Dokumentation des Zweiten Forums Jugendberufshilfe November 2001

Landeshauptstadt Dresden, Jugendamt und Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Dresden (Hrsg.) Dokumentation des Zweiten Forums Jugendberufshilfe 19. – 20. N...
Author: Hermann Berger
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Landeshauptstadt Dresden, Jugendamt und Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Dresden (Hrsg.)

Dokumentation des Zweiten Forums Jugendberufshilfe 19. – 20. November 2001

Dresden, April 2002

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Inhalt Vorwort

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Zur Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Dresden

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Thomas Wünsche Situationsanalyse der Jugendberufshilfe aus Sicht der Jugendhilfe

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Claus Lippmann Das Gefüge der industriellen Arbeitsgesellschaft bricht um: Jugendberufshilfe in Kontexten sozialen Wandels

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Professor Günther Robert Perspektiven der Jugendberufshilfe in Dresden: Strukturelle Entwicklungen – Förderstrategien – Vernetzungen

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Gerd Bernecker Perspektiven der Jugendberufshilfe in Dresden: Strukturelle Entwicklungen – Förderstrategien – Vernetzungen

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Jochen Schnabel Perspektiven der Jugendberufshilfe in Dresden: Strukturelle Entwicklungen – Förderstrategien – Vernetzungen

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Christian Micksch Jugendberufshilfe als integrativer Bestandteil in den Strukturen der Jugendarbeit – Vorstellungen und Erfahrungen

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Stefan Zerm Jugendberufshilfe und Schule – Zusammenfassung der Arbeitsgruppe I

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Carsten Ungewitter

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Jugendberufshilfe und Drogenproblematik – Zusammenfassung der Arbeitsgruppe II

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Veronika Mühlhausen Jugendhilfe-Betriebe – Soziale Betriebe – Zusammenfassung der Arbeitsgruppe III

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Olaf Schwarzenberger Betriebspraktika – Chancen und Risiken für Jugendliche in Beschäftigungsprojekten der Jugendberufshilfe – Zusammenfassung der Arbeitsgruppe IV

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Thomas Gericke Auswertung des Projektemarktes vom 19. November 2001

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Björn Redmann, Florian Sichling Auszüge aus der Podiumsdiskussion: „Worin werden zukunftsfähige Ansätze der Jugendberufshilfe gesehen? Welche Ansprüche und Gestaltungaufgaben leiten sich daraus ab?“

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Aline Fiedler, Jochen Schnabel, Professor Günther Robert

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Vorwort Am 19. und 20. November 2002 veranstaltete das Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden gemeinsam mit der Friedrich – Ebert - Stiftung das Zweite Forum Jugendberufshilfe in Dresden. Die vorliegende Broschüre dokumentiert den Tagungsverlauf, die Redebeiträge und Ergebnisse der Arbeitsgruppen sowie des Projektemarktes. Über das Anliegen der Ergebnissicherung hinaus soll sie dazu beitragen, Impulse und Anregungen des Forums in die aktuelle Fachdiskussion einfließen zu lassen. An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Organisatoren des Forums Jugendberufshilfe, insbesondere bei Frau Astrid Günther, Herrn Ronald Blaschke, Frau Heidi Schröder, Frau Sylvia Queißer und Frau Kristina Winkler bedanken. Ebenso gilt unser Dank den ehemaligen und momentanen Mitarbeiterinnen in der QAD mbH, welche bei der Erstellung dieser Broschüre engagiert mitwirkten. Die redaktionelle Zusammenstellung erfolgte durch Frau Kristina Winkler, Fachberaterin Jugendberufshilfe im Jugendamt. Für das Jahr 2003 ist das Dritte Forum Jugendberufshilfe in Dresden geplant. Für Anregungen, Kritik und Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung des Forums sind wir jederzeit offen.

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Zur Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Dresden Thomas Wünsche, Direktor des Arbeitsamtes Dresden Meine sehr geehrten Damen und Herren, eingangs wurde Herr Trittin zitiert, dass wir entscheidende Veränderungen, Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt und damit auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu verzeichnen haben. Vielleicht ist diese Aussage von Herrn Trittin so zu werten, dass sich die Wahrnehmungen in Deutschland unterscheiden und dass wir ganz deutlich feststellen müssen, dass sich Ostdeutschland von Westdeutschland - die neuen Bundesländer von den alten Bundesländern - erheblich unterscheiden. Auf dem Arbeitsmarkt, aber auch auf dem Ausbildungsstellenmarkt - was zunächst mal so schlimm nicht wäre, wenn man da nicht Feststellungen verallgemeinern würde, die man nur in einem Teil Deutschlands treffen kann, und, wenn man daraus Schlussfolgerungen zieht, auch in gesetzlichen Regelungen, die unsere Situation nur zum Teil oder überhaupt nicht berücksichtigen. Heute werde ich über die Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt im Freistaat Sachsen und in der Landeshauptstadt Dresden berichten. Auf der ersten Grafik („Entwicklung auf dem sächsischen Arbeitsmarkt von September 1990 bis September 2001“ - die Redaktion) ist die Entwicklung auf dem sächsischen Arbeitsmarkt der Jahre 1990 - 2001 dargestellt. Sie sehen, 1990 wurde der größte Teil abgefangen über die berühmte Kurzarbeit Null. Schauen wir uns den Arbeitsmarkt an, wie er sich ab 1992 darstellte. Die Arbeitslosigkeit hat in den Jahren 1996 und 1997einen entscheidenden Knick bekommen. Über den Winter hat sie aber jeweils stark zugenommen und der Rückgang in der Folgezeit des Jahres 97 ist nicht so gravierend gewesen. Sie sehen hier, wie man am Arbeitsmarkt ganz sinnvollerweise über die Kurzarbeit eine Entlastung erzeugt hat. Die Kurzarbeit spielte aber über die Jahre hinweg immer weniger eine Rolle. Entscheidender waren die Entlastungen durch die verschiedenen Beschäftigungsmaßnahmen und die Strukturanpassungsmaßnahmen, die zugegebenermaßen im Freistaat Sachsen nicht die große Bedeutung hatten und auch jetzt nicht haben. Im Jahre 98 wurde die Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen eingeführt. Sie ist aber nur 98/99 in größerem Umfang in Anspruch genommen worden. Das hängt damit zusammen, dass der Gesetzgeber eine Änderung herbeigeführt hat und nur noch für einen eingeschränkten Personenkreis eine Maßnahme möglich ist. Darüber hinaus wurde die Förderhöhe begrenzt. Die zweite Grafik („Entwicklung der Arbeitslosigkeit nach ausgewählten Personengruppen im Arbeitsamtsbezirk Dresden“ – die Redaktion) spiegelt die Entwicklung im Arbeitsamtsbezirk Dresden wider. Sie sehen, dass auch in Dresden mit der Jahreswende 1997 ein absoluter, entscheidender Knick in der Arbeitslosigkeit eingetreten ist. Bis dahin haben wir uns um ein bestimmtes Niveau

