Entwicklung des Herzens Septation der Vorhöfe und der Ventrikel
von Stephanie Vrba Semmelweis Universität Budapest 2009
Das Herz pumpt als zentrales, lebenswichtiges Organ das Blut durch den Körper. Schon im Embryonalstadium ist diese Pumpfunktion von großer Bedeutung um eine ausreichende Versorgung der sich entwickelnden Strukturen mit Sauerstoff und Nährstoffen zu gewährleisten. Fehlbildungen des Herzens sind meist nicht mit dem Leben vereinbar oder beeinträchtigen die Lebensqualität massiv. Doch um diese Fehlbildungen verstehen und eventuell therapieren zu können muss man den Aufbau des Herzens verstehen, und dazu muss man sich mit seiner embryonalen Entwicklungsgeschichte auseinandersetzen. Nur so können die Beziehungen der Strukturen zueinander verstanden und die Entstehung der Fehlbildungen erklärt werden. Im vorliegenden Artikel wird nur der wichtige Schritt der Trennung des frühembryonalen Herzens in seine vier Räume behandelt. Nachdem aus dem Herzschlauch das frühembryonale Herz entstanden ist, stellt sich die Frage, wie aus dem durch die Drehung entstandenen gemeinsamen großen Raum das erwachsene Herzen mit vier verschiedenen Räumen entsteht. Dabei entstehen nicht nur voneinander abgetrennte Räume sondern auch zwei verschiedene Systeme. So bildet die rechte Herzhälfte die Pumpe für den Lungenkreislauf und die linke Herzhälfte die Pumpe für den Körperkreislauf. Wie erfolgt diese komplizierte Trennung von einem Raum in einen rechten und linken Herzteil? Die Teilung des Herzens in seine adulten vier Räume erfolgt durch Bildung mehrerer so genannter Septen, deren Entstehung im Folgenden wie auch in der Fachliteratur getrennt hintereinander beschrieben wird. In der Entwicklung des Embryos entstehen diese Septen aber gleichzeitig bzw. zeitlich überlappend. Umgestaltung des Sinus venosus Einen zentralen Teil in der Septation des Herzens nimmt die Umformung des Sinus venosus ein. Der Sinus venosus ist von der Bildung des Kreislaufsystems an die Fortsetzung des atrialen Endes der sich entwickelnden Herzröhre. Zuerst besteht eine weite Verbindung des Sinus venosus mit dem primitiven Vorhof, doch die Eintrittsstelle des Sinus verlagert sich zunehmend nach rechts. So sind die Venen schon im Carnegie Stadium 12 asymmetrisch. Auch im restlichen Körper entstehen links‐ rechts‐ Shunts. Da die in das linke Sinushorn einmündenden Gefäße obliterieren, bildet sich dieses schließlich zurück, so dass nur die Vena obliqua des linken Vorhofs und der Sinus coronarius zurückbleiben. Die Einmündungsstelle des Sinus venosus in den Vorhof wird von zwei Falten eingefasst, die sich kranial zum Septum spurium vereinigen. Das Septum spurium und ein Teil der linken Falte werden dem Septum secundum angelagert und so zu einem Teil des Vorhofseptums. Im Gegensatz dazu bleibt die rechte Sinusfalte geteilt als Valvula vena cavae inferioris und Valvula sinus coronarii bestehen. Im Zuge des Vorhofwachstums wird der linke Sinus venosus in den Vorhof einbezogen und durch eine kleine Leiste – das sogenannte Sinus septum ‐ von der Einmündung der Vena cava inferior getrennt. Dieses Sinus septum ist sowohl in der Maus als auch beim Menschen als eine Muskelfalte zwischen Vena cava inferior (aus unterem Teil des rechten Sinushorns) und Koronarsinus (aus dem linken Sinushorn) zu finden. Interessanterweise bleibt aber bei der Maus das linke Sinushorn als linke obere Vena cava erhalten, obwohl auch hier das linke Sinushorn kleiner als das rechte ist. Es stellt sich daher die Frage, ob die Rückbildung des linken Sinushorns, wie bisher angenommen, als Vorbereitung für die Bildung des Septum interatriale notwendig ist. 1
