Henry Purcells Dido and Aeneas

Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln Sommersemester 1995 Hauptseminar Henry Purcell und die englische Musik des 17. Jahrhunderts...
Author: Anke Bäcker
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Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln

Sommersemester 1995

Hauptseminar Henry Purcell und die englische Musik des 17. Jahrhunderts Prof. Dr. K. W. Niemöller

Seminararbeit zu

Henry Purcells Dido and Aeneas

vorgelegt von Thomas Gebhardt Keplerstr. 17 50823 Köln (Ehrenfeld) Tel. 0221 - 5105011

Inhalt 1 2 3

4 5

6

7

8 9

10 11

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis...................................................................ii Vorbemerkung................................................................................................. 1 Englische Theatermusik im 17. Jahrhundert ............................................... 2 2.1 Die Court Masque ............................................................................... 2 Quellen, Überlieferung.................................................................................... 7 3.1 Das Libretto .......................................................................................... 7 3.2 Die Partiturhandschrift Tenbury MS ..................................................... 7 3.3 Differenzen zwischen Libretto und Tenbury MS .................................. 8 3.4 Weitere Manuskripte ............................................................................ 9 Datierung ......................................................................................................... 9 4.1 Datierungsmöglichkeit 1684............................................................... 12 4.2 Datierungsversuch 1687 .................................................................... 13 Text und Handlung........................................................................................ 14 5.1 Die Handlung...................................................................................... 14 5.2 Textquellen und Vorbilder .................................................................. 15 5.2.1 Vergil, Aeneis, Buch 4 ........................................................... 15 5.2.2 Nahum Tate, Brutus of Alba .................................................. 16 5.2.3 John Blows Venus and Adonis.............................................. 16 5.3 Das Libretto von Nahum Tate ............................................................ 18 Die Figuren der Handlung ............................................................................ 19 6.1 Dido .................................................................................................... 19 6.2 Die Sorceress und die witches........................................................... 20 6.3 Belinda und 2nd Woman .................................................................... 21 6.4 Aeneas ............................................................................................... 22 6.5 Die Chöre: Hofstaat, Hexen, Seeleute und Tragödienchor ............... 23 Die musikalische Gestalt.............................................................................. 23 7.1 Der "Tonartenplan"............................................................................. 23 7.2 Szenengestaltung............................................................................... 24 7.3 Motivische Geschlossenheit............................................................... 25 7.4 Vokalformen ....................................................................................... 26 7.4.1 Rezitativ und Arioso............................................................... 26 7.4.2 Duett ...................................................................................... 27 7.4.3 Chor ....................................................................................... 27 7.5 Instrumentalmusik .............................................................................. 28 7.5.1 Ouvertüre .............................................................................. 28 7.5.2 Prelude for the witches.......................................................... 28 7.5.3 Tanzsätze .............................................................................. 29 7.5.4 Instrumentale Begleitung des Gesangs ................................ 30 Aufführungspraxis ........................................................................................ 32 8.1 Besetzungsfragen .............................................................................. 32 Aufführungs- und Wirkungsgeschichte ..................................................... 33 9.1 Josiah Priests Internat für höhere Töchter in Chelsea....................... 33 9.2 Adaptierung als Masque in Measure for Measure ............................. 35 9.3 Rezeptionsgeschichte ........................................................................ 36 9.4 Editionen ............................................................................................ 37 Schlußbemerkung......................................................................................... 39 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 40 11.1 Primärquellen ..................................................................................... 40 11.1.1 Musikalische Quellen ............................................................ 40 11.1.2 Textquellen ............................................................................ 40 11.2 Editionen ............................................................................................ 41 11.2.1 Musikalische Quellen ............................................................ 41 11.2.2 Textquellen ............................................................................ 41 11.3 Forschungsliteratur ............................................................................ 42

Anhang Diskographie ..................................................................................................... iii Satzfolge der Oper ............................................................................................vi Nahum Tates Libretto mit Übersetzung (engl./dt.).......................................... viii

ii Abkürzungs- und Siglenverzeichnis Bc

Basso continuo

EM

Early Music

GB-Lbm

London, British Library

GB-Lcm

London, Royal College of Music

Lib

Libretto [ca.1689?] (vgl. Literaturverzeichnis)

MT

The Musical Times

PSE

The Works of Henry Purcell. Purcell Society Edition. Bd. 1-38. London: Novello 1878-1965.

PSE II

The Works of Henry Purcell. Revised edition of the Purcell Society. London: Novello 1961- .

PRMA

Proceedings of the Royal Musical Association

Q1700

Playbook zu Measure for Measure (vgl. Literaturverzeichnis)

T

Tenbury MS (vgl. Literaturverzeichnis)

Va

Viola

Vn

Violine

Z [Nr.]

Nummern des Werkverzeichnisses von Franklin B. Zimmerman: Henry Purcell (1659-1695). An Analytical Catalogue of his Music. London: Macmillan 1963.

In der gesamten Arbeit werden die einzelnen Sätze der Oper Dido and Aeneas anhand ihrer Nummern zitiert.1 Tonhöhen werden im Text wie folgt angezeigt: BI C-H c-h c'-h' c"-h" (z.B. die offenen Saiten der Violine: g d' a' e" , Baßvioline: BI F c g)

1

Die Numerierung basiert auf der Satznumerierung in PSE II, Bd. 3 (diese stimmt mit der Numerierung in der ansonsten benutzten Ausgabe von Clifford Bartlett, Huntingdon 1995, überein). Sie ist ergänzt durch eine Ordnung nach den Buchstaben des Alphabets für den Prolog und die nicht überlieferten Sätze sowie durch einige Unterteilungen der einzelnen Sätze. Die Folge der Sätze und ihre Numerierung wird im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben, um eine Identifizierung zu erleichtern.

1 1. Vorbemerkung Henry Purcells Werk Dido and Aeneas eine Oper zu nennen, greift in manchen Belangen am modernen Verständnis dieser Gattung vorbei, handelt es sich doch in der überlieferten Form um ein kleines Werk, eine Miniatur von kaum einer Stunde Dauer. Dennoch

stellt

es

für

die

englische

Musikgeschichte

eines

der

wenigen

musikdramatischen Werke des 17. Jahrhunderts dar, das heute noch - wenn auch in einer aus späterer Zeit stammenden Gestalt - seinen festen Platz im Opernbetrieb hat. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, daß man über die Geschichte dieses von vielen als so einmalig erachteten Werkes wenig mit Gewißheit zu sagen vermag - was für das Schaffen und das Leben Purcells geradezu bezeichnend ist. Zahlreiche ungelöste Fragen zur Quellenlage und ihrer Vollständigkeit oder Unvollständigkeit, die allegorische Deutung und Bedeutung oder die literarische Qualität des Librettos, aufführungspraktische Fragen sowie vor allem auch die unsichere Datierung des Werkes machen es zu einem Lieblingsobjekt der historischen und musikwissenschaftlichen Forschung und Spekulation, die gerade in jüngster Zeit, im Zusammenhang mit den zahlreichen Publikationen anläßlich des Purcell-Gedenkjahres 1995, und vor allem in Purcells Heimat England zu teilweise heftigen Diskussionen geführt hat. Der Frage der Datierung, die in der aktuellen Diskussion des Werkes alle anderen Themen überschattet, soll in dieser Arbeit ebenso nachgegangen werden, wie einer thematischen und musikalischen Einordnung der Oper in die englische Musik- und Theatertradition. Dabei zeigt sich, daß es sich keineswegs um ein derart singuläres Werk handelt, wie bisher gemeinhin angenommen, sondern sich in eine nachvollziehbare Tradition einreiht. Die Eigenheiten der Oper werden in einer knappen musikalischen Analyse hervorgehoben, die auch Purcells sonstiges Schaffen berücksichtigt, ferner liefert diese Arbeit eine Zusammenfassung zu Fragen der Quellen-, Überlieferungs- und Editionslage und der Aufführungspraxis, in denen die Forschung im Zuge der historischen Aufführungspraxis bzw. Early Music-Bewegung in den letzten Jahren zu neuen Ergebnissen gekommen ist. Die Musikwissenschaftlerin Ellen T. Harris hat im Zusammenhang mit einer revidierten Dido and Aeneas-Edition der Notenausgabe von Edward J. Dent eine Monographie über die Oper veröffentlicht, die eine Fundgrube für die Beschäftigung mit Purcells bekanntestem Bühnenwerk darstellt.2 Dennoch sind inzwischen so viele neue Entdeckungen und Erkenntnisse zu diesem Thema gemacht worden, daß diese hier auf aktuellem Stand berücksichtigt werden sollen. Das Literaturverzeichnis im Anhang bietet daher die Veröffentlichungen nach 1989 - die aufgrund ihrer Erfassung in Datenbanken und On-line-Katalogen durch elektronische Recherchen gut zu ermitteln sind - möglichst vollständig, wobei Beiträge, die für diese Arbeit nicht greifbar waren, gekennzeichnet werden. Grundlegende Untersuchungen der älteren Literatur sind aufgeführt, während viele weitere durch Harris' Buch in die vorliegende Arbeit über Purcells einzige Oper, Dido and Aeneas, einfließen.

2

Ellen T. Harris, Dido and Aeneas, Oxford 1986.

2 2. Englische Theatermusik im 17. Jahrhundert Purcells Oper Dido and Aeneas läßt sich im Blick auf die englischen Bühnen- und Schauspielmusik in einen Traditionsstrang einordnen, der dieser Oper ihre Rolle als unerklärliches Einzelwerk nimmt, die sie lange Zeit in der Musikgeschichte innehatte, da sie immer retrospektiv als eine der frühen Ausformungen der „klassischen“ Oper betrachtet wurde, viel weniger aber im Kontext der englischen Bühnentradition gesehen wurde. Diesem Zusammenhang soll im Folgenden nachgegangen werden. Es ist bekannt, daß die vollständig gesungene Oper, wie sie um 1600 in Italien entstanden war, erst viel später in England eine Rolle spielen sollte. Der rezitativische Stil konnte sich nicht durchsetzen, schien den Engländern ungeeignet für ihre eigene Sprache, und auch im späten 17. und im 18. Jahrhundert - bis hin zu Händels Zeit waren Opern in London in der Regel italienisch, während die englischen Theaterautoren und -manager weiterhin auf gesprochene Dramen mit musikalischen Einlagen setzten. So schrieb Pierre Motteux 1692: "Experience hath taught us that our English genius will not relish that perpetual singing."3 Die gesungenen und getanzten Einlagen in den englischen Schauspielen hatten jedoch eine lange Tradition mit einem Ursprung in den höfischen Darbietungen der masques, die wiederum die älteren Formen des Mummenschanz, der Renaissancefeste mit Pantomimen, Tanz- und Kostümveranstaltungen („disguisings“), ähnlich den trionfi, veglie oder masquerie in Italien oder den masquerades in Frankreich, fortführten, und dort auch verwandte Ausformungen hatten wie die berühmten Intermedien (beispielsweise in Florenz) oder das französische ballet de cour. Unter Henry VIII. wurde am englischen Hof 1545 der Hofposten eines Master of the Revels eingerichtet, der für die Durchführung solcher höfischer Darbietungen verantwortlich war. Typische Anlässe für solche Veranstaltungen waren alle höfischen Feierlichkeiten

wie

Hochzeiten,

Geburtstage

und

politische

Anlässe

wie

Vertragsabschlüsse, Bündnisse und Friedensabkommen, vor allem aber auch die Weihnachtszeit, deren zwölfte Nacht (vor Epiphanias) ebenso wie die Fastnacht (shrovetide) traditionell mit Schauspiel, Musik, Tanz und revels begangen wurde.4 Angeführt wurden diese Festlichkeiten von einem „Herrscher der Unordnung“, dem Lord of misrule, eine Figur, die auch in späteren höfischen Masques noch als fester Bestandteil des Personals wiederkehrt.5 2.1 Die Court Masque Die aus der volkstümlichen Kultur stammenden revels erhielten ihre größte glanzvolle höfische Ausprägung in der jakobäischen Court Masque unter James I. (1603-1625). Ab 1605 gehörten masques zu den regelmäßigen Darbietungen am Hof. Sie wurden aufgeführt in der Great Hall des Whitehall Palastes oder im von Inigo Jones gestalteten Banqueting House, das heute als einziges Gebäude des alten Palastes noch erhalten ist. 3

The Gentleman's Journal, Jan. 1692. Vgl. auch Shakespeares Twelfth Night. 5 Wie z. B. als Prince d’Amour bei Ben Jonson. 4

3 Die Popularität, die solche Veranstaltungen am Hof und darüber hinaus in der Öffentlichkeit genossen, veranlaßte auch die Theaterautoren der öffentlichen Theater in London und am Südufer der Themse, masque-ähnliche Episoden und Szenen in ihre Schauspiele einzufügen. Das wiederum führte zu einer neuen literarischen Qualität der masques, die in den Werken eines Dichters wie Ben Jonson (1572-1637) ihren Höhepunkt erreicht. Komponisten wie Nicholas Lanier, Robert Johnson, später auch Henry und William Lawes trugen mit Kompositionen zu diesen Schauspielen bei und waren für diese Theatermusik stilprägend. Nicholas Lanier war ausschlaggebend an der Einführung des kontinuierlichen Rezitativs in England beteiligt, das Libretto des Schauspiels Lovers Made Men (1617) mit Musik aus seiner Feder wurde 1640 mit dem Hinweis auf den vorherrschenden „stilo recitativo“ veröffentlicht. Ebenfalls von Lanier stammt „Hero’s Complaint to Leander“ (1628) im rezitativischen Stil. Somit setzte Lanier, der sich von 1625-1628 in Italien aufhielt, den Grundstein für die Entwicklung eines aus dem italienischen Rezitativ stammenden monodischen Gesanges, der über viele Jahrzehnte hinweg nur zögerlich in England angenommen und weiter verarbeitet wurde. In der englischen masque war die melodischere Form des declamatory song vorherrschend vor dem italienischen Rezitativ. Zudem waren Songs, die man als Tanzlieder bezeichnen kann, eine weitere Form der Vokalmusik in den Masques. Der Tanz war konstituierendes Element der Masque: Es handelte sich um eine Tanzveranstaltung, die durch einen choreographierten Tanz, teilweise mit einer durchgehenden Handlung oder motivischen Bindung, mit einigen Liedern und Chören eingeleitet wurde und dann in den revels, den Tänzen aller Anwesenden, gipfelte. Die in Einzelheiten manchmal abweichende, im großen und ganzen jedoch einheitliche Form der masques stellt sich wie folgt dar: Einzug Allegorische Rede oder Dialog („Prolog“) Antimasque (Komische Elemente) Enthüllung des Bühnenbildes Song Aufzug der Masquers, Song Großer Tanz der Masquers Song Tanz mit dem Publikum (revels with the audience) Song Rückkehr zur Bühne, Schlußtanz oder großer Chor Manchmal endete die Masque nach einer durchschnittlichen Dauer von etwa vier bis fünf Stunden auch mit dem Publikumstanz oder wurde gefolgt von einem ausgiebigen Bankett. Bei den einleitenden Tänzen vor dem gemeinsamen Tanz mit dem Publikum waren 6-16 Lords und Ladies, meist junge adlige Höflinge, die diese ehrenvolle Aufgabe übernehmen durften, oft in allegorischer Verkleidung als Ritter oder Helden, unter

4 Anleitung von professionellen Dancing-Masters beteiligt, darunter manchmal Mitglieder der königlichen Familie. Die drei Haupttänze entry, main-dance, going-off wurden jeweils eigens komponiert und choreographiert. Ein spezieller Tanz der Fackelträger (torchbearers) eröffnete die revels: die Masque-Tänzer suchten sich Tanzpartner aus dem Publikum Die antimasque, die der eigentlichen Masque vorrausging, diente dem dramatischen Kontrast. Ben Jonson prägte diesen Begriff; in seiner Masque of Queens (1609) erscheinen in der antimasque zwölf Hexen als Kontrastfiguren vor der Masque der zwölf edlen Königinnen. In dieser Masque erscheint ein Tanz für die Hexen, The Second Witches Dance, vermutlich vertont von Robert Johnson,6 an dessen musikalische Struktur Purcells Witches Dance in Dido and Aeneas stark erinnert.7 Während der Regierungszeit von Charles I., von 1625 bis zu seiner Exekution im Jahr 1641, gehörten prachtvolle Masques weiterhin zum Bestand der höfischen Darbietungen. Queen Henrietta Maria brachte aus Frankreich ihre eigenen Musiker mit an den Hof, die wiederum Aufführungen in der französischen Tradition wie das ballet à entrées importierten. Der Begriff entrées erschien dann auch als englische Bezeichnung entries für die einzelnen Szenen im Sprachgebrauch der Theaterwelt. Noch in Charles’ Regierungszeit verfiel der Dichter Ben Jonson mit dem Architekten, Szenen- und Kostümgestalter Inigo Jones in einen heftigen Streit über die vorherrschende Bedeutung der Künste, der dazu führte, daß Jonson von höfischen Aufträgen ausgeschlossen wurde. Seine letzten beiden Beiträge zur Court masque waren Love’s Triumph through Callipolis und Chloridia (beide 1631), zu denen keine Musik überliefert ist. William Lawes als hervorragender Komponist dramatischer Musik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts komponierte Musik zu verschiedenen Masques, z.B. Triumph of Peace (1634) von James Shirley.8 Die letzten fünf Court Masques vor dem Bürgerkrieg von 1641 stammten von William Davenant (1606-1668): The Temple of Love (1635), The Triumphs of the Prince d’Amour (1636, vollständig in Musik gesetzt von Henry und William Lawes),9 Britannia triumphans (1638),10 Luminalia (1638) und Salmacida spolia (1640). Durch die puritanische Regierung des Commonwealth wurde die öffentliche Aufführung von Lustbarkeiten aller Art stark eingeschränkt. Das generelle Theaterverbot, das ausgesprochen wurde, wurde jedoch umgangen, indem man private Aufführungen von repräsentativen Darbietungen organisierte, die auch szenische Darbietungen mit Musik einschlossen. Zu den bekanntesten Werken dieser Art gehört Shirleys Cupid and Death, eine „Masque in five entries“ mit Musik von Christopher Gibbons und Matthew Locke, die 1653 als „Private Entertainment, represented with Scene & Music, Vocall & Instrumentall“11 zum Empfang eines portugiesischen Gesandten aufgeführt wurde.

