Hunde verstehen! Der Gebrauchshund besuchte ein Unterordnungs- und Schutzdienstseminar mit Michaela und Horst Knoche

Hunde verstehen! Der Gebrauchshund besuchte ein Unterordnungs- und Schutzdienstseminar mit Michaela und Horst Knoche. U nendliche Geduld, Einfühlun...
Author: Silvia Kohler
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Hunde verstehen! Der Gebrauchshund besuchte ein Unterordnungs- und Schutzdienstseminar mit Michaela und Horst Knoche.

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nendliche Geduld, Einfühlungsvermögen und eine Prise Humor, das sind die Knoches in Aktion während eines Seminars. Erleben konnten es die Teilnehmer eines Lehrgangs beim „Verein der Hundefreunde der Lessingstadt Kamenz e. V.“, wo Michaela und Horst Knoche Anfang April zwei Tage zu Gast waren und ihre Philosophie und Ausbildungsmethodik vorstellten. „Hunde verstehen“ war an diesem Wochenende angesagt. Das Ehepaar Knoche, welches seit einigen Jahren Mitglied im Verein Heuwinkl ist und seine eigenen Erfahrungen und die in Heuwinkl schon vorhandenen Ideen zu einem sinnvollen Ganzen kombiniert hat, begann mit einer inhaltlich wertvollen, zweistündigen Theorie mit PowerPoint-Präsentation. Angesprochen wurden von der Welpenaufzucht (im Haus) über klassische und operante Konditionierung, Bestätigung und Strafe, den Unterschied zwischen Bestärkung und Bestechung und die variable Bestätigung bis hin zum Aufbau einzelner Übungen alle wichtigen Punkte. Aufmerksame Zuhörer konnten auch bemerken, dass Michaela und Horst nicht – wie viele andere Hundesportler und Referenten – sich vor Jahren eine Grundbildung angeeignet und es dabei belassen hatten, sondern sich fortwährend mit dem Thema befassen. So sprach Michaela erfreulicherweise nur von der Sozialisationsphase. Achten Sie bitte selbst einmal darauf, wie oft noch von einer Prägungsphase beim Hund gesprochen und geschrieben wird. (Prägung nennt man eine nicht umkehrbare Form des Lernens: Während eines meist relativ kurzen, genetisch festgelegten Zeitabschnitts werden Umweltreize derart dauerhaft ins Verhaltensrepertoire aufgenommen, dass sie später wie angeboren erscheinen.) „Prägung“ ist out!

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Kritisieren muss man die Art der Präsentation. Sicherlich im Bestreben, nichts Wichtiges zu vergessen – und somit eigentlich lobenswert –, lasen die Knoches ihre theoretischen Vortrag vom Laptop ab. So geriet die abwechselnd gehaltene Ansprache trockener als nötig und ermüdend. Dass sie auch problemlos frei sprechen können, bewiesen sie im Praxisteil, wo sie fachlich auf hohem Niveau, locker und humorvoll formulierten. Angeraten sei ihnen auch eine Aufteilung der Theorie in Unterordnung- und Schutzdienstteil, sodass Theorie und Praxis der jeweiligen Abteilungen direkt aufeinander folgen würden. Und ein Überdenken des Inhalts. Weiß heutzutage nicht jeder, dass ein Hund bei der Arbeit ängstlich oder freudig sein kann (klassische Konditionierung)? Oder sagt nicht der Satz „Du musst den Hund innerhalb von zwei Sekunden belohnen, damit er diese Bestätigung mit seiner letzten Handlung verknüpft!“ dem Hundesportanfänger mehr als der ganze ausführliche Sermon über die operante Konditionierung? Da sind die verschiedenen Möglichkeiten der Bestätigung und Bestrafung (positiv/negativ) schon wichtiger und sollten ausführlicher behandelt werden. Als genial einfach und äußerst wirkungsvoll erwies sich das Spiel,