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eingependelt. Aber im Jahresverlauf 1997 gab es einen ganz steilen Anstieg, der leider nicht wieder zurückgegangen ist. Und so haben wir uns bis zum Jahre 98/99 auf ein wesentlich höheres Niveau eingeordnet und dort bewegen wir uns derzeit noch. Die Kurve darunter zeigt die Arbeitslosigkeit der Frauen. Dabei werden einige ganz interessante Merkmale deutlich, dass sich zumindest im Arbeitsamtsbezirk Dresden die Frauenarbeitslosigkeit etwas anders entwickelt hat als in vielen Arbeitsamtsbezirken im Freistaat. Das hat natürlich vielerlei Ursachen. Zugegebenermaßen wird man feststellen, dass die Frauen überproportional im Vergleich zu den Männern in die Altersrente ausgeschieden sind. Gleichwohl können wir aber auch am Arbeitsmarkt Bewegungen feststellen, wo Frauen mehr nachgefragt sind. Das hängt damit zusammen, dass im Dienstleistungsgewerbe sehr wohl Arbeitsplätze entstanden sind und nachgefragt werden. Fairer Weise muss man sagen, dass die meisten Jobs im Niedriglohnbereich entstanden sind. Auf der Grafik demonstriert die letzte Kurve die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen zwischen 20 und 25 Jahren. Ich will es deutlich erwähnen, dass sich seit 1997 die Jugendarbeitslosigkeit in unserem Arbeitsamtsbezirk verdoppelt hat. Und jetzt kommen wir zur Grafik mit den Beschäftigungsverhältnissen („Veränderung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen im Arbeitsamtsbezirk Dresden“ – die Redaktion). Sie sehen, dass wir 252.000 beitragspflichtige, also sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei uns verzeichnen. Ein ganz entscheidendes Merkmal ist ein Rückgang im Vergleich zum März 1992 um 11,5 %, das sind 32.000 Beschäftigungsverhältnisse weniger. Viel entscheidender ist aber, dass wir von 2000 zu 1999 gesehen, einen ganz geringfügigen Rückgang hatten. Man kann sagen, es ist stabil geblieben, wenn man freundlich ist. Es heißt aber in der Umkehrung, dass wir keine Zuwächse am Beschäftigungsmarkt in der Summe festzustellen haben. Im Einzelnen gegebenenfalls sehr, zum Beispiel bei den Dienstleistungen. Da haben wir einen Zuwachs, wenn auch gering. Zum Jahr 1992 ist aber ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen. Denn da hatten wir 29.000 Beschäftigungsverhältnisse im Dienstleistungsgewerbe. Im Jahre 2000 haben wir fast 100.000. Das ist eine völlige Umkehrung von dem, was wir bisher hatten. Unter sonstigen Dienstleistungen versteht der Statistiker die Arbeitnehmerüberlassungen, die Zeitarbeitsfirmen. Wenn wir uns diese Beschäftigungszahlen, die einen Ist-Stand wiedergeben, ansehen, müssen wir feststellen, was möglicherweise auf uns noch zukommt. Ich habe hier eine Grafik herausgezogen („Strukturwandel und Wachstumspfad der ostdeutschen Wirtschaft“ – die Redaktion), wo eine Hochrechnung möglich für uns ist. Wir können hier ein paar Strukturdaten vergleichen zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Entscheidend ist die erste Spalte, der Strukturanteil. Da hat man den Strukturanteil im Jahr 2000 ermessen zwischen den alten Bundesländern - erste Zahlenreihe - und den neuen Bundesländern - zweite Zahlenreihe. Und da können Sie gravierende

