Hirten in schwerer Zeit 4. Juli 2013 – 11:25

Äberlegungen zur rechtlichen Situation der Priester angesichts des Notstandes der Kirche. Notwendigkeit einer kanonischen Anerkennung oder Notstandsrecht? Immer wieder h•rt man in letzter Zeit, wie im Zusammenhang mit dem Niedergang der „Piusbruderschaft“ von deren Verteidigern, aber auch sogar aus Kreisen der sog. „R„sistance“ einige merkw…rdige oder doch recht ungenaue Ansichten …ber den rechtlichen Status genannter Gemeinschaft vorgebracht werden. Es mag daher ganz hilfreich sein, die Sache einmal genauer zu durchleuchten. Besonderer Wert wird insbesondere von den Bruderschafts-Apologeten seit jeher auf die Tatsache gelegt, da† die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) am 1. November des Jahres 1970 durch den Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Mgr. Fran‡ois Charriˆre, kanonisch errichtet und im Februar des darauffolgenden Jahres durch den Pr‰fekten der r•mischen Kleruskongregation, Kardinal John Wright, belobigt wurde. Daraus wie aus der Tatsache, da†, wie einige der Apologeten mit Erzbischof Lefebvre behaupten, nie eine rechtm‰†ige Aufhebung der FSSPX erfolgte, werden dann die weitreichendsten Folgerungen gezogen, wie wir noch sehen werden. Es ist sicher richtig, da† Erzbischof Marcel Lefebvre, der Gr…nder der Priesterbruderschaft, gleicherma†en von einem gro†en Gottvertrauen wie von einem tiefen Mi†trauen gegen sich selbst erf…llt war. Darum war es ihm ein unverzichtbares Anliegen, bei der Gr…ndung seiner Bruderschaft nicht seinem eigenen Kopf, sondern dem Willen Gottes Folge zu leisten, der sich f…r ihn ‰u†erte in der Stimme der Kirche. Nur wenn ein regierender Bischof der Kirche ihn ermutigen und sein Werk kanonisch errichten w…rde, konnte er die Gew‰hr haben, da† Gott und nicht er selbst der eigentliche Urheber jener Priester-Gemeinschaft war, deren Idee freilich schon lange in seinen Gedanken und an seinem Herzen gelegen war. Dies ist ohne Zweifel eine bewundernswerte, …bernat…rliche Haltung. Leider haben ihn nicht viele in dieser Haltung verstanden oder nachgeahmt, sondern vielmehr in mystischer Šberh•hung aus der Tatsache ihrer kanonischen Errichtung die FSSPX zu einer supranaturalistischen Superkirche verkl‰rt, die, selbst vom allgemeinen Niedergang v•llig unber…hrt, unverwundbar und unzerst•rbar, Kirche und Gesellschaft nicht nur retten, sondern sogar wieder neu aufbauen wird und zu diesem Zweck von Gott mit ganz besonderen Privilegien und Befugnissen sowie mit wunderbaren F‰higkeiten und Eigenschaften ausgestattet wurde. So wird jeder noch so kleine Kaplan der „Piusbruderschaft“ bereits qua Weihe zum „Experten auf allen Gebieten“ (wie dies ein FSSPX-Weihekandidat einst einem h•chst verbl…fften Pfarrer er•ffnete) und somit zum Super-Priester. Die Distriktoberen sind jeweils so etwas wie SuperBisch•fe …ber ein bisweilen riesiges Territorium von mehreren L‰ndern, welches sie mit gleichsam apostolischer Vollmacht und im Besitz einer wundersamen Unfehlbarkeit regieren. Was soll man dann erst vom Generaloberen sagen, der die ganze Welt unter sich hat, der …ber alle richtet, aber seinerseits von niemandem gerichtet wird, der an Machtf…lle, da von niemandem beobachtet oder kontrolliert, besonders aber an Infallibilit‰t sogar den Papst Hirten in schwerer Zeit Zeit

