Ein Jahr in

Thailand Jan van Zadelhoff

Warum ich einen Austausch gemacht habe: Der Hauptanreiz, am Rotary-Austauschprogramm teilzunehmen, war für mich einfach mal meinem doch relativ langweiligen deutschen Alltagsleben zu entkommen und mal was anderes zu machen und neue Erfahrungen zu sammeln.

Und wo geht das besser als in einem anderen Land? Am besten auch noch in einem, das sich möglichst stark von Deutschland unterscheidet. Da war Thailand natürlich das perfekte Land für mich. Wo Elefanten auf den Straßen laufen und Marktstände frittierte Kakerlaken und Würmer verkaufen, kommt nicht so schnell Langeweile auf. Die ersten paar Wochen wird man mit so vielen neuen und ungewöhnlichen Eindrücken konfrontiert, dass selbst kleine Dinge, wie zum Laden um die Ecke zu fahren, um einkaufen zu gehen, zum Abenteuer werden. Überall gibt es Läden, die Dinge verkaufen, die man bei uns nie in irgendeinem Geschäft finden würde, und von denen man sich fragt, wozu sie benutzt werden und wer so etwas kauft. Doch jetzt von Anfang an. Ich wurde sofort am ersten Tag sehr positiv überrascht. Am Flughafen in Chiang Mai erwartete mich nicht nur meine erste Gastfamilie, sondern auch die Zweite, meine Counsellorin und Teile des Rotary-Jugendaustauschkomitees. Ich musste erst einmal kräftig Hände schütteln und wurde sogar umarmt, beides kam eher überraschend, da ich gelesen hatte, dass die Thais eigentlich kaum Körperkontakt suchen. Ich hatte zuhause in Deutschland extra den traditionellen thailändischen Gruß (wai), bei dem man die Handflächen vor dem Körper zusammenlegt und sich dann verneigt,geübt. Danach ging es erst mal in das 200 km von Chiang Mai entfernte Dorf, das für das nächste Jahr mein Zuhause werden sollte, und wenn ich Dorf sage, dann meine ich auch Dorf, denn es gab kaum mehr als eine Hauptstraße und eine Parallelstraße. Der nächste richtige Supermarkt war eine Stunde mit dem Auto entfernt und wenn man richtig einkaufen gehen wollte, musste man nach Chiang Mai (200km) fahren. Diese überschaubare Größe hatte natürlich auch etwas Gutes, so konnte ich meine Familien und meine Counsellorin alle mit dem Fahrrad erreichen und war nicht immer davon abhängig, ob meine Gasteltern mich bringen konnten. Ich hatte insgesamt nur zwei Familien, die beide aber sehr verschieden waren. So habe ich einen sehr abwechslungsreichen Einblick ins thailändischen Leben bekommen. In der ersten Familie hatte ich eine ältere Schwester, die mir vor allem am Anfang sehr geholfen hat. Sie sprach ganz gut Englisch und ging mit mir in dieselbe Klasse. Immer wenn ich jemanden brauchte, um mir beim Übersetzten zu

helfen, oder um ein bisschen Thai mit mir zu lernen, konnte ich sie fragen. Wir sind auch nachdem ich die Familie gewechselt hatte, gute Freunde geblieben und hatten auch weiterhin viel miteinander zu tun. In der zweiten Familie hatte ich leider keine gleichaltrigen Geschwister nur jüngere. Dafür habe ich dort mehr Thai gelernt – gezwungenermaßen, da es ja keinen gab, mit dem ich Englisch sprechen konnte – und das war ja eigentlich gar nicht schlecht. Ich hatte mit beiden Familien ein super Verhältnis (auch wenn sie manchmal ein wenig überfürsorglich waren) und beim Abschied wollten sie mich gar nicht so richtig gehen lassen. Praktisch wie eine dritte Familie war für mich meine Counsellorin. Zu ihr konnte ich immer kommen, wenn ich Probleme oder Fragen hatte, oder wenn ich mich mal unterhalten wollte. Sie hat öfters mal kleine Ausflüge mit mir unternommen, manchmal sogar für mehrere Tage. Wenn ich bisher alles eher erstaunlich und überraschend fand, waren meine ersten Tage in der Schule dann doch ein wenig schockierend. Gleich am Anfang fiel mir auf, wie ähnlich sich doch alle Schüler waren. Alle in Schuluniform, schwarzhaarig und dann auch noch mit kaum variierenden Haarschnitten. Das machte es für mich am Anfang natürlich nicht gerade leicht, mir die Namen meiner Mitschüler zu merken, zumal sie sich ja kaum von einander unterschieden und es dann auch noch mehrere Leute mit Namen gab, die sich für mich genau gleich angehört haben, die für die Thailänder aber total verschieden waren. Selbst bei meinen Klassenkameraden war es am Anfang schwer, sich alle Namen zu merken, zum Ende hin kannte ich natürlich alle Namen. Ich selbst fiel mit meiner Größe von 1,90m und meinen hellen, für einen Jungen auch etwas langen Haaren, zwischen den eher kleineren, dunkelhaarigen Thais natürlich auf. Das ging dann soweit, dass praktisch jeder mich kannte, oder zumindest wusste,

