GEIGENBAU IM SPIEGEL DER ZEITEN

stefan andreas sethe GEIGENBAU IM SPIEGEL DER ZEITEN die erfurter geigenbauerfamilie brückner erweckt seit fünf generationen holz zum leben -2- W...
Author: Fabian Schmitt
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stefan andreas sethe

GEIGENBAU IM SPIEGEL DER ZEITEN

die erfurter geigenbauerfamilie brückner erweckt seit fünf generationen holz zum leben

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W. A. M o z a r t

Es handelt sich bei diesem insbesondere auch für die Darstellung im Internet geeigneten Erzeugnis um ein gekürzt und leicht variiert wiedergegebenes Sonderexemplar des 2012 erschienen Buches „Geigenbau im Spiegel der Zeiten“. Autor: Stefan A. Sethe. Die Originalversion umfasst 112 Seiten im DIN-A5-Format. © 2012 Brückner & Brückner GbR

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Vorwort Der vorliegende Band ist vorrangig dem Geigenbaumeister Wilhelm Brückner gewidmet, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, aber auch seiner Tochter, Geigenbaumeisterin Ruth Brückner, die vier Tage später 50 Jahre alt wird.

Wilhelm (1874-1925)

Alfred (1906-1944)

Wilhelm *1932

Ruth *1962

Es ist aber vor allem eine Hommage an ein wunderbares Handwerk und an die Zähigkeit einer Familie, die mit Fleiß, Kreativität, etwas Chuzpe und nicht zuletzt großem handwerklichem Geschick Weltkriege, Wirtschaftskrisen, den Nationalsozialismus, die sozialistische Planwirtschaft und etliche spätkapitalistische Zumutungen meisterte und nie den Glauben an die Kraft und Magie der Musik verlor. Scheinbar totes Holz wurde unter den Händen dieser Kunsthandwerker mit neuem Leben erfüllt. Anders als unsere schnelllebigen Wirtschaftsgüter, die meist schon nach vier Jahren „abgeschrieben“ sind, entwickeln sich Streichinstrumente über Jahrhunderte immer besser, wenn sie sich in Künstlerhand befinden1. In den 115 Jahren, die die Geigenbauerfamilie nunmehr in fünfter Generation ununterbrochen in Erfurt (davon über 100 Jahre in der Regierungsstraße) ihr Handwerk betreibt, mögen 600 Instrumente neu entstanden und bald 10.000 repariert oder veredelt worden sein. Diese Erfurter Kinder aus Ahorn und Fichte haben sich in aller Welt angesiedelt und etabliert. Einige Brückner-Bratschen, Geigen und Celli kann man auch in Thüringen hören: In Erfurt, Weimar und Meiningen. Die meisten haben jedoch ihre Reise angetreten in fremde Städte und ferne Länder. Auf allen Kontinenten sind heute BrücknerInstrumente vertreten. Jedes klingt ein wenig anders, mal etwas tiefer, mal heller, aber eine gewisse Familienähnlichkeit kann keines dieser Meisterinstrumente aus den Händen der Brückners verleugnen. Es war mir eine große Freude, dieses Buch über eine besondere Kunstfertigkeit zu verfassen und in den historischen Kontext zu stellen. Mögen weitere Generationen ihre Erfüllung im Geigenbau finden und der Musik ihr Leben widmen!! Stefan A. Sethe Erfurt, zum 30.9.2012

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Christoph *1982

Obwohl den großen Banken und Versicherungen Dank gebührt, wenn sie ihre kostbaren Stradivaris, Guarneris oder Amatis an junge, begabte Musiker verleihen, so tun sie dies nicht ganz uneigennützig, denn ein Streichinstrument wird im Safe nicht besser. Es muss gespielt werden, um nicht „einzurosten“ und seinen Klang weiter entwickeln zu können.

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Inhalt Seite:

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„Ihr Kurt Masur“ Entwicklung der Musikinstrumente Aufstieg der Geige Anfänge in Italien Geigenbau in Europa im Vogtland Tafellieder Heinrich Albin Brückner Gründer der Brückner-Geigenbau-Dynastie Wanderjahre Standortsuche Die Stadtpfeifer Gründung der Brückner-Werkstatt in Erfurt Lage der Orchestermusiker um 1900 Erster Weltkrieg Zwischen den Kriegen Alfred Ernst Konrad Brückner Wilhelm Brückner Zweiter Weltkrieg Schwere Jahre Lehrzeit Geigenbau in der DDR Forsche Schritte in der Selbständigkeit Durchbruch Wirken in der Fachgruppe der Geigenbaumeister der DDR Verband Bildender Künstler der DDR Mitgliedschaft in der LDPD Luis Spohr Wettbewerb Brückner-Bratsche Bratscherwitze Lehrlinge Auf dem Höhepunkt Udo Kretzschmann (W)ende der DDR Haifischbecken Geigenhandel Ruth Brückner GbR Christoph Brückner 100jähriges Jubiläum Kleine Auswahl von Brückner-Kunden Zukunft Herstellung Hersteller von Musikinstrumenten Statistik Zusammenfassung Personenverzeichnis

Großer Dank gebührt Geigenbaumeister Udo Kretzschmann aus Markneukirchen für seine engagierte fachliche Überprüfung und Korrektur des Manuskriptes.

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Am

Sonntag, dem 9. Oktober 2005, schrieb nach dem Lunch in New York bei leichtem Regen und angenehmen 23 Grad der weltberühmte Dirigent Kurt Masur einen Brief an die Geigenbaumeisterin Ruth Brückner in Erfurt: Sehr geehrte Frau Ruth Brückner, leider kann ich Ihnen erst heute antworten, weil ich lange auf Tourneen und nicht in Leipzig war. Die Instrumente Ihres Vaters waren immer so wertvoll, dass man sie klanglich mit alten Italienischen vergleichen konnte. Ich bin sicher, daß Sie diese Tradition übernommen haben und weiß von Musikern, daß Ihre Instrumente hoch eingeschätzt werden. Leider müssen wir heute gemeinsam um die Anerkennung der Musik in unserer Gesellschaft ringen. Ich hoffe, daß in Ihrem Falle bei den verantwortlichen Stellen die Kenntnis und die Einsicht vorhanden ist, welch wichtige Rolle Kultur und speziell die Musikkultur im Leben eines Menschen darstellen. Die Tätigkeit eines Geigenbaumeisters ist eine künstlerisch hocheinzuschätzende, denn sie müssen nicht nur die handwerklichen Kenntnisse sondern auch das Ohr eines Musikers und das Fingerspitzengefühl besitzen, um solche wertvollen Instrumente zu bauen. In Hochachtung und lebendiger Erinnerung an Ihren Vater Ihr

Kurt Masur Profaner Anlass für diese herzliche und rührende Ode an die künstlerische Qualität des Geigenbaues im Allgemeinen und das Ansehen Brücknerscher Instrumente im Besonderen, war ein Streit mit den Thüringer Steuerbehörden, ob der Bau von Meisterinstrumenten nur schnödes Gewerbe ist oder als kulturell hochstehende, kreative Leistung betrachtet werden kann. Spätestens nach diesem Schreiben waren allerdings selbst die Finanzbeamten überzeugt, dass ein mit Liebe und innerem Feuer hergestelltes Instrument, welches sich immer wieder neu an individueller klanglicher und optischer Schönheit orientiert und immer auch ein unverwechselbares Einzelstück bleiben wird, vielleicht doch nicht ganz mit jenen heute in Fernost gefertigten, geigenähnlichen Schachteln verglichen werden kann, die niemals die Hand eines Meisters gespürt haben und für 200 Euro inklusive Kasten und Bogen im Supermarkt feil geboten werden2.

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Auf seiner ersten Sitzung nach dem Krieg legte der Geigenbauerverband 1948 in Stuttgart fest: Eine Schülergeige müsse mehr als 60 Mark kosten. Was unter 20 Mark lag, solle nicht einmal zur Reparatur angenommen werden, denn es handele sich um Spielzeug und kein Musikinstrument. Wirkliche Meistergeigen könnten unter 400 Mark nicht hergestellt werden.

rechts neben Kurt Masur der Solobratscher des Gewandhausorchesters, Wolfgang Espig, mit einer Brückner-Bratsche

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Entwicklung der Musikinstrumente Es war ein weiter Weg, den die Musiker und die Instrumentenbauer zurück legen mussten bis zur Eloge eines Kurt Masur. Nicht alle Geigenbauer waren so geachtet wie Antonius Stradivarius in Cremona. Im Gegenteil: Das fahrende Volk der Musiker – und damit auch deren Ausrüster – fand sich im Verlaufe der menschlichen Kulturgeschichte nicht selten am unteren Ende der sozialen Anerkennungsleiter. Wir können davon ausgehen, dass ursprünglich die Instrumente, wie Trommeln, Rasseln und Flöten, noch von den Musikanten selbst gefertigt wurden. Wenngleich es die ersten urkundlich belegten Instrumentenbauer erst im 13. Jahrhundert gab, dürfte sich das Berufsbild des Musikers von jenem des Instrumentenbauers schon vor 6000 Jahren getrennt haben. Es ist anzunehmen, dass handwerkliche Geschicklichkeit und musikalische Begabung nicht mehr Hand in Hand gingen, und es zu einer entsprechenden Arbeits- und Aufgabenteilung kam, als im Orient die ersten, kompliziert zu bauenden, mehrsaitigen Chordophone und Leiern entstanden, die wenig später zu Harfen mit Resonanzkörpern weiter entwickelt wurden. Künftig war das Ansehen der Instrumentenbauer gekoppelt mit und abhängig von der Fähigkeit der Komponisten und vom Geschick der Musiker, durch das Ausüben ihrer Kunst Freude und Bewunderung zu wecken. Detail aus Brueghels „Eiertanz“

Das Bild der Musik, der Musiker und der Instrumentenhersteller war im Laufe der Zeiten immer wieder Schwankungen unterworfen. Zwar war der emotionale Zugang der Musik zum Ohr der Menschen immer gleich wichtig, aber die Akzeptanz des Berufsbildes hat sich permanent mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewandelt. Die Grundlagen der heutigen europäischen Musikkultur entwickelten sich im Spätmittelalter. Ein gravierender Wandlungsprozess setzte ein mit der technischen Entwicklung des Notendrucks und nutzte die sich entfaltenden Notationsmöglichkeiten. Damit verbesserten sich die Produktionshandhabe und die Verbreitungswege von Musik bedeutend und erlaubten eine praktische Kontrolle. Die aufkommende kontrapunktische Verregelung der Musik, die Qualifizierung von Zusammenklängen in einem System aus Konsonanzen und Dissonanzen und die Stimmführung in der sich entwickelnden Polyphonie ließen sich durch eine einheitliche grafische Ordnung wesentlich leichter bestimmen und prüfen. Die allgemeinen Folgen der Differenzierung waren die Rollenverteilung in die Bereiche Komposition, Interpretation und Distribution. Jenaer Liederhandschrift aus dem 14. Jahrhundert

Im Mittelalter waren die Minnesänger meist auch die Interpreten ihrer eigenen Werke. Nun entwickelten sich sehr differenzierte Berufsbilder. In dem Maße, wie die Nachfrage nach Musik in den Kirchen und an den Fürstenhöfen wuchs, nahm auch die Bedeutung der Komponisten zu, die immer komplexere und differenziertere Werke schufen, welche technisch versierte Musiker erforderten und damit auch immer ausgereiftere und spezialisierte Instrumente. Dies galt auch und speziell für die Streichinstrumente. Insbesondere Corelli und Torelli forcierten die Entwicklung der Geige zum Soloinstrument, was wiederum die Geigenbauer zu neuen Anstrengungen veranlasste.

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Adolph Menzels Gemälde „Das Flötenkonzert Friedrich des Großen in Sanssouci“ (1852)

Zwar blieben die Komponisten, Interpreten und damit im weiteren Sinn auch die Instrumentenbauer noch längere Zeit vom Mäzenatentum der Fürsten und Kirchen abhängig, aber zunehmend stiegen die jeweils besonders erfolgreichen Künstler ihres Faches sozial vom Dienstleister zum Prestigeträger auf. Bis ins 18. Jahrhundert waren Volks- und Unterhaltungsmusiker sozial schlecht gestellte städtische Spielleute oder Spezialisten innerhalb der Dorfgesellschaft, welche u.a. auf Dorfund Stadtfesten die nicht immer sehr geachteten Volksbelustigungen umrahmten. Es gab hier noch keine Arbeitsteiligkeit, nur mündliche Überlieferungen der Musik und eine wenig differenzierte Funktion des Musikmachens. Volksmusiker waren in den Alltag und die Abläufe des Kirchenjahrs eingebunden, übernahmen aber auch die Rolle des Informationsübermittlers, etwa durch den Moritaten- und Bänkelsang. Mit der Industrialisierung kam auch in der Unterhaltungsmusik die Nachfrage nach „professioneller“ Musik. Die Erfindung des Notendrucks hatte dazu geführt, dass nunmehr auch das Bürgertum sich von der bisherigen Musikantenschar emanzipierte. Die spezifisch bürgerliche Salonmusik entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Sie bestand größtenteils aus leichten Arrangements von Kunstmusik für die wohlhabenden Haushalte. Vor allem für das Klavier und kleine Hausmusikensembles wurden leicht spielbare und effektvolle Stücke komponiert. Sie dienten als Spielmaterial für den Musikunterricht. Carl Czernys „Schule der Geläufigkeit“ und andere Übungsmusik bildeten die Ausrüstung für den bürgerlichen Musiklehrer, der als neuer Berufszweig etablierte. Das Virtuosentum im Konzertsaal belebte den Musikmarkt und schuf die ersten international bekannten Stars wie Niccolò Paganini und Franz Liszt Franz. Ein David Garrett, der zum Entsetzen aller Musikliebhaber meint, den Hummelflug von Rimski-Korsakow in einer Minute und fünf Sekunden spielen zu müssen, was 13 Noten pro Sekunde entspricht, und zeitweilig einen Platz im Guinness-Buch der Rekorde sichert, braucht für seine zirzensischen Verrenkungen eine exzellente Violine und einen ebensolchen Bogen. Aber auch eine Anne-Sophie Mutter, die als Teenager schon künstlerisch ausgereifter war als es ein Garrett wohl je sein wird oder ein Paganini je war, braucht für ihre sensiblen Interpretationen ein qualitativ ausgereiftes Instrument. Beide spielen heute Geigen von Antonio Stradivari, jene legendären Streichinstrumente des Cremoneser Geigenbauers vom Anfang des 18ten Jahrhunderts, die heute für Millionenbeträge die Besitzer wechseln.

-8Skizze von Stradivari mit Anmerkungen zum Geigenbau

Deutlich wird bei dieser ein wenig an Da Vinci bzw. Dürer erinnernden mit geometrischen Kreisen angereicherten Skizze auch eine gewisse Mathematisierung der Geigenbaukunst. Zunehmend wurden physikalische Gesetzmäßigkeiten berücksichtigt, wenngleich der Status der klanglichen Experimentalphysik erst in der Neuzeit überschritten wurde. Demgegenüber wurde die Musik erst mit Aufkommen der gefühlsbetonten Romantik zu den Künsten gerechnet. Bei den antiken Pythagoreern galt sie noch als mathematische Wissenschaft, die in Bezug gesetzt wurde zur Ordnung des Kosmos.

Aufstieg der Geige Seit den ersten Zupfinstrumenten vor 6000 Jahren bis zum Höhepunkt des Geigenbaues im 18. Jahrhundert hatten tiefgreifende Entwicklungen stattgefunden: Die Zupfinstrumente mutierten nach und nach zu ausdrucksstärkeren und variableren Streichinstrumenten. Nun-mehr konnten Töne nicht mehr nur durch das Zupfen oder Schlagen der Saiten hervorgerufen werden. Das Streichen mit Bogenhaaren erzeugte wesentlich kompliziertere Schwingungen. Dazu waren bauliche Veränderungen notwendig. Um zu verhindern, dass die schwingenden Saiten auf den Resonanzkorpus oder das Griffbrett aufschlugen, war ein ausreichend hoher Steg erforderlich, die Befestigung der Saiten musste grundsätzlich verändert werden, und es wurde Platz geschaffen für den Bogenstrich. Die Instrumentenbauer experimentierten mit verschiedenen Modellen, die man zum Teil heute nur noch in Museen findet. So gab es die für eine deutsche Zunge kaum aussprechbare Crwth in Irland und Wales, die schon bekanntere aber inzwischen auch fast ausgestorbene Fidel, den Rebec (der trotz des halbbirnenförmigen Korpus natürlich nichts mit jenem Fontane-Gedicht des Herrn von Ribbeck zu tun hat), die Giga als ähnlich strukturierte, französische Variante, und das fast zwei Meter lange, einsaitige Trumscheit. Nach und nach verfeinerten und vereinheitlichten sich die Streichinstrumente. Der Steg bekam eine Wölbung und der Saitenabstand wurde größer, um das Streichen einzelner Saiten zu ermöglichen. Aus dem gleichen Grund wurde die „Taille“ verengt, womit dem Bogen ein größerer Aktionsradius eröffnet wurde. Die Saiten wurden dicker, der Bogen verstärkt. Es

-9begannen Kräfte auf den Resonanzkorpus zu wirken, die eine Verstärkung im Inneren notwendig machten. Das war die Geburtsstunde eines kleinen Holzstäbchens unter dem Steg, der sogenannten Stimme, deren korrekter Sitz nunmehr einen ganz entscheidenden Einfluss haben sollte. Zur Stabilisierung der tiefen Saiten wurden Bassbalken eingepasst, selbst die Schalllöcher mussten neu geformt werden. Die Seitenwände (Zargen) wurden niedriger und mit dem Hinzufügen einer vierten Saite war vor 500 Jahren die Entwicklung zum heutigen Streichinstrument weitgehend abgeschlossen. Neuere Veränderungen betreffen vor allem das Zubehör, wie die Saiten, Halter, Stützen, und in allerneuster Zeit neue Materialien und elektronische Erweiterungen und Verbindungen. Anfänge in Italien Angesichts dieser Experimentierphase mit den neuen Streichinstrumenten verwundert es nicht, dass es anfangs noch keine speziellen Geigenbauer gab. Die frühen Meister fertigten Lauten, Gamben und experimentierten mit Violen und Violinen. Als erster Geigenbauer gilt mitunter Pietro Dardelli, ein Franziskanermönch aus Mantua. Auch Giambattista Rolini aus Pesaro wird genannt. Mit Sicherheit einer den Ersten war Zanetti da Montichiaro, von dem ein Geigenzettel von 1532 erhalten ist. Mit dem Aufstieg der Amati-Familie in Cremona erfolgte eine gewisse Standardisierung der Streichinstrumente. Einen wichtigen Durchbruch brachte damals ein Auftrag vom französischen König zum Bau von Streichinstrumenten, erstmals auch der neuen Violine. Mit da Salò begann um 1600 auch eine Tradition des Violabaus. Da Salòs Bratschen, die allerdings mittlerweile im Hinblick auf eine angenehmere Spielbarkeit meist verkleinert wurden, sind heute besonders begehrt. Es dauerte nun nur noch 200 Jahre, bis auch die Brückners, um die es vorrangig in diesem Buch gehen soll, als Geigen- und Bratschenbauer ins Geschehen eingriffen Geigenbau in Europa Mit Stradivari und seinen Zeitgenossen im weiteren Sinn erreichte der Streichinstrumentenbau in Italien eine gewisse Zentralisierung, Perfektionierung und seinen vorläufigen Höhepunkt. Ohne im Detail auf die Streitfrage eingehen zu wollen, ob die Instrumente von Stradivari und seiner legendären Zeitgenossen wirklich so viel besser sind als die heutigen, zumindest haben anonymisierte Hörtests und Vergleiche dieses nicht bestätigen können (im Gegenteil, moderne Instrumente wurden zum Teil sogar besser beurteilt), kann festgestellt werden, dass sich die Violinen Stradivaris durch objektivierbare Merkmale auszeichnen: Sie tragen besonders gut im Bereich zwischen 2.000 und 4.000 Hertz, dem Klangbereich, in dem das menschliche Gehör am empfindlichsten ist. Dies führt dazu, dass selbst ein sehr leise gespielter Ton in einer großen Konzerthalle weithin hörbar ist, wenn er auf einer Stradivari gespielt wird. Andererseits haben die Geigen Stradivaris deutliche Defizite, wenn es darauf ankommt, dunklere, sonore Töne zu erzeugen. Schwingungsanalysen zeigen, dass spezielle, asymmetrische Abweichungen der Materialstärke eine wichtige Rolle für den Klangcharakter spielen. Schließlich konnte Stradivari auf eine besondere Holzqualität zurück-greifen. Offenbar waren besondere klimatischen Verhältnisse in Europa während der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ (16.-18.Jh.) dafür verantwortlich, dass zum Instrumentenbau Holzqualitäten verwendet werden konnten, die es heute nicht mehr

- 10 gibt. Die geringeren Durchschnittstemperaturen führten zu verändertem Baumwachstum mit geringerem Jahrringabstand und reduziertem Spätholzanteil. Je weniger Spätholz pro Jahrring gebildet wird, desto geringer ist die Rohdichte, was sich auf die Klangqualität des Instrumentes günstig auswirken soll. Abgesehen von den Holz- und eventuell auch Lackeigenschaften verfügten Stradivari und sein Lehrmeister Amati oder auch Kollegen wie Guarneri etc. selbstverständlich über eine akribische Handwerkskunst, Voraussetzung für jedes Meisterinstrument. Spätere Modellveränderung waren veränderten Aufführungsgewohnheiten geschuldet. Die Instrumente vor 1750 waren meist für kleinere Säle, schwächere Besaitung, elegantere Spielart und einen tieferen Kammerton gebaut worden. Veränderungen in der Aufführungspraxis, insbesondere die größeren Säle und Orchester, machten auch Veränderungen bei den Instrumenten erforderlich. Der Hals der Geigen wurde verlängert, der Steg erhöht, was wiederum eine größere Neigung des Halses erforderte. Diese Umwandlungen waren ca. 1800 beendet, und weitere 50 Jahre später waren auch nahezu alle früher gebauten Meistergeigen umgebaut worden, wobei man selbst vor den großen Namen wenig Respekt zeigte. Instrumente von Amati, Stradivari, Guarneri etc. gibt es nur noch ganz vereinzelt im musealen Originalzustand. In dem Maß, wie sich eine gewisse Vereinheitlichung des Streichinstrumentenbaus durchsetzte, kam es gleichzeitig zu einer Dezentralisierung der Werkstätten. Neben Italien entwickelte sich in Frankreich ein eigener Geigenbau. Auch im süddeutschen Raum gab es hervorragende Geigenbaumeister. Berühmt wurden hier vor allem der 1618 geborene Tiroler Jakob Steiner. Gemessen an den Fälschungen, wobei in späteren Jahren seine nachgedruckten Geigenzettel in minderwertige Instrumente eingeklebt wurden, waren seine Instrumente sogar beliebter und berühmter als jene des nach ihm in Italien wirkenden Stradivari. Geigenzettel „Jakobus Stainer“

Geigenzettel„Antonius Stradivarius“

In Süddeutschland entwickelten sich anschließend regelrechte Stammsitze von Geigenbauern. Matthias Klotz war in Mittenwald der Begründer einer Dynastie von 36 Geigenbauern. Die Fichtls stellten 25 Berufskollegen. Im Vogtland Etwa Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt die Geschichte des vogtländischen Geigenbaus. Protestantische Auswanderer aus Böhmen brachten den wichtigen, neuen Wirtschaftszweig nach Markneukirchen und Klingenthal. Am 6. März 1677 bestätigte Herzog Moritz von Sachsen die Gründung der ersten Geigenbauer-Innung von Markneukirchen, zu der sich zwölf ins Vogtland eingewanderte böhmische Exulanten zusammengeschlossen hatten. Um die Qualität und Integrität der neuen Geigenproduktion zu gewährleisten, stellte die Innung strenge Regeln auf: Bewerber mussten aufwendige Meisterstücke präsentieren, hohe Aufnahmebeiträge entrichten und einen Fürsprecher gewinnen, der ihre Bewerbung unterstützte. Was zeichnet die vogtländische Violine aus? Kurz gesagt: Eine Typisierung ist nicht möglich. Eine einhellige Antwort zu geben ist schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich, ein Schema zu nennen ausgeschlossen. Von Anfang an bauten die Geigenbauer des Vogtlandes nicht über einer Form, sondern schachtelten frei auf.

