Im Kajak durch den Grand Canyon

Kajak Grand Canyon  HAUTNAH Im Kajak durch den Grand Canyon Die Mutter   aller Schluchten Wer den Grand Canyon in seiner gewaltigen Grösse erfassen ...
Author: Clara Ursler
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Kajak Grand Canyon  HAUTNAH

Im Kajak durch den Grand Canyon

Die Mutter   aller Schluchten Wer den Grand Canyon in seiner gewaltigen Grösse erfassen will, kommt um eine Bootsfahrt nicht herum – am besten im eigenen Kajak, wo man den Gewalten dieses Weltwunders un­mittelbar aus­geliefert ist.

Der Bus mit dem Kajakanhänger rumpelt über das Colo­ rado-Plateau, eine Wüstenlandschaft grösser als Deutsch­ land. Die vor uns liegende Paddelstrecke entspricht einer Fahrt von Frankfurt nach Dresden, rund 470 Kilometer lang. Nur: Während der zwölf Tage und Nächte im Grand Canyon werden wir weder Städte noch Strassen sehen. Nicht einmal eine weggeworfene Coladose. An der Navajo-Bridge wechselt die Strasse die Schlucht­­ seite. Nur auf dieser Brücke nahe des Einstiegs kann man den Canyon mit dem Auto überqueren. Wer vom Grand Canyon Village, das auf halber Strecke oben am Schluchtrand liegt, auf die andere Seite will, muss für die 20 Kilometer Luftlinie einen Umweg von 350 Kilo­meter fahren. Wir spähen von der Brücke. Der Canyon ist hier noch nicht sehr tief, 60 Meter vielleicht. Unten strömt grünes Wasser zwischen senkrechten Wänden. Von den berüchtigten Rapids ist nichts zu sehen.

Die Tour des Lebens Ein paar Meilen weiter flussaufwärts flacht das rechte Ufer ab. Hier liegt der Startpunkt aller Grand CanyonTrips: Lee’s Ferry. Meile Null. Alle Entfernungsangaben in der Schlucht beziehen sich auf diese kleine Kiesbucht.

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Kajak Grand Canyon  HAUTNAH

Immer wieder laden kleine Walzen und Wellen zu Kapriolen ein.

Am Ufer geht es zu wie in einem Verladehafen. Auf riesi­ gen Trucks werden Rafts und Ausrüstung herangekarrt. Rafter, Ruderer, Kajakfahrer – allen ist anzusehen, dass dies ein besonderer Moment ist. Für manche ist es nicht weniger als der Start zur Tour ihres Lebens. Unsere Truppe besteht aus zehn Kajakfahrern, 18 Raft­ passagieren und vier Crewmitgliedern. Um uns einen schnellen Start zu ermöglichen, hat das Team von Hatch River Expeditions die ganze Nacht geschuftet. Zwei Rafts liegen bereit, wir müssen nur noch unser Privatgepäck an Bord bringen. Der Colorado ist kristallklar und kühl. Das ­Wasser kommt direkt aus den Tiefen des künstlichen Lake ­Powell, dessen monströse Staumauer 15 Meilen ober­ halb von Lee’s Ferry die Schlucht abriegelt. Jetzt im Hochsommer ist der See voll. Die Kraftwerker lassen um die 700  Kubik­meter pro Sekunde ab. Das gilt im Grand ­Canyon als gutes Mittelwasser.

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Ted Hatch ist der Chef unserer Raftcompany und hat schon die Kennedys den Colorado hinuntergebracht. Der Mann ist den Grand Canyon schon ein paar hundert Mal gefahren, trotzdem bedauert er, nicht mitkommen zu können. Auf unserer Tour wird sein Sohn Steve als Trip­leader und Safety Kayaker fungieren, Dave und ­Colin steuern die Rafts. Und Steves Frau Sarah ist un­ sere ­Köchin. Steve ruft die Kajakfahrer zusammen. Sei­ ne Einweisung ist kurz: «Der Colorado ist ein Fluss, auf dem ihr viiiiieeeel Spass haben werdet. Das wichtigste ist, dass ihr den Rafts Platz lasst und in Rapids Abstand haltet.» Hugo meldet Bedenken an: «Ich bin kein beson­ ders guter Paddler. Was machen wir, wenn grosse Rapids kommen?» «Ich bin auch kein besonders guter Paddler», sagt unser Safety Boater, «aber es gibt immer eine ein­ fach Linie. Ihr könnt alles anschauen und umtragen oder mit eurem Boot auf ein Raft steigen». Steve strahlt uns an – unmöglich, an den Worten dieses Mannes zu zweifeln.

