationale Tourismus-Börse ITB Berlin, 11. bis 15. März 2005 Die größte Tourismus-Messe der Welt beginnt in diesem Jahr zum letzten Mal am Freitag und endet am Dienstag, wobei Montag und Dienstag den Fachbesuchern vorbehalten sind. Öffnungszeiten: 10 - 18 Uhr. Info: www.itb-berlin.de Achtung: Ab 2006 findet die ITB von Mittwoch (8.3.) bis Sonntag (12.3.2006) statt! Fachbesuchertage: Mittwoch bis Freitag. Das Pressezentrum, erstmals ohne den langjährigen, pensionierten Pressesprecher Peter Köppen, liegt unverändert in Halle 6.3. Kostenloser Presse-Shuttle, schnell und direkt, auf dem Messegelände ab Funkturm. Neue Pressesprecherin ist Angelica Germis. Die alternative "Naturerlebnishalle/Travel with Sense" konnte leider nicht überleben und wurde in eine Trends & Events-Halle 1.1 verwandelt. "Die junge Kommunikationsplattform der ITB vereint erstmals die trendigen Segmente 'Youth Travel Center', 'Experience Adventure' und 'ECOtourism' unter einem Dach", so die offizielle Lesart. Neu dabei sind "Reisen für Alle" (inkl. Anbieter von Behinderten-Reisen) und der "Gay Travel Point", Reisen von und für Schwule und Lesben. Unter dem kleinen Segment ECOTourism sind versammelt: EED-TOURISM WATCH mit den Partner-Organisationen KATE-Turismovision (Stuttgart), ECPAT Deutschland (Schutz von Kindern vor kommerzieller sexueller Ausbeutung, Freiburg) und dem Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung (Basel), Stand 204. (Veranstaltungen s.u.) Ferner das Bundesumweltministerium, die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), das Europäische Umweltzeichen für Tourismus, das Forum Anders Reisen u.a. Die Halle liegt beim ITB-Eingang Süd. Die UNESCO präsentiert ihr Programm Tourismus und Weltkultur- und Naturerbe am Stand B14 in der Halle 4.2. Die Halle KulturTourismus wurde im vergangenen Jahr von Fachbesuchern zum interessantesten ITB-Segment gewählt. Sie ist unterteilt in "Theater/Festspiele", "Museum der Museen" und "Städte, Regionen, Länder". Die ITB-Buchwelt als Forum für (Online-)Reiseführer, Reisebücher und Kartografie ist in Halle 25 untergebracht. Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung ist mit seinen SympathieMagazinen und Studien am Stand 142 vertreten. Veranstaltungen s.u. Das frühere ITB-Wissenschafts-Zentrum, heute "Training and Education in Tourism", ist wieder in Halle 5.1 zu finden. Zu den Ausstellern gehören Fachhochschulen, Universitäten, Berufsakademien, Privatinstitute und Arbeitsagenturen. Ein angeschlossenes Vortragsprogramm findet in der Halle 7.1b im Raum London 3 statt. Zahlreiche weitere Fachvorträge werden während der gesamten ITB in Halle 7.1a + 7.1b im Segment "ITB Kongress Market Trends & Innovations" geboten, www.itb-kongress.de. Der Besuch aller Kongressveranstaltungen - mit Ausnahme eines China-Workshops - ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich. Kongress-Sprachen sind Deutsch und Englisch (Simultanübersetzung). Asien, Halle 26, erhielt die zusätzliche Halle 5.2. Der Nahe Osten präsentiert sich in den Hallen 22 und 23, Lateinamerika in den Hallen 2.2 (z.T.), 4.1und 4.2, der afrikanische Kontinent in den Hallen 20 und 21. VERANSTALTUNGEN (Auswahl) Urlaubsflieger in Tsunami-Länder ausgebucht – und die Trendwende im Tourismus verpasst? Freitag, 11. März, 10.00 Uhr, Presse- u. Informationsamt Bundesr., (Pressezentr.), Reichstagsufer 14, Raum 4 Am Rande der ITB berichten der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und seine Fachstelle TOURISM WATCH über konkrete Risiken, aber auch über Chancen beim Wiederaufbau der touristisch attraktiven Gebiete, die von der Flutwellen-Katastrophe betroffen sind. Vorgestellt

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werden Beispiele aus unterschiedlichen Ländern für eine neue Partnerschaft im Tourismus, die die Entwicklungsperspektive der Menschen vor Ort mit einschließt. Pressekonferenz, Gäste: Heinz Fuchs (TOURISM WATCH), Jennifer Seif (Siegel-Initiative Fair Trade South Africa), KT Suresh (Equations, Indien) Veranstaltungen von EED-TOURISM WATCH, KATE-Turismovision, ECPAT, Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung: Wachstum einmal anders: Gesellschaftliche Verantwortung im Tourismus Another Growth is Possible: Social Responsibility in Tourism Freitag, 11. März 15.00 – 16.30, Halle 1.1, Raum 55 Wie sieht es im Tourismus mit der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility/CSR) aus? Welche Erfahrungen gibt es bereits? Podiumsdiskussion europäischer NGOs u. a. aus Mallorca und England. Samstag, 12. März, 15.00 - 16.00 Uhr, Bühne der Halle 1.1 "Trends & Events" Einschätzungen, Erwartungen, Herausforderungen an einen zukunftsfähigen Tourismus u.a. mit Jennifer Seif (Fair Trade in Tourism South Africa/FTTSA), KT Suresh (Equations, Indien) und anderen internationalen TourismusexpertInnen. Moderation: Daniela Siebert (RBB Berlin) Stand der Umsetzung des Verhaltenskodex der deutschen Reisebranche zum Schutz von Kindern vor kommerzieller sexueller Ausbeutung durch Touristen Samstag, 12. März, 12.00 – 13.00 Uhr, ICC Lounge Pressekonferenz DRV / ECPAT Deutschland Mit ersten Ergebnissen einer Exklusivfrage zum Thema aus der Reiseanalyse 2005. Alle Veranstaltungen werden zweisprachig in deutscher und englischer Sprache abgehalten. Studienkreis für Tourismus und Entwicklung (www.studienkreis.org): Präsentation SympathieMagazin "Jordanien verstehen" Samstag, 12. März, 13.30 - 14.00 Uhr, Buchwelt, Halle 25, Stand 137 TOURA D'OR 2004 - Filmwettbewerb Zukunftsfähiger Tourismus Samstag, 12. März, 16.00 - 17.00 Uhr, ICC Saal 8 Preisverleihung. Laudatio: Tamina Kallert (WDR). Moderation: Karl Mertes (WDR) Sympathie für die Welt? - Tourismus zwischen Politik und Religion, Kulturkampf und Völkerverständigung Sonntag, 13. März, 11.55 - 13.00 Uhr, ICC Dachgartenfoyer Gesprächsreihe "Zwischenrufe" in Zusammenarbeit mit dem WDR. DiskussionsteilnehmerInnen: Caroline Emcke (Der Spiegel), Freimut Duve (Publizist), Vural Öger (Reiseveranstalter und Mitglied des Europa-Parlaments), Moderation: Gerd Ruge (ehemaliger ARD-Korrespondent). Anschließend Cocktail-Empfang TO DO! 2004 - Projektwettbewerb Sozialverantwortlicher Tourismus Sonntag, 13. März, 16.00 - 17.00 Uhr, ICC Saal 8 Preisverleihung an Gewinner aus Costa Rica, Nicaragua und Tanzania. Laudatio: Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Anschließend Cocktail-Empfang Weitere Termine: Colombus Reisejournalisten-Preise, VDRJ-Preis: Samstag, 12. März, 17.30 Uhr, C&C Mediencafé, Pressezentrum:

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Columbus-Preisverleihung für die beste kontinuierlichen Reiseberichterstattung in deutschen Zeitungen. Montag, 14. März, 11 Uhr, ICC Saal 7: Columbus-TV-Preise für die beste deutschsprachige Reiseberichterstattung. Montag, 14. März, 14 Uhr, ICC Dachgartenfoyer: VDRJ-Preis für besondere Verdienste um den Tourismus an Dr. Wolfgang Isenberg, Leiter der Thomas-Morus-Akademie Bensberg. Veranstalter: ITB und Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ), www.vdrj.org ITB BuchAwards 2005 Montag, 14. März, 16 Uhr, Buchwelt, Halle 25 Preisverleihung, u.a. Sonderpreis für die SympathieMagazine des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung Reporter ohne Grenzen: Die Kehrseite der Paradiese Freitag, 11. März, 11.30 Uhr, ICC Raum 56 Pressekonferenz. Gäste: Ibrahim Lutfy, Malediven (im Schweizer Exil), Frau Sihem Bensedrine, Tunesien (z.Z. Hamburg) www.reporter-ohne-grenzen.de, Tel. 030/615 85 85 28. Kirchenforum: Kostbare Zeit? Urlaub und Freizeit. Zwischen Sinnerfüllung und Erlebnisstress Samstag, 12. März, 10.00 - 12.00 Uhr, ICC Saal 6 Veranstalter: Katholische Arbeitsgemeinschaft Freizeit und Tourismus (KAFT) Neuer Schwung im Nahost-Friedensprozess: Sind Reisen ins Heilige Land wieder sicher? Sonntag, 13. März, 10.00 - 11.30 Uhr, VIP-Raum 2, Großer Stern Podiumsdiskussion. Veranstalter: Studiosus Reisen, München Good Jobs or Bad Jobs Tourism, Social Responsibility and Labour Standards" Montag. 14. März, 10.00 - 12.00 Uhr, Palais am Funkturm, Westflügel Podiumsdiskussion mit internationaler Besetzung sowie Heinz Fuchs/TOURISM WATCH, Moderation: Susy Karammel (GTZ), www.gtz.de Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) Reiseanalyse RA 2005 - Erste Ergebnisse Montag, 14 März, 15.00 - 16.00 Uhr, ICC Saal 3 Veranstalter: Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.), Kiel, www.fur.de World Tourism Organisation (WTO), Madrid: Emergency Task Force (Tsunami): Donnerstag, 10. März, 13.00 - 15.00 Uhr, ICC Raum 4/5 Samstag, 12. März, 9.00 - 13.00 Uhr, ICC Saal Raum 43 ST-EP Foren (Sustainable Tourism - Eliminating Poverty): Freitag, 11. März, 10.00 - 13.00 Uhr, ICC Raum 25/25a Sonntag, 13. März, 9.30 - 13.30 Uhr, ICC Saal 4/5 Samstag, 12. März, 12.00 - 14.00 Uhr, ICC Saal 4/5: Pressekonferenz Samstag, 12. März, 14.00 - 17.00 Uhr, ICC Saal 9: Task Force for the Protection of Children from Sexual Exploitation in Tourism Die Presse hat zu allen WTO-Veranstaltungen Zutritt. Stand: Halle 20, Nr. 115, www.world-tourism.org

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Boykottaufrufe Burma Die "Burma Campaign UK" verstärkt ihren Boykott-Aufruf von Urlaubsreisen nach Burma mit dem Aufruf "I'm Not Going". Dazu schaltete sie die neue Website www.imnotgoing.com, auf der unterzeichnet werden kann.