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…bertrifft, da diese bei ihm auch in „kirchenpolitischen“ Fragen zuverl‰ssig eintritt, w‰hrend der Papst nach Bruderschaftslehre bekanntlich selbst in Sachen des Glaubens und der Sitten versagen kann? Und all dies aufgrund einer kanonischen Anerkennung aus dem Jahr 1970! In merkw…rdigem Gegensatz dazu stehen jene gerade in den letzten Jahren immer deutlicher zutage tretenden Minderwertigkeitsgef…hle, welche sich vor allem darin ausdr…cken, da† man nach „Anerkennung“ durch das konziliare Rom lechzt, sich eben doch nicht ganz als vollwertig, als „voll und ganz katholisch anerkannt“, empfindet, ja unter einem „kanonischen Mangel“ leidet, wie dies der Erste Generalassistent der „Piusbruderschaft“ in einem Interview bekannte, an „kirchenrechtlicher Irregularit‰t“. Doch vielleicht liegen die beiden Haltungen gar nicht so weit auseinander, wie man denkt. Bekanntlich ist die Hybris nicht selten der KompensationsMechanismus f…r Minderwertigkeitsgef…hle, w‰hrend umgekehrt ein …bersteigertes Selbstgef…hl oft mit entsprechenden Komplexen bezahlt wird. Um daher weder in das eine noch in das andere Extrem zu kippen, scheint es umso notwendiger, die Frage der kanonischen Anerkennung genauer zu kl‰ren und es nicht beim Mythos zu belassen. Wenn man zun‰chst auf die Zeit blickt, in welche die Errichtung der FSSPX f‰llt, so ist festzustellen, da† in jener Epoche des II. Vatikanums und darum herum eine Vielzahl geistlicher Gemeinschaften entstand, die damals oder etwas sp‰ter die kirchliche Anerkennung erhielten. Schon 1962 wurde etwa die „Fokolarbewegung“ von Johannes XXIII. approbiert, die „Legion‰re Christi“ erhielten 1965 ihr „Decretum laudis“ von Paul VI., 1968 entstand die „Gemeinschaft Sant’Egidio“, und 1978 wurde die „Katholische Integrierte Gemeinde“ vom „Erzbischof von Paderborn, Kardinal Johannes Joachim Degenhardt, und im selben Jahr von Kardinal Joseph Ratzinger, damals Erzbischof von M…nchen und Freising, dem sp‰teren Papst Benedikt XVI., anerkannt als •ffentlich kirchlicher Verein“, wie diese sich auf ihrer Homepage r…hmt. Wir wollen hier keine Wertungen …ber all diese Gruppierungen abgeben, wir stellen nur fest, da† die kanonische Errichtung der FSSPX in eine Zeit fiel, in welcher die verschiedensten geistlichen Gemeinschaften gleichsam aus dem Boden sprossen und ihre kirchliche Anerkennung fanden. Auch war den Statuten der Priesterbruderschaft, welche Gegenstand der Anerkennung und Belobigung waren, nicht unbedingt anzusehen, da† hier eine Sodalit‰t sich bildete, die bald zur Speerspitze im katholischen Kampf gegen das „II. Vatikanum“ und seine unkatholischen Neuerungen werden w…rde. Im Gegenteil nimmt das Errichtungsdekret Mgr. Charriˆres ausdr…cklich Bezug auf das „II. Vatikanum“, wenn es dort hei†t, es werde erlassen im „Hinblick auf die Ermutigungen, die vom zweiten Vatikanischen Konzil in seinem ‘Dekret ƒber die Ausbildung der Priester - Optatum totius’ bezƒglich der internationalen Priesterseminare und des Einsatzes des Klerus ausgesprochen werden sowie im Hinblick auf die vordringliche Notwendigkeit der Ausbildung glaubenseifriger, hochherziger Priester im Sinne der Weisungen dieses Dekretes und auf Grund unserer Feststellung, da… die Statuten der Priesterbruderschaft diesen Zielen gut entsprechen“. Und Kardinal Wright betont in seinem Belobigungs-Schreiben: „Von seiten dieser Heiligen Kongregation also wird dafƒr gehalten, da… die ‘Priesterbruderschaft’ viel dazu wird beitragen k†nnen, die Ziele des Konzils zu erreichen, die dieser Heiligen Kongregation zur Verteilung des Klerus in der Welt anvertraut sind.“ Es kann durchaus sein, da† Mgr. Charriˆre, der Erzbischof Lefebvre pers•nlich kannte und seinerseits wegen allzu konservativer Tendenzen kurz vor der Emeritierung stand, ein wenig geahnt haben mag, was f…r ein Ei er seinem Nachfolger da ins Nest legte. Jedenfalls aber spielte der Kampf gegen das „II. Vatikanum“ und seine Neuerungen wie die „Neue Messe“ keine so bedeutende Rolle bei der Gr…ndung der FSSPX, wie es sp‰ter im Mythos immer wieder dargestellt wurde, zumal Erzbischof Lefebvre in seinen diesbez…glichen Positionen zur Hirten in schwerer Zeit Zeit