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Unterschiede feststellen. Wenn wir die Summe nehmen ohne das Baugewerbe, dann können Sie sehen, dass die Anteile schon völlig unterschiedlich sind. Wo sind die großen Unterschiede? Nun zunächst einmal ganz deutlich im verarbeitenden Gewerbe. Beim verarbeitenden Gewerbe hinken wir um 9 Prozentpunkte hinterher in den neuen Bundesländern, d. h., wir sind bei 14 % Strukturanteil, während sich die alten Bundesländer bei 23 % bewegen. Das zweite Gravierende, das sind die Finanzierungen, Vermietungen und Unternehmensdienstleister. Dort haben wir einen Unterschied von wiederum 6 Prozentpunkten, alte Bundesländer 31 %, neue Bundesländer 25 % Anteil. Ganz deutlich ablesbar ist aber auch der Anteil, bei dem wir höher ausgestattet sind als in den alten Bundesländern. Das sind die öffentlichen und privaten Dienstleister. Ich bin jetzt so frei und ziehe die Schlussfolgerung: Was uns ganz sicherlich einfach gelingen wird, auch für diese Landeshauptstadt Dresden, das ist die Angleichung im Strukturanteil der öffentlichen Dienstleister. Da gehe ich fest davon aus, dass wir auf das gleiche Niveau kommen wie in den alten Bundesländern. Woran ich Zweifel habe ist, dass es uns gelingt, das verarbeitende Gewerbe in derartige Höhen zu treiben, wie sie hier in der Strukturtabelle für die alten Bundesländer ausgewiesen sind. Spitz formuliert - die Aussicht, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren einen erheblichen Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in unserer Region zu verzeichnen haben, ist nicht allzu gut. Das sollte uns aber nicht pessimistisch stimmen, sondern ganz im Gegenteil, es sollte uns dazu anregen, unseren Geist zusammenzunehmen und uns zu vereinigen und zu sagen: Was können wir gemeinsam auf die Beine stellen, um Bedingungen zu schaffen für Arbeitsmöglichkeiten und Beschäftigungsmöglichkeiten im beitragspflichtigen Bereich? Ich möchte Ihnen noch ein paar mehr Grafiken zeigen („Bewegung auf dem sächsischen Arbeitsmarkt“ – die Redaktion), weil ich denke, sie kennzeichnen das, was sich in unserer Arbeit widerspiegelt. Hier haben Sie eine Übersicht über die Bewegung am sächsischen Arbeitsmarkt insgesamt. Diese Grafik verdeutlicht die Abgänge aus der Arbeitslosigkeit. Sie können eine Vielzahl von Ursachen haben. Wir gehen von der positiven Ursache aus, dass man einen Arbeitsplatz gefunden hat und demzufolge aus der Arbeitslosigkeit ausscheidet. Es gibt viele andere Gründe. Einen hatte ich vorhin schon benannt, nämlich den Übergang in ein anderes Sozialversicherungssystem, in die Rente. Hier sind die Anteile aufgeführt, die längste Säule - das sind die Arbeitslosen überhaupt, die nächste Säule darüber sind die Arbeitsvermittlungen, die getätigt worden sind, und darüber wiederum sind die Arbeitsvermittlungen aufgeführt, die in den ersten Arbeitsmarkt hineingegangen sind, d.h. hier sind alle diejenigen in Beschäftigungsmaßnahmen heraus gerechnet. Bezogen auf unsere Region hier vor Ort unterscheiden wir uns in diesen Säulen erheblich. Warum erheblich? Unsere Anteile bei den Abgängen durch Vermittlung sind wesentlich höher als im Freistaat und, was viel entscheidender ist. Der größte Teil der Arbeitsvermittlungen wird in den ersten Arbeitsmarkt hinein getätigt und nicht in Beschäftigungsmaßnahmen. Darin unterscheiden wir uns im Vergleich zum Freistaat ganz erheblich.

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Wir beschäftigen uns aber hier ja weniger mit Beschäftigungsmaßnahmen etc., sondern vielmehr mit den Jugendlichen, und ich glaube, da ist es ganz wesentlich, noch einmal darauf hinzuweisen, wie sich die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen darstellt. Hier haben Sie die Übersicht für den Freistaat mit Stand September 2001 („Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit jeweils Ende September in Sachsen“ - die Redaktion). Sie sehen im September 36.500 Jugendliche im Alter zwischen 20 und 25 Jahre arbeitslos. Das ist eine total erschreckende Zahl - für mich jedenfalls. Es ist eine völlig unbefriedigende Zahl, weil ich denke, es kommt tatsächlich darauf an, Jugendlichen eine Perspektive zu geben. Ich komme aber noch auf die Schwierigkeiten dieser Perspektive zum Schluss meiner Ausführungen zurück. Sie sehen hier unten diese pinkfarbene Kurve, die gibt Ihnen den Anteil der Jugendlichen wider, die arbeitslos gemeldet sind, ohne dass sie eine abgeschlossene Ausbildung durchlaufen haben. Dieser Anteil beträgt im Freistaat Sachsen 31,2 %. Sie sehen, dass da in irgendeiner Weise ein Zusammenhang besteht. Wir haben einen Anstieg in der Arbeitslosigkeit der Jugendlichen und im Gleichklang des Anteiles derjenigen, die keine Ausbildung durchlaufen haben. Wie sieht das für unseren Bereich hier vor Ort in Dresden aus? Hier können Sie sehen, dass sich leider die Kurven doch etwas unterscheiden zum Freistaat („Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit jeweils Ende September im Arbeitsamtsbezirk Dresden“ – die Redaktion). Wir haben einen wesentlich gravierenderen Anstieg bei den Jugendlichen in der Arbeitslosigkeit. Wir haben auch einen höheren Anteil an der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen. Dazu muss man vielleicht noch eine Bemerkung machen, weil ich glaube, es ist für das Verständnis ganz wichtig und interessant. Wenn Sie mal die Bevölkerungsstruktur in unserem Amtsbezirk betrachten, dann werden Sie feststellen, dass Dresden sich auch da von den anderen Großstädten im Freistaat unterscheidet. Im Vergleich mit Chemnitz und Leipzig haben wir im Anteil der Bevölkerungsstruktur 1,5 Prozentpunkte mehr bei den Jugendlichen zu verzeichnen. Da gibt es viele Statistiker, die sagen, es ist ja völlig logisch, dass wir einen höheren Anteil von Jugendlichen in der Bevölkerungsstatistik haben, weil wir eine Universitätsstadt sind. Das ist natürlich ein ganz schwaches Argument, denn ich kann mich dunkel erinnern, dass auch Leipzig über eine Universität verfügt und es auch in Chemnitz eine Technische Universität gibt. Sie sehen aber trotzdem, dass in Dresden auch bei den nicht mit einer abgeschlossenen Ausbildung in der Arbeitslosigkeit befindlichen Jugendlichen ein deutlich höherer Anteil besteht, bei fast 35 % . Das ist ein ziemlich gravierender Anteil. Ich will Ihnen jetzt zur Information sagen, was wir gemacht haben im Freistaat Sachsen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Ich zeige Ihnen jetzt diese Tabelle („Eckdaten – jugendliche Arbeitslose in Sachsen“ - die Redaktion). Es sind wieder drei Spalten, die Ihnen die Zahlen im Jahr 2001 wiedergeben. - also im September, Oktober und dann im Oktober 2000 - also Jahresvergleich. Darunter sind die arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahre dargestellt. Im Freistaat Sachsen sind fast 10.000 Jugendliche arbeitslos. Was kann man dagegen machen? Was haben wir für Instrumente, die den Arbeitsmarkt entlasten? Beispiel ABM:. Sie sehen bei ABM sind es 4,8