Septum interatriale Nachdem durch die Umformung des Sinus venosus, der zum Teil in den späteren rechten Vorhof mit einbezogen wird, der glattwandige Teil des rechten Vorhofes entstand, wächst auch der linke Vorhof durch Einbeziehen der Vena pulmonalis. In einer Studie über die Entwicklung der Pulmonalvene (Webb S, Kanani M, Anderson RH, et al) wurde herausgefunden, dass die Pulmonlavene sich als neue Struktur im mediastinalen Gewebe entwickelt und durch das dorsale Mesokardium in den linken Vorhof einwächst. Vorher war man davon ausgegangen, dass die Vene aus dem linken Vorhof aussprosst und später mitsamt ihrer ersten Verzweigung einbezogen wird. Bei der Trennung des Vorhofes geschehen mehrere Dinge gleichzeitig. So entstehen die Endokardkissen im Atrioventricularkanal, während von dem Dach des primitiven Vorhofs ein muskuläres Septum – das Septum primum ‐ auf diese zuzuwachsen beginnt. In dem zugrunde liegenden Artikel wird zwischen „echten“ Septen und in der Fachliteratur ebenfalls als Septen bezeichneten Strukturen unterschieden. Ein „echtes“ Septum muss aus der Herzwand entspringen und bei dessen Durchtrennung darf keine Verbindung mit dem extrakardialen Raum entstehen. Diese Bedingungen werden durch das Septum primum erfüllt. Es wächst genau zwischen den Teilen des einverleibten Sinus venosus und der Vena pulmonalis aus dem linken Vorhofdach. Da sich auf molekularer Ebene nachweisen lässt , dass das Septum das Pitx2 Gen exprimiert, weiß man, dass es der linken Seite entspringt. In einer Studie von Franco D, Campione M, Kelly R et al. wurde festgestellt, dass die rechte und linke Seite der sich entwickelnden Vorhöfe sich in der Expression von Genen und Proteinen unterscheiden. Allerdings wurde ebenfalls entdeckt, dass diese molekulare Grenze nicht der morphologischen entspricht. So reicht die molekulare linke Seite auch nach rechts bis zur linken Klappe des Sinus venosus. Da funktionell aber eine Verbindung der beiden Vorhöfe nötig ist, um die Lunge zu umgehen, bleibt zunächst eine Lücke zwischen dem herunterwachsenden Septum primum und den Endokardkissen frei – das Foramen primum. Das Septum primum wird nicht nur durch das Wachstum der Endokardkissen und ihr Verschmelzen mit der mesenchymalen Septumkappe gebildet, sondern es wächst zusätzlich Mesenchym aus der Atrioventrikularfurche ein. Dieser Mesenchymsporn wird als Spina vestibuli bezeichnet. So ist das Septum primum nun über verschiedene Mesenchymarten fest zum Scheitel des Ventrikularseptums verbunden. Bevor allerdings das Septum primum die Endokardkissen erreicht, entsteht durch Apoptose das Foramen secundum im oberen Abschnitt des Septum primum. So bleibt eine Verbindung der Vorhöfe bestehen. Die obere Kante des Foramen secundum ist zunächst das ebene Vorhofdach. Erst durch die Einbeziehung der Verzweigungen der Lungenvene entwickelt sich eine tiefe Falte die zum Septum secundum wird. Nach oben genannter Definition eines echten Septums ist das Septum secundum ein Beispiel für ein Septum ohne echte Septumsstruktur, denn es entsteht durch eine Einfaltung und schneidet man das Septum ein, kann man Zugang zur Perikardhöhle erlangen. Dieses Septum wächst rechts vom Septum primum in Richtung Endokardkissen. Jedoch kommt es zu keiner Verschmelzung mit den Endokardkissen, sondern es bleibt ein Durchgang ‐ das Foramen ovale ‐ frei. So kann nun die aus dem Septum primum entstandene Klappe gegen das Septum secundum gedrückt werden und so die Verbindung unterbrechen, wenn sich durch die Geburt die Druckverhältnisse geändert haben. Unterteilung des Atrioventrikularkanals Der Übergang zwischen Vorhofausweitung und Ventrikelanlage bleibt eng und bildet den Atrioventrikularkanal. Am Ende der vierten Woche entwickeln sich ein oberes und ein unteres Endokardkissen im Atrioventrikularkanal. Dieser öffnet sich zu Beginn nur in den linken Ventrikel, da 2