welches das Ehepaar Knoche zur Erläuterung der operanten Konditionierung und des wichtigen Timings mit den Seminarteilnehmern durchführte. Ein Hundler spielte den Hund, ein zweiter musste ihn mittels „Bestätigung“ durch ein Signal (hier: Löffel an ein Glas schlagen) zu einem bestimmten, dem „Hund“ natürlich unbekannten, Verhalten bringen. Es zeigte sich, wie schwer sich manche Hundeführer tun, das Bestätigungssignal rechtzeitig zu geben. Besonders eindrucksvoll (und lustig) die Variante, bei der Horst Knoche den Hund spielte. Die Seminarteilnehmer hatten entschieden, dass er eine Glocke auf der Terrasse des Vereinsheims läuten sollte. Horst kam zu Beginn des Spiels aus dem Vereinsheim gesprintet und schoss wie ein hyperaktiver Malinois an der Glocke vorbei. Sein „Hundeführer“ konnte nur noch verblüfft hinterherschauen und bekam einen Eindruck, wie schwer eine rechtzeitige Bestätigung sein kann. Der Aufbau des Fuß-Gehens beginnt bei Knoches für den sechs Wochen alten Welpen in der heimischen Küche. Michaela demonstrierte diese Aufbauarbeit mit Futter sehr schön an einem kleinen Hovawartwelpen. Der korrekten Fußarbeit war ein Großteil des Seminars gewidmet,

Fotos: Jürgen Rixen

Von Jürgen Rixen

Links mit Baseballcap Horst Knoche als „Hund“, rechts in rot André Haase als Hundeführer, der richtiges Verhalten mit einem Signal bestätigt.

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Beim Apportieren erfolgt die Bestätigung durch zwei Beuteobjekte.

Fang zu tragen. Die Idee dahinter ist, dass der Hund das Bringholz später nicht gegen ein anderes Motivationsobjekt tauschen muss, sondern beim Hundeführer zusätzlich zum Holz ein weiteres Beuteobjekt bekommt. So beträgt die Bestätigungsrate mit Bringholz im Fang 50 Prozent und beim Hundeführer durch Erhalt des zweiten Beuteobjekts 100 Prozent – ein schneller Weg zum Holz und zum Hundeführer zurück ist so gewährleistet.

Die Anfänge des Fußgehens.

stellte sich doch sehr schnell heraus, dass die meisten der vorgestellten Hunde Korrekturbedarf hatten. In der Grundstellung dem Hundeführer in die Augen schauen und diesen Blickkontakt auch während des Fuß-Gehens halten, das war für viele Hunde eine noch unbekannte Verhaltensweise. Die drei technischen Übungen „Sitz, Platz und Steh“ werden schon dem Welpen mit Futter und Fingerkontakt an drei verschiedenen Körperstellen gelehrt. Für die Umsetzung der Verhaltensweise aus der Bewegung geht der Hundeführer rückwärts und führt

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Natürlich wird auch der Sprung über die Hürde systematisch gelehrt und das Hindernis zu Beginn klein gehalten. Später hilft ein Hürdenaufsatz dem Hund, den Sprung als Hoch-Weitsprung auszuführen. Als Bestrafung wurde der Entzug des sozialen Kontakts eingeführt. Streift der Hund, wird die Übung abgebrochen und der Hundeführer „spricht erst mal nicht mehr mit dem Hund“ – das kennt man doch aus dem Eheleben …

den Hund auf seiner rechten Seite. Für den Hund bleibt der Mensch folglich an der gleichen Position. Der Hundeführer kann den Hund so stets perfekt beobachten und die Ausführung des jeweiligen Hörzeichens kontrollieren. Alle Teilübungen einer Unterordnung werden in einer modernen Ausbildung in möglichst viele Einzelteile zerlegt und separat – meist mit dem Ende der Teilübung beginnend – gelehrt. Natürlich auch vom Ehepaar Knoche. Für das Apportieren soll der Hund zunächst lernen, zwei Beuteobjekte gleichzeitig im

Hürdensprung mit Sprunghilfe.

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Nicht besonders zahlreiche, aber hochinteressierte Teilnehmer.