6

GB-Lbm Add. 10444, no. 26. Vgl. S. 29. 8 er Musik ediert in: Trois masques à la cour de Charles I d’Angleterre, hg. von M. Lefkowitz, Paris 1970. 9 Ebd. 10 Ebd. 11 Titelseite der Druckausgabe von John Crooke und John Playford, London 1659. 7

5 Die erste englische „Oper“, in dem Sinne, daß es sich um ein durchgehend gesungenes Schauspiel ohne gesprochene Texte handelt, war William Davenants The Siege of Rhodes (1656). Die erste Aufführung dieses verlorenen Werkes fand vermutlich 1659 statt; insbesondere bemerkenswert für die Zeitgenossen war eben die Tatsache , daß sie „all sung“ war, größtenteils rezitativisch, in fünf entries, die jeweils mit einem Chor enden. Die Musik - wie so oft eine Gemeinschaftsproduktion - stammte von Henry Lawes, Henry Cooke,

Matthew

Locke

(Vokalmusik),

Charles

Coleman und George Hudson

(Instrumentalmusik). Nach der Restauration der Monarchie mit der Krönung Charles’ II. 1660 begann eine neue glanzvolle Ära für das englische Theater. Nach einer langen Zeit der Repression und des Verbots aller Unterhaltung schien ein unterdrücktes Bedürfnis nach Ausschweifung und Zerstreuung hervorzubrechen. Charles gewährte als eine der ersten Amtshandlungen

Exklusiv-Patente

zur

Errichtung

von

zwei

professionellen

Theatertruppen, der Duke’s Company, die zunächst im Lincoln’s Inn Fields Theatre, ab 1671 dann im prächtigen neu errichteten Dorset Garden Theatre ihre Spielstätte hatte, und der rivalisierenden King’s Company, deren wichtigste Bühne das Drury Lane Theatre war. Für Musiker und Komponisten bedeutete dies eine neue Popularität, die sie aber nach wie vor mit den Autoren bzw. Bearbeitern der Schauspiele und vor allem den Choreographen und Bühnenbildnern zu teilen hatten. Shakespeares Macbeth (1663) und The Tempest (1667) in Bearbeitungen von Davenant und Dryden wurden mit umfangreicher Bühnenmusik von Matthew Locke erfolgreich aufgeführt. Bei einer Wiederaufnahme von Macbeth im Jahre 1673 wird das Stück gar als eine „opera“ bezeichnet und umfaßt eine äußerst populär gewordene anti-masque for the witches (für die Hexen) mit Musik von Locke.12 Die Verwandtschaft mit Robert Johnsons Witches Dance von 1609 ist unübersehbar, und hier drängt sich die Vermutung, daß es sich um eine Vorlage für Purcells Hexenszene handeln könnte geradezu auf. Die Konkurrenzsituation der beiden großen Theatertruppen führte dazu, daß deren Direktoren immer wieder mit den neuesten und größten Sensationen einander zu übertreffen versuchten. So kam Mitte der 70er Jahre eine französische Opernsaison zustande, nachdem Thomas Betterton als neuer Direktor der Duke’s Company einige Monate in Frankreich zugebracht hatte, um dort die neuesten Theatertrends zu studieren. Eins der Resultate war eine englische Bearbeitung der Psyché (1675), deren französisches Libretto eine Gemeinschaftsproduktion von Molière, Corneille und Quinault war. Die Textbearbeitung unternahm Thomas Shadwell, die Musik stammte wieder einmal von Matthew Locke, Instrumentalmusik steuerte Giovanni Battista Draghi bei. Bei diesem Werk mit dem ausdrücklichen Titel „PSYCHE. The English OPERA“ handelte es sich um eine englische Oper nach französischem Vorbild. Im Vorwort gehen Locke und Shadwell explizit auf den Untertitel ein, indem sie sich auf das italienische Vorbild berufen und die Oper von der improvisierten Commedia abheben: Handlungsverlauf, Szenerie, musikalische Gestaltung und Darbietung seien in der Oper wohlüberlegt und geplant. Die im Gegensatz zur italienischen Oper unübliche Mischung von gesungenem

12

4

Teile der Musik zu Macbeth erschienen im Druck: Dance (a Jigg called Macbeth) 1666 ; Dance The Witches Dance in Apollo’s Banquet, London 1669; einzelne Songs und Chöre, hg. und bearbeitet von William Boyce, London 1770.

6 und gesprochenem Text wird dadurch gerechtfertigt, daß der englische Geschmack noch nicht so weit entwickelt sei, daß man dem Publikum eine ungewohnte durchweg gesungene Oper zumuten könne. Demgegenüber stellen also John Blows Venus and Adonis (Beginn der 1680er Jahre) und Purcells Dido and Aeneas eine Besonderheit dar, die jedoch zur Folge hatte, daß diese Werke nicht auf den großen Bühnen Londons aufgeführt wurden, wie andererseits Purcells Musik für gesprochene Schauspiele, einschließlich seiner großen „Semi-Operas“.

7 3. Quellen, Überlieferung In bezug auf die Ermittlung einer „Originalgestalt“ der Oper Dido and Aeneas ist die Quellenlage unzureichend: die früheste musikalische Quelle, die annähernd das vollständige Werk überliefert, stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also aus einer Zeit etwa 70-100 Jahre nach der Entstehungszeit der Oper. In musikalischen Quellen aus dem 17. Jahrhundert liegt lediglich eine einzige Arie aus der Oper, nämlich Didos erste Arie „Ah, Belinda“ (I.1) gedruckt in der Sammlung Orpheus Britannicus (1698) vor.13 Dort steht sie in d-Moll, während sie in allen (späteren) musikalischen Handschriften in c-Moll steht, was auch dem streng organisierten Tonartenplan der Oper entspricht.14 Ob nun Henry Playford, der Herausgeber des Orpheus Britannicus die Tonart geändert hat, um dem Tonumfang der Sopranstimme eher gerecht zu werden oder ob in Purcells originaler Konzeption der Tonartenplan nun vielleicht doch nicht so streng organisiert war, darüber läßt sich nur spekulieren. Ansonsten liegt an zeitgenössischen Quellen nur ein einziges erhaltenes Exemplar eines Librettos vor, das jedoch in zahlreichen Einzelheiten und in einigen grundlegenden Dingen von allen überlieferten musikalischen Handschriften abweicht. 3.1 Das Libretto Das gedruckte Libretto der Oper trägt folgende Überschrift: „ AN OPERA | Perform’d at | Mr. JOSIAS PRIEST’s Boarding-School at | CHELSEY. | By Young Gentlewomen. | The Words Made by Mr. NAT. TATE. | The Musick Composed by Mr. Henry Purcell.“15 Ansonsten

exisitiert

keine

Titelseite,

Angabe

des

Druckortes,

Druckers

oder

Druckdatums, und auch der Titel Dido and Aeneas ist in der Überschrift nicht erwähnt. Die acht Folioseiten des Librettos enthalten einen Prolog und drei Akte, von denen der zweite in zwei Szenen aufgeteilt ist. Außer dem Text des Prologs und der Oper (der, wie weiter unten ausgeführt wird, nicht immer mit den erhaltenen musikalischen Quellen übereinstimmt) enthält es Szenen- und Regieanweisungen und zeigt die zahlreichen Tänze an (das Libretto erwähnt insgesamt 17 Tänze in Prolog [6] und Oper [11]). 3.2 Die Partiturhandschrift Tenbury MS Die älteste überlieferte handschriftliche musikalische Quelle der Oper ist das sogenannte Tenbury Manuscript, eine Handschrift von einem unbekannten Schreiber aus der Mitte oder zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.16 Diese Handschrift wird allgemein als am nächsten an Purcells Original heranreichend angesehen, da sie, auch wenn sie erst ca. 65-100 Jahre später geschrieben wurde, einige 'altertümliche' Schreibweisen aufweist,

13

Orpheus Britannicus. [First Book.] London 1698, 193-194. S. u., S.23. 15 Einziges erhaltenes Exemplar in der Bibliothek des Royal College of Music, London (GB-Lcm). Ein Faksimile des Librettos ist enthalten in PSE II, Bd. 3. 16 Tenbury Ms 1266, jetzt Bodleian Library, Oxford (GB-Ob), früher St. Michael's College, Tenbury. Curtis Price u.a. gehen davon aus, daß die Handschrift um 1750 geschrieben wurde, Martin Adams (Henry Purcell, Cambridge 1995, 177) gibt als Datum „not earlier than 1748“, Ellen T. Harris kommt aufgrund einer Analyse des Papiers zu einem Datum um ca. 1775. 14

8 die auf eine Vorlage aus dem 17. Jahrhundert oder frühen 18. Jahrhundert hinweisen: Wie bei Purcell üblich, werden die # -Tonarten mit einem Vorzeichen weniger ausgestattet (z.B. in der Overture c-Moll mit nur 2 #), statt des Auflösungszeichens  werden Alterierungszeichen verwendet, die Violastimme ist im Mezzosopranschlüssel notiert, und auch die Taktsignaturen entsprechen eher einem älteren Gebrauch als der moderneren Schreibweise, die von etwa 1720 an üblich wurde. Andererseits darf man nicht übersehen, daß die Abweichungen der Handschrift vom Libretto, dem ältesten und einzigen vollständig erhaltenen Dokument zu dieser Oper aus Purcells Lebenszeit, deutlich darauf hinweisen, daß diese Partitur zumindest nicht die Form des Werkes zur Zeit der Aufführung an Josiah Priests Internatschule (1689?) darstellt. In T fehlen, ebenso wie in allen anderen (späteren) Partiturhandschriften sowohl der gesamte Prolog als auch die Mehrzahl der in Lib angezeigten (instrumentalen) Tänze. Ungeklärt ist, ob Purcell den Prolog jemals vertonte. Man kann allerdings davon ausgehen, daß bei der Schulaufführung in Chelsea Musik für den Prolog vorhanden war allein die sechs darin enthaltenen Tänze verlangen Musik - und da der Titel des Librettos, der direkt über dem Beginn des Prologs steht, keinen anderen Komponisten außer Purcell nennt, besteht auch kein überzeugender Grund, daran zu zweifeln. Daß die Musik des Prologs nicht erhalten ist, läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß sie nur für einen bestimmten einzelnen Anlaß geschrieben, und demzufolge bei der späteren Abschrift des Manuskripts, das womöglich als Vorlage die Partitur der Wiederaufnahme der Oper als Einlage in The Anatomist und The Man of Mode im Jahre 1704 hatte,17 weggelassen wurde. 3.3 Differenzen zwischen Libretto und Tenbury MS Außer der bereits erwähnten Tatsache daß der Prolog in T vollständig fehlt sowie einige (instrumentale) Tänze, die in Lib angezeigt sind, nicht in musikalischen Quellen auftauchen, ist vor allem das Fehlen des Szenenschlusses in II.2. auffälligster Unterschied zwischen diesen beiden Hauptquellen. Nachdem Aeneas vom Geist der Zauberin die angeblich von Jupiter selbst stammende Aufforderung erhalten hat, Karthago umgehend wieder zu verlassen, folgt in Lib am Schluß des 2. Aktes ein Freudenchor der Hexen („Then since our Charmes have Sped“ [D]) und The Groves Dance [E]. In T und allen späteren Quellen fehlen diese zwei Stücke ebenso wie die Akteinteilung. Statt einer Aufteilung in drei Akte findet sich hier eine Gliederung in zwei Teile. Der First Part endet nach II.1. An der genannten Stelle im Second Part findet sich kein Hinweis auf einen Szenenschluß oder -wechsel, so daß es sicher erscheint, daß hier Musik verlorengegangen ist. Dafür sprechen sowohl der ansonsten so sorgsam ausbalancierte Wechsel der Tonarten innerhalb der Szenen18 als auch der ansonsten regelmäßige Abschluß der Szenen mit einem Chor und Tanz. Daß in T teilweise gesungene Texte anderen Figuren zugewiesen sind als in Lib mag eine der Freiheiten Purcells sein, die er sich gegenüber dem Libretto geleistet hat. 17 18

Vgl. S. 36. Vgl. S. 23.

9 Insbesondere davon betroffen ist die Figur der Belinda, die einige Verse zu singen hat, die in Lib Dido zugeordnet sind. Es gehörte wohl immer zu den Maßnahmen der Komponisten, hier und dort ein Wort zu ändern, eine oder einige Zeilen zu tauschen oder einer anderen Figur zuzuschreiben. Daß die Gestalt des Manuskripts T mit einer späteren Wiederverwendung der Oper als Einlage in Schauspielen zusammenhängen könnte, hat Curtis Price vorgeschlagen.19 Unklar ist jedoch auch dabei, wieso am Ende der Oper der angezeigte Cupid’s Dance nicht erhalten ist, der mit Sicherheit auf den Trauerchor gefolgt haben dürfte. 3.4 Weitere Manuskripte Die beiden weiteren bedeutendsten Quellen der Partitur, das Ohki MS (Nanki Music Library, Ohki Collection, Tokio) und Tatton Park MS, beide aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, stimmen in den wesentlichen Punkten mit T überein; sie scheinen Abschriften desselben oder einer gemeinsamen Vorlage zu sein. Die auffälligsten Unterschiede liegen in der Modernisierung der Notierung (Vorzeichen, Taktmaß). Zwei weitere Manuskripte aus dem späten 18. Jahrhundert, GB-Lbm Ms. Add. 31450 und Ms. Add. 15979, dienten Macfarren als Grundlage der ersten Ausgabe der Oper für die Musical Antiquarian Society, von denen eins später in Besitz von William H. Cummings war, dessen Ausgabe ebenfalls darauf basiert. Es handelt sich dabei um eine Konzertfassung der Oper, die am 21. April 1774 und wieder am 22. Februar 1787 durch die Academy of Ancient Music aufgeführt wurde, wie zwei erhaltene Programme zeigen.20 Diese Fassung verrät ebenfalls ihre Abhängigkeit von T oder einer mit T gemeinsamen Quelle, besitzt aber in einigen Punkten Eigenständigkeit, so wird z. B. aus Didos Gefährtin Belinda hier entsprechend Vergils Original wieder ihre Schwester Anna.

4. Datierung „Im Jahre 1689 für ein Mädchenpensionat in Chelsea komponiert und dort uraufgeführt.“ So oder so ähnlich lauten in gängigen Nachschlagewerken, Opernführern und Kommentaren zu veröffentlichten Tonaufnahmen die standardmäßigen Angaben zum Ursprung von Dido and Aeneas. Dementsprechend basieren auch zahlreiche Interpretationen der Oper, sowohl des Librettos als auch der Musik (was vor allem auch aufführungspraktische Konsequenzen hatte), auf dieser Vorstellung einer nahezu „privaten“ Aufführung durch ein Laienensemble. Musikwissenschaftler, deren spezielles Forschungsgebiet die englische Musik des 17. Jahrhunderts darstellt, wie Curtis A. Price, das Forschergespann Bruce Wood und Andrew Pinnock, der Historiker Andrew Walkling und einige andere Purcell-Forscher liefern seit einiger Zeit verschiedene Ansätze und kommen zu verschiedenen Ergebnissen, stimmen jedoch darin überein, daß die lange tradierte Auffassung, die Oper 19 20

Vgl. S. 36. Eins in der New York Public Library, ein weiteres in GB-Lcm; vgl. Harris, 125f. u. 174.

10 sei für eine Schulaufführung in einem Mädchenpensionat geschrieben worden, revidiert werden muß, und man auch wohl von einem früheren Entstehungsdatum als dem bisher angenommenen Jahr 1689 ausgehen kann. Bis zu Beginn unseres Jahrhunderts war eine Datierung der Oper in Purcells allererste Schaffensphase Konsens unter allen Musikern und Forschern. Diese Ansicht ging zurück auf John Hawkins' Angabe: One Josias Priest, a celebrated dancing-master and a composer of stage dances kept a boarding school for young gentlewomen in Leicester Fields. The nature of his profession inclining him to dramatic representation, he got Tate to write, and Purcell to set to music, a little drama, called ‘Dido and Aeneas’. Purcell was then of the Age of nineteen...21 Diese Angabe, die bis dahin fraglos akzeptiert wurde, ergab eine Datierung der Oper auf 1678-79. Im 19. Jahrhundert jedoch wurde das einzige erhaltene Exemplar eines gedruckten Librettos entdeckt, in dessen Titel ausdrücklich von Josiah Priests Schule in Chelsea die Rede ist.22 Daher konnte William Barclay Squire 1918 in einem Artikel in der Musical Times23 mit Sicherheit feststellen, daß das Werk nicht vor 1680 dort aufgeführt worden sein konnte, da Priests Schule laut einem Inserat in der London Gazette vom November 1680 erst in diesem Jahr von Leicester Fields nach Chelsea umgezogen war.24 Um diesen Widerspruch, der schon vor Barclay Squires Untersuchung bekannt war, auszuräumen, war das Aufführungsjahr zuvor um etwas mehr als ein Jahr auf 1680 korrigiert worden, dies allerdings ohne Angabe irgendwelcher weiteren Belege. Da Hawkins von „Leicester Fields“ als Aufführungsort gesprochen hatte, scheint seine Angabe auf einer Information im Zusammenhang mit Tates Libretto zu beruhen. Der Librettist Nahum Tate nämlich hatte bereits 1678 sein Drama Brutus of Alba veröffentlicht, das ebenfalls auf dem Dido-Stoff basiert, und das er ursprünglich auch unter dem Titel Dido and Aeneas begonnen hatte, wie er im Vorwort angibt.25 Als erster entdeckte Barclay Squire auch den Zusammenhang der Aufführung an der Internatsschule in Chelsea mit einem gesprochenen Epilog zu Dido and Aeneas von Thomas Durfey, der in dessen New Poems, die mit dem Erscheinungsjahr 1690 [recte im November 1689] veröffentlicht wurden, abgedruckt ist.26 So konnte er einige Mißverständnisse und unhaltbare Angaben ausräumen, und da er feststellte, daß Thomas D’Urfeys Epilog in der Ausgabe dessen New Poems von 1683 nicht enthalten ist, wohl aber in der von 1690, konnte er den Entstehungszeitraum der Oper neu eingrenzen. Aufgrund der politischen Anspielungen des Epilogs, die auf die Revolution von 1688 hinzudeuten scheinen, stellte er 1689 als wahrscheinlichste Datierung fest. Weitere Versuche der Datierung konzentrierten sich auf den Aufführungsmonat. So widmete sich W. H. Grattan Flood den greifbaren biographischen Fakten zu Lady Dorothy Burke, die den Epilog bei der Schulaufführung vorgetragen hatte und schlug

