Giacomo Puccini. Oper in drei Akten

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Giacomo Puccini

Madama Butterfly Oper in drei Akten

Libretto Luigi Illica|Giuseppe Giacosa Übersetzung des Librettos Michał Bajer Uraufführung Teatro alla Scala, Mailand, am 17. Februar 1904 Premiere der aktuellen Inszenierung 26. Mai 2012

Plakatentwurf: Archiv der Oper im Stettiner Schloss Texte: Piotr Urbański Piotr Deptuch Redaktion: Anna Markiewicz-Czaus Entwurf und Gestaltung des Programmhefts: Monika Gerlicka Übersetzung: Torsten Salzer

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MITARBEIT

BESETZUNG

Musikalische Leitung Wojciech Semerau-Siemianowski

Madame Butterfly Ewa Wisniewska-Schoppa

Regie Pia Partum

B.F. Pinkerton Jacek Laszczkowski

Bühnenbild und Kostüme Barbara Hanicka

Sharpless Tomasz Łuczak

Choreografie Tomasz Wygoda

Suzuki Małgorzata Kustosik

Beleuchtung und Projektion Wojciech Pus

Goro Piotr Zgorzelski

Videomaterial Masahiro Tachibana

Kate Pinkerton Lucyna Boguszewska

Chorarbeit Małgorzata Bornowska

Fürst Yamadori Paweł Wolski

Regieassistenz Wiesław Łągiewka

Bonzo Janusz Lewandowski

Assistenz der musikalischen Leitung Ewelina Rozek-Jaworska, Norbert Twórczyński

Kommissar Mirosław Kosinski Kaiserlicher Beamter Wiesław Łągiewka Ćma (Motte) Patryk Kowalski Mutter, Tante, Cousine, Verwandte der Butterfly, Matrosen Orchester, Chor und Ballett der Oper im Stettiner Schloss Dirigent Vladimir Kiradjiev

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HANDLUNG Ort der Handlung ist Nagasaki

Fot. W. Piątek

ERSTER AKT

Der amerikanische Marineleutnant B. F. Pinkerton beabsichtigt, eine „japanische Ehe” mit Cio-Cio-San, einzugehen, die von ihren Freunden „Butterfly“ (Schmetterling) genannt wird. Als Heim für seine Ehefrau hat er ein kleines Haus auf einem Hügel mit Blick auf den Hafen gemietet. Ein Heiratsvermittler, der für Pinkerton Braut und Haus gefunden hat, preist dem Offizier die Vorzüge der neuen Wohnung an. Der amerikanische Konsul in Nagasaki, Sharpless, trifft ein. Für ihn ist klar, dass die Entscheidung seines Leutnants, eine fünfzehnjährige Geisha zu heiraten, für diesen nur ein Spaß ist, wohingegen Butterfly der Vermählung höchste Bedeutung zumisst. Für sie ist es eine Frage von Leben und Tod, wovon sich Sharpless anlässlich ihres Besuchs im Konsulat überzeugen konnte. Bei dem Gespräch mit Butterfly kam der Konsul zu dem Schluss, dass die Hochzeit für sie mehr ist als eine formelle Zeremonie. Ihre Liebe zu Pinkerton ist wahrhaftig und sie nimmt die bevorstehende Beziehung sehr ernst. Für Pinkerton hat sie heimlich die Missionare besucht, um sich von der Religion ihrer Vorfahren loszusagen und so nach ihrer Taufe ein neues Leben an der Seite ihres Mannes zu beginnen. Als ihre Familie später von dieser Entscheidung erfährt, wird sie verstoßen. Butterfly hat mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen und vertraut sich und ihre Zukunft ganz ihrem Mann an. Pinkerton lacht nur über die Warnungen seines Freundes. Das Gespräch wird unterbrochen durch die Ankunft der Braut in Begleitung ihrer Verwandten und Freunde. Butterfly erhält von ihrer Familie einige Gegenstände, darunter Figuren ihrer Vorfahren und ein Schwert, das ihrem Vater einst vom Kaiser geschickt wurde, mit dem Befehl, sich selbst das Leben zu nehmen. Nun treffen die Beamten ein, um die Gültigkeit der Eheschließung zu bezeugen. Die fröhliche Feier wird jäh gestört: Der japanische Priester Bonzo, Butterflys Onkel, erscheint und beschimpft seine Nichte lauthals. Er hat ihren Abfall von der Religion ihrer Väter entdeckt, verflucht sie und fordert ihre Familie auf, sie zu verstoßen. Butterfly tut Pinkerton leid, er wirft die zeternde Verwandtschaft aus dem Haus. Butterfly weint bitterlich, Pinkerton versucht sie zu

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HANDLUNG

HANDLUNG

trösten. Der erste Akt endet mit einer leidenschaftlichen Liebesszene in der Hochzeitsnacht und einem Duett von Pinkerton und Butterfly.

„Hörst du, mein süßes Kind” – singt sie für ihren Sohn, den sie „Kummer“ nennt, „die Worte dieses bösen Menschen?“ Falls Pinkerton nicht zurückkommt, bleibt Butterfly nichts anderes übrig, als zu ihrem einstigen Leben zurückzukehren und für andere Menschen zu singen oder zu sterben. Sie singt für ihren Sohn ein rührendes Wiegenlied. Zweimal unterbricht Suzukis verzweifelter Ruf ihr Lied: „Arme Madame Butterfly!”. Kanonenschüsse im Hafen kündigen die Ankunft von Pinkertons Schiff an. Als Butterfly ihn erblickt, ist sie überzeugt, dass Sharpless sich getäuscht haben müsse und ihre Treue nun belohnt werde. Ihr Geliebter kehrt zurück! Sie muss das Haus mit Blumen schmücken, fröhlich und nett soll es wirken, sie möchte Pinkerton würdig empfangen. Butterfly und Suzuki singen ein wunderbares Blumenduett. Butterfly zieht sich und ihrem Sohn Festtagskleider an. Anschließend bohrt sie mit dem Finger drei Löcher in die Wand des Hauses und hält gemeinsam mit Suzuki und ihrem Sohn Ausschau nach Pinkerton. Es wird Nacht. Suzuki und das Kind schlafen ein, doch Butterfly harrt aus. Noch immer wartet sie auf den Mann, der sie längst verlassen hat.

ZWEITER AKT

Drei Jahre sind vergangen, seitdem Pinkerton Nagasaki verlassen hat. Er hatte beteuert, bald zurückkommen zu wollen. Zwar ist Butterflys Dienerin Suzuki überzeugt, dass Pinkerton ihre Herrin verlassen hat, dennoch betet sie um seine Rückkehr. Butterflys Glaube und Vertrauen hingegen sind ungebrochen. Sie tadelt Suzuki für ihre Zweifel und singt von der Rückkehr ihres Geliebten und der Freude, die einst mit ihm in ihr Haus einkehren wird: Un bel di vedremo (Eines Tages sehn wir ...). Tatsächlich hat Pinkerton vor, nach Nagasaki zurückzukehren, allerdings nicht zu seiner japanischen Ehefrau. Vor seiner Abreise aus Amerika hatte er Sharpless brieflich gebeten, Butterfly mitzuteilen, dass er in Amerika geheiratet habe und seine Frau Kate mitbringen werde. Sharpless bittet Butterfly zu sich, um ihr die Nachricht mitzuteilen, doch bringt er es nicht übers Herz, als er sieht, wie sehr sich Butterfly schon beim Anblick des Briefes von Pinkerton freut. Sie ist überglücklich und überzeugt, dass ihr Geliebter sie nicht vergessen hat und zu ihr zurückkehren wird. Sharpless versucht, ihr die Situation zu erklären, doch sie werden unterbrochen. Goro erscheint in Begleitung des Fürsten Yamadori, der, so Goro, um Butterflys Hand werben wolle. Das Geld, das Pinkerton Butterfly gegeben hatte, ist aufgebraucht, Butterfly steht vor dem Nichts. Goro erklärt ihr, dass Pinkerton sie verlassen habe, was einer Scheidung gleichkomme, doch Butterfly protestiert. Sie könne Yamadori nicht heiraten, da sie nach amerikanischem Recht bereits verheiratet sei und auf die Rückkehr ihres Mannes warte. Nachdem Yamadori gegangen ist, versucht Sharpless noch einmal, Butterfly die Augen zu öffnen. In dem Duett Ora noi konfrontiert er sie mit dem Inhalt des Briefes und versucht, sie davon zu überzeugen, dass Pinkerton sie betrogen und vergessen habe. Butterfly lässt daraufhin ihren Sohn bringen, der geboren wurde, nachdem Pinkerton nach Amerika aufgebrochen war. Wenn er, so meint sie, wüsste, dass er einen Sohn hat, würde er schnellstens nach Japan zurückkommen.

DRITTER AKT

Der Morgen dämmert. Suzuki und Kummer schlafen tief, doch Butterfly hält nach wie vor Ausschau nach Pinkerton. Suzuki erwacht und überredet Butterfly, nach oben zu gehen und sich auszuruhen, sie werde sie rufen, sobald Pinkerton auftauche. Da erscheinen Pinkerton und Sharpless. Suzuki ist zunächst freudig überrascht, bis sie die ganze Wahrheit erfährt. Pinkerton hat angesichts der Treue, die Butterfly ihm gegenüber bewiesen hat, eingesehen, dass sein Verhalten herzlos war. Pinkerton, Sharpless und Suzuki singen ein dramatisches Trio. Pinkerton ist von der Situation überfordert und geht, zurück bleibt Sharpless, der irgendeine Lösung finden soll. Es gibt aber noch eine vierte Person, nämlich Kate, Pinkertons amerikanische Frau. Sie möchte dem Sohn ihres Mannes und der Butterfly ein besseres Leben ermöglichen. P.U.

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ZUM WERK

Fot. Ł. Szełemej

Fot. W. Piątek

Butterfly ist die psychologisch tiefgründigste aller Opernfiguren Puccinis. Er stellt die fünfzehnjährige Geisha, die sich aus ganzem Herzen in einen amerikanischen Marineleutnant verliebt, der sie seinerseits nur zum Spaß heiratet, als dynamischen und vielschichtigen Charakter dar: Sie ist reizende Verlobte, leidenschaftliche Geliebte (ihr Duett mit Pinkerton zählt neben dem Liebesduett aus Wagners „Tristan und Isolde“ zu den größten seiner Art) und schließlich Ehefrau, die auf die Rückkehr ihres Mannes wartet, und liebevolle Mutter. Die Sängerin, die ihre Rolle verkörpert, muss in der Lage sein, unterschiedlichste, teilweise extreme Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das Spektrum reicht von Liebesglück und Seligkeit bis zur äußersten Verzweiflung, die sie zum Selbstmord treibt, als sie erfährt, dass Pinkerton nun eine andere, „richtige“ Ehefrau hat. Auch musikalisch beinhaltet die Rolle der Butterfly höchste Schwierigkeiten, die der Sängerin neben dramatischer Ausdrucksfähigkeit hervorragende Stimmtechnik und Disposition abverlangen. Butterfly ist während der ganzen Vorstellung auf der Bühne und singt fast 90 Minuten, was den Part zu einer Ausnahmerolle der Operngeschichte macht. Es ist nur natürlich, dass eine solch komplexe und für ihr Alter (im ersten Akt ist sie fünfzehn Jahre alt, im zweiten einige Jahre älter) überraschend vielschichtige Figur zu neuen Lesarten und künstlerischer Deutung geradezu herausfordert.

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Madame Butterfly ist eines der berühmtesten Werke der Opernliteratur. Die Partitur wartet mit raffiniertem, farbschillerndem Klang auf, die Geschichte der tragischen Beziehung einer japanischen Geisha zu einem amerikanischen Marineleutnant steht in ihrer poetischen Wirkung einer filmischen Fabel nahe. Die Verfasser des Librettos griffen auf verschiedene Vorlagen zurück: Neben dem franzöischen Roman Madame Chrysanthème von Pierre Loti flossen die Erzählung Madame Butterfly von John Luther Long und das darauf basierende gleichnamige Theaterstück von David Belasco ein. Die Hauptfigur der Oper, Cio-Cio-San, wird aufgrund ihres Familienwappens, das einen geschnitzten Schmetterling zeigt, Madame Butterfly genannt, doch hat der Name auch eine tiefere, symbolische Bedeutung, steht der Schmetterling doch für die Schönheit und Zerbrechlichkeit des Lebens. Die Chrysantheme wiederum gilt als Blume des Glücks und der Trauer gleichermaßen. Die Figur der Butterfly ist von Paradoxen gezeichnet: Sie lebt, um zu lieben und liebt, um zu sterben. Erfüllt von Liebe schwört sie der Religion ihrer Vorfahren ab und sucht fieberhaft nach einer neuen Identität. Sie flieht vor der Vergangenheit, findet jedoch keine Zukunft. Ihre Welt zerfällt vor unseren Augen zu Staub, der Selbstmord nimmt die Geste eines Rituals an. Obwohl die Premiere kein Erfolg war, wurde die Oper schnell bekannt und gehört heute neben La Traviata und Carmen zum hellsten Dreigestirn am Opernhimmel. Piotr Deptuch

Fot. Ł. Szełemej

In diese Richtung geht die Inszenierung von Pia Partum, die an der Warschauer Nationaloper bei Mariusz Treliński berufliche Erfahrung gesammelt hat. Zeit und Ort der Handlung, der japanische Hintergrund, sind für Partums Interpretation zweitrangig. Sie sieht die Charaktere als moderne Großstädter, die, stets gehetzt, dem hektischen Puls der Stadt unterworfen sind. Grundlegend ist die Erkenntnis, dass Butterfly eine zur Selbstzerstörung neigende Persönlichkeit hat, sodass sie sich möglicherweise von Anfang an darüber klar war, dass ihre Ehe mit Pinkerton nicht den Status einer „richtigen“ Ehe hatte. Sie weiß womöglich, dass er sie betrügen und verlassen wird, dennoch beschreitet sie konsequent den Weg der Selbstzerstörung und belügt sich selbst, wissend, dass Pinkerton nicht zurückkommen wird. Dabei ist Butterfly in all ihrer Einsamkeit aktiv, ein tätiger Charakter, im Gegensatz zu Pinkerton, der schwach und passiv erscheint. Ihr Selbstmord am Ende der Oper ist dann auch weniger die Ausübung eines kulturbedingten Rituals (gemäß dem Motto auf dem Schwert „Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger leben kann in Ehren“) als eine persönliche Entscheidung, die zu Ende bringt, was Butterfly wohl von Anfang an klar war. Die Regisseurin beleuchtet die Figur vor allem in ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrer zunehmenden Vereinsamung mit ihrer seltsamen und rätselhaften Lust an der Selbstzerstörung, auf die Butterfly unbeirrt zustrebt. Ästhetisch knüpft die Stettiner Inszenierung an die poetische Welt der Filme von Lars von Trier an. Ein Tänzer, der Butterflys Alter Ego verkörpert, sowie Projektionen von Aufnahmen aus dem modernen Tokio bereichern die Inszenierung. Piotr Urbański

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MITARBEIT Pia Partum Regie Pia Partum studierte an der Warschauer Theaterakademie. Sie war Assistentin von Andrzej Seweryn (Tartuffe von Molière, Teatr TV), Jerzy Jarocki (Mrożeks Tango, Kosmos von Gombrowicz am Nationaltheater Warschau) sowie von Mariusz Treliński (La Bohème und La Traviata von Verdi an der Warschauer Nationaloper (Teatr Wielki). Als Assistentin bei Treliński leitete sie die Wiederaufnahme seiner Operninszenierungen (Eugen Onegin von Tschaikowski und La Traviata von Verdi). Sie war Stipendiatin des Pariser Theaterinstituts IET und absolvierte ein Praktikum an der Comédie Française (2005). Im Rahmen des Theaterlaboratoriums (Laboratorium Dramatu) inszenierte sie das Stück Córka myśliwego (Die Jägerstochter) von Monika Powalisz (Nationaltheater Warschau, 2007), 2012 folgte die Inszenierung des Stückes Das Vermächtnis der Eszter von Sandor Marai (W. - Horzyca -Theater Thorn). Mit der Madame Butterfly in Stettin legt sie ihre erste Operninszenierung vor.

Vladimir Kiradjiev Dirigent

Fot. G. Giebas

Vladimir Kiradjiev wurde in Bulgarien geboren und lebt seit 1989 in Wien. Er studierte an der Musikakademie in Sofia Dirigieren, Komposition und Chorleitung und setzte seine künstlerische Ausbildung bei Kurt Masur in Weimar, Franco Ferrara in Siena und Karl Österreicher in Varna fort. 1991−1992 war er künstlerischer Leiter des Wiener Residenzorchesters, 1994 wirkte er als Dirigent und composer in residence beim Musikfestival in Luzern. 1995 und 1996 arbeitete er in der Deutschen Oper Berlin mit dem Regisseur Götz Friedrich sowie den Sängern René Kollo und Matti Salminen zusammen. Seit 1996 gastiert er regelmäßig beim Opernfestival in Sigulda (Lettland), wo er unter anderem mit Anna Netrebko, Elina Garanca, Maja Kowalewska, Nadia Krasteva und Natalia Uszakowa zusammenarbeitet. Seine Arbeit verbindet ihn auch mit den Regisseuren Jurij Alexandrow und Peter Sellars. Bei Konzerten und Einspielungen klassischer und zeitgenössischer Werke begleitete er Solisten wie Rafał Blechacz, Ludmil Angelov, Sharon Kam, Guy Touvron und Andrei Korsakov. Vladimir Kiradjiev lehrt an der Wiener Universität für Musik und leitet Dirigierkurse im Rahmen der internationalen Sommerakademie Prag–Wien–Budapest.

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