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%, bei den Beschäftigten in Strukturanpassungsmaßnahmen sind es 9,6 %. Hier lege ich Wert darauf festzustellen, dass das in überwiegendem Maße Beschäftigungsmaßnahmen in Wirtschaftsunternehmen sind. Wir haben Fortbildungsmaßnahmen in Größenordnungen im Freistaat Sachsen laufen, der Anteil der Jugendlichen beträgt dort 12,8 %. Wir haben Eingliederungszuschüsse. Dort kommt mit 2,6 % der Anteil der Jugendlichen unter 25 Jahre etwas geringer zum Tragen. Aber das hat seine Ursache. Das werden Sie gleich feststellen, wenn ich Ihnen mal kurz die Entlastungswirkungen zeige, die über das Jugendsofortprogramm uns zuteil werden. Es ist erfreulich, darauf hinzuweisen - dass immerhin 10,7 % aller Überbrückungsgeldempfänger Jugendliche sind. Jetzt zeige ich Ihnen noch die zweite Grafik - die ist ganz interessant, insbesondere in den Merkmalen des Jugendsofortprogramms, damit man sieht, dass dieses Jugendsofortprogramm erheblich dazu beigetragen hat, dass die Jugendarbeitslosigkeit in unserer Region - im Freistaat - nicht noch erschütterndere Zahlen ergeben hat. Hier sind die Bestandszahlen der verschiedenen Artikel. Entscheidend sind hier die Zahlen im Artikel 8 (Lohnkostenzuschüsse) und 9, wobei ich Wert lege auf den Artikel 8. Da haben wir 7.658 Teilnehmer. Arbeitgeber können sie erhalten, wenn sie einen Jugendlichen unter 25 Jahre einstellen. Hier möchte ich ganz deutlich darauf verweisen, dass der Arbeitsmarkt hier in Dresden nicht so schlecht ist, denn einen Großteil dieser 7.000 Vermittlungen mit Lohnkostenzuschuss haben Jugendliche hier im Arbeitsamtsbezirk Dresden erfahren. Ich denke, das ist ganz erfreulich, weil es widerspiegelt, dass auf dem ersten Arbeitsmarkt die Nachfrage nach Jugendlichen besteht. Es wäre unvollständig, den Arbeitsmarkt zu kennzeichnen, ohne über die Berufsberatung im Freistaat Sachsen zumindest kurz zu informieren. Hier haben Sie drei Kurven für den Verlauf im Freistaat („Eckdaten der Berufsberatung in Sachsen...“ – die Redaktion). Die obere Kurve sind die 62.500 Bewerber und die dunklere Kurve darunter zeigt, wie viele Berufsausbildungsstellen wir zur Verfügung hatten. Die gelbe Kurve sind die betrieblichen Berufsausbildungsstellen, und das sind ja eigentlich die entscheidenden. Davon benötigten wir viel mehr. Wir hatten 23.300 betriebliche Ausbildungsstellen im Freistaat Sachsen. Auch wenn wir zum Berufsausbildungsjahr oder Beratungsjahr sagen, es ist gelungen, bis auf wenige die Lücke zu schließen, dann ist das die halbe Wahrheit, wenn wir uns zurücklehnen und sagen, es besteht kein Problem am Ausbildungsmarkt. Es besteht ein gravierendes Problem, denn wir sind nicht in der Lage, betriebliche Ausbildungsstellen nur annähernd in der Größenordnung zur Verfügung zu haben und die Nachfrage zu befriedigen. Wie sieht es in Dresden aus? Im Vergleich zu den hier gerade ausgewiesenen Kurven haben wir einen etwas besseren Stand, trotz ebenfalls vorhandener Lücke (Eckdaten der Statistik der Berufsberatung der Beratungsjahre 1991/1992 bis 2000/2001 im Arbeitsamtsbezirk Dresden“ - die Redaktion). Wir hatten also 6.600 Bewerber und immerhin 5.170 Berufsausbildungsstellen zur Verfügung. Zugegebenermaßen wiederum mit der Zweiteilung, dass nur reichlich 4.000 in betrieblichen Maßnahmen waren.

