Eine moderne Strafjustiz braucht die Kooperation mit der Zivilgesellschaft!

Pressekonferenz 24.5.2013 Eine moderne Strafjustiz braucht die Kooperation mit der Zivilgesellschaft! • Eine erfolgreiche Strafjustiz braucht wirksa...
Author: Karl Pfeiffer
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Pressekonferenz 24.5.2013

Eine moderne Strafjustiz braucht die Kooperation mit der Zivilgesellschaft! •

Eine erfolgreiche Strafjustiz braucht wirksame sozial konstruktive Alternativen zum bloßen Strafen Leistungsbilanz 2012 des Vereins NEUSTART, Seite 2



Sozialarbeit im Verein NEUSTART legt Nachweis über Wirksamkeit vor Bewährungshilfe wirkt, Seite 3 Arbeit statt Strafe erspart Strafverfahren und Haft, Seite 3 Zufriedenheit der Opfer durch Tatausgleich, Seite 4 Elektronisch überwachter Hausarrest – eine Alternative zur Haft hinter Gittern, Seite 4 Die Bevölkerung schätzt die Arbeit von NEUSTART, Seite 4



Jugend und Gewalt – zivilgesellschaftliches Engagement tut not Sozialnetz-Konferenz: Gegen die Vereinzelung, für die Wiederbelebung der Solidarität, Seite 5 Fallbeispiel 1 Sozialnetz-Konferenz, Seite 7 Fallbeispiel 2 Sozialnetz-Konferenz, Seite 8

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl gemeinsam mit Verein NEUSTART Geschäftsführer Dr. Christoph Koss und Geschäftsführer Alfred Kohlberger MAS

KONTAKT Verein NEUSTART Andreas Zembaty Mobil: 0676 84 73 31 100 [email protected]

Eine erfolgreiche Strafjustiz braucht wirksame sozial konstruktive Alternativen zum bloßen Strafen Leistungsbilanz 2012 des Vereins NEUSTART … Bewährungshilfe 14.432 Klienten wurden mit Hilfe von Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfern dabei unterstützt, straffrei zu leben. … elektronisch überwachter Hausarrest 850 Erhebungen, ob eine Fußfessel in Frage kommt, wurden vorgenommen. 625 Klienten erhielten eine Fußfessel. Davon 524 vor Antritt ihrer Haft, 94 kamen aus der Haft und sieben Personen erhielten die Fußfessel statt Untersuchungshaft. Insgesamt wurden 71.345 Betreuungstage verzeichnet. … Haftentlassenenhilfe 3.287 Klienten beanspruchten vor oder nach ihrer Haftentlassung freiwillig die Hilfe von NEUSTART Einrichtungen, die auf ihre Problemlagen spezialisiert sind. … Tatausgleich 15.956 Beschuldigte und Opfer wurden bei der Konfliktregelung betreut. Davon waren 6.647 Personen Opfer. 6.696 Mal wurde vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft ein Tatausgleich angeregt. … Prozessbegleitung 2011 wurden 93 Opfer von Straftaten durch den Gerichtsprozess begleitet. … Arbeiten für das Gemeinwohl 8.329 Menschen arbeiteten im Dienste der Gemeinschaft – entweder bei den gemeinnützigen Leistungen als diversionelle Maßnahme (4.122 Personen) oder anstelle einer Ersatzfreiheitsstrafe (4.226 Personen). … weitere Hilfen 459 Klienten wurden in Wohn- und Kriseneinrichtungen von NEUSTART untergebracht. Der SAFTLADEN in Salzburg (Kommunikationszentrum) wurde 29.140 Mal besucht. … Prävention 1.521 Stunden wurden in der Schulsozialarbeit aufgewendet, um Jugendlichen bei der Lösung ihrer Konflikte zu helfen. Dazu kamen 376 Jugendliche, die in Vorarlberg von der Jugendhilfe betreut wurden und 275 Betreuungen in der Suchtprävention Kärnten. … Online-Beratung An die auf der Website von NEUSTART angebotene Online-Beratung wurden 689 Anfragen gerichtet. Anonym und unkompliziert. Hilfe für Opfer Insgesamt wurden 6.740 Personen im Opferbereich betreut: 6.647 im Tatausgleich und 93 Personen durch Prozessbegleitung.

Von 1957 bis 2012 hat NEUSTART rund 503.000 Menschen betreut.

