Evolution der Kooperation

Evolution der Kooperation Die Evolution der Kooperation Ein Lehrstück über das Scheitern vermeintlich exakter Theoriebildung (von Eckhart Arnold, Gumm...
Author: Ralf Breiner
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Evolution der Kooperation Die Evolution der Kooperation Ein Lehrstück über das Scheitern vermeintlich exakter Theoriebildung (von Eckhart Arnold, Gummersbach 2005)

Gliederung 1.Vorüberlegungen zum Einsatz formaler Methoden in den Sozialwissenschaften 2.Die Theorie der Evolution der Kooperation: Ihre Ziele und ihr Ansatz 3.Drei Anwendungsversuche der Theorie der Evolution der Kooperation und ihr Scheitern 4.Resumé

Formale Theorien: Für und Wider A)“ Menschliches Handeln ist grundsätzlich zu komplex, um durch formale Theorien erfasst zu werden.” B)“ Nur formale Theorien, oder Theorien, die formalisiert werden könnten, sind als wissenschaftliche Theorien überhaupt akzeptabel.”

Formale Theorien: Für und Wider 1.In einigen Fällen gelingt die Beschreibung menschlichen Handelns mit Hilfe formaler Modelle (Beispiele). 2.In vielen Fällen gelingt sie jedoch nicht. 3.Wenn sie nicht gelingt, ist oft immer noch eine rein verbale Beschreibung möglich. => Nicht formale Theorien sind formalen Theorien in den Sozialwissenschaften vielfach überlegen.

Die Theorie der Evolution der Kooperation: Ziele ●





Generalerklärung für die Entstehung von Kooperation in der Natur und in der Kultur. Einzelerklärungen für die unterschiedlichsten (Dilemma-)Situationen, in denen Kooperation entsteht. In der politischen Philosophie: Demonstration der Möglichkeit von Kooperation unter Egoisten, ohne dass sie durch eine zentrale Gewalt oder starke Normen erzwungen wird.

Die Theorie der Evolution der Kooperation: Ansatz ●





Spieltheoretische Modelle (z.B. wiederholtes Gefangenendilemma) als Grundlage Computersimulationen zur Untersuchung der Bedingungen der Entstehung von Kooperation Wesentlich seltener: Empirische Untersuchungen zur Überprüfung der Theorie

Beispiele für die Evolution der Kooperation 1.Kooperation unter Feinden im Grabenkrieg im Ersten Weltkrieg 2.Kooperation zwischen Schwarmfischen bei der Jägerbeschauung 3.Kooperation im Hobbesschen Naturzustand

Kooperation im Grabenkrieg des Ersten Weltkriegs ●





Im Grabenkrieg bildete sich – entgegen den militärischen Zielen – häufig ein “L eben und Leben lassen” -System zwischen den Gegnern heraus. Historische Beschreibung u.a. bei Tony Ashworth (1980) Spieltheoretische Deutung bei Robert Axelrod (1984)

Kooperation im Grabenkrieg des Ersten Weltkrieges Axelrods spieltheoretische Erklärung scheitert aus zwei Gründen: 1.Die relevanten Parameter lassen sich nicht hinreichend genau für eine Vorhersage durch das Modell bestimmen. 2.Axelrods Modell berücksichtigt nur eine kleine Anzahl der kausal relevanten Faktoren. (Wegen 1. liefert das Modell dabei aber noch nicht einmal eine Teilerklärung.)

Kooperation bei Schwarmfischen ●



Bei einigen Arten von Schwarmfischen tritt das Verhalten der Jägerbeschauung auf: Einzelne oder Paare von Fischen lösen sich aus dem Schwarm, um den Jäger zu “ inspizieren” . Nach früheren Darstellungen (z.B. Milinski 1987) verhalten sich Paare von Fischen dabei kooperativ im Sinne des Modells des wiederholten Gefangenendilemmas.

Kooperation bei Schwarmfischen ●



Eingehendere Untersuchungen (z.B. Milinski 1997) zeigen jedoch, dass sich das Verhalten der “J ägerinspektion” kaum mit dem Modell des wiederholten Gefangenendilemmas erfassen lässt. Bisher lässt sich noch nicht einmal eindeutig empirisch feststellen, ob paarweise Jägerinspektion überhaupt eine kooperative Verhaltensstrategie ist.

Forschungsstrategisch relevante Konsequenzen ●





Die Anbindung an die Empirie ist der Theorie der Evolution der Kooperation in der Biologie bisher noch nicht geglückt. Der barocke Reichtum spieltheoretischer Modellforschungen ist auch in der Biologie bisher kaum mit empirisch ausweisbaren Erkenntnisfortschritten verbunden Empirisch gehaltvolle Modelle werden (vermutlich) nur begrenzt verallgemeinerbar sein.

Kooperation im Hobbesschen Naturzustand ●

Die zentralen Fragen von Hobbes' Leviathan: – –



Wodurch ist politische Herrschaft gerechtfertigt? Wie kann die Stabilität politischer Ordnung gewährleistet werden?

Das “ Hobbessche Problem” a ls Problem der Evolution von Kooperation – –

Ist kooperatives Verhalten in Großgesellschaften auch ohne Zwangsgewalt und Normen denkbar? Wie ist der Übergang vom unkooperativen Naturzustand zum kooperativen Gesellschaftszustand möglich?

Kooperation auf anonymen Märkten ●

Schüßlers Modell: Wiederholtes Gefangenendilemma mit Exit-Option



Resultat: Kooperation ist möglich



Einschränkungen:





Übertragbarkeit des Modells ist fragwürdig



Der Beweis bloßer „ logischer Möglichkeiten“ (Schüßler) ist nahezu trivial

Insgesamt: Schüßlers Modell ist nahezu ohne Erkenntniswert

Die Entstehung politischer Ordnung ●





Skyrms' Modell: Hirschjagdspiel mit unterschiedlich großen Nachbarschaftszonen Ergebnis: Kooperation kann sich global durchsetzen Aber: Das Modell ist irrelevant, denn: –

Anarchien werden nicht durch spontane Ausbreitung von Kooperation beendet



Herrschaft als wesentlichster Faktor politischer Ordnungsstiftung wird unterschlagen

Resumé Warum ist der Ansatz der Theorie der „ Evolution der Kooperation“ gescheitert? 1.Keine bzw. nur unklare Vorstellungen über den Anwendungsbereich der Theorie 2.Verselbstständigung der Modellbildung gegenüber dem Erklärungszweck 3.Mangelnde Anbindung an die Empirie 4.Teilweise mangelndes mathematisches Verständnis der Modelle 5.Überschätzung und Überforderung der Möglichkeiten formaler Modellbildung