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Ich habe jetzt eine Grafik, die unser Problem ganz einfach verdeutlicht, und das möchte ich abschließend noch sagen. Wir haben jetzt die ganzen Arbeitsmarktzahlen und die Beschäftigungszahlen angesehen und können daraus ermessen, wie sich Entwicklungen in der Beschäftigung hier in Dresden und im Freistaat abspielen werden. Wir können Schlussfolgerungen ziehen. Ich glaube, es ist ganz wichtig zu sehen, dass es zu den Beschäftigungsdaten Bevölkerungsprognosen gibt, und das sind die zwei Kurven („Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen 2000 bis 2010...“ – die Redaktion), welche uns allen zu denken geben müssen. Die etwas hellere Kurve, die mit den Quadraten gekennzeichnete, gibt die Altersgruppe zwischen 15 und kleiner 20 Jahre wieder. Die andere Linie mit den Dreiecken gibt die Altersklasse 60 - 65 Jahre wieder. Da können Sie ganz deutlich erkennen, dass sich eine Schere auftut ab dem Jahre 2006. 2006 wird es also soweit sein, dass wir bedeutend höhere ältere Altersgruppen haben, also ab 60 Jahre. Das hat Folgen auf dem Arbeitsmarkt („Beschäftigungsstrukturen im Jahre 1999“ – die Redaktion). Und zwar, sehen Sie sich bitte einmal die Altersgruppe 30 - 35 Jahre an. Da sehen Sie, dass in den alten Bundesländern bedeutend mehr, nämlich reichlich 16,5 % Anteil in der Beschäftigungsstruktur ist, in Ostdeutschland sind es um die 13 %. Und da können wir uns nicht zurücklehnen und sagen: Es hat ja keine Bedeutung. Das hat schon eine Bedeutung. Denn das ist an sich die Altersgruppe in einem Unternehmen, welche die Führungskraft des Unternehmens für die Zukunft verkörpert. Aus diesen Altersgruppen werden diejenigen fortgeführt, die entscheidenden Einfluss auf den Bestand und den Erhalt des Unternehmens haben. Da unterscheiden wir uns schon gravierend. Oder Sie sehen es in der Altersgruppe 45 - 50, dass wir in Ostdeutschland einen wesentlich höheren Bestand haben, und darin liegt ein ganz großes Dilemma. Die Wirtschaft hat schon erkannt, dass wir auf die sogenannte demographische Falle zulaufen, aber - was können wir dagegen tun? Was wäre notwendig, wenn Sie als Unternehmer feststellen, dass Sie im Unternehmen einen Altersdurchschnitt knapp unter 50 Jahre haben - dass Sie dringend etwas dafür tun müssen, um eine gute Altersmischung herzustellen. Sie können aber die Altersmischung nicht herstellen, weil Sie nur dazu in die Lage versetzt sind, durch Austauschen junge Leute hereinzuholen oder durch zusätzliche Arbeitsplätze. Zusätzliche Arbeitsplätze, dazu sind zugegebenermaßen in unserer Region nur ganz wenige - wenn überhaupt - in die Lage versetzt, d.h. sie sind darauf angewiesen, durch Fluktuation oder durch Altersabgang Jugendlichen die Möglichkeiten im Unternehmen zu geben. Der Altersabgang wiederum ist durch uns künstlich verzögert worden. Das muss man so deutlich sagen. Man hat vor Jahren die obere Altersklasse abgeschnitten und deswegen haben wir über die letzten Jahre feststellen müssen, dass aus Altersgründen ein geringerer Anteil aus Unternehmen ausscheidet. Darin liegt tatsächlich ein Dilemma. Ich möchte Ihnen das ganz plastisch verdeutlichen. Es gibt in Dresden ein großes Unternehmen, was man auch immer positiv erwähnen kann, wenn es um die Ausbildung geht. Dieses stellt sich der Ausbildung junger Leute. Das Unternehmen hat für sich erkannt: Ich benötige junge Leute in meinem Unternehmen, weil junge Leute im Endeffekt auch Innovation in mein

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Unternehmen bringen und damit befürworten sie und beschleunigen sie meine Entwicklung am Arbeitsmarkt bzw. in der Wirtschaft. Ich kann sie aber nicht einstellen, weil ich dazu nicht in die Lage versetzt bin. Man hat es erkannt, aber man kann nicht reagieren. Aber eins hat das Unternehmen richtig erkannt, unabhängig davon, ob ich mit meinem Unternehmen derzeit in die Lage versetzt bin jungen Menschen eine Arbeitsmöglichkeit zu bieten, habe ich zumindest die Möglichkeit eingeräumt, junge Menschen auszubilden, zu formen, ihnen eine Ausbildung zu geben und damit eine Perspektive. Nun kommt es darauf an, dass wir für die Wirtschaft gemeinsam Bedingungen schaffen, dass Arbeitsplätze entstehen. Und nun schließt sich meine Rede. Ich hatte meine Rede damit begonnen, dass man den Unterschieden in Deutschland auch bei gesetzlichen Regelungen mehr Geltung verschaffen sollte. Sie wissen, dass in der Öffentlichkeit viel diskutiert wird über sogenannte Mobilitätshilfen, welche die Arbeitsämter für Jugendliche ausreichen. Nun ist es ja nicht so, dass wir die Mobilitätshilfen dem Jugendlichen hinterherwerfen, weil er sich gerade meldet und sagt, ich gehe jetzt mal nach Bayern arbeiten. Der Jugendliche bekommt diese Mobilitätshilfe nur, wenn er hier in Sachsen in seiner Heimat keine Perspektive hat und für ihn die Gefahr besteht, über lange Zeit arbeitslos zu sein. Ich glaube, da ist nichts Schlechtes dran, Menschen zu helfen, in Arbeit zu kommen. Aber es ist an der Zeit darüber nachzudenken, ob wir nicht Mobilitätshilfen für Unternehmen einrichten, dass diejenigen, die Arbeitsplätze in Hülle und Fülle bieten durch Wachstum im Süden Deutschlands, vielleicht doch auf die Reise gehen und Arbeitsplätze hier in der Region schaffen, damit nicht nur die Jugendlichen, sondern wir alle mit frohem Mut in die Zukunft schauen können. Damit wir das können, wünsche ich Ihnen und uns gemeinsam, dass wir gute Ideen haben und die Kraft, diese Ideen auch umzusetzen.