21

Hawkins, General History (1776), II, 745. Vgl. S. 7. 23 Barclay Squire, „Purcell’s Dido and Aeneas.“ MT 54 (1918), 252-254. 24 London Gazette, 22-25. Nov. 1680; Harris, Dido and Aeneas, 5. 25 Vgl. S. 15. 26 Durfey, „Epilogue to the Opera of Dido and Aeneas, perform’d at Mr. Preist’s Boarding School at Chelsey; Spoken by the Lady Dorothy Burk“, New Poems, London 1690 [recte 1689]. 22

11 Dezember 1689 als Möglichkeit vor.27 John Buttrey, der in Margaret Lauries Dissertation28 den Hinweis entdeckt hatte, daß D’Urfeys New Poems trotz des Impressumvermerks 1690 bereits im November des Jahres 1689 erschienen waren, unternahm ein Weiteres, um das genaue Aufführungsdatum im Jahr 1689 zu bestimmen.29 Ausgehend von dieser Datierung etablierte sich der Monat April 1689 als Datum der Uraufführung des Werkes, was somit die weitreichende Konsequenz einschloß, daß die Oper als von Anfang an für eine Schulaufführung konzipiertes Werk betrachtet wurde. Untermauert wurde diese Ansicht von zahlreichen Einzelheiten, die von der

taktvollen

Umsetzung

des

Stoffs,

dessen

erotische

Komponente

dem

Anstandsdenken an einer Mädchenschule entsprechend nur eine gemäßigte Rolle spielt, bis hin zu allegorischen Ausdeutungen des Prologs reicht, dessen Huldigung des Frühlings John Buttrey als Referenz an die Königin Mary II deutete. Somit plädierte Buttrey für den Geburtstag der Königin, der am 30. April gefeiert wurde, als wahrscheinlichen Anlaß der Aufführung. Margaret Laurie interpretierte den Beginn des Prologs als allegorische Abbildung der Thronbesteigung Williams und Marys und vermutet daher die Krönung des Königspaares als Anlaß der Aufführung, die am 21. April stattfand.30 Alles in allem stand der Zeitraum „Ende April 1689“ jedoch offenbar als Aufführungstermin fest, und es wurde zunächst nicht angezweifelt, daß es sich bei dieser Aufführung um die Uraufführung und wohl auch die einzige Aufführung der Oper zu Purcells Lebzeiten gehandelt habe. Der bereits von William H. Cummings vorgebrachte Einwand, daß es sich bei der Schulaufführung 1689 um eine Wiederaufführung gehandelt haben könne,31 blieb weitgehend unberücksichtigt, obwohl Barclay Squire ihn erwähnt hatte. Erst ein Fund in den späten 80er Jahren brachte einige Forscher erneut auf die Spur einer

möglichen

Wiederaufführung

des

Werkes

als

Schuloper

nach

einer

vorhergehenden Aufführung am Hof. Richard Luckett entdeckte ein Libretto zu William Blows Masque Venus and Adonis, das überschrieben ist mit "a Masque performed at Josiah Priest's School in Leicester Fields, formerly perform'd before the King".32 Demnach ist das Werk, das mit Sicherheit am englischen Hof zur Aufführung kam, einige Jahre darauf an der gleichen Schule (nur in einem anderen Gebäude) und unter demselben

Direktor

aufgeführt

worden,

für

die

die

einzige

Aufführung

von

Dido and Aeneas zu Purcells Lebzeit belegbar ist. Die zahlreichen Analogien von Blows Masque und Purcells Oper in Auswahl des Sujets, in Form und Aufbau sowie der Gestaltung, die auch weiter unten noch näher diskutiert werden sollen, und auch die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Blow und Purcell führten bald zu dem naheliegenden Schluß, auch eine Analogie in der Aufführungsgeschichte zu vermuten. Somit ließe sich eine hohe Wahrscheinlichkeit annehmen, mit der auch Purcells „Mini-Oper“ nicht ursprünglich als Schuldrama konzipiert wurde, 27

Grattan Flood, „Purcell’s Dido and Aeneas. Who was Lady Dorothy Burke?“ MT 54 (1918), 515. Laurie, Purcell’s Stage Works, Diss. Cambridge 1962. Hier insbesondere S. 51. 29 Buttrey, „Dating Purcell’s Dido and Aeneas“, PRMA 94 (1967/68), 54-58. 30 Margaret Laurie im Vorwort zur Neuausgabe von Purcells Dido and Aeneas in PSE II, Bd. 3, London 1979, S. ix. 31 Cummings hatte Barclay Squire diese Ansicht brieflich mitgeteilt, wie jener in seinem Artikel (s. Fn. 23) erwähnt. 32 Luckett, „A new source for Venus and Adonis.“ MT 130 (1989), 76-79. 28

12 sondern bereits einige Zeit vor dem angenommenen Datum 1689 als höfische Masque zur

Aufführung

gelangte

oder

zumindest

geplant

war.

Um

diesem

ersten

Aufführungsdatum auf die Spur zu kommen, gibt es verschiedene Argumentationswege, die zu mehr oder weniger unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ohne daß jedoch (bisher) eine endgültig überzeugende, abschließende Datierung möglich wäre. 4.1 Datierungsmöglichkeit 1684 Andrew Parrott und Bruce Wood griffen als erste die Möglichkeit auf, auf der Grundlage der neuen Erkenntnisse über Venus and Adonis auch die Datierung und Bestimmung von Dido and Aeneas neu zu überdenken.33 Dabei haben sie gewichtige Argumente dafür anführen können, daß der April 1689 nur schwerlich als Kompositionsdatum in Frage kommt, und somit die Vorstellung, daß das Werk als Hommage der adligen Töchter an Priests Schule für das neu gekrönte Königspaar gedacht war, stark ins Wanken gebracht. Überraschenderweise war noch niemand vor ihnen auf das Argument gestoßen, daß angesichts der Tatsache, daß William und Mary erst im März als Englands neuen Monarchen proklamiert worden waren, und Purcell, da er als Leiter der Chapel Royal sowohl für die Komposition und Einstudierung der Musik zu den Krönungfeierlichkeiten am 21. April als auch für eine Ode für den Geburtstag der Königin am 30. April („Come ye Sons of Art away“, Z 323) Sorge zu tragen hatte, in diesem einen Monat kaum noch ausreichend Zeit gefunden haben dürfte, gleichzeitig noch eine - wenn auch nur einstündige - Oper mit dem Librettisten zu konzipieren, zu komponieren, wozu dann auch noch der Leiter der Schule die Tänze choreographieren mußte, und das Ganze dann mit Laiendarstellerinnen im jugendlichen Alter einzustudieren, um sie zur Ehre des Königspaares aufführen zu lassen. Der Argumentation von Pinnock und Wood folgend, zeigt sich, daß die bisherige Datierung lediglich am Epilog zur Aufführung in Priests Schule in Chelsea hing, der jedoch weder im erhaltenen Libretto abgedruckt ist noch notwendigerweise bei der Erstaufführung gesprochen worden sein muß. Erst diese vermeintliche Grundlage der Datierung führte zu allegorischen Deutungen des Prologs im Hinblick auf die Thronbesteigung des Königspaares William und Mary, die zur weiteren Untermauerung des Datums 1689 angeführt wurden. Pinnock und Wood lösten sich von diesen vagen Voraussetzungen und versuchten, ein neues Kompositionsdatum zu ermitteln. In Ermangelung von aussagekräftigen Quellen oder nachweisbaren Fakten mußten jedoch auch sie in einem gewissen Grade zur Spekulation schreiten, indem sie vor allem anhand stilistischer Merkmale in Dido and Aeneas einen Vergleich mit anderen, sicher datierbaren Kompositionen Purcells anstellten. Daß solch ein Unterfangen immer anfechtbar ist, war wohl auch ihnen bewußt, offenbar liegt das Hauptinteresse ihrer Untersuchungen auch nicht darin ein unanzweifelbares Datum zu liefern, sondern vor allem, die bisherige „Tradition“ deutlich in Frage zu stellen. In sicher nicht ganz ernstzunehmender Weise fügen sie daher ihren stilistischen Beobachtungen einige meteorologische Anmerkungen hinzu, in denen sie - ganz im Stile der Verfechter der

33

Pinnock u. Wood, „Unscarr'd by turning times“, EM 20 (1992).

13 Allegoriedeutung des Prologs - dokumentierte Wetterbeobachtungen des Jahres 1684 mit den Anspielungen auf Wetter und Jahreszeit im Prolog korrespondieren lassen, um ein hypothetisches Kompositionsdatum 1684 zu unterstützen. Mit ihren Anmerkungen haben Pinnock und Wood immerhin deutlich gezeigt, daß vermutlich Abschied genommen werden muß von einer politisch-allegorischen Deutung des Prologs bzw. unter Annahme eines konkreten Sinnes des Prologs zumindest die bisherige Datierung 1689 nicht ohne weiteres zu halten ist. 4.2 Datierungsversuch 1687 Ausgelöst durch den Beitrag von Pinnock und Wood entstand eine rege Diskussion, die (teilweise stark polemisierend) auch methodische Fragen bei der Ergründung von unsicheren Werkdatierungen mit sich brachte. Einer der Kontrahenten in dieser Auseinandersetzung ist Andrew Walkling, der als Historiker die allegorischen Deutungsmöglichkeiten des Prologs neu zu bewerten versuchte.34 Aufgrund zahlreicher, jedoch meist spekulativer Details, die teilweise auch postwendend als Verständnisfehler oder Fehlinterpretationen aufgedeckt wurden, kommt für ihn 1687 als mögliches Datum der Uraufführung in Frage. Näheren

Aufschluß

könnte

eine

gründliche

Untersuchung

der

musikalischen

Gepflogenheiten an Priests Schule bringen. Allem Anschein nach wurden dort häufiger, vielleicht sogar regelmäßig im Frühjahr jeden Jahres Opernaufführungen inszeniert, die vorausgehend am Hof inszenierte Werke wiederverwendeten. Für diese Vermutung spricht auch eine Entdeckung Mark Goldies, der einen Brief veröffentlichte, in dem, wie er vermutet hat, Bezug auf Dido and Aeneas genommen wird.35 Plausibler als Goldies Erklärung für die Angabe „lately heard an opera“, daß im Zeitempfinden des 17. Jahrhunderts ein Zeitabstand von einigen Jahren immer noch als „lately“ gelten konnte, scheint die Vermutung, daß an Priests Schule mehrfach, vielleicht sogar regelmäßig solche Opernaufführungen stattgefunden haben, und sich dieser Brief, der nicht vor 1691 verfaßt worden sein kann, auf eine andere Aufführung bezieht. Abschließend läßt sich feststellen, daß es trotz neuer Argumentationen, die das Jahr 1689 zumindest als Jahr der Komposition nachhaltig in Frage stellen, bisher noch nicht möglich ist an ein wahrscheinlicheres Datum heranzukommen. Nach wie vor ist das einzige Datum zur Frühgeschichte von Dido and Aeneas, das mit einiger Sicherheit festzustehen scheint, weiterhin das Jahr 1689, genauer November 1689, der Zeitpunkt der Veröffentlichung von Durfeys New Poems, als terminus ante quem für eine Aufführung an Josiahs Priests Mädchenschule in Chelsea, sei dies nun die Erstaufführung oder aber eine Wiederaufnahme der Oper gewesen. Mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit kann man jedoch wohl davon ausgehen, daß das Entstehungsdatum um einige Jahre früher liegen dürfte.

34 35

Walkling, „’The Dating of Purcell’s Dido and Aeneas’?“, EM 22 (1994). Goldie, „The earliest notice of Dido & Aeneas“, EM 20 (1992).

14 5. Text und Handlung

5.1 Die Handlung Dido, die Königin von Karthago, wird von ihrer engsten Vertrauten, Belinda, aufgefordert, ihren Kummer zu vergessen („Shake the cloud from off your brow“ [2]), doch Dido kann nur ihr Leid klagen („Ah, Belinda“ [3]). Die Ankunft des Helden Aeneas, der aus Troja nach Karthago gekommen ist, und dessen Erzählungen, haben in Dido die Liebe erweckt, die sie sich und vor den anderen jedoch nicht eingestehen will. Belinda versichert ihr, daß der trojanische Fürst sie ebenso liebt, und auch der Chor des Hofstaates hofft, daß eine Verbindung der beiden glücklichere Zeiten für das Land hereinbrechen läßt. Währenddessen schmiedet eine Zauberin mit ihren Hexen Pläne („Wayward sisters“ [14b]), wie sie die Königin, die sie einzig deswegen haßt, weil ihr das Böse gefällt und alles Gute und Schöne widerstrebt, vernichten kann. Mit Hilfe eines Geistes wollen sie das junge Glück, das sich anbahnt, als Aeneas mit Dido auf die Jagd geht, zerstören. Auf einer Waldlichtung ruhen sich die Jagenden aus, während sie von Didos Gefolge mit einem Tanz unterhalten werden. Eine Hofdame singt ein Lied („Oft she visits this lone mountain“ [25]), in dem die Geschichte des Akteon erzählt wird, der von seinen eigenen Hunden zerfleischt wurde, nachdem er in einen Hirsch verwandelt worden war. Ein Gewitter, das die Hexen heraufbeschworen haben, schreckt die Jagdgesellschaft auf und läßt alle fluchtartig heimkehren („Haste, haste to town“ [27]). Nur Aeneas wird von einem Geist in Gestalt des Götterboten Merkur aufgehalten („Stay, Prince, and hear“ [28]), der ihm angeblich einen Befehl Jupiters überbringt, er solle augenblicklich Dido verlassen und (auf der Suche nach Rom, dem „neuen Troja“) mit seinem Schiff wieder aufbrechen. Dido hat böse Vorahnungen, doch Belinda versichert ihr noch einmal, daß sie von Aeneas’ Treue überzeugt ist, als sie sieht, daß er sich nähert. Zerknirscht gesteht Aeneas, daß er Karthago und Dido verlassen muß. Auf Didos erzürnte und verzweifelte Reaktion hin, beschließt er, sich dem Willen der Götter zu widersetzen und gegen ihren Befehl bei Dido zu bleiben, doch nun verlangt diese, in ihrem Stolz verletzt, daß Aeneas sie verläßt. Da er überhaupt erwogen habe, sie zu verlassen, habe er schon die Treue gebrochen. In einem heftigen Wortgefecht schickt sie ihn weg, und Aeneas verläßt die Szene. Wieder zur Ruhe gekommen, erkennt Dido jedoch, daß sie nicht mit Aeneas, noch weniger aber ohne ihn weiterleben kann („But death, alas, I cannot shun“ [35b]). Sie nimmt Abschied von Belinda und der Welt („When I am laid in earth“ [38]) und stirbt in Belindas Armen. Amouretten erscheinen, tanzen und streuen Rosen auf ihr Grab („With drooping wings“ [39]). Dies ist die Handlung, wie sie in Tates Libretto dargestellt wird. Sie basiert auf der Erzählung Vergils, setzt auch deren Kenntnis voraus, z.B. um Didos Kummer zu Beginn der Handlung zu motivieren oder auch ihr Zögern, die Liebe zu Aeneas einzugestehen. Andereseits werden zahlreiche Elemente und Figuren der Handlung verändert oder ganz neu eingeführt: besonders auffällig die Zauberin mit ihren Hexen, oder aber auch die Art,

15 wie Dido schließlich stirbt. Daher gibt ein Blick auf die Abhängigkeit der Handlung der Oper von Stoff- und Motivquellen und möglichen Vorbildern Aufschluß über die Entstehung des Librettos.

5.2 Textquellen und Vorbilder 5.2.1 Vergil, Aeneis, Buch IV In Vergils Epos wird die Dido-Episode, deren zugrunde liegende Sage bereits vom römischen Geschichtsschreiber Naevius (3. Jh. v. Chr.) mit der Gründungssage Roms und der Gestalt des Aeneas in Verbindung gebracht wird, künstlerisch ausgestaltet und zu einem bedeutenden Bestandteil der Aeneassage, die wiederum eine bedeutende Grundlage für die Literatur des Abendlandes darstellt. Vergil schildert in Einzelheiten, wie die karthagische Königin Dido aus Schmerz über den Verlust ihres Mannes Acerbas und Treue zu ihm gelobt hat, nie wieder einen anderen Mann zu lieben. Auch ist es hier ihre Schwester Anna, deren eigenes tragisches Schicksal in Ovids Fasti erzählt wird, die sie überredet, ihrem Schwur untreu zu werden und zum Vorteil des Landes und ihres eigenen Seelenfriedens willen ihrer Liebe zu Aeneas nachzugeben. Auf einer Jagdpartie vollziehen die beiden ihre Liebe in einer Höhle, kurz darauf jedoch erscheint, von der eifersüchtigen Juno veranlaßt, Merkur dem Aeneas, um ihn an seinen göttlichen Auftrag (die Gründung einer neuen Stadt) zu erinnern. Aeneas verläßt Dido, die sich gebrochenen Herzens auf einem Scheiterhaufen selbst mit dem Schwert durchbohrt. Vergils Epos erschien im 17. Jahrhundert in zahlreichen englischen Übersetzungen, die als mögliche Quelle für Tates Libretto in Frage kommen.36 Es ist aber genauso gut möglich, daß die bekannte Sage von ihm ohne Benutzung einer eindeutig zu identifizierenden Quelle bearbeitet wurde. Aufschlußreicher als die Gemeinsamkeiten mit der Vorlage sind die Elemente seines Librettos, die offensichtlich von Vergils Schilderung abweichen, da sich an ihnen anderweitige Einflüsse aufzeigen lassen. Die

Aeneaslegende

von

Geschichtsschreibung

des

der

Gründung

Mittelalters,

Roms

ähnlich

wie

wurde

in

der

britischen

in

antiken

römischen

der

Historiographie, mit den dynastischen Ansprüchen des britischen Königshauses in Einklang gebracht. Aeneas’ Enkel Brutus (oder „Brito“) stellt den Geschlechtsgründer der „Briten“ dar, der wie sein Vater Aeneas eine Reise unternahm, um ein neues Reich, Albion, zu finden. So schildert es Geoffrey of Monmouth in der Historia regum Britanniae (1130/40),37 die das Geschlecht der englischen Könige (zu denen unter anderem auch die sagenhaften Könige Lear und Artus gehören) auf Brutus und somit auch auf Aeneas bzw. auf die antiken Götter zurückführt. Nahum Tate selbst hat diese Version der Aeneaslegende zum Stoff seines Schauspiels Brutus of Alba (1678) gemacht, dessen Ähnlichkeiten mit dem Libretto zu Dido and Aeneas speziell bei der Datierung und in der Entstehungsgeschichte zu Verwechslungen und Mißverständnissen geführt haben (s. o.). 36

Besonders verbreitet war die Übersetzung von Richard Fanshawe, The fourth Book of Virgills Aeneas | on the Loves of Dido and Aeneas, London 1647/48, Repr. 1664, 1676. 37 Vgl. Buttrey, „Dating Purcell’s Dido and Aeneas“, 55ff.; Price, Henry Purcell and the London Stage, 226.