Botswana und "Zentraler Kalahari Wildpark" - Proteste vor der ITB Die internationale Menschenrechts-Organisation "Survival International (SI)", die Stammesvölker weltweit unterstützt, ruft zu einem Boykott von Reisen nach Botswana auf. Der Grund: Die Vertreibung von San, "Buschmännern", zugunsten von Touristen. SI: "Die Ghana und Gwi Buschmänner Botswanas kämpfen um ihr Leben. Zuerst wurden sie wegen ihrer Jagd auf Tiere, von denen ihre Ernährung abhängt, verfolgt und gefoltert. Dann vertrieb sie die Regierung von ihrem angestammten Heimatland im "Zentralen Kalahari Wildreservat" und schob sie in Zwangsansiedlungslager ab, in denen sie Alkoholismus, Prostitution und HIV/AIDS zum Opfer fallen. Ihre Heimat preist die Regierung nun als Touristenattraktion an. Auch aus anderen touristischen Zielgebieten, z.B. den Tsolido Hills, wurden die Buschmänner vertrieben. "Bitte reisen Sie nicht nach Botswana, bis die Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren dürfen und dort ungestört jagen und sammeln können". Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, wird Survival International am Samstag, 12. März, in Berlin vor den Toren der ITB mit Flugblättern protestieren. (1.372 Anschläge, 18 Zeilen, März 2005) Vgl. TW 29, Dezember 2002: "Überlebenskünstler der Kalahari-Wüste - Botswana vertreibt 'Buschleute' aus Wildpark"

Survival International mit deutschem Büro Im März 2005 eröffnet die 1969 in London gegründete Menschenrechts-Organisation "Survival International" ein Büro in Deutschland. Die angesehene Institution unterstützt Stammesvölker in der ganzen Welt. Verantwortlich ist der Ethnologe Jörg Endres: Survival Deutschland, Postfach 35 06 61, 10215 Berlin-Friedrichshain, Tel. 030/2900 2372, Fax 2904

3900,

www.survival-international.deutschland.de

international.org, [email protected]) (555 Anschläge, 6 Zeilen, März 2005)

(bis

geschaltet:

www.survival-tü-

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Globalisierte Tropen Paradies oder Sündenfall in Brandenburg? Ein ökologischer Blick auf “Tropical Islands" – Lagune statt Zeppeline Von Hannelore Gilsenbach Der Traum vom größten Luftschiffbauer Cargolifter endete vor drei Jahren im insolventen Alptraum. Doch die Superlative in Brand (Dahme-Spreewald-Kreis) haben überdauert. Die größte freitragende Halle wurde zum größten künstlichen Tropenparadies der Welt umgebaut. Ein Bauwerk von umweltpolitischer Brisanz, 60 km südöstlich von Berlin. Über die Eröffnung im Dezember 2004 berichteten Medien aus der ganzen Welt. Es ist unverkennbar: Das Paradies beginnt zu welken. Viele Pflanzen in der dämmrigen Cargolifter-Halle kränkeln. Doch üppiges Grün findet sich noch genug. Im Januar betrete ich zum ersten Mal das Lausitzer “Urlaubsparadies von Menschenhand". Die Uhr zeigt halb zwölf. Zur selben Zeit, sieben Längengrade ostwärts. Flutlicht zerreißt die Nacht im Dschungel von Neuguinea, das Kreischen der Motorsägen, das Krachen uralter Bäume. Die Holzfäller haben es eilig. Fällen, Zerstückeln, Verladen. Zu Hause lohnt sich die Ernte kaum noch. Ihre Firmen zählen zu den Großen im millionenschweren Tropenholzgeschäft. Ihre Heimat heißt Malaysia. “Malaysia und Tropenwald?" Für viele Brandenburger ein toller Zweiklang, seit es die “Tropen vor den Toren Berlins" gibt. Deren Schöpfer, der Chinese Colin Au, stammt aus Malaysia. “Nahezu jeder Deutsche" wünsche sich, der “tristen Stimmung und den grauen Tagen" zu entfliehen, “die in mitteleuropäischen Breitengraden fast der Normalzustand sind", meint Au. Dabei hatten wir doch jüngst so schöne heiße Sommer. Im Pressetext heißt es weiter: “Als ehemaliger Chef der führenden Kreuzfahrtlinie im asiatisch-pazifischen Raum, kehrte Au (55) das Prinzip der Kreuzfahrt um: "Nicht die Fehrnwehgeplagten besuchen die Tropen, sondern die Tropen kommen hierher." Mit Superlativen gespickte Marketingtexte nerven mich, aber vielleicht sind sie ja unumgänglich. Die Prospekte preisen das “größte Lifestyle-Resort in Europa mit dem größten Regenwald außerhalb der Tropen". Die Angebote: “exklusiv, schillernd, fantastisch, luxuriös, rauschend, fulminant, exotisch, imposant, opulent." Deutsche Sprache, lustvoll. Wellness und Barcadi-Feeling. Auch für den kleinen Geldbeutel, 24 Stunden am Tag. Die 360 Meter lange, 210 Meter breite Halle einmal zu durchwandern, braucht Zeit - entlang der Südsee, der Bali-Lagune mit 150 Liegestühlen aus Teakholz, vorbei an Restaurants und dem globalen Tropendorf mit “exotischem Bühnenzauber". Anmutige Thai-Mädchen tanzen vor essenden, trinkenden Zuschauern. Auch Künstler aus China, Bali, Indien, Borneo. Das ganze vier Mal am Tag auf der Wayang-Bühne. Abends “Viva Brasil" - Tanztheater auf der Südseebühne.

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Warum kein Eispalast in der Kalahari? “Sind Sie auch zum ersten Mal hier?", frage ich zwei Rentnerinnen, die mit geröteten Gesichtern in Richtung Regenwald schlendern. “Nein, wir sind aus Halbe, das ist nicht weit." Erschrocken fasst sich die eine Frau plötzlich auf den Kopf und guckt 107 Meter in die Höhe. “Kondenswasser", beruhige ich sie. Eigentlich müsste die schwülfeuchte Halle überall tropfen, vor allem im Winter. Ein Vorhang aus Heißluft verhindert dies, erfahre ich später. Meine Sicht auf “Sonne, Strand und Palmen" in der Lausitz ist kritisch. Die Halle misst 6,6 Hektar (acht Fußballfelder) und fasst fünf Millionen Kubikmeter. Die “traumhafte Lufttemperatur" liegt bei 25º C, teilweise 35º C. Tropenklima in dieser Dimension als Freizeitspaß zu installieren und gleichzeitig mit dem Lockmittel Regenwald Geschäfte zu machen, halte ich für doppelt fragwürdig. Ein Holiday-Eispalast in der Kalahari? Undenkbar! Dennoch trifft der Vergleich. Zumindest energetisch. “Das Tropical Islands Resort ist eine weltweit einzigartige Tropenlandschaft, in der die AsienPazifik-Region, Afrika und Südamerika aufeinander treffen", schwärmt der Pressetext. Ein Blick ins Internet zeigt, dass dies nicht stimmt: www.edenproject.com. Tropenwald aller Kontinente ist seit Jahren im englischen Cornwall zu erleben; in einem riesigen sonnendurchfluteten Rundwabenbau; ausgetüftelt klimatisiert. Dort sind sogar Tiere zugelassen. In der Cargo-Halle gibt es lediglich Regenwald “light". Keine Vogelspinnen, Schlangen und was sonst noch dazugehört. Pressesprecher Hess nimmt sich Zeit für meine Fragen. “Laut der Welternährungsorganisation FAO wird weltweit jede Minute soviel Regenwald zerstört, wie in diese Halle passt. Indigene Völker verlieren ihre Heimat. Könnten Sie sich Regenwaldschutz als Thema künftiger Workshops vorstellen?" frage ich. Herr Hess könnte es. “Und wann darf Sonnenlicht in den Dom?" Die Spezialfolie auf der Südseite werde demnächst eingebaut. Dann ginge es den Pflanzen besser; sie hätten in der Bauphase gelitten. 20.000 Quadratmeter Dachumbau bei laufendem WellnessBetrieb? Ich drücke dem Regenwald die Daumen; er wird schon durchhalten! Countdown der Tropenwälder Als sich das Paradies hinter mir schließt, sind die Parkplätze gut gefüllt. Kalter Wind fegt über die ehemalige Startbahn sowjetischer Düsenbomber, auf der sich der graue Koloss erhebt. Herr Au wünscht sich drei Millionen Besucher pro Jahr, 8.000 pro Tag. In den vier Stunden meines Besuches ist der Countdown der Tropenwälder weitergegangen - eine Fläche von 240 CargolifterHallen ist verloren. Tropenwald, von dessen Überleben unser Weltklima abhängt. Aber auch vom sparsamen Verbrauch fossiler Energien hängt es ja ab, unser Weltklima. Mit meiner Skepsis bin ich nicht allein. Detlef Bramigk von der “Gesellschaft für rationelle Energieverwendung"

warnte,

die

Cargolifter-Halle

werde

zur

“größten

Energieschleuder

Brandenburgs"; die Pläne seien “bedenklich" bis “kriminell". Prof. Rolf Kreibich, Direktor des Instituts für Zukunftsforschung und Technologiebewertung (Berlin) und Vorsitzender des Ausschusses für Immissionsschutz des Landes Brandenburg, hält sie “für absolut unvertretbar".