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Sozialarbeit im Verein NEUSTART legt Nachweis über Wirksamkeit vor Bewährungshilfe wirkt

Wirkungsmessgrößen sind die Wiederverurteilungsquote und die sogenannte Widerrufsquote. • 69 % der Klienten bleiben ohne Rückfall, bei 31 % kommt es zu einer neuerlichen Verurteilung. • Bei 10,9 % der Bewährungshilfe-Fälle wird die Anordnung der Bewährungshilfe vom Richter wegen Erfolglosigkeit widerrufen, ein Haftantritt ist die Konsequenz. Gründe dafür können neue, schwere Straftaten oder die Verweigerung des Kontakts des Klienten mit dem Bewährungshelfer sein. Tendenziell bestätigt werden diese Ergebnisse durch langfristige wissenschaftliche Studien: In einer umfangreichen Studie* wurde eine Rückfallsfreiheit von 60 % im Zeitraum von 2,5 beziehungsweise 3,5 Jahren nach Betreuung nachgewiesen. Angesichts der prekären Lebenssituation der betroffenen Menschen sind die Erfolgsraten auch im internationalen Vergleich als hoch einzuschätzen. Aus der praktischen Arbeit der Bewährungshilfe wird deutlich, dass der größte Teil der Klienten den Neubeginn ohne Partner starten muss. Rund drei Viertel verfügen über keinen Pflichtschulabschluss, am Arbeitsmarkt gibt es auch deshalb große Probleme, mehr als ein Drittel ist arbeitslos. Ein weiterer Teil der Klienten verfügt über keinen eigenen Wohnraum, ist also auf Notunterkünfte oder andere kurzfristige Unterbringungen, zum Beispiel bei Freunden, angewiesen. Ein Drittel der Klienten ist suchtkrank. 60 % der Klienten sind unter 25 Jahre alt, in einem Lebensalter also, in dem erhöhte Kriminalitätsrisiken zu verzeichnen sind. [*Studie zur Legalbewährung 2008: Hofinger, Veronika und Neumann, Alexander: Forschungsbericht Legalbiografien. Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien 2008. S. 34 f http://www.irks.at/publikationen/studien/2008/legalbiografien-von-neustart-klienten.html]

Arbeit statt Strafe erspart Strafverfahren und Haft Wirkungsmessgrößen sind die Einstellung des Strafverfahrens, oder bei gemeinnütziger Leistung statt Ersatzfreiheitsstrafe die Anzahl der vermiedenen Hafttage. • In 81 % der Fälle kann das Strafverfahren wegen der Ableistung der gemeinnützigen Arbeit vom Staatsanwalt eingestellt werden. • Bei Nichtbezahlung einer Geldstrafe ist eine Freiheitsstrafe die Folge. Durch Ableistung der gemeinnützigen Arbeit konnten 66.408 Hafttage erspart werden. Die Arbeit für das Gemeinwohl stellt gerade bei Jugendlichen eine sinnvolle und effektivere Maßnahme als die bloße Verurteilung dar: 71 % der für die Gesellschaft arbeitenden Klienten wurden nicht mehr rückfällig

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Zufriedenheit der Opfer durch Tatausgleich Wirkungsmessgrößen sind die Opferzufriedenheit und die Erfolgsrate, also die Einstellung des Strafverfahrens, da Entschuldigung und Wiedergutmachung stattgefunden haben. • 95 % der Opfer waren mit dem Ergebnis des Tatausgleichs zufrieden • In 72,3 % der Fälle konnte das Strafverfahren eingestellt werden TÄTERARBEIT VERMEIDET NEUE OPFER 82 % der Täter werden nicht rückfällig. Die Rückfallsraten nach einem Tatausgleich sind bei Erwachsenen, Frauen und besser Gebildeten besonders niedrig und liegen bei zehn Prozent. Bei Gewalt in Partnerschaften – die zweithäufigste Konstellation im Tatausgleich – ist die Legalbewährung mit 89 % ebenfalls überdurchschnittlich gut. Am Beispiel der leichten Körperverletzung: Erfolgsrate bei Konfliktregelung: 85 % Erfolgsrate bei bloßer Verurteilung: 59 %

Elektronisch überwachter Hausarrest – eine Alternative zur Haft hinter Gittern Seit September 2010 bis 14.5.2013 waren 1.443 Personen im elektronisch überwachten Hausarrest. Damit konnten 148.282 Tage hinter Gittern erspart werden. Die Einnahmen aus den Zahlungen der betroffenen Klienten liegen bei 1.296.932,93 Euro. • In 5,8 % aller Fälle musste der elektronisch überwachte Hausarrest abgebrochen werden. Die Gründe für einen Abbruch waren in den allermeisten Fällen nicht die Begehung einer neuerlichen Straftat sondern der Wegfall der Voraussetzungen (Arbeitsplatz- oder Wohnungsverlust) oder die Verletzung der Auflagen (zum Beispiel Verstoß gegen Alkoholverbot).