Wenige Kilometer nach dem Einstieg von Lee’s Ferry sieht man die erste und einzige Autobrücke für die nächsten 400 Kilometer.

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HAUTNAH  Kajak Grand Canyon

Kajak Grand Canyon  HAUTNAH

Der «aussätzige Bach»

Paddeln, essen, wandern, schlafen

Dann endlich die ersten Paddelschläge. Glatt, ohne Ver­ blockung, strömt der Colorado kristallklar dahin. Keine zehn Minuten sind vergangen, als von rechts ein kleiner Seitenbach in den Colorado mündet. Das mickrige Rinn­ sal spült ein bisschen Dreck in unsere 700 glasklaren Ku­ bik. Aber das genügt: Im Verlauf des nächsten Kilometers arbeitet sich die trübe «Sosse» immer weiter, verweigert die Auflösung im klaren Wasser, trübt stattdessen den grossen Fluss ein. Wir werden den Colorado noch in al­ len möglichen Farbtönen erleben, aber nie mehr so klar. Der mickrige Bach, der daran Schuld ist, heisst Paria – der Aussätzige. Er ist hunderte Meilen lang und entwäs­ sert den berühmten Bryce Canyon. Über uns wölbt sich jetzt der Bogen der Navajo-Bridge. Oben stehen Touristen und schauen hinunter, so wie wir es vor zwei Stunden noch getan haben. Ein letztes Win­ ken – und das war’s dann mit der Zivilisation. Diesem Moment habe ich ein halbes Jahr entgegengefiebert.

Die Tatsache, dass wir fast zwei Wochen nur im Kajak und unter freiem Himmel sein werden, beginnt jetzt langsam vom Kopf in den Bauch zu sickern. Bislang hat­ te die Vorstellung von einer so langen Tour ohne Kontakt zur Aussenwelt etwas Irreales. Aber es passiert wirklich. Die nächsten Tage gehören einfach nur uns. Paddeln, essen, wandern, schlafen, aufs Klo gehen. Kein Auto­ fahren, kein Einkaufen. Und dank der Crew müssen wir nicht mal selber kochen. «Luuuuunch!» Die Schlauchboote steuern eine Sand­ bank an. Als ich aus dem Kajak steige, haben Sarah und Dave schon Sonnenschirme und einen Tisch (samt Tisch­ decke!) aufgebaut, Colin balanciert ein grosses Tablett vom Raft zum Strand. Darauf eine Wurst- und Käseland­ schaft, die jedem Büffet zur Ehre gereicht. Wir treten an zur «Sandwichorgie»: Brot, Senf, Erdnussbutter, Kresse, Schinken, Cheddar, Zwiebeln, Tomaten, ein Salatblatt und eine Brotscheibe obendrauf. Über die ersten Versu­

che, diese «Geräte» in den Mund zu kriegen, will ich an dieser Stelle nicht genauer eingehen.

Es geht rapide abwärts Ein fernes Donnern erfüllt die nun schon ein paar hundert Meter hohen Wände. Der erste von 160 Rapids. «Badger Creek Rapid» heisst er – und auf der Grand Canyon-Skala von eins bis zehn wird er mit fünf bewertet. Wir besichti­ gen vom Ufer aus. Fünf Meter Gefälle auf 300 Metern Stre­ cke genügen, um den Fluss in ein Chaos zu stürzen: Wel­ len und Brecher über die ganze Breite. Ihre Höhe ist aus der Ferne schwer abzuschätzen. Mir fällt die Geschichte ein, wie die Spanier als erste Weisse den Canyonrand er­ reichten und – nach dem ersten Schock – den unten in der Schlucht sichtbaren Fluss auf etwa zwei Meter Breite schätzten. Tatsächlich sind es 90 Meter. Zwar hat man als Paddler mehr Erfahrung im Wasserlesen als spanische Conquistadores – aber ein mulmiges Gefühl bleibt.