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damaligen Zeit teilweise selber noch nicht so klar war wie danach, und fand vor allem keinen Niederschlag in den Statuten. Dort ist zwar vom Priestertum und vom heiligen Me†opfer die Rede, nicht aber beispielsweise vom Festhalten am …berlieferten Ritus. Da k•nnten sich einige „Ecclesia Dei“-Gemeinschaften wie etwa die „Petrusbruderschaft“ oder das „Institut vom Guten Hirten“ eher r…hmen, per kanonischer Errichtung und Statuten einen expliziten kirchlichen Auftrag zu besitzen f…r den Erhalt der „Alten Messe“ und eine gewisse Kritik am „II. Vatikanum“. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wurde, wie im Errichtungsdekret festgesetzt, „in unserer Di•zese unter dem Titel einer ‘pia unio’ errichtet“. Weiter hei†t es: „Wir genehmigen und best‡tigen die beiliegenden Statuten der Bruderschaft fƒr einen Zeitraum von sechs Jahren ‘ad experimentum'; auf diesen Zeitraum kann durch stillschweigende Verl‡ngerung ein weiterer Zeitraum ‡hnlichen Ausma…es folgen; danach kann die Bruderschaft in unserer Di†zese oder von der zust‡ndigen r†mischen Kongregation als eine endgƒltige errichtet werden.“ Eine „pia unio“, die f…r sechs Jahre „ad experimentum“ in einer Di•zese errichtet wurde, das sind ein wenig wacklige Beinchen, um darauf ein weltweites Apostolat mit mehreren Seminarien, ordinariatsartigen Distrikten, quasi-pfarreilichen Prioraten und sogar eigenen Weihbisch•fen zu errichten, und den Kampf gegen die gleichsam omnipotente Konzilskirche aufzunehmen. Zumal diese zarte „pia unio“ bereits wenige Jahre nach ihrer Gr…ndung von den (konzils)kirchlichen Beh•rden wieder unterdr…ckt wurde. Bekanntlich hat Bischof Mamie, der Nachfolger Mgr. Charriˆres auf dem Bischofsstuhl von Lausanne, Genf und Freiburg, am 6. Mai 1975 im Auftrag Roms das Errichtungsdekret vom 1. November 1970 zur…ckgenommen. Erzbischof Lefebvre hat diese Aufhebung nie als rechtm‰†ig anerkannt. Doch selbst wenn wir ihm darin folgen und annehmen wollen, da† auch die „stillschweigende Verl‰ngerung“ nach sechs Jahren noch eingetreten sei, so m…ssen wir doch feststellen, da† die endg…ltige Errichtung, die um 1982 herum f‰llig gewesen w‰re, nicht mehr erfolgte. Zweifellos w‰re die Priesterbruderschaft dann als „congregatio“ errichtet worden und nicht mehr als „pia unio“, doch so weit kam es wie gesagt gar nicht. Woher nahm Mgr. Lefebvre dennoch die Berechtigung, nicht nur mit der Priesterbruderschaft fortzufahren, weiter seine Seminaristen auszubilden und zu weihen, sondern auch weltweit H‰user zu er•ffnen und Seelsorgsstrukturen aufzubauen, die Priester der FSSPX gewisserma†en in die eigene Bruderschaft zu inkardinieren und ihr endlich sogar eigene Weihbisch•fe zu schenken? Gewi† gab er daf…r bisweilen auch kanonische Gr…nde an, so etwa eben seine Ansicht, die Priesterbruderschaft sei nie rechtm‰†ig aufgehoben worden, oder seine Meinung, das Belobigungs-Schreiben des Vatikan mache sie p‰pstlichen Rechtes und bef‰hige sie daher zur Inkardination. Doch dies waren nur Meinungen, Sichtweisen, und so behandelte er sie auch selbst. In Wahrheit st…tzte er sein Werk und seine Vorgehensweise zunehmend auf einen anderen Grund: den Notstand in der Kirche. So schrieb Erzbischof Lefebvre bereits in seinem Sonderrundschreiben vom 19. Juli 1975, damals noch als Generaloberer seiner