er vom Bulbus cordis durch die Bulboventrikularfalte getrennt ist. Die Bulboventrikularfalte bildet sich während der Teilung des Atrioventrikularkanals zurück, wobei sich gleichzeitig auch der Atrioventrikularkanal nach rechts ausdehnt, sodass der Blutstrom nun beide Ventrikel erreichen kann. Parallel vergrößert sich auch die Einflussbahn des rechten Ventrikel. Durch die Ausdehnung nach rechts liegt nun der größere Teil des unteren Atrioventrikularkissens über der rechten Seite des wachsenden muskulären Ventrikelseptums. Im Gegensatz dazu bleibt der größere Teil des oberen Kissens mit dem kleineren Teil des unteren Kissens auf der linken Seite. Gegen Ende der 5. Woche teilen also oberes und unteres Kissen nach ihrer Verschmelzung den Atrioventrikularkanal in zwei vollständige Ostien. Auch hier ist die Spina vestibularis beteiligt, da sie einen Stützpfeiler an der rechten Basisseite des Septum primum bildet. Bis auf den zentralen Teil, der als fibröse Sehne von Todaro bis zur Sinus venosus Klappe reicht, muskularisiert dieses mesenchymale Gewebe. Die muskularisierten Komponenten bilden ein echtes zweites Vorhofseptum an der Basis der Septum primum – Klappe. Die fusionierten Endokardkissenanteile, die sich mit dem Ventrikelseptum verbinden bilden den fibrösen Körper. Durch die Ausbildung von fibro‐ adipösen Gewebe wird die Muskulatur des anfänglichen Atrioventrikularkanals von dem Kammermyokard getrennt. Da es sich hierbei um den zentralen Teil der Kissen handelt, befindet sich das fibröse Gewebe nun an der Stelle des ehemaligen zentralen Atrioventrikularkanals. Diese Trennung ist für die elektrische Isolation von Vorhofsmuskulatur und Kammermuskulatur nötig. Nur ein kleines Gebiet, das die erregungsleitende atrioventrikuläre Achse werden soll behält Kontakt, so behält die Muskulatur direkt vor und hinter dem fibrösen Gebilde Verbindung zur Kammermuskulatur. Sie wird später den AV‐ Knoten und das His‐ Bündel bilden. Der AV‐ Knoten liegt beim Erwachsenen an der Spitze des Kochdreiecks. Der Boden des Kochdreiecks entsteht wahrscheinlich durch eine Art Faltung bei der die Vorhofsmuskulatur auf rechter Kammermuskulatur zu liegen kommt. Außerdem ist zwischen der Muskulatur extrakardiales fibro‐ adipöses Gewebe zu finden. Diese Art der Trennung wird ebenfalls als Septation bezeichnet, obwohl es sich dabei nach den oben genannten Kriterien um kein „echtes“ Septum handelt. Ventrikelseptum Die Ventrikel weiten sich am Ende der 4. Woche durch Wachstum des Myokards an der Außenfläche und Aushöhlung und Trabekelbildung an der Innenfläche. Durch die Ausdehnung der Ventrikel entsteht in der Mitte ein Septum durch die überproportionale Größenzunahme der angrenzenden Strukturen. Aufgrund der Tatsache, dass viele Erkenntnisse in der Embryologie aus Tierversuchen stammen glaubte man, dass der Einflussbahnteil des Septums eine eigene Struktur sein müsse oder das ein muskulärer Septumteil des Atrioventrikularkanals mit ins Ventrikelseptum einbezogen wird. Heute weiß man, dass es große Unterschiede in der Entwicklung des Ventrikelseptums bei Vögeln und Säugetieren gibt. Während im Huhn, an dem viele Forschungen zu diesem Thema durchgeführt wurden, das Septum durch Zusammenwachsen vieler übereinanderliegender Trabekel gebildet wird und man weiß, dass der muskuläre Anteil des Pars muscularis des Ventrikelseptums aus mehr als einer embryonalen Organanlage entsteht, gibt es beim Säugetier keinen Hinweis darauf. In einer Studie am Hühnerembryo (de la Cruz MV, Gimenez – Ribotta M, Saravalli O, et al 1983) wurde mit „Indian ink“ gezeigt, dass der Scheitel des Pars muscularis aus Endokardkissen entstand. Eine andere Studie (van den Hoff MJB et al, 2001) zeigt auf molekularer Ebene, dass im Huhn die Endokardkissen muskularisieren und ins Septum einbezogen werden. Allerdings sind diese Studien wiederum an Hühnern durchgeführt worden und dies beweist nicht, dass es bei Säugetieren genauso abläuft. Man fand heraus, dass ein Antikörper für das untere Vagusganglion des Huhns im Menschen das Gewebe, 3
das die Anlage der atrioventrikulären Fortführung bildet, markiert. So ließ sich nachweisen, dass das Septum zwischen Einflussbahnen und Ventrikeln ein und dasselbe ist, denn der Antikörper markiert das Gewebe um das Foramen interventriculare. Das gekennzeichnete Gewebe ist sowohl interventrikulär, ein Gewebering im rechten Ventrikel, als auch atrioventrikulär. Dies lässt sich dadurch erklären, dass der rechte Vorhof und die rechte Kammer vor der Trennung des Atrioventrikularkanals Kontakt hat, und so durch den Antikörper markierte Herzmuskulatur durch den fibro‐ adipösen Ring in den distalen Teil der Vorhofsmuskulatur gedrängt wird. Das His‐ Bündel als verbindende Struktur zwischen Vorhof und Ventrikel, das aus dem Ring geformt wird liegt an der Spitze des Pars membranacea des Septum interventriculare, was sich durch die bisher angenommene Entstehung durch eine zweite muskuläre Komponente nicht erklären lässt. Damit das Foramen interventriculare vollständig geschlossen wird muss die subaortale Ausflussbahn in den linken Ventrikel geschoben werden. Dies ist notwendig, da der neu entstandene rechte Ventrikel die Entwicklung des gesamten Ausflusstraktes unterstützt. Die Konuswülste, die die subaortale Ausflusskomponente formen, sind Strukturen des rechten Ventrikels. Die sich entwickelnde Aorta hat somit direkten Kontakt zum rechten Ventrikel und über das Foramen interventriculare auch zur linken Kammer. Durch die Verschmelzung der Konuswülste mit dem Pars muscularis des Septum interventriculare gelangt die Aorta schließlich in den linken Ventrikel und die interventrikuläre Kommunikation ist beendet. Der durch den Antikörper des Huhns markierte Gewebering ist nun ein Ring um den subaortalen Vorraum. Die Sprenkelung des subaortalen Gewebes beweist eindeutig die Zugehörigkeit des Gewebes zum rechten Ventrikel. Die Konuswülste werden in das subpulmonale Infundibulum und die Crista supraventricularis des rechten Ventrikels umgeformt. Es sind komplexe Vorgänge notwendig, um aus dem einzigen Raum des primitiven Herzschlauches ein Herz mit vier verschiedenen Räumen entstehen zu lassen. Auch wenn sich über die Bezeichnung als Septum streiten lässt, da die Septen auf verschiedene Weise entstehen, muss man doch eingestehen, dass sie, egal ob sie der Wand entspringen oder durch Faltung entstehen, doch die gleiche Aufgabe haben – nämlich die Trennung des Herzens in verschiedene Räume. Die Komplexität der Vorgänge erklären, warum angeborene Herzfehler die häufigste Entwicklungsstörung des Menschen darstellen. Glücklicherweise sind darunter auch viele winzige klinisch unauffällige muskuläre Ventrikelseptumdefekte. Literaturangaben: „Development of the heart: septation of the atriums and ventricles“ By Robert H Anderson, Sandra Webb, Nigel A Brown, Wouter Lamers, Antoon Moorman Heart 2003, 89:949‐958, heart.bmj.com aufgerufen am 30. März 2009 Embryologie Keith L. Moore, T. Vidhya, N. Persaud (übersetzt und bearbeitet von Christoph Viebahn) 5. Auflage 2007 Anatomie, Band 2 Benninghoff, Drenckhahn 16. Auflage 2004 Abbildung: http://www.ana.sote.hu/peritoneum2007/hamilton.pdf, aufgerufen am 04. April 2009
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