16 Im Vorwort zu diesem Schauspiel hatte Tate angemerkt, das er das Stück unter dem Titel „Dido and Aeneas“ verfaßt, dann aber, auf den Rat von Freunden hin und um dem Vergleich mit Vergil nicht ausgesetzt zu werden, den Titel geändert habe.

5.2.2 Nahum Tate, Brutus of Alba: or, The Enchanted Lovers (1678). Im Unterschied zu Dido and Aeneas handelt es sich bei Brutus of Alba um ein heroic play mit vollständig entwickelten Charakteren, das von sprachlicher Gewalt strotzt. Dennoch sind die äußerlichen Ähnlichkeiten mit dem Opernlibretto erwähnenswert. Die Hauptfiguren finden in den beiden Stücken durchaus ihre jeweiligen Entsprechungen:38 Brutus Königin von Syrakus Amarante, ihre Vertraute Ragusa, eine Zauberin

Aeneas Dido, Königin von Karthago Belinda Zauberin

Die Handlung ist weitgehend dieselbe wie in Dido and Aeneas, und auch die musikalischen Einlagen des Schauspiels zeugen von thematischen Verbindungen: nach der Jagd im 3. Akt wird ein Tanz an Dianas Brunnen vorgeführt (vgl. Dido and Aeneas, II.2: „…Diana’s self might to these woods resort“ [24]; Gitter ground a Dance [B]; „…oft she bathes her in this fountain“ [25]; A dance to entertain Aeneas by Dido’s Women [25b]). Besonders interessant erscheint jedoch, daß nachdem Brutus die Königin von Syrakus verlassen hat, diese von ihrer Gefährtin Amarante mit „Soft Musick, and complaining Songs“ zu beruhigen versucht wird,39 und hier, direkt vor dem Tod der Königin, ein Klagelied der Venus über den Tod des Adonis in einer Vertonung von Thomas Farmer (im übrigen wie Didos Lamento in g-Moll) eingefügt ist. Insbesondere im Hinblick auf die Beziehung zwischen Blows Venus and Adonis und Purcells Dido and Aeneas erscheint dies als keine zufällige Verstrickung der verschiedenen Mythen.

5.2.3 John Blows Venus and Adonis Dieses durchkomponierte Werk, das im Untertitel „A Masque for the entertainment of the King“ bzeichnet ist wurde vermutlich um 1681/82 am Hof aufgeführt. Richard Luckett entdeckte, daß diese Miniaturoper ebenso wie Dido and Aeneas an Josiah Priests Schule in Chelsea aufgeführt wurde, nämlich im Jahre 1684.40 Während die bisher erwähnten Quellen auf Dido and Aeneas vor allem stoffliche und motivische Einflüsse ausübten, stellt John Blows Masque ein in weiten Belangen mit der Oper von Purcell und Tate korrespondierendes Werk dar. Augenfällig ist die Ähnlichkeit des Stoffes - wenn auch mit etwas anderen Vorzeichen: ein edles Liebespaar, das sich nur zögernd die Liebe eingestehen kann wird getrennt, bevor es in dieser Liebe eigentlich

38

Price, Henry Purcell and the London Stage, 226. Tate, Brutus of Alba; hier zitiert nach ebd., 227. 40 Luckett, „A new source“; vgl. S. 11, Fn. 32. 39

17 leben kann. Bei Blow ist es der Tod des Adonis auf einer Jagd, zu der Venus ihn gedrängt hat, wodurch das Liebesglück verhindert wird. Viel auffälliger aber als solch eine Ähnlichkeit sind die formalen Ähnlichkeiten literarischer und musikalischer Art sowie die Figurenkonstellationen: ebenfalls in drei Akten mit Prolog und Epilog spielt sich die Handlung der Tragödie wie bei Purcell/Tate ab. Der Librettist ist unbekannt, man kann ihn jedoch im Umfeld Nahum Tates vermuten.41 Die beiden Protagonisten haben jeweils ihr Gefolge, die Katastrophe ereignet sich bei der Jagd. Den tragischen

Ereignissen

werden

jeweils

komische

oder

burleske

Elemente

entgegengesetzt: bei Blow sind dies die Cupids in der „Elementarschule“ der Venus und die Huntsmen, bei Purcell/Tate begegnen wir den Seeleuten und den (stummen) Spaniards. Übernatürliche Kräfte spielen eine Rolle (Götter, Zauberin und Hexen) und Naturereignisse künden von der Entwicklung des Handlungsverlaufs. Was bei Dido der Hofstaat ist, wird bei Venus durch die (der pastoralen Umgebung angemessenen) Schäferinnen und Schäfer verkörpert. Adonis hat eine ähnlich tumbe Rolle wie Aeneas, und eindeutig dominieren die weiblichen Protagonisten die Handlung und verursachen die dramatische Spannung. Blows und Purcells kompositorische Verwandtschaft, die ihre engen Beziehungen als Lehrer und Schüler bzw. später als Kollegen am Hof verrät, zeigt sich in der Gestaltung der Szenen mit Instrumentalstücken, ariosen Rezitativen und Chorsätzen. Die Prädominanz der zahlreichen Tänze rührt von der ursprünglichen Verwendung des Stückes als masque am Hofe her. Umso mehr deutet die große Anzahl von Tänzen auch bei Dido auf den Ursprung dieser Oper als höfische masque hin. Es zeigt sich auch eine tonartliche Verwandtschaft in vergleichbaren Szenen, die jedoch eher auf ein Konzept vom Affektgehalt bestimmter Tonarten hinweist, als auf ein formales Gestaltungsprinzip, wie es für Purcells Oper so gerne angeführt wird. Eine weitere frühe englische „Oper“, ein Werk, das außer den verlorenen „The Siege of Rhodes“ und „Psyche“ meist als die früheste englische Oper bezeichnet wird,42 spielt in der Genese von Dido and Aeneas eine Rolle. Es handelt sich um John Drydens Albion and Albanius (1684), das im Auftrage des Königs von Louis Grabu vertont wurde. Daß mit der Vertonung dieses Librettos des englischen poet laureate John Dryden kein Engländer sondern der Franzose Louis Grabu beauftragt wurde, scheint anzuzeigen, wie wenig die Form der Oper oder der tragédie lyrique den englischen Komponisten zugetraut wurde. Tatsächlich war die durchkomponierte Oper bis dahin ja in England nahezu unbekannt. Daher stellt Grabus Komposition - neben anderen französischen Opern, die am Hof des frankophilen Charles II. zur Aufführung gelangten - eins der Modelle dar, an das Purcell anschließen konnte. Die Art der Szenengestaltung in Dido and Aeneas ebenso wie in Blows Venus and Adonis zeigt daher auch deutliche Anklänge an den Szenenaufbau der französischen tragédie lyrique. Vor allem aber ist es der Prolog zu Dido and Aeneas, in dem inhaltliche Bezüge zu Drydens Libretto zu finden sind: Nereiden und Tritonen spielen hier eine Rolle, neben 41

Auch Aphra Behn wurde als mögliche Urheberin des Librettos vorgeschlagen, vgl. Duffy, Purcell, 100. Es handelt sich um das älteste durchkomponierte Bühnenwerk aus England, dessen Partitur gedruckt wurde und das vollständig erhalten ist. 42

18 Neptun und der Sonne, die als Sinnbilder der Monarchie verherrlicht werden. Dies sind konventionelle Allegorien, die konkrete Gleichsetzung der Sonne mit William und Venus’ mit Mary jedoch, wie sie für den Prolog von Dido and Aeneas oftmals angenommen wurde,43 beruht jedoch auf einem Mißverständnis bzw. auf mangelhafter Aufmerksamkeit bei der Untersuchung des Librettotextes, insbesondere der Bühnenanweisungen. („descends in a chariot...“, „half eclipses mine“, „rising star from the ocean“ etc.) Würde man eine solche Deutung wirklich zu Ende führen wollen, wären zahlreiche Bemerkungen nur als unverschämte Taktlosigkeiten zu verstehen44 und kaum geeignet, dem Herrscherpaar gegenüber als gebührende Huldigung durch drei Hofangestellte (Tate, Priest und Purcell) verstanden zu werden.

5.3 Das Libretto von Nahum Tate In nahezu allen Äußerungen über Dido and Aeneas wird dem Librettisten Nahum Tate gegenüber Purcell eindeutig schwächerer Tribut gezollt, er gilt gemeinhin als ein mittelmäßiger Schreiber, dessen Hauptbetätigungsfeld die Bearbeitung von älteren Theatertexten gewesen sei. Auch für seinen Beitrag zur Oper Dido and Aeneas wird ihm in der Regel kein überragendes Lob zuteil, im Gegenteil, die darin vorhandenen Schwächen aufzuzeigen scheint, ein besonderes Anliegen verschiedener Autoren zu sein.45 Auch wenn manche Einwände gegen seinen Text gerechtfertigt erscheinen, so ist die generelle Ablehnung seiner Arbeit unverständlich und spiegelt zudem nicht die Anerkennung wider, die dem Dichter von seinen Zeitgenossen entgegengebracht wurde. Nahum Tate (1652-1715) ist irischer Abstammung (ursprüngliche Schreibweise des Namens: Teate), absolvierte ein Studium an der Universität Dublin, das er 1672 abschloß.

Seine

erste

Sammlung

von

Gedichten

erschien

1677.

Weitere

Veröffentlichungen von ihm sind Brutus of Alba (1678), A Duke and no Duke (1684), Poems (1684), Poems by Several Hands (1685), Cuckold’s Haven (1685). 1692 erhielt er den hoch angesehenen Titel des poet laureate am englischen Hof als Auszeichnung für seine bis dahin verfaßten Werke und wurde damit Nachfolger von Thomas Shadwell (seit 1689) und keines geringeren als John Dryden (seit 1668). Alle vermeintlichen Schwächen des Librettos, vor allem die wenig ausgeführten Figuren und die sprunghaften Dialoge, bieten eine hervorragende Grundlage für eine Vertonung durch die Möglichkeit, die knappe dramatische Entwicklung auch ohne zahlreiche Rezitative voranzutreiben, was von Purcell auch ideal genutzt wurde. Was an sprachlichen oder motivischen Ungeschicklichkeiten vorkommt, mag kritisiert werden („Our plot has took, the Queen’s forsook“), andererseits finden sich durchweg klare, durch Rhythmus und Reim strukturierte Verse, die oftmals eine Vertonung geradezu vorwegnehmen („See, see, the royal guest appears, how godlike is the form he bears“).

43

Buttrey, Laurie, Walkling etc. Schon allein die Eröffnungszeilen („From Aurora’s spicy bed...“) könnten als eine Anspielung auf den ständigen Ehebruch, den der Sonnengott mit Aurora begeht, gedeutet werden: eine mögliche Deutung, die auf den König übertragen und in Anwesenheit der Königin sicherlich nicht ohne Brisanz wäre. 45 Dent, Holst etc. 44

19 6. Die Figuren der Handlung

6.1 Dido Die uneingeschränkte Zentralfigur der Handlung ist Dido. Auch wenn der Hauptantrieb der Aktion eher von den überirdischen, magischen Mächten der Zauberin und ihrer Gehilfen ausgeht, konzentriert sich das Streben aller beteiligten Figuren auf sie: Belinda, ihre Vertraute ist um sie und ihren Gemütszustand besorgt, Aeneas ringt um ihre Gunst, die Zauberin und Hexen wünschen ihr Verderben. Von dieser Konstellation ausgehend entspinnt sich die Handlung. Daß Dido sich zu Beginn der Oper im Zustand tiefster Melancholie befindet, beruht auf ihrer Situation als Witwe, die gelobt hat, nie wieder einen Mann zu lieben, und ihrer Begegnung mit Aeneas am Tag zuvor. Ihre Verfassung wird gleich zu Beginn der Oper durch Belinda verdeutlicht: „Shake the clouds from off your brow“ [2]. Die Vorstellung von den „umwölkten Augenbrauen“ entspricht den physiognomischen Erläuterungen der Melancholie - eines der gängigsten barocken Themen - wie sie im 17. Jahrhundert kursierten.46 In ihrer ersten Arie charakterisiert sich Dido ausdrücklich selbst: „I am pressed with torment“, „peace and I are strangers grown, I languish til my grief is known“ [3]. Die vorherrschende Tonart c-Moll unterstreicht ebenfalls das Motiv der melancholy.47 In der ersten Szene der Oper, in der Belinda und der Hofstaat (Chor) bemüht sind, Didos Gemüt aufzuheitern, ein Thema, das auch im Prolog schon angeklungen war („...and leave thy melancholy...“). Zur Linderung einer melancholischen Gemütsverfassung spielte Musik zur Kurierung von jeher eine große Rolle.48 Danach tritt Dido vor dem Ende der Oper mit ihrer Sterbeszene nur noch ein einziges Mal wieder selbst in Erscheinung, bezeichnenderweise mit dem Satz „The skies are clouded“ [26]. Das Wetter, insbesondere Wolken und Stürme, dienen der Spiegelung von Didos Gemütsverfassung. Um sie herum türmt sich - für sie ebenso unbeeinflußbar wie die Naturgewalten - das „Unwetter“ auf, das zu ihrem Leid und schließlich zu ihrem Tod führt. Nachdem Aeneas entschlossen ist, Dido wieder zu verlassen, was sie schon ahnt, ohne daß sie es ausdrücklich erfahren hat, entspinnt sich der heftigste Dialog der Oper [35], in dem Dido den reumütigen Aeneas nun ihrerseits abweist, da er sie schon dadurch verraten habe, daß er überhaupt nur daran gedacht hat, sie zu verlassen. Ihre stolze, unnachgiebige Haltung entspricht zum einen dem Ehrbegriff ihrer Zeit, den sie schon einmal dadurch verletzt hat, daß sie gegen ihr Gelübde wieder einen Mann geliebt hat, zum anderen aber entspricht sie auch dem zeitgenössischen Frauenbild einer edlen Frau mit weichem Herzen, in ihren eigenen Worten „so soft so sensible my breast“ [6], eine Charakterisierung, die auch im Schlußchor wieder aufgenommen wird: „Soft and Gentle as her Heart“ [39]. Es ist der Schmerz, der ihr zugefügt wurde („injur’d Queen“ [28]; „injur’d Dido“ [35]), aufgrund dessen sie sterben muß, wenn Aeneas fort ist („But death,

46

Vgl. Robert Burton, Anatomy of Melancholy (1651/52). Vgl. S. 23. 48 Vgl. Pills to purge melancholy, eine Sammlung von Liedern, hg. von Thomas D’Urfey (erschienen bei Henry Playford). 47

20 alas, I cannot shun, death must come, when he is gone“ [35b]). Dido ist als Figur so angelegt, daß sie ihr Schicksal nicht selbst bestimmen kann, sondern fremden Mächten unterworfen ist - ihre letzten Klagen zeugen von der Ausweglosigkeit: Belindas Rat ist vergeblich („Your Counsel all is urg’d in vain“ [35]), an Himmel und Erde kann sie sich nicht wenden, da jene ihren Fall verursacht haben („Earth and Heaven conspire my Fall“, [35]), ihre nächste vergebliche Hoffnung bleibt das Schicksal („To Fate I sue...“ [35]), so ist ihr einziger Ausweg der Tod („Death is now a welcome guest“ [37]). Ihre berühmte und bewegende Todesklage [38], ein Lamento, dessen ground-Baß zugleich an eine Chaconne erinnert, wird so gleichsam zu einem zeremoniellen Hochzeitstanz, der Didos Verbindung mit dem Tod markiert.49

6.2 Die Sorceress und die witches Tates Zauberin in Dido and Aeneas ist die eigentlich bestimmende Macht in der Handlung. Von ihren Plänen ausgehend bestimmt sich das Schicksal der Königin und des trojanischen Helden wie darüber hinaus das Schicksal Karthagos und des von den Göttern prophezeiten neuen Trojas, Rom, und von dort aus schließlich auch das Schicksal Britanniens.50 Ihre Motivation, die sich ebenso auf die ihr zugeordneten Hexen überträgt, sind Haß auf alles Gute, Schöne („The Queen of Carthage whom we hate, As we do all in prosp’rous State“ [16]) und Lust an Schaden und Zerstörung („Harm’s our delight“ [15]; „Destruction’s our delight“ [33]). So verkörpern sie das Böse, das stets darauf aus ist, das Gute zu verhindern. Die Sorceress steht damit auf einer Ebene mit den Göttern der Mythologie, deren Eifersucht und Feindschaft untereinander, die Handlung bei Vergil motiviert. Zugleich repräsentiert sie aber auch die dunklen Seiten in Didos Unterbewußtsein, deren Schicksalhaftigkeit in Didos Bewußtsein zu selbstzerstörerischen Konsequenzen führt. Die Sorceress ist die lenkende Kraft der Intrige, ihre ausführenden Organe jedoch sind Hexen und ein Spirit, den sie selbst geschaffen hat. Das Auftreten der Hexen in Dido and Aeneas als Mächte des Schicksals läßt unweigerlich an die Hexen in Shakespeares Macbeth denken, und die Einflüsse können aufgezeigt werden. Bei Vergil spielen Hexen keine Rolle, dort sind es die Götter, die über das Schicksal bestimmen. In der Zeit der Restauration war jedoch Shakespeares Schauspiel vom grausamen schottischen König Macbeth, dessen Schicksal ebenfalls von übersinnlichen

dunklen

Mächten

gelenkt

scheint,

mehrfach

in

modernen

Überarbeitungen auf die Bühne gekommen. William Davenant (1606-1668), der sich als Patenkind und illegitimer Sohn Shakespeares ausgab, hatte eine Adaption des Macbeth verfaßt, deren erste Fassung 1663 fertiggestellt war. 1674 wurde das Stück mit Musik von Matthew Locke51 wiederaufgeführt und blieb offensichtlich nicht ohne Auswirkungen auf andere Librettisten. In Tates Libretto lassen sich zahlreiche Anlehnungen an Shakespeares/Davenants 49