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Situationsanalyse der Jugendberufshilfe aus Sicht der Jugendhilfe Claus Lippmann, Amtsleiter im Jugendamt Dresden Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich in meinen Begrüßungsworten bereits auf den stetigen Anstieg der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen hinweisen musste, so sind das die gleichen Worte wie zum 1. Forum Jugendberufshilfe 1999. In Dresden sind mehr als 5000 Jugendliche ohne Arbeit. Auch der Anteil von Jugendlichen ohne Ausbildung wächst ständig, obwohl er schon um den Teil bereinigt ist, bei dem Jugendliche für Arbeit oder Ausbildung in den Westteil Deutschlands gehen. Dies hat gravierende Folgen für die Wirtschaft und die Gesellschaft ( Überalterung ).Und gestern, am 18.11.2001 um 22.30 Uhr zog Herr Trittin folgende Schussfolgerung in der ARD: „Wir haben die Ausbildungsmisere für Jugendliche beseitigt..." Dies ist eine unglaubliche Feststellung! Seit dem Ersten Forum Jugendberufshilfe im Mai 1999 hat es strukturell sehr große Veränderungen im Bereich der Jugendberufshilfe nach § 13 SGB VIII in der Landeshauptstadt Dresden gegeben. In meinen Ausführungen werde ich auf die zehn Schwerpunkte eingehen: 1.Einhergegangene strukturelle Veränderungen seit Mai 1999 - Zeitpunkt des 1. Forums Jugendberufshilfe Im Rahmen des Jugendsofortprogramms der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit nach Artikel 11 der Sofortprogramm - Richtlinie entstanden im Mai 1999 der "Kompass Job-in-Club" in Trägerschaft der Deutschen Angestellten - Akademie e. V. im Bildungswerk der DAG und der "Jobladen" in Trägerschaft der QAD mbH. Beide Projekte unterbreiten sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten jungen Menschen niederschwellige Angebote zur Heranführung an Ausbildung, Arbeit und Beschäftigung. Die Jugendlichen werden in den beiden nach unterschiedlichen Ansätzen arbeitenden Projekten im Sinne der beruflichen und sozialen Integration sozialpädagogisch beraten und betreut. Die Angebote sind eine sinnvolle Ergänzung der seit 1991 kommunal betriebenen Beratungsstelle "Lee(h)rlauf" für arbeits- und ausbildungslose Jugendliche. Seit dem 01.01.2000 verbindet diese drei Einrichtungen ein gemeinsamer Kooperationsvertrag. Das ebenfalls im Rahmen des Jugendsofortprogammes Artikel 11 der Sofortprogramm- Richtlinie zunächst beim Jugendamt angesiedelte "Job-Shuttle" mit seinem mobilen Arbeitsansatz fusionierte im April 2000 mit dem "Kompass Job-in-Club". Damit wurde die bisherige "Komm-Struktur" des "Kompass Job-in-Club" durch die "Geh-Struktur" des "Job-Shuttles" erfolgreich ergänzt und die Entwicklung freier Trägerstrukturen im Bereich der Jugendberufshilfe gestärkt.

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Der Dresdener Stadtrat beschloss aufgrund von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen am 11. März 2000 die Schließung der beiden nach § 13 (2) SGB VIII betriebenen kommunalen Jugendwerkstätten. Durch einen am 13.04.2000 gefassten Beschluss des Stadtrates konnte die Auflösung der Jugendwerkstatt Gorbitz verhindert werden. Die Integrationsgesellschaft Sachsen gGmbH übernahm zum 1. November 2000 den Betrieb der Jugendwerkstatt im Rahmen des § 27 (3) SGB VIII in Verbindung mit dem § 13 (2) SGB VIII. Seither werden in der Einrichtung Jugendliche über eine Hilfe zur Erziehung in Kombination mit methodischen Elementen der Jugendberufshilfe betreut. Für Jugendliche stehen momentan noch insgesamt 24 Plätze in Jugendwerkstätten zur Verfügung, wovon jedoch die Hälfte durch den Allgemeinen Sozialen Dienst im Rahmen des Hilfeplanverfahrens belegt wird. Ob dies der richtige Zugang zum Projekt ist und ob die damit verbundene Finanzierungsform weiter tragfähig ist, bedarf dringend einer Evaluation, welche zur Zeit läuft. 2.Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur beruflichen und sozialen Integration von sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten jungen Menschen Am 26. Oktober 2000 trat diese Kooperationsvereinbarung in der Landeshauptstadt Dresden in Kraft. Unterzeichner sind neben dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden das Arbeitsamt Dresden, das Regionalschulamt, die Industrie und Handelskammer, die Handwerkskammer und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Ziel der kommunalen Kooperationsvereinbarung ist es, die Zusammenarbeit der Unterzeichner auf Grundlage der sächsischen Kooperationsvereinbarung zur beruflichen Eingliederung benachteiligter junger Menschen vom 22.10.1998 zu verbessern und damit eine Erhöhung der Wirksamkeit der gesetzlichen Instrumentarien zur beruflichen und sozialen Integration für den Einzelfall zu erreichen. Der "Arbeitskreis Jugendberufshilfe" unter Leitung des Jugendamtes versteht sich als koordinierendes Gremium. Die regelmäßigen Zusammenkünfte des Arbeitskreises finden alle 6 Wochen statt. 3. Veränderungen in der Förderung seitens des Landesjugendamtes (Wegfall der Sachkostenförderung) und Veränderungen in der Landesförderung Die Arbeit der in Dresden tätigen Beschäftigungsprojekte in Verbindung von Leistungen nach dem SGB III - Paragraphen 260 ff. und SGB VIII § 13 Absatz (2) wurden seit Mai 1999 von zahlreichen Veränderungen beeinflusst. Durch starke Einschnitte in der Landes - und kommunalen Förderung der Jugendhilfe, insbesondere im Jahr 2000, sowie durch die Pauschalierung der Sachkosten von Seiten des Arbeitsamtes sahen sich viele Träger mit finanziellen Problemen konfrontiert. Die