- 11 Auf dieser Erkenntnis fußend stellte Christine Kröhner3 am Korpus der meisten Vogtländer zumindest eine Seitengleiche fest. Allerdings: „Eine etwas oder stärker ausgezogene flache Oberbügelform ist schon nicht mehr als allgemeingültig zu betrachten. Die Vielfalt der vogtländischen Modelle ist auffällig. Zu den rein äußerlich erkennbaren Merkmalen der einzelnen Regelteile kommen die nicht ohne weiteres sichtbaren im Inneren der Violine. Bautechnische Kennzeichen, wie eingeschobene Oberzargen im Oberklotz oder Halsbefestigungen und -lagerungen haben ebenso wenig ihren Gemeinplatz. Die Eigentümlichkeiten in der Gestaltung - beispielsweise der Schnecke - sind bei den verschiedenen familiären Schulen unterschiedlich. Hinsichtlich der Wölbung gibt es flache und höhere Typen, etwa nach Jacob Stainer gehend. Vollkommen rundumlaufende Hohlkehlen zeichnen diese Modelle aus. Selbst die im oberen Drittel als Mulde gestalteten Seitenpartien des Wirbelkastens bleiben auf einzelne Familienschulen beschränkt. Oftmals besteht eine deutliche Demarkationslinie zwischen den glatten unteren zwei Dritteln der äußeren Seitenwand und der soeben genannten Mulde. Die Schneckenformen sind mannigfaltig und selbst bei ein und demselben Geigenmacher verschieden ausgefallen. Eine oft erwähnte, sog. gedrückte oder gequetschte Form der Schnecke, also keine gleichmäßige Rundung, kann nicht als gemein vogtländisch angesprochen werden. Gerade die Schnecken sind individuell geformt. Auch Größe und Position sind unterschiedlich. Breite Ohren – schmale Ohren, ausgeprägter Mittelgrad: Alles kommt vor. Schwach gekehlt - tiefer ausgestochen: Das sind ebenfalls individuelle Merkmale und keinesfalls fürs Vogtland generell gültige Normen. Was man vogtländischen Schnecken nachsagt, sind nach vorn unten nicht tief genug gekehlte, zeitig aufhörende Rinnen über dem eigentlichen Wirbelkasten. Aber dieses Merkmal besitzen andere Geigenbauschulen ebenso. Einfaches vogtländisches Ahornholz, kein Riegelahorn, und einheimische oder aus dem Böhmerwald stammende, engjährige Fichtendecken sind die meist verwendeten Materialien. Es gibt jedoch auch unregelmäßig eng geflammten Ahorn aus obervogtländischen Höhenlagen bis etwa 940 m NN (Kielberg 942 m, Aschberg 936 m). Hälse und Griffbretter aus wilden Obstbaumgehölzen, die Griffbretter furniert und/oder dunkel gebeizt, kommen vor. Als Standardausführungen können sie nicht gewertet werden. Dasselbe gilt von Drahtaufhängungen der Seitenhalter und deren Formen, wie das an alten Instrumenten gelegentlich zu beobachten ist. Die Geigenmacher stellten sich ihre Beize und Lacke selbst her. Die gelbe Gründung mit Safran ist als typisch vogtländisch zu betrachten. Der Lack hat gelbe, goldgelbe oder in allen Nuancen vorkommende braune bis schwarzbraune Farbe und ist oftmals gar nicht so steif und spröde, wie er immer hingestellt wird. Schwarzbrauner Lack mit Drachenblutharzbeigaben feuert in der Abendsonne dunkelrot. Direkte hellrote Farbe kennt der Vogtländer nicht. Klangvorstellungen entsprachen dem jeweiligen Zeitgeschmack. Steilgewölbte Violinen mit schmaler Brust geben im allgemeinen näselnde Töne, oft als Flötentöne bezeichnet. Breitere Modelle in flacher Bauweise klingen weich und zärtlich.“

So unterschiedlich in der Form, so wechselvoll war auch die Geschichte des vogtländischen Geigenbaues. Nie war er frei von Problemen und Verwerfungen. Während der mittlerweile bald 400 Jahre, in denen im Vogtland Musikinstrumente gebaut wurden, genoss Markneukirchen nicht immer einen makellosen Ruf. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts sah sich Carl Wilhelm Heber veranlasst, in seinen Geigen einen zusätzlichen Zettel anzubringen: „Viel falsches nachgemacht Sich da und dort schleicht ein, Drum sieh mein Petschaft an Willst nicht betrogen seyn.“ Mag auch der Vorwurf nicht berechtigt sein, im Vogtland seien mehr Geigen gefälscht und mit Faksimilezetteln versehen worden als überall sonst in den Geigenbauzentren, der Konkurrenzdruck war im südlichen Sachsen immer besonders hoch, das Arbeiten am Existenzminimum besonders häufig. Zwischen Markneukirchen und Klingenthal entspann sich ein Jahrhunderte andauernder Geigenbauerkrieg. So durfte kein Geigenbauer im jeweils anderen Ort seine Instrumente anbieten oder gar verkaufen. Die Zahl der Geigenbauer entwickelte sich inflationär. Von 1750 bis 1850 verzehnfachte sich die Anzahl. Erst das Umschwenken auch auf andere Musikinstrumente brachte eine gewisse Entlastung an der Arbeitsfront. Die Geigenproduktion entwickelte sich dennoch ungebremst weiter. 3

Diplomarbeit 1981 “Vogtländische Geigen von den Anfängen bis etwa 1850. Untersuchungen zu ihrer Originalgestalt.” - zitiert nach dem Musikinstrumenten Museum: www.museum-markneukirchen.de/streich.htm

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Das Original befindet sich im Musikinstrumentenmuseum-Markneukirchen Melodie: O Tannenbaum, O Tannenbaum

- 13 Es hatte inzwischen auch eine Professionalisierung des Vertriebes stattgefunden. Anders als Schuster oder Bäcker, die ihre Erzeugnisse am Ort verkaufen können, finden Geigenbauer nur selten Abnehmer direkt am Ort der Herstellung. 1713 wurde erstmals ein professioneller Händler in die Innung aufgenommen. Zuvor hatten die Meister weite Reisen auf sich genommen, um persönlich Märkte und potentielle Kunden zu besuchen. Dies über-nahm nun Johann Elias Pfretzschner zum Teil über sehr weite Entfernungen. Der Erfolg seiner Marketing-Aktivitäten führte allerdings dazu, dass größere Stückzahlen zu Dumpingpreisen geordert wurden, die industrielle Produktionsformen erforderten. Es begann 1719 mit einem spezialisierten Wirbeldrechsler. Bald kamen Werkstätten von Halsschnitzern, Decken- und Schachtelmachern hinzu. In den immer weniger werdenden Meisterbetrieben wurden die Einzelteile nur noch zusammengefügt. Für eine qualitativ überzeugende Geige rechnet man damals wie heute üblicherweise eine Produktionszeit von mindestens einem Monat4. Pro Monat wurden jedoch in Markneukirchen mitunter mehr als 1.500 Instrumente hergestellt. Markneukirchen entwickelte sich zu einer Musterstadt marxistischer Theorie: Fabrikmäßige Entfremdung vom eigentlichen Handwerksprodukt, extreme Gewinne auf der einen Seite und soziale Not bei den abhängigen Heimarbeitern, Gesellen und ihren Familien. 1868 gründete Julius Berthold seine Firma zur Herstellung von Maschinen für den Musikinstrumentenbau. Zur mechanischen Herstellung von Böden und Decken erfand der Klingenthaler Ingenieur William Thau 1904 eine Kopierfräsmaschine. Zeitweilig wurden in Markneukirchen bis zu 80 % der Weltproduktion an Geigen hergestellt. Wirtschaftliche Not, Konkurrenzdruck, Monopolverhältnisse und nicht zuletzt auch Qualitätsansprüche, die sich im Vogtland nur noch sehr bedingt verwirklichen ließen, von innovativen Experimentieren ganz zu schweigen, ließ viele junge Geigenbauer auswandern. Markneukichener Werkstatt Anfang des 20. Jahrhunderts

Mit einem solchen Wanderungsprozess beginnt auch die Geschichte der Geigenbau-Dynastie Brückner, über die in diesem Buch etwas ausführlicher berichtet werden soll. Trotz aller Widrigkeiten gibt es für die Markneukirchener allerdings auch genug Gründe, auf die eigene Geigenbautradition stolz zu sein. Der vogtländische Geigenbau ist ganz gewiss nicht nur mit der großen Zahl billiger Instrumente gleichzusetzen, die im 18. und 19. Jahrhundert in alle Welt verkauft wurden. Markneukirchen war immer auch Ausbildungsstätte vieler internationaler Geigenbaumeister, die z. B. in den USA, Russland und verschiedenen europäischen Metropolen wirkten. Qualität und Innovationskraft zeichneten aber auch viele Geigenbauer aus, die in ihrer Heimat geblieben waren. 4

auch wenn das Innungsprivilegium der Geigenmacher zu Markneukirchen für die Meisterprüfung 1677 vorsah:

"Kunststück binnen drey Wochen fertigen, als: 1. Eine Discant-Geige mit schönem Holze, den Halß rein eingelegt,

das Griffbrett gewürffelt, den Boden und Decke auch mit dreyfachen Spähnen sauber eingelegt; 2. Eine Zitter von schönem Holz und rein auff dem Register; 3. Eine viola di Gambe mit Brücken und Sechs Seiten ohne tadel, und sollen alle drey Stücke in gelber Farbe seyn ohne Flecken. Der Anfang zu solcher Arbeit soll frühe Morgens umb Sechs Uhr gemacht werden ...“ 1723 wurde die Dreiwochen-Tortur noch um ein Instrument erweitert: „Violin, Laute, Viol di Gamba und Davids Harffe“.

- 14 Zu den wichtigen Geigenbauer-Familien Markneukirchens gehört u.a. die Familie Heberlein, die sich international einen sehr guten Namen erworben hat. Ihr bekanntestes Mitglied ist Heinrich Theodor Heberlein jr. (1843-1910), der für die sehr gute Qualität seiner Instrumente bekannt war und vielfach ausgezeichnet wurde, u. a. als Ritter des Sächsischen Albrechtsordens. Aber auch schon Johann Gottlob Heberlein (1782-1856) war ein guter Geiger und experimentierfreudiger Geigenbauer, der 1813 gemeinsam mit einem Blasinstrumente-Macher eine Geige aus Messing herstellte – ein interessantes, „interdisziplinäres“ Detail der Markneukirchener Instrumentenbau-Geschichte. Mit der Verbindung zwischen der Geigenbauerfamilie Heberlein und der damaligen Gitarrenbauerfamilie Brückner beginnt vor fast 200 Jahren nach unserer historischen tour d'horizont, die mit der geographischen Verengung auf Markneukirchen endete, nun endgültig auch die Geschichte der weit verzweigten Geigenbaufamilie Brückner. Heinrich Albin Brückner Am 2. November 1834 wurde Augusta Friedericke Heberlein als Tochter des Christian Gottlob Heberlein (geb. 4.5.1802) und Enkelin des Karl Friedrich Heberlein (geb. 11.7.1767) in Markneukirchen geboren. Ihre Vorfahren waren durchweg Markneukirchener Baßmacher und Geigenbauer (mütterlicherseits Ficker). Sie heiratete mit 20 Jahren den ein Jahr älteren Gitarrenmacher Heinrich Albin Brückner. Auch Heinrich Albin konnte bei seiner Geburt am 11.10.1833 schon auf eine 100jährige Tradition von Instrumente- und Bogenbauern verweisen. Besonderer Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang u.a. der einen Tag vor Heiligabend 1767 gestorbene Instrumentenbauer Michael Brückner. Im Brücknerhaus auf dem Berg wurden nunmehr im Zweijahresrhythmus fünf Söhne geboren: 1855 der spätere Geigenbauer Alwin, 1857 Heinrich, der Zithermacher, und 1859, 1861 und 1863 Ernst, Moritz und Konrad (Zithermacher), die den Beruf ihres Vaters ergriffen. Das Klima im Vogtland ist rau. Andernorts schlagen im Mai die Bäume aus, und sonnenfrohe Lieder werden angestimmt. Im Vogtland schlagen die Gefühle meist erst einen Monat später Kapriolen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die fünf Brüder durchweg im März Geburtstag hatten. Diese Regelmäßigkeit wurde erst später durchbrochen: 1869 und 1872 bekam das Brüder-Quintett zwei Schwestern und am 30.6.1874 wurde als Nachzügler schließlich auch noch August Wilhelm Brückner geboren. Damals hatte Markneukirchen etwas mehr als 4.000 Einwohner. Ein Viertel der Bevölkerung war als Instrumentenmacher beschäftigt, davon jeweils rund 100 als Geigen-, Zupfinstrumente- und Bogenmacher. Von August Wilhelm und dessen Nachkommen soll im Weiteren berichtet werden. Seine 1879 schon fast 45jährige Mutter sorgte allerdings dafür, dass in jenem April die sechs Brüder noch eine dritte Schwester bekamen. Eine gewisse Belastbarkeit müssen die Kinder wohl von der Mutter geerbt haben, die 70 Jahre alt wurde. Der Vater starb schon wenige Tage nach seinem fünfzigsten Geburtstag. Da war Wilhelm gerade mal 10 Jahre alt. Die älteren Brüder hatten zum Glück das Elternhaus schon verlassen, aber für Wilhelm und seine drei Schwestern begannen besonders harte Zeiten, die Wilhelm nachhaltig geprägt haben mochten. Zum einen wurde er vielleicht noch früher als seine Brüder und Altersgenossen in den Häusern und Dörfern der Umgebung mit der harten Lebenswirklichkeit konfrontiert, zum anderen wirkte der reine Frauenhaushalt sensibilisierend und förderte die Kreativität. Charakterzüge, die sich auch bei seinem Enkel, Wilhelm Konrad, finden lassen; auch dieser musste in frühen Jahren auf den Vater verzichten, wuchs anschließend in einem Frauenhaushalt auf und lernte sehr früh Verantwortung zu übernehmen und hart zu arbeiten.

- 15 Gründer der Brückner-Geigenbau-Dynastie August Wilhelm, wir wollen ihn zur besseren Unterscheidung mit seinem gleichnamigen Enkel den „UrWilhelm“ nennen, UrWilhelm also, wuchs auf dem Oberen Berg neben der Gaststätte "Zum Heiterer Blick“

unter harten Bedingungen auf. Wer die Kindheit in diesen kleinen Häusern überlebte, war gestählt für das Leben. Die Nachbarschaft zur Gaststätte sorgte dafür, dass den Brückners hinfort eine gewisse Trinkfestigkeit nicht mehr abgesprochen werden konnte. Ein echter „Neikirgner“ ist auch schärfsten Flüssigkeiten nicht abhold. Andererseits war UrWilhelm eingebettet zwischen den drei Schwestern, ein Benjamin, dem oft besondere Zuwendung gegeben wird, und der oft auch seine Kreativität und seine Anlagen besonders gut entfalten kann. Schon als kleiner Junge begann er Singvögel einzufangen und sie sozusagen als Vorläufer des damals noch nicht erfundenen Plattenspielers in einem Vogelbauer zu halten. Mitunter verkaufte er sogar besonders sangesfreudige Stieglitze und andere gefiederte Künstler. Noch heute gehören daher Kuckucksuhr und ein Kanarienvogel zur Standardeinrichtung der Brückner-Werkstatt. „Bernhard Vogel“ aus der heutigen Brücknerwerkstatt in der Erfurter Regierungsstraße 66 entpuppte sich mittlerweile als „Bernhardine“

Vor der Schule trug UrWilhelm Brötchen aus, um zur Ernährung der Familie beizutragen, denn die älteren Brüder zeigten sich sehr knauserig. Nicht von ungefähr sind es in den Märchen oft gerade die jüngeren Brüder, die pfiffig die Probleme lösen und auch der Benjamin in der Bibel war jener, der zu Großem bestimmt war. Vielleicht wäre unser kleiner Brückner-Spross ja tatsächlich Benjamin getauft worden, aber drei Jahre nach dem siegreichen deutsch-französischen Krieg und der Krönung Wilhelm Friedrich Ludwigs von Preußen zum Deutschen Kaiser schien den Eltern an jenem sommerlichen Dienstag im Juni 1874 Wilhelm dann doch der zukunftsträchtigere Name. An jenem Dienstag machte der Kaiser dem Russischen Zar in Jugenheim seine Aufwartung. Reichskanzler von Bismarck bereitete sich auf seinen Kuraufenthalt in Bad Kissingen vor, wo er wenige Tage später fast einem Attentat zum Opfer fiel. Im Anzeigenteil des Kladderadatsch bot zwischen Dresdner Bierkäse und mariniertem Elbaal ein Herr Stahl aus Lütjenburg in Holstein eine Geige von Jacobus Stainer an, die „im Besitz von Spohr gewesen“. Eine andere Stainer Violine versuchte ein Herr Zeller aus Pforzheim für 200 Reichsmark an den Mann zu bringen. Bruckner komponierte seine 4. Symphonie, Strauss die Fledermaus und Storm schrieb seinen Pole Poppenspäler. Im Vorgriff auf einen gewissen Herrn zu Guttenberg verspricht bereits damals eine Annonce einen „doctor in absentia“ mit „Discretion“ zu vermitteln. UrWilhelm strebte allerdings keineswegs nach einem bequemen „doctor in absentia“. Im Gegenteil, er wählte den harten und oftmals auch im wahrsten Sinn des Wortes körperlich schmerzhaften Weg. Vorzeitig verließ er die Schule und begann mit 13, im Jahr seiner

- 16 Konfirmation, eine Lehre beim fast 20 Jahre älteren Bruder Alwin, um ebenfalls Geigenbauer zu werden. Der leichtere Weg wäre es sicher gewesen, bei einem seiner nicht gar so drakonisch gearteten Brüdern das Gitarren- oder Zitherbauhandwerk zu lernen. Aber UrWilhelm hatten es die Geigen angetan. Das Verhältnis zwischen dem ältesten Bruder und dem Benjamin muss verheerend gewesen sein. UrWilhelm fühlte sich wohl meist als Aschenputtel, schaffte es aber trotz der Widrigkeiten, das Geigenbauhandwerk zu lernen – und zwar sehr erfolgreich, wie sich schon bald zeigen sollte. Zunächst absolvierte er allerdings noch Gesellenjahre beim Geigenbauer Hans Jaeger und der Firma Todt in Markneukirchen. Wanderjahre Eine Woche nach seinem 18. Geburtstag zeigte UrWilhelm endlich, was in ihm steckte : Als erster der Familie verließ er Sachsen und das Vogtland, bestieg in Adorf den Zug nach München und verdingte sich beim Italiener Giuseppe Fiorini, dem damals besten Geigenbaumeister in Deutschland. Der erst 31 Jahre alte Fiorini hatte nach Lehre bei seinem Vater Raffaele und einem Jahrzehnt Tätigkeit in Bologna drei Jahre zuvor mit seinem Schwiegervater die Firma „Rieger und Fiorini” in der bayerischen Hauptstadt gegründet. Er gehörte 1904 zu den Gründern des Verbandes Deutscher Geigenbauer. Fiorini baute nur wenige Bratschen und Celli aber über 500 Geigen, meist im StradivariStil. Seine Instrumente aus der damaligen Zeit werden heute mit ca. 40.000 Euro gehandelt. Wer genau hin schaut erkennt einige prägende Einflüsse Fiorinis auch heute noch bei den Modellen der Brückner Dynastie, wenngleich Fiorini die länger gestreckten Modelle bevorzugte. Giuseppe Fiorini

- 17 Wilhelm Brückners Aufenthalt in der damals 400.000 Einwohner zählenden drittgrößten Stadt Deutschlands nach Berlin und Hamburg bedeutete den Eintritt in eine ganz neue Dimension. München erlebte damals einen gewaltigen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Die Münchner Secession mit Liebermann, Corinth und andern prominenten Künstlern rebellierte gegen den „tyrannischen Einfluss des Malerfürsten" Franz von Lenbach. Die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, eng verbunden mit der Bauhausbewegung, befanden sich in Gründung. Der Vorzeigeabsolvent der Technischen Hochschule München, Rudolf Diesel, hatte bereits seinen Motor patentieren lassen, erste Automobile tuckerten durch die Stadt. München lebte und pulsierte. Für unseren UrWilhelm müssen diese Erlebnisse ungeheuer beeindruckend gewesen sein. Einerseits musste sich der junge Sachse in der urbayerischen Umgebung behaupten, Heimweh aushalten und seine Provinzialität überwinden, andererseits bekam er ungeahnte Möglichkeiten, seinen Horizont zu erweitern, Auge und Ohr zu schulen. Erstmals kam er mit qualitativ hochwertigen Instrumenten in Berührung, die zur Reparatur, vor allem aber zum Verkauf angeliefert wurden. Fiorini hatte sich schon früh auch auf den Handel mit wertvollen alten Instrumenten spezialisiert. In späteren Jahren gelang es ihm sogar, die nach heutigen Maßstäben unbezahlbare Stradivarisammlung des Grafen Cozio di Salabue mit etlichen Violinen und vor allem Handschriften, Lackrezepten etc. für 100.000 Lire zu erwerben. UrWilhelm lernte zu vergleichen, zu differenzieren, den kleinsten Abweichungen entscheidende Bedeutungen beizumessen. Er kam mit gebildeten und gutsituierten Kunden zusammen, die mit jenen Musikern und Händlern, die er in der Heimat kennen gelernt hatte, kaum noch etwas gemein hatten. Aus einem talentierten, aber völlig unausgereiften Geigenbauer, wie er in Markneukirchen dutzendweise anzutreffen war, entwickelte sich in diesem an- und erregenden fachlichen und kulturellen Umfeld ein handwerklich nahezu perfekter Meister seines Faches, der nicht nur auf sein fachliches Können stolz sein konnte, sondern auch bewiesen hatte, dass er sich flexibel und mutig neuen Herausforderungen stellen konnte. Dies erkannte auch Fiorini, der ihn schon bald seinen anderen Gesellen vorzog und sich in späteren Jahren für die Aufnahme seines früheren Mitarbeiters in den elitären Deutschen Geigenbauerverband stark machte, obgleich UrWilhelm niemals die formalen Meisterweihen erlangt hatte, was damals aber nicht ungewöhnlich war. Trotz der engen und fruchtbaren Beziehung zu Fiorini musste der nunmehr gereifte UrWilhelm München schon nach drei Jahren wieder verlassen, weil ihn die Militärverwaltung in seiner Heimatstadt zur Musterung bestellt hatte. Der „Ehrendienst in der Schule der Nation“ blieb ihm dann jedoch überraschend vorenthalten, da er aufgrund gesundheitlicher Vorbehalte ausgemustert wurde. Also suchte er sich wieder eine neue Station, um seine Kenntnisse zu vervollständigen. Diesmal folgte er dem Markneukirchener Geigenbauer August Paulus nach Dresden, der es kurz zuvor übernommen hatte, in eigener Werkstatt zusammen mit seinem Cousin Reinhold Paulus Modellvorgaben von Dr. Alfred Stelzner zu realisieren. Schon damals versuchte man den Geigenbau auch wissenschaftlich zu untermauern. Was nicht heißt, dass die Väter des Geigenbaues nicht ebenfalls methodisch und wissenschaftlich gearbeitet hätten. Aber während die großen Meister der Geigenbaukunst ihre Instrumente durch empirische Versuche weiter entwickelten und vervollkommneten, begann man nun ein theoretisches Geflecht physikalischer Gesetzmäßigkeiten um die Instrumente zu legen, um sie den wirklichen oder vermeintlichen Bedürfnissen des menschlichen Ohres und des musikalisch-handwerklichen Könnens anzupassen.