Die Rafts fahren los. Sie schaukeln durch den Rapid, als wäre es nichts. Sah gut aus. Dann gibt Steve die KajakerLinie vor. Wir folgen mit etwas Abstand. Ich gleite über eine Kante und kippe auf eine 50 Meter lange, spiegel­ glatte Zunge. Wasser und Boot werden immer schneller. Ich sehe gerade noch meinen Vordermann im Wellen­ meer verschwinden, da bin ich auch schon drin. Die Wel­ len sind zwei Meter hoch. Das Boot saust rauf und runter, instinktiv halte ich von den Wellenbergen nach Löchern Ausschau. Keine da. Einmal muss ich eine quer anrollen­ de Woge ausstützen – und dann bin ich durch. Im Kehr­ wasser versammeln sich zehn breit grinsende Paddler. Das war sehr viel Spass! Der Colorado strömt gelassen weiter, wir treiben mit, ebenfalls gelassen. Die Anspannung ist aus den Gesich­ tern gewichen, der Wuchtwasser-Mythos Grand Canyon hat deutlich an Schrecken verloren. Dieser Fluss besitzt zweifellos grosse Kräfte, aber er scheint uns nichts tun zu wollen, denke ich mir. Naja, zu diesem Zeitpunkt weiss ich noch nicht, was in vier Tagen los sein wird.

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HAUTNAH  Kajak Grand Canyon

Kajak Grand Canyon  HAUTNAH

realisieren, als wir im weichen Sand unter der Felskup­ pel stehen. Ein paar 100 Meter breit, 50 Meter tief und 30 Meter hoch ist die «Redwall Cavern». Dave erzählt von einem Orchester, das immer wieder durch den Canyon raftet, um hier klassische Musik zu spielen. An diesem Abend schütteln wir die Müdigkeit ab. Das fällt nicht schwer, denn direkt neben dem Camp steht eine erstklassige Welle. Wir surfen, bis die Beefsteaks durch sind, und kurz nachdem am nächsten Morgen um sieben der «Cooffeeee»-Weckruf durch den Canyon hallt, surfen wir schon wieder im «President Harding Rapid». Ein weiterer Tag, wieder ein ganz anderer, nimmt sei­ nen Anfang. Hinter jeder Biegung wartet etwas Neues, ein grüner Seitencanyon, eine heisse Quelle, ein wilder Schwall, ein saugendes Kehrwasser. Wir paddeln, essen und schlafen, dringen immer weiter ein in den Grand Canyon. So langsam gewöhnen wir uns an diese Reise

Pro 14-köpfige Paddlergruppe stellt der Veranstalter ein Motorraft zur Verfügung, welches sämtliches Gepäck und das Essen für zwölf Tage transportiert.

Klassischer Lagerplatz auf vorgewärmten Steinplatten.

Kurzarmpaddeljacke an, Sonnenbrille auf – «Surfin’ Colorado!»

Mein erster Tag im Grand Canyon endet in bleierner Mü­ digkeit. Wir legen an einer grossen Sandbank an, laden ab und rollen die Isomatten aus. Der Kopf ist so voll von Eindrücken, dass ich das Barbecue, das Sarah und die Crew auf den Tisch zaubern, einfach zur Kenntnis neh­ me. Ebenso den blinkenden Sternenhimmel. Was war das für ein Tag!