Hexenszenen

erkennen,

angefangen von der Anrede

Vgl. Mellers, 217. Vgl. S. 15. 51 Die Musik des Schauspiels wurde in einer verderbten Version von William Boyce veröffentlicht: The Original Songs Airs and Choruses which were Introduced in the Tragedy of Macbeth [...] Revised and Corrected by Dr. Boyce. London 1770. 50

21 „wayward sisters“ [14b], in der eindeutig Shakespeares „weird sisters“ zitiert werden, über Gesinnungsäußerungen wie „Destruction[’s] our delight, delight our greatest sorrow“ [33] (vgl. mit Shakespeares „foul is fair and fair is foul“) bis hin zu einem Song in Davenants Adaption „Speak, Sister, speak“ (vgl. mit „Say, Beldam, say“ [14b]). Das Auftreten der Hexen als rein komisches Element der Oper zu verstehen ist mit Sicherheit eine Fehldeutung, schließlich war deren Entstehungszeit noch eine Zeit, in der in ganz Europa „Hexen“ gejagt, gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Auch in England verband sich offenbar die Lust an einem gewissen gruseligen Kitzel bei der Darstellung von Hexen auf der Bühne mit einer gehörigen Portion ängstlichen Respekts vor überirdischen, teuflischen Wesen. Zudem wurde auch der Katholizismus, dessen mögliche Wiederkehr als Staatsreligion im 17. Jahrhundert stets die innere Sicherheit Englands bedrohte, mit seinen Riten und Gebräuchen oftmals mit einem „Hexensabbat“ und teuflischen Gebräuchen verglichen und verunglimpft. Etliche Pamphlete,

Hetzen

und

Predigten

gegen

das

Hexenwesen

sowie

zahlreiche

Schauspiele, in denen sie eine Rolle spielen, geben davon ein beredtes Zeugnis.52

6.3 Belinda und 2nd Woman Belinda ist die engste Vertraute Didos - sie entspricht der Figur von Didos Schwester Anna bei Vergil und Ovid -, die ihr am deutlichsten zurät, die Verbindung mit Aeneas gegen ihre Zweifel einzugehen. Belinda, der, wohl als Pendant zu den zwei Hexen der Zauberin, eine „zweite Frau“ zur Seite gestellt wird (deren Verse jedoch in den verschiedenen Quellen uneinheitlich einmal dieser, einmal jener zugeteilt werden), versucht Dido zur Sorg- und Furchtlosigkeit zu bewegen („Fear no danger“ [7]). Sie vergegenwärtigt Dido, daß sie sich längst in den Helden Aeneas verliebt hat („The Trojan guest into your tender thoughts has prest“ [4]) und bestärkt sie in ihrer Bewunderung für Aeneas („How godlike ist the form he bears“ [8]). Zudem bemüht sie die überirdischen Kräfte der Liebe, da sie in Didos Augen die „Flamme der Liebe“ schon erkannt hat, auch wenn ihre Worte sie noch leugnen („Pursue thy conquest, Love“ [11]). Eine psychologisierende Deutung der Oper könnte so weit gehen, daß Belinda, ebenso wie die Zauberin, ein alter ego der Dido darstellt, in diesem Fall die Seite ihres Unterbewußtseins, das in der Hoffnung auf Glück und Zufriedenheit, ihrem Zögern in der Erwiderung von Aeneas’ Liebesbeteuerungen ein Ende bereitet und ohne Furcht und übersteigertes Ehrbewußtsein ihren eigenen Gefühlen nachgibt. Noch im bereits bestehenden Zweifel Didos an Aeneas Treue, versucht Belinda ihr Hoffnung zu machen („Such Sorrow in his looks he bears, As would convince you still he’s true“ [35]), doch bleibt ihr schließlich nur die Rolle der hilflosen Vertrauten, die Didos Vermächtnis hört, als sie an Belindas Brust stirbt („Thy hand Belinda“ [37]).

52

Zum Beispiel Thomas Shadwell, The Lancashire Witches (1681); vgl. dazu auch Plank, „And now about the cauldron sing: Music and the supernatural on the Restoration stage“, EM 18 (1990), 393-407 sowie Price, Dido and Aeneas, 10f.

22 6.4 Aeneas Der trojanische Held Aeneas spielt in der Oper eine eigenartig ambivalente Rolle. Seine Heldenhaftigkeit und sein Mut sind nicht seinen Aktionen im Rahmen der Handlung zu entnehmen, sondern werden ausschließlich durch die Reaktionen vermittelt, die er hervorruft. Die Liebe, die er bei Dido hervorgerufen hat, gründet sich auf der Erzählung seiner Heldentaten („What storms, what battles did he sing“ [6])53. Seine Vorzüge sind zum einen seine Stärke, zum anderen sein Sanftmut gepaart mit Schönheit („Anchises’ valours mixed with Venus’ charmes | How soft in peace, and yet so fierce in arms“ [6]). Dem Bild eines souverän handelnden Helden und Herrschers und vor allem dem des treuen Liebenden wird Aeneas jedoch nicht gerecht. Er wirbt um Didos Liebe, die diese ihm schließlich schenkt. Der blutende Kopf des Ebers auf seinem sich biegenden Speer, den er stolz bei der Jagd präsentiert, ist ein deutliches Symbol des Phallus und für die vollzogene sexuelle Vereinigung des Helden mit der jungfräulich verwitweten Königin. Darüberhinaus verweist dieses Symbol explizit auf die Geschichte von Venus und Adonis, in der Adonis’ Tod durch den Angriff des Ebers das Liebespaar trennte. Seine Präsenz beschränkt sich auf wenige Szenen, in denen ihm von Purcell ausschließlich rezitativische Sätze zugeteilt sind. Der eher lyrische Charakter des Arioso scheint ihm nicht zugeordnet zu sein. Die im dramatischen Dialog am stärksten ausgearbeitete Szene ist jedoch das Aufeinandertreffen zwischen Dido und Aeneas, nachdem dieser den Befehl zur Abreise erhalten hat. Der nachfolgende Streitdialog, bei dem im Moment der größten Zuspitzung Aeneas und Dido gleichzeitig gegeneinander singen, ohne daß noch ein dialogischer Austausch stattfindet, stellt auch die bisherige Charakterisierung des Aeneas auf den Kopf: Dido bezeichnet ihn als „faithless man“, vergleicht seinen Kummer mit den Tränen des „deceitful crocodile“ und seine Entschuldigungsversuche mit denen von „hypocrites that murder act“ [35]. Didos Zorn und Verletztheit ist durch all seine Beteuerungen und auch durch die Änderung seiner Absichten („I’ll stay“ [35]) nicht mehr zu besänftigen, auch Belindas anfängliche Versuche, seine Position zu stützen („Such sorrow in his look he bears, As would convince you still he’s true“ [35]) reichen dazu nicht aus. Die tragische Dimension der Ausweglosigkeit („what shall lost Aeneas do“ [35]) seines Zustands erwächst aus dem Spannungsfeld der (ironischerweise falschen) göttlichen Forderung und dem Anspruch der Liebe und Treue seitens Dido. Die tragische und fatale Dimension für Dido besteht aus ihrer stolzen Haltung einerseits und ihrer verlorenen Ehre sowie unglücklichen Liebe zu Aeneas andererseits („Death must come when he is gone“ [35b]).

53

Diese Stelle ist ein deutliches Echo der berühmten ersten Verse Vergils „arma virumque cano“.

23 6.5 Die Chöre: Hofstaat, Hexen, Seeleute und Tragödienchor Die besondere Rolle der Chöre in Dido and Aeneas ist unbestreitbar: etwa ein Drittel der gesamten Oper besteht aus Chorsätzen. Dabei werden dem Chor verschiedene Rollen zuteil: Zum einen verkörpert er den Hofstaat Didos, der vereint mit Belinda und der „zweiten Frau“ in Didos Gefolge versucht, Dido zur Liebe zu ermuntern [2b, 5, 7b] und sie mit Aeneas auf die Jagd begleitet [24b, 27b]. Dann agiert er als Chor der Hexen, die ihren höllischen Plan schmieden [14b, 17, 19, 21, (C,) 33], stimmt ein in den Gesang des Matrosen [29c] und ist zudem auch kommentierender Chor der Tragödie, der aus der Distanz die Handlung betrachtet [9, 36] und schließlich an Didos Grab die Klage anstimmt [39]. In seinen zwei in die Handlung integrierten Funktionen als Chor des Hofstaates und der Hexen, sind ihm jeweils zwei Solisten (Belinda/2nd Woman bzw. die beiden witches) als Chorführerinnen vorangestellt.

7. Die musikalische Gestalt

7.1 Der „Tonartenplan“ In großem Umfang geht die Forschung zu Dido and Aeneas immer wieder auf den der Oper zugrunde liegenden Tonartenplan ein, der ein formales Gestaltungsprinzip darstellt und sogar Aufschlüsse über die Unvollständigkeit des 2. Aktes zuläßt. Daß die Oper, in der Form, wie sie uns überliefert ist, eine starke Konsequenz im Gebrauch der Tonarten aufweist, ist unübersehbar und läßt sich aus der unten stehenden Übersicht leicht ablesen. Zu bedenken ist jedoch, ob es sich hierbei nicht in viel stärkerem Umfang um ein tonartencharakterliches als um ein formales Gestaltungsmerkmal handelt. Curtis Price hat die den im 17. Jahrhundert gebräuchlichen Tonarten aufgrund der Verwendung zum Ausdruck der verschiedenen Affekte bei englischen Komponisten eine Systematik entnommen, die sich auf Dido and Aeneas nahezu uneingeschränkt anwenden läßt.54 Demnach versinnbildlicht die Tonart g, deren Grundton als Gamma ut den tiefsten Ton des im 17. Jahrhundert gebräuchlichen Tonsystems darstellt, den Tod (auch le petit mort in Liebesszenen) oder das Grab und ist zugleich die gängige Tonart für den LamentoBaß. Durch die Tonarten d und a wird Erotik symbolisiert. Die Tonart f, die zu den entferntesten spielbaren Tonarten in der nicht gleichschwebend temperierten Stimmung gehört, assoziiert Schrecken und Horror, vor allem übernatürlicher Art. Die Tonarten F und B sind stets mit pastoralen oder burlesken Szenen verknüpft. C und D, die gebräuchlichen Tonarten der Trompeten, stehen für Triumph oder verkörpern die Monarchie (C auch übertriebener Pomp, D feierlicher Pomp). Mit der Tonart c zeigen sich Melancholie, Ernst oder Ehrfurcht; e ist Signal für das Eingreifen des Schicksals. Ebenso, wie die Handlung von Szene zu Szene eine gewisse Wendung nimmt, deren Affektgehalt

54

Price, Henry Purcell and the London Stage, 21-26.

24 immer unterschiedlich ist, benutzt Purcell die jeweilige Tonart, die mit den zugeordneten Assoziationen übereinstimmt.

Act I

1-6

c

Sorge, Kummer

c-C-e-C

7-8

C

Trost, Hoffnung

8-9

e

Liebe als Schicksal

10-13

C

Freude, Triumph

Act II, 1

14, 16

f

Unheil, Bedrohung

f-F-d-F

15, 17-19

F

diebische Freude

20

d

?

21-22

F

diebische Freude

Act II, 2

23-26

d

(„pastorale“) Entspannung

d - D - a - [?]

26-27b

D

Signal (Eile, Aufbruch)

28

a

Übernatürliches

[C-D]

[d?]

Act III

29-34

B

burleske Freude

B-g

35-39

g

Leid (Lamento), Tod

[F]

[B?]

7.2 Szenengestaltung Deutlichstes Merkmal für einen französischen Einfluß auf die Gestaltung der Oper ist der Szenenaufbau, wie ein Vergleich mit der französischen tragédie lyrique vergegenwärtigt: diese besteht in der Regel aus einem Prolog (mit eigenem Sujet und einer eigenen Ouvertüre), einer Ouvertüre zur Oper und deren 5 Akten mit einzelnen Szenen (entrées). Diese einzelnen entrées (im Englischen „entries“) wiederum sind wie folgt aufgebaut: Rezitativ - Arie (Arioso) - Chor - Tanz Diesen Szenenaufbau findet man auch in Grabu/Drydens Albion and Albanius von 1684 und Lullys Cadmus et Hermione, die in London 1686 aufgeführt wurde. Vergleicht man diese Form nun mit Purcells Oper, dann finden sich in Dido and Aeneas sechs Szenen, die jeweils dem formalen Aufbau nahezu entsprechen, vorausgesetzt man ergänzt die in den Partiturhandschriften fehlenden Sätze, die das Libretto anzeigt. Eine Einteilung in diese sechs Szenen wird weder durch die Partituren noch das Libretto so wiedergegeben, immerhin korrespondieren aber die unterschiedlichen Einteilungen von Lib in drei Akte [2-13, 14-E, 29-F] und Tenbury MS in zwei „Parts“ [1-22, 23-39] mit dieser Aufteilung, nach der die sechs Szenen aus folgenden Nummern bestehen: 1: [2-7b] | 2: [8-13] | 3: [14-22] | 4: [23-E] | 5: [29-34] | 6: [35-F]

25 Jede

dieser

Szenen,

die

dem

Verlauf

der

dramatischen

Handlung

folgend

unterschiedliche Anteile an Rezitativ und Arien haben, beginnt mit dem Auftritt der Protagonisten der jeweiligen Szene und endet mit einem Chor und einem Tanz.

7.3 Motivische Geschlossenheit In besonderer Weise läßt sich in Dido and Aeneas ein musikalisches Motiv feststellen, das die ganze Oper durchzieht: Ein einheitliches „Leidensmotiv“ (grief motif)55 erscheint durchweg an den verschiedenen Stellen, an denen Leid und Schmerz eine Rolle spielen: es handelt sich um eine verminderte Quarte (meist abwärts, aber auch aufwärts), flankiert von den benachbarten Halbtönen (z.B.: a-b-fis-g)

Dieses Motiv wird sehr deutlich immer wieder als „expressives Mittel“ verwendet, erhält dadurch nahezu „Signalfunktion“ für einen bestimmten Affekt. In etwas verkürzter Form erscheint dieses Motiv noch häufiger: Quarte abwärts (vermindert/rein/übermäßig) mit folgendem aufsteigendem Halbton (so erscheint es in nahezu jeder Nummer); das „grief motif“ müßte daher enger (und zugleich weiter) gefaßt werden: zwei- oder dreifach wiederkehrende fallende Quarte, gefolgt von aufsteigender (kleiner) Sekunde oder umgekehrt, dabei der zweite Quartsprung vermindert. In dieser Form erscheint das Motiv sogar ausdrücklich mit Textunterlegung „Grief should ne’er“ [2b]

und bestimmt auch den ground-Baß von Didos erster Arie „Ah, Belinda“ [3].

55

Nach Price, Dido and Aeneas, 35.

26 7.4 Vokalformen

7.4.1 Rezitativ und Arioso Der große Umfang der deklamatorischen Rezitative in Dido and Aeneas ist auffällig, vergleicht man dies mit seinen anderen Bühnenwerken. Dieser Umstand ist erstaunlich, so lange man davon ausgeht, daß das Stück wirklich für eine Aufführung durch Amateure gedacht war - in diesem Falle sollte man eher „tunes“, also Melodien erwarten, wie sie zahlreich in anderen Werken vorkommen. The Beauties Triumph, das 1676 als Schuloper aufgeführt wurde, verzichtet ganz auf deklamatorisch vertonte Rezitative und gebraucht stattdessen gesprochene Texte. Der große Anteil an Arioso- bzw. deklamatorischen Abschnitten verweist wiederum auf die Tradition der Masque, modellhaft hierfür sollte insbesondere die Textbehandlung bei William Lawes genannt werden. Purcell folgt jedoch mit Sicherheit auch hier dem Beispiel in Blows Venus and Adonis, worin ebenfalls das deklamatorische Rezitativ deutlich anderen vokalen Formen vorgezogen wird.56 In Dido and Aeneas sind abgesehen von „Ah Belinda“ [3] und Didos Lamento „When I am laid in earth“ [38] keine Arien enthalten, etwa die Hälfte der solistischen vokalen Passagen bestehen jedoch aus deklamatorischem Gesang.57 Neben diesen beiden Formen erscheinen schlichte, liedhafte Sätze („songs“), die einer klaren und einfachen melodischen, harmonischen und formalen Struktur untergeordnet sind (z. B. „Fear no danger“ [7], „Thanks to these lonesome vales“ [24] oder „Come away“ [29b]). Ellen T. Harris hat den Deklamationsstil Purcells eingehend untersucht und mit französischen und italienischen Modellen verglichen.58 Sie unterscheidet zwischen melodiösen Arien („tuneful airs“), zweiteiligen Arien, die aus einer deklamatorischen Einleitung und einem melodiös und rhythmisch gebundenen zweiten Teil bestehen („twopart airs“), eigentlicher Deklamation („declamatory air“) und Dialogen („dialogues“).59 Diese Typen sind desweiteren jeweils nach verschiedenen formalen und stilistischen Eigenheiten

zu

unterscheiden

(Duette,

grounds,

ternäre

und

binäre

Formen,

durchkomponierte Sätze). In ihrer Position innerhalb der Szene bilden die arienhaften Teile, ähnlich wie in der französischen tragédie lyrique, nicht die Klimax, sondern leiten dazu über. Den Höhepunkt und Abschluß der Szenen bilden dann jeweils ein Chor und ein Tanz (manchmal auch zugleich wie in „Fear no danger“ [7b]).

7.4.2 Duett 56

Vgl. Pinnock u. Wood, „Unscarr’d by Turning Times?“, EM 20 (1992), 381. “Grief increases“ (4), das Ellen T. Harris (s.u.) zu den zweiteiligen Arien zählt, würde ich eher als Dialog mit darauf folgender („tuneful“) air bezeichnen. 58 Harris, „Recitative and Aria in Dido and Aeneas.“ Studies in the History of Music 2 (1987). 59 Vgl. dazu auch Harris, Henry Purcell’s Dido and Aeneas, 82-106. 57

27

Die Bedeutung der Duette, in denen Belinda und 2nd Woman („Fear no danger“ [7]) sowie die beiden Hexen der Sorceress („But ere we this perform“ [20]; „Our plot has took…“ [31]) auftreten, mag in erster Hinsicht darin liegen, daß damit die Korrespondenzrelation zwischen den beiden Gefährtinnen Didos und den beiden Begleiterinnen der Sorceress in der Figurenkonstellation deutlicher hervortritt, die auf der Handlungsebene ja eindeutig als Kontrastfiguren erscheinen. Die Hexen sind jedoch explizite Widersacherinnen der Königin und ihrer Welt, während Belinda und 2nd Woman als Didos Gefolge nichts von den dunklen Mächten, die ihnen entgegen stehen, ahnen. Bei „Fear no danger“ [7] handelt es sich dann auch um ein simples, schlichtes und „nichtsahnendes“ leichtfüßiges Tanzlied im

”

-Takt, die beiden Gesangsstimmen werden dabei durchweg in Terzen-

bewegung parallel geführt. Die Hexen dagegen ergötzen sich in kunstvollen, von kanonischen Einsätzen geprägten und rhythmisch variierten Passagen.

7.4.3 Chor Der Chor wird, entsprechend seiner jeweiligen dramatischen Funktion, unterschiedlich behandelt. In der Regel herrschen kurze, vorwiegend homophon gehaltene Chöre vor. Kanonische Elemente sind vor allem in den Chören zu finden, in denen der Chor außerhalb der Handlung als beobachtender und kommentierender „Tragödienchor“ fungiert („Cupid only throws the dart“ [9],.„Great minds against themselves conspire“ [36], „With drooping wings“ [39]). Die ausgeprägtesten homophonen Chöre finden sich beim Hofstaat („When monarchs unite“ [5], „Fear no danger“ [7b]) mit einer bedeutenden Ausnahme („Haste, haste to town“ [27b]), in der die hektische Aufbruchsstimmung und Flucht der Höflinge vor dem aufziehenden Unwetter durch fugierte Einsätze sinnbildlich verdeutlicht wird. In den Hexenchören spielt vor allem ein rhythmisches und deklamatorisches Element ein große Rolle. Insgesamt ist bei den Chorsätzen der Hexen der experimentierfreudige Spielraum am weitesten ausgeschöpft: höhnisches Gelächter und bizarre Gestik werden hier ausgedrückt.

28

7.5 Instrumentalmusik 7.5.1 Ouvertüre Vor dem Beginn des ersten Aktes steht die Ouvertüre, die zum einen die klassische Form der französischen Ouvertüre (A[A]BB, mit gemessenem A-Teil in punktiertem Rhythmus und bewegterem B-Teil) zeigt, zum anderen aber im Unterschied zu vielen anderen ähnlichen Werken des 17. Jahrhunderts eine eindeutige thematische Verbindung zum Gang der Oper entdecken lassen. Eine Wiederholung des ersten Teils der Ouvertüre ist in den Notenhandschriften und den meisten modernen Ausgaben nicht notiert, kann jedoch als selbstverständlich vorausgesetzt werden, ist es doch unwahrscheinlich, daß diese Wiederholung, wie sie in allen vergleichbaren Ouvertüren dieser Zeit durchweg üblich war, hier wegfallen sollte. Es ist sicherlich nicht zu gewagt, den ersten Teil der Ouvertüre - die ebenfalls wie der Beginn der Oper in c-Moll steht - als Korrespondenz zu Didos Melancholie zu Beginn des ersten Aktes zu interpretieren (auch hier erscheint das grief-Motiv, so z. B. in der Va.-Stimme, Takt 1-2 oder im Bc., Takt 5-7), ebenso wie der zweite

Teil

mit

seinen

erregten,

springenden

Achtelfiguren

und

düsteren

Harmoniefortschreitungen auf die Chöre der Hexen hinweist. Der Prolog, der mit Sicherheit auch von einer eigenen Ouvertüre [a]60 eröffnet wurde, verlangt außer sechs Tänzen, zudem auch noch nach einer „Soft music“ [m], die erklingt während die Allegorie des Frühlings mit ihren Nymphen eintritt.

7.5.2 Prelude for the witches Eine eigene musikalische Introduktion hat der erste Auftritt (II.1) der Sorceress und der Witches. Ebenfalls im punktierten Rhythmus der französischen Ouvertüre wird hier in der düsteren Tonart f-Moll die Ankunft der dunklen Mächte angekündigt. Expressive Vorhaltdissonanzen (z. B. T. 12f.) und überraschende harmonische Verbindungen 60

Vielleicht die Ouvertüre in g-Moll, Z. 770, die ansonsten für kein bekanntes Bühnenwerk Purcells in Frage kommt.

29 werden als Mittel eingesetzt, um das dämonische und „falsche“ der Szenerie darzustellen: Querstände (auf englisch „false relations“), wie sie hier erscheinen (z. B. T. 15/16) waren gängiges Ausdrucksmittel dafür, verminderte Akkorde und Septakkorde erscheinen in allen Umkehrungen. Dieses Vorspiel geht nahtlos über in ein Accompagnato, in dem die Sorceress von ausgehaltenen Streicherakkorden begleitet wird. Diese erstrecken sich zunächst jeweils fast über den ganzen Takt, bis auf das letzte Achtel, das jeweils auftaktig neu angespielt wird. Der gleiche Grundrhythmus und diese Art der Begleitung erscheint während der ganzen Szene immer dann, wenn die Sorceress singt, dabei handelt es sich um die einzigen Accompagnato-Rezitative der ganzen Oper.

7.5.3 Tanzsätze Von den 17 im Libretto angezeigten Tänzen (sechs im nicht mit Musik erhaltenen Prolog, elf in den Akten der Oper) sind nur vier als solche eindeutig identifizierbar in der Partitur enthalten: The Triumphing Dance [13], Echo Dance of the Furies [22], The Sailors Dance [30] und The Witches Dance [34]. Von den weiteren sieben Tänzen in der Oper lassen sich zwei mit vorhandener Musik in Verbindung bringen: die Szenenanweisung “Dance this Cho. The Baske.“ steht nach der Chorwiederholung des Duetts von Belinda und 2nd Woman „Fear no danger“ [7b], ein Stück, dessen schwungvoller Dreitakt mit betonten synkopischen rhythmischen Elementen die Möglichkeit eines Tanzes nahelegt. Der „Dance to entertain Aeneas by Didos Vemon [=Women]“ könnte wohl zu dem abschließenden „Ritorn[elle]“ [25b] der Air „Oft she visits this lone mountain“ [25] aufgeführt werden. Es fehlt jedoch Musik für A Dance Gittars Chacony [A], den Tanz der 2 drunken sailors [B], Gitter Ground a Dance [C], The Groves Dance [E] und den abschließenden Cupids Dance [F]. Warum diese Tänze fehlen, ist nicht unzweifelhaft zu klären (bis auf E, der mit dem gesamten Schluß der Szene II.2 wohl fälschlich als „unecht“ aus der Vorlage der Partitur gestrichen wurde61). Die beiden „Gitarrentänze“ [A und C] sind womöglich nie eigens aufgeschrieben worden, sondern waren improvisierte Tanzsätze über einen ground-Baß. Die Szene und Bedeutung der „drunken Sailors“ gibt nach wie vor ungelöste Rätsel auf und mit Sicherheit ist festzustellen, daß am Ende der Oper ein abschließender Tanz der trauernden cupids verlorengegangen ist, und nicht auch hier der Schlußchor als Grundlage des Tanzes in Frage kommt.62 Unter den Tänzen finden sich solche mit höfischem Charakter, wie die Chaconne [A, 13], aber auch deutlich an die Tradition der Volkstänze, z.B. der Hornpipe anschließende Sätze wie der Sailor’s Dance [30] und vor allem der Witches Dance [34]. Dieser besteht aus einer fragmenthaften Mischung verschiedener Tänze, ganz entsprechend dem Vorbild des Hexentanzes aus der Masque of Queens (möglicherweise von Robert

61

Vgl. S. 36. Harris schlägt dies vor (Dido and Aeneas, 65-66), läßt dabei jedoch außer acht, daß es sich beim Schlußchor nicht um einen typischen Tanzsatz handelt, zudem fehlt im Schriftbild der Partitur nach dem letzten Chor die Girlande, die üblicherweise das Ende eines Werkes bezeichnet. 62

30 Johnson), der auch in der Restaurationszeit für eine Bearbeitung des Schauspiels Macbeth verwendet wurde.

Die Gitarrentänze, die nicht überliefert sind und vermutlich improvisiert wurden, symbolisieren möglicherweise die „afrikanische Atmosphäre“, die der Ort der Handlung verlangt. Jedenfalls stellten Gitarren für die Engländer des 17. Jahrhunderts als eher ungewöhnliche oder fremdartige Instrumente diese Assoziation her.63

7.5.4 Instrumentale Begleitung des Gesangs Instrumentale Begleitung des Gesanges findet sich zum einen im bereits erwähnten Accompagnato der Sorceress in II.1, die andere derartig hervorgehobene Stelle in der Oper ist Didos Lamento. Das chromatisch absteigende Motiv des Lamentobasses klingt hierbei auch in den begleitenden Oberstimmen an, zumindest durch den häufig auftauchenden Sekundschritt abwärts, ganz überdeutlich dann im abschließenden

63

Holman, Four-and-Twenty Fiddlers, 369.

31 Ritornell, in dem die Oberstimme eine ganze Oktave von g“ bis g’ in chromatischer Linie durchschreitet. Zudem erscheinen Instrumente in der colla parte-Begleitung der Chöre, darüberhinaus finden sich instrumentale Ritornelle und Überleitungen in der Arie „Ah Belinda“ [3/3b] und dem Song „Oft she visits this lone mountain“ [25/25b]. Einen viertaktigen instrumentalen Einschub gibt es außerdem im Chor „To the hills and the vales“ [12], dessen vorherrschender punktierter Rhythmus den engen thematischen Bezug zum nachfolgenden Triumphing Dance [13] deutlich macht. Weitere instrumentale Funktionen sind lautmalerische Darstellungen der Jagdsignale durch auf- und absteigende D-Dur-Dreiklänge [18] und des Donners [26] durch schnelle Repetitionen eines D-Dur-Akkords. Ein ähnlicher Effekt ist auch in der französischen Oper Thétis et Pelée von Collasse bekannt, was jedoch nicht unbedingt heißen muß, daß die eine Verwendung Vorbild für die andere sein muß.64 Über die fehlenden Sätze der Oper ist im Zusammenhang mit der Überlieferungsgeschichte und den instrumentalen Sätzen schon einiges gesagt worden. Daß Purcell den Schluß der 2. Szene im 2. Akt nicht komponiert haben könnte, scheint angesichts der musikalischen Struktur der ganzen Oper und dem formalen Aufbau der Szenen ausgeschlossen. Hier sollten also ein weiterer Chor der Hexen („The since our Charmes have sped“ [D]) und ein Tanz im Hain [E] folgen. Über die Form der dort verlorengegangenen Musik kann man nur spekulieren, auch wurde versucht, die Musik in anderswo überlieferten Stücken Purcells wiederzufinden, doch läßt sich kein plausibler Ersatz nachweisen. Benjamin Britten/Imogen Holst und Margaret Laurie/Thurston Dart haben in ihren Ausgaben der Oper65 Musik für diese Szene ergänzt, ebenso hat Michael Tilmouth, der langjährige Chairman der Purcell Society, die fehlenden Sätze neu hinzukomponiert.66 Ellen T. Harris schlägt im Anhang des begleitenden Klavierauszuges ihrer Ausgabe zwei Stücke vor, die als die fehlenden Gitarrentänze Verwendung finden können: für [A] eine Transkription der Chacony aus Purcells Fairy Queen (Z 629) aus dem Jahr 1692 und für [C] eine Cembalo-Transkription von „Crown the altar“ aus der Geburtstagsode Celebrate this Festival (Z 321) für Queen Mary von 1693. Auch musikalische Versionen des Prologs sind erstellt worden, die auf andere Werke Purcells zurückgreifen.67

Es

sind

tatsächlich

einige

vergleichbare

Szenen

in

anderen

Bühnenwerken enthalten (z. B. der Auftritt Phoebus’ in The Fairy Queen). Der Gebrauch des Parodieverfahrens in Purcells eigenen Werken ist jedoch recht selten. Er transkribierte einige Sätze aus Bühnenwerken zwar für Tasteninstrumente, doch eine Wiederverwendung in anderen Zusammenhängen ist eher eine Ausnahme.68

64

Wobei anzumerken ist, daß die Nymphe Thetis (Thitis) im Prolog von Dido and Aeneas vorkommt. London 1960 bzw. 1961, vgl. S. 37. 66 Tilmouth, „A Newly Composed Finale for the Grove Scene.“ EM 4 (1976), 405-406; wieder in Price, Dido and Aeneas, 183-187. 67 Z. B. von Roderick Shaw für die CD-Einspielung der Oper unter seiner Leitung mit der Academy of the Begynhof, Amsterdam, 1989, Globe CD 5020. 68 Die es natürlich gibt, wie z. B. Marsch und Canzona für Trompeten aus The Libertine, die als Begräbnismusik für Queen Mary (1695) verwendet wurde. 65

32 8. Aufführungspraxis

8.1 Besetzungsfragen Zu den zahlreichen ungeklärten Fragen bezüglich der ursprünglichen Fassung von Dido and Aeneas zählt auch die nach Besetzung der Gesangspartien und des Orchesters. Ausgehend von der Frage, wie wohl an einem Mädcheninternat die männlichen Partien haben besetzt werden können, finden sich die verschiedensten Vorschläge dazu schon seit Beginn der musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Purcells Oper. Wenn man angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß das Werk nicht von Beginn an für die Mädchenschule konzipiert war, nun diese Frage einmal außer acht läßt, dann erübrigen sich solche Spekulationen. Uneinigkeit bleibt jedoch bei der Besetzung der Chorstimmen bestehen: für die Altpartie stellt sich die Frage, ob hier Männer (Countertenöre) oder weibliche Altistinnen vorgesehen waren. Ein genauerer Blick in die Partitur läßt auf ersteres schließen: Im Chor „Haste, haste to town“ [27b] setzt der Alt auf einem d ein, ein Ton, der für weibliche Altstimmen ebenso wie für Falsettisten nahezu unerreichbar ist, zumal, wenn man den tieferen Stimmton zugrunde legt, der in der weltlichen Vokalmusik des 17. Jahrhunderts (aufgrund der tiefen Stimmung der aus Frankreich eingeführten Oboen und Blockflöten) höchstwahrscheinlich benutzt wurde (a' = ca. 392 Hz, etwa ein Ganzton unter dem modernen Kammerton). Offenbar, war auch hier, wie in zahlreichen anderen Werken Purcells, eine Besetzung der Altstimme mit Countertenören vorgesehen, die eher als hohe Tenöre bezeichnet werden sollten, also Tenöre, die (vergleichbar den französischen haute-contres) in der Lage waren, die Altpartien im Brustregister zu singen und nur gelegentlich für Spitzentöne ihr Falsett gebrauchten. Eine andere Überlegung, die durch die Partiturhandschriften nicht bestätigt wird, der Tradition des 17. Jahrhunderts jedoch entsprechen würde, ist die Besetzung der Sorceress mit einer Baß- bzw. Baritonstimme. Wie Irena Cholij und Curtis Price überzeugend festgestellt haben,69 wurden übernatürliche Wesen und insbesondere auch (weibliche) Zauberinnen und Hexen von Männerstimmen gesungen.70 Die Überlieferung der Partie der Sorceress im Baßschlüssel, wie sie in im Stimmenmaterial in der Royal Academy of Music erscheint, mag also keine nachträgliche Einrichtung für eine spezielle Aufführung gewesen sein, sondern auf Purcells Original zurückgehen.71 Außer diesen Fragen der Vokalbesetzung ist die instrumentale Besetzung ebenfalls ungewiß.

Die

Partituren

geben

keinerlei

Hinweise

auf

die

verwendeten

Orchesterinstrumente, die Instrumentalstimmen erscheinen lediglich in vierstimmiger Form, die auf die grundlegende Besetzung mit 2 Violinen, Viola und Basso continuo hinweisen. Ob, und in welchem Maße darüber hinaus Blasinstrumente (Oboen und Blockflöten, evtl. auch Fagotte) eingesetzt wurden, ist nicht eindeutig festzustellen. Es gibt keine Hinweise auf solistische Passagen für Holzblasinstrumente, aber eine

69

Cholij u. Price, "Dido's Bass Sorceress," MT 127 (1986), 615-618. Vgl. auch Purcells „In guilty night“ (Saul and the Witch of Endor), Z 134. 71 Vgl. dazu Harris, 62-63. 70

33 Mitwirkung colla parte mit den Streichern, vor allem in den Chorsätzen und rustikaleren Tänzen ist nicht auszuschließen. Eine letzte Überlegung sei noch angestellt zur Art der Continuoinstrumente. Daß Gitarren, deren Mitwirkung ja durch die Hinweise auf die „Gitters Chacony“ in Lib nahegelegt ist, im 17. Jahrhundert in England auch als Continuoinstrumente eingesetzt wurden, ist eindeutig durch eine Anweisung zum Continuospiel auf der Gitarre von Nicola Matteis d. Ä. (?-1707) aus dem Jahre 1682 belegt.72 Einige der Sätze in Dido and Aeneas scheinen auch geradezu ideal für die Technik der geschlagenen Begleitakkorde auf der Gitarre geeignet. Zudem waren die zeitgenössischen Gitarristen in der Regel auch in der Lage, Instrumente der Lautenfamilie zu spielen, so daß das typische Generalbaßinstrument der Zeit, die Theorbe wohl auch unbedingt zur Continuobesetzung in der Oper zu rechnen ist. Über die Streichbesetzung der Continuostimme läßt sich nichts Eindeutiges sagen, höchstwahrscheinlich spielte jedoch weder ein Cello noch ein Kontrabaß oder Violone zu Purcells Zeit in der Continuogruppe. Beide Instrumente kamen erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England in Mode, ein 16-FußBaßinstrument war bis dahin absolute Ausnahme.73 Statt des Violoncello war die etwas größere und einen Ganzton tiefer gestimmte Baßvioline das übliche Baßinstrument der Streichergruppe, wobei jedoch auch die Baßgambe im Zusammenspiel mit Violinen ihren Platz behaupten konnte. Weiterhin gehörte das Cembalo zu den Generalbaßinstrumenten der Theatermusik, während die Orgel - immer in Abhängigkeit vom jeweiligen Aufführungsort - in der Schauspielmusik des 17. Jahrhunderts eher keine bedeutende Rolle spielte; sie war der religiösen Musik, ob nun in Kathedralen, Kapellen oder in der privaten Andacht, und dem privaten (Kammer-)Musizieren vorbehalten.

9. Aufführungs- und Wirkungsgeschichte 9.1 Josiah Priests Internat für höhere Töchter in Chelsea Josias Priest, Choreograph und Dancing-Master am Theatre Royal und nach der Restoration bedeutender Tänzer auf den Londoner Bühnen betrieb bereits in den 1670er Jahren eine Mädchenschule in Leicester Fields. Der Nebenberuf eines School-Masters war offenbar keine ungewöhnliche Nebentätigkeit für einen Dancing-Master (die spöttisch auch als hop-merchant [in diesem Sinne etwa: „Hops-Händler“, aber in der eigentlichen Bedeutung „Hopfen-Händler“] bezeichnet wurden). Nicht nur in Tanzschulen, wie sie Pepys häufiger besuchte,74 unterrichteten sie, sondern sie betrieben Boarding-Schools, in denen Tanzunterricht ebenso wie „Musick Vocal and Instrumental“ auf dem Lehrplan stand, so z.B. in John Weavers75 „school for young gentlewomen“ in Oxford (Holywell 72

The False Consonances of Music. Instructions for Playing a Thorough-Base upon the Guitarre, or Other Instruments. London 1682. Vgl. auch Garnsey, „The Use of Hand-plucked Instruments in the Continuo Body: Nicola Matteis.“ MQ 47 (1966), 135. 73 Auch die legendäre Great bass viol, die Orlando Gibbons in seiner Consortmusik verwendet, hatte nur ausnahmsweise 16-Fuß-Funktion, sondern wurde meistens als tiefstes Instrument in den 8-Fuß-Gambenchor eingegliedert. 74 Z.B. am 24. September 1660 die Tanzschule von Luke Channell in Broad Street, Pepys, Diary, 81. 75 2 Der Vater des englischen Herausgebers der Tanzanleitung Orchesography (London 1706, 1710).

34 Parish), einer ganz entsprechenden Einrichtung zu Priests Schule in Leicester Fields bzw. später in Chelsea, für die am 22. März 1680 in der London Gazette eine Werbeanzeige erschien.76 Einer Anzeige in der London Gazette vom 22-25. November 1680 ist zu entnehmen, daß Josias Priest mit seinem Internat für Mädchen von Leicester Fields in das große Schulhaus in Chelsea umgezogen sei,77 in das Gebäude Gorges House in Chelsea, das an den Garten von Lindsey House angrenzt. Dies ist der Ort, an dem die einzige belegbare Aufführung von Dido and Aeneas stattgefunden hat, und daher ist mit dem Umzug von 1680 immerhin ein terminus post quem für diese Aufführung eindeutig gegeben. Bereits zuvor war in demselben Gebäude eine andere Mädchenschule untergebracht, an der ebenfalls musikalische Theateraufführungen stattgefunden haben: 1676 wurde an der Schule in Chelsea Beauties Triumph (eine Adaptation von The Judgement of Paris) von Thomas Duffett und John Banister aufgeführt.78 Hawkins’ Bericht von der Schulaufführung von Dido, die 1677 stattgefunden haben sollte, findet hierdurch womöglich eine Erklärung, daß sich hier verschiedene ungenaue Angaben vermengen. Schulaufführungen von Opern bzw. Masques waren offenbar nichts ungewöhnliches. Samuel Pepys berichtet in seinem Tagebuch am 26. April 1663 von einem Spaziergang, bei dem seine Magd Ashville ihm von einer „mask“ erzählte, die sie einige Jahre zuvor (etwa 1656/57) in Chelsea aufgeführt hatte: In the evening [...] my wife, Ashwell, and the boy and I, and the dog and walked to Halfway house [...] and had a most pleasant walk back again Ashwell all along telling us some parts of their maske at Chelsy school, which was very pretty; and I find she hath a most prodigious memory, remembering so much of things acted six or seven years ago.79 Auch Blows Masque Venus and Adonis wurde an Priests Schule in Chelsea wiederaufgeführt, nachdem sie zuvor am Hof vor dem König aufgeführt worden war.80 Aus einer Schule in Oxford wird ebenfalls von einer Opernaufführung im Jahre 1697 berichtet.81 Auf interessante Weise dokumentiert ein Schauspiel Love for Money, or, The Boarding School (1691) von Thomas D’Urfey, wie sich Zeitgenossen diese Schulen vorstellten.82 Wie Frauenklöster, als von außen unkontrollierbare Einrichtung, die literarische Phantasien als Orte der Unzucht und Lust anregten, sind auch diese Einrichtungen der Mädcheninternate, in denen zudem ja ausschließlich junge Mädchen in die Obhut erwachsener Männer gegeben wurden, Anlaß genug für so manche wilde Spekulation gewesen. D’Urfey, der sogar einige Monate als Lehrer in der Schule in Chelsea zugebracht hatte, nährte diese Vorstellungen durch ein, von ihm selbst zugegebenermaßen satirisch gemeintes, Schauspiel, mit dem er den Unmut der Gesellschaft auf sich zog. Inwiefern die folgenden öffentlichen Auseinandersetzungen unter anderem mit Priest - ernsthaft oder Fortsetzung eines ironischen Scheingefechtes 76

Michael Tilmouth, „A Calendar of References to Music“, RMARC 1 (1961), 4; vgl. Holman, Four and twenty fiddlers, 308. 77 „Josias Priest, Dancing-Master, who kept a Boarding-School of Gentlewomen in Leicester Fields, is removed to the great School-House at Chelsey, that was Mr Portman’s“, vgl. Tilmouth, „Calendar“, RMARC 1 (1961), 4 und Harris, Dido and Aeneas, Oxford 1987 [Repr. 1989], 5. 78 Vgl. Price, Purcell and the London Stage, 225f.; ders., Dido and Aeneas, 3. 79 Pepys, Diary, April 26, 1663. [The Shorter Pepys, London 1993, 269.] 80 Siehe das Libretto von Venus and Adonis, vgl. Fn. xxx, Richard Luckett, MT 118. 81 Vgl. Neal Zaslaw, „An English ‘Orpheus and Euridice’ of 1697.“ MT 118 (1977), 805-808. 82 Vgl. Goldie, EM 20 (1992), 394.

35 waren, läßt sich nicht eindeutig sagen. Ganz unzweifelhaft ist jedoch auch noch die Szene des betrunkenen Dichters in Drydens und Purcells Fairy Queen in diesem Zusammenhang zu sehen, in der ein stotternder Dichter (eine Eigenheit D’Urfeys, die bekannt war und ihm den polemischen Spitznamen „poet stutterer“ eingebracht hatte) seine Trunksucht bekennt und sich zudem selbst als „scurvy poet“ („schmieriger Dichter“) bezeichnet, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sich „scurvy“ so eindeutig auf „D’Urfey“ reimte. Die nur „halböffentliche“ Aufführung von Dido and Aeneas an Priests Mächenschule jedenfalls scheint sozusagen unbemerkt stattgefunden zu haben. Die spärliche zeitgenössische Quellenlage zu Purcells Dido and Aeneas stimmt offenbar überein mit dem geringen Eindruck, den das Werk auf die Zeitgenossen machte. Keinerlei Hinweise in Äußerungen der notorischen Autoritäten in der Kunst und Musik des späten 17. Jahrhunderts, nicht einmal eine Randnotiz oder zufällige Bemerkung in einer Zeitung, einem Buch, privaten Tagebuch oder einem Brief sind bekannt. In Purcells Schaffen blieb diese Miniaturoper ein Einzelfall. Zwar hat er weiterhin Musik für das Theater geschrieben, und dies mit großem Erfolg, jedoch entsprachen vielmehr die aufwendigen, großen Produktionen von Schauspielen mit Musik wie King Arthur und The Fairy Queen der Art, daß sie beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterließen. Auch nach Purcells Tod konnte sich die durchkomponierte Oper in England nicht durchsetzen. Dahingehende Versuche blieben Einzelfälle, man überließ dies lieber den Italienern oder zumindest Komponisten, die italienische Libretti vertonten, wie es, eine Generation nach Purcell, Georg Friedrich Händel in London zunächst mit Erfolg tat. Purcells direkte Nachfolger wie sein Bruder Daniel, John Eccles oder der aus Mähren stammende Geoffrey (Gottfried) Finger hielten sich an das gesprochene Drama mit musikalischen Einlagen, die auch weiterhin dem Publikumsgeschmack entsprachen. Aus diesem Grunde wurde die Musik aus Purcells einziger Oper in den Revivals von 1700 und 1704 auch entsprechend verwertet: als musikalische Einlage im gesprochenen Schauspiel.

9.2 Adaptierung als Masque in Measure for Measure Die erste belegbare professionelle Aufführung widerfuhr Dido and Aeneas in der Form einer Masque, als Einlage in Charles Gildons Bearbeitung von Shakespeares Measure for Measure für das Lincoln’s Inn Fields Theatre zu Anfang des Jahres 1700. Um besser in die Handlung des Dramas eingefügt werden zu können und um einen glanzvollen musikalischen Abschluß des Schauspiels zu bilden, veränderte Gildon die Reihenfolge der Szenen: der 2. Akt beginnt mit der Szene im Hain (The Grove); diese wurde erweitert um einen Dialog zweier Gefährten des Aeneas, die nach der Erscheinung des falschen Merkurs beratschlagen, wie Aeneas nun weiter verfahren solle. Danach erst folgt die Szene der Hexen (The Cave), mit der befremdlichen Konsequenz eines dramaturgisch falschen Ablaufs, indem der Geist der Zauberin nun bereits aufgetreten ist, bevor die Hexen überhaupt beschlossen haben, Aeneas mit seiner Hilfe von Dido zu trennen. Der Prolog ist zudem an das Ende der Oper gestellt, wiederum mit einer Erweiterung um eine

36 Szene zwischen Mars und Peace, die mit einem feierlichen Chor und dem Grand Dance endet, und einigen kleineren Kürzungen. Möglicherweise liegt in dieser Bearbeitung, für deren musikalische Ausführung höchstwahrscheinlich John Eccles, der Komponist an Lincoln’s Inn Fields, verantwortlich war, der Schlüssel zu der fragmentarischen Überlieferung der letzten Szene im 2. Akt. Die Oper Purcells wurde nämlich wiederum im Jahre 1704 als musikalische Zutat für zwei weitere Schauspiele verwendet: Am 29. Januar 1704 wurde im Little Lincoln’s Inn Fields Theatre Edward Ravenscrofts populäre Komödie The Anatomist mit der Masque The Loves of Mars and Venus von Peter Motteux aufgeführt, erweitert durch „an additional Masque of Aeneas and Dido, composed by the late Mr Henry Purcell“.83 Im gleichen Theater wurde am 8. April 1704 George Etheredges The Man of Mode (Erstaufführung 1676) mit „the Masque of Aeneas and Dido, in several Musical Entertainments compos’d by [...] Henry Purcell“ als Einlage wiederaufgeführt.84 Curtis Price hat den möglichen Ablauf der Dinge schlüssig vorgestellt: Womöglich hat bei der Einrichtung der „Masque“ für die Aufführungen im Jahre 1704 der musikalische Bearbeiter im Wissen um die Eingriffe, die man für die Aufführungen 1700 vorgenommen hatte, die nicht zur „Originalfassung“ gehörende Musik aus der Partitur entfernt, und dabei eben nicht nur den Einschub Gildons (mit Eccles’ Musik?) am Ende der 2. Szene des 2. Aktes, sondern versehentlich oder unwissentlich auch den Chor und Tanz der Hexen entfernt, was zur Konsequenz hat, daß sämtliche spätere Abschriften, zu denen auch die Hauptquelle T gehört, den ursprünglichen Szenenschluß nicht mehr aufweisen.85

9.3 Rezeptionsgeschichte Die Einführung der italienischen Oper in England hatte 1674 mit Cavallis Erismena begonnen, Händels Arsinoe (1704) war die erste italienische Oper des später in England eingebürgerten Sachsen, der jedoch selbst noch lange mit dem Widerstand des englischen Publikums gegen die durchweg gesungene Oper zu kämpfen hatte. Nach mehreren erneuten Anläufen mußte er spätestens nachdem ihm wiederum ein Schauspiel mit musikalischen Einlagen, The Beggar’s Opera von John Gay (mit musikalischer Bearbeitung populärer Songs anderer Komponisten durch Johann Christoph Pepusch) den Rang abgelaufen hatte, einsehen, daß das englische Publikum nur bedingt für die Oper zu haben war. Unter dem Aspekt der Rückbesinnung auf ältere Musik fanden durch die Academy of Ancient Music am 21. April 1774 und am 22. Februar 1787 noch einmal Aufführungen von Purcells Oper statt, die gewissermaßen den Auftakt für ein wiedererwachendes Interesse an seiner Musik bildeten. Mit den konservatorischen Unternehmungen des 19. Jahrhunderts wurde dann auch gewährleistet, daß die Oper, deren Genre sich inzwischen auch in England etabliert hatte, erstmals in Editionen der Öffentlichkeit zum

83

Daily Courant, 29. Januar 1704; vgl. Tilmouth, 53. Daily Courant, 7. April 1704; vgl. Tilmouth, 54; vgl. dazu auch White, „Early Theatrical Performances of Purcell’s Operas“, Theatre Notebook 13 (1958/59), 55-56. 85 Price, Dido and Aeneas, 17-19. 84

37 Studium und für Aufführungen zur Verfügung gestellt wurde. Weitere Aufführungen im späten 19. Jahrhundert, zunächst hauptsächlich in Großbritannien, trugen dazu bei, daß die Oper vor allem für Amateuraufführungen ein sehr beliebtes Werk wurde. Die Vorstellung, daß es sich um ein Werk, das für eine Amateuraufführung geschrieben worden war, handelte, trug ihres dazu bei. Eine legendäre professionelle Aufführung mit Kirsten Flagstad als Dido unter der musikalischen Leitung von Geraint Jones, mit der 1951 das Mermaid Theatre in London eröffnet wurde, führte im folgenden Jahr zu einer Schallplatteneinspielung, in der die Rolle der Belinda sowie weitere Nebenrollen (2nd Woman, Spirit) von Elisabeth Schwarzkopf gesungen wurde.86 Zahlreiche spätere Einspielungen folgten, darunter auch durch die Alte-Musik-Bewegung der letzten Jahrzehnte inzwischen mehrere Einspielungen mit dem Anspruch historisch bewußter Darstellung, also unter Verwendung von historisch originalem oder repliziertem Instrumentarium, einem kritischem Umgang mit Quellen und Editionen und dem Versuch der Rekonstruktion möglicher originaler Aufführungspraxis. Mit Sicherheit kann man sagen, daß Dido and Aeneas die am häufigsten auf Tonträger eingespielte Oper des Barock ist, das aktuell lieferbare Angebot auf CD bietet nicht weniger als 22 verschiedene Einspielungen.87

9.4 Editionen Die erste gedruckte Ausgabe der Oper Dido and Aeneas stammt von G. Alexander Macfarren, der 1841 die Partitur für die Musical Antiquarian Society88 herausgab; ein auf dieser Edition basierender Klavierauszug wurde 1870 von Edward Francis Rimbault nachgereicht. Diese erste Ausgabe beruht auf den Stimmen der Aufführungen durch die Academy of Ancient Music 1774 und 1787, wie an den Auslassungen und Abweichungen gegenüber T und Lib unschwer zu erkennen ist. Der erste, der das Tenbury MS und das wiederentdeckte Libretto berücksichtigte und zudem auch die wichtigsten anderen Handschriften (Ohki MS, Folger MS) selbst besaß war William H. Cummings, dessen Ausgabe für Novello (1888) ein Jahr später als Band 3 in die Purcell Society Edition (London: Novello 1889) einging. Seit der Ausgabe von Edward J. Dent, die 1925 in London bei der Oxford University Press erschien, hat sich T als Hauptquelle durchgesetzt. Weitere praktische Ausgaben von Benjamin Britten in Zusammenarbeit mit Imogen Holst (London: Boosey & Hawkes 1960) und Thurston Dart mit Margaret Laurie (London: Novello 1961) unterscheiden sich in erster Linie in editorischen Fragen (Continuoaussetzung, Ergänzung von Dynamik- und Tempoangaben) sowie in der Ergänzung der nicht überlieferten Abschnitte des Librettos, die in beiden Ausgaben hinzugefügt wurden. Margaret Lauries Edition wurde - ohne die von ihr und Thurston Dart hinzugefügten Ergänzungen - Bestandteil der revidierten Purcell Society Edition (PSE II), als dessen Band 3 sie 1979 wiederveröffentlicht wurde,89 ergänzt durch ein Faksimile des

86

Auf CD 1987 neu aufgelegt: EMI Références CDH 7610062. Laut Bielefelder Katalog und Nachfrage im Fachhandel Ende 1997; vgl. Anhang. 88 Musical Antiquarian Society. Vol. 4. London 1841. 89 Diese Ausgabe in PSE II, Bd. 3 wurde nachgedruckt in Price, Dido and Aeneas, 1986, 81-181. 87

38 Librettos. Als unhaltbar erwies sich jedoch inzwischen der dort vorgeschlagene Gebrauch des Kontrabasses als Continuoinstrument, ebenso wie die dort vorgegebene „Überpunktierung“ in der Ouvertüre im „französischen Stil“, die wie die (durch klein gestochene Noten über dem System angedeutete) Anpassung gleichzeitig erklingender Noten auf unbetonten Taktzeiten an den kleineren Notenwert nach neueren Erkenntnissen nicht unbedingt den Gebrauch der englischen Barockmusik widerspiegelt. Zwei weitere Ausgaben aus jüngerer Zeit, die in erster Linie als praktische Ausgaben dienen, verdienen eine Erwähnung, da in ihnen neuere wissenschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen. Ellen T. Harris, die für Oxford University Press 1987 eine neue Ausgabe herausgegeben hat, die die ältere Version von Edward J. Dent ersetzte, in Einzelheiten (vor allem in der altmodisch anmutenden Continuoaussetzung, die im Klavierauszug enthalten ist) jedoch noch auf dieser beruht, hat insbesondere Überlegungen zu Temporelationen innerhalb der einzelnen Szenen angestellt und schlägt dementsprechend konstante Tempi für die Szenen vor. Die von PSE II abweichenden Lesarten ihrer Ausgabe sind in der Regel wohlbegründet und hinreichend dokumentiert. Andererseits versäumt Harris, die Konventionen der Theatermusik des 17. Jahrhunderts konsequent anzuwenden, das heißt z. B. auch dort, wo die Quellen dies nicht eindeutig anzeigen, Wiederholungen in mehrteiligen Chören oder Tänzen (oder auch ganz besonders augenfällig in der Ouvertüre) vorzuschlagen. Dem Vergleich mit anderen originalen Quellen des 17. Jahrhunderts zufolge, reichte oftmals ein Doppelstrich, ohne den später üblichen Doppelpunkt, um den Ausführenden die Wiederholung eines Abschnitts anzuzeigen. Ein entscheidender Eingriff ist die Oktavtransposition der Altstimme im Choreinsatz „Haste, haste to town“ (27b), die den melodischen Verlauf der Einsätze verfälscht und nicht gerechtfertigt ist, wenn man hohe Tenöre als die adäquate Besetzung dieser Stimme auffaßt, wie es mit Purcells Gebrauch übereinstimmen dürfte. Solche Überlegungen hat Clifford Bartlett in seiner Ausgabe (Huntingdon: King's Music 1994) berücksichtigt, die ebenfalls in erster Linie eine praktische Ausgabe darstellt, zudem aber im Hinblick auf die zahlreichen Unsicherheiten im Hinblick auf einen definitiven Notentext den aktuellsten Stand der Forschung repräsentiert und zugleich alternative Optionen aufzeigt.