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Politik, Baurecht und Umweltschutz des Landes Brandenburg hatten zu entscheiden. Wer hat wen dominiert? Eine Chronik. Sommer 2002: die Cargolifter-Pleite vererbt ein Problem: die 78Millionen-Euro-Halle (darin 38 Millionen Fördermittel). Colin Au, gemeinsam mit dem britischmalaysischen Tanjong-Konzern, erwirbt den Bau für 17,5 Millionen Euro, verspricht 70 Millionen Investitionen und 700 Arbeitsplätze. Seine Bedingung: keine Behördentrödelei. Februar 2004: Der Landkreis Dahme-Spreewald genehmigt nach drei Monaten Prüfzeit. Spätherbst 2004: Das Energiekonzept ist noch immer nicht offengelegt; der Immissionsschutz bleibt “außen vor". Prof. Kreibich hat seine Einwände schriftlich an Ministerpräsident Platzeck gerichtet, an die Minister Birthler, Woidke, Schönbohm und Speer, an die Landtagsparteien. Weitgehend Schweigen. 19. Dezember 2004: Der RBB1 überträgt die Eröffnungsgala live. Begeisterung pur! Energieschleuder ohne Umwelt-Check Baugenehmigungen erfordern energetische Gutachten. Welche Baustoffe; welche Dämmwirkung? Im Auftrag von Au begutachtete die Firma SIAT (München); Prof. Klaus Hänel (Cottbus) prüfte den Bericht. Beide stellen fest: Die Energieeinsparverordnung von 2001 sei eingehalten. Schwer zu begreifen, doch mein Telefonat mit Prof. Hänel löst das Rätsel. Die Verordnung bezieht sich auf 19º C Innentemperatur; Berechnungen für die Zusatz-Tropenwärme waren nicht gefordert! “Und der Ausstoß an Treibhausgasen? Der Energieverbrauch insgesamt?" “Wird von den Baubehörden nicht geprüft." Bliebe der Umweltschutz und seine “Umweltverträglichkeitsprüfungen" (UVP). Für Tropical Islands - erfahre ich aus Umweltministerium und Landesumweltamt - habe sich eine UVP erübrigt. Die Halle sei nur “umgewidmet" worden. Karsten Sommer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, ist anderer Meinung. “Die Prüfung ist bei größeren Bauprojekten vorgeschrieben". Die für Tropical Islands genutzte Heizzentrale erzeugt den Jahresbedarf von etwa 4.000 Einfamilienhäusern. Wenn das kein größeres Bauprojekt war! Kalter Wind fegt über die Lausitz. Das Paradies steht offen. Auch ohne geprüfte Umweltverträglichkeit. Oder gerade deshalb. Es gibt 700 Lausitzern Lohn und Brot. Wer sollte daran mäkeln? Bliebe als letztes die Ethik. Fragen nach dem Sinn unseres Lebensstils. Vielleicht schreibt ja ein Poet irgendwann die Mär vom gefesselten Zyklopen Lausitz, dessen Riesenauge aus dem Beton quillt und in den Nächten vor Zorn glüht; weil die Leute ihn verspotten. Denn sie feiern das Paradies, aus dem Horno und so viele seiner Braunkohle-Dörfer längst vertrieben sind. 1

RBB = Rundfunk Berlin-Brandenburg, früher Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk (ORB)

Vgl. auch www.my-tropical-islands.com (8.466 Anschläge, 102 Zeilen, März 2005)

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Urlaub unter dem Maschinengewehr? Nepal betont neue Sicherheit nach Abschaffung der Demokratie Von Sonja Sonnenschein Auf große Empörung unter Touristen und Reiseveranstaltern stieß eine neue Werbekampagne der staatlichen Tourismusbehörde Nepals. Kaum hatte König Gyanendra

am 1. Februar

verfassungsrechtlich die alleinige Macht übernommen, die Demokratie abgeschafft und das Kriegsrecht ausgerufen, warb das "Nepal Tourism Board" mit "Vertrauen, Frieden und Stabilität". Ab sofort könne man einen sorgenlosen Urlaub im Hindu-Königreich verbringen. Vor allem Generalstreiks, die die Bewegungsfreiheit in der Vergangenheit beeinträchtigt hätten, seien nun ein "Phänomen der Vergangenheit". Tatsächlich sei die Unsicherheit jetzt erheblich gestiegen, stellen Kritiker fest, denn die Armee könne nun gänzlich unkontrolliert agieren. Jede Kontrolle, Berichterstattung und Kritik sei verboten worden. Touristen drohe keine Gefahr, aber die Bevölkerung sei dem Militär schutzlos ausgeliefert. Gyanendra, Oberbefehlshaber der Königlichen Armee und eines neu installierten MarionettenKabinetts, hatte im Februar sämtliche Grund- und Menschenrechte außer Kraft gesetzt, eine totale Pressezensur verhängt und das gesamte Land für eine Woche von der Außenwelt abgeschnitten. Sobald konkrete Pläne für - inzwischen verbotene - Demonstrationen oder Mahnwachen auftauchen, werden die Telefonleitungen erneut und willkürlich abgeschaltet. Lediglich königstreue Aufmärsche dürfen stattfinden. Das kleine Land im Himalaya wird seit 1996 von maoistischen Rebellen brutal bekämpft, die die Monarchie abschaffen und einen kommunistischen Staat errichten wollen. Tatsächlich träumt die Guerilla von der Weltrevolution nach nepalischem Muster, den sie nach einem Anführer "Prachanda-Weg" nennt. Ihre Ideologie setzt sich aus Marxismus, Leninismus und Maoismus ("MALEMAISMUS") zusammen. Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten haben erschreckende Ausmaße erreicht, wie "amnesty international" und "Human Rights Watch" eindrücklich dokumentierten. Mindestens 11.000 Nepalis sind bereits umgekommen, viele hundert für immer verschwunden. Willkürliche Verhaftungen nach GESTAPO-Methoden sind an der Tagesordnung. In- und ausländische Experten sind überzeugt, dass der Konflikt nicht mit Waffengewalt zu lösen ist, sondern nur durch politische Verhandlungen. (2.220 Anschläge, 28 Zeilen, März 2005)

Vgl. auch TW 36, "Maoisten in Nepal - Wie sicher sind Reisen im Himalaya-Königreich?"

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Menschenhandel in Burma Die größten "Absatzmärkte" liegen in Thailand und China Von Ulrike Bey Mit fünfzehn entschloss sich Mai aus Kengtung im burmesischen Shan-Staat, für ihre Familie in Thailand Geld zu verdienen. Sie verkaufte Ihren Körper. Ihre allein stehende Mutter konnte für sie und ihre sechs Geschwister nicht mehr aufkommen. Ein "Vermittler" zahlte 10.000 Baht (250 USDollar). Im thailändischen Mae Sai arbeitete Mai drei Monate unbezahlt in einem Bordell, bis sie ihre "Schulden" abgearbeitet hatte. Später wurde sie an ein Freudenhaus in Chiang Mai verkauft, wo die heute 20jährige lebt. Diese Geschichte ist typisch für viele junge Frauen und Mädchen aus Burma. Seit mehr als vierzig Jahren

herrscht

dort

eine

Militärdiktatur,

die

verantwortlich

ist

für

jahrzehntelanges

Missmanagement, schlechte Wirtschaftspolitik, eine illegale Schattenwirtschaft und massive Menschenrechtsverletzungen. Staatsausgaben werden in den Militärapparat gesteckt statt in die dringend benötigte Grundversorgung der Bevölkerung. Heute gehört Burma, einst eines der reichsten Länder Asiens, zu den Least Developed Countries. Der Großteil der 50 MillionenBevölkerung lebt in Armut. Neben der Armut ist die Bevölkerung dem täglichen Terror ausgesetzt. Bei der Bekämpfung von Widerstand erfahren insbesondere Zivilisten der ethnischen Minderheiten willkürliche Zwangsumsiedlungen, Zerstörung und Konfiszierung der Ernten, Tötungen und Zwangsarbeit durch das burmesische Militär. Die Armut und die tägliche Bedrohung führen dazu, dass viele Menschen nach besseren Überlebensmöglichkeiten im Ausland suchen. Menschenhändler nutzen diese Situation aus und bieten den ärmsten Familien Geld für ihre Kinder unter der Vorgabe, für diese eine lukrative Arbeit im Ausland zu finden. Die Kinder leisten Dienste als Haushaltshilfen, Fabrikarbeiter oder als Sexarbeiterinnen. Sie müssen zuerst ihre "Schulden" gegenüber Händlern und Fabrik- oder Bordellbesitzern abarbeiten, werden vielfach weiter verkauft. Illegal und ohne Sprachkenntnisse sind sie besonders leicht Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt. In den Bordellen Thailands sind vor allem junge Frauen aus Burma gefragt. Die Mädchen wissen häufig nichts über die Gefahren ungeschützten Geschlechtsverkehrs oder ihnen wird aus Geschäftsgründen untersagt, auf der Benutzung von Kondomen zu bestehen. Viele der jungen Frauen infizieren sich mit HIV. Es gibt keine verlässlichen Angaben über das Ausmaß des Menschenhandels in Burma und über seine Grenzen hinweg. Die größten Absatzmärkte sind das wirtschaftlich überlegene Thailand, zunehmend auch die Grenzstädte Chinas und südchinesische Provinzen. In einigen Fällen geht der Verkauf sogar bis nach Japan, Australien oder in die USA. Menschenhändler-Netzwerke verlassen sich bei ihren Aktivitäten auf die Kooperation korrupter Beamter auf beiden Seiten der Grenze. Gerade Burma zählt nach Einschätzung der Organisation Transparency International zu den fünf korruptesten Ländern der Welt.