- 18 Dr. Stelzner war einer der ersten Akustiker, der auf eine deduktive Weise versuchte, sich den alten Meistern wissenschaftlich zu nähern. Aufbauen konnte er auf Lord Rayleighs 1877 erschienene „Theory of Sounds“ Unter anderem propagierte er gebogene, also gespannte Decken5, und erhob eine durchgehende Konstruktion auf der Basis von Ellipsen zum Prinzip, welches er sich am 7. März 1893 auch noch in den USA patentieren ließ. Stelzner erfand die Violotta, eine große, tief klingende Bratsche und die noch eine Oktave tiefer gestimmte Cellone, eine großes Cello. Zunächst war er mit seinen Modellen recht erfolgreich und schien ein begnadeter Vermarktungskünstler zu sein. So nahm sich z.B. die Dresdner Kunst 1896 seiner an: „Der bisherige Instrumentenbau beruhte einfach auf der Nachahmung berühmter Muster. Vor Allem waren es Stradivari's Instrumente, die als Modelle dienten. Eine wissenschaftlich begründete Theorie des Geigenbaues war bisher nicht vorhanden. Die Gesetze, die Stelzner erkannt und angewandt hat, waren seit Jahrhunderten in Wirksamkeit, aber ihr Walten und Wirken war dem Zufall überlassen, nur wenn dem Geigenbauer durch ein glückliches Ungefähr ein Geigenkörper so gelang, wie die Gesetze der Tonentstehung es fordern, konnten sie sich in ihrer Kraft offenbaren. Dr. Stelzner hat das unschätzbare Verdienst, den Geigenbau von solch' unwürdigem Zufallsspiel befreit und ihm eine sichere Richtschnur gegeben zu haben.“

Aus einer Abhandlung in der „Dresdner Kunst" Nr. 13, 1896/97

Stelzner musste allerdings Anfang des 20. Jahrhunderts Konkurs anmelden.

Stelzners Violotta

UrWilhelm war wohl Realist genug, um schon bald zu erkennen, dass Stelzners Weg in eine Sackgasse führen würde. Er half zwar beim Bau der Stelzner Modelle und beim Experimentieren, und machte sich mit den Prinzipien der Akustik, alternativen Denkrichtungen, Modellen und Produktionsmethoden vertraut, vor allem aber nutzte er seinen Aufenthalt in Dresden, um sich nebenbei auch noch beim Bogenbauer Johann Wilhelm Knopf, einer der ganz Großen seines Fachs und seiner Zeit, zum Bogenbauer ausbilden zu lassen. Knopf Bögen sind auch heute noch sehr begehrt und mit ca. 7.000 Euro durchaus im obersten Preissegment. Aus heutiger wie damaliger Sicht hatte UrWilhelm nunmehr eine grundsolide Ausbildung. Insbesondere hatte er sich aus der Enge seiner Herkunft befreit und emanzipiert. Eine Rückkehr in die geduckte und bedrückende Heimat des Vogtlandes war ihm nicht mehr möglich und auch nicht mehr nötig. Er hatte in den letzten Jahren gut verdient, sich einen Beutel der damals im Umlauf befindlichen goldenen 5-Mark-Goldstücke6 mit dem Portrait seines Namensvetters auf der Vorderseite zusammen gespart und war nunmehr bereit, sich eine eigene Existenz aufzubauen.

5

100 Jahre später baute Udo Kretzschmann, ein früherer Mitarbeiter vom Enkel des UrWilhelms Modelle Dr. Stelzners nach, womit sich der Kreis wieder zu schließen beginnt. 6 1 Goldmark ca. 50 Euro nach heutiger Kaufkraft

- 19 Standortsuche Das Orchesterwesen in Deutschland befand sich Ende des 19. Jahrhunderts im Umbruch. Um sich einen stabilen Kundenstamm schaffen zu können, ohne gleichzeitig auf zu große Konkurrenz zu treffen, musste man Ausschau halten nach einer nicht allzu großen Stadt mit gefestigter Orchesterlandschaft. In Dresden hatte UrWilhelm die Probleme kennen gelernt, die sich mit der Auflösung bzw. Umwandlung der Stadtpfeifertraditionen für die Musiker und damit indirekt auch für die Instrumentenbauer ergeben hatte. Der letzte Stadtmusikdirektor hatte 1872 wegen zu geringer Bezahlung gekündigt. Die Zunftbindung spielte für die städtische Musik schon länger keine Rolle mehr. Auch das Privileg, dass bei Hochzeiten und "öffentlichen Ausrichtungen" im Dresdner Gerichtsbezirk nur die Stadtpfeifer engagiert werden durften, war bereits 1843 entfallen. Der musikalisch-künstlerische Niedergang der Stadtpfeiferei hatte schon Endes des 17. Jahrhunderts begonnen und war u.a. auch mit der Entwicklung der Suite verbunden. Aus dem choralen Aufbau, wo die Sangesstimmen nach Bedarf durch ein Instrument ersetzt werden konnte, wurden differenziertere Kammersuiten, das Cembalo entwickelte sich zum Continuoinstrument, dem vermehrt Streichinstrumente zugefügt wurden, was auch dem Geigenbau großen Aufschwung brachte. Bewerber um eine Stadtpfeiferstelle mussten ihre Fähigkeiten auf etlichen Instrumenten beweisen: „Auff Euren Hochedlen und großherzigen Raths Verordnung hat der bißherige Stadtpfeifergeselle Carl Friedrich Pfaffe in Gegenwart derer andren Stadt Musicorum seine verlangte Probe abgelegt. Da sich denn befunden, daß er auf jedem Instrumente, so von denen Stadt Pfeiffern pfleget gebrauchet zu werden, als Violine, Hautbois, Flute Traverse, Posaune, Waldhorn und übrigen Bass Instrumenten, sich mit Beyfall aller Anwesenden gantz wohl habe hören laßen, und zu der gesuchten Adjunctur geschickt befunden worden.“ Johann Sebastian Bach, Leipzig, 24. July 1745

In Konkurrenz mit Hofkapellen, Liebhaberorchestern, Militärmusik und den ersten bürgerlichen Berufsorchestern hatten die Stadtpfeifer dramatisch an Bedeutung verloren. Zwar hielt sich die Stadtpfeifer-Ausbildung in einigen Städten noch lange, der Ruf der Stadtpfeifereien wurde bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts allerdings vor allem auch durch sogenannte Lehrlingsorchester beschädigt, die unter dem nun nicht mehr geschützten Namen der Stadtpfeifer kommerziell eine schlechte Ausbildung von Instrumentalisten anboten. Es begann ein heftiger, oft existenzieller Konkurrenzkampf. Die mit regulärem Sold ausgestatteten Musiker der Militärkapellen auf der einen Seite und die Lehrlingsorchester auf der anderen, von denen es in größeren Städten gleich mehrere gab, konnten ihre Dienste zu Dumpingpreisen anbieten. Das wirkte sich auch auf die Instrumentenhersteller aus, die ihre Instrumente zu immer ausbeuterischen Konditionen herstellen mussten. Einigermaßen typisch ist der nebenstehende Bericht eines Schülers. Immerhin waren die Geigen so billig geworden, dass es sich sein Lehrherr leisten konnte, im Zorn fünf davon auf dem Kopf seines Lehrlings zu zerschlagen. Zum Glück fand nach Gründung diverser Verbände7 und energischer Gegenwehr das Lehrlingsorchesterunwesen bald ein Ende. Die Orchesterlandschafts stabilisierte sich. Eine schon weitgehend stabile Situation fand UrWilhelm 1897in Erfurt vor. 7

u.a. der Allgemeine Deutsche Musiker-Verband und der Zentralverband der Zivilmusiker Deutschlands

- 20 Gründung der Brückner-Werkstatt in Erfurt UrWilhelm hatte recht geschickt das Umfeld sondiert und sich für Erfurt als Standort für seine Werkstatt entschieden, weil er festgestellt hatte, dass Erfurt über eine gewachsene Musiktradition verfügte und mit einem Theaterorchester und drei Militärkapellen8 überproportional gut ausgestattet war. Im 17. und 18. Jahrhundert wirkten in Erfurt zahlreiche Mitglieder der Familie Bach, die seit den 1630er Jahren über ein ganzes Jahrhundert das musikalische Leben der Stadt derart beherrschten, dass noch 1793 alle Erfurter Stadtpfeifer „Bache“ genannt wurden, obwohl damals längst kein Musiker dieses Namens mehr in Erfurt lebte. Von 1678 bis 1690 war Johann Pachelbel als Organist an der Predigerkirche angestellt. Zudem verfügte Erfurt über zwei konkurrierende schon 1819 (Sollerscher Musikverein) und 1826 (Erfurter Musikverein) gegründete rege Musikvereine mit insgesamt über 1.000 Mitgliedern. Als professionelles Unternehmen war 1894 das Erfurter Orchester im Zusammenhang mit der Einrichtung eines ständigen und selbstständig wirtschaftenden Dreispartentheaters, dem „Stadttheater“, in Erfurt gegründet worden. Zwei Jahre zuvor hatte die Stadt das 1877 zunächst als privates Gastspieltheater betriebene Erfurter Opernhaus übernommen und als Musiktheater mit 1.025 Plätzen umgebaut. Erfurt war eine aufstrebende preußische Exklave mit 80.000 Einwohnern. Binnen 30 Jahren hatte sich die Bevölkerungszahl verdoppelt und wuchs dynamisch weiter. Erfurt hatte damals mehr als 20 Millionäre. Rund 10 Prozent der Stadtbevölkerung verfügen über ein Jahreseinkommen von über 3.000 Mark und zählten damit zum mittleren- bzw. Großbürgertum. Fachlich war UrWilhelm bestens auf eine Selbstständigkeit vorbereitet. Er war in München und Dresden ein wirklicher Meister, ja Künstler seines Faches geworden. Bisher hatte er sich aber noch nie selbst mit Werbung oder gar Buchhaltung beschäftigen müssen. Offensive Kommunikation war nicht so sein Ding. Auch die verkürzte Schulbildung forderte ihren Tribut. Das Schreiben fiel ihm schwer. In eleganterer oder auch nur bürgerlicher Gesellschaft bewegte er sich immer noch etwas linkisch und schüchtern zurückhaltend. Eine weltmännische Souveränität, die er bei Fiorini und Stelzner erlebt hatte und die es Geschäftsleuten leichter macht, Kontakte in ein zahlungskräftiges Klientel hinein zu knüpfen, hatte er nun wirklich nicht mit der Muttermilch eingesogen. Intrigen der alteingesessenen Kollegen hatte er nichts Entsprechendes entgegen zu setzen. UrWilhelm musste sich allein auf sein immenses fachliches Können, seinen Fleiß, seine ehrliche Haut und eine typisch vogtländische Findigkeit verlassen. Auch eine schon in jungen Jahren neben dem Elternhaus auf dem Oberen Berg in der Gaststätte "Heiterer Blick“ erworbene und wohl in München vervollkommnete Trinkfestigkeit sollte sich für die Anbahnung von Geschäftskontakten als förderlich erweisen. Johannesstraße 16 (heutige Ansicht)

Zunächst bezog er Quartier im Hinterhaus der Johannesstraße 16, einem historischen Anwesen aus dem 17. Jahrhundert, welches im Jahr 1638 erstmals als „Haus zum Jägerroß" Erwähnung fand. Die Johannesstraße beherbergte damals vornehmlich Handwerker, Kaufleute und kleine Beamte. Die beste Wohnlage war direkt hinter der Kaufmannskirche am Anger. Je weiter man sich die lange Johannesstraße zum Stadtrand hin bewegte, desto weniger attraktiv gestaltete sich allerdings das Wohnumfeld. 8

Der 38. Infanterie Division in Erfurt unterstanden: 76. und 83. Infanterie Brigade Erfurt; 38. Kavallerie Brigade Erfurt; 38. Feldartillerie Brigade Erfurt; Thüringer Feldartillerie Regiment Nr. 19; Landwehr-Inspektion Erfurt

- 21 Die Lage der Orchestermusiker in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung der Musikgeschäfte um 1900 Auszüge aus einer Inaugural-Dissertation zur Erlangung der akademischen Doktorwürde der Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg - vorgelegt von Heinrich Waltz im Dezember 1905. Wie sich die Stadtpfeifereien in neuerer Zeit ausgestalteten, dafür bietet die Entwicklung der Orchesterverhältnisse in Chemnitz ein gutes Beispiel. Das Institut der Stadtpfeifer war hier schon 1832 abgeschafft worden, weil die damals noch vorhandenen 3 Stadtpfeifer mit 6 Gesellen den Bedürfnissen der Stadt nicht mehr gerecht werden könnten, und sämtliche Rechte und Pflichten der bisherigen Stadtpfeifer waren an einen einzigen Stadtmusikdirektor übertragen worden. Dieser hatte darnach das ausschließliche Recht, innerhalb des Stadtbezirks Musik entweder selbst zu besorgen oder die Besorgung durch andere zu gestatten; 2. das Recht, Gesellen und Lehrlinge halten zu dürfen; 3. die Befugnis, sich das Korps selbst zu wählen; 4. den Genuß sämtlicher fixer Emolumente, die bisher die 3 Stadtpfeifer genossen; 5. die Gerechtsame des jährlichen Neujahrsumganges. Seit 1853 erhielt der Musikdirektor eine Konkurrentin in der Militär-Kapelle (denn seit dem 1853 war es den Militär-Kapellen in Sachsen gestattet, Konzertmusik unbeschränkt, Tanzmusik in Privathäusem, bei Militärbällen und in geschlossenen Gesellschaften zu machen, so daß die Stadt ihm 1854 für die entrissenen Vorrechte eine jährliche Entschädigung von 200 Talern gewährte. Gleichzeitig wurde das Recht des Neujahrsumganges für weitere 100 Taler abgelöst. Auf dem Gewerbekammertage zu Eisenach im Oktober 1893 erklärte der Vertreter des preußischen Handelsministers Geh. Ober- Reg.-Rat Dr. Sieffert: »Sowohl in Berlin als auch in vielen Provinzstädten gibt es Musikbanden, die aus einem sog. Musikdirektor und einigen 20 halbwüchsigen Jungen bestehen. Diese armen Burschen müssen bei Tag üben oder häusliche Arbeiten verrichten und des Abends von 7 Uhr ab oft bis in den hellen Morgen hinein in Lokalen von bisweilen sehr zweifelhaftem Rufe ihre musikalischen Künste vortragen. Es ist das eine Ausbeutung der jugendlichen Kräfte, die unmöglich länger geduldet werden kann' und die die schlimmsten Gefahren sowohl für die Sittlichkeit als auch für die körperliche Entwicklung dieser jungen Leute besorgen läßt. Über eine Lehrlingskapelle von 20 - 25 Lehrlingen und 2 - 3 Gehilfen schreibt z. B. ein Musiker aus seiner Lehrlingszeit: »Im November 1899 war großer Umzug nach Erfurt; dort schliefen wir alle in einem Zimmer. Einen Ofen gab es nicht. Im November gegen Totensonntag bekam ich die Masern. Bis zu Ende derselben mußt ich in diesem kalten Zimmer bei allen Lehrlingen bleiben.« In Erfurt ist es vorgekommen, daß ein Musiker, der während des Winters im »Tristan« und den »Nibelungen« mitwirkt, im Sommer, um Brot für die Familie zu schaffen, beinahe 3 Monate Dienst mit Hacke und Schaufel als Streckenarbeiter bei der Eisenbahn hat tun müssen! Auch in Erfurt, Würzburg usw. ist von den Zivilmusikern das gänzliche Verbot des gewerbsmäßigen Musizierens für Beamte durchgesetzt worden, während in anderen Städten das Petitionieren bis heute ohne jeden Erfolg blieb. Seit dem Aufblühen des Vereinswesens hat das Musikleben ebenfalls einen Aufschwung genommen. Heute wütet erbitterter Kampf auf der ganzen Linie. Laut ertönt Ende 1904 »ein Notschrei der Deutschen Zivilmusiker« über die zermalmende Wucht der Militär-Konkurrenz, die sie brotlos macht. In Danzig sind während des Sommers sämtliche Lokale durch Militärmusiker besetzt, so daß die Mitglieder des Stadttheater-Orchesters gezwungen sind, sich ihr Brot außerhalb Danzigs zu suchen. Dasselbe wird von Augsburg und Erfurt berichtet. Es gibt heute weit mehr Musiker, als gebraucht werden. Mit der Präsenzstärke des Heeres ist die Zahl der MilitärKapellen gestiegen, sie hat sich im Laufe der letzten 25 Jahre fast verdoppelt. Die Masse der sonstigen Konkurrenten ist gleichfalls erheblich gewachsen. — Beides macht sich dem Zivil-Musiker umso fühlbarer, als eine weitgehende Überfüllung des Berufes selbst eingetreten ist. Im Jahre 1887/88 war die Zahl der Militärmusiker um etwa 4.400 Mann (=75 % der im Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich ausgewiesenen Gesamtzunahme von 5.830 Mann, worunter auch Trommler, Pfeifer und Hornisten sind) vermehrt worden. Die gewerbliche Tätigkeit der Militärkapellen ist eine in ihrer Art einzig dastehende Erscheinung, Wo tritt der Staat sonst noch in solcher Weise als Konkurrent von Gewerbetreibenden auf? Es gibt Ökonomie-Handwerker, aber diese arbeiten nur für den eigenen Bedarf der Heeresverwaltung, und ihre Zahl ist im Vergleich zur Zahl der sonstigen Handwerker verschwindend klein (7.675 nach dem Heeresetat für 1904, die sich auf etwa 12 verschiedene Handwerke verteilen). Es wird ferner viel geklagt über die Gefängnis-Konkurrenz, aber von welch relativ geringer Bedeutung ist sie gegenüber der Militär-Musiker-Konkurrenz? Wo der Staat mit 18.000 Mann einem Gewerbe von etwa 50.000 Hauptberufstätigen den Erwerb wegzukapern sucht? Das Präsidium des A.D.M.V. (Allgemeiner Deutscher Musiker- Verband) schätzt die Zahl der heute in Deutschland vorhandenen Zivilorchestermusiker in einer runden Summe auf 50.000, von denen sich nur ca. 6.000 zeitweilig und ca. 2.000 dauernd in Engagement befinden sollen. In Berücksichtigung der früher mitgeteilten Schätzung, nach der wir 1905 die Zahl der männlichen Musiker, Schauspieler und Artisten zusammen auf etwa 65.600 anzunehmen hätten, erscheint mir die Zahl 50.000 zwar etwas sehr hoch gegriffen zu sein, bei dem absoluten Mangel einer genauen Statistik ist es aber natürlich nicht möglich, eine auf größere Glaubwürdigkeit Anspruch machende Schätzung hier anzuführen. Das weibliche Geschlecht ist unter den Orchestermusikern heute noch verhältnismäßig schwach vertreten. Unter den Ansässigen gibt es nur sehr wenige Frauen. Man findet sie in der Regel nur in Konzert- und Theaterkapellen meist als Harfenistinnen, Violinistinnen oder Cellistinnen. Dagegen ist die Zahl der reisenden Damenkapellen eine recht erhebliche. Eine Statistik des Herrn Vizepräsidenten Stempel des A.D.M.V., die er aus den im »Artist« vorhandenen Adressen gewonnen hat, ergab, daß in Deutschland über 200 Damenkapellen herumreisen. Nach der durchschnittlichen Zusammensetzung derselben zu urteilen, darf man demnach die Zahl der weiblichen Orchestermusiker vielleicht auf etwa 1.000—1.200 annehmen. Dem A.D.M.V. gehören nur ca. 100 Damen an.

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Fleiß

und Qualitätsarbeit nutzten UrWilhelm zu Beginn seiner Selbständigkeit in Erfurt vorerst wenig. Lange hing es am seidenen Faden, ob er sich wirklich würde etablieren können. Zunächst saß er nur in seiner Werkstatt und wartete vergeblich auf Kunden. Die ersparten Goldstücke zerrannen ihm unter den Fingern. Fast wollte er aufgeben. Letztlich waren es dann nicht in erster Linie seine exzellente Ausbildung und Handwerkskunst als Geigen- und Bogenbauer, die ihm das Bleiben und Fortkommen in Erfurt ermöglichten, sondern in frühster Kindheit erworbene, sozusagen mit der Muttermilch eingesogene Kernkompetenzen und sein vogtländisch zähes Naturell, die ihm über die Durststrecke hinweg halfen: Neben seiner Werk- und Wohnstatt befand sich, wie er es von Kindheit auf gewohnt war eine Gaststätte, die er trinkfest und keineswegs maulfaul regelmäßig frequentierte. Dort freundete er sich mit Droschkenkutscher Schröder aus der Gotthardtstraße 22 an, der sozusagen als Taxifahrer Kontakt mit vielen auch einflussreichen Menschen hatte, und er lernte den MilitärApotheker aus der schräg gegenübergelegenen Johannesstraße 185 kennen. Diese und andere Menschen aus der Nachbarschaft vermittelten ihm Aufträge, wobei sein allererster Auftrag nicht etwa das Metier betraf, welches er am besten beherrschte, sondern eine Gitarre war ihm zur Reparatur übergeben worden. Hier kam ihm die Kindheit in der Werkstatt seines Gitarren bauenden Vaters zu Gute. Er reparierte das Instrument so exzellent, dass man sich nun auch mit Streichinstrumenten in seine Werkstatt traute. Ein erster Durchbruch war geschafft. UrWilhelm konnte schon bald das Hinterhaus in der Johannesstraße verlassen und übernahm, begleitet von Klara, die ihm inzwischen zur Seite stand, auf der Krämerbrücke die Ladenwerkstatt des Juweliers und Goldarbeiters Enigk. Das „Haus zum Halben Mond“ firmiert heute unter der profanen Adresse: Krämerbrücke 29

Inzwischen hatte man auch über die Grenzen Erfurts und Thüringens hinaus die Qualität der Arbeit des jungen Geigenbauers kennen und schätzen gelernt. UrWilhelm sonnte sich auf einer ersten Welle des Erfolges. Blick von der Krämerbrücke 29 über die Gera auf die Barfüßerkirche

- 23 Der junge Geigenbauer hatte die Schneiderin Lina Friederike (Klara) Schmidt beim Tanz im zwischen der Johannesstraße und der Krämerbrücke gelegenen Kaisersaal kennen und lieben gelernt. Im Kaisersaal hatten sich 1808 auch Kaiser Napoleon I. und Zar Alexander I. kennen aber wohl weniger erfolgreich lieben gelernt. Friederike war am 26. September 1872 in Sömmerda geboren worden. Ihre Mutter Magdalene, eine geborene Schröder, war als Gemüsehändlerin tätig. Mutter und Tochter wohnten im Dalbergsweg 22. Der Vater, ein Zimmermann, war schon bald nach der Hochzeit entschwunden. Gleichwohl müssen wohl auch von dort etliche Gene, die der Holzbearbeitung förderlich sind (allerdings in diesem Fall der etwas gröberen Natur) ins Erbgut eingeflossen sein. An einem Donnerstag, exakt am 29. Geburtstag seiner Liebsten, heiratete 1901 Wilhelm seine Klara. Eine der selteneren Hochzeiten bei den Brückners, die nicht durch sich bereits ankündigenden Nachwuchs forciert worden war. Im Gegenteil: Der lang ersehnte Stammhalter ließ sich noch fast sechs Jahre Zeit bis 1907. August Wilhelm Brückner ca. 1894

Lina Friderike (Klara) Schmidt ca. 1900

Die zwei Jahre ältere und deutlich reifere Friderike stellte sich rasch als ein stabilisierendes Element heraus, ohne das UrWilhelm sein Talent nicht in gewinnbringende Bahnen hätte lenken können. Schon vor der Hochzeit hatte sie begonnen, seinen Junggesellenhaushalt etwas in Ordnung zu bringen. Sie sorgte dafür, dass er nicht mehr Geld ins Gasthaus trug als er verdiente, überbrückte mit ihrer Schneiderwerkstatt Notzeiten und übernahm tageweise seinen Laden, um ihm Gelegenheit zu geben, über Land zu ziehen. Damals fand man in Thüringer Dörfern nicht selten noch gute alte Instrumente. UrWilhelms besonders bei Fiorini in München geschultes Auge entdeckte unter Staubschichten mitunter auch gute alte Italiener. Zum wirtschaftlichen Erfolg und zur glücklichen Partnerschaft gesellte sich 1907 endlich auch Söhnchen Alfred Ernst Konrad Brückner. Die Welt befand sich Anfang des 20ten Jahrhunderts im Umbruch, musste sich neu finden und definieren. An jenem 20. Februar 1907, einem Mittwoch, meldeten die Tageszeitungen unter anderem, dass der König von Preußen angekündigt habe, bei Majestätsbeleidigungen künftig von seinem Begnadigungsrecht häufiger Gebrauch zu machen, der konservative Graf Udo von Stoltenberg-Wernigerode wurde zum Präsidenten des Reichstages gewählt, Edisons Welttheater der lebenden Fotografie lockte die Menschen in die erste Kinos und Musikdirektor Maatz suchte „Söhne anständiger Eltern, welche Lust haben, die Musik zu erlernen“.

- 24 Das gemütliche Domizil auf der Krämerbrücke war nunmehr zu klein geworden. Noch im gleichen Jahr wurde erneut umgezogen: Regierungsstraße 65

(vormals „Haus zum Türsen“) lautete nunmehr die Adresse mit dem Garten zum alten VitiKirchhof. Damit war auch schon das Nachbarhaus zum heutigen Domizil bezogen worden, welches ebenfalls ca. 1650 erbaut wurde. Letztlich stand dem Glück der Brückners nichts mehr im Wege. Anlässlich der 4. Verbandstagung erfolgte am 1. August 1910 die Aufnahme Wilhelm Brückners in den illustren Verband Deutscher Geigenbauer e.V. im Berliner Künstlerhaus in der Bellevuestraße. Fiorini wird ihm den Weg dazu geebnet haben. Damit war UrWilhelm auch gesellschaftlich in einem Bereich angelangt, der Ansehen, Prestige, Ehre und Autorität versprach. Treffen des Verbandes Deutscher Geigenbauer 1912 in Mittenwald

Vervollkommnet wurde das Glück durch die Geburt von Tochter Helene am 31. Januar 1911. Erster Weltkrieg UrWilhelm oben links - Ausbildung in Mörfelden 1915

20 Jahre zuvor war UrWilhelm noch als untauglich ausgemustert worden. Diesmal wurde er nach kurzer Ausbildung an die Front geschickt. Ausgestattet mit der vogtländischen Chuzpe eines böhmischen Schwejk gelang es ihm, sich aus dem gröbsten Schlachtgetümmel heraus zu halten. Entlassungspapier vom 11.12.1918

Seine schwerwiegendsten Blessuren im Felde waren ein Mückenstich, der sich entzündet hatte, und eine mehrwöchige Erkältung. Viel zu intelligent, um sich heldenhaft oder gar militaristisch in den Vordergrund zu schieben, gelang es ihm sogar, die zweite Hälfte des Krieges in der Gewehrfabrik in Erfurt Dienst zu tun. Aus der Gewehrfabrik ließ sich nebenbei auch das eine oder andere brauchbare Holzteil heraus schmuggeln, und abends kam er mitunter noch zum Geigenbau, womit sich der Soldatensold recht gut aufbessern ließ.

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Erfurt 1910

Weihnachten 1918 war bereits wieder relative Normalität ins Brücknerleben eingekehrt. Bitten anderer renommierter Geigenbauer, Arbeiten für sie zu übernehmen, musste UrWilhelm ablehnen, weil er schon selbst wieder genug Aufträge hatte, und bereits im Sommer 1919 hatte er so viel erspart, dass er beschloss, das Nachbarhaus, mit der Hausnummer 66 (vormals „Zum Rechen“) käuflich zu erwerben. Den Kaufpreis hätte er nahezu vollständig bar begleichen können, begnügte sich aber zunächst mit einem Drittel der 29.000 Mark. Ein Jahr später erfolgte der Umzug ins neu erworbene Domizil mit „Wasserspülabort“, welches bis dahin eine Seilerei, 250 Jahre zuvor aber z.B. auch schon Stadtmusikus Kaspar und wenig später den Rektor der Kaufmannsschule, Reichert, beherbergt hatte. Werkstätten der Geigenbaufirma Brückner in Erfurt seit 1897

Johannesstr. 16 1897 bis 1901 Krämerbrücke 29 1901 bis 1907

Regierungsstr. 65 1907 bis 1920 Krämerbrücke 29 1901 bis 1907 . 66 Regierungsstr 1920 bis heute Krämerbrücke 29 Am 25.8.1920 wurde die 1901 bis Erlaubnis zur1907 Anbringung eines Firmenschildes am Haus Regierungsstraße 66 beantragt, welches sich heute noch an gleicher Stelle befindet.

Erfurt 2012

- 26 Zwischen den Kriegen Obgleich der Krieg überstanden war, und dank der Investition in die Immobilie auch die Wirtschaftskrise mit ihrer Hyperinflation von den Brückners noch einigermaßen abgefedert werden konnte, begann der glückliche Stern, der UrWilhelm bislang begleitet hatte, zu verblassen. Gesundheitliche Probleme mit den auch damals schon nicht seltenen Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen einiger Ärzte, eigene Fehlentscheidungen während der Wirtschaftskrise 1923, die dazu führten, dass er wertvolle Instrumente im wahrsten Sinne für „nen Appel und nen Ei“ weggab, und Spätfolgen seines zeitweise doch sehr intensiven Alkoholgenusses machten das Leben und Arbeiten zunehmend beschwerlich. Zwar leuchtete der Glücksstern noch einmal kurz auf, als das Brücknerhaus vom Feuer verschont wurde, während der Rest der Häuserzeile nahezu vollständig abbrannte. Auch konnte sich UrWilhelm wirtschaftlich stabilisieren. Jährlich baute er ein halbes Dutzend Geigen, die er für 300 Mark verkaufen konnte, was damals ein recht stolzer Preis war. Oft wurden Ratenzahlungen vereinbart. Ein Großkunde war die Reichswehr in Meiningen. Seine nicht gerade spektakulären Kriegserlebnisse glaubte UrWilhelm überspielen zu müssen, indem es ihm gelang, diverse Ehren- und Kriegsdenkmünzen über die Reservistenverbände einzuheimsen. Aber die nun beginnende Zeit war nicht mehr die seine. Die unbeschwerten Jahre waren endgültig vorbei. Arztrechnungen häuften sich, der 55jährige wurde immer dünner. Er baute noch eine besonders schöne Stradivari-Geigenkopie, die er seinem Sohn widmete, renovierte das Haus, ein letzter Besuch in Markneukirchen schloss den Kreis zur Kindheit, die Ärzte sagten, man müsse sich überhaupt keine Sorgen machen; – am 5. Oktober 1929 starb UrWilhelm.

Wilhelm Brückner Viola ca. 1918

Alfred Ernst Konrad Brückner Alfred übernahm das Staffelholz vom Firmengründer. Anders als der Vater war er schlecht auf das Leben vorbereitet. Er wählte oft die dünneren Bretter, sympathisierte mit den aufziehenden Nazis. Die Gesichtszüge zeugen beim Tod des Vaters noch von einer gewissen Weichheit. Vater und Mutter hatten offenbar die eigene Lebenskraft und neugierige Leichtigkeit nicht auf ihn übertragen können. Dies kommt erst wieder bei ihrem Enkel Wilhelm zum Ausbruch. UrWilhelm hatte ab 1922 seinen Sohn Konrad noch zum Geigenbauer ausgebildet. Strenge und Ungeduld des Vaters verhinderten jedoch, dass Liebe und Leidenschaft des Vaters zum Handwerk auf den Sohn übersprangen. Alfred musizierte lieber auf den schon fertigen Instrumenten. Vater Wilhelm war es nicht gelungen, seinem Sohn jenes Selbstvertrauen und den Ehrgeiz einzuflößen, die zur Herstellung guter Instrumente gebraucht werden. Die Kassenbücher belegen, dass Alfred seinen Lebensunterhalt vorrangig mit dem Beziehen von Bögen und dem Zubehörhandel bestritt. Die Goldenen Zwanziger mit ihren gesellschaftlichen, zum Teil libertinären Umwälzungen und Vergnügungsmöglichkeiten zogen auch Konrad in ihren Bann. Bei der zu Wilhelm Buschs Zeiten noch frommen Helene konnte man nunmehr beim Badengehen runde und schöne Waden sehen, und nicht nur am Berliner Wannsee, sondern auch in der Provinz spross ungeniert der Spargel. Mann wie Frau schienen „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, und

- 27 Anfang der 30er Jahre purzelten kleine grüne Kakteen vom Balkon. Die wenigsten Menschen ahnten, dass schon bald aus Liebe Hass würde und es statt Kakteen Bomben regnen sollte. Jazz und Charleston, Swing und Blues begeisterten die Jugend, und Konrad spielte regelmäßig als Stehgeiger in Tanzkapellen auf. So verstärkte er unter anderem auch die Tanzkapelle Hamberger in Markneukirchen. Bei dieser Gelegenheit freundete er sich mit seiner Cousine Elsa an, der am 19.4.1908 geborenen Tochter seines Onkels Konrad Brückner, der als Gitarrenmacher in Markneukirchen lebte. In der Silvesternacht 1931/32 kamen sich Cousine und Cousin näher, was bald schon einen sich deutlich rundenden Anlass für eine Heirat lieferte. Die Eheschließung erfolgt am 17. Mai 1932. Erneut verbanden sich die Gene und Wurzeln der Instrumentenbauer Brückner und Heberlein in nicht unvorteilhafter Weise.

Wilhelm Brückner Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise und bei einer Arbeitslosenquote in Deutschland von fast 44 Prozent erblickte Wilhelm Konrad am 30. September 1932, einem Freitag, das Licht einer sich verdüsternden Welt. Vor dem Fenster ging ein Gewitterregen nieder, unter der Krämerbrücke schwoll die Gera an. Im Nachbarort Wandersleben wurde ein 57jähriger Schäfer samt Herde und Hund vom Blitz erschlagen, schwere Unwetter überspülten die Rivera, Griechenland wurde von Erdbeben heimgesucht, und deutlich zu vernehmen war auch schon das Donnergrollen des heraufziehenden zweiten Weltkrieges: Unter der Sitzungsleitung der Kommunistin Klara Zetkin war der Nationalsozialist Hermann Göring kurz zuvor zum Reichstagspräsidenten gewählt worden, die volle Machtergreifung der Nationalsozialisten erfolgte wenige Monate später. Am Vorabend jenes 30. September reiste auf Anweisung des Reichskanzlers v. Papen Außenminister Freiherr von Neurath von der Konferenz des Völkerbundes in Genf ab. Der Versuch des Deutschen Reiches, nach Versailles wieder Gleichberechtigung in der Rüstung zu erreichen sei gescheitert, Frankreich trage dafür die volle Verantwortung. Karl Radek warnte an jenem Freitag in der Iswestia: „Selbst ein Blinder sieht nun, wie recht die russischen Abgeordneten auf der Abrüstungskonferenz hatten, wenn sie erklärten, alle Mächte müssten abrüsten, sonst sei ein neuer Krieg unvermeidlich.“ Und der englische Delegierte in Genf, Lord Cecil mahnte zur Vernunft: „Wenn Frankreich und Deutschland im Geiste der Völkerbundsatzung ihre Streitigkeiten beilegen würden, würden damit 75 % der Unrast der Welt eine Ende nehmen.“ Der Reichskanzler verdiente monatlich 2.500 Mark, ein Kohlenarbeiter schuftete für 136 Mark, und eine vierköpfige Arbeitslosenfamilie erhielt 69,60 Mark. Ein Pfund Margarine kostete 29 Pfennig, weiße Bohnen 15 Pfennig, was für eine gebürtige Puffbohne, wie die Erfurter genannt werden, nicht ganz unwichtig ist. In Schwarzenberg wurden 39.000 Mark Lohngelder geraubt, aber beruhigt konnte die Zeitung vermelden: „Der Bank erwächst kein Verlust, da der Transport versichert war.“ Na dann … war ja alles nicht so schlimm - und die Reichsregierung erklärt den Cäcilientag alljährlich zum „Tag der Hausmusik“. Barfüßerkirche vor der Zerstörung 1944

In diese Wirren hinein schaute nun etwas verwundert der kleine Wilhelm. Getauft wurde er in der Barfüßerkirche, deren riesiges Kirchenschiff im Krieg zerbombt wurde und deren Ruine heute im Sommer für Shakespeares Lustspiele und Dramen bereit steht. Leicht würde Wilhelms Leben nicht werden.

- 28 Zweiter Weltkrieg Wilhelms Vater Alfred hatte die vom UrWilhelm ererbte Werkstatt gleich nach dessen Tod übernommen, bislang aber nur wenige Instrumente gebaut und sich zunächst mehr dem fröhlichen Geigenspiel auf Tanzveranstaltungen gewidmet. Nun allerdings verlangten Frau und Kind ein solideres Lebensumfeld. Alfred begann sich an der väterlichen Werkbank mit Blick in die belebte Regierungsstraße intensiver den Reparaturen (2/3 des damaligen Umsatzes) und dem Handel zuzuwenden und beschloss schließlich, den Meisterbrief zu erwerben. Das Meisterstück war fast fertig, als Hitler-Deutschland in Polen einmarschierte und Alfred eingezogen wurde. 1798 hatten die Klingenthaler Geigenbauer als Künstler noch die Befreiung vom Militär erlangt, eine Bevorzugung, welche Alfreds Vater sicher sehr zupass gekommen wäre. Aber dieses Privileg lag inzwischen schon mehrere Generationen zurück, und es ist zu bezweifeln, dass Alfred Brückner als bekennender Stahlhelmer von diesem Sonderrecht freiwillig Gebrauch gemacht hätte. Alfred mit seiner Mutter „Klara“

Sohn Wilhelm und Ehefrau Elsa sahen Vater und Ehemann nur noch in kurzen Urlaubswochen. Immerhin konnte am 20. Juni 1942 noch Tochter Ursula geboren werden. Ursula lernte später auch auf der Geige zu spielen und übertrug die Liebe zum Instrument auf ihren Sohn Fred Ullrich, der heute im Süden Deutschlands als erfolgreicher Orchestermusiker tätig ist. Alfred Brückner verlor jedoch 1944 vor Nowgorod sein Leben, beim unsinnigen Versuch, nahe des Illmensees zwischen Moskau und Sankt Petersburg mehr „Lebensraum im Osten“ zu erobern. Schwere Jahre Schon während des Krieges konnte die Firma Brückner nur noch auf „Sparflamme“ fortgeführt werden. Gegen Ende des Krieges war die Familie bei Elsas Verwandten in Markneukirchen untergekommen. Das Haupteinkommen der Familie war Alfreds Sold. Nach dem Krieg wurde dann die Werkstatt wieder auf einträglichere Beine gestellt. Wilhelm war als 13jähriger Schüler noch nicht in der Lage, die Werkstatt fortzuführen. Doch seine Mutter Elsa nahm die Geschicke der Firma in ihre tatkräftigen Hände. Sie intensivierte ihre Kontakte nach Markneukirchen und begann einen Musikalienhandel, der neben Streichinstrumenten auch Gitarren und Blockflöten, vor allem aber auch sehr gefragte Pfretschner-Bögen umfasste. Um den von UrWilhelm gegründeten guten Ruf der Instrumente aus der Brückner Werkstatt wach zu halten, stellte sie einige Jahre den aus Breslau geflohenen sehr guten Geigenbauer Stark ein. Wilhelm mit Stark in der heimischen Werkstatt Die Werkstatt füllte sich wieder mit Leben. Auch wenn Stark Erfurt Mitte der 50er Jahre wieder verließ, so war doch dafür gesorgt, dass Wilhelm die Firma Brückner in einem guten Zustand vorfand, als er sie vor mittlerweile mehr als 50 Jahren selbst übernahm.

- 29 Lehrzeit Für Wilhelm begann zunächst eine harte Zeit. Der Verlust eines Elternteiles während der Pubertät ist immer besonders schwer zu verkraften. Wilhelm beendete noch die Schule in Erfurt. Mit 15 verließ er das Elternhaus und begann im 150 Kilometer entfernten Markneukirchen eine Lehre als Geigenbauer. Er wohnte bei Verwandten in der Erlbacher Straße 7 (Haus rechts)

Zu jener Zeit gab es in Markneukirchen noch fast ein Dutzend noch fast ein Dutzend mehr oder minder weitläufig verwandte Geigenbauer namens Brückner. Wilhelms Mutter hatte ihrem Sohn jedoch als Lehrherren den Obermeister der Geigenbauer-Innung, Louis Willi Dölling jr, ausgesucht, der schräg gegenüber der Verwandtschaft in der Bismarkstraße 4 seine Werkstatt hatte und dem ein fachlich hervorragender Ruf voraus ging. Obgleich die Instrumente Döllings heute qualitativ nicht ganz so gut eingeschätzt werden wie die Instrumente etlicher seiner Lehrlinge, so konnte man in dieser Traditionswerkstatt fachlich tatsächlich viel lernen, zumal Dölling auch Mandolinen und Bässe herstellte. „Schnell und präzise“ war sein Arbeitsmotto. Die Atmosphäre war allerdings gezeichnet von düsterer Angst, Drohungen und Schlägen. Auch der begleitende Geigenunterricht, den Wilhelm beim alten Postrat Baumgarten nahm, war eine pädagogische Katastrophe. Nicht viel hätte gefehlt, und Geigenbau und Geigenspiel wären Wilhelm auf immer verleidet worden. Mehrfach stand er vor der Entscheidung, aufzugeben. Aber die äußeren Zwänge, das Verantwortungsgefühl für die Familie und letztlich auch das Erbe des Großvaters ließen ihn immer wieder die Zähne zusammen beißen. Es war damals nicht die Zeit, wo man Selbstverwirklichung und Traumata in großen Lettern vor sich her trug. Einzig die Schulung in der Fachschule für Instrumentenbau, die es in Markneukirchen noch bis in die 60er Jahre hinein gab, brachte ein wenig Entspannung und Freude. Immerhin gingen aus der Dölling-Werkstatt einige beachtenswerte Geigenbauer hervor, z.B. die zu Wilhelms Zeiten ebenfalls bei Dölling beschäftigten Johannes Dick, der seit 1958 als Geigenbaumeister in Bremen ansässig ist, oder Ernst-Heinrich Roth III., der seine Ausbildung später in Bubenreuth beendete. Nach der Gesellenprüfung hielt es Wilhelm nicht mehr lange in Markneukirchen. Er fand eine Anstellung beim damals knapp 50jährigen Willi Lindörfer in Weimar. Willi Lindörfer war ein sehr guter Geigenbauer und eine etwas schillernde Persönlichkeit. Als recht guter Geiger mit ausgeprägtem künstlerischem Sachverstand und beachtlichem Geschäftssinn, hatte der gelernte Holzbildhauer sich den Geigenbau autodidaktisch beigebracht und bei dem renommierten Geigenbauer Otto Möckel und der Geigenhandlung Herrmann in Berlin vervollkommnet. Wilhelm musste seinen bei Dölling erlernten Arbeitsstil völlig umstellen. Bei Lindörfer, der seinen Schwerpunkt in der Restauration und dem peniblen Nachbau alter Instrumente sah, was qualitativ mitunter auch einer Fälscherwerkstatt zur Ehre gereicht hätte, hieß die Devise: Absolute Akkuratesse, wie lange es auch dauern mag. Ähnlich wie sich dem Großvater Brückner bei Fiorini in München und Stelzner in Dresden eine neue Welt eröffnet hatte, so öffnete sich auch für Enkel Wilhelm bei Lindörfer eine neuer Kosmos: Wirklich gute Musiker kamen in die Werkstatt im Süden Weimars. Kontakte, die

- 30 Wilhelm im späteren Leben sehr dienlich waren. Lindörfer handelte auch mit hervorragenden alten Instrumenten, was den Blick und das Qualitätsbewusstsein seines Gesellen schärfte, und schließlich weckte er Wilhelms Interesse für die Kunst und für Künstler. Einigermaßen skurril war allerdings Lindörfers Geheimniskrämerei ums Lackieren. Er gehörte ersichtlich zu jener Geigenbauer-Fraktion, die dem Lack den entscheidenden Qualitätseinfluss beim Geigenbau zumessen. Beim Lackieren der Instrumente durfte ihm niemand zusehen. Oftmals lackierte er über Nacht, was sich jedoch angesichts der geringen Trocknungszeit kaum qualitätssteigernd ausgewirkt haben dürfte. Wilhelm mit Lindörfer auf dessen Holzboden Demgegenüber brachte allerdings seine Idee, uralte Balken aus Schlössern und Kirchen (einer stammte sogar aus dem Goethehaus in Weimar) vor der Verbrennung zu retten und zum Geigenbau zu verwenden, konkrete Erfolge9. Ehrgeizig und fleißig arbeitete Wilhelm in seiner Freizeit auch noch an eigenen Instrumenten in der heimischen Werkstatt in der Erfurter Regierungsstraße. der junge Meister

Bereits 1956 konnte er sich zur Meisterprüfung anmelden. Es ist bezeichnend für seinen beruflichen Lebensweg, dass er als Meisterstück eine Bratsche vorlegte. Die besondere Liebe zur Bratsche sollte ihn nie wieder los lassen. Vorerst spielte aber noch eine andere Liebe eine bedeutendere Rolle: Beim Tanz anlässlich des Neptunfestes in Markneukirchen 1958 hatten sich die Wege des Geigenbauers Wilhelm und der kaufmännischen Angestellten Johanna Dorothea Ott erstmals intensiver gekreuzt. Die ebenfalls 1932 geborene Dorothea entstammte vordergründig einem Haushaltswarengeschäft. Aber letztendlich ließen sich ihre Wurzeln wie bei fast jedem in Markneukirchen dann doch auch im Instrumentenbau verorten. Dorothea war ein Spross der traditionsreichen Markneukirchener Rorarius-Dynastie. Großvater und Urgroßvater waren Gitarrenbau-meister. Der Geigenbauer Friedrich August Rorarius war um 1800 nach Wien ausgewandert und brachte es dort zum „Ausschließlich privilegiertem k.k. Hofinstrumentenmacher“, was damals nicht nur so hieß, sondern tat-sächlich mit erheblichen Privilegien und Rechten, aber auch Pflichten, verbunden war, die in vergleichbarer Form bis in die Neuzeit anhalten, wie beim privilegierten „Geigenmacher der Wiener Philharmoniker und der Wiener Staatsoper“, Otmar Lang, und dessen Nachfolger Wilfried Ramsaier, sozusagen berufliche Rorarius-Nachfahren, bis heute feststellbar ist. Ein halbes Jahr später schon verlobte sich das Paar. Mit 26 Jahren fühlte sich Wilhelm gerüstet, um in jeder Beziehung auf eigenen Beinen stehen und auch eine Familie ernähren zu können. Es zog ihn daher mit Macht weg von Lindörfer, um in der elterlichen Werkstatt sein eigener Herr zu sein. Eine schwere Erkrankung Lindörfers ließ ihn allerdings noch zwei Jahre 9

Auch Wilhelm brachte es später auf diese Weise zu manch gutem Stück Holz: Mal ein alter Balken aus dem Waidspeicher an der Großen Arche, mal aus dem benachbarten Vierherren-Gehöft in der Regierungsstraße.

- 31 länger als geplant in Weimar verweilen, bis Lindörfers Sohn Michael so weit war, seine Gesellenprüfung ablegen zu können. Wilhelm übernahm den elterlichen Betrieb endgültig Mitte 1960. Wenige Wochen später fand die Hochzeit mit Dorothea statt, und an einem Mittwoch, dem 3. Oktober 1962 erblickte Ruth Brückner das Licht der Welt. Es war kurz vor dem 13. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, und das Zentralkomitee der SED war in Berlin zu seiner 17. Sitzung zusammen getreten. Die stolzen Eltern waren gerade 30 Jahre alt geworden, und Erfurt verkündete als Spitzenmeldung des Tages, dass man bei der Kartoffelrodung an der Spitze der Bezirke stehe. Direktor Bala aus Kenia versicherte, dass ohne die Mauer der Frieden gefährdet sei. Stargeiger Oistrach wurde in Dresden umjubelt. 55 westdeutsche Schulgeographen waren zu einer Tagung nach Erfurt gereist. Der Wind wehte schwach vom Balkan; es war heiter und mit 26 Grad angenehm warm. Geigenbau in der DDR Die Mangelwirtschaft der DDR führte dazu, dass die notwendigen Materialien häufig gar nicht oder nur in schlechter Qualität und überteuert zu bekommen waren. Zum Glück konnte Wilhelm noch auf das recht umfangreiche Holzlager des Großvaters zurück greifen. Probleme hatte er allerdings beim Ebenholz für die Griffbretter, Wirbel und Einlagen. Auch war es nicht leicht, Saiten in ausreichender Zahl und guter Qualität zu bekommen. Bei den Saiten entwickelte sich der Handel in „umgekehrter Richtung“. Nicht der Geigenbauer verkaufte die Saiten an die Musiker, sondern die Musiker, die ein gewisses Kontingent guter Saiten erhielten, gingen so vorsichtig und sparsam mit den Saiten um, dass es ihnen möglich war, ihrerseits die privaten Geigenbauer zu beliefern. Um eine ordentliche Geige zu bauen, veranschlagt ein Geigenbauer ca. 6 Wochen. Das staatliche Preisdiktat sorgte allerdings dafür, dass der notwendige Verkaufspreis nicht erzielt werden konnte. Auch Wilhelm sah sich daher gezwungen, hochwertige Instrumente fast ausschließlich für Privatkunden auf Bestellung zu bauen. Die Zahl der Geigenbauer, die in der Lage waren, Meisterinstrumente herzustellen, war in der DDR überschaubar geworden. Zum einen hatte es vor dem Mauerbau einen Exodus in den Westen gegeben, zum anderen verhinderte die zentralisierte und mehr fabrikmäßige Ausbildung und Herstellung in der Musima (Musikinstrumentenbau Markneukirchen), wo bald über 50 % des Herstellungsprozesses mechanisiert worden war, die Entwicklung eines qualifizierten Nachwuchses. Der VEB Musima in Markneukirchen hatte ab 1953 mit zeitweise bis zu 1260 Mitarbeitern nahezu monopolistisch die Herstellung von Streich und Zupfinstrumenten übernommen. Die besseren Instrumente wurden ins Ausland exportiert. Die Zahl der Geigenbaubetriebe nahm kontinuierlich ab, da zunehmend nur noch Kleinst- und Familienbetriebe geduldet wurden. Neugründungen waren nahezu ausgeschlossen.

- 32 Folgerichtig nahm auch die Zahl privater Ausbildungsplätze ab. Die Ausbildung erfolgte vorrangig unter spezifizierten Fabrikbedingungen und entsprach den Bedürfnissen der Massenproduktion im VEB Musima, wo die Geigenbauer - wie schon in den vogtländischen Werkstätten des 1900 Jahrhunderts - jeweils nur in Teilbereichen der Produktion eingesetzt wurden. Die in Markneukirchen ansässige Fachschule für Instrumentenbau wurde in den 60er Jahren geschlossen. Die theoretische Ausbildung erfolgte anschließend in Klingenthal. Neben dem Mangel an notwendigen Materialien waren die privaten Geigenbauer auch etlichen formalistischen Repressalien ausgesetzt. Um die Kontrollmechanismen weiter zu verschärfen musste z.B. ab 1970 jede als Künstlerinstrument ausgewiesene Meistergeige mit einem eigenen Namen ausgestattet werden und ein Prüfsigel aufweisen. Meisterinstrumente erhielten vom Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung der DDR das Prädikat „Künstlerinstrument“. Hervorragende Meister, so auch später Wilhelm, wurden als „Anerkannter Kunstschaffender“ ausgezeichnet. Seit 1978 wurde jährlich der „Ehrenpreis für hervorragende Leistungen im Musikinstrumentenbau der DDR“ verliehen. Bereits kurz vor Kriegsende hatte sich die Migma (Musikinstrumenten Handwerker-Genossenschaft Markneukirchen) als Einkaufs- und Liefergenossenschaft gegründet. Nach Gründung der DDR war dies nahezu die einzig legale Art für die verbliebenen selbstständigen Geigenbauer, Materialien zu beschaffen. Sie mussten sich allerdings dazu verpflichten, einen Teil der Produktion weit unter Wert an die Genossenschaft zu geben, die sie dann unter eigenem Namen vertrieb. Die Auslandskontrakte mussten über die "Demusa GmbH" ab-gewickelt werden. Der Außenhandel der DDR unterlag einem staatlichen Monopol. Am 7. Dezember 1956 erfolgte die Gründung die VE Deutsche Innen- und Außenhandel (DIA) Kulturwaren. Dies war der unmittelbare Vorgänger der Deutschen Musikinstrumentenund Spielwaren Außenhandelsgesellschaft mbH Berlin (Demusa), die am 1. September 1960 ihre Tätigkeit aufnahm. Die Außenhandelsbetriebe waren allein zuständige Handelsunternehmen für einzelne fest definierte Erzeugnisse und Erzeugnisgruppen. Sie leiteten, steuerten und regelten die Außenhandelsbeziehungen in diesem Bereich. Die DEMUSA handelte zunächst mit Musikinstrumenten aller Art, Christbaumschmuck, Fest- und Scherzartikeln, Zündhölzern und Kinderwagen wobei das Handelssortiment unterlag bis 1988 etlichen Änderungen unterlag. Forsche Schritte in der Selbständigkeit Trotz staatlicher Repressalien und Einschränkungen entwickelte sich Wilhelms Werkstatt sehr zufriedenstellend. In fast jeder Beziehung konnte er an die erfolgreiche Tradition des Großvaters anknüpfen. Dabei half ihm die sozialistische Planwirtschaft insofern, als sich rasch ein Mangel an qualifiziertem Nachwuchs einstellte und etwa 4/5 der Geigenproduktion aus dem Vogtland, wo 97 % der DDR Streich- und Zupfinstrumente erzeugt wurden, ins Ausland exportiert wurde. Oft bekam die eigene Bevölkerung nur billige Sperrholzinstrumente bereit gestellt. D.h. es herrschte bald ein eklatantes Missverhältnis auf dem inländischen DDRMarkt zwischen Nachfrage und Angebot, insbesondere bei Qualitätserzeugnissen.

- 33 Wilhelm gelang es, sich relativ schnell einen stabilen Kundenstamm zu schaffen, der ihm seine Instrumente zur Reparatur überließ. Er bereiste die Orte der Umgebung auf der Suche nach guten, alten Instrumenten, die er restaurierte und wieder veräußerte, und experimentierte mit Neubauten. In den ersten 10 Jahren wagte er sich an verschiedene Geigenmodelle, baute einige Bratschen und zwei Celli. Töchterchen Ruth bekam bereits zum vierten Geburtstag eine Achtelgeige in die Hand gelegt, in der vielleicht etwas zu ambitionierten Erwartung, sie würde sich zu einer Amadea Mozart entwickeln. Interessante Celli wurden ebenso nachgebaut wie die Stradivari von David Oistrach. Nicht einmal eine Tanzmeistergeige war vor Wilhelms Bau- und Experimentierlust sicher. Wilhelms Sordino (Tanzmeistergeige)

Wilhelm hatte sich inzwischen auch einen guten Ruf als Restaurator erworben. So erhielt er eines Tages vom LohOrchester den Auftrag, ein wertvolles Amati-Cello zu reparieren. Die Stimme war durch die Decke gebrochen; so ziemlich das Schlimmste, was einem Streichinstrument passieren kann. Das Ergebnis der Reparatur war so überzeugend, dass ihm nunmehr auch die Qualifikation als Kunsthandwerker zugebilligt wurde, was bedeutete, dass er jetzt Künstlerinstrumente bauen durfte. Sein erstes derartig zertifiziertes Instrument taufte er auf den nicht gerade bescheidenen Namen „Gloriosa“.

Durchbruch Mit der „Gloriosa“ begann im Mai 1972 der internationale Aufstieg der Geigenbauwerkstatt Brückner. Nach einer Operation etwas geschwächt hatte sich Wilhelm schließlich doch auf Drängen seiner Frau entschlossen, seine Gloriosa auf dem renommierten und ältesten Geigenbauwettbewerb Henryk Wieniawski, in Polen vorzustellen. Dort werden seit 1957 alle fünf Jahre von einer international prominent besetzten Jury10 sozusagen die „Oskars“ des internationalen Geigenbau verliehen. Gloriosa ist auch der Name der größten frei schwingenden Glocke der Welt, die sich im Dom zu Erfurt befindet. Und „Die Ruhmreiche“ machte ihrem Namen alle 10

1972 waren dies u.a.: Jean Bauer– Frankreich, Władimir Bystrożynski– USSR, Vila Kuzel –CSSR, Renato Scrollavezza- Italien, Eckart Richter- DDR, Józef Świrek- Polen, Walter Voigt- BRD

- 34 Ehre. Unter etlichen Hundert von einer illustren Schar renommierter Geigenbauer eingereichter Instrumente wurde die Gloriosa mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Von nun an wurden Wilhelm die Instrumente aus den Händen gerissen, und er wurde als Devisenbringer hofiert. Die Materialfrage entschärfte sich, wenngleich der Export noch über den staatlichen Außenhandel erfolgen musste, was insofern äußerst unbefriedigend blieb, weil so der direkte Kontakt zum Kunden meist unmöglich war, dessen spezielle Wünsche und Anregungen im Dunkeln bleiben mussten, und natürlich auch keine angemessenen Preise erzielt werden konnten. Wilhelm fand nach der Wende heraus, dass Gewinnspannen von mehr als 500 Prozent bei der Demusa keineswegs die Ausnahme waren. So erhielt er z.B. für ein Instrument lediglich 2.200 Ostmark, welches von der Demusa für 3.600 Dollar in die USA verkauft worden war. Wirken in der Fachgruppe der Geigenbaumeister11 der DDR Die gravierenden Probleme der Geigenbauer und des Geigenbaus in der DDR ließen sich immer weniger unter den Teppich kehren. Wilhelm war einer der Letzten gewesen, der noch einen internationalen Preis erringen konnte. Die Nachwuchssorgen waren evident und die Materiaprobleme immer weniger beherrschbar. Andererseits waren sich die DDR-Oberen durchaus bewusst, dass der Geigenbau im Osten Deutschlands natürlich eine Jahrhunderte lange erfolgreiche Tradition verkörperte und sehr wohl auch als Devisenbringer eingesetzt werden konnte. Die zentralisierte, fabrikmäßige Fabrikation der Instrumente im Vogtland hatte sich als Sackgasse erwiesen. Das ging letztlich sogar so weit, dass man sich durch das Baumsterben im Erzgebirge gezwungen sah, für die Industriegeigen Pressholz zu verwenden. Man brauchte die freien Geigenbaumeister, sah zunehmend die Notwenigkeit, sie zu fördern und zu unterstützen, wollte ihnen aber auch nicht zu viel Freiheit zubilligen. Als Kompromiss bot es sich an, den Geigenbauern eine eigene Organisationseinheit zu schaffen. Wie in diesen Fällen üblich, erfolgte die Gründung von „Oben“.

Der Genosse Generaldirektor der Vereinigung Volkseigener Betriebe lud zur Gründungsversammlung. Die Gründung wurde an einem regnerisch kühlen Dienstag im Mai 1978 vollzogen. An jenem 23. Mai in Plauen zeigten sich die Abgesandten des Kulturministeriums und der Volkseigenen Betriebe erstaunlich einsichtig und selbstkritisch: Man sei inzwischen von der internationalen Entwicklung abgeschnitten, die Reparaturkapazitäten im eigenen Land seien nicht mehr ausreichend, man müsse sogar gute Instrumente und Werkzeuge importieren. Gemäß Vorschlag von „Oben“ wurde Eckart Richter aus Markneukirchen von den anwesenden 19 Geigenbauern als Vorsitzender bestätigt. Die Bogenmacher stießen erst 1981 dazu. Richters Stellvertreter wurde Wilhelm Brückner. In den folgenden 10 Jahren entwickelte sich 11

ab 8.10.1984 „Fachgruppe der Geigen- und Bogenbaumeister der Deutschen Demokratischen Republik

- 35 zwischen diesen Beiden eine gute Arbeitsteilung. Kollege Richter versuchte zu vermitteln und Wilhelm formulierte mitunter etwas sehr deutlich die Kritikpunkte. So äußerte er schon früh seinen Unmut über die mangelnde Unterstützung bei Wettbewerben, thematisierte die Absurdität, Wirbel und andere Kleinbestandteile selbst produzieren zu müssen, und provozierte mit der schon fast „kapitalistisch-konterrevolutionären“ Vermutung, die Arbeiter seien auf Grund des zu niedrigen Lohnniveaus zu wenig motiviert, Qualitätsarbeit zu liefern; d.h. Wirbel würden abbrechen, Feinstimmer passten nicht an die Saitenhalter, etc. Dies wurde natürlich vom VEB-Betriebsdirektor entschieden zurückgewiesen! Die Volkseigenen Betriebe insbesondere die Musima zeigten sich auch im Weiteren in keiner Weise kooperativ, und das Ministerium vertraute im Wesentlichen auf die Kreativität der Geigenbauer, sich selbst zu helfen. Immerhin war die Mitgliedschaft in der Fachgruppe nicht zuletzt durch Vorträge und Informationsaustausch auf hohem Niveau so attraktiv, dass es nach etlichen Jahren gelungen war, sämtliche Geigenbaumeister der DDR zusammen zu führen. Es gelang der Fachgruppe, Richtwerte für Reparaturpreise zu entwickeln, die Lehrlingsausbildung konnte geringfügig verbessert werden. Schließlich weckten aber ausgiebige Berichte über Reisen einiger Kollegen, deren Instrumente als Devisenbringer besonders begehrt waren, auch und vor allem ins westliche Ausland, ein gewisses kritisches Selbstbewusstsein bei allen Geigen- und Bogenbauern und politisch heikle Begehrlichkeiten. Dies führte 1985 sogar zu dem schier revolutionären Akt, die Fachgruppenleitung in geheimer Wahl zu bestimmen. Wilhelm wurde erneut in den Vorstand gewählt, gab aber den Stellvertreterposten an den Bogenbauer H.-K. Schmidt ab. Erste Verhandlungen zur Vereinigung der Fachgruppe mit dem VDG beim Kollegen Franke (Mitte) in Leipzig. Links daneben der VDG Vorsitzende Bühnagel; ganz rechts: Wilhelm

Mit der Wende kam das Ende der Fachgruppe. Wilhelm, der inzwischen das Schatzmeisteramt übernommen hatte, berichtete auf der Vorstandssitzung am 3.2.1990 in Halle noch vom Problem, in der untergegangenen DDR ein Konto zu eröffnen, auf dem er das Vereinsvermögen von 5436,33 Mark einzahlen konnte. Im Mai 1991 erfolgte in Bamberg die Vereinigung mit dem Verband Deutscher Geigen- und Bogenbauer, dem die Kollegen aus den Neuen Bundesländern geschlossen beitraten. Und wieder schloss sich ein Kreis. Schwerpunktthema in Bamberg war die Viola. Wilhelm hielt den Kernvortrag zum „Bau der Viola“; exakt 13 Jahre nach der Einladung zur Gründungsversammlung der Fachgruppe – und wieder regnete es und war relativ kühl. In seinem letzten öffentlich gehaltenen Vortrag ließ Wilhelm alle Erfahrungen und Erkenntnisse einfließen, die er in über 40 Jahren als Geigenbauer gesammelt hatte. Seine Offenheit wurde von den Westkollegen ungläubig staunend bewundert. Geprägt vom marktwirtschaftlichen Konkurrenzdruck waren sie ein so partnerschaftliches Entgegenkommen nicht gewohnt. Wilhelm allerdings, der noch maßgeblich die Verhandlungen zur Vereinigung mit bewirkt hatte, zog sich in seinem nunmehr 60. Lebensjahr aus der Gremienarbeit zurück. Für Außenstehende ist es ohnehin kaum erklärlich, wie dieses Energiepaket so lange Werkstatt, Familie, Gremientätigkeit, Geigenbauerverband, Kunsthandwerkerverband mit den damit zusammenhängenden zahlreichen Reisen im In- und Ausland, Prüfer, Gutachter, Schachverein, Kegelgemeinschaft etc. miteinander verbinden und dennoch in jedem Bereich solide Arbeit und Erfolge aufweisen konnte.

- 36 Verband Bildender Künstler der DDR Um etwas freier agieren zu können, war es für einen selbständigen Handwerksmeister zu DDR-Zeiten äußerst wichtig, sich soziale Netzwerke zu schaffen. Es nimmt daher nicht Wunder, dass der umtriebige Wilhelm sich nicht nur fachlich als Stellvertretender Obermeister der Handwerkskammer, Berufener Gutachter und Kultursachverständiger im Rat des Bezirks sondern auch gesellschaftlich sehr intensiv engagierte. Politisch eher zurückhaltend, wirkte er doch in der Nationalen Front und der Volkssolidarität mit und war als Turnierschachspieler, Elternaktivvorsitzender, Kegler und im Wohnbezirksausschuss aktiv. Um sich jedoch auch international mehr Bewegungsfreiraum zu schaffen und die Preisgestaltung für seine Instrumente autonomer festlegen zu können 12, war Wilhelm ein ambitionierter und in der DDR bisher einmaliger Gedanke gekommen, den er bald schon engagiert umzusetzen begann: Die Restauration des Amati-Cellos hatte Wilhelm im Juli 1970 die Anerkennung als Kulturschaffender des Handwerks gebracht. Dies war natürlich nicht nur ein Ehrentitel, sondern damit verband sich eine größere Flexibilität bei der Preisgestaltung und vor allem die Berechtigung, Künstlerinstrumente herstellen zu dürfen. Wilhelm wollte nunmehr allerdings einen konsequenten zweiten Schritt gehen: Mit zähem Selbstbewusstsein betrieb er seine Aufnahme in den Verband Bildender Künstler der DDR. Bei Gründung der Künstlervereinigung der DDR, wie der Verband bis 1970 hieß, waren 1950 sechs Landesverbände und sechs Fachgruppen eingerichtet worden: 1. Maler und Grafiker 2. Bildhauer 3. Gebrauchs- und Fotografiker 4. Werkkünstler und Formgestalter 5. Architekten, Ausstellungsgestalter und Bühnenbildner 6. Kopisten und Restauratoren Die letzte Fachgruppe bot die theoretische Zugangsmöglichkeiten auch für Geigenbauer, wenngleich dies noch nie einem Instrumentenbauer zugestanden worden war. Wilhelms Erfolg in Posen und der damals schon damit verbundene Medienrummel führten tatsächlich dazu, dass er trotz einiger Widerstände im September 1979 als erster Geigenbauer überhaupt in diesem Verband Fuß fassen konnte. 1983 gelang es Wilhelm, den Kollegen Schade und ein Jahr später auch den Bogenbauer H.-K.-Schmidt in den VBK aufnehmen zu lassen. 1984 war dann insofern eine gewisse Normalität eingezogen, als objektivierbare Kriterien für die Aufnahme von Instrumentenbauer formuliert werden konnten. Voraussetzung für die Aufnahme im VBK war ein abgeschlossenes künstlerisches Fach- oder Hochschulstudium oder die Prüfung durch eine der Sektionsleitungen. Nach einem Status als Kandidat erfolgte die Aufnahme als vollwertiges Mitglied des Verbandes. Eine Mitgliedschaft war wichtig, da sie den Zugang zum staatlichen Kunsthandel darstellte und die öffentliche Vergabe von künstlerischen Aufträgen nur an Mitglieder des Verbandes erfolgte. Die größte Abteilung des Verbandes bildete Ende der 80er Jahre die Reisestelle der Abteilung Internationale Beziehungen, da die Reisetätigkeit der Künstler (Studienreisen, Museumsbesuche im 12

§ 2 Abs.2 der Honorarordnung Bildende Kunst: „Grundlage für die Festlegung des Honorars innerhalb des Honorarrahmens ist die erwartete bzw. erreichte inhaltliche und künstlerische Qualität des Werkes, wobei die nationale bzw. internationale Anerkennung des Künstlers berücksichtigt werden kann.“

- 37 Ausland) zunahm und diese durch den VBK organisiert und finanziert wurden. Bei der Auflösung des Verbandes 1990 hatte der VBK ca. 6.000 Mitglieder. Für Wilhelm hatte sich mit seiner Aufnahme das Fenster in den Westen ein Stück weiter geöffnet. Dass teilweise die Kosten für Auslandsreisen vom Verband übernommen wurden, war in diesem Zusammenhang weniger wichtig als die Hilfestellung bei der Genehmigung der Westreisen – teils direkt, teils indirekt über den Rat des Bezirkes. Damit konnten immer mal wieder die Bremser und Bedenkenträger des VVB-Apparates in Plauen umgangen werden. Die ersten Studienreisen führten ihn z.B. 1981 nach Mittenwald, wo er nicht nur Kontakte zu Kollegen und Kunden knüpfte sondern sich vor allem auch mit dringend benötigten Werkzeugen und Materialien eindecken konnte. 1983 gelang es Wilhelm über den VBK nach Kassel zu reisen, 1985 nach Cremona. Mitgliedschaft in der LDPD Typischerweise wurden Handwerksmeister und Kleinunternehmer, soweit sie ihre Selbständigkeit in der DDR behalten konnten, Mitglieder der LDPD. Nicht selten wurden sogar Interessenten für eine Mitgliedschaft in der SED zur Auffüllung an eine der Blockparteien verwiesen. Wilhelm fiel hier insofern aus dem Rahmen, als er schon Anfang 1948 Mitglied der LDP wurde, wie sie damals noch hieß. Die LDP, die ihren ersten Parteitag in Erfurt abhielt, war bei den letzten freien Wahlen 1946 in der sowjetischen Besatzungszone mit knapp 25 Prozent der Stimmen noch vor der CDU zweitstärkste Partei hinter der SED geworden. Nach dem Tod des ersten Parteivorsitzenden Wilhelm Külz im April 1948 wurde die LDP kritischer gegenüber der SED. Ende 1948, auf dem Höhepunkt ihres Widerstandes gegen die Machtergreifung der SED, hatte die LDP mehr als 200.000 Mitglieder, von denen 23 Prozent jünger als 25 Jahre waren. Dazu gehörte auch Wilhelm. Den kritischen Kurs konnte die LDP allerdings nicht lange durchhalten. Säuberungen, Verhaftungen, Todesurteile brachten die LDP auf Linie. Jungpolitikern, wie Genscher, Mischnick und Flach, gelang noch rechtzeitig die Flucht in den Westen. Mit der Umbenennung in Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) war die Eigenständigkeit am 27. Oktober 1951 endgültig beendet. Jene „48er Jungrebellen“, welche die Säuberungsaktionen überstanden hatten, wurden künftig mit einem Gemisch aus vorsichtigem Misstrauen und heimlicher Bewunderung betrachtet. Für Wilhelm bot die LDPD einen gewissen Schutz vor politischen Zumutungen der SED und eine Einbindung in eine berufliche Interessengemeinschaft. Gleichwohl vermied er es, sich politisch zu sehr zu engagieren. Seine Anwesenheit bei Parteiveranstaltungen dieser „Thüringenpartei “ beschränkte er auf Fachvorträge. Angesichts seiner Meriten für den „sozialistischen Aufbau“ nehmen sich seine Orden und Ehrungen daher auch vergleichsweise bescheiden aus: Aktivist der sozialistischen Arbeit (womit allerdings ca. 2/3 der DDR-Bevölkerung ausgezeichnet wurden), das goldene Ehrenzeichen des Handwerks, eine Medaille zum 30. Jahrestag der Staatsgründung und die silberne Ehrennadel der Nationalen Front gehörten zur relativ mageren Aus-beute. Die Familie kaufte sich auch insofern politisch frei, als z.B. zum IV. Pioniertreffen 1961 in Erfurt eine Gruppe Junger Pioniere ein Brückner-Instrument zum Geschenk erhielt, und ab 1977 mit Ehefrau Dorothea noch ein zweites zahlendes Mitglied die LDPD-Statistik schönte.

- 38 Louis Spohr Wettbewerb 1983 Dass die für Wilhelm bahnbrechende Preisverleihung 1972 in Polen keine Eintagsfliege war, hatte sich im Folgenden mehrfach gezeigt. 1979 wurde Wilhelm bei der Triennale in Cremona ein Diplom verliehen, 1981 erhielt er beim Wieniawsky Wettbewerb die Goldmedaille des Geigenbauerverbandes der BRD und den Goldenen Groblics des polnischen Geigenbauerverbandes für höchste Individualität. Wilhelm konnte sich nunmehr als „Reisekader“ bezeichnen. 1981 reiste er nach Mittenwald mit Besuch der dortigen Geigenbauschule. 1985 war er zum Wettbewerb in Cremona. 1987 verbrachte er fünf Wochen als Ausbilder des skandinavischen Geigenbaunachwuchses in Schweden. Ein ganz entscheidender Meilenstein war aber Wilhelms Auftritt und Erfolg in Kassel 1983. Die notorisch unter zu geringem Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit leidenden DDR-Kader sahen darin etwas fast so Rühmliches wie eine kulturelle Olympiamedaille. Immerhin konnten Wilhelms Bratschen eine Silbermedaille und 5 der in Kassel zu vergebenden 30 Diplome einheimsen. Er war damit erfolgreichster Geigenbauer des Ostblocks. Der internationale Louis Spohr Wettbewerb jenseits der Mauer war insofern ein besonders herausragender und bedeutender Wettbewerb, als er erstmals vom Verband (West-)Deutscher Geigenbauer ausgelobt worden war mit maßgeblicher Unterstützung der Stadt Kassel, des Hessischen Rundfunks und potenter Geldgeber. Die ursprüngliche Intention, den Wettbewerb alle 4 Jahre alternierend zur Documenta stattfinden zu lassen und damit Deutschlands „Kunsthauptstadt“ auch zur „Musikhauptstadt“ zu machen, erwies sich allerdings als zu ambitioniert. Gleichwohl war es ein international sehr beachteter Wettbewerb. 400 Exponate galt es zu begutachten. Wiederum wurden intensive Kontakte geknüpft. Der Solobratscher des Orchesters vom Hessischen Rundfunk, Bodo Hersen, verliebte sich sofort in eine Brücknerbratsche und kaufte sie auf dem komplizierten Weg über die DDR-Aussenhandelsgesellschaft. Langjährige, zum Teil bis heute anhaltende Freundschaften und Vertrauensverhältnisse entstanden. Brückner Bratsche Letztlich war es immer wieder der Bratschenbau, der seit über 50 Jahren die Geschicke der Geigenbauwerkstatt Brückner in der einen oder anderen Weise maßgeblich beeinflusste. Die Weichen dafür waren schon 1956 gestellt worden, denn nicht ganz von ungefähr hatte Wilhelm (wie 34 Jahre später dann auch Tochter Ruth) eine Bratsche zum Meisterstück gewählt. Diese Meisterbratsche wurde vom damaligen 1. Konzertmeister der Landeskapelle Eisenach, Alfred Lipka, erworben. In Böhmen geboren, hatte Lipka seine Violin- und Violastudien u.a. in Erfurt absolviert. Die Verbindung zwischen Lipka und Wilhelm sollte nie wieder abreißen, auch wenn sich der Musiker räumlich immer weiter von Erfurt entfernte. Von 1958 bis 1963 war er Solo-Bratscher des Rundfunk–Sinfonieorchesters Leipzig, anschließend Solo-Bratscher der Deutschen Staatsoper Berlin, bis ihm 1975 eine Professor an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" Berlin angetragen wurde.

- 39 In Berlin hatte sich Lipka von Wilhelms Meisterbratsche getrennt und die größere Bratsche eines Kollegen aus Gotha erworben. Dies wurmte den ehrgeizigen Wilhelm dann doch sehr, und er begann intensiv zu experimentieren, um den Klang seiner Bratschen zu optimieren. Eine Bratsche in Gambenform stellte sich rasch als Sackgasse heraus. Bald jedoch war er auf dem richtigen Weg. Ausgehend vom voluminösen Modell der Tertis Viola, die allerdings wegen der Breite am Hals schwierig zu spielen ist, entwickelte er 1976 eine „breitarschige“ Form, die im unteren Teil sehr ausladende Maße aufwies. Prof. Lipka mit der „Urmutter“

Die „Urmutter“ war entstanden. Der frischgebackene Professor Lipka war so begeistert, dass er sie noch unlackiert in den Konzertsaal mitnehmen wollte. Lionel Tertis mit seinem Viola-Modell

Im Folgenden perfektionierte Wilhelm sein Modell, stumpfte die Ecken ab und verlagerte die C-Bügel, um die Spielbarkeit zu erleichtern. Auch Lipkas Schüler, u.a. die späteren ViolaProfessoren Schwarz, Krüger und Selditz waren begeistert und entschieden sich für das neue Brücknermodell. Dies wurde daraufhin von etlichen Kollegen kopiert, aber die ausgewogene Brückner-Reife wurde dann doch nicht erreicht, wie sich auch bei den Geigenbau-Wettbewerben heraus stellte, die Wilhelm zunehmend mit seinen Violen bestritt. prominente Lipka-Schüler:

Prof. Felix Schwartz, Rostock Prof. Erich Wolfgang Krüger, Weimar 1.Solobratschist Staatskapelle Berlin Mitglied diverser Kammermusikensembles

Prof. Thomas Selditz, Wien u.a. Mitglied des Gaede Trios

Bratschen führten längere Zeit in den Orchestern der Welt ein Schattendasein, obgleich sie zur Standardbesetzung in jedem Streichquartett gehören. Oft wurden die Bratschen von ehemaligen Geigern gespielt, denen nachgesagt wurde, als Geiger nicht reüssieren zu können. Mit Ostfriesen und Blondinen teilten die Bratscher oft das wenig schmeichelhafte Los, bevorzugtes Ziel von Witzeschmieden zu sein. Zunehmend wandelt sich allerdings das Bild. Es gibt sehr anspruchsvolle Kompositionen für Solobratsche, und es gibt vor allem Bratschenvirtuosen, die den Spitzengeigern in nichts nachstehen. Längst gibt es kein Qualitätsgefälle mehr. Ausschließlich das subjektive Empfinden entscheidet inzwischen darüber, ob man sich als Spieler oder Zuhörer mehr für den helleren Geigenklang oder den dunkleren Bratschenklang begeistert. Vielen scheint heute sogar der geheimnisvollere Bratschenklang eher geeignet, in Herz und Seele vorzudringen.

- 40 -

Die japanische Spitzenbratscherin Nobuko Imai

(hier mit Wilhelm Brückner und dem Bratscher Kuron Davis aus Großbritannien 1995 in London) wurde von der Musikzeitschrift „ensemble“ (Nr.11/2011) nach der Spezifik des Violaklangs befragt: (nebenstehend) Eine schönere Liebeserklärung für die oftmals verkannte (vgl. Seite 41) Viola lässt sich kaum denken, und das Interview erklärt plastisch, warum sich die Familie Brückner diesem Instrument in ganz besonderer Weise verbunden fühlt, und warum Ruth Brückner (links) schon seit Kindertagen Bratsche spielt und sich heute u.a. im Akademischen Orchester Erfurt (früher Universitätsorchester) neben ihrem Beruf als Geigenbauerin noch intensiv als Hobby-Bratscherin betätigt. Akademisches Orchester, Erfurt 2011 mit Universitätsmusikdirektor Sebastian Krahnert, Konzertmeisterin Regine Solle und Ruth Brückner (Pfeile)

- 41 Bratscherwitze Wenn jemand einen Geiger-Witz erzählt lachen die Zuhörer. Wenn jemand einen Bratscher-Witz erzählt nicken alle zustimmend. Was macht man mit dem ersten Geiger nach einem Schlaganfall? - Man setzt ihn an die erste Bratsche! Was macht man, wenn er kurz darauf stirbt? - Er kommt einfach in die zweite Reihe! Welches ist das Lieblingsinstrument der Bratscher? Die Harfe: Nur Pizzicato, nur leere Saiten und kein Vibrato. Unterschied zwischen Bratsche und Zwiebel? Wenn man eine Bratsche klein hackt, weint kein Mensch. Woran erkennt man, dass ein Bratscher falsch spielt? - Der Bogen bewegt sich!!! Wie schützt man eine Geige vor Diebstahl? - Man legt sie in einen Bratschen-Koffer! Warum bevorzugen Bratscher durchsichtige Brotdosen? - Damit sie auf einen Blick wissen, ob sie auf dem Weg zur Probe sind oder schon auf dem Heimweg. Wie heißt die Endrunde im Bratschistenwettbewerb?- Achtelfinale. Warum sind Bratschen auf modernen CD-Einspielungen nicht zu hören? - Weil die Technik inzwischen Aufnahmen ohne jegliche Nebengeräusche produzieren kann. Warum üben Bratscher immer mit Metronom? - Irgendwas muss sich ja beim Üben bewegen. Was haben ein Bratscher und ein Unwetter gemeinsam? - Beide setzen meistens zum falschen Zeitpunkt ein. Wie nennt man es, wenn ein Bratscher sein Instrument aus dem Fenster wirft? - Schöner Wohnen! Zwei Violinisten treffen sich nach langer Zeit. Einer von beiden trägt einen Bratschenkasten. Fragt der andere: "Hattest Du einen Schlaganfall?" Orchesterkonzert. Am 2. Bratschenpult große Verwirrung. Ratsuchende Frage an das 3. Pult der 2. Geigen: "Wo sind wir?" Antwort: "Takt 165 ... Takt 166 ... Takt 167 ..." Der Bratschist: "Keine Details - welches Stück!" Der Dirigent zum Bratschisten: "Du hast da Triolen!" - Der Bratschist starrt auf sein Hemd: "Wo, wo, wo ... tu sie weg!" Ein Bratscher geht zum Psychiater und sagt: "Herr Doktor, ich habe ein Problem: Ich rede im Schlaf." - "Das machen doch viele Leute." - "Ja, aber das ganze Orchester lacht schon über mich!" Es werden die Einsparmaßnahmen in einem Orchester diskutiert. Durchgesetzt hat sich dann doch die Idee, bei den Pultlampen der Bratschisten Bewegungsmelder zu installieren. Die Orchestermitglieder beobachten, wie ein Bratscher vor jeder Probe einen Zettel aus seinem Spind nimmt und einen heimlichen Blick darauf wirft. Der Konzertmeister beobachtet das eine Weile und wird zuletzt so neugierig, dass er eine kurze Abwesenheit des Bratschers nutzt und sich den geheimnisvollen Zettel anschaut. Verdutzt liest er die wenigen Worte: Bratsche links, Bogen rechts! Alle Kinder in der Klasse werden vom Lehrer gefragt, was ihre Väter von Beruf sind. Der eine sagt: "Mein Vater ist Dachdecker", ein anderer sagt: "Meiner ist Maler." So geht es weiter. Als Peter an der Reihe ist, sagt er: "Mein Vater ist Striptease-Tänzer in einer Nacktbar." Der Lehrer wird rot. Am nächsten Tag kommt der Lehrer zu Peter und sagt: "Ich war gestern bei einem Konzert und habe deinen Vater als Musiker im Sinfonieorchester mit seiner Bratsche gesehen. Wieso sagst du, er wäre Striptease-Tänzer?" Darauf Peter: "Ich habe mich so geschämt." Zoff im Orchester: Klarinettist und Bratscher streiten sich lautstark. Der Dirigent unterbricht die beiden und fragt den Klarinettisten: "Was ist denn in Sie gefahren?" Dieser antwortet: "Der Bratscher hat mir alle Klappen verdreht!" Daraufhin befragt der Dirigent den Bratscher: "Was haben Sie dazu zu sagen?"- "Also", jammert dieser, "der Klarinettist ist ja so gemein! Er hat mir eine Saite verstimmt und will mir nicht sagen, welche!" Ein Bratschist war in einem Konzert bei einem Pianisten. Nach dem Konzert geht er nach vorne und gratuliert ihm begeistert. Bratschist: "Also am besten hat mir die Stelle mit dem Teufelstriller gefallen." Pianist (verwundert): "Was für ein Teufelstriller?" Bratschist: "Na die: di-di-di-di-di-da-da-da-daaa" (für Elise) In einem Eisenbahnabteil sitzen ein langsamer Bratscher, ein schneller Bratscher, ein Konzertmeister und ein Kontrabassist. Auf dem kleinen Klapptisch vorm Fenster liegt eine Tafel Schokolade. Der Zug fährt durch einen Tunnel, anschließend ist die Schokolade verschwunden. Wer hat sie genommen? Der langsame Bratscher. Der Konzertmeister interessiert sich nicht für Schokolade. Bis der Bassist was mitbekommt, ist eh alles gelaufen. Und hast du schon mal einen schnellen Bratscher gesehen?

- 42 Lehrlinge Mitte der 70er Jahre reifte, nicht zuletzt auch durch den Preis, den Wilhelm in Polen errungen hatte, bei den DDR-Oberen die Erkenntnis, dass nicht nur mit Billigprodukten Devisen erzielt werden konnten, es aber zunehmend am qualifiziert ausgebildeten Nachwuchs fehlte. Es wurde daher eine Ausbildungsinitiative gestartet, die für erfolgreiche Lehrlings- und Gesellenausbildung Prämien vergab. Wilhelm musste die Werkstatt umbauen und einen weiteren Arbeitsplatz einrichten, um Platz für einen Lehrling zu schaffen. Wie oft in derartigen Fällen waren es vor allem persönliche Beziehungen, die dazu führten, dass Wilhelm 1975 Matthias Misch als Lehrling in seine Obhut nahm. Matthias hatte zwar Geigenunterricht erhalten, sich aber zur Geigenbaulehre eher der Not gehorchend entschlossen, da ihm aus einem sehr christlichen Akademikerhaushalt stammend der Weg ins Studium verwehrt war. Wilhelm selbst hatte eine harte Lehrzeit durchlitten und war selbst vermutlich auch nicht gerade der geduldigste Lehrmeister. Matthias Misch hat heute eine Geigenbauwerkstatt in Erfurt

Wilhelms nächster Lehrling wurde 1981 nunmehr die vierte Brückner-Generation: Tochter Ruth, die kurz zuvor an der Humboldt Oberschule

ihr Abitur abgelegt hatte. Auf dem Höhepunkt Spätestens mit dem erfolgreichen Abschneiden auch „beim Klassenfeind“ hatte Wilhelm Brückner endgültig den internationalen Durchbruch geschafft. Hatte man während des Spohr-Wettbewerbes noch gezögert, ihm eine Reiseerlaubnis ins nur 150 km entfernte Kassel zu erteilen und ihn erst ziehen lassen, als sich im Verlauf des Wettbewerbes heraus kristallisierte, dass die Brücknerinstrumente hervorragend abschneiden würden, so erhielt er nunmehr weitere Reiseprivilegien. Selbstverständlich ahnte man, dass die über den Genex Geschenkdienst GmbH mit einem ersten Trabi schon 1974 ohne die üblichen Wartezeiten abgewickelten Autokäufe nicht etwa von einer reichen Westverwandtschaft initiiert wurden, sondern Äquivalent waren, für geschickt eingefädelte Instrumentenverkäufe auf eigene Rechnung. Nicht selten kamen z.B. Musiker aus dem Westen nach Erfurt, betraten die Werkstatt in der Regierungsstraße mit einem minderwertigen Instrument und verließen sie mit einer Geige oder einer Bratsche, bei welcher der BrücknerBrandstempel von nichtssagenden Zetteln überklebt war. Genex-Katalog 1986

Diese Praktiken wurden aber, obwohl sie ganz sicher nicht verborgen bleiben konnten, stillschweigend geduldet. Bei erfolgreichen Devisenbringern, wie es Wilhelm inzwischen war, sportlichen oder kulturell hervorstechenden Prestigeträgern und natürlich besonders bei der politischen Nomenklatura drückte man diesbezüglich in aller Regel ein Auge zu; schon um im Fall der Fälle einen zu steilen Höhenflug sehr schnell und nachhaltig beenden zu können. Wilhelm durfte sogar nach Cremona reisen, obgleich dort eine Wettbewerbsbeteiligung wenig Erfolg versprach. Immerhin lernte er bei dieser Gelegenheit den Leiter einer Geigenbauklasse

- 43 aus Schweden kennen. Wilhelms Ruf als Spitzengeigenbauer hatte sich auch nach Skandinavien herum gesprochen. Er erhielt eine Einladung, dort 5 Wochen als Gastdozent und Lehrer zu wirken. Wider Erwarten wurde sogar dieses Engagement genehmigt. Dass bei dieser Gelegenheit eine Brücknergeige im Westen blieb, während in einem Geigenkorpus unter einem Brettchen versteckt Westmark ihren Weg in den real existierenden Sozialismus antraten, um im Intershop Verwendung zu finden, verstand sich von selbst. Geigenbauunterricht 1987 in Schweden

Im Spätsommer 1987 unterrichtete Wilhelm an der Schule für Kunsthandwerk zusammen mit dem Bogenbauer Schmidt ein Dutzend Lehrlinge aus ganz Skandinavien: Schweden, Finnen, Norweger und Dänen. An der Musikhochschule in Stockholm wurde er zu einem Vortrag gebeten Udo Kretzschmann Wilhelm sah sich außer Stande, die anfallenden Aufträge noch alleine abarbeiten zu können. Nicht selten wurde ihm Arroganz unterstellt, wenn er Aufträge schlichtweg ablehnen musste, weil er über Jahre hinweg ausgebucht war. Er ging auf die Suche nach einem begabten Gehilfen und fand ihn im frisch gebackenen Meister Udo Kretzschmann aus Markneukirchen. zusammen mit Wilhelm 1982

Udo stammte selbst auch aus einer Geigenbauerfamilie mit langer Tradition, hatte aber nicht „die Gnade der frühen Geburt“ gehabt sondern war voll in die Musima-Mühlen geraten, was eine ordentliche Ausbildung drastisch erschwert hatte. Zäh und zielstrebig war er jedoch neben seiner normalen Arbeitszeit noch bei einem traditionellen Geigenbauer, dem Wilhelm fachlich durchaus ebenbürtigen Eckard Richter, in Markneukirchen in die Lehre gegangen. mit der u.a. auch von ihm gebauten größten spielbaren Geige der Welt

Die Zusammenarbeit mit Wilhelm entwickelte sich beiderseits erfolgreich und vor allem vertrauensvoll, was zu DDRZeiten – wenngleich aus anderen Gründen – nicht minder selten war, wie im kapitalistischen Konkurrenzkampf. Zwar war Wilhelm darauf bedacht, dass Udo „im Keller beschäftigt“ war, wenn er heikle Verkaufsgespräche führte oder gar Schmuggelaktionen mit Westkundschaft organisierte, was letztlich auch dem Selbstschutz des jungen Kollegen dienlich war, aber fachlich gab es keine Geheimnisse. Udo mag das langsamere, präzise Arbeiten oder z.B. das Hobeln in Kurven von Wilhelm gelernt haben, während Wilhelm sich z.B. neue Techniken beim Einlegen des Ebenholzes abschaute. Udos Hoffnung, Lackiergeheimnisse und Tricks zu erfahren, blieben allerdings insofern unerfüllt, als Wilhelm zwar einige Konstante bei der Lackmischung verwendet aber letztlich bis heute immer wieder experimentiert, variiert und sich die detaillierte Lackzusammensetzung verändert. Letztlich bestätigt sich bei ihm, dass zwar eine Meistergeige auch einen passenden Lack benötigt, aber kein noch so guter Lack macht aus einem schlecht gearbeiteten Korpus ein gutes Instrument. Umgekehrt hört man bei einer guten Geige auch dann noch den Meister heraus, wenn der Lack nicht optimal abgestimmt ist.

- 44 (W)ende der DDR Wilhelm war nie der Typ des Widerstandskämpfers gewesen. Als intelligenter, fleißiger Pragmatiker mit einer gehörigen Portion zäher Schlitzohrigkeit gesegnet, hatte er sich aber eine gewisse Unabhängigkeit erarbeitet und immer bewahrt. Erfurter Ausweis für den Objektschutz 1989

Schon relativ früh war ihm klar geworden, dass die DDR nicht mehr zu halten war. Wilhelm gehörte daher auch zu jenen, die energisch die staatliche Abwicklung und Neukonzeption mit betrieben. Er wurde z.B. ins Bürgerkomitee berufen und zur Objektwache eingesetzt, um die Vernichtung der Stasi-Akten zu verhindern. Doch auch wenn er die Wende hatte kommen sehen, war er ebenso wie alle anderen, in keiner Weise darauf vorbereitet, was ihn wirtschaftlich erwarten sollte. Zur Wendezeit gab es in der DDR 88 Orchester, die jährlich 6.600 Konzerte gaben und damit 3,5 Millionen Besucher erreichten. Die Orchesterdichte auf je 100.000 Einwohner gerechnet betrug 5,5, in der BRD 1,6. Andererseits lag die DDR bei den Musikschulplätzen an letzter Stelle in Europa, obgleich sich ca. 10.000 Streicher in der Ausbildung befanden. In Angleichung an die Westquoten begann bald nach der Wende ein dramatisches Orchestersterben im Osten. Der vormals innerstaatliche Markt brach zunächst weg, zumal sich die profilierteren Musiker aus dem Osten nun nach alten Instrumenten im Westen umschauten. Anderseits kam manchem Geigenbauer zugute, dass sich im Westen herumsprach, dass im Osten Qualität zu einem günstigen Preis zu haben war. Zu DDR-Zeiten reichte es noch aus, die Kalkulationskosten eines Instrumentes aufzuschlüsseln, indem die Materialkosten für Decke, Boden, Halskantel, Zargen und Zubehör aneinander gereiht wurden, was sich bei einer Brücknerbratsche auf 732 Mark summierte, und 237 Arbeitsstunden zu 10 Mark anzusetzen, machte insgesamt 3102 Mark. Im Kapitalismus führt eine solche Rechnung unweigerlich zum Konkursrichter, denn es fehlten in den Herstellungskosten ganz entscheidende Positionen, wie Miete, Mietnebenkosten, Telefon, Internet, Bürobedarf, Porto, Werbung, Mitgliedschaften, Beiträge, Fachliteratur, Versicherungen, Steuer, Buchführung, Produktion von Ausschuss, Werkzeugabschreibung bzw. Rücklagen, ggf. PKW, Fortbildung, Zinsen, ggf. Forschungskosten, Ausfall durch Krankheit, Reparatur, Instandhaltung, unternehmerisches Wagnis etc. etc.. Nicht nur Geigenbauer kapitulierten vor den Problemen, die sich nun auftaten. Vertrieb (schon gar ins Ausland), Werbung, Kalkulation, Versicherungen, Steuern und sonstige bürokratische Hemmnisse ließen die bisherige Mangelwirtschaft dagegen als das wesentlich beherrschbarere Übel erscheinen. Wilhelm und Tochter Ruth, die sich gerade auf ihre Meisterprüfung vorbereitete, fanden allerdings den Anschluss an die neue Zeit relativ leicht, weil die Firma schon internationale Kontakte hatte, und es die finanziellen Rücklagen erlaubten, sich externen Rates und fremder Dienstleistungen zu bedienen. Dennoch war eine grundsätzliche Neuausrichtung der Firma erforderlich. Selbst in der Kundendatei der renommierten GEWA (Georg Walther) Musikalienhandlung, die schon UrWilhelm seit 1925 beliefert hatte, und die in den 50er Jahren aus dem Vogtland nach Bayern verlegt worden war, tauchte 40 Jahre nach der letzten Bestellung die Firma Brückner problemlos wieder auf. Der Neustart in der Marktwirtschaft begann.

- 45 Haifischbecken Geigenhandel Natürlich haben die Brückners in ihrer über hundertjährigen Geschichte oft auch mit alten Instrumenten gehandelt oder alte Instrumente gutachtlich bewertet. Eine gute Ausbildung und generationsübergreifende Erfahrung hat sie immer befähigt, sehr sichere Expertisen vorzunehmen. Dennoch haben sie diesen Bereich nie zu einem Hauptstandbein entwickelt, obgleich die Möglichkeiten angesichts der erworbenen Reputation und Autorität durchaus gegeben gewesen wären. Mit Handel und Expertisen lassen sich sehr gute Geschäfte machen. Allerdings sind auch die Risiken beträchtlich, denn mitunter lassen sich Instrumente nach mehreren Umbauten und Neulackierungen nicht präzise zuordnen, Fälschungen sind an der Tagesordnung. Ganz wenige Sachverständige haben sich den internationalen Markt aufgeteilt. Diese Mechanismen haben sich schon über Generationen eingespielt. Neuankömmlinge haben nur wenige Chancen, sich zu etablieren. Gerichte sind auf die Expertenansichten dieser Handvoll Experten angewiesen, die wiederum bemüht sind, sich mit ihren Expertisen nicht zu widersprechen. Bei den Expertisen tauchten in der Regel immer wieder dieselben Namen auf: z.B. Hermann (New York), Hill (London) und Werro (Bern) und die allerdings schon 1982 aufgelöste deutsche Firma Hamma. Der letzte „Geigen-Krieg“ liegt schon über 50 Jahre zurück. Damals war der Berner Altgeigenhändler und Geigenbaumeister Henry Werro beschuldigt worden, alte Geigen für wertvoller erklärt zu haben, als sie in Wahrheit sind, bzw. Instrumente anderen, höher im Kurs stehenden Geigenbauern zugeschrieben zu haben – d.h. im Branchenjargon: die Geigen "promoviert" zu haben. Als Gegengutachter fungierte die renommierte Geigenhandelsfirma Hill aus London, der „Frischling“ (erst in dritter Generation tätig) Werro ins Gehege gekommen war, während sich Hill mittlerweile in sechster Generation im illustren und monopolistisch agierende Kreis als Doyen fühlen mochte. Letztlich mussten bei diesem Prozess beide Federn lassen und verließen die Wallstatt mit dramatischem Reputationsverlust. Die Geschäfte mit alten Instrumenten entwickeln sich in den letzten Jahren nicht zuletzt auch durch Unsicherheiten an den Finanzmärkten in schwindelerregende Dimensionen. So wurde im Juni 2011 die „Lady Blunt“-Stradivari für 15,9 Millionen Dollar in Japan versteigert. Es passt allerdings auch zur gegenwärtigen Hype, dass einen Monat später ein smarter Geigenhändler verhaftet wurde, weil er seine Kunden um 27 Millionen Euro betrogen haben soll. „Auf Englisch heißt Geige ‚fiddle’“, sagt einer der wichtigen europäischen Sachverständigen, Roger Hargrave. „Aber ‚to fiddle’ heißt auch betrügen.“ Und wie schrieb kürzlich der Tagesspiegel: „Früher waren in den Geigenkästen der Gangster Maschinenpistolen. Heute sind nicht selten richtige Geigen darin.“ Oft werden die Betrugsvorgänge allerdings totgeschwiegen, weil beim Kauf Schwarzgelder geflossen sind, wo dann Skandale den Beteiligten eher schaden. Schon 1901 wurde der internationale Geigenhandel kritisch durchleuchtet.

Wie bei Gemälden kann auch bei den Streichinstrumenten jeder geschickte Kopist ein Meisterwerk täuschend ähnlich nacharbeiten. Es beginnt mit der Ausarbeitung typischer Merkmale z.B. bei Schnecke, F-Löchern oder Rand, unter Verwendung möglichst alten Holzes. Da wird von außen mit Lakritzwasser, Kaffeesud, Holzessig und Nußschalenextrakt gearbeitet, künstliche Abnützungsstellen unter dem Kinn oder auf Handhöhe durch Bürsten oder Einreiben mit Ruß und Fett geschaffen. Hohlräume werden mit einem Gemenge von unter anderem Rübsamen und Kolophoniumpulver verfärbt, Holzwurmlöcher eingearbeitet, und zum Schluss darf im Inneren ein alter Geigenbauerzettel mit mehr oder minder kunstvoll gefälschtem Pa-

- 46 pier, Druckerschwärze, Tinte und Schrift oder ein Brandstempel nicht fehlen. Schließlich wird noch ein „Lebenslauf“ um das Instrument gerankt, ohne den es auch bei der Gemäldefälschung nicht geht. Bis vor wenigen Jahren waren die Expertisen der wenigen internationalen Spitzenexperten sakrosankt, die sich nahezu ausschließlich auf ihr geschultes Auge und ihre jahrzehntelangen Erfahrungswerte stützen konnten und mussten. Ein einmal gefälltes Urteil wurde in aller Regel nicht mehr angezweifelt. Heute kann sich die Analyse alter Instrumente neuer Methoden bedienen. Schon länger ist die Quarzlampe in Gebrauch. Die Fluoreszenzanalyse lässt erkennen, ob und an welchen Stellen ein Instrument nachgearbeitet oder repariert worden ist. Nicht selten wurden daher bei Fälschungen auch gleich Reparaturen mit vorgetäuscht. Erst in allerneuster Zeit ermöglichen winzige Holzproben und mikrochemische Verfahren, wie sie der kriminalistische Erkennungsdienst für andere Aufgaben schon länger kennt, dass der Experte unter dem Mikroskop das Alter anhand der Oberflächenbehandlung, Verleimung und Lackierung erkennt. Letztlich stoßen aber auch die chemischen oder physikalischen Untersuchungsmethoden an ihre Grenzen. Echtheit lässt sich damit zwar oft ausschließen, nicht aber positiv bestätigen. Insbesondere die Zuordnung zu einem bestimmten Geigenbaumeister oder seiner Werkstatt bedarf weiter der subjektiven, auf Erfahrung und Kennerschaft beruhenden Einschätzung eines Experten. Zur Preisbestimmung alter Streichinstrumente wird die in Deutschland herausgegebene, international gültige "Fuchs-Taxe" herangezogen. Dieses Verzeichnis ist etwa der Schwacke-Liste für Gebrauchtwagen vergleichbar. Die Fuchs-Taxe, zusammengestellt von den Fachverbänden der Geigenbauer, wird ab der gehobenen Mittelklasse etwas vage. Die Einschätzung der absoluten Spitzengeigen findet nach wie vor mehr oder minder im Verborgenen statt. Von diesem Haifischbecken, wo der Kampf tobt um die Bewertungshoheit über hoch- und höchstpreisige Instrumente und damit das ganz große Geschäft, haben sich die Brückners ganz bewusst immer fern gehalten: „Wir sind Kunsthandwerker und keine Finanzjongleure.“ Ruth Brückner Ruth hatte es neben ihrem erfolgreichen Vater nicht leicht. Wilhelm, der willensstarke, ehrgeizige, oft aufbrausenden Aktivist, hatte sich aufgemacht, in seinem Metier die Welt zu erobern. Dem hatte sich alles unterzuordnen. Oft zerbrechen die Kinder am Anspruch der Eltern oder am Erwartungsdruck, der in diesen Fällen von außen an sie herangetragen wird. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Extrembegabungen und starke Charaktere oft nicht an die direkten Nachkommen weitergegeben werden, sondern, wie auch bei UrWilhelm erst nach Überspringen einer Generation. Für Ruth war eine Karriere als Violinvirtuosin vorgesehen worden. Sie brachte es auch auf der Bratsche (wo auch sonst?) zu einer gewissen Meisterschaft und Konzertreife. Die Tür zur Musikhochschule stand ihr offen. Letztlich konnte sie ihr diesbezügliches Talent allerdings doch gut und selbstkritisch einschätzen. Für eine Solokarriere würde es nicht reichen, und es erschien der eher introvertierten jungen Frau wenig attraktiv, die nächsten 50 Jahre in engen, stickigen Orchestergräben zu verbringen. Innenarchitektin hätte sie werden mögen, was sich zu DDR-Zeiten nicht bewerkstelligen ließ. Ruth wählte künstlerisch begabt und handwerklich geschickt den Notausgang, der sich allerdings als Gewinn herausstellen sollte: Sie beschloss, die Familientradition fortzuführen, obgleich Geigenbau damals fast noch ein reiner Männerberuf war. Und wieder ließ der Staat seine Muskeln spielen. Manchen war der erfolgreiche Vater schon etwas zu weit vom Proletariat entfernt. Eine Lehrstelle bei einem renommierten

- 47 Geigenbauer im Vogtland wurde ihr verwehrt. Notgedrungen trat sie die Lehre beim Vater an. Man kann sich vorstellen, dass es nicht ganz einfach war, sich Tag für Tag auf Armlänge neben ihm behaupten zu müssen. Wen wundert es, dass Ruths Hobby die Beschäftigung mit starken Frauenpersönlichkeiten in der Literatur ist. Gleich nach der Wende abonnierte sie – wohl als eine der wenigen DDR-Frauen – die EMMA, was sie allerdings nicht daran hinderte, auch den eigenen Sohn wieder ein wenig zum Pascha zu erziehen, wenngleich dieser jüngste Geigenbauer in der Familie noch leicht an sich arbeiten muss, wenn er die ehrgeizige Zielstrebigkeit des „alten Silberrücken und Alpha-Tieres“ Wilhelm übertreffen will. Ruths sehr früher Ausbruchsversuch in die Ehe scheiterte. Gesundheitliche Probleme folgten. Doch Ruth biss sich durch. Zäh absolvierte sie die Ausbildung, machte im Sommer 1990 ihren Meister, nahm erfolgreich an Wettbewerben teil und setzte sich vom Vater auch fachlich ab. Schwankend zwischen Stolz, Verwunderung und leichtem Unglauben musste es Wilhelm immer häufiger erleben, dass Ruths Instrumente einen neuen, eigenen Kundenstamm fanden. Sensible Ohren hören durchaus den Unterschied heraus zwischen Wilhelms kraftvollen Instrumenten, denen immer ein Hauch jener in Polen preisgekrönten goldenen „Gloriosa“ anhaftet, und jenen

von innerer Harmonie getragenen Instrumenten der jungen Geigenbaumeisterin. Zeitweilig waren Ruths Instrumente sogar erfolgreicher als jene des Vaters. Immerhin spielt das gesamte Orchester von Andrè Rieu ausschließlich Bratschen von Ruth, und auch sonst gibt es noch etliche Brückner-Geigen und ein Cello in diesem Orchester. Rieu selbst spielt auf einer Geige von Antonius Stradivari und auf einer Bratsche von – klar, von Ruth Stradivaria-Brückner. 1999 wurde Ruth in den Bund Thüringer Kunsthandwerker aufgenommen.

- 48 GbR Erfolg wird erst dadurch geadelt, dass man verantwortungsvoll damit umgeht und in andere Hände weiter-geben kann. In seiner Rede zum 100jährigen Firmenjubiläum kündigte Wilhelm daher an, die Firma fast vollständig auf seine Tochter übertragen zu wollen. Und so geschah es wenig später. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes wurde gegründet, in der Wilhelm nur noch mit wenigen Prozenten beteiligt ist. Genug, um sich noch als Mitinhaber zu fühlen, motiviert in der Werkstatt mitzuarbeiten und den Kunden zu verdeutlichen, dass die Erfahrung des Alters noch präsent ist, zu wenig, um sich verantwortlich fühlen zu müssen, um den täglichen Druck einer kapitalistischen Marktwirtschaft hautnah auf sich einwirken zu lassen. Das Verhältnis zwischen den beiden „Geschäftsführern“, Meisterin und Meister, Chefin und Seniorchef ist ausgeglichen, die Erfolgserlebnisse halten sich die Waage, wenngleich Ruth seltener zum Neubau kommt, denn auch Reparaturen müssen übernommen werden, und irgendjemand muss sich nach dem Tod der Mutter um die ungeliebten Verwaltungsaufgaben kümmern. So leicht, wie noch zu DDR-Zeiten die Kalkulation eines Instrumentes selbst in der Meisterprüfung dargestellt wurde, kann es sich ein mittelständischer Betrieb heute nicht mehr machen. Kämpfte man früher mit Materialschwierigkeiten, so ist es heute die überbordende Bürokratie, die mehrtägige Seminare der Berufsgenossenschaft zum Arbeitsschutz einfordert und über Vorschriften informiert, die zum Beruf und zur Werkstatt eines Geigenbauers passen wie ein Vorschlaghammer zum Uhrmacher. Christoph Brückner Zum Glück kann sich die überbordende Arbeit wieder auf ein Schulternpaar mehr verteilen. Christoph entstammt einer Generation, die mit den beiden Wilhelms alter Prägung kaum noch etwas gemein hat. Als am Samstag, dem 17. Juli 1982 der jüngste Spross der Brückner-Dynastie geboren wurde, hatte gerade eben die frisch von Ulrich Merkel geschiedene Angela Merkel 28 Kerzen auf ihrem Geburtstagskuchen ausgeblasen und in Berlin tagte der Friedensrat der DDR. Wie bei der Geburt des Großvaters bebte in Griechenland die Erde und Gewitter unterbrachen den Badespaß an den Seen in Thüringen. In den Alpen wurden drei Bergsteiger vom Blitz erschlagen, und in Weimar fielen in kürzester Zeit 12 Liter auf den Quadratmeter. Erfurter Volkskünstler des Kombinats der Umformtechnik stellten auf der IGA aus. Am Theater in Weimar sorgten „Faust“, „Das Tagebuch der Anne Frank“ und das Musical „Alexis Sorbas“ für Furore. Schon früh musste Christoph den Vater entbehren, oft übernahm Opa Wilhelm diese Rolle. Für einen halbwüchsigen Knaben war dies nicht gerade das ultimative Vorbild, um sich für die Bearbeitung des harten Holzes zu begeistern. Obgleich auch mit sensiblen, künstlerischen Attributen ausgestattet wusste er früh: Wenn er eines nicht werden wollte, - dann Geigenbauer. Gerade wenn man aus einer traditionsreichen Geigenbauerfamilie kommt, die mit Preisen und Anerkennungen überhäuft wurde und noch wird, und die seit Generationen zu den besten ihres Handwerks gezählt wird, dann will man sich in einem gewissen Alter nicht diesem vorbestimmten - fast schon - Zwang unterwerfen und vor allem in jugendlichem Protest- und Abgrenzungsbemühen ganz etwas anders machen. Christoph reizte daher zunächst der gänzlich andere Pol, d.h. ein Informatikstudium, welches dann aber schon bald einem „gemäßigterem“ Studium der Sozialwissenschaften wich, mit Philosophie, Geschichte, Politik und Ähnlichem.

- 49 Aber immer wenn er in den Semesterferien oder mal am Wochenende heim kam und aus der Werkstatt Geigenklänge hörte, den schon seit frühster Kindheit gewohnten Geruch von Holz und Leim und Lack wahr nahm, dem leisen Schaben der kleinen Hobel und Schnitzmesser lauschte, gab es kleine Stiche. Irgendwann war es dann doch so weit, und er bewarb sich um eine Lehrstelle bei Mutter und Großvater. Die Beiden wurden davon völlig überrascht und reagierten zunächst sehr zurückhaltend, aber es gelang ihm, zu überzeugen. Die Gesellenprüfung erledigte er schier mit Links und die ersten noch in der Lehrzeit entstandenen Instrumente konnten zu einem gar nicht schlechten Preis schon neue Besitzer finden. nunmehr zu Dritt

Auch der fünfte Brückner in dieser Reihe scheint seine endgültige Berufung und Bestimmung erfolgreich erkannt haben und weiter zu entwickeln. Gerade der Geigenbau lehrt, dass das Bohren oder Hobeln an dünnen Lebensbrettern nicht nachhaltig glücklich macht. Geigenbau bedeutet schwere Handarbeit und fordert viel Geduld, Disziplin, Sensibilität und auch künstlerische Präzision. Aber wo sonst sieht man in der heutigen Zeit schon nach wenigen Wochen so rasch ein natürliches Wachsen und einen Erfolg sich entwickeln? Wo und wie sonst kann man Musiker und Konzertbesucher so erkennbar glücklich machen? 100jähriges Jubiläum Der Zufall wollte es, dass das 100jährige Werkstattjubiläum in Erfurt mit Wilhelms 65jährigem Geburtstag zusammen fiel, was allerdings weder in ersten noch im zweiten Fall darauf hindeutete, dass damit schon ein Zenit der Schaffenskraft erreicht worden wäre. Wilhelm steht auch beim 115 jährigem Werkstattjubiläum noch jeden Tag in der Werkstatt, wenngleich er sich heute auch schon mal vorzeitig verabschiedet, um ins Fitnessstudio zu entschwinden oder sich zu einer Partie Schach zu verabreden. Der Gedanke, das Firmenjubiläum im größeren Rahmen zu begehen, reifte bereits ein Jahr zuvor. Ganz entscheidenden Anteil am Gelingen der Gründungsfeierlichkeiten hatte der Cellist Dr. Wolfgang Müller. Dr. Müller ist Gründungsmitglied des Thüringer Landesmusikrates und des Landesverbandes der Thüringer Laienorchester. Damals noch in der Staatskanzlei tätig, sorgte er dafür dass die Feierlichkeit im schönsten und repräsentativsten Ambiente Erfurts, dem Barocksaal der Staatskanzlei und den angrenzenden Salons stattfinden konnte. Dr. Müller 2011 bei der Verleihung Thüringer Verdienstorden für seine Leistungen beim Aufbau der Kulturlandschaft in Thüringen

Damit war dann auch der Rahmen für die Veranstaltung vorgegeben. Wilhelm rief, und Alle kamen. Umrahmt von einer umfangreichen und künstlerisch professionell gestalteten Ausstellung fanden sich drei Generationen (Cello und Geige vom UrWilhelm, Bratsche von Wilhelm und Geige von Ruth zu einem Streichquartett zusammen.

- 50 Renommierte Künstler, wie Prof. Tatjana Masurenko oder Prof. Jürgen Kussmaul, dem Wilhelm 1992 eine Linkshänder-Bratsche gebaut hatte, ließen es sich nicht nehmen, den Tag musikalisch zu umrahmen. Die Laudatio hielt Prof. Lipka.

Dorothea

Wilhelm

Ruth

links: Ruth im Interview rechts: Tatjana Masurenko

Thüringens Ministerpräsident, Dr. Bernhard Vogel, erbat etwas später noch eine „Privataudienz“ in der Brücknerwerkstatt. aus dem Gästebuch:

Dies war der letzte Höhepunkt in der erlebnisreichen Brückner Entwicklung, den Wilhelms treue Lebensbegleiterin Dorothea noch gesund und stolz miterleben konnte. Sie half noch mit, das berufliche Feld für die nächsten Generationen zu bestellen und verstarb 2008. Wilhelm steht unermüdlich weiter jeden Tag in der Werkstatt. Man muss zwar ein ganz alter Freund und Kunde sein, um ihn noch zu einer Reparatur zu bewegen, das überlässt er lieber dem Nachwuchs, aber „Kinder produziert“ er immer noch voller Freude und Elan. Zum 80. Geburtstag hofft er, Kind Nummer 333 wohltönend und frisch lackiert in die Welt entlassen zu können.

- 51 Kleine Auswahl von Brückner-Kunden Wilhelm 1995 mit Tabea Zimmermann in London

Academy of St. Martin in the fields (Smissen 3.oben)

Wolfgang Espig 1989 mit Wilhelm und Ruth Hong-Kyoung Lee, Seoul Thomas Leipold, Philharmonisches Orchester, Erfurt Prof. Anne-Kathrin Lindig, Hochschule für Musik, Weimar Prof. Alfred Lipka , Hochschule für Musik; Staatskapelle, Berlin Alexander Lipkind, Staatstheater, Meiningen Eugen Mantu, Philharmonisches Orchester, Erfurt Prof. Tatjana Masurenko, Hochschule für Musik, Leipzig Tom Morisson, Sinfonieorchester, Aachen Sophia Reuter, Philharmoniker, Duisburg André Rieu, Maastricht Suzan Rous, Amstelveen Matthias Sannemüller, MDR-Sinfonieorchester, Leipzig Tanja Schneider, Philharmoniker, Berlin Prof. Felix Schwartz, Hochschule für Musik, Rostock, Staatskapelle, Berlin Niklas Schwarz, Philharmonie, Essen Prof. Thomas Selditz, Univ. für Musik, Wien Linda Skride, Noord Nederlands Orkest, Groningen Robert Smissen, Academy of St.Martin in the Fields, London Prof. Frank Strauch, Hochschule für Musik, Weimar Barbara Switalska, Real Filharmonia deGalicia, Santiago de Compostela Fred Ullrich, Philharmonie, Bad Reichenhall Prof. Jost Witter, Hochschule für Musik, Weimar Matthias Worm, Philharmonie, Chemnitz; Festspielorchester, Bayreuth Yi Zhang, Peking Knut Zimmermann, Staatskapelle Berlin

rechts: Michael Chomitzer links: Ariana Burstein mit Robert Lignani

50

Solisten und Professoren aus der Kundenliste

(ausgewählt vom Autor ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Amalia Aubert, Sinfonieorchester, Berlin Hans-Christian Bartel, Gewandhaus, Leipzig Ivo Bauer, Streichquartett, Leipzig Prof. Hatto Beyerle, Hochschule für Musik, Basel Ruth Bernewitz, Gewandhaus, Leipzig Prof. Matthias Brandis, Dt. Kinderärzteorchester, Freiburg Ariana Burstein, Willstätt/Straßburg Prof. Claudia Bussian, Hochschule für Musik, Mainz Adrian Constantin, Kammerphilharmonie, Schönebeck Jürg Daehler, Musikkollegium, Winterthur/Zürich Cedric David, Welsh National Opera, Festivalorchester, Basel Ricarda Exner, Staatstheater, Meiningen Wolfgang Espig, Gewandhaus, Leipzig Harald Först, Berlin-Brandenburgisches-Sinfonieorchesters, Berlin Burckhard Goethe, Spandauer Salonorchester, Berlin Gerd Grötzschel, HR-Sinfonieorchester, Frankfurt, Festspielorchester, Bayreuth Andreas Hartmann, MDR-Sinfonieorchester, Leipzig Dorothea Hemken, Gewandhaus, Leipzig Bodo Hersen , Radio-Sinfonie-Orchester, Frankfurt Prof. Jörg Hofmann, Hochschule für Musik, Freiburg Prof. Leonid Kagan , Moskau Tilmann Kircher, Real Filharmonia deGalicia, Santiago de Compostela Delphine Krenn-Viard, Alea-Quartett, Graz Prof. Erich Krüger, Hochschule für Musik, Weimar Prof. Oleg Kryssa, New York, Moskau Prof. Jürgen Kussmaul, Hochschule für Musik, Düsseldorf, Amsterdam

David Oistrach mit dem jungen Wilhelm 1974 in Weimar

Andrè Rieu hier mit Ruth Brückner 2004 in Erfurt In seinem Orchester werden sieben von Ruth gebaute Bratschen sowie drei Geigen und ein Cello von Wilhelm gespielt.

- 52 Zukunft Herstellung Bautechnisch gab es in den letzten Jahrhunderten etliche Versuche für gestalterische und technische Reformen. So wurden zum Beispiel einst reich verzierte Geigen mit anderen Ornamenten gebaut (etwa mit Menschen- oder Löwenkopf anstelle der Schnecke) oder Instrumente für arme Leute aus Blech. Bekanntheit erlangten auch trapezförmige Geigen oder Streichinstrumente in Jugendstilformen oder asymmetrische Instrumente und neuerdings Kunststoffviolinen. Gewisse (negative) Einflüsse hatten immer auch Epochen, in denen besonders viele Manufakturgeigen gebaut wurden. So z.B. die Konzentration von Billiginstrumente schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den deutschen und französischen Geigenbauzentren. In Japan hatte der industrielle Geigenbau seinen Ursprung durch Masakichi Suzuki, dem Vater des berühmten Violinpädagogen Shinichi Suzuki. Dessen Betrieb beschäftigte bereits nach kurzer Anlaufzeit über 1000 Mitarbeiter und stellte innerhalb eines Monats bis zu 400 Violinen und 4000 Bögen her. In Serie gebaute Billiggeigen aus Holz klingen allerdings oft schrill, liefern wenig tiefe Frequenzen und verderben so den Spaß am Üben. Wirkliche Veränderungen gibt es allenfalls beim Experiment mit neuen Materialien. Die Kunststoff-Violinen von Mario Maccaferri (1970er-/1980er-Jahre) waren technisch noch unausgereift bzw. gehörten zu den „anders klingenden“ Geigen, doch stehen mit heutiger, computergestützter Schwingungsanalyse und -simulation (wie sie unter anderem von Glockengießern genutzt wird) ganz andere Werkzeuge zum systematischen Design von Klangkörpern zur Verfügung, was die Massenproduktion einer angenehm klingenden und wetterfesten „Volksvioline“ aus Kunststoff nahelegt. Vielleicht wird es diese dann als exakte Klangkopien alter Meistergeigen geben, und vielleicht werden neue Materialien der Musik auch Klangwelten erschließen, die heute noch unbekannt sind. Momentan sind holzfreie Geigen in Serienfertigung nur aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) erhältlich, die jedoch teuer sind und klanglich im Mittelfeld liegen. Ähnliches gilt für Saiten aus Spinnenseide. Große Veränderungen im klassischen Geigenbau sind derzeit allerdings nicht zu beobachten und wohl auch nicht zu erwarten. Die diesbezüglichen Experimente mit veränderten Bassbalken, ausgehöhlten Griffbrettern, verschobenen F-Löchern bis hinein in die Zargen, asymmetrischen Korpi, Stimmstöcken aus Glas oder Metall oder wesentlichen Größenverschiebungen im Stile Stelzners haben sich nicht durchsetzen können. Allenfalls leichte Modellvariationen, wie das Tertis-Modell und die diesem nicht unähnliche BrücknerBratsche haben einen nennenswerte Zahl von Liebhabern und damit auch Nachahmern gefunden. Das 1990 weniger aus akustischen als ergonomischen Gründen konstruierte „Pellegrina“-Modell von David Rivinus (USA) mit zusätzlichen Schalllöchern an den Flanken ist leicht zu handhaben und wird schon von 60 Musikern gespielt.

Die zeitgenössische Musik erfordert nicht unbedingt neue Modelle, wohl aber mitunter ein Umstimmen der Instrumente. Das früher zu verzeichnende schleichende Erhöhen des Kammertones A ist schon längere Zeit nicht mehr zu beobachten. Neue Klangeffekte entstehen durch Nutzung (Klopfen, Kratzen, Schaben etc.) aller Teile der Streichinstrumente, nicht aber durch deren Veränderung. Wenn überhaupt Veränderungen erforderlich werden, dann allenfalls im Zusammenhang mit einer Rückentwicklung und –besinnung auf alte Formen, Längen und Materialien, um einen möglichst authentisch-historischen Ton erzeugen zu können, wie er z.B. von Nicolaus Harnoncourt bei seinen Interpretationen präferiert wird. In diesem Zusammenhang kann auch prognostiziert werden, dass neben dem Neubau die Restaurierung in dem Sinn noch mehr an Bedeutung gewinnen wird, als zwar möglicherweise weniger Instrumente davon betroffen sein werden, diese aber – schon angesichts der Preisentwicklungen – intensiverer Zuwendung bedürfen.

- 53 -

Hersteller von Musikinstrumenten

u.a.: Streichinstrumente-Pianos-Holzblasinstrumente-Harmonika/Akkordion-Orgel/Harmonium Quelle: Dt. Musiktat-Musikinformationszentrum

Statistik In den letzten Jahren lässt sich eine deutliche Umkehr von einem Exportüberschuss zu einem Importüberschuss bei den Stückzahlen feststellen: Geigen Export

2002 27.055

2003 24.901

2004 22.057

2005 27.819

2006 23.253

2007 22.224

Import

18.194

22.540

25.663

36.096

41.832

30.526

In Bezug auf den Wert der Instrumente, wird allerdings immer noch rund fünf Mal mehr aus- als eingeführt (2010 ca.11 zu 2 Mill €).

- 54 Herstellung von Musikinstrumenten 2000 1.167 7.083 599 2.516 958

Unternehmen Beschäftigte(Musikinstrumentenbau) Umsatz (Mill. Euro) Einzelhandel (incl. Materialien) Umsatz (Mill. Euro)

2004 1.175 6.620 631 2.342 966

2006 1.195 6.425 704 2.291 1.051

2008 1.267 6.297 701 2.254 1.043

2004-2006 1,7 - 2,9 11,6 - 2,2 8,7

2006-2008 6,0 - 2,0 - 0,4 - 1,6 - 0,7

Die Zahl der Musikschüler bei den Streichinstrumenten hat in den letzten 10 Jahren deutlich zugenommen: Instrument Violine Viola Cello Bass

2000 48.678 2.024 12.396 1.320

Prozent 7,84 0,33 2,00 0,21

2009 56.619 2.592 16.687 2.259

Prozent 8,10 0,37 2,39 0,32

Steigerung in Prozent 16,31 28,06 34,62 71,14

demgegenüber stagnieren die Zahlen an den Musikhochschulen: Zwar ist eine Steigerung bei den Neuanfängern zu verzeichnen: 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 1.259 1.334 1.202 1.177 1.143 1.101 1.238 1.207 1.365 1.469 die Gesamtstudentenzahl an den 24 Musikhochschulen im Bereich der Instrumental- und Orchestermusik bleibt aber konstant, was allerdings auch an einem schnelleren Studium oder einer größeren Zahl von Studienabbrechern liegen könnte. 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 8.208 8.276 8.419 8.084 7.899 7.781 7.947 7.828 7.923 8.133 (davon 58% weiblich; 58 % Ausländer) In den 680 im BDLO (Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester e.V.) zusammen geschlossenen Amateur Symphonie- und Streichorchestern spielen derzeit rund 23.000 Musiker, davon rund ¼ Jugendliche. 1992 gab es noch 168 öffentlich finanzierte Orchester. Seither wurden 35 Ensembles aufgelöst oder eingegliedert (2010), was nicht immer gleichbedeutend war mit einer völligen Auflösung der Orchester. So fusionierten z.B. 2006 die beiden Orchester in Halle zur ‘Staatskapelle’ mit 152 Musikern und damit zum zweitgrößten Orchester in Deutschland nach dem Gewandhaus Orchester in Leipzig. Anteile klassischer Musik im öffentlichen Rundfunk in Prozent: BR 16,6

HR 10,2

MDR 8,6

NDR 6,4

RB 22,5

RBB 20,4

SR 17,6

SWR 6,3

WDR 17,4

Total 12,9

Entwicklung der Ausbildungsplätze im Geigenbau: 1991 58

1999 37

2004 13

2006 16

Die Zahl der ausgewiesenen Stellen für Musiker hat seit 1992 von 12.159 abgenommen auf 9.922 im Jahr 2010, also um 2.237 oder 18 % 1.742 Musiker wurden in Ostdeutschland eingespart, 495 im Westen

- 55 Während die Zahl der klassischen Konzerte im weitesten Sinn und deren Zuhörer eher stieg, (bei Zunahme der Sitzplatzauslastung bei den Konzerten und Abnahme bei der Oper) nahm die Zahl der Musiker dramatisch ab13: Musiker Ostdeutschland Westdeutschland Total

1992 5.032 7.127 12.159

1994 4.411 7.075 11.486

1996 4.198 7.018 11.216

1998 4.032 6.991 11.023

2000 3.878 6.961 10.839

2002 3.637 6.808 10.445

2004 3.545 6.780 10.325

2006 3.398 6.654 10.052

2008 3.372 6.665 10.037

2010 3.290 6.632 9.922

% 1992-2010

- 34,62 - 6,95 - 18,40

Zusammenfassung Die Zukunft wird problematisch. Die Zahl der Geigenbaubetriebe in Deutschland nimmt kontinuierlich zu, während die Nachfrage nach Instrumenten abnimmt. Der Verband Deutscher Geigenbauer hat derzeit knapp 300 Mitglieder, man muss aber mit zusätzlich mindestens 50 nichtorganisierten Geigenbauern rechnen. Die Musikschulen haben zwar trotz der Konkurrenz von Computer und Handy im Kinderzimmer noch Zuwächse, die Orchestermusiker, für die Meistergeigen im Preissegment von 5.000 bis 20.000 Euro erforderlich sind, nehmen ab. Die billigen Schülerinstrumente oder Instrumente, die nur für den gelegentlichen Gebrauch bestimmt sind, im Preissegment bis 2.000 Euro können die Schwellenländer mit ihren niedrigen Löhnen wesentlich kostengünstiger herstellen. Hier eröffnet sich für die deutschen Geigenbauer allenfalls noch ein Markt für Reparaturen oder die internationale Zusammenarbeit, wie mit dem Shimro-Modell in Markneukirchen geschehen: Seit 2001 bezog man dort vorgefertigte Einzelteile für Schülergeigen und Celli aus dem Mutterwerk in Korea und ließ diese in Markneukirchen verfeinern, zusammensetzen, schleifen und lackieren. Diese spezielle Konstruktion scheiterte allerdings 2010 wieder. Die Geigenbauwerkstatt der Zukunft wird wohl weit häufiger als bisher akustische Laborarbeit nutzen und in den Fertigungsprozess integrieren. Dazu gehört auch, dass ganz neue Werkzeuge entwickelt und genutzt werden. Auch wenn das Deutschen Musikinformationszentrum grundsätzlich empfiehlt, das sogenannte mittlere Preissegment nicht länger zu vernachlässigen, denn die deutschen Musikinstrumentenbauer versuchen bislang vorrangig durch hochpreisige Qualitätsinstrumente und andererseits preiswerte Dumpingprodukte dem Wettbewerbsdruck auszuweichen, können die deutschen Geigenbauer und speziell die Firma Brückner diesen Rat nur sehr bedingt beherzigen. Demgegenüber muss von allen Beteiligten ein Hauptaugenmerk darauf gelegt werden, dass das aktive Musizieren noch intensiver gefördert wird als bisher. Gelingt es, das Musikmachen attraktiver zu machen, werden sich auch neue Absatzperspektiven im eigenen Land finden lassen. 13

dazu passt folgende Erklärung zu „Schuberts Unvollendeter“:

Der Vorstandschef eines großen Unternehmens überlässt seinem Controller die Einladung zu einem Konzert. Aufgeführt werden soll Schuberts Unvollendete. Auf die Frage des Vorstandschefs am nächsten Tag: "Wie hat Ihnen das Konzert gefallen?" sagt der Controller ihm einen schriftlichen Bericht zu. Der Bericht ging einen Tag später ein. Sein Inhalt: 1. Die vier Oboisten hatten über einen längeren Zeitraum nichts zu tun. Ihre Anzahl sollte deshalb gekürzt, ihre Aufgaben auf das gesamte Orchester verteilt werden. Dadurch können Arbeitsspitzen vermieden werden. 2. Die zwölf Geiger spielten alle die gleichen Noten. Die Anzahl der Mitarbeiter in diesem Bereich sollte daher drastisch gekürzt werden. Sollte hier tatsächlich eine große Lautstärke erforderlich sein, kann das auch mit einem elektronischen Verstärker erreicht werden. 3. Das Spielen von Viertelnoten erfordert einen hohen Aufwand. Dies scheint mir eine übertriebene Verfeinerung. Ich empfehle daher, alle Noten auf die nächstliegende halbe aufzurunden. Dann können dafür Studenten und Mitarbeiter mit geringen Qualitäten eingesetzt werden. 4. Wenig sinnvoll ist es, dass die Hornisten Passagen wiederholen, die die Streicher bereits gespielt haben. Würden derlei überflüssige Passagen gestrichen, könnte das Konzert von zwei Stunden auf zwanzig Minuten gekürzt werden. 5. Hätte Schubert dies alles beachtet, dann hätte er zweifellos seine Sinfonie beenden können. zitiert aus einer Rede von Staatssekretär Helmut Stuhl vgl. FAZ vom 16.11.1981

- 56 Die Zukunft für den traditionellen Qualitätsbau kann nur heißen „Luxusinstrumente made in Germany“, d.h. weitere Qualitätssteigerungen ohne neuere Techniken zu verteufeln. Bei Brückners wird alles noch mit der Hand hergestellt. Aber ist es wirklich nötig, auch die Schnecke ohne Einsatz einer Fräse heraus zu schnitzen? Selbstverständlich darf man nicht den Mythos unterschätzen, der den Geigenbau und vor allem auch den Geigenhandel seit jeher begleitet hat. Nur wenige Musiker können sich diesen Glaubensmythen entziehen, wenn sie z.B. eine Stradivari – und sei es auch nur eine vermeintliche, in der Hand halten. Ist das Stradivariholz wirklich so gut, weil es bei Vollmond geschlagen wurde? Ist eine moderne Geige wirklich so viel besser, weil sie hypermoderne Schallschwinguntersuchungen unterzogen wurde? Der Glaube versetzt zwar keine Berge, ist aber gut geeignet, eine Null mehr auf der Rechnung zu rechtfertigen. Und hat nicht die mit Handwerkerschweiß gefertigte Schnecke ganz entscheidenden Einfluss auf den späteren Klang des Instrumentes? Muss nicht notgedrungen eine Geige leicht metallen klingen, wenn sie irgendwann mit einer Fräse in Berührung gekommen ist? Realistische Aufklärung tut Not. Es gibt Elemente im Geigenbau, die werden immer die Hand des Meisters spüren müssen, weil kein Computer mit so vielen Variablen gefüttert werden kann, wie es die Bearbeitung eines auch als Scheit noch lebenden Holzstückes erfordert. Aber es gibt auch Teile am Instrument, bei deren Herstellung die menschliche Sensibilität nicht im Vordergrund steht. Werte kann man oft nur durch Veränderung bewahren. Die Musik hat von allen Künsten den tiefsten Einfluss auf das Gemüt. Ein Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten unterstützen. Napoleon I.

Wollt ihr wissen, ob ein Land wohl regiert und gut gesittet sei, so hört seine Musik . Konfuzius

Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an. E.T.A. Hoffmann

Personenverzeichnis (die Mitglieder der Familie Brückner wurden, wie auch die Kunden auf S. 51, nicht gesondert aufgeführt) Seite Alexander 23 Amati 8 ff., 33, 36 Bach 19 f. Bala 31 Bauer 33 Baumgarten 29 Berthold 13 Bruckner 15 Brueghel 6 Bühnagel 35 Burstein 51 Busch 26 Bystrozynski 33 Cecil 27 Chomitzer 51 Corelli 6 Corinth 17 Czerny 7 Da Montichiaro 9 Da Salò 9 Da Vinci 8 Dardelli 9 Davis 40 di Salabue 17 Dick 29 Diesel 17 Dölling 29 Dürer 8

Edison 23 Enigk 22 Espig 5, 51 Fichtl 10 Ficker 15 Fiorini 16,20,23f.,29 Flach 37 Fontane 9 Franke 35 Friedrich d.G. 7 Garrett 7 Genscher 37 Göring 27 Guarneri 8, 10 Hamma 45 Hargrave 45 Harnoncourt 53 Heber 12 Heberlein 14, 27 Hermann 45 Herrmann 29 Hersen 38 Hill 45 Hitler 28 Imai 40 Jaeger 16 Kaspar 25 Klotz 10 Knopf 18 Krahnert 40

Kretzschmann 4, 42 Kröhner 11 Krüger 39 Külz 37 Kussmaul 50 Kuzel 33 Lang 30 Liebermann 17 Lignani 51 Lindörfer 29 f. Lipka 38 f., 50 Liszt 7 Maatz 23 Maccaferri 52 Masur 5 f. Masurenko 50 Menzel 7 Merkel 48 Misch 42 Mischnick 37 Möckel 29 Mozart 33 Müller 49 Mutter 7 Napoleon 23 Oistrach 31, 33, 51 Pachelbel 20 Paganini 7 Paulus 17 Pfaffe 19

Pfretzschner 13, 28 Radek 27 Ramsaier 30 Reichart 25 Ribbeck 9 Richter 33 f., 42 Rieger 16 Rieu 47, 51 Rimski-Korsakow 7 Rivinus 52 Rolini 9 Rorarius 30 Roth 29 Schade 36 Schmidt, J.-F. 23 Schmidt, K.-H. 35f,43 Schröder 22 f. Schwarz 39 Scrollavezza 33 Selditz 39 Shakespeare 27 Sieffert 21 Smissen 51 Solle 40 Spohr 15, 38, 42 Stahl 15 Stark 28 Steiner 10 f., 15 Stelzner 17f., 20, 29 Stempel 21

Storm 15 Stradivarius 6 ff, 17, 33, 45, 47, 56 Strauss 15 Suzuki 52 Swirek 33 Tertis 39 Thau 13 Todt 16 Torelli 6 Ullrich 28 Vogel 50 Voigt 33 von Bismarck 15 von Lenbach 17 von Neurath 27 von Papen 27 von Preußen 15 von Sachsen….10 von StoltenbergWernigerode 23 Walther 44 Waltz 21 Werro 45 Wieniawsky 33, 38 Zeller 15 Zetkin 27 Zimmermann 51 zu Guttenberg 15 ***

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ein Leben für den Geigenbau 1932 bis 2012

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G E I G E N B A U im SPIEGEL DER ZEITEN

In den Werkstätten der Geigenbaumeister sieht es heute noch fast genauso aus wie vor Hunderten von Jahren. Es riecht nach Holz und Lack und Leim. Werkzeuge und Fertigungstechniken haben sich seit den Zeiten Antonio Stradivaris kaum verändert. Nur wenige Berufe lassen es heute noch zu, die Entstehung eines Produktes bis zur Fertigstellung mit den eigenen Händen zu verfolgen. Ob ein Instrument gut oder gar sehr gut gelungen ist, erleben die Musikliebhaber täglich in den Konzertsälen der Welt. Kenntnisreich und unterhaltsam beschreibt der Autor am Beispiel einer schon in fünfter Generation wirkenden Geigenbauerfamilie die Entwicklung dieses Traditionshandwerkes durch die Historie. Neben der allgemeinen Geschichte des Geigenbaus und den persönlichen Erlebnissen der Familie Brückner werden immer wieder historische Bezüge zu politischen und kulturellen Ereignissen Deutschlands und Erfurts hergestellt, wo die Familie Brückner seit 1897 erfolgreich ihrem kunstreichen Handwerk nachgeht.

Ein Buch für Musikliebhaber und historisch Interessierte und alle Menschen, die in unserer schnelllebigen Zeit jene seltene Authentizität suchen, wo sich Sein und Bestimmung, Wissen und Können noch in harmonischer Übereinstimmung befinden.