39 10. Schlußbemerkung Trotz des regen Interesses, das Purcells Musik vor allem seit den umfangreichen Veranstaltungen zu seinem 300. Todestag in England erfährt, bleiben zahlreiche Fragen zu seinem vermeintlichen Meisterwerk, Dido and Aeneas, nach wie vor unbeantwortet. Neu ist jedoch, daß sein gesamtes Schaffen in größerem Umfang beachtet und gewürdigt wird. Seitdem alles verwendbare musikalische Material von Purcell auch vollständig auf Tonträgern vorliegt und durch die Verfügbarkeit der revidierten Notengesamtausgabe hat sich die Einstellung zum Komponisten und seinem Schaffen inzwischen gewandelt. Nachdem Dido and Aeneas im 19. Jahrhundert und bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts hinein weitgehend als einmaliges und unvergleichliches Kleinod des 17. Jahrhunderts betrachtet wurde, das von einem seinen Zeitgenossen unerreichbar überlegenen Genie stammte, tendiert die jüngere Forschung mehr und mehr dazu, Purcell und sein Schaffen in seinen historischen Kontext einzugliedern und insbesondere seine Theatermusik in die Tradition der englischen und europäischen Theatermusik zu stellen. Daß dabei gerade sein (unseren modernen Augen und Ohren vielleicht am ehesten zugängliches) „Meisterwerk“ Dido and Aeneas eine Neubewertung erfährt, zeugt von der Möglichkeit und der Fruchtbarkeit einer fortwährenden Auseinandersetzung mit literarischen und musikalischen Kulturgütern und Überlieferungen aus vergangenen Zeiten unter immer wieder neuen Aspekten und Fragestellungen.

40 11. Literaturverzeichnis 11.1. Primärquellen90 11.1.1. Musikalische Quellen *Tenbury Manuscript, früher St. Michael's College, Tenbury, MS 1266, jetzt Bodleian Library, Oxford. Ca. 1750-1780. [T]. *Tatton Park MS, Library at Tatton Park, Knutsford, Cheshire. Philip Hayes, ca. 1784. [Tat]. *Ohki MS, Nanki Music Library, Tokio, MS N - 4/41, ca. 1810. [Ohki]. *BL Add. MS 31450, British Library, London. [Evtl.] J. P. Hobler, 1784. *BL Add. MS 15979, British Library, London. Edward W. Smith, ca. 1790 [vermutlich Abschrift von BL Add. MS 31450]. *Folger F 770, Folger Shakespeare Library, Washington (DC), MS W.b.539, spätes 18. Jh. [Henry Purcell:] ORPHEUS BRITANNICUS. | A | COLLECTION | OF ALL | The Choicest SONGS | FOR | One, Two, and Three Voices, | COMPOS'D | By Mr. Henry Purcell. TOGETHER, | With such Symphonies for Violins or Flutes, | As were by Him design’d for any of them: | AND | A THROUGH-BASS to each Song; | Figur'd for the Organ, Harpsichord, or Theorbo-Lute. All which are placed in their several Keys according to the order of the Gamut. London 1698. [Faks. der Ausgabe London 1698-1702, Bde. 1 u. 2 in einem Bd.: New York: Broude 1965. (Monuments of music and music literature in facsimile: Ser. 1 Music; 1.)] *Grabu, Louis: Albion and Albanius: an Opera. Or, Representation in Musick. [Words by John Dryden. Score.] London 1687. [GB-Lbm K.10.b.21. und I.310. und Hirsch IV.1568.] *Locke, Matthew: [Psyche.] The English opera; or the Vocal Music in Psyche, [words by Thomas Shadwell,] with the Instrumental therein Intermix’d. To which is Adjoyned the Instrumental Music in the Tempest. London: T. Ratcliff and N. Thompson for the Author 1675. [GB-Lbm K.2.a.10. und R.M.15.f.6.] 11.1.2. Textquellen [Dido and Aeneas.] AN OPERA | Perform'd at | Mr. JOSIAS PRIEST's Boarding-School at | CHELSEY. | By young Gentlewomen. | The Words Made by Mr. NAT. TATE. | The Musick Composed by Mr. Henry Purcell. [London ca.1689?]. [Einziges erhaltenes Exemplar: GB-Lcm 1.A.20. Faksimile in PSE II, Bd. 3, hg. v. M. Laurie, xiii-xx]. [Lib]. *The LOVES of Dido and Æneas, a MASK, in Four MUSICAL ENTERTAINMENTS. [Im Playbook von Shakespeares Measure for Measure, bearbeitet von Charles Gildon für Lincoln’s Inn Fields Theatre, London 1700 (musikalische Bearbeitung von John Eccles) GB-Lbm 841.c.6.]. [Q1700]. *Thomas Durfey: New Poems, consisting of Satyrs, Elegies, and Odes [...] together with a Collection of Court Songs. London: 1690 [recte 1689]. [GB-Lbm 1078.c.3.] Thomas D’Urfey [Durfey]: Wit and Mirth: Or, Pills to Purge Melancholy. Bd. 1-6. London 1719-1720. *Nahum Tate: Brutus of Alba: or, the Enchanted Lovers; a tragedy [in five acts and verse]. London 1678. [GB-Lbm 644.i.58. und 83.b.11.(1.)] The fourth Book of Virgills Aeneas / on the Loves of Dido and Aeneas. Transl. by Sir Richard Fanshawe. London 1647/48, repr. 1664, 1676.

90

Die mit einem * gekennzeichneten Quellen konnten für diese Arbeit nicht konsultiert werden, erscheinen hier aber der Vollständigkeit halber.

41

11.2. Editionen 11.2.1. Musikalische Quellen Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. von G. Alexander Macfarren. [London: Musical Antiquarian Society 1841.] Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. von William H. Cummings. [Purcell Society Edition.] London: Novello [1889]. Repr. New York: Broude Brothers 1942. Repr. New York: Dover Publications 1995. Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. von Edward J. Dent. London: Oxford University Press 1925. Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. von Benjamin Britten u. Imogen Holst. London: Boosey & Hawkes 1960. Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. von Thurston Dart u. A. Margaret Laurie. London: Novello 1961. Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. v. A. M. Laurie. The Works of Henry Purcell. [Purcell Society Edition.] Rev. Edition. Bd. 3. London 1979. [=PSE II]. Repr. in Henry Purcell: Dido and Aeneas. An Opera. Hg. von Curtis A. Price. London u. New York: Norton 1986. (Norton Critical Scores). Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. von Edward J. Dent, rev. von Ellen T. Harris. Oxford: Oxford University Press 1987. [Taschenpartitur: London, New York u.a.: Eulenburg 1987. (Edition Eulenburg 929.)] [Rez.] John Buttrey, Journal of the Royal Musical Association 114 (1989), 245247. Henry Purcell: Dido and Aeneas. Hg. v. Clifford Bartlett. Huntingdon (Cambridgeshire): King's Music 1995. Michael Tilmouth: "A Newly-Composed Finale for the Grove Scene." [Music.] Early Music 4 (1976), 405-406. [Wieder in:] Henry Purcell: Dido and Aeneas. An Opera. Hg. von Curtis Price. London: Norton 1986, 183-187. John Blow: Venus and Adonis. Hg. von Clifford Bartlett. Huntingdon (Cambridgeshire): King's Music [1987?]. 11.2.2. Textquellen "The Libretto: A Critical Edition." Henry Purcell: Dido and Aeneas. An Opera. Hg. von Curtis Price. London u. New York: Norton 1986. (Norton Critical Scores), 61-79. *Dido and Aeneas. An opera perform'd at Mr. Josias Priest's boarding-school at Chelsey by young gentlewomen. The words by Mr. Nahum Tate; the musick composed by Mr. Henry Purcell. [Designed and printed by Michael Alpert and Claire Van Vliet.] Newark (Vt): Janus Press 1989. Nahum Tate: [Brutus of Alba.] A critical old-spelling edition of Nahum Tate's 'Brutus of Alba'. Hg. v. Robert Russell Craven. New York: Garland 1987. Sir Richard Fanshawe: „The Loves of Dido and Aeneas:“ Shorter Poems and Translations. Ed. N. W. Bawcutt. Liverpool, 1964. P. Vergilius Maro [Vergil]: Dido und Aeneas. Das 4. Buch der „Aeneis.“ Übers. u. hg. von Edith und Gerhard Binder. Stuttgart: Reclam 1991. John Dryden: Albion and Albanius. [Works, Bd. 15.] Hg. von E. Minor, G. Guffey und F. B. Zimmerman. Berkeley: University of California 1976, 336-361. Samuel Pepys: The Shorter Pepys. [Selected and edited ... from The Diary of Samuel Pepys, a new and complete transcription.] Hg. von Robert Latham. London: Penguin 1993.

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iii Diskographie Kirsten Flagstad (Dido), Elisabeth Schwarzkopf (Bel, „2nd Lady“, Spir), Thomas Hemsley (Aen), Arda Mandikian (Sorc), Eilidh McNab („1st Lady“), Sheila Rex (1st Witch), Anna Pollak (2nd Witch), David Lloyd (Sail) The Mermaid Singers and Orchestra Geraint Jones Aufn. 10/1952, h 1952, EMI Références CDH 7610062 Janet Baker (Dido), P. Clark (Bel), R. Herincx (Aen), M. Sinclair (Sorc), ... St Anthony Singers, English Chamber Orchestra Anthony Lewis 1962, L’Oiseau Lyre SOL 60047 Mary Thomas (Dido), Honor Sheppard (Bel, 2nd Wom, 1st Witch), Maurice Bevan (Aen), Helen Watts (Sorc), Ellen Dales (2nd Witch), Robert Tear (Spir, Sail) Oriana Concert Choir and Orchestra Alfred Deller h 1964, Vanguard Classics 08203271 Victoria de los Angeles (Dido), Heather Harper (Bel), Peter Glossop (Aen), Patricia Johnson (Sorc), Elisabeth Robson, Penelope Walmsley-Clarke, Sybil Michelow, Robert Tear Ambrosian Singers, English Chamber Orchestra John Barbirolli h 1965, EMI 555 565664-2 Tatiana Troyanos (Dido), Sheila Armstrong (Bel), Barry McDaniel (Aen), Patricia Johnson (Sorc), Margaret Baker (1st Witch), Margaret Lensky (2nd Witch), Paul Esswood (Spir), Nigel Rogers (Sail) Monteverdi-Chor Hamburg, Kammerorchester des NDR Charles Mackerras Aufn. 10/1967, h 1968, DG 447 148-2 Josephine Veasey (Dido), Helen Donath (Bel), John Shirley-Quirk (Aen), Elizabeth Bainbridge (Sorc), Gillian Knight, Delia Wallis, Frank Patterson, Thomas Allen John-Alldis-Choir London, Academy of St Martin-in-the-Fields Colin Davis h 1970, Philips 446577-2 Tatiana Troyanos (Dido), Felicity Palmer (Bel), Richard Stilwell (Aen), Patricia Kern (Sorc), Elizabeth Gale, Linn Maxwell, Alfreda Hodgson, Philip Langridge, English Chamber Orchestra Raymond Leppard h 1977, Tel 2292 45 263-2 ZS Janet Baker (Dido), Burrowes (Bel), Peter Pears (Aen), Reynolds (Sorc), ... London Opera Chorus, Aldeburgh Festival Strings Stuart Bedford h 1978, Decca Fortunato (Dido), Armstrong (Bel), M. Baker (Aen), Fithian (Sorc), ... Boston Camerata Joel Cohen h 1980, Harmonia mundi Emma Kirkby (Dido), Judith Nelson (Bel), David Thomas (Aen), Jantina Noorman (Sorc), Judith Rees (2nd Wom), Emily van Evera (1st Witch), Rachel Bevan (2nd Witch), Tessa Bonner (Spir), Rachel Bevan (Sail) Taverner Choir and Players Andrew Parrott Aufn. 1/1981, h 1981, Chandos 8306

iv Ann Murray (Dido), Rachel Yakar (Bel), Trudeliese Schmidt (Sorc), Anton Scharinger (Aen), Helrun Gardow, Elisabeth von Magnus, Paul Esswood, Josef Köstlinger Arnold-Schönberg-Chor Wien, Concentus Musicus Wien Nicolaus Harnoncourt h 1983, Tel 0630 13814-2 / Tel 4509 93686-2 Jessye Norman (Dido), Elizabeth Gale, Marie McLaughlin, Helen Walker, Della Jones, Patricia Kern, Derek Lee Ragin, Patrick Power, Thomas Allen English Chamber Orchestra Raymond Leppard h 1986, Philips 416299-2 Guillemette Laurens (Dido), Jill Feldman (Bel), Philippe Cantor (Aen), Dominique Visse (Sorc), Agnès Mellon (2nd Wom, 1st Witch), Barbara Borden (2nd Witch), Etienne Lestringant (Spir), Michel Laplénie (Sail) Les Arts Florissants William Christie Aufn. 7/1985, h 1986, harmonia mundi France HMC 905173 Teresa Berganza (Dido), Danielle Borst (Bel), Per-Arne Wahlgren (Aen), Glenys Linos (Sorc), Françoise Destembert (2nd Wom), Tiziana Sojat (1st Witch, Spir), Alexandra Papadjikiakou (2nd Witch), Reinaldo Macias (Sail) Chœur du Théâtre Municipal de Lausanne, Ensemble Instrumental de Lausanne Michel Corboz Aufn. 11/1985, h 1986, Erato ECD 88244 Anne Sofie von Otter (Dido), Lynne Dawson (Bel), Stephen Varcoe (Aen), Nigel Rogers, Elisabeth Priday, Carol Hall, Sarah Leonard Choir of the English Concert, The English Concert Trevor Pinnock Aufn. 7/1988, h 1989, DG Archiv 4276242 Rachel Ann Morgan (Dido, Venus), Camille van Lunen (Bel, 1st Nereid, 2nd Shepherdess), David Barick (Aen, He), Myra Kroese (Sorc, Spring, She), Barbara Borden (2nd Wom, 1st Witch, 1st Shepherdess, 2nd Nereid), Setske Mostaert (2nd Witch), Robert Coupe (Spir, Sail) Academy of the Begynhof, Amsterdam Roderick Shaw Aufn. 4/1989, h 1989, Globe GLO 5020 Della Jones (Dido), Donna Deam (Bel), Peter Harvey (Aen), Susan Bickley (Sorc), Caroline Ashton (2nd Wom, Spir), Nicola Jenkin (1st Witch), Melanie Marshall (2nd Witch), Andrew Murgatroyd (Sail) St James's Singers, St James's Baroque Players Ivor Bolton Aufn. 6-7/1989, h 1993, Teldec Das Alte Werk 4509 91191 2 Carolyn Watkinson (Dido), Ruth Holton (Bel), George Mosley (Aen), Teresa Shaw (Sorc), Donna Deam (1st Witch), Shauna Beesley (2nd Witch), Elisabeth Priday (2nd Wom), Jonathan Peter Kenny (Spir), Paul Tindall (Sail) Monteverdi Choir, English Baroque Soloists John Eliot Gardiner Aufn. 7/1990, h 1993, Philips 432114 2 Brandes, Donna Deam, Lorraine Hunt, Rainero, Saffer, Rabbiner, Eliot, Dean King’s College Choir Cambridge, Philharmonia Baroque Orchestra Nicholas McGegan h 19xx, harmonia mundi US 907110 Catherine Bott (Dido), Emma Kirkby (Bel), John Mark Ainsley, David Thomas, Elisabeth Priday, Sara Stowe, Julianne Baird Chorus and Orchestra of The Academy of Ancient Music Christopher Hogwood Aufn. 9/1992, P1994, Decca Editions de L'Oiseau-Lyre 436992-2

v Emily Van Evera (Dido), Janet Lax (Bel), Ben Parry (Aen), Haden Andrews (Sorc), Hanne Marie Ørbaek (2nd Wom), Kate Eckersley (1st Witch), Lucie Skeaping (2nd Witch), Sara Stowe (Spir), Douglas Wootton (Sail) Taverner Choir and Players Andrew Parrott Aufn. 9/1994, h 1994, [BBC Music Magazine 129 (vol. III, no. 5)] Véronique Gens (Dido), Sophie Marin-Degor (Bel), Nathan Berg (Aen), Claire Brua (Sorc), Sophie Daneman (2nd Wom, 1st Witch), Gaëlle Mechaly (2nd Witch), JeanPaul Fouchécourt (Spir, Sail) Les Arts Florissants William Christie Aufn. 11/1994, h 1995, Erato 4509 98477-2 Maria Ewing (Dido), Rebecca Evans (Bel), Karl Daymond (Aen), Sally Burgess (Sorc), Patricia Rosario (2nd Wom), Mary Plazas (1st Witch), Pamela Stephen Helen (2nd Witch), James Bowman (Spir), Jamie MacDougall (Sail) Collegium Musicum 90 Richard Hickox Aufn. 3/1995, h 1995, Chandos Chaconne 0586