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Doch auch innerhalb Burmas werden Menschen von ländlichen in städtische Gebiete als Haushaltshilfen oder Zwangsarbeiter verkauft, Kinder als Soldaten rekrutiert. Die Regierung hat weder die Kapazitäten noch den politischen Willen, diese illegalen Aktivitäten zu unterbinden. Hochrangige Offiziere haben zum Teil erheblichen Anteil an Geschäften mit Drogen, Teakholz und Edelsteinen und auch mit Menschen. Ein Beispiel kann verdeutlichen, dass der Jahrzehnte andauernde Konflikt mit der Diskriminierung der ethnischen Minderheiten zusammenhängt. Die Familie von Naw Doh, einer Angehöriger der Karen, wurde auf dem Weg zur Feldarbeit von burmesischen Soldaten abgefangen. Die Soldaten töteten ihren flüchtenden Mann und Sohn, nahmen Naw Doh und ihre beiden kleinen Töchter gefangen. Nach einigen Monaten im Armeelager wurde sie in die Hauptstadt Rangun verschleppt, um im Haushalt eines Offiziers zu arbeiten. Kurz darauf wurde sie von ihrer siebenjährigen Tochter getrennt, die bei einem anderen Offizier Hausarbeit verrichten musste. Sie konnte ihre Tochter seitdem nur einmal sehen. Eine Bezahlung für ihre Arbeit hat sie nie erhalten. Naw Doh gelang schließlich die Flucht und sie konnte in ihr Dorf zurückkehren, wo sie für ihre jüngere Tochter sorgt. Über das Schicksal ihrer älteren Tochter ist ihr nichts bekannt. Blühende Prostitution trotz Verbot Obwohl Prostitution in Burma gesetzlich verboten ist, erfährt sie derzeit eine Blüte. Polizei und Beamte profitieren vom Geschäft und lassen die Bordellbesitzer gewähren. Doch auch einige Führer von ethnischen Waffenstillstandsgruppen, bekannte Drogenbarone, eröffneten in Rangun unter Billigung des Militärs Bordelle, die als Massagesalons oder Karaoke-Bars geführt werden. Die dort arbeitenden Mädchen und jungen Frauen kommen zumeist aus dem Shan-Staat. Armeeangehörige, wohlhabende Geschäftsleute, auch Minister und Touristen gehören zu den regelmäßigen Kunden. LKW-Fahrer und Soldaten suchen vor allem die billigen Bordelle in den Grenzgebieten auf und tragen so zur rasanten Verbreitung von HIV/AIDS bei. Zeitweilig versuchte die Regierung zwar, die Prostitution zu unterbinden, indem sie die Reisefreiheit von jungen Frauen beeinträchtigte und die Ausgabe der Pässe für Burmesinnen beschränkte. Doch konnte sie den Trend kaum stoppen. Auf Staatsebene wollen die Länder der Mekong-Region - Thailand, Kambodscha, Burma, Laos, Vietnam, China - den Menschenhandel eindämmen. Ein Abkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels in der Region soll abgeschlossen werden. Erst im Januar flog ein Menschenhändlerring in Südchina auf, der mit Babys u.a. aus Burma handelte, die teilweise noch keine Woche alt waren. Doch die Vereinten Nationen beklagen, dass noch immer nicht genug getan werde, um das Problem zu lösen. Die geplante Öffnung der Grenzen in der Region - zur Erleichterung des Warenverkehrs und der Bewegungsfreiheit von Personen - wird auch dem Menschenhandel weiter Vorschub leisten. Die ehrgeizige Erschließung der MekongRegion für den Tourismus wird die Probleme eher verschärfen als beheben. (5.938 Anschläge, 68 Zeilen, März 2005)

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Illegale Trophäenjagden in Uganda Deutscher Reiseveranstalter bietet Abschüsse selbst in Schutzgebieten an Der deutsche Jagdreiseveranstalter CS Jagdkontor vertreibt ohne Genehmigung Ugandas über einen ugandischen Ableger Jagdreisen. Bis zu 2.400 US Dollar kostet in dem ostafrikanischen Land der Abschuss von Kaffernbüffel, Pavian oder seltenen Antilopen. Viele Arten sind in der Internationalen Roten Liste als bedroht eingestuft, einige sogar international geschützt. Der Abschuss erfolgt zum Teil sogar in Reservaten und Nationalparks. Pro Wildlife hat die Artenschutzbehörden in Deutschland und der EU alarmiert: "Die Einfuhr illegaler Jagdtrophäen muss verhindert werden. Dann fehlt den Hobbyjägern der Anreiz, solche Reisen zu buchen!", betont Daniela Freyer, Artenschutzexpertin der Münchener Organisation. Auch die ugandische Artenschutzbehörde selbst warnt auf ihrer Homepage vor dem illegalen Jagdangebot von "Uganda Savannah Hunting", dem Ableger einer deutschen Jagdreiseagentur: "Die Uganda Wildlife Authority möchte die Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft vor Geschäften mit der Firma Uganda Savannah Hunting warnen, die behauptet, Safari-Jagden in Uganda zu organisieren... Die Uganda Wildlife Behörde stellt kategorisch klar, dass sie zu keiner Zeit Jagdlizenzen an Uganda Savannah Hunting erteilt hat." Der Jagdreiseveranstalter habe zudem nie einen Genehmigungsantrag gestellt. Die ugandische Regierung betont weiter, dass die Jagd in Wildschutzgebieten und Nationalparks generell verboten sei, da sie manche Arten in den 70er und 80er Jahren an den Rand der Ausrottung brachte. Recherchen von Pro Wildlife ergaben, dass sich hinter Uganda Savannah Hunting der deutsche Jagdreiseveranstalter CS Jagdkontor verbirgt. "Mitbesitzer dieser in Ostbevern (NordrheinWestfalen) ansässigen Firma ist Christian Weth, der gleichzeitig auch Direktor der Uganda Savannah Hunting ist". CS Jagdkontor biete auch in anderen Ländern (z.B. Kamerun und Tansania) Jagdreisen an, z.B. auf Elefant, Leopard oder Löwe. Die Liste der von CS-Jagdkontor in Uganda zum Abschuss angebotenen Tiere ist lang und umfasst zahlreiche bedrohte Arten wie Sitatunga (Sumpfantilope), Kaffernbüffel, Leier- und Grasantilope oder großer Kudu. Vor allem für Jagdreiseanbieter ist die Großwildjagd ein lukratives Geschäft: CS-Jagdkontor verlangt für eine Jagdreise in Uganda zwischen 6.000 und 27.300 Dollar. Pro Abschuss werden zusätzliche Kosten fällig. Selbst vor geschützten Arten, wie Pavian, Wüstenluchs, Nilpferd oder Krokodil (geschützt in Anhang B der EU-Artenschutzverordnung bzw. Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens), macht das Angebot nicht halt. Das Anbieten und der internationale Transfer von Trophäen dieser Arten ist ohne die Genehmigung Ugandas illegal. "Bei der Suche nach dem ultimativen Jagd-Kick auf neue Arten in immer neuen Ländern sind Veranstalter und Trophäenjäger oft völlig skrupellos", so Pro Wildlife. www.prowildlife.de (2.850 Anschläge, 33 Zeilen, März 2005)

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Mangroven statt Touristen und Garnelen Die unnatürliche Naturkatastrophe Von Norbert Suchanek Über 300.000 Menschen starben am 26. Dezember des vergangenen Jahres durch die große Flutwelle in Süd- und Südost-Asien. Auch etwa 3.500 Touristen waren unter den Todesopfern, vor allem in Thailand. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Profiteure des Massentourismus, ihre hörigen Spitzenpolitiker und thailändische Bordellbesitzer für eine schnelle Wiederaufnahme des Tourismusgeschäfts plädieren und dazu aufrufen, jetzt erst recht nach Thailand zu reisen, um mit den

Tourismuseinnahmen

den

Wiederaufbau

mitzufinanzieren.

Doch

viele

betroffene

Einheimische, Wissenschaftler und Umweltschützer sehen dies anders: Die vom Tsunami zerstörten Regionen brauchen kein rasches Wiederaufleben des Massentourismus, sondern neue Mangrovenwälder. "Urlaubsreisen in das Katastrophengebiet sind die beste Aufbauhilfe", diktierte der CDUHaushalts-Experte Albrecht Feibel im Januar der Bildzeitung und setzte noch eins drauf, indem er eine Steuerbefreiung deutscher Südostasien-Urlauber vorschlug. Doch dieser Vorschlag ist genauso kurzsichtig und von Profitinteressen der Tourismusindustrie geleitet, wie die Meinung des Präsidenten des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes (DRV). Würden die Reiseländer nach der verheerenden Flutkatastrophe jetzt auch noch von den Touristen geschnitten, so Klaus Laepple, wäre dies ein zweiter katastrophaler Schlag für die Bevölkerung. Tatsächlich ist es aber genau anders herum. Viele der vom Tsunami betroffenen Fischerfamilien seien bereits Opfer einer katastrophalen Küstenentwicklung gewesen, lange bevor die Killerwelle zuschlug, so die Tourismusexpertin Anita Pleumarom vom Tourism Investigation & Monitoring Team (tim-team) in Bangkok. Natürlich stünden viele tausend Thailänder nun vor dem Risiko, ihre Jobs im Gastgewerbe dauerhaft zu verlieren, weshalb es wichtig sei, ihnen zu helfen, so Anita Pleumaron. "Aber es muss darauf hingewiesen werden, dass es noch viel mehr von der Flutkatastrophe betroffene Menschen gibt, die in der Fischerei und anderen Branchen gearbeitet haben." Und viele seien erst durch die Tourismusentwicklung verarmt und an den Rand geschoben worden. An "Traumstrände" geklotzte Touristenressorts mit Süßwasser-Pools und Luxushotels mit Tennis- und Golfplätzen kreierten zwar einige Billigjobs für Einheimische. Andere aber, die zuvor an diesen Stränden lebten und durch Fischfang oder nachhaltige Nutzung der Mangrovenwälder ein Auskommen fanden, verlören im Gegenzug mehr als nur einen Job. Sie verlören Haus und Hof, ihre Existenz und den Schutz vor den Naturgewalten. Tourismus verschlimmerte die Auswirkungen des Tsunami Es

sei

wachsender

Konsens

unter

Wissenschaftlern,

Umweltschützern

und

Asiens

Fischergemeinden, so der Autor John Vidal in der britischen Tageszeitung The Guardian, dass die

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Auswirkungen des Tsunami durch Tourismus, Garnelenzuchtfarmen und andere industrielle Entwicklungen erheblich verschlimmert wurden. Denn sie haben die Mangrovenwälder, Küstendünen, Korallenriffe und Seegrasgebiete zerstört oder soweit degradiert, dass diese kaum noch Schutz vor der großen Flutwelle bieten konnten. Nicht

anders

sieht

es

Jeff

McNeely,

Südostasien-Experte

und

Wissenschaftler

der

Weltnaturschutzunion (IUCN). Die am schlimmsten verwüsteten Gebiete an Thailands AndamanKüste, vor allem Phuket, Phang Nga und die Krabi-Provinz, hatten als Folge einer rücksichtslosen Küstenentwicklung keinen natürlichen Schutz mehr. Insgesamt wurden in den vergangenen dreißig Jahren rund 80 Prozent der Mangrovenwälder an Thailands Ostküste zerstört, so John Pernetta, Projektdirektor der Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP). Mangroven sind Bäume mit Stelzwurzeln, die in der Gezeitenzone zwischen Meer und Land gedeihen. "Sie sind extrem wichtig, weil sie eine effektive Barriere gegen jede Art von Welle bilden", erklärt John Pernetta. "Mangroven nehmen den Wellen die Energie." Während der Wald selbst von der Welle zu "Kleinholz" werde, schütze er das Land und die Gebäude dahinter, wie beispielsweise in der Provinz Ranong. Dort noch vorhandene Mangrovengürtel schützten einige der Fischerdörfer wie Tha Klang vor der Kraft der Killerwelle. Zwar haben auch dort die Fischer ihre Boote verloren, aber keines ihrer Häuser. Dies bestätigt Maitree Duangsawasdi vom thailändischen Ministerium für Meeres- und Küstenressourcen. "Die Mangroven in Ranong und Phang Nga retteten Hunderten von Menschen das Leben." Die Erfahrungen decken sich mit denen in den anderen betroffenen Ländern wie Indien (16.000 Tote) und Sri Lanka, wo etwa 45.000 Menschen starben. So meldete das Mangrove Action Project (MAP) - ein Netzwerk von rund 400 Nichtregierungsorganisationen und über 250 Wissenschaftlern, die sich in 60 Ländern mit dem Schutz und der Erforschung der Mangroven beschäftigen -, dass in den überfluteten Gebieten von Pichavaram und Muthupet dichter Mangrovenwald zu geringen menschlichen Verlusten und zu geringen Schäden an der Infrastruktur führte. "Gebiete mit Mangroven hatten die geringsten Zerstörungen zu erleiden, wie auf den Andamanen oder NicobarInseln zum Beispiel, wo an vielen Stellen noch Mangrovenwälder und Korallenriffe intakt sind. Wenn sie nicht da gewesen wären, hätte es viel schlimmer kommen können", ist sich der Umweltschützer Debi Goenka von der Bombay Environmental Action Group sicher. Aceh-Küste war übersät von Shrimp-Farmen Auch in dem Land, das die meisten Flutopfer zu beklagen hat, trägt der Kahlschlag der Mangroven eine beträchtliche Mitschuld an der Tragödie. Wie selbst der indonesische Forstminister Malam Sambat Kaban zugeben musste, hat Indonesien nämlich in den vergangenen Jahrzehnten rund 650.000 Hektar seines grünen Schutzgürtels - 30 Prozent seiner gesamten Küstenwälder abgeholzt. Besonders betroffen von der Mangrovenvernichtung: Die Sumatra-Provinz Aceh, wo ein Großteil der Küstenlinie schon vor dem Tsunami durch zahlreiche Shrimp-Farmen degradiert und

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Sturmfluten schutzlos ausgeliefert war. Viele Menschen bezahlten am 26. Dezember für diesen Umweltfrevel mit ihrem Leben. Die einstige Mangrovenfläche Acehs wird auf 60.000 Hektar geschätzt, so Ben Brown, MAPKoordinator in Indonesien. Heute ist nur noch etwa ein Sechstel, 10.000 bis 12.500 Hektar, davon übrig. Die meisten Küstenwälder der Provinz wurden Ende der 1980er Jahre vernichtet, um Devisen bringende Garnelen-Zuchtteiche, so genannte Aquakulturen, und Ölpalm-Plantagen anzulegen. Sowohl Palmöl als auch die Shrimps (Garnelen) sind in den Industriestaaten begehrte Importwaren,

weshalb

deren

Produktion

auch

durch

Entwicklungsorganisationen

und

Kreditinstitute seit Jahren in möglichst vielen tropischen Staaten gefördert wurde. Schließlich ging es darum, durch ein möglichst großes Angebot, die Preise so niedrig wie möglich zu halten. Die auf Exporteinnahmen - für den Schuldendienst - angewiesenen Länder der "Dritten Welt" gerieten damit in einen Abwärtsstrudel, der sie zwang, immer mehr Shrimps und noch mehr Palmöl zu produzieren, was die Aufkäufer aus den Industriestaaten leidlich ausnutzten, um die Preise noch weiter zu drücken. Das Ergebnis dieser "Geiz ist Geil-Mentalität" europäischer, japanischer und US-amerikanischer Konzernmanager und Konsumenten, denen intakte Ökosysteme und Küstenschutz in den fernen Tropen offensichtlich gleichgültig sind, sieht man zum einen in jedem Supermarkt in Deutschland, wo die tropischen Garnelen in allen Kühltruhen billigst auf Käufer warten, und zum anderen vor Ort in den Flutkatastrophengebieten Südostasiens, wo Hunderttausende starben. Erst 2003 hatte Indonesiens Ministerium für Fischerei in Nordsumatra bekannt gegeben, man wolle die ShrimpProduktion demnächst mehr als verzehnfachen, um mit dem größten Shrimp-Exporteur Asiens, Thailand, zu konkurrieren, selbst wenn es die Abholzung von 800.000 Hektar Mangroven kosten sollte - einem Drittel des restlichen Küstenwaldes Indonesiens. "Die Konsumenten der Zuchtgarnelen in den reichen Nationen sind Schuld an der Vernichtung der Mangrovenwälder und anderer Küstenpuffer, die so viele Menschen vor der Raserei des Tsunami hätten schützen können", zieht der langjährige MAP-Direktor Alfredo Quarto nüchtern Bilanz. Doch auch Regierungen, Shrimp- und Tourismusindustrie sowie Finanzinstitutionen wie die Weltbank trügen eine Schuld an den Tausenden von Toten. Neben der so wichtigen Schutzfunktion stellen diese einmaligen Waldökosysteme - wenn man sie denn intakt ließe – eine ebenso nachhaltig sprudelnde Einkommens- und Jobquelle dar. Mangrovenwälder liefern nicht nur Waldprodukte wie Honig, Holz, Tannin, Medizinpflanzen und Wildfleisch. Als wichtigste Kinderstube zahlreicher Fischarten bringen sie der nachhaltigen Küstenfischerei auch bares Geld ein. Etwa 10.000 USDollar jährlich je Hektar, so schätzen die Experten des MAP. "Mangroven sind der Supermarkt für die Menschen an der Küste", sagt der thailändische MAP-Mitbegründer Pisit Charnsnah. Ein grüner Schutzgürtel wäre am sinnvollsten Statt nun - wie die thailändische Regierung – den schnellstmöglichen Wiederaufbau des Tourismusgeschäfts

und

der

Garnelenzuchtfarmen

anzukurbeln,

halten

Ökologen

die

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Wiederherstellung des grünen Schutzgürtels für die langfristig sinnvollste Aufbaumaßnahme. Der nächste tropische Wirbelsturm mit meterhohen Wellen, vielleicht auch der nächste Tsunami stehen bereits in den Startlöchern. Einheimische Wissenschaftler wie Anuchat Poungsomlee von der Universität Mahidol oder

Bancha Pongpanich, Koordinator des Gemeindeentwicklungsprojekts

von Pattana Chumchon Pen Suk in Thailand, sprechen sich dafür aus, die Flutkatastrophe für eine Pause, eine Bedenkzeit zu nutzen. "Schneller Wiederaufbau könnte zu einer anderen Art von Desaster führen", warnt Anuchat Poungsomlee. "Aus der Sicht eines Ökologen ist das Unglück ein Signal, dass es Zeit ist für die Natur, sich auszuruhen." Die Regierung sollte nicht zu ihrer Entwicklungsstrategie zurückkehren, die auf das schnelle Geld aus der Reiseindustrie fokussiert ist. Auch nach Ansicht der Tourismusexpertin Anita Pleumarom mache es einfach keinen Sinn mehr, weiterhin auf dieses wankelmütige Geschäft namens Tourismus zu setzen. Die gebürtige Deutsche: "In der Mitte von Tod, Verwüstung und Chaos, warum können die betroffenen asiatischen Länder nicht wenigstens eine Pause vom Tourismus einlegen?" Jetzt nach der Soforthilfe sei eine vollständige Bestandsaufnahme der mehrdimensionalen Auswirkungen und Ursachen der Katastrophe notwendig. Ob der Tourismus eine richtige Wahl für den Wiederaufbau darstellt, sollten dann die betroffenen, lokalen Gemeinschaften entscheiden - und nicht ferne Zentralverwaltungen und Manager von außerhalb, die bereits jetzt mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben, indem sie eine Tourismusentwicklung um jeden Preis erzwangen. Weitere Informationen: tourism investigation & monitoring team (tim-team), P.O. Box 51, Chorakhebua, Bangkok 10230, Thailand, [email protected], www.twnside.org.sg/tour.htm Alfredo Quarto, Executive Director, Mangrove Action Project, PO Box 1854, Port Angeles, WA 98362-0279, USA, Tel./Fax 001-360/452-5866, [email protected], www.earthisland.org/map/map.html Phuket Action Plan, www.world-tourism.org www.mangroverestoration.com, Ben Brown [email protected] www.workers.org/ww/2005/tourism0113.php (11.235 Anschläge, 135 Zeilen, März 2005)

Küstenabschnitte unbebaut lassen Auch Klaus Töpfer, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) in Nairobi, plädiert dafür, Küstenabschnitte unbebaut zu lassen. "Gebäude und Straßen müssen außerhalb dieser Gebiete gebaut werden, da sie ökologisch empfindlich und und gleichzeitig durch extreme Wetterereignisse besonders gefährdet sind". Neueste Untersuchungen im Februar hätten gezeigt, dass intakte Mangrovenwälder und Korallenriffe die Bevölkerung vor der Wucht der Wellen schützen konnten. Bereits eine erste Schadenserhebung in Indonesien hatte im Januar ergeben, dass die Umwelt stärker beschädigt worden sei als befürchtet. Neben Indonesien hätten die

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Malediven, Sri Lanka und Thailand um Unterstützung in verschiedenen Bereichen des Umweltmanagements gebeten. Einzelheiten: www.unep.org

-tü-

(832 Anschläge, 9 Zeilen, März 2005)

Sextourismus, Alkohol und eine Atombombe Bizarre Verschwörungstheorien über die Ursache des Tsunami Von Ludmilla Tüting Wie schon der Terroranschlag "Nine Eleven" in den USA regte auch der Tsunami die Fantasie von Verschwörungstheoretikern und religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen an. An der Spitze der weltweiten Hitliste rangiert der Vorwurf, das sündige Treiben der Touristen habe die "Strafe Gottes bzw. Allahs" herausgefordert. Ähnlich beliebt ist die bizarre Behauptung, ein geheimer indisch-israelisch-amerikanischer Atomtest habe das Erdbeben vor der Küste Indonesiens verursacht und somit den Tsunami ausgelöst. Vorwürfe islamistischer Prediger und einiger deutschsprachiger "Verschwörungsexperten" trugen zudem deutlich antisemitische Züge. Beispielsweise hätten - wie schon beim Anschlag auf das World Trade Center in New York Tausende Israelis den Unglücksort rechtzeitig verlassen und seien deshalb nicht betroffen gewesen (in "Panorama", ARD, 27.1.2005). Die F.A.Z. dokumentierte am 11.1.2005 einige "Erklärungsmuster", die das amerikanische "Middle East Media Research Institute“ (Memri) aus dem Arabischen übersetzt hatte. Neben der jüdischindisch-amerikanischen Atombombe schossen sich radikale Prediger auf den sündigen Tourismus ein. "Ihr habt wahrscheinlich alle von Bangkok gehört. Wir kennen es als weltweites Zentrum der Korruption. Dort gibt es zionistische und amerikanische Investitionen...und Strände, die sie Touristenparadiese nennen, während nur wenige Meter weiter die Einheimischen in einer Hölle auf Erde leben. Die Stunde Null ist gekommen" (Aus einem Freitagsgebet im palästinensischen Fernsehen). "Es geschah an Weihnachten, als sich unzüchtige und korrupte Menschen auf der ganzen Welt in Unzucht und sexueller Perversion ergingen. Da geschah die Tragödie, erschlug sie alle und zerstörte alles". (Ein Professor aus Beirut im arabischen Fernsehen). "Das Problem ist, dass die Feiertage von verbotenen Dingen begleitet werden, von Unmoral, Scheußlichkeiten, Ehebruch, Alkohol, betrunkenem Tanzen....Bauchtänzerinnen und Sänger...hüpfen von einem Hotel zum anderen, vom Abend bis zum Morgengrauen...Auf der Höhe der Unmoral nahm Allah Rache an diesen Kriminellen. Sie verbrachten, was sie Silvester nennen, in Ferienorten, Kneipen und Hotels. Allah erschlug sie mit einem Erdbeben". (Saudischer Prediger im arabischen Fernsehen). Die arabische Zeitung "Attajdid" löste in Marokko eine Debatte aus. Der Tsunami sei nicht nur eine Vergeltung Allahs für den Sextourismus gewesen, sondern zugleich eine Warnung an das Königreich. Schließlich verdürben dort Prostitution, Homosexualität und der dadurch angezogene

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Tourismus die guten Sitten. Sowohl die Regierung als auch einige Parteien und Medien kritisierten die Behauptung laut F.A.Z. vom 21.2.2005 als "Beleidigung der Opfer". In der "arte reportage" vom 19.1.2005 wurde ein Lehrer aus Aceh gezeigt, der seinen Schülern auf der Tafel eine seltsame Theorie vorrechnete. Er versuchte, die Strafe Allahs durch Zahlen und Datumskombinationen, vermischt mit Hinweisen auf den Koran zu belegen. Im Koran sage die Sure 39 voraus, dass Aceh am 26.12.2004 von einem Tsunami überflutet werde. (Was nicht zutrifft). Mehr wollte der Lehrer dem Fernsehteam nicht verraten. Eine Reporterin der New York Times (17.1.2005) hatte in Sri Lanka Stimmen eingefangen. Militante Buddhisten, die seit langem gegen christliche Singhalesen Stimmung machen und in der jüngsten Vergangenheit mehrere Kirchen abfackelten, sagten, Christen seien für den Tsunami verantwortlich. Auch einige Hindus vermuteten, dass Alkohol und Drogen am Strand, insbesondere von Ausländern, die Götter erzürnten. Der Verzehr von Fleisch an Weihnachten könne ebenfalls eine Rolle spielen. (3.621 Anschläge, 41 Zeilen, März 2005

Ein Hotel packt an Ayurveda-Ressort leistet praktische Aufbauhilfe im Süden Sri Lankas Von Christina Kamp Zwei Monate nach dem Tsunami hat an der Küste Sri Lankas der Wiederaufbau begonnen. Doch viele Menschen sind immer noch in Flüchtlingszelten untergebracht. "Es ist wichtig, dass die Leute so schnell wie möglich aus den ‚Relief Camps’ herauskommen", sagt Ranmali de Silva von den "Barberyn Ayurvedic Resorts". Ein Team des Familienunternehmens arbeitet in Weligama mit den Dorfbewohnern der Umgebung zusammen, um den Wiederaufbau zu unterstützen. Die Ganzheitlichkeit der ayurvedischen Lehre, die die beiden Barberyn-Hotels an der Süd- und Westküste Sri Lankas prägt, schlägt sich auch in den Aktivitäten nach dem Tsunami nieder. Wie bereits nach den Einbrüchen im Tourismus nach dem 11. September 2001 steht das Unternehmen zu seiner Personalverantwortung und hat laut Eigentümer Manik Rodrigo keinen seiner 350 Mitarbeiter entlassen. Einige der Angestellten haben durch die Flutwellen Angehörige und ihr Zuhause verloren. "Es wäre schlimm, wenn sie nun auch noch ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Viele Hotels in Beruwela haben ihre Mitarbeiter einfach entlassen", bedauert Manick Rodrigo. Er geht einen anderen Weg. Das Haus in Beruwela wurde selbst von den Wellen erfasst und zu großen Teilen zerstört. Der Wille, wieder aufzubauen und schon die nächste Saison neu eröffnen zu können, ist groß. Von morgens bis spät in die Nacht wird gesägt, gehämmert und Stein auf

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Stein gesetzt. Keller, Reinigungspersonal und die Mitarbeiterinnen des "Health Centres" übernehmen völlig neue Aufgaben. Aus den Trümmern der Bungalows haben sie alles noch verwendbare Material gesammelt. Jedes Stück Holz, jeder Ziegelstein, der noch irgendwie brauchbar ist, wurde zusammentragen. "Rund 25 Prozent der Substanz an Möbeln und Gebäuden konnten wir so retten", sagt Manick Rodrigo. "Einige unserer Leute arbeiten zwei Schichten." Möglich wurde dies auch Dank der Initiative und Spendenbereitschaft vieler deutscher Stammgäste, die einen stattlichen Euro-Betrag sammelten, um den Mitarbeitern, ihren Familien und der Bevölkerung der beliebten Urlaubsregion zu helfen. Direkt nach den verheerenden Flutwellen versorgte das Unternehmen die Flüchtlinge im nahegelegenen Tempel mit Essen aus der Hotelküche. Doch wie in so vielen Orten an den süd- und südostasiatischen Küsten stellt sich nun, Wochen nach dem Tsunami, die Frage: Wie können wir das Geld am sinnvollsten einsetzen? Zum einen wurden die Basisgehälter der Angestellten aufgestockt, denn der erfolgsabhängige Anteil an der Entlohnung fällt in diesen sonst so guten Monaten – der Hauptsaison – völlig weg. Zum anderen helfen Management und Mitarbeiter der vom Tsunami betroffenen Bevölkerung in den Dörfern. Im Gegensatz zum "Barberyn Reef" blieb das "Barberyn Beach" Hotel in Weligama Dank der günstigen Lage auf einem Kliff vom Tsunami verschont. Auch das nächstgelegene Dorf linker Hand ist weitgehend intakt. Dennoch ist Hilfe dringend nötig. Die Fischer haben ihre Boote und Netze verloren, und damit ihr Einkommen. "Wir arbeiten mit der Regierung zusammen, die erfasst, was wo getan werden muss", sagt Manick Rodrigo. "Und wir berichten dann auch wieder an die Regierung, wo wir wie geholfen haben". Das ist wichtig, um bedarfsgerecht zu helfen und Doppelungen zu vermeiden. Das Hotel-Team steht mit seiner Arbeit am Wiederaufbau vor völlig neuen Herausforderungen. Ohne Erfahrung in der Dorfentwicklung können die Mitarbeiter die sinnvollste Hilfe nur in engem Dialog mit den Menschen vor Ort ermitteln. So wurde in Jothi Koratuwa, dem nächstgelegenen Dorf linker Hand, ein Gebäude für eine Vorschule errichtet - gebaut von den Fischern selbst, die von Hotelmitarbeitern angeleitet werden, und deren Löhne für diese Arbeit aus den Spendengeldern finanziert werden. So haben die Männer erst einmal Arbeit, und gleichzeitig entsteht ein zukunftsfähiges

Projekt,

das

der

Dorfgemeinschaft

langfristig

hilft.

Es

schafft

wichtige

Voraussetzungen für die nächsten Schritte. "Denn die Frauen haben uns gesagt, dass auch sie gerne arbeiten und etwas Geld verdienen möchten. Jetzt sind wir dabei, Einkommensmöglichkeiten zu identifizieren und das nötige Training zu organisieren", sagt Ranmali de Silva. In einem ersten Schritt haben die Frauen vom Barberyn Stoffe zur Verfügung gestellt bekommen, aus denen sie kleine Handarbeiten anfertigen. Eine erste Testrunde zeigte schon beachtliche Potenziale, aber auch den Trainingsbedarf: "Es wird wohl noch ein bisschen dauern, bis wir die Deckchen und Servietten in unserem Laden verkaufen können." meint Ranmali de Silva. Aber die Frauen des

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Dorfes sind auf dem richtigen Weg. Wenn die Kinder tagsüber betreut sind, werden sie ein wenig mehr Zeit haben, sich der Verbesserung ihrer Produkte zu widmen. Eine andere Art der Hilfe brauchen die Dörfer rechter Hand des Hotels, in denen der Tsunami große Zerstörung angerichtet hat. "Wir waren überrascht, dass einige Häuser sogar noch stehen", sagt Ranmali de Silva. "Die Bausubstanz muss sehr gut sein. Doch die Toilettenhäuschen und Küchen wurden von den Wellen meist völlig weggerissen." Um schnelle Hilfe zu leisten, ließ er in Kadabeda Gama bereits eine ganze Reihe Küchen und Toilettenhäuschen neu errichten. Auch das nächste Dorf hat um Hilfe gebeten. "Doch wir stehen vor einem Dilemma", sagt Ranmali de Silva. "Die Regierung hat ein Gesetz eingeführt, das Gebäude innerhalb einer Zone von 100 Metern vom Strand verbietet." In Denuwela, wie fast überall an der Küste Sri Lankas, liegen aber viele Häuser innerhalb dieser Zone. "Wenn wir hier aufbauen helfen, geraten wir in Konflikt mit der Regierung", befürchtet das Wiederaufbau-Team. So lange die Lage unklar ist, wurde deshalb beschlossen, erst einmal den Familien zu helfen, deren Häuser mehr als 100 Meter vom Strand entfernt liegen. Was das Ressort in Beruwela angeht, so wird auch dort, wie bei fast allen Hotels in dieser Gegend, die Einhaltung der Schutzzone eine Illusion bleiben. Denn die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen durch den Tourismus werden für die Regierung letztlich den Ausschlag geben – und Touristen suchen eben die Nähe zum Strand. (6.048 Anschläge, 70 Zeilen, März 2005)

Katastrophen-Tourismus in Sri Lanka Die Stelle, an der ein fahrender Zug am 26. Dezember von der Flutwelle erfaßt wurde, entwickelt sich in Sri Lanka zu einem touristischen "Hot Spot". Vor allem einheimische Besucher und asiatische Touristen ziehe es am Wochenende nach Peraliya, einem Dorf zwischen der Hauptstadt Colombo und der südlich gelegenen Hafenstadt Galle, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am 27. Februar. Etwa 1.500 Passagiere und 400 Dorfbewohner kamen in der Wasserwalze um. Drei zerstörte Wagons wurden als Mahnmal auf den alten Schienen stehen gelassen. Die Überlebenden aus Peraliya sind geteilter Meinung. Einige finden Picknicks neben der Unfallstelle "geschmacklos", andere nutzen die Gelegenheit, um als fliegende Händler Eiskrem, Getränke und Lotterie-Lose zu verkaufen. -tü(764 Anschläge, 9 Zeilen, März 2005)

44 Nationen vom Tsunami am 26.Dezember 2004 betroffen Die meisten Touristen stammen aus Deutschland Genaue Opferzahlen werden sich wohl nie ermitteln lassen. Fest steht jedoch, dass Menschen aus 44 Ländern ihr Leben verloren, von Argentinien über Japan und Südafrika bis Europa und Nordamerika. Davon sind 11 Länder direkt von der Killerwelle betroffen. Die mit Abstand höchste Zahl der Toten und Vermissten hat Indonesien zu beklagen, wobei die Angaben - je nach dem ob sie vom Gesundheits- oder Sozialministerium stammen - zwischen rd. 135.000 und 236.000 schwanken. Sri Lanka rechnet mit rd. 45.000 Opfern (auch hier gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Ministerium für öffentliche Sicherheit und dem Zentrum für Nationales Katastrophenmanagement), Indien mit 16.000. In Thailand kamen offiziell 9.700 Menschen um, wobei lt. BBC allerdings bis zu 3000 Burmesen unter den Tisch fallen. Viele hätten illegal im Süden

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des Landes gearbeitet. Überlebende versteckten sich nach der Flut im Dschungel und erhielten so gut wie keine Hilfe. Die Behörden hatten eine Hatz auf sie begonnen, nachdem örtliche Zeitungen behaupteten, vor allem Burmesen seien an Plünderungen beteiligt gewesen - zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Bemühungen, sie zu identifizieren, gebe es nicht. Burma selbst gibt 90 Tote im eigenen Land an. Die Malediven verzeichnen 136 Tote und Vermisste, Malaysia beklagt 68 Tote, Somalia 298, Tanzania 10. Unter den Touristen betraf es die Deutschen am stärksten. 609 kamen bis Redaktionsschluss nicht aus dem Urlaub zurück: 107 konnten identifiziert werden, 502 sind noch vermisst. Die Gesamtzahl der schwedischen Toten und Vermissten beträgt nach Angaben der Schwedischen Botschaft in Berlin 552 (davon 113 identifiziert). Die Schweiz beklagt 136 Tote und Vermisste, Österreich 107. Insgesamt beträgt die Zahl der Flutopfer wahrscheinlich rund 300.000. -tü(1.750 Anschläge, 20 Zeilen, März 2005)

Bücher Tourismuspolitik - Einblicke in komplizierte Netzwerke Ähnlich wie in der Politikwissenschaft ist Tourismuspolitik in den Ausbildungsgängen angehender Touristiker kaum vorhanden. Das ist um so erstaunlicher, da gerade der Tourismus in der Weltpolitik und -wirtschaft eine höchst gewichtige Rolle spielt. Mit seinem Lehrbuch "Tourismuspolitik" schließt Jörn Mundt diese weit klaffende Lücke in der akademischen Tourismusausbildung. Gleichzeitig versucht er, den Blick für die Brisanz des Themas zu schärfen und vermittelt einen "Einblick in ein bislang kaum bearbeitetes Forschungsfeld, das aufgrund seiner umfassenden Netzwerkstruktur spannende Möglichkeiten für internationale policy-networkAnalysen" biete. "Tourismus ist, auch wenn es in freiheitlichen Staaten auf den ersten Blick nicht auffällt, hoch politisch", schreibt der Professor, Leiter des Studiengangs Tourismusbetriebswirtschaft der Berufsakademie Ravensburg. Schon der zweite Blick aber zeige, dass Tourismus eng mit der Politik verflochten sei: "Kommunale Tourismusstellen, regionale Tourismusverbände, nationale Tourismusorganisationen - sie alle verdanken ihre Existenz politischen Entscheidungen. Entsprechend sind auch ihre strategischen und operativen Handlungsspielräume politisch bestimmt". Wer mit entscheiden will, muss die Strukturen von Macht und Interessengruppen kennen und durchschauen. Auch private Tourismusunternehmen bewegten sich mehr oder weniger direkt im politischen Raum. Vor dem Hintergrund weltweiter Verflechtungen sei es kein Nachteil, über den Tellerrand des eigenen Landes hinauszuschauen. "Deshalb und weil der Rückblick auf die heimischen Verhältnisse dann vieles deutlicher werden läßt", versammelt der Autor in seinem spannenden Buch auch viele Beispiele und Analysen aus anderen Ländern. Weniger berücksichtigt wurden im entwicklungs- und umweltpolitischen Teil leider Thesen und Ausführungen bekannter deutschsprachiger Tourismuskritiker. Im Gegenzug bietet er ein breites Spektrum englischsprachiger Autorenmeinungen und Zitate an. Das Buch ist der Versuch, ein hochpolitisches Thema weitgehend ohne Polemik, Polarisierung oder politisch eindeutige Haltung zu analysieren, was nicht immer möglich ist. Dennoch versucht der Autor, unterschiedliche Standpunkte, Verflechtungstendenzen, Machtkonzentrationen und Interessenlagen zu vielen brisanten Themen aufzuzeigen. Aktuell sei es insbesondere denjenigen empfohlen, die am Wiederaufbau des Tourismus nach dem Tsunami in Asien beteiligt sind. "Tourismuspolitik" ist ein akademisches Grundlagenwerk, das Zusammenhänge aufzeigt, ohne Konsequenzen zu kritisieren. Die Lektüre kann daher durchaus an manchen Stellen durch kritische Lesebücher ergänzt werden. Claudia Brözel, Ludmilla Tüting Mundt, Jörn W.: Tourismuspolitik, Oldenbourg Verlag, München/Wien 2004, 462 S., ISBN 3486-27556-9. Das erste Kapitel kann als Leseprobe heruntergeladen werden: www.oldenbourg.de/verlag

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Jörn Mundt war mit der positiven Besprechung des Buches "Das Urlaubskartell", vgl. TourismWatch Nr. 37, überhaupt nicht einverstanden. Wir baten ihn um eine zusätzliche Rezension aus seiner Feder:

Urlaubskartell? Schon der Titel des Buches enthält eine Unterstellung. Er setzt nämlich die Existenz eines Zusammenschlusses von Großunternehmen voraus, das den Wettbewerb auf dem Reisemarkt aushebelt. Um es gleich vorwegzunehmen: Den Beweis dafür bleibt Rüdiger Liedtke uns schuldig. Beweise und Belege sind generell die Sache des Autors nicht. Gleich auf der ersten Seite behauptet er ohne Beleg, sechs Großveranstalter beherrschten über 85 Prozent des deutschen Marktes. Nach mehrfachen Wiederholungen rückt er erst auf S. 66 seine Datenquelle heraus: Es ist, wie vermutet, die Dokumentation "Deutsche Veranstalter 2001" der deutschen Fachzeitschrift FVW, die ganze fünfzig (!) von den ca. 2.000 deutschen Reiseveranstaltern erfasst. Einem Autor, der vorgibt, sich kritisch mit dem Reisemarkt auseinandersetzen, hätte ein solcher Lapsus nicht passieren dürfen. Aber auch begriffliche Genauigkeit ist ihm fremd. Er setzt "die Reisebranche" durchgängig mit dem Veranstaltermarkt gleich und lässt so den Eindruck entstehen, als dominierten die Konzernreiseveranstalter den gesamten Reisemarkt. Dass die Mehrheit der Urlaubsreisen in Deutschland individuell organisiert sind, wird damit ebenso ignoriert wie fast der gesamte Busreisemarkt, auf dem die großen Veranstalter kaum eine Rolle spielen. Dazu kommen weitere Begriffsverwirrungen und Ungenauigkeiten, die an der Recherchefähigkeit des Autors zweifeln lassen. Unangebracht polemische Formulierungen lassen zudem auf ein Feindbild des Autors schließen, das offensichtlich auch bei der Formulierung Pate gestanden hat, nach der "die drei großen deutschen Reisekonzerne … in teilweise neureicher Attitüde die wichtigsten Absatzmärkte in Europa … okkupiert" haben (S. 73). Schlampigkeiten, Wiederholungen und terminologische Kapriolen verstellen nicht nur den Blick auf ein in der Tat interessantes Thema, sondern machen weitgehend noch das Wenige zunichte, was der Autor mit seinen Recherchen zu diesem Buch zutage gefördert hat. Damit bleibt eine ernstzunehmende und für ein großes Publikum geschriebene kritische Auseinandersetzung mit den Entwicklungen auf dem Reisemarkt weiterhin ein Desiderat. Jörn W. Mundt Rüdiger Liedtke: Das Urlaubs Kartell. Der Reisemarkt im Griff der Konzerne. Frankfurt am Main 2002, Eichborn Verlag, 167 Seiten, ISBN 3-8218-3911-2

Neue SympathieMagazine Erneut sind beim "Studienkreis für Tourismus und Entwicklung" in Ammerland drei SympathieMagazine erschienen, Einzelheiten: www.sympathiemagazin.de "Globalisierung verstehen", Redaktion: Uwe Birnstein, Daniela Prüter, "Indien verstehen", Redaktion: Rainer Hörig, Pune/Indien, "Mexiko verstehen", Redaktion: Susanne Asal, Sandra Weiss, "Jordanien verstehen", Redaktion: Martina Sabra. (Das Heft wird auf der ITB im Beisein der Autorin vorgestellt, s. Veranstaltungshinweis auf Seite 3)

Tagungen Interkulturelle Kompetenz im Tourismus Reisen in islamisch geprägte Länder - Chancen in schwierigen Zeiten Am 27. und 28. Juni 2005 in der Evangelischen Akademie Tutzing, Starnberger See. Veranstalter: Evangelische Akademie Tutzing, Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, InWent. Information und Anmeldung: Susanne Satzger, Tel. 08158/251-126, [email protected]

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Träume und Wirklichkeiten: Fakten, Trends und Paradoxien in Freizeit und Tourismus Kooperation zwischen Freizeitwissenschaft und -wirtschaft Europäische Gesellschaft für Freizeit (European Leisure and Recreation Association/ELRA), an der Hochschule Bremen. 16. - 18. Juni 2005. Der 13. ELRA-Kongress versteht sich als Forum für Freizeitwissenschaftler, Politiker, Planer und Anbieter von Freizeitdienstleistungen. Geboten werden Symposien, Workshops und die Besichtigung von Freizeitparks in Bremen. Der Kongress möchte zu Nachdenklichkeit und verantwortungsbewusstem Handeln anregen. Kontakt: Prof. Dr. Jürgen Klimpel, 13. ELRA-Kongress, c/o Hochschule Bremen, Neustadtswall 30, 28199 Bremen. Tel. 0421/5905-2758/-2750, Fax -2753, [email protected] Umwelt-Werkstatt: Ein Thema kehrt zurück - Waldsterben im Klimawandel Ursachen und Folgen am Beispiel Alpen und Himalaya. Theorie und Praxis mit Exkursion und Naturschutzaktion. (Als Bildungsurlaub anerkannt). 12. bis 19. Juni 2005 in Unterjoch, Allgäu. Veranstalter: Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW), Umwelt-Werkstatt, Hedemannstr. 14, 10969 Berlin, Fax 030/259 40811, www.aswnet.de/Mitmachen

Weltsozialforum 2005, Porto Alegre, Brasilien Solidarity with the Victims of the Tsunami in the Indian Ocean Solidarity in Tourism? A Call for Action The killer waves of 26th December 2004 in the Indian ocean regions left a trail of devastation with over 220.000 people dead, (many of these children and women), more than half a million people injured and five million homeless. Coastal stretches of Indonesia, Sri Lanka, India (including the Andaman and Nicobar Islands), Thailand, Maldives, and East Africa have suffered. The livelihoods of millions of fisher folk, farmers and their families in the coastal regions were wiped out in a matter of minutes. People are traumatised, trying to cope with the shock of loss of their loved ones, the loss of virtually everything they owned and faced with the painful prospect of rebuilding their lives from the wreckage. The extent of destruction caused by the Tsunami is incalculable and comprehensive assessments of the losses - economic, social, ecological, and psychological have yet to be completed. While relief operations are mostly in place, it has yet to reach many communities and people in an equitable manner. While unprecedented amounts of aid are pouring in, now, more than ever, in their hour of greatest need, the peoples of the South must be heeded in their long-standing demand for debt cancellation. The world and popular media has also highlighted the devastation of several ‘paradise destinations’ once frequented by holiday-makers. We need to recognise that this disaster has rendered workers and communities, dependent on travel and tourism, virtually destitute. There are persistent calls to hurriedly re-establish tourism infrastructure, especially in those countries that strongly depend on tourism. The tourism industry is calling for international solidarity while tourists in Western countries have abandoned the people that once served them in better times. This raises the question: ‘What does solidarity in tourism mean at this point in time?’ There is need to urgently put in place mid and long-term reconstruction plans based on people’s aspirations to rebuild livelihoods, while, at the same time, to be able to live in safety and security. This should include restoration of mangrove forests and other coastal ecosystems, which in the past have protected these coastal regions from storms and waves. In fact, mangrove forests which remained, have protected people and their property from this Tsunami, whereas areas where the mangroves had been cleared for `development` have shown huge losses of life and damage to property. Such unsustainable industries including tourism stand out as primary causes of mangrove loss. These developments particularly the violations of coastal zone regulations have been protested by groups and peoples concerned with the protection of coastal ecology and sustainable livelihoods, and we call upon governments to pay serious attention to the consequences of such impunity. We are also concerned with the reports of some government’s plans for “permanent

relocation and rehabilitation of affected persons.” The apprehension that governments are planning to `use` this natural calamity to ‘clean the beaches’ and make them available for tourism and big fishing businesses, is not misplaced. In line with this, we, the participants of the World Social Forum 2005, call upon people, NGOs, civil society groups, trade unions, aid agencies, relief agencies and development organisations, the media, the tourism industry and tourists, governments, the UN and its relevant agencies to: 1 2

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Work towards just and transparent conditions in international cooperation, comprehensive debt cancellation, as preconditions for sustainable development. Establish comprehensive and authenticated information on the situation and the needs of people particularly in the non-tourist areas and to begin assisting them as required. Ensure and encourage the central role and participation of local peoples and civil society in the rebuilding efforts. Restore the natural barrier or ‘greenbelt’ around coastal areas that are now vulnerable to future storms and tsunamis. Towards this objective we would endorse sustainable hydrological restoration of mangrove forests areas and protection of coral reefs. In areas dependent on tourism, not to focus an area only as a ’tourism destination’ but on the people most urgently in need of aid; not to support the hasty reconstruction of tourism infrastructure in the areas dependent on tourism, but to observe, in every project, strict and clear criteria of environmentally friendly, socially responsible and participatory tourism, with a view to an overall sustainable development that benefits the whole population. To set up mechanisms and processes of disaster warning and management systems in areas that are vulnerable and to pay special attention to phenomena such as the trafficking of women and children that are often outcomes of such disasters

31st January, 2005

Members of the Global Tourism Interventions Forum (GTIF)

Organizers of the Tourism Interventions at the World Social Forum 2005, Porto Alegre EQUATIONS (India) Ecumenical Coalition on Tourism – ECOT (Hong Kong) EED - Tourism Watch (Germany) Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung (AKTE), Switzerland Instituto Terramar (Brazil) Brazilian Forum of NGOs and Social Movements for Environment and Development (Brazil)

Afrika frankophon

anglophon

Aufbruch und Niedergang

• Kenia auf Reformkurs

• Abgenabelt von Paris

• Kongo: Was die Hydra füttert

• Jugend: Die Geister die ich rief

• Beten gegen Mugabe

• Côte d’lvoire: Tücken der Einmischung

Als „Afrika-Paket“

€ 10,00 inkl. Versandkosten

zu bestellen: Telefon: (040) 34 14 44 Fax: (040) 35 38 00 Mail: [email protected] www.der-ueberblick.de Ein Jahresabonnement = 4 Hefte kostet € 19,00 (für Studierende € 16,00) zuzügl. Versandkosten

Herausgegeben vom Evangelischen Entwicklungsdienst und von ist iert os ass l Brot für die Welt p as , w , was Dammtorstr. 21a n sse en 20354 Hamburg Wi steh r Ve

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www.tourism-watch.de EED TOURISM WATCH Reisen in Entwicklungsländer bieten vielfältige Begegnungen mit Menschen in den Ländern des Südens. Der EED engagiert sich gemeinsam mit ökumenischen Partnern für eine nachhaltige, sozialverantwortliche und umweltverträgliche Tourismusentwicklung. Dies geschieht vor allem durch Sensibilisierung von Touristen und Touristinnen Qualifizierung kirchlicher Reiseangebote Engagement für Menschenrechte und soziale Standards Dialog mit der Tourismusindustrie Zusammenarbeit mit Medien und politischen Entscheidungsträgern Förderung von Alternativen im Tourismus Veröffentlichung des TourismWatch – Informationsdienst Dritte Welt-Tourismus