Abenteuer als Alltag «Coooffeeee!» Die Crew scheucht uns aus den Federn. In der Nacht hat es nur wenig abgekühlt, und bevor mit der Sonne die grosse Hitze kommt, sollten wir auf dem Fluss sein. Das Frühstück ist ganz «american style»: Pfann­ kuchen mit Ahornsirup. Während die Rafts beladen wer­

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den, filzt Dave das Gelände. Kein Papierschnipsel, keine Zigarettenkippe bleibt zurück. Die nächste Gruppe wird die Sandbank im gleichen Zustand vorfinden wie wir. Unberührt, als wäre noch nie ein Mensch da gewesen. Ich spüle meine Tasse, fülle die Wasserflasche, steige von den Shorts in die kurze Neohose um, streife Spritzdecke, Paddeljacke, Schwimmweste und Helm über. Fertig. Wir sind jetzt schon 24 Stunden unterwegs. Der Grund­ rhythmus – Frühstück, Paddeln, Mittagspause, Paddeln, Lagermachen und Abendessen – wird nun stets derselbe sein. Dennoch gleicht kein Tag dem anderen. Am Vor­ mittag steigen wir durch einen Seitencanyon zu einem Wasserfall. Danach folgen ein paar kleinere Rapids. Die Wände überragen den Fluss nun um beinahe ei­ nen Kilometer. Eine Biegung weiter tut sich eine gewal­ tige Grotte auf, so gross, dass wir ihre Dimensionen erst Magische Momente an magischen Orten – auf den zahl­reichen kurzen Tageswanderungen erreicht man Orte, die allein den Grand-Canyon-Befahrern vorbehalten sind.

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Ein Paddler erklimmt den Hermit-Rapid.

durch Fels und Wasser. Am vierten Abend widme ich mich meinem Kajak und stelle die Sitzanlage so eng es geht. Morgen kommen die grossen Rapids…

«Nicht nur die Filetstückchen» Wenn die Rafts am Morgen ablegen, hockt auch so man­ cher Kajaker samt Boot darauf. Nicht nur die Rapids des Colorado sind beeindruckend, auch die kilometerlangen Flachwasserpassagen. Es sei deshalb sinnvoll, so Steve, dass man weniger attraktive Stücke mit dem Motorraft überbrückt und seine Zeit lieber auf guten Surfwellen oder in schönen Seitencanyons verbringt. Aber da hat er die Rechnung ohne Wolfgang gemacht: «Nix da! I

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FAMILIENSPA SS paddle every time, every minute!» Wolfgang, 59, hat ein 4-m-Glasfaserkajak und 90 000 Flusskilometer in seinem Fahrtenbuch. Er klärt den staunenden Steve auf, dass er gedenke, den gesamten (!) Colorado zu befahren, nicht nur die «Filetstückchen». Er brauche im Zahmwasser aber keine Begleitung, Steve könne gerne aufs Raft. Das, bedauert Steve, ginge leider nicht, als Safety Boater habe er nämlich dabei zu sein, wann immer ein Kajaker auf dem Wasser wäre. So kommt es, dass Wolfgang und ­Steve manchmal im Morgengrauen aufstehen und los­ fahren, derweil der Rest noch schnarcht. Das Motorraft holt später zuerst den keuchenden Steve im Kurzboot ein, während Wolfgangs Dampfer schon ein paar Kilo­ meter voraus ist. Warten tut Wolfgang nur vor Rapids und beim Mittagessen.

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HAUTNAH  Kajak Grand Canyon

Sieht grösser aus als sie ist: Wasserwalze im Crystal Rapid.

Heute beginnen die «Big Days», die zwei Tage mit der grössten Häufung dicker Rapids. Die Wildwasser-Drama­ turgie des Canyons ist so perfekt, dass man den Verdacht hegen könnte, das Ganze stamme von Disney: erst ein paar Tage Einpaddeln auf leichten Stromschnellen, dann volle Action. Nach den Big Days wird es gemütlicher, mit schönen Hikes und noch spektakulärerer Landschaft, das Ganze gewürzt mit leichten und mittelschweren Stromschnellen, fantastischen Surfwellen und Spielstel­ len. Und zum Schluss hält der Fluss noch einen Pauken­ schlag bereit: «Lava Falls», der legendärste und schwers­ te Rapid des gesamten Grand Canyon. Noch bleibt eine Woche zum Üben. Vor uns liegt ­«Hance», der erste «Achter» auf der Rapid-Skala. Wir rechnen: Die Colorado-Skala reicht von eins bis zehn, die europäische Skala von eins bis sechs, wobei sechs un­ fahrbar bedeutet. Ist «Hance» also ein EU-Fünfer? Auch nach ausgiebiger Besichtigung ist das schwer zu sagen. Vor allem ist «Hance» unglaublich lang, von der ersten Stromzunge bis zum wieder ruhigen Wasser fast einen Kilometer. Die rechte Seite geht als satte Viererstrecke durch, gespickt mit Brechern, Walzen und pumpenden Wellen. Links dagegen ist es zahmer, in etwa Vorder­ rhein-Niveau. Das Problem: Wer dorthin will, muss zu­ nächst mittig fahren und dann nach links queren.