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Sozialpädagogen der Beschäftigungsprojekte konnten aus öffentlichen Mitteln nur noch mit 32 Stunden Arbeitszeit pro Woche finanziert werden. Fachanleiterstellen und besonders Sachkosten wurden stark gekürzt. Das Landesjugendamt förderte ab 2001 aufgrund der angespannten Haushaltslage keine Sachkosten für Projekte der Jugendberufshilfe mehr. Durch eine Trägerentscheidung konnte das Beschäftigungsprojekt im Projektehaus des Evangelisch-lutherischen Stadtjugendpfarramtes Dresden e. V. nicht aufrecht erhalten werden. Der Jugendberufshilfe entfielen damit 12 Plätze für überwiegend männliche strafentlassene Jugendliche in Dresden. Den anderen Beschäftigungsprojekten gelang es durch die Akquise weiterer Finanzierungsquellen und durch geringe Leistungseinschnitte für ca. 170 Jugendliche pro Jahr einen ABM-Platz bereitzuhalten. 4. Aufbau eines zusätzlichen Angebotes in Dresden - Gorbitz - "Job-Lokomotive" der Hamburg-Mannheimer Stiftung "Jugend und Zukunft" Im Februar 2001 wurde in Dresden - Gorbitz die "Job-Lokomotive" eröffnet. Sie ist eine Initiative der Hamburg-Mannheimer Stiftung "Jugend & Zukunft". Ziel ist es, junge Menschen durch individuelle Beratung und sozialpädagogische Begleitung sowie durch qualifizierte Schulungsangebote auf die berufliche Zukunft vorzubereiten. Dabei arbeitet die "Job-Lokomotive" stadtteilorientiert und richtet sich besonders an Schulklassen, Jugendliche ohne bzw. mit Hauptschulabschluss und ohne Ausbildung, an ausbildungslose Abgänger aus Berufsvorbereitungsjahr - Maßnahmen sowie an arbeits- und ausbildungslose Jugendliche allgemein. Zu den Arbeitsinhalten gehören neben der Unterstützung bei der Suche nach Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätzen oder Praktikumsstellen die Betreuung während der Ausbildung oder des Praktikums, Bewerbungstraining und Nachhilfeunterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik. Damit stellt die "Job-Lokomotive" eine wertvolle Ergänzung der bestehenden Beratungs- und Betreuungsangebote der Jugendberufshilfe in Dresden dar. Es ist zugleich ein sehr positives Beispiel für soziales Engagement. 5. Überarbeitung des Jugendhilfeplans 2001, hier insbesondere die Jugendberufshilfe als Querschnittsaufgabe und Handlungsfeld verschiedener Leistungsträger Die beschriebenen strukturellen Veränderungen innerhalb des Leistungsbereiches der Jugendberufshilfe, aber auch notwendig gewordene veränderte inhaltliche Schwerpunktsetzungen wurden in der Überarbeitung des Jugendhilfeplanes 2001 berücksichtigt und in der Fassung vom 7. Juni 2001 im August diesen Jahres vom Stadtrat der Landeshauptstadt Dresden beschlossen. Neben der grundsätzlichen sozialpädagogischen Zielstellung, welche die Jugendberufshilfe im Sinne des SGB VIII verfolgt, wurde im Rahmen der Planüberarbeitung ein besonderer Schwerpunkt in der