wer ich war, und ich mich gar nicht mehr vorstellen musste. Ich wurde auf dem Schulhof gegrüßt und angesprochen von Leuten, die ich vorher nie getroffen hatte, während sie mich zu kennen schienen. Das war natürlich gut, wenn ich mal Hilfe brauchte, oder mich verlaufen hatte, gab es immer jemanden, der mir helfen konnte. Freunde zu finden, war eigentlich überhaupt kein Problem. Sofort am ersten Tag in meiner neuen Klasse hatte ich gleich 40 neue Freunde, darunter auch ein paar sehr gute mit denen ich auch außerhalb der Schule etwas unternehmen konnte. Mit meinen Freunden habe ich auch viel Thai gesprochen, denn die meisten wollten oder konnten kein Englisch sprechen. Auch Kultur und Traditionen haben meine Freunde mir näher gebracht. Immer wenn ich etwas falsch gemacht habe, oder mich aus Versehen total daneben benommen hatte, wurde ich darüber aufgeklärt, wie ich es hätte richtig machen sollen (ich hatte manchmal sogar das Gefühl, dass es ihnen richtig Spaß gemacht hat, mich zu verbessern). Ich habe ein paar ganz tolle Erinnerungen an meine Freunde. Besonders gefreut habe ich mich über das Abschiedsfest, das meine Freunde für mich organisiert haben, sie hatten extra ein kleines Schwimmbad gemietet und alle kamen im Anzug oder Kleid. Eine Sache, die mir immer in Erinnerung bleiben wird, ist Songkran, das thailändische Neujahrsfest oder auch Wasserfest, hierbei übergießen sich die Thailänder gegenseitig mit Wasser. Was früher wohl als rituelle Waschung begonnen hat, hat sich heutzutage zu einer riesigen Wasserschlacht entwickelt. Man trifft sich mit Freunden und Familie und geht dann zusammen auf die Straße, um sich dort gegenseitig mit Wasserpistolen, oder mit mit Wasser gefüllten Gefäßen eine Wasserschlacht zu liefern. Man ist innerhalb von 5 Minuten total durchnässt, aber das macht überhaupt nichts, denn gefeiert wird im April, dem heißesten Monat des Jahres. Interessant ist, dass bei diesem Fest alle sozialen und Altersunterschiede keine Rolle mehr spielen, jeder kann und darf jeden anderen einfach so nass machen. Das macht natürlich Spaß. Leider war ich mit meinem doch sehr auffälligen Äußeren eine Art Zielscheibe für die Thailänder, die es wohl lustig fanden, den farang(Ausländer) mal so richtig mit Wasser zu übergießen. Aber über so etwas darf man sich nicht

ärgern, sondern man muss lächeln und es ihnen in gleicher Münze zurückgeben. Ich habe mit Rotary und auch mit meinen Freunden und Familien mehrere Reisen in ganz Thailand unternommen, auf denen ich einen Großteil des Landes gesehen und auch die unterschiedlichen Lebensweisen in den unterschiedlichen Teilen des Landes erlebt habe. So spricht man dort, wo ich gelebt habe, zum Beispiel überhaupt nicht richtig Thai, sondern einen Dialekt, der sich so stark vom normalen Thai unterscheidet, dass man ihn in anderen Teilen des Lande gar nicht versteht. Das war für mich natürlich auch nicht ganz einfach, denn ich sollte ja offiziell das normale Thai lernen, um meine Freunde verstehen zu können, musste ich allerdings auch den Dialekt lernen. Das war manchmal gar nicht so einfach, manchmal mussten meine Gesprächspartner auch für mich erst mal das Gesagte in das normale Thai übersetzen, sodass ich sie verstehen konnte. Auch das Essen ist nicht überall gleich. In der Region, in der ich gewohnt habe, gab es einen speziellen Reis, der so klebrig war, dass man ihn zu kleinen Kugeln rollen konnte, die dann mit der Hand gegessen wurden. Im Norden von Thailand wird dieser Reis praktisch zu jeder Mahlzeit gegessen und ist eigentlich nicht sehr teuer. In anderen Teilen Thailands zum Beispiel in Bangkok isst man diesen Reis eher selten und er ist auch teurer.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich mit meinem Austausch eine sehr prägende Erfahrung gemacht habe, an die ich mich immer gerne zurück erinnern werde. Allerdings war mein Jahr nicht immer nur super und ich habe auch einige negative Erfahrungen gemacht. Ich habe sogar manchmal darüber nachgedacht, frühzeitig wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Jetzt im Nachhinein bin ich froh darüber, dass ich in Thailand war und dass ich bis zum Ende des Jahres geblieben bin, denn die letzten Wochen waren eigentlich die, in denen ich am meisten Spaß hatte. Ich habe jetzt immer noch viele Freunde, die ich nicht vergessen werde, und zwei Familien in Thailand, die ich gerne nochmal wiedersehen will.

Ich würde meinen Austausch trotz einiger negativen Erfahrungen sofort nochmal wiederholen, alleine schon wegen der Leute, die ich getroffen habe. Außerdem habe ich Erfahrungen gemacht und Dinge gelernt, die später bestimmt noch mal nützlich sind. Auf jeden Fall wird es Ende dieses Jahres, wenn ich nochmal nach Thailand fahre, um meinen Eltern zu zeigen, wo und wie ich ein Jahr lang gelebt habe, und um meine Freunde wieder zu sehen, hilfreich sein, ein bisschen Thai zu sprechen und die thailändische Lebensart zu verstehen. Vielen Dank an Rotary für mein unvergessliches Jahr in Thailand Jan van Zadelhoff