Bruderschaft, an die Gl‰ubigen: „Was ist bei dieser Ausbreitung der liberalen Irrtƒmer durch die offiziellen Einrichtungen des Heiligen Stuhls und der heftigen Verfolgung der Rechtgl‡ubigen zu tun, die auch eine logische Folge des katholischen Liberalismus ist? Den katholischen Glauben und die g†ttlichen oder traditionellen Einrichtungen zur Bewahrung und Ausbreitung des katholischen Glaubens und des g†ttlichen Lebens in den Seelen aufrechterhalten, vor allem durch die katholischen Familien, die katholischen Schulen, die katholischen Pfarreien, die katholischen Seminare und die katholischen Fakult‡ten und das immer in der Erwartung der Befreiung Roms von den Liberalen, die es besetzt halten.“ Und weiter unten: „Was wird das Seminar von Ecˆne und seine Bruderschaft tun? Sie werden stetig weiterarbeiten. Denn die liberale und Hirten in schwerer Zeit Zeit

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modernistische Kirche, die die wahre, mundtot gemachte Kirche besetzt h‡lt, hat keinerlei Recht, Gehorsam zu verlangen, vielmehr mƒssen wir ihr widerstehen, da ihre Anordnungen und Tendenzen nicht die der katholischen Kirche sind. Sie zerst†ren die Kirche. Wir k†nnen nicht an der Zerst†rung der Kirche mitarbeiten. Wir wollen nicht protestantisch werden! Und eine vierte Frage lautet: Was werden die Priester von Ecˆne sp‡ter tun? Sie werden um der Bewahrung und Vermehrung des katholischen Priestertums willen die Zahl der Seminare vermehren, denn das ist das Hauptziel der Priesterbruderschaft St. Pius X. Ferner werden sie in Gruppen von drei oder vier Priestern als Mission‡re in Prioraten t‡tig sein, wo sie sich zum gemeinsamen Gebet zusammenfinden. Sie werden in einem bestimmten Gebiet wirken, indem sie Unseren Herrn Jesus Christus predigen, die Sakramente spenden und insbesondere das heilige Me…opfer feiern.“ Die Besetzung Roms und der amtlichen Stellen der Kirche durch Liberale, welche durch ihre offiziellen Einrichtungen die liberalen Irrt…mer verbreiten und den Glauben zerst•ren, das sah Mgr. Lefebvre als den gro†en Notstand in der Kirche. Dieser Notstand berechtigt nicht nur, er verpflichtet geradezu zum Ungehorsam und Widerstand und bildet fortan die Grundlage f…r die Weiterarbeit und Ausbreitung der FSSPX und ihres Apostolats. Dies blieb stets Antrieb und Begr…ndung f…r das umfangreiche Werk Erzbischof Lefebvres, bis hin zu seiner Kr•nung durch die Weihe von vier Weihbisch•fen im Jahr 1988, welche er ein Jahr zuvor in seiner ber…hmt gewordenen Predigt in Ec•ne vom 29. Juni 1987 wie folgt ank…ndigte: „Sie [die liberalen Kr‰fte, die Rom und die Kirche besetzt halten] schlie…en sich in ihren Irrtum ein, sie schlie…en sich in ihre Finsternis ein, und so mƒssen sie die Seelen zum Abfall vom Glauben fƒhren, zum Erl†schen der Gottheit Unseres Herrn Jesus Christus, zum Erl†schen des katholischen, des christlichen Glaubens in den Seelen. Deshalb werden wir, wenn Gott es von uns verlangt, nicht z†gern, fƒr uns Weihbisch†fe zu konsekrieren, um dieses Werk fortzusetzen, denn wir k†nnen nicht glauben, es sei der Wille Gottes, da… dieses Werk zerst†rt werde, da… es beendet werde, da… es nicht mehr fortgesetzt werde, da… die Seelen im Stich gelassen werden und da… die Kirche eben dadurch keine Hirten mehr h‡tte. Wir mƒssen uns darƒber im klaren sein, da… wir eine Zeit ganz besonderer Art erleben. Die Situation ist au…ergew†hnlich. Sie ist besonders, was Rom betrifft, au…ergew†hnlich. Lesen Sie die Zeitung ‘si si no no’ der lieben Schwestern, die zu unserer Freude hierhergekommen sind, um Ecˆne zu besuchen und hier eine Ermutigung fƒr das Werk zu finden, das sie vollbringen. Diese Zeitung ‘si si no no’ liefert uns genaue Angaben ƒber die Situation in Rom, eine unwahrscheinliche, eine in der Geschichte noch nie dagewesene Situation, eine nie, nie dagewesene! Der Papst macht sich, wie ich gerade gesagt habe, gewisserma…en zum W‡rter des Pantheons aller Religionen, zum Hohenpriester des Liberalismus. Sagen Sie mir, ob es eine derartige Situation jemals in der Kirche gegeben hat! Was sollen wir angesichts solcher Tatsachen tun? Weinen, sicherlich! Ja, wir weinen, unser Herz ist zerschlagen, unser Herz ist voll Schmerz ƒber diese Lage. Und wir wƒrden unser Leben, unser Blut geben, um diese Situation zu ‡ndern. Aber die Lage ist jetzt derart, die Situation des Werkes, das Gott in meine H‡nde gelegt hat, ist derart, da… wir glauben, da… angesichts dieser Finsternis in Rom, angesichts der Hartn‡ckigkeit, mit der die r†mischen Beh†rden im Irrtum verharren, angesichts der Weigerung derer, die die Amtssitze in Rom einnehmen, zur Wahrheit, zur Tradition zurƒckzukehren, der liebe Gott offensichtlich von uns verlangt, dafƒr zu sorgen, da… die Kirche fortbestehe. Daher ist es wahrscheinlich, da… ich Bischofsweihen vornehmen mu…, noch bevor ich dem lieben Gott Rechenschaft ƒber mein Leben zu geben habe.“ Wenn also auch die kanonische Anerkennung f…r den Anfang der FSSPX von gro†er, ja ausschlaggebender Bedeutung war, so st…tzt sich doch die Ausbreitung des Werks, seine spezifische Zielrichtung im antimodernistischen Kampf und seine sehr erweiterte T‰tigkeit gerade nicht mehr auf den Auftrag der Amtsautorit‰ten, sondern auf deren historisch einzigartigen v•lligen Ausfall. Nicht mehr im Gehorsam gegen die Amtsinhaber, sondern gerade Hirten in schwerer Zeit Zeit

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im Ungehorsam und Widerstand mu† der Fortbestand der Kirche gesichert und der Glaube bewahrt und verteidigt werden. Die Frage der Jurisdiktion Demgegen…ber versuchen etliche der oben genannten Apologeten stets, das Wirken der „Piusbruderschaft“ kanonisch zu begr…nden. Sie schm…cken sie zu diesem Zweck mit einer Super-Jurisdiktion, die tats‰chlich gar nicht vorhanden ist und nie vorhanden war. Eine „pia unio“, wie sie Mgr. Charriˆre als Form f…r die probeweise Errichtung der Bruderschaft w‰hlte, befindet sich sozusagen auf dem untersten kanonischen Niveau. Sie wird gew•hnlich f…r religi•se Vereinigungen von Laien verwendet und in can. 707 CIC (1917) beschrieben als Zusammenschlu† von Gl‰ubigen zu einem Werk der Fr•mmigkeit oder Caritas. Sie steht damit noch unter einem Drittorden und ist weit entfernt von einer Kongregation (wie es eine Priestervereinigung ohne Gel…bde an sich meist ist) oder gar einem Orden („religio“), welcher auf Gel…bden beruht. Auch wenn man davon ausgehen darf, da† die FSSPX wie schon bemerkt bei ihrer endg…ltigen Errichtung eine Kongregation geworden w‰re, so blieb sie doch de facto immer eine „pia unio“, auch wenn man sie im Nachhinein bisweilen gerne zum Super-Orden, ja zu den Jesuiten des 20. Jahrhunderts hochstilisierte. Die Oberen einer „pia unio“ geh•ren aber nicht zu den „superiores maiores“ – den h•heren kirchlichen Oberen (vgl. can. 488 8Ž). Sie verf…gen daher auch …ber keine kirchliche Jurisdiktion. Sie k•nnen somit weder Priester inkardinieren noch ihnen die Beichtjurisdiktion mitteilen, sie k•nnen sie nicht mit der Seelsorge f…r bestimmte Bereiche, Territorien oder Personengruppen beauftragen, erst recht k•nnen sie nicht Bisch•fen – und seien es blo† Weihbisch•fe – die Spendung von Sakramenten erlauben oder verbieten. Wenn die Priester der FSSPX dennoch g…ltig Beichten h•ren, so