Die Bevölkerung schätzt die Arbeit von NEUSTART Im Herbst letzten Jahres wurden 1.000 Österreicherinnen und Österreicher telefonisch vom Meinungsforschungsinstitut integral befragt. Die Bekanntheitswerte haben sich gegenüber den Vorjahren verbessert: 19 % (+1 %) kennen NEUSTART, 59 % (+2 %) kennen die Bewährungshilfe. Der gesellschaftliche Nutzen der Arbeit von NEUSTART wird von 64 % (+3 %) anerkannt, ein persönlicher Nutzen wird noch immer von 23 % (+1 %) der Befragten bestätigt. 65 % sehen eine Wirkung bei der Verhinderung von Kriminalität. Nur sieben Prozent sehen diese Wirkung nicht. 32 % wären bereit, NEUSTART direkt zu unterstützen: 18 % durch ehrenamtliche Tätigkeit, 27 % durch eine Spende. Mit 28 % ist der der Anteil der 14- bis 19Jährigen, die den Verein durch ehrenamtliche Arbeit unterstützen würden, besonders hoch.

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Jugend und Gewalt – zivilgesellschaftliches Engagement tut not Sozialnetz-Konferenz: Gegen die Vereinzelung, für die Wiederbelebung der Solidarität Die Isolation, Vereinzelung und Flucht in mediale Scheinwelten sind Reaktionen Jugendlicher auf einen aus ihrer Sicht chancenlosen Alltag. Soziale Netze in ihrem Umfeld sind löchrig geworden oder ohne Tragkraft. Die Methode der Sozialnetz-Konferenz mobilisiert verloren geglaubte Ressourcen in Familie und sozialem Nahebereich. An vier Projektstandorten in Wien, Steiermark, Oberösterreich und Kärnten sind bereits 13 Konferenzen mit 102 beteiligten Bürgern erfolgreich abgeschlossen worden. Schulprobleme, Probleme mit der Verselbstständigung, Familienkonflikte, Problembewältigung nach der Haftentlassung und Wiedergutmachung standen dabei im Mittelpunkt. In vielen weiteren Fällen genügte die erste Kontaktnahme durch NEUSTART als Anstoß, die Familie eigenständig initiativ werden zu lassen. Insgesamt konnten 205 Personen aus der Zivilgesellschaft zur Initiative motiviert werden. Viele übernahmen die Erfahrung der „(Sozialnetz-)Konferenz“ auch in ihre sonstigen alltäglichen Problemlösungen. Die Sozialnetz-Konferenz ist in der (Jugend-)Strafrechtspflege eine Zusammenkunft von jugendlichem Straftäter, dessen Familie und ihm nahestehenden Personen; aber auch professioneller Betreuer, um dem Jugendlichen dabei zu helfen, aus seinen Fehlern zu lernen, ihn dabei zu unterstützen, sein Leben zu ändern und zu klären, welchen Unterstützungs- und Hilfebedarf er hat. Wenn es geschädigte oder verletzte Opfer gibt kann ebenfalls eine Sozialnetz-Konferenz einberufen werden, um dem Jugendlichen die Chance zur Entschuldigung und Wiedergutmachung zu geben. Diese Methode ist also eine Entscheidungsfindungs- und familiäre Hilfeplanungskonferenz in Krisensituationen oder schwierigen Lebenssituationen, aber auch ein Mediationsverfahren, an dem neben dem Opfer auch indirekt Betroffene teilnehmen. Dabei werden die Ressourcen der betroffenen Familien und ihres sozialen Netzwerks aktiviert. Das Besondere daran ist, dass die fallverantwortlichen Fachkräfte lediglich den Prozess steuern. Die Lösungen werden von der Familie und ihrem Umfeld erarbeitet, die damit auch stärker in die Verantwortung genommen werden. Die Erfahrungen zeigen, dass auch „Multiproblemfamilien“ in der Lage sind, in einem entsprechend organisierten Rahmen effektive Problemlösungsstrategien zu entwickeln.

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Wer nimmt an einer Sozialnetz-Konferenz teil? ... der Jugendliche ... eine Vertrauensperson (oder mehrere) des Jugendlichen ... Die Familie und wichtige Bezugspersonen des Jugendlichen (zum Beispiel Großeltern, Onkeln, Tanten, Nachbarn, Lehrer, Arbeitgeber, Erzieher) ... der Bewährungshelfer ... sonstige Sozialarbeiter und Fachleute (zum Beispiel Jugendamt, Suchtambulanzen, Streetwork, Gesundheitseinrichtungen et cetera) ... bei Wiedergutmachungskonferenzen: das Opfer und seine Vertrauensperson (oder -personen) ... die Koordinatoren der Konferenz

Wie läuft’s ab? Jede Konferenz gliedert sich in fünf Phasen. In der arbeitsintensiven, mehrere Wochen dauernden Vorbereitungsphase führen die Koordinatoren Gespräche mit allen Familienangehörigen und Unterstützern – bei Wiedergutmachungskonferenzen wird auch mit den Opfern Kontakt aufgenommen. In der Informationsphase geben die fallzuständigen und andere hilfreiche Fachleute einen kurzen Informationsinput über fachliche Einschätzungen, die rechtlichen Möglichkeiten und öffentliche Hilfen. Bei Wiedergutmachungskonferenzen wird eine Sachverhaltsdarstellung über die Tat gegeben und das Opfer erhält Raum, um Verletzungen und Schädigungen darzustellen (die Fakten kommen auf den Tisch). In der Familienphase heißt es „Tür zu“, alle Fachkräfte und gegebenenfalls auch das Opfer verlassen den Raum. In diesem exklusiven Rahmen können sich die Familie und das soziale Netz über unterschiedliche Sichtweisen, Ideen, Lösungen, Wiedergutmachungsleistungen austauschen und einen Lösungs- und Wiedergutmachungsplan entwickeln. In der Entscheidungsphase (der Plan) präsentieren die Familie und ihr soziales Netz die erarbeiteten Lösungsvorschläge, das weitere Vorgehen und Einzelheiten der Umsetzung. Der Plan wird von der zuständigen Fachkraft angenommen. Es können aber auch Ergänzungen verlangt werden. Bei Wiedergutmachungskonferenzen erhält das Opfer Gelegenheit, zur angebotenen Wiedergutmachung Stellung zu nehmen. Das Opfer kann die Wiedergutmachung und Entschuldigung akzeptieren, aber auch ablehnen. Der Plan wird in einer Follow-Up-Phase nach drei Monaten überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder geändert.

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Fallbeispiel 1 Sozialnetz-Konferenz Ein 21 Jahre alter junger Mann, zu zehn Monaten Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung verurteilt und auf Freigang, lädt im Hause seiner Eltern sein soziales Netz zur „Entlassungskonferenz“ ein. Kommen sollen Vater, Mutter, Bruder, Schwester und drei Freunde. Viele Angebote wie AntiAggressions-Training oder Suchtberatung sind vorher gescheitert. Die Sorge der Bewährungshelferin ist, dass der junge Mann an der Arbeitsintegration nach seiner Haftentlassung scheitern könnte und er daher bei der Arbeitssuche Unterstützung braucht, um zu verhindern, dass er beschäftigungslos Struktur und Halt verliert. Als Bedingung an den Plan formuliert die Bewährungshelferin, dass Schwarzarbeit und weitere Kursmaßnahmen nicht akzeptiert werden können, dass es also um eine reguläre Arbeit oder Ausbildung (Lehre) geht. Die Konferenz beginnt verspätet, weil ein Freund nicht kommt und sich ein anderer Freund verspätet. Ablauf und Regeln werden von den Koordinatoren erklärt, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich vor. Die Bewährungshelferin bringt die Sorge wertschätzend, aber auch sehr konkret ein. Diese Sorgeformulierung ist ein erster emotionaler Höhepunkt, bei dem die Belastungen der Familie durch die vergangenen Geschehnisse in Form von vielen Tränen deutlich werden. Vor der privaten Netzwerkzeit schildert jedes Familienmitglied in der „Ressourcenrunde“, was es am jungen Mann schätzt und mag. Ein weiterer Moment voller Emotionen und stark spürbarer und kraftvoller Dynamik. Prinzip ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach vorne schauen, sich an den Stärken und nicht an den Defiziten orientieren, Lösungen suchen und realistische Zukunftspläne erarbeiten. Danach wird das soziale Netz alleingelassen, um einen Plan zu erarbeiten. Nach eineinhalb Stunden wird dann der erarbeitete Plan präsentiert und mit Unterstützung der Koordinatoren konkretisiert. Im Anschluss wird der Plan von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterschrieben und verbindlich gemacht. Bis zur Haftentlassung des jungen Mannes wird festgehalten, wer was bis wann macht. DER PLAN Der junge Mann schreibt mit Unterstützung seines Bruders Bewerbungen, vereinbart Vorstellungstermine und stellt sich bei Firmen vor. Sein Vater begleitet ihn zum Arbeitsmarktservice, das durch die Koordinatorinnen und Koordinatoren schon vorinformiert wurde und fragt bei ihm bekannten Firmen nach. Sein Vater sucht auch das Gespräch mit dem Bürgermeister, der mit ihm bekannt ist, ob es im Bereich der Gemeinde Jobchancen gibt. Die Mutter wird im Internet offene Stellen recherchieren. Sein Freund hat Kontakte in eine Steinmetzfirma und wird dort wegen einer Lehre nachfragen. Die Konferenz dauert insgesamt vier Stunden und eine Folgekonferenz wird zur Überprüfung des Plans vereinbart. DIE LÖSUNG Mittlerweile wurde der junge Mann entlassen, schrieb 40 Bewerbungsschreiben, wurde von einigen Firmen zu Bewerbungsgesprächen eingeladen, absolvierte mehrere Schnupperlehren, da er unbedingt eine Ausbildung machen möchte und ist weiter aktiv mit Unterstützung seines sozialen Netzes auf Arbeitssuche, die sich natürlich wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage nicht einfach gestaltet. Jener Freund, der nicht zur Konferenz kommen konnte, bringt ihn dreimal in der Woche zum Fußballtraining, sodass auch die Freizeitgestaltung Struktur hat. Die Bewährungshelferin meint, dass die Familie richtig aktiv und voller positiver Energie ist und schon viel weitergebracht hat, sodass sie optimistisch ist, dass die Arbeitssuche erfolgreich abgeschlossen werden kann. In dieser Konferenz wurde deutlich, wie viele und wertvolle Ressourcen Klienten in ihrem sozialen Netzwerk finden können und wie hoch die Bereitschaft ist, diese auch zur Verfügung zu stellen.

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Fallbeispiel 2 Sozialnetz-Konferenz Bei dieser Sozialnetz-Konferenz geht es um ein wohnungsloses Mädchen, bei dem die Sorge bestand, dass es für eine Wohnung noch nicht selbstständig genug ist. Die erste Liste der zu Einladenden umfasst noch 15 Personen. Letztlich treffen sich in der NEUSTART Einrichtung zehn Menschen des sozialen Netzes. Ein ehemaliger Erzieher des Mädchens reist sogar für die Konferenz aus einem anderen Bundesland an. Die Bewährungshelferin formuliert als Sorge, dass es nicht nur um das Finden einer Wohnung geht, sondern dass diese auch längerfristig gehalten werden muss. Die Bedingungen für die Lösung sind, dass ein Schlafplatz bei der Schwester oder in der Jugendnotschlafstelle nicht reicht. Kommt die junge Frau zum Vorgespräch noch „bekifft“, meint sie kurz vor der Konferenz: „Zu meiner Konferenz komme ich nicht bekifft, ich will ja alles mitbekommen.“ Nach eineinhalb Stunden ist ein detaillierter Plan erarbeitet, der dem Mädchen Halt und Unterstützung aller Beteiligten gibt, jedoch auch viel Kontrolle durch die Angehörigen beinhaltet. Neben der Thematik des Wohnens werden auch die Themen Finanzen, Freizeit und Kontaktaufnahme zu therapeutischen Angeboten hinsichtlich des Drogenkonsums des Mädchens in den Plan aufgenommen. Die anfangs skeptische Einstellung besonders der Mutter, dass es nur zu Streitigkeiten kommen wird, hat sich nicht erfüllt; im Gegenteil, zum Abschluss sagt die Mutter: „Zum ersten Mal konnten wir normal reden“. Das Mädchen hat eine Wohnung in Aussicht und wird diese bald beziehen.

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