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Darstellung der Jugendberufshilfe in ihrer Gesamtheit, d. h. in ihrer Funktion als Querschnittsaufgabe verschiedener Leistungsträger gesehen. Insbesondere die Bereiche der Berufsorientierung und Beratung sind Querschnittsaufgaben, welche nicht nur von speziellen Angeboten nach § 13 SGB VIII oder nach dem SGB III leistbar sind. Vielmehr müssen auch Straßensozialarbeiter/-innen, Mitarbeiter/-innen in offenen Treffs bzw. Fachkräfte weiterführender Einrichtungen der Jugendhilfe und besonders der Schulen den Kindern und Jugendlichen bei dieser wichtigen und im Leben sehr früh zu treffenden Entscheidung - der Berufswahl - zur Seite stehen. In Anbetracht der hohen Jugendarbeitslosigkeit sowie der noch immer nicht ausreichenden dualen Ausbildungskapazität und nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Tendenz, dass immer mehr Jugendliche die Schule ohne bzw. mit Hauptschulabschluss verlassen, ist es von großer Bedeutung, bereits mit älteren Kindern und Teenies über diese Probleme zu sprechen und ihnen zum Beispiel Ausbildungswege und -möglichkeiten, die Perspektiven neuer Berufsbilder sowie die mit dem "Geburtenknick" im Jahre 2005 einsetzende Veränderung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation altersgerecht zu veranschaulichen. Ebenso wichtig ist es, mit ihnen Bewältigungsstrategien für eine eventuelle Arbeits- und Ausbildungslosigkeit zu entwickeln und mögliche Wege der Arbeits- und Ausbildungssuche aufzuzeigen. Die verschiedenen Leistungsträger müssen zukünftig diese Aufgaben in ihren Konzeptionen und ihren Angeboten stärker als bisher berücksichtigen und den Stadtteilbezug der Jugendberufshilfe deutlich erhöhen. 6. Nutzung weiterführender Strukturen, um JBH thematisieren zu können Um die Themen Ausbildung und Beschäftigung für die Zielgruppe der sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten jungen Menschen in ihrem handlungsübergreifenden Zusammenhängen künftig verstärkt berücksichtigen zu können, konnte im Jahr 2001 die Jugendberufshilfe der Stadt Dresden auch innerhalb des Kommunalforums Wirtschaft und Arbeit verstärkt thematisiert werden. Das Kommunalforum besteht u. a. aus Akteuren des DGB, der Landeshauptstadt Dresden, der Arbeitgeberverbände, der Kammern, des Arbeitsamtes, der Technischen Universität und Vertretern der Wirtschaft. Ziel ist es, in diesem Netzwerk Probleme bei der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen zu lösen. Es geht im Kommunalforum des weiteren um die Anpassung der Ausbildungsangebote in Dresden an dem zukünftigen Bedarf der Wirtschaft.

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7. Notwendige inhaltliche Veränderungen innerhalb der Beschäftigungsprojekte Im Rahmen des Kommunalforums wurde von verschiedenen Seiten die Notwendigkeit thematisiert, sich mit den Ausbildungs- und Beschäftigungsfeldern, welche sich nach wie vor sehr stark an den so genannten "klassischen Feldern der Benachteiligtenförderung" orientieren, auseinanderzusetzen. Gerade in diesen Berufsfeldern bestehen auf dem Arbeitsmarkt geringe Integrationschancen. In Zusammenarbeit mit dem Kommunalforum und weiteren Akteuren muss es im nächsten Jahr gelingen, Handlungsvorschläge für eine Erweiterung des Berufswahlspektrums und der Tätigkeitsfelder im Rahmen von Jugend-ABM zu erarbeiten und perspektivisch umzusetzen. Hierbei kommt der partnerschaftlichen Kooperation eine besondere Bedeutung zu. 8. Entwicklungsinitiative: "Neue Förderstruktur für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf" Das Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden begrüßt die von der Bundesanstalt für Arbeit im September begonnene Entwicklungsinitiative: "Neue Förderstruktur für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf" und die Durchführung eines Modellversuches in Dresden ausdrücklich. Ziel der Entwicklungsinitiative ist es, mehr Jugendliche mit besonderem Förderbedarf als bisher entsprechend ihren Interessen und Anforderungen des regionalen Arbeitsmarktes zu einem anerkannten Ausbildungsabschluss zu bringen und/ oder sie so zu qualifizieren, dass sie sich in Arbeit und Beschäftigung integrieren können. Dabei wird mit jedem Jugendlichen ein individueller beruflicher und sozialer Entwicklungsweg in der Jugendhilfe erarbeitet. Für das erfolgreiche Gelingen des Versuches ist eine enge ämterübergreifende Zusammenarbeit notwendig, für die in der Landeshauptstadt durch die kommunale Kooperationsvereinbarung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur beruflichen und sozialen Integration benachteiligter junger Menschen durch das Kommunalforum Wirtschaft und Arbeit sowie durch trägerspezifische Kooperationsverträge eine gute Ausgangsbasis vorhanden ist. Wichtig ist es jedoch, diese guten strukturellen Ressourcen frühzeitig in die Gestaltung des Modellversuches einzubinden. In den Beschäftigungsprojekten in Verbindung von Leistungen nach dem SGB III und SGB VIII besteht im kommenden Jahr eine entscheidende Aufgabe in der weiteren kontinuierlichen und gezielten Annäherung an die freie Wirtschaft. Diese umfasst neben einer möglichst engen Kooperation zwischen Jugendberufshilfe und Wirtschaft bei der Auftragsvergabe und -abwicklung auch die schrittweise Einführung eines betrieblichen Praktikums für die ABM-Teilnehmer unter sozialpädagogischer Betreuung. In Abstimmung mit dem Arbeitsamt werden für neue Maßnahmen ab

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2002 betriebliche Praktika für mindestens 20% der teilnehmenden Jugendlichen Bestandteil der ABMaßnahmen sein. In enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt und dem Amt für Wirtschaftsförderung werden zukünftig stärker als bisher Förderabstimmungen stattfinden, um gezielter die vorhandenen Mittel einsetzen zu können. Dabei werden auch strategische und inhaltliche Vorgehensweisen der Ämter ausgetauscht und abgestimmt. Der "Arbeitskreise Jugendberufshilfe" muss nach nunmehr einem Jahr seines Bestehens konzeptionell reflektiert werden. 9. Novellierung des SGB III zum 01.01.2002 Die zum 1. Januar 2002 geplante Novelle des SGB III beinhaltet im Paragraