Impressum. Kinderkonfliktforschung. Herausgegeben von:

Inhaltsverzeichnis Impressum Mini-München Zoff-Akademie und Kinderkonfliktforschung Ziele der Kinderkonfliktforschung Forschungsorganisation und -de...
Author: Miriam Reuter
11 downloads 4 Views 1MB Size
Inhaltsverzeichnis

Impressum Mini-München Zoff-Akademie und Kinderkonfliktforschung Ziele der Kinderkonfliktforschung Forschungsorganisation und -design Ergebnisse Streit im Leben der Kinder Formen der Konfliktaustragung Ursachen und Anlässe für Streit Streit beenden Die Rolle von Erwachsenen

2

2 3 4 5 7 9 10 11 14 16 18

Impressum

Kinderkonfliktforschung Herausgegeben von: AGFP Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik e.V. Fachstelle Pro-Streitkultur Waltherstraße 22, 80337 München Tel: (089) 651 82 22 Fax: (089) 66 86 51 E-Mail: [email protected] www.pro-streitkultur.de Text und Redaktion: Renate Grasse, Robert Pechhacker, Immo Freisleben Satz und Layout: Christian Schurk Fotos: AGFP

© 2004 Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung der AGFP Die Erstellung der Dokumentation wurde gefördert durch die Berghof-Stiftung für Konfliktforschung und das Sozialreferat der Landeshauptstadt München / Stadtjugendamt Stadtjugendamt / Koordinationsstelle für Gewaltprävention

Mini-München Mini-München ist ein Ferienprogramm für Kinder, das in München jeden zweiten Sommer stattfindet und täglich von ca. 1500 Kindern besucht wird. Veranstalter ist der Verein „Kultur und Spielraum“. Die Spielstadt kann auf über 20 Jahre Entwicklungsgeschichte zurückblicken. In und vor einer Halle im Olympiapark wird eine Spielstadt aufgebaut, in der gearbeitet, konsumiert, verwaltet und Politik gemacht wird. Die Kinder bekommen einen Ausweis für die Spielstadt, müssen sich am Arbeitsamt um einen Job oder an der Hochschule um einen Studienplatz bemühen, arbeiten dann in einem Betrieb oder studieren und bekommen dafür Spielgeld, Mimüs, die sie beispielsweise im Wirtshaus, im Warenhaus oder im Kino wieder ausgeben können.

Schlangen vor dem Arbeitsamt

alltäglicher Straßenverkehr

4

im Handwerkerhof

Zoff-Akademie und Kinderkonfliktforschung Es gib in Mini-München auch „Betriebe“, die es in dieser Form in einer gewöhnlichen Stadt nicht gibt, zum Beispiel die Zoff-Akademie. Die Zoff-Akademie ist für den friedlichen und fairen Verlauf der Spielstadt verantwortlich. Sie bietet die Zoffkurse an, die für all jene Teilnehmer/innen der Spielstadt verbindlich sind, die „Vollbürger“ werden wollen. Sie stellt „Stauberater“ an, die Luft und Ordnung in die Warteschlangen z.B. vor dem Arbeitsamt bringen und bereitet sie auf ihren harten Job vor. Sie bildet die Richter, Staatsanwälte und Schöffen für die Spielstadt aus. Und sie betreibt Konfliktforschung. Mit dieser Publikation möchten wir einen Einblick in die Ergebnisse dieser Forschung ermöglichen. Der Begriff „Kinderkonfliktforschung“ hat dabei eine doppelte Bedeutung. Zum einen beschreibt er die Forscher: Kinder haben die Umfragen durchgeführt und ausgewertet. Und zum anderen beschreibt er auch den Gegenstand der Forschung: Konflikte in der Welt der Kinder und ihre Wahrnehmung und Bewertung durch die Kinder.

die Zoff-Akademie

Zwei Forscherinnen werten Umfragen aus

kurze Pause zwischen den Umfragen

Ziele der Kinderkonfliktforschung Anders als im richtigen Leben bestand der primäre Zweck der Konfliktforschung nicht darin, durch interessante Ergebnisse zum Fortschritt der Wissenschaft beizutragen. Die zentrale Funktion lag in der Handlung und in der Thematik. Tagtäglich waren die jungen Forscher/innen mit ihren Fragebögen in der Spielstadt unterwegs und tagtäglich wurden die Bürger/innen nach ihrer Meinung und ihren Erfahrungen rund ums Thema Streiten befragt. Damit vermittelte sich, wie wichtig die Veranstalter das Thema nahmen und welch großer Wert auf das gewaltfreie Austragen von Konflikten gelegt wurde. Zudem wurde den Bürgerinnen und Bürger Mini-Münchens durch die Befragungen die Methoden der Gewaltprävention transparent gemacht. Sie wurden beispielsweise befragt, was sie von Regeln allgemein halten und welche der zentralen Regeln Mini-Münchens wichtig sind, wie sie den Schutz und die Sicherheit in Mini-München gewährleistet sehen und wie der Schutz verbessert werden könnte.

Besucherstatistik des Zoff-Grundkurses

Umfrageergebnisse werden veröffentlicht...

6

... und mit Interesse gelesen

Auch wenn der primäre Zweck im Befragen selber lag, so wurde dennoch großer Wert darauf gelegt, dass die Forschung auch Ergebnisse zeitigte. Den Umfragen wurde sowohl seitens der Forscher/innen als auch von der Befragten viel Sorgfalt und Ernsthaftigkeit entgegengebracht, und diese Arbeit erfuhr Wertschätzung: Die Umfragen wurden von den Kindern ausgewertet und die Ergebnisse in der Spielstadt veröffentlicht. Die Plakate mit unseren Forschungsergebnissen fanden viel Beachtung. Kinder, Betreuer und auch Eltern lasen sie mit sichtbarem Interesse und diskutierten darüber. Der hiermit vorliegende Forschungsbericht macht die Ergebnisse einem breiteren Publikum zugänglich. Alle, die Kinder bei der Entwicklung von Konfliktkompetenzen unterstützen wollen, finden in den Ergebnissen der Kinderkonfliktforschung Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit und didaktisches Material, um mit Kindern Aspekte einer guten Streitkultur zu diskutieren.

das „schwarze Brett“ mit aktuellen Umfragen

das Grafikbüro der Zoff-Akademie...

... arbeitet konzentriert an Veröffentlichungen

Forschungsorganisation und -design Die Kinderkonfliktforschung begrenzte sich auf eine Methode: die Umfrage mit Fragebögen. Mit andere Methoden wären die Kinder überfordert gewesen – entweder bei der Befragung oder bei der Auswertung. So fanden wir beispielsweise die Idee reizvoll, dass unsere Forscher/innen mit Mikro und Tonbandgerät Interviews durchführen. Aber die Auswertung der Tonkassetten wäre im Rahmen von Mini-München nicht leistbar gewesen. Wir hätten deshalb die Kinder nur mit dem Tonbandgerät losschicken können, ohne sie an der Ergebnissicherung ihrer Arbeit zu beteiligen. Das aber widerspricht der Grundidee von Mini-München – und unserem eigenen partizipativen Anspruch. Bei der Konzeption der Zoffakademie hatten wir geplant, die Fragebögen gemeinsam mit den Kindern zu entwickeln. Das aber gab der Rahmen Mini-München nicht her. Die Spielstadt ist zu quirlig für eine so schwierige, konzentrierte Arbeit. Deshalb haben wir 2004 bereits vorab für jeden Tag in der Zoff-Akademie ein Forschungsthema festgelegt und zwei Umfragen pro Thema entwickelt. Begeisterte Forscher/innen haben wir natürlich auf die Möglichkeit hingewiesen, mit unserer Hilfe eigene Umfragen zu entwickeln, aber von diesem Angebot wurde nur ein Mal Gebrauch gemacht. Konfliktforscherinnen...

... und auskunftswillige Befragte

8

Die Struktur und der Aufbau der Fragebögen orientierten sich an den Rahmenbedingungen. Mit einem Fragebogen konnten mehrere Kinder befragt werden. Das hatte gewisse Einschränkungen zur Folge. Hätten wir für jedes befragte Kind einen eignen Fragebogen vorgesehen, wäre mit der Frage nach Alter, Schulart, Migrationshintergrund etc. die Option auf eine differenzierte Auswertung offen geblieben. Aber in der Zoff-Akademie hätten sich enorme Papierberge angehäuft, und die Wahrscheinlichkeit von Fehlern in der Auswertung wäre signifikant angestiegen. Eine Geschlechtsdifferenzierung jedoch war uns wichtig. Das heißt, es gab von jedem Fragebogen eine Mädchen – und eine Jungenversion. Die Forscher/innen befragten mit ihrem Bogen also entweder nur Jungen oder nur Mädchen. Die beiden Umfragen, die wir für jedes „Thema des Tages“ entwarfen, unterschieden sich meist hinsichtlich der Anforderungen an die Forscher/innen. Eine Umfrage war relativ einfach. Es gab nur Fragen mit mehreren Antwortmöglichkeiten, d.h. die Konfliktforscher/innen mussten nur die Aussage ankreuzen, für die sich die Befragten entschieden. Die zweite Umfrage enthielt mehr offene Fragen. Das heißt, hier mussten die Forscher/innen die Antworten notieren. Dafür fanden sich denn auch weniger Kinder bereit. Während mit der einfachen Umfrage täglich ungefähr 400 Kinder befragt wurden, hatte die schwierigere Umfrage durchschnittlich 150 Proband/innen weniger. Der Tag in der Forschungsabteilung der Zoff-Akademie lief ungefähr wie folgt ab: Den ganzen Tag über kamen Kinder, die als Konfliktforscher arbeiten woll-

ten. Sie wurden von der erwachsenen Betreuung in die Aufgabe eingewiesen. Man erklärte ihnen das Thema der Umfrage, was wir erfahren wollen und warum das wichtig ist. Eine Befragungssituation wurde simuliert und demonstriert, wie die Antwort festzuhalten ist. Dann schwärmten die jungen Forscher/innen entweder in kleinen Gruppen oder allein in der Spielstadt aus. Hatten sie ihrer Auffassung nach genügend Kinder – Jungen oder Mädchen – befragt, kamen sie in die Zoff-Akademie zurück. Der Fragebogen wurde gewürdigt, abgelegt, und die Kinder bekamen – je nach Wunsch – einen weiteren Bogen. Hatten sie beispielsweise erst nur Jungen befragt, fragten sie nun nur Mädchen. Oder sie konnten ihren Bogen und evt. auch die Bögen anderer Kinder auswerten. Für die Auswertung wurden meist kleine Forschungsteams gebildet. Am späteren Nachmittag dann fassten die Forschungsteams die ausgewerteten Fragebögen auf einem andersfarbenen Ergebnisbogen zusammen. Diese abschließende Auswertung wurde dann – entweder noch am selben Tag oder am nächsten Morgen - auf ein großes Plakat übertragen, das an den Innen- und Außenwänden der Zoff-Akademie aufgehängt wurde. So konnten alle Kinder, alle Betreuer und auch die Eltern die Arbeit der Kinderkonfliktforschung ständig mitverfolgen.

Viele Kinder....

Übersicht über die Forschungsthemen der Zoff-Akademie 2004: • Zoff • Respekt / Tag des Respekts • Beleidigung • Ärgern • Verlieren – Mobbing • Versöhnung • Liebe, Freundschaft und Zoff • Streit in der Familie • Ungerechtigkeit • Wut und Schreien • Regeln • Mut und Ehre • Schutz und Sicherheit • Zoff-Akademie ... ließen sich gern befragen

Ergebnisse In unserem Forschungsbericht wollen wir uns auf folgende Themen konzentrieren: • Streit im Leben der Kinder • Formen der Konfliktaustragung • Ursachen und Anlässe für Streit • Streit beenden • Die Rolle von Erwachsenen Wir greifen nicht einzelne Forschungsthemen (s.o.) heraus, sondern bündeln die interessantesten Ergebnisse von verschiedenen Umfragen.

Gerichtsverhandlung in Mini-München

Zoff-Grundkurs Teilnehmer bei der Prüfung

10

Mob-Hockey bei der Mini-München Olympiade

Streit im Leben der Kinder Diagramm 1: Mit wem hast du öfter mal Zoff? 32%

1: 2: 3: 4: 5: 6: 7:

17% 16% 9%

1

3

2

4

9% 4%

4%

6

7

5

Geschwister Freunde Eltern Lehrer Hausmeister Busfahrer andere Kinder

Befragte Kinder: 695

������������������������������������������������ Jungen Mädchen

40% 30% 20% 10%









�������������������� ���������������������







��� ��� ��� ��� ��� ��� ���

Im Alltag von Kindern kommt Streit oft vor. Ebenso wie bei Erwachsenen ist auch das Leben von Kindern ohne Konflikte undenkbar. Kinder rangeln sich um Sachen, darum, wer als erster etwas bekommt, sie ärgern sich gegenseitig und testen immer wieder Grenzen aus. So erleben es die Erwachsenen. Wie aber empfinden es Kinder? Kinder mögen Streit und Konflikt genauso wenig wie die meisten Erwachsenen. Weniger als ein Viertel der insgesamt über 400 befragten Kinder stimmten der Aussage zu: „Zoff macht mir Spaß“. In ihrer Wahrnehmung gibt es Konflikte vor allem unter Geschwistern. Freunde und Eltern sehen die Kinder viel weniger als Konfliktpartner (siehe Diagramm 1: Mit wem hast du öfter mal Zoff?) Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich in der Frage: Wer macht dich am häufigsten wütend? (Diagramm 2: Wer macht dich am häufigsten wütend?) Streit mit Eltern hat nach Auffassung von etwa einem Drittel der Kinder „keinen Zweck“. Und der Streit mit dem besten Freund oder der besten Freundin wird von vielen Kindern bewusst vermieden. 47% der Mädchen und sogar 67% der Jungen stimmten der Aussage zu: Streit ist immer schlecht für die Freundschaft. (Diagramm 3: Soll man Streit mit guten Freunden vermeiden?)

Diagramm 3: Soll man Streit mit guten Freunden vermeiden? Jungen Mädchen

67%

����������� ������ ������� ���������������� ������ ����������������� ������

53%

47% 33%

1: Ja, Streit ist immer schlecht für die Freundschaft 2: Nein, denn einem guten Freund kann man auch mal widersprechen

1 Befragte Jungen: 248 Befragte Mädchen: 141

2

Formen der Konfliktaustragung Streiten gehört zum Leben, aber ein Streit sollte weder zu inneren noch zu äußeren Verletzungen führen. Das ist einer der zentralen Inhalte des Zoff-Kurses, den die Zoff-Akademie für alle Kinder durchführt, die Vollbürger in Mini-München werden wollen. Dem Ziel einer gewaltfreien Austragung von Konflikten stimmen die meisten Kinder zu. Die Regel, dass Streitigkeiten ohne Gewalt zu lösen sind, findet fast ungeteilte Unterstützung. (Diagramm 4: Welche Regeln in Mini-München findest du gut?) Wir denken, dass die hohe Wertschätzung der gewaltfreien Konfliktaustragung nicht nur ein sozial erwünschtes Lippenbekenntnis ist. Die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, das ist offenkundig ein Verhalten, das Kinder achten und bewundern. So zumindest interpretieren wir es, wenn es für so viele Jungen und Mädchen ein Zeichen von Mut ist, dass man Schlägereien aus dem Weg geht. (Diagramm 5: Das finde ich mutig)

Eine Spielszene im Zoff-Grundkurs

Diagramm 4: Welche Regeln in Mini-München findest du gut?

Diagramm 5: Das finde ich mutig 100%

Jungen Mädchen

120

80

40

0

1 12

2

3

4

5

1: Der Handel mit Arbeitskarten ist verboten 2: Streitigkeiten sind ohne Gewalt zu lösen 3: Nur Vollbürger dürfen wählen und Stadtrat werden 4: Nur Vollbürger dürfen bei der Polizei arbeiten 5: Um Vollbürger zu werden, muss man einen Zoffkurs machen

Jungen Mädchen

80%

60% 40% 20% 0%

1

2

3

Befragte Jungen: 73 Befragte Mädchen: 103

4

5

6

7

1: Sich gerne mit anderen prügeln 2: Keine Angst vor Gefahren haben 3: Hilfe holen, wenn es Zoff gibt 4: Seine Meinung sagen 5: Schlägereien aus dem Weg gehen 6: Sich in einen anderen Streit einmischen 7: Etwas tun, wenn man Angst hat

Auch bei einer anderen Frage bestätigte sich, dass die Kinder Schlägereien vermeiden möchten. Ein Einstieg in die Gewalteskalation bei Kindern ist oft der vermeintlich notwendige Schutz von Freunden. Deshalb interessierten wir uns, was Kinder meinen, tun zu sollen, wenn ein Freund beleidigt wird. Die meisten Kinder beurteilten solche Verhaltensweisen als gut, die auf eine Deeskalation zielen. (Diagramm 6: Wie kannst du deinen Freund am besten schützen?) Auch andere Formen der Gewalt lehnen Kinder ab. 82% der Mädchen und 73% der Jungen finden es „nicht okay, wenn ein Kind in der Klasse immer wieder geärgert wird“. Auf die offene Frage, was man denn tun könnte, fällt ihnen allerdings wenig ein. Die meisten Jungen meinen, man solle sich bei dem Kind entschuldigen, die Mädchen schlage vor, das Kind zu verteidigen, finden aber auch, dass das Kind sich eben ändern müsste. In einer anderen Umfrage wurden verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, Mobbingopfern zu helfen. Die fanden dann große Zustimmung, vor allem bei den Mädchen. (Diagramm 7: Schutz von Mobbing-Opfern)

Mädchen und Jungen streiten anders

Diagramm 6: Wie kannst du deinen Freund am besten schützen? Jungen Mädchen

80% 60% 40% 20% 0%

1

2

Befragte Jungen: 132 Befragte Mädchen: 127

3

4

1: Ich helfe ihm / ihr. Wir gehen beide auf diese Person los. 2: Ich versuche, meinen Freund / meine Freundin zu beruhigen.Wir ignorieren die Person 3: Ich ziehe meine/n Freund / Freundin weg, damit es keinen schlimmen Ärger gibt 4: Ich sage der Person, dass sie aufhören soll, meine/n Freund/in zu beleidigen

Diagramm 7: Schutz von Mobbingopfern 100%

Jungen Mädchen

80% 60% 40% 20% 0%

1

2

Befragte Jungen: 135 Befragte Mädchen: 129

3

4

1: Ich schlage meinen Freunden vor, dass das Kind in der Pause und auf dem Schulweg bei uns sein darf 2: Ich sage den anderen Kindern, dass es feig und gemein ist, was sie machen 3: Ich bitte einen Lehrer, dem Kind zu helfen 4: Ich mache nicht mit beim Ärgern und bitte andere Kinder, auch nicht mitzumachen

Realistisch sehen die Kinder, dass es bei Auseinandersetzungen oft zu Schlägereien und Beleidigungen kommt. Wenn Brüder sich streiten, kommt es oft zur Prügelei. Wenn Schwestern sich streiten, schreien sie sich an. So verlaufen nach Meinung der meisten Kinder die Auseinandersetzungen unter Geschwistern. 16% der Jungen und 26% der Mädchen geben zu, oft andere Kinder zu beleidigen. 25% der Jungen und 18% der Mädchen geben an, dass sie zuschlagen, wenn sie beleidigt werden. Vielleicht wünschen sich auch deshalb 60% der Jungen und 80% der Mädchen, dass sie ihre Wut besser unter Kontrolle hätten. Interessant in diesem Zusammenhang erschien uns die Frage, inwieweit die Kinder das Gewaltverbot als allgemeingültig wahrnehmen. Wir fragten deshalb, was in der Schule passiert, wenn geschlägert wird – und sind etwas erschüttert darüber, wie viele Kinder meinen: Das ist mal so, mal so. Vor allem für die Jungen scheint es nicht eindeutig zu sein, wie die Schule auf Schlägereien reagiert. (Diagramm 8: Was passiert bei euch in der Schule, wenn geschlägert wird?)

Konfliktanalyse mit Comicbildern

Diagramm 8: Was passiert bei euch in der Schule, wenn geschlägert wird? Jungen Mädchen

60%

1: Die werden immer bestraft 2: Die werden manchmal bestraft 3: Die Strafe ist immer gleich 4: Es ist mal so, mal so

40%

20%

0%

1 Die Zoff-Grundkurse waren meist sehr konzentriert

14

2

Befragte Jungen: 41 Befragte Mädchen: 191

3

4

Ursachen und Anlässe für Streit Fragt man Kinder, warum oder worum sie streiten, erntet man meist ratloses Schweigen. Auch die Frage, worum es denn im letzten Streit ging, bringt wenig ergiebige Auskunft. „Mein Bruder und ich streiten, und das hat keinen Grund“. Das war die kürzeste Zoff-Geschichte, die in der Zoffakademie 2002 entstand und treffend beschreibt, wie wenig bewusst vor allem jüngeren Kindern die Inhalte des Streits sind, bzw. wie wenig Bedeutung sie dem zumessen. Schubsen, schlagen und beleidigen sind in der Wahrnehmung (oder im Rechtfertigungsmuster) der Kinder meist „nur“ Reaktionen auf das Verhalten von anderen Kindern oder auf erlittenes Unrecht. Wir wollten deshalb herausfinden, inwieweit die Kinder auch ihre aktiven Anteile bei der Spirale von Ärgern und Beleidigen sehen, und über welches Repertoire an Reaktionsmustern sie verfügen. Bei der Frage nach den Gründen, warum sie andere Kinder ärgern oder beleidigen, erfolgt erwartungsgemäß am häufigsten der Hinweis auf den anderen, der angefangen hat. Aber dennoch geben Kinder auch zu, dass eigentliche Gründe die Ablehnung der anderen Person oder der erwartete Showeffekt sind. (Diagramm 9 und 10: Warum ärgerst du manchmal andere Kinder? Warum beleidigst du manchmal andere Kinder?)

Stau vor der Bank. Links ein „Stauberater“.

Diagramm 9: Warum ärgerst du manchmal andere Kinder? Jungen Mädchen

60%

1: Weil er/sie mich auch geärgert hat 2: Weil ich ihn/sie doof finde 3: Weil ich Lust dazu habe 4: andere Gründe (aus Langeweile)

40%

20%

0%

1

2

Befragte Jungen: 213 BefragteMädchen: 206

3

4

Tabelle 10: Warum beleidigst du manchmal andere Kinder? 60%

Jungen Mädchen

40%

20%

0% 1

2

3

Befragte Jungen: 110 Befragte Mädchen: 146

4

5

6

1: Wenn der andere mich beleidigt hat 2: Wenn ich den anderen nicht leiden kann 3: Wenn ich schlecht gelaunt bin 4: Weil meine Freunde dann lachen 5: Weil ich möchte, dass der andere mich angreift 6: andere Gründe

Diagramm 11: Was machst du, wenn du beleidigt wirst? Jungen Mädchen

20%

1: Ich beleidige den anderen auch 2: Ich schlage den anderen 3: Ich gehe weg 4: Ich sage es einem Erwachsenen 5: Ich sage ihm, dass er mich beleidigt hat 6: was anderes

10%

0%

1

2

4

3

6

5

Befragte Jungen: 189 Befragte Mädchen: 69

Betrachtet man, wie Kinder ihrer eigenen Beobachtung nach auf Ärgern oder Beleidigungen reagieren, so fällt auf, dass neben der Rache oft die Verhaltensweisen genannt werden, die sich als passive oder defensive Reaktionsmuster beschreiben lassen. (Diagramm 11 und 12: Was tust du, wenn andere Kinder dich ärgern / beleidigen?) Lediglich Mädchen scheinen es gelernt zu haben, das Ärgern aktiv zu stoppen. Entsprechendes findet sich in Antworten einer offenen Frage: „Was tut du, wenn man deine Ehre verletzt hat?“ Mädchen geben häufig an: „Ich sage meine Meinung“ oder „Ich frage warum“. Die häufigsten Nennungen von Jungen hingegen lauten „nichts“ und „weiss nicht“. Ein Ergebnis der Selbstbehauptungstrainings, die oft nur für Mädchen angeboten werden? Bezüglich Reaktion auf erlittenes Unrecht wollten wir nicht wissen: „Was machst du?“, sondern wir fragten: „Was sollte man tun?“ Unter dieser Fragestellung wird – am deutlichsten von Jungen vor allem das sozial erwünschte Verhalten genannt: „Mit der Person reden, die ungerecht war“. Erstaunlich ist, dass Mädchen es offenbar eher als Jungen in Ordnung finden, wenn man sich für erlittenes Unrecht rächt. (Diagramm 13: Was sollte man machen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt?)

Diagramm 13: Was sollte man machen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt?

Diagramm 12: Was tust du, wenn andere Kinder dich ärgern? 30%

Jungen Mädchen

20%

10%

0%

1

2

3

Befragte Jungen: 216 Befragte Mädchen: 210

16

4

5

6

1: Ich schlage den anderen 2: Ich ärgere ihn auch 3: Ich sage ihm, dass er aufhören soll 4: Ich gehe weg 5: Ich weine 6: etwas anderes

Jungen Mädchen

80% 60% 40% 20% 0%

1

2

Befragte Jungen: 111 Befragte Mädchen: 130

3

4

1: Mit der Person reden, die ungerecht war 2: Sich an eine Vertrauensperson wenden 3: Denjenigen ärgern, der ungerecht war 4: Sich an denen rächen, die bevorzugt wurden

Streit beenden Im Grunde wissen wir Erwachsene wenig, wie und warum Kinder Streit beenden. Für Erwachsene ist es irritierend, dass sich gerade jüngere Kinder „einfach wieder vertragen“ oder schlicht „aufhören zu streiten“, ohne dass der Streitinhalt thematisiert oder gar geklärt wurde. Offenkundig hat er für Kinder weniger Bedeutung. In vielen Schulen ist mittlerweile die Peermediation eingeführt. Die Vereinbarungen zwischen Kindern, die in der Mediation entstehen, beschreiben einerseits Wiedergutmachungsregelungen, andererseits Abmachungen über den Umgang miteinander, wenn man in der Schule zusammen sein muss, sich aber gegenseitig nicht mag. Wie aber schätzen Kinder ihre eigene Fähigkeit oder Bereitschaft ein, Streit zu beenden? Der Streit mit den Geschwistern ist in der Wahrnehmung der Kinder besonders häufig. Wir machten Streit unter Brüdern und Streit unter Schwestern zum Forschungsgegenstand und fragten Jungen und Mädchen nach ihren Beobachtungen. Es überrascht nicht sehr, dass Jungen meinen, Brüder versöhnen sich oft schnell wieder, während Mädchen das vom Streit unter Schwestern behaupten. Interessanterweise sehen aber beide Geschlechter bei Schwestern eine geringere Fähigkeit, allein aufzuhören als bei Brüdern. (Diagramme 14 und 15: Wenn Brüder / Schwestern streiten …)

Verschnaufpause für „Stauberater“.

Diagramm 14: Wenn Schwestern streiten

Diagramm 14: Wenn Brüder streiten Jungen Mädchen 1: Sie schlagen sich 2: Sie schreien sich an 3: Sie versöhnen sich schnell wieder 4: Sie können alleine nicht aufhören

60%

40%

20%

Befragte Jungen: 51 Befragte Mädchen; 52

0%

1

2

3

4

Erläuterung: Der genannte Wert gibt den Prozentsatz von Jungen oder Mädchen an, die der Aussage zugestimmt haben: Das kommt oft vor. Wenn beispielsweise 47% der Jungen sagen, bei Streit unter Brüdern schlagen sie sich oft, meinten die anderen 53%, dass das selten oder nie vorkommt

80%

Jungen Mädchen 1: Sie schlagen sich 2: Sie schreien sich an 3: Sie versöhnen sich schnell wieder 4: Sie können alleine nicht aufhören

60%

40%

20%

Befragte Jungen: 47 Befragte Mädchen: 51 0%

1

2

3

4

Erläuterung: Der genannte Wert gibt den Prozentsatz von Jungen oder Mädchen an, die der Aussage zugestimmt haben: Das kommt oft vor. Wenn beispielsweise 26% der Mädchen sagen, bei Streit unter Schwestern schlagen sie sich oft, meinten die anderen 74%, dass das selten oder nie vorkommt

Weiterhin wollten wir herausfinden, wie Kinder einen Streit bewusst beenden, und ob für sie dabei bestimmte Rituale wichtig sind. Deshalb fragten wir Jungen und Mädchen nach dem Ende von Streit unter Freund/innen. 71% der Mädchen und 65 % der Jungen gaben an, dass sie sich bei einem Streit mit dem besten Freund oder der besten Freundin wieder versöhnen, d.h. sie hören nicht nur einfach auf zu streiten. Wie aber sieht diese Versöhnung aus? Mit Abstand am weitesten verbreitet sowohl unter Jungen als auch unter Mädchen ist das Ritual der Entschuldigung. Anders gewendet bedeutet das: Für die Kinder gehört es zum Wesen von Streit, dass eine/r etwas falsch gemacht hat, wofür eine Entschuldigung notwendig ist. Dass beide Geschlechter sich selber eine aktivere Rolle bei der Versöhnung zuschreiben als ihrem Freund oder ihrer Freundin, ist nicht sehr überraschend. Interessant ist für uns aber, dass nur 3% der Jungen sagen, sie machen „etwas anderes“ als die von uns aufgeführten Vorschläge, wenn sie sich versöhnen. Hingegen haben immerhin 13% der Mädchen andere Rituale, die wir nicht kennen. (Diagramm 16: Wie versöhnst du dich mit deinem Freund/deiner Freundin?) Pressekonferenz zum „Tag des Respekts“...

Diagramm 16: Wie versöhnst du dich mit deinem besten Freund/deiner besten Freundin? Jungen Mädchen

40%

1: Eine/r entschuldigt sich 2: Wir geben uns die Hand 3: Ich frage: Sind wir wieder Freunde? 4: Freund/in fragt: Sind wir wieder Freunde? 5: Wir schenken uns etwas 6: Wir machen nichts Besonderes 7: Wir machen etwas anderes

30% 20% 10% 0%

3 2 1 Befragte Jungen: 306 Befragte Mädchen: 257

... nicht nur mit der Presse Mini-Münchens, sondern auch mit „echten“ Journalisten.

18

4

5

6

7

Die Rolle von Erwachsenen Streiten will gelernt sein. Das ist eine Binsenweisheit, die sich heute in den Bildungsprogrammen für Arbeitnehmer und in der Fortbildung für erziehende Berufsgruppen als Seminarangebote wiederfindet. Nehmen die Kinder die Erwachsenen als Lehrende oder Vorbilder für einen guten Umgang mit Konflikten wahr? Die meisten Kinder erwarten zumindest von den Eltern, dass sie beim Streit zwischen Geschwistern helfen, eine gerechte Lösung finden. Deutlich mehr Mädchen als Jungen möchten, dass die Eltern sich raushalten. (Diagramm 17: Was sollten Eltern machen, wenn Geschwister sich streiten?) Warum möchten die Eltern bzw. die Erwachsenen, dass Kinder sich wieder versöhnen? Den Antworten nach, die wir auf diese offene Frage erhielten, sehen die Kinder die Erwachsenen eher in einer Schutzfunktion oder als Verfechter der eigenen Bedürfnisse nach Ruhe, denn als Anwalt der Idee, dass eine Gemeinschaft über Konflikte zu Verbesserungen findet. (Diagramm 18: Warum wollen Erwachsene, dass streitende Kinder sich versöhnen?) Eine Mutter am Rand der „elternfreien Zone“

Diagramm 17: Was sollen Eltern machen, wenn Geschwister streiten? Jungen Mädchen 1: Helfen, dass eine gerechte Lösung gefunden wird 2: Sich raushalten 3: Die Kinder wegschicken, bis sie nicht mehr streiten 4: Etwas anderes

60%

40%

20%

0% 1

2

Befragte Jungen: 129 Befragte Mädchen: 170

3

4

Diagramm 18: Warum wollen Erwachsene, dass streitende Kinder sich versöhnen? 8

1: Weil sie ihre Ruhe haben wollen Weil streitende Kinder nervig sind Frieden in der Familie

6

2: weil Streiten blöd ist weil sie keinen Streit wollen weil die Eltern es nicht okay finden

4

3: damit es nicht ausartet damit die Gemeinschaft nicht zerbricht damit es nicht schlimmer wird

2

0 1

2

3

4

4: damit sich Streitende wieder verstehen

Bekannt sind die Ratschläge, die Erwachsene Kindern bei Konflikten gerne mit auf den Weg geben. Wir haben diese Ratschläge von den Kinder bewerten lassen. Als richtig grandios und hilfreich wird keiner der Ratschläge beurteilt, Mädchen empfinden sie noch weniger hilfreich als Jungen – mit Ausnahme des Ratschlages: „der Klügere gibt nach“. (Diagramm 19: Ratschläge von Erwachsenen) Eltern und Pädagog/innen sind überzeugt davon, dass Kinder besser streiten lernen müssen. Die Kinderkonfliktforschung kommt zu dem Befund, dass die Hilfe und Unterstützung der Erwachsenen in Begleitung von Kinderkonflikten noch bei weitem nicht optimal ist. Lernen müssen also nicht nur die Kinder, lernen müssen auch ihre Erzieher.

Einige Eltern können ihre Kinder nicht loslassen.

Diagramm 19: Ratschläge von Erwachsenen Jungen Mädchen 1: Hör einfach nicht zu 2: Geh ihm aus dem Weg 3: Der Klügere gibt nach 4: Sei doch vernünftig

20%

10%

Befragte Jungen: 176 Befragte Mädchen: 105 0%

1

Auch wichtig: die Polizei in Mini-München.

20

2

3

4

Erläuterung Der Wert gibt an, welcher Prozentsatz der Jungen oder Mädchen diesen Ratschlag gut fanden. Wenn beispielsweise 7% der Mädchen den Rat, dem anderen aus dem Weg zu gehen, gut finden, beurteilen die restlichen 93% der Mädchen diese Empfehlung als "mittel" oder "doof".