Beim Voraus lassen die Knoches den Hund zum Ende des Platzes laufen, wo in einer kleinen Kuhle das Bestätigungsobjekt liegt. Wenn das Ablegen eingeführt wird, lassen sie den Hund bis ans Ende laufen und auch nach der Beute suchen. Dann geben sie mehrfach das Hörzeichen „Platz“ und rufen den Hund, sobald dieser sich abgelegt hat, zu sich zurück, wo er mit einem Beuteobjekt bestätigt wird. Das Verhältnis zwischen Bestätigung und Ablegen gab Horst mit etwa 10 zu 1 an, d. h., dass der Hund von zehn Läufen nur einmal ins Platz beordert wird. Besonders sinnvoll und nicht nur beim Voraus angewendet: Beim Abrufen zur Bestätigung sollte der Hundeführer in die Hocke gehen und den Hund auch in der Hocke bestätigen – für den Hund ein deutliches Signal, welches in einer Prüfung nie vorkommt. So sind Fehlverknüpfungen ausgeschlossen. Der Schutzdienst beginnt für einen Junghund mit Altbewährtem:

Hund hetzt Helfer.

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Hund hetzt Helfer. Wobei diese Arbeit ausführlich erfolgt und der Hund so richtig Spaß an der Sache und Dominanz über den Helfer gewinnen kann. Die ersten Anbisse erfolgen in ein Beißkissen. Durch diesen Aufbau ist das Verbellen leicht zu erarbeiten.

Im Verbellversteck wird der Hund nach dem gezeigten System fast nie bestätigt. Ein spezieller „Wurfarm“ wird vom Helfer zur Bestätigung des Verbellens aus dem Versteck geworfen. Der Hund darf ihn verfolgen und tragen. Unterschiedlich betonte Hörzeichen „Aus“ lassen den Hund den Helfer entweder stumm bewachen oder verbellen. Es bleibt in dieser Ausbildung eben nichts

Die Bestätigung des Verbellens erfolgt durch Herauswerfen eines Spezialärmels.

dem Zufall überlassen – auch nicht der optimale Anbiss aus der Bewachungsphase. Für perfekte Unterordnungsphasen übernahmen die Knoches das schwäbische „Kringele gehen“. Dabei umkreist der Hundeführer mit dem fußgehenden Hund den Helfer gegen den Uhrzeigersinn. Der Hund hat in perfekter Position und mit Augenkontakt zum Hundeführer zu folgen. Das korrekte Verhalten wird mit einer Freigabe zum Anbiss bestätigt. Dieses zweitägige Seminar, welches auf alle Fälle ein paar mehr Teilnehmer verdient hätte, wurde

vom „Verein der Hundefreunde der Lessingstadt Kamenz“ unter der Leitung von André Haase perfekt organisiert. Es fehlte an nichts, Speis und Trank waren schmackhaft und wurden zu äußerst günstigen Preisen angeboten. Das schöne Wetter sorgte für gute Laune. Den Referenten Michaela und Horst Knoche merkte man den Spaß an der Sache an. Mit unendlicher Geduld korrigierten sie immer wieder die Hundeführer, beobachteten Hund und Frauchen bzw. Herrchen sehr genau, er-

Auch diesem Schwergewicht widmete sich Horst ausführlich.

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klärten und brachten zur Auflockerung auch den ein oder anderen humorvollen Spruch. Die Tatsache, dass hier ein Ehepaar referierte, welches auch in der Hundeausbildung perfekt harmoniert (was ja bekanntlich nicht immer der Fall ist), führte zur angenehmen Arbeitsteilung. Michaela arbeitete mit dem Hundeführer, und Horst konnte den Zuhörern die Arbeit erläutern, oder halt umgekehrt. Im Schutzdienst hetzte Horst und hatte stets eine eingespielte „Leinenbedienerin“ an seiner Seite. Knoches Entscheidung, nur eine begrenzte Anzahl an Seminaren pro Jahr durchzuführen, ist sicherlich richtig, kann eine Übersättigung doch auch bei Referenten zur Lustlosigkeit führen. Wobei die hundeverrückten Knoches diesbezüglich gewiss eine sehr hohe Reizschwelle haben. Das Seminar in Kamenz war eine Wucht, die Teilnahme an einem Knoche-Seminar ist absolut zu empfehlen! Denn: Hier wissen zwei genau, was sie tun, und können dies auch mit einfachen Worten vermitteln. Wertnote: vorzüglich!

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