Kalt, aber herzlich Mit Norbert paddle ich den halben Rapid hinunter und steige zum Fotografieren aus. Von oben sehen wir, wie die Paddlerkolonne sich in Bewegung setzt. Rechts kommt es zu einigen Überschlägen mit anschliessender Rolle, doch von den Walzen gefressen wird niemand. Auf der andern Seite geht auch alles glatt – bis Hugo einfährt. Der fröhliche Schuldirektor kentert schon in der Anfahrt und startet wilde Rollversuche. Leider verpasst er dabei den Abzweig nach links. Hugo rollt und rollt, kann sich aber nicht stabilisieren. Nach halber Strecke steigt er aus. Das Hinausschleppen eines Schwimmers ist bei dieser Wucht und Geschwindigkeit aussichtslos. Hugo treibt –

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begleitet von zwei Kajakfahrern – den Rapid hinab und kommt erst ganz unten an Land. Später erzählt er, dass er keinen einzigen Steinkontakt gehabt hätte – aber ver­ dammt kalt sei es geworden. Als wir wenig später um eine Kurve kommen, klappen 28 Kinnladen nach unten. Übergangslos hat die Schlucht ihr Gesicht verändert. Die Uferfelsen sind pechschwarz, glatt poliert, wie der Marmor einer Gruft. Fast unheim­ lich. Feierlich erhebt sich Dave: «Willkommen im ‹Inner Gorge›, dem Kern des Grand Canyon. Was ihr hier seht, ist Vishnu-Schiefer, so an die zwei Milliarden Jahre alt. Das ist ein Drittel des Alters der Erde. Und seht ihr diese rosa Adern in dem schwarzen Fels? Das ist Magma, die den Vishnu-Schiefer vom Erdinneren her durchdrungen hat. Nicht schlecht, was?» Dave erzählt von richtigen Wissenschaftlern, die er schon durch den Canyon geraftet hat. «Es gibt ja keinen anderen Weg. Manche Geologen sind gar nicht am Wild­ wasser interessiert, sie wollen nur die Steine sehen.» – «Und da stehen sie dann und staunen?» – «Ja. Viele wei­ nen auch.»

Wellenbad der Extraklasse Wir passieren die Phantom Ranch. Vom einzigen Gebäu­ de im ganzen Canyon – eine Mischung aus Touristen­ kiosk und Ranger-Station – kriegen wir nichts mit, wohl aber von der Kaibab-Hängebrücke. Über einen Wander­ weg kann man hier den Fluss zu Fuss erreichen. Die Tour

Wer nicht im engen Kajak paddeln will, «vergnügt» sich mit dem schwarz-roten Gummiboot.

dauert einige Stunden und führt durch vier der sieben irdischen Vegetationszonen, die Temperaturen erreichen bis zu 40 Grad Celsius. Bedenkt man zudem, dass es auf dem Trail wegen der dort durchgeführten Maultier-Trek­ kings nicht gerade aromatisch riecht, ist der kühle Fluss wohl eindeutig der bessere Weg durch den Canyon. Auch die Abende sind episch. Wir machen kein ­Feuer. Das einzige Licht spenden Taschenlampen. Man sitzt allein, zu zweit oder zu zehnt herum, lässt Sand durch die Finger rieseln, den Magen verdauen, den Tag Revue passieren. Auf einem Baumstamm wird philosophiert, ein paar Meter weiter spielen sie Gitarre und singen. Die Amerikaner staunen, dass auch die Deutschen nur engli­ sche Songs kennen. Am nächsten Morgen: Big Day II. Rapid «Granite» ist ein langes, wuchtiges Monster, «Hermit» dagegen eine Art Erlebnis-Schwimmbad. Auf 300 Meter stehen sieben

Wellen, die grösste davon misst zwischen Tal und ­Spitze leicht fünf Meter. Obwohl die Wellen wie wild pumpen und brechen, sind sie völlig walzenfrei und damit ob­ jektiv ungefährlich. Der Ritt durch den «Wave Train» macht nach dem ersten Schreck so viel Spass, dass wir die ­Boote immer wieder rauftragen und den Vormittag am Rapid «Hermit» verplempern – in Sachen Spass sicher die schönsten 300 Meter des Colorado. Am Abend, Dave wirft gerade die Schwertfischsteaks auf den Grill, verdunkelt sich der Himmel. In Sekunden­ schnelle zieht ein Gewitter auf. Kaskaden von Blitzen las­ sen den Canyon aufflackern, bizarre Momentaufnahmen von kilometerhohen Felswänden glühen auf der Netz­ haut nach. Der Donner rollt wie eine unsichtbare Flut­ welle durch die Schlucht, hallt wieder, verebbt langsam. Dann klatschen einzelne, dicke Tropfen in den Sand. Nach ein paar Minuten hört der Regen auf. Ein Grossteil des Wassers ist ohnehin in der heissen Luft verdunstet. Es wird heller. Anders als in den Bergen, wo ein Gewitter sich in einem Tal verfangen und austoben kann, ziehen die Unwetter über dem Colorado-Plateau ungehindert weiter. Der grösste Felsspalt der Erde kriegt nur ein paar Spritzer ab. Dave, der sich während des Intermezzos nicht von der Stelle gerührt hat, wendet den Fisch.

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Tipps und Informationen Beim outdoor guide kann ein ausführliches Infoblatt zur Kajak-Tour durch den Grand Canyon mit vielen nütz­ lichen Tipps bezogen werden. Anfragen per Post mit frankiertem Antwortcouvert an: outdoor guide, Fleubenstrasse 6, 9450 Altstätten. Via Website: www.outdoor-guide.ch Per E-Mail: [email protected]

Wuchtwasser-Diplomarbeit Die Tage im Canyon fliessen dahin. In weiten Schleifen führt uns der Fluss durch die von ihm geschaffenen Wel­ ten. Mal ist der Canyon keine 100 Meter breit, mal wird er zum kilometerbreiten Tal, in dessen Mitte riesige Tafelber­ ge emporwachsen. Ab und zu erkunden wir einen Seiten­ canyon, wandern über Hochplateaus, duschen unter Was­ serfällen, räkeln uns in heissen Quellen. Wir beobachten Maultierhirsche und Dickhornschafe, Geier und Kolibris. Nach einer lauen, sternklaren Nacht – inzwischen be­ nutzt kaum mehr jemand ein Zelt – wanke ich gähnend ans Wasser. Zunächst glaube ich an eine Sehstörung. Aber es ist wahr: Das gestern noch grünbraune Wasser ist plötzlich ziegelrot. Colin erklärt mit der Zahnbürste im Mund, dass es wohl in einiger Entfernung geregnet hat. Ein Platzregen in den Little Colorado oder Havascu – und der Colorado sei für Tage rot. Und Lava sähe in rot auch am besten aus. Ich schlucke mal wieder sehr trocken. «Lava Falls», die Legende unter den Rapids: Die Mitte des Flusses wird von einem riesigen Monsterloch einge­ nommen. Wer hier reinplumpst, ist Fischfutter. Links daran vorbei führt die «leichte Route» – ein ruppiger Vierer, durchsetzt mit nicht zu unterschätzenden Wal­ zen. Keine schöne Linie, eher eine Notlösung. Die Route rechts des Lochs führt durch die berühmten «V-Waves», monumentale, pumpende Brecher, die eine Durchfahrt zum Lotteriespiel machen. Meinen es die «V-Waves» gut mit einem, schaukelt man drüber weg. Oder man wird gepackt, getunkt und überschlagen. Am Ausgang des Wellenchaos’ lauert ein gemein angespülter Stein, dem man nicht zu nahe kommen sollte. Aber: «Egal was pas­ siert, nach 17 Sekunden Luftanhalten bist du durch», lau­ tet eine vielzitierte «Lava»-Weisheit. Ich bin ein ganz guter Wildwasserfahrer, aber kein sehr guter. Beim Anblick von «Lava» bekomme ich zum