nicht, weil sie von ihren Oberen die Jurisdiktion dazu erhalten h‰tten, sondern weil die Kirche die fehlende Jurisdiktion fallweise zum Heil der Seelen ersetzt („suppliiert“), und zwar wegen des herrschenden Notstandes in der Kirche. Derselbe Grund ist es auch allein, welcher die Priester und Bisch•fe der Bruderschaft zur Seelsorge erm‰chtigt. Sie erhalten die Erlaubnis daf…r nicht von ihren Oberen, sondern von der Kirche. Es ist keine regul‰re Seelsorge, sondern eine Notseelsorge. Die Prioren und Kapl‰ne der Priesterbruderschaft sind keine Pfarrer, welche die Jurisdiktion …ber irgendwelche ihnen unterstellte Gl‰ubige h‰tten, sondern indem sich die Gl‰ubigen in ihrer Not an sie wenden, erhalten sie die Erlaubnis und den Auftrag der Kirche, sich dieser verlassenen Seelen anzunehmen, wobei die Braut Christi mit dem Heiland spricht: „Mich erbarmt des Volkes; denn sie sind wie Schafe ohne Hirten“. Es besteht also keinerlei Berechtigung beispielsweise f…r Distriktobere der FSSPX, Kirchenstrafen …ber mi†liebige Gl‰ubige zu verh‰ngen, wie dies leider mancherorts geschieht, einzelne Regionen oder ganze L‰nder dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen oder eigenm‰chtig per Federstrich regionale liturgische Traditionen, die schon seit unvordenklichen Zeiten Geltung haben, einfach abzuschaffen (oder andere verbindlich einzuf…hren, die an dem betreffenden Ort keinerlei Tradition haben). Die Prioren und Kapl‰ne haben kein Recht, Gl‰ubigen die Sakramente zu verweigern, nur weil diese sich im „Widerstand“ gegen den Romkurs der „Piusbruderschaft“ befinden. Der Generalobere hat keinerlei Befugnis, „widerspenstigen“ Priestern etwa einen „kanonischen Proze†“ zu machen usw. Da der Grund und die Berechtigung f…r die Notfallseelsorge der Bisch•fe und Priester der FSSPX ausschlie†lich im kirchlichen Notstand liegt, bleibt den Oberen letztlich nur die Organisation und Koordination dieser Seelsorge, was freilich an sich sehr sinnvoll ist. Nicht aber bedeutet dies, da† sich etwa der kanonische Status eines ausscheidenden Priesters oder Hirten in schwerer Zeit Zeit

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ausgeschlossenen Bischofs ‰ndern w…rde, so als ob dieser nun pl•tzlich ein „vagus“, ein freischwebender Priester oder „Freibischof“ geworden w‰re, was er zuvor nicht war. Nach dem Buchstaben des Kirchenrechts sind alle Priester und Bisch•fe der Bruderschaft „vagi“ und gelten als suspendiert, d…rften also keine Sakramente spenden und keinen priesterlichen Dienst aus…ben. Nur der Notstand der Kirche berechtigt sie dazu, und das ‰ndert sich auch nicht, egal ob sie zur Bruderschaft geh•ren oder nicht. Wir d…rfen an dieser Stelle noch kurz aus den „Anordnungen“ der FSSPX zitieren, einem B…chlein, das den Mitgliedern …bergeben wird, um sie …ber ihre Rechte und Pflichten zu orientieren. Hier hei†t es …ber die „suppliierte Jurisdiktion“: Merkmale dieser supplierten Jurisdiktion Sie hat 1) eher personellen als territorialen Charakter; 2) sie ist nicht dauernd (habituell), sondern wird „per modum actus“ ausge…bt (vgl. Capello I, Nr. 252); 3) sie h‰ngt ab vom Bed…rfnis der Gl‰ubigen in Anbetracht der Notlage (vgl. den Vortrag bei den „Cercles de la Tradition catholique“, Paris, 10. M‰rz 1991); 4) sie existiert selbst in dem Fall, wo faktisch keine Notlage besteht; tats‰chlich wird eine allgemeine Gefahr angenommen und demnach gibt es eine Analogie zu can. 21. die durch can. 20 erlaubt wird; da im allgemeinen ein wahrscheinlicher Tatsachenzweifel besteht, gibt es eine Supplierung entsprechend can. 209. Die Inhaber der supplierten Jurisdiktion Inhaber dieser supplierten Jurisdiktion sind alle Bisch•fe und alle Priester, welche die Tradition treu bewahren (selbst wenn sie exkommuniziert sind, vgl. can. 2261: was hier nur als Argument ,,ad hominem“ gesagt wird), zur erlaubten oder g…ltigen Aus…bung der bisch•flichen oder priesterlichen Amtshandlungen. Die Hierarchie in der supplierten Jurisdiktion Die einfachen Priester besitzen im Hinblick auf die Gl‰ubigen an sich genauso viel supplierte Vollmacht wie ein Prior oder ein Distriktoberer. Aber um in der praktischen Anordnung den Sinn f…r die Hierarchie, der zum Geist der Kirche geh•rt, zu bewahren und schwerwiegendere F‰lle einer h•heren Instanz zu …berlassen, sind gewisse Vollmachten der h•heren Autorit‰t vorbehalten in Analogie zur normalen Hierarchie… Anm.: In den fr…hen 70er Jahren wurde von Rom in zwei oder drei Einzelf‰llen per Indult der FSSPX die Inkardination von Weihekandidaten zugestanden, und zwar ausdr…cklich im Hinblick auf ihre baldige endg…ltige Errichtung als Kongregation. Auch dies verwertete Erzbischof Lefebvre bisweilen als Hinweis, da† der FSSPX das Recht zustand zu inkardinieren, ohne freilich darauf zu beharren, da das Notstandsrecht auf jeden Fall ohnehin griff. Mehr als ein Hinweis konnte es allerdings auch nicht sein, denn ein Indult ist immer eine begrenzte Ausnahme, begr…ndet also nie ein allgemeines Recht. Zweitens wurden besagte Indulte vor der „Aufhebung“ der Bruderschaft gew‰hrt und gewisserma†en mit der Bedingung ihrer baldigen Erhebung zur Kongregation, die bekanntlich nie erfolgte. Einige SchluÄfolgerungen Wir wollen versuchen, einige Schlu†folgerungen aus dem Gesagten abzuleiten. Zun‰chst ist sicher festzustellen, da† Priester und Gl‰ubige nicht rechtlich verpflichtet sind, sich an die „Piusbruderschaft“ zu halten, um bei der Kirche zu bleiben. Es ist durchaus statthaft und wohl auch zunehmend notwendig, sich anderweitig zu Gemeinschaften zusammenzuschlie†en, die freilich bis zu einem Ende des kirchlichen Notstandes keinen eigentlichen kanonischen Status Hirten in schwerer Zeit Zeit

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haben k•nnen. Einen solchen hat die „Piusbruderschaft“ aber auch nicht, wie wir gesehen haben. Die Zeit des Notstandes ist eine au†ergew•hnliche Zeit, in ihr gelten daher nicht die gew•hnlichen Regeln. So gelten zu normalen Zeiten Priester ohne Inkardination als irregul‰r, als „vagi“, die keinen priesterlichen Dienst aus…ben d…rfen. Es kann jedoch nicht im Sinn der Kirche sein, da† dies, wie es heute unter den gegenw‰rtigen Umst‰nden der Besetzung der amtlichen Stellen durch liberale Kr‰fte der Fall ist, ausgerechnet jene Priester trifft, welche der Kirche aller Zeiten treu sein wollen, und sie ausgerechnet deswegen trifft, weil sie diese Treue wahren wollen. Die Kirche gibt daher gerade diesen Priestern heute sicherlich den Auftrag, sich all der Seelen anzunehmen, die katholisch bleiben und leben und sich nicht der modernistischen Konzilssekte anschlie†en wollen. Zu diesem Zweck k•nnen diese Priester sinnvollerweise auch Gemeinschaften bilden, welche die Seelsorge besser verwirklichen und organisieren. Gibt die Kirche in dieser Zeit besagten Priestern auch besondere Erlaubnisse und Befugnisse, die sie normalerweise nicht h‰tten, so bleiben diese doch andererseits gerade durch den Notstand sehr begrenzt. So erteilt die Kirche diesen Priestern zweifellos die Erlaubnis, …berall die Hl. Messe zu feiern, den Gl‰ubigen, die darum bitten, die Sakramente einschlie†lich des Bu†sakramentes zu spenden und auch Eheschlie†ungen zu assistieren, sie stattet sie aber nicht mit pfarrherrlichen Vollmachten …ber ihre Sch‰fchen aus. Die Gl‰ubigen unterstehen ihnen nicht (soweit sie sich ihnen nicht in der Beichte als ihrem Bu†-Richter unterwerfen), sondern wenden sich freiwillig an sie. Das mag vielleicht auch ein Grund sein, warum diese Situation …berhaupt eingetreten ist bzw. vom Lieben Gott zugelassen wurde. Dem Heiland war es ein gro†es Anliegen, noch am Abend vor Seinem Hingang Seinen Aposteln eine eindrucksvolle Lehre zu hinterlassen. Bekanntlich machte Er sich beim Letzten Abendmahl daran, nach Art eines Sklaven Seinen J…ngern die F…†e zu waschen, was diesen, besonders dem hl. Petrus, zumindest anfangs sehr peinlich war. Danach gab Er ihnen die Erkl‰rung dazu: „Ihr nennt mich Meister und Herr, und mit Recht sagt ihr es; denn ich bin es. Wenn nun ich euch die Fƒ…e gewaschen habe, euer Herr und Meister, so mƒsset auch ihr einander die Fƒ…e waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,13-15). Schon mehrmals zuvor hatte der Herr Seine Apostel in diesem Sinn ermahnt. Immer wieder hatte Er von ihren Rangstreitereien Anla† genommen, sie zurechtzuweisen: „Ihr wisset, da… die Fƒrsten der V†lker ƒber dieselben herrschen, und die Gro…en Gewalt ƒber sie ausƒben. Nicht so wird es unter euch sein; sondern wer immer unter euch ein Gro…er werden will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, sei euer Knecht; gleichwie des Menschen Sohn nicht gekommen ist, bedient zu werden, sondern zu dienen, und Sein Leben als L†segeld fƒr viele hinzugeben“ (Mt 20,26-28). Genau diese Lehre war es, die Er in diesem denkw…rdigen Augenblick noch einmal so kr‰ftig und sinnf‰llig unterstrich, da† sie besonders dem heiligen Petrus sich tief einpr‰gte, so da† dieser seinerseits die kirchlichen Hirten mahnte: „Die Vorsteher nun, die bei euch sind, ermahne ich, als ihr Mitpriester und Zeuge der Leiden Christi, wie auch Teilnehmer der Herrlichkeit, die einst offenbar werden soll: Weidet die euch anvertraute Herde Gottes und traget Sorge fƒr sie, nicht aus Zwang, sondern gern, nach Gottes Anordnung, und nicht schn†den Gewinnes wegen, sondern aus willigem Herzen, und nicht als solche, die ƒber das Erbe Gottes gewaltt‡tig herrschen wollen, sondern als solche, die Vorbilder der Herde sind von Herzen“ (1 Petr 5,1-3).

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Der Heiland wu†te, warum Er diese eindringliche Mahnung gab, und der heilige Petrus wu†te es auch. Denn die Gefahr, gerade das geistliche Hirtenamt f…r „schn•den Gewinn“ oder zur Befriedigung der Machtgier zu mi†brauchen, bestand zu allen Zeiten. So begleitete denn dieser Mi†stand die Kirche durch ihre ganze Geschichte, mal mehr und mal weniger verbreitet oder ausgepr‰gt, aber doch immer irgendwo vorhanden. Gewi† kann dem obersten Hirten und Herrn der Herde nichts mi†f‰lliger sein, als wenn die Hirten, die Er zum Dienst f…r Seine geliebten Schafe bestellt hat, die Herren …ber sie spielen, wenn sie, statt als gute Hirten ihr Leben f…r die Schafe zu geben, diese f…r ihre Gewinn- oder Machtsucht ausn…tzen und …ber sie herrschen wollen. So sollte vielleicht gerade die heutige Zeit, die den Priestern wirklich nur noch jene Vollmachten l‰†t, die zum Heil der Seelen gerade notwendig sind, ein Anla† sein, da† diese sich als getreue und gute Hirten erweisen, da† sie nicht herrschen und Gewalt …ber die Schafe aus…ben, sondern sich in allem als deren hingebungsvolle Diener erweisen. Dann wird sicher auch der Notstand in der Kirche bald ein Ende finden, „und wenn der Erzhirt erscheinen wird, werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen“ (1 Petr 5,4).

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