ersten Mal im Canyon weiche Knie. Ein paar von uns nehmen das Raft, andere umtragen. Wolfgang («I padd­ le every time!») probiert die «leichte» Route, wird aufge­ mischt und schwimmt. Mann und Ehre werden gerettet. Martin brettert in die «V-Wave», verschwindet, taucht auf, verschwindet, treibt dann in sicherer Entfernung am Stein vorbei und rollt hoch. Das waren 17 Sekunden. Michael, mit allen Wuchtwassern gewaschen, scho­ ckiert die Beobachter, als er sich quer aufs Loch zutrei­ ben lässt. Er kippt über die Kante, bleibt am rechten Rand des Rücklaufs auf der Walzenkrone hängen – und reitet diese zur rechten Seite hin ab. Mir steht der Mund offen. So eine Linie zu sehen und perfekt zu fahren, ist eine Wildwasser-Diplomarbeit. Sehr gut statt ganz gut.

Ein Blick in die Hölle

TEVA - LIVE BETTER STORIES

Ich will am äussersten rechten Walzenrand zwischen Loch und V-Waves durchflitzen. Colin gibt mir einen Orientierungstipp: Eine «Bubble Line» – eine Reihe auf­ steigender Luftblasen – führt direkt in die «V-Waves». Mit Magengrummeln steige ich ins Boot, prüfe dreimal den Sitz der Spritzdecke. Die Kante vor mir ist so breit wie ein Fussballfeld lang. Ich muss nach rechts, aber nicht zu weit. Wo sind die V-Waves, wo das Mörderloch? Da, die Luftblasen! Eine Bootslänge links davon halten. Oder zwei? Tempo! Ich komme über die Kante, sehe – uff! – den Walzenrand neben mir. Weiterschaufeln. Aus dem linken Augenwinkel werfe ich einen Blick in die Hölle. Es geht bergauf. Ich bin genau da, wo ich hinwollte. Die Anspannung fällt erst am Ufer wieder ab. Die letzte Nacht im Canyon. Es gibt nochmals ein Fest­ menü. Es wird eine lange Nacht. Der Gedanke, dass wir nach fast zwei Wochen in der Stille der Wildnis wieder auf Stühlen sitzen, in Autos fahren und Nachrichten hö­ ren werden, ist ein wenig befremdend. Leider geht auch die längste und schönste Kanutour der Welt irgendwann zu Ende. Was bleibt, sind Bilder, Eindrücke und Gefühle, die keiner je vergessen wird.  ✸

Im Grand Canyon hat Teva seinen Ursprung. Auf der Suche nach einem Schuh, der sich für die vielseitige Landschaft entlang des mächtigen Flusses eignet, hat ein Rafting-Führer 1984 die erste Sportsandale entwickelt. Er gab ihr den Namen «Teva», was auf Althebräisch «Natur» bedeutet. Heute ist Teva ein globaler Brand, der für Abenteuer und gute Geschichten steht. Egal welche Geschichte du erleben willst und wie dein Abenteuer aussehen soll, Teva ist dabei. Bis heute beziehen wir von Teva unsere Inspiration aus der Natur und verbessern unsere Produkte konsequent mit neuen Formen und Materialien, um den Bedürfnissen aktiver OutdoorSportlern in den Bereichen Wassersport, Cross Training und Trekking gerecht zu werden. Und nicht nur das: Auch in den Alltagsmodellen setzen wir die technologischen Errungenschaften ein und kombinieren höchsten Komfort mit einzigartigem Design. Mit Teva erlebst du die besseren Geschichten, im Wasser und an Land.

Text Stephan Glocker Fotos Michael Neumann

70 www.teva-switzerland.ch | www.facebook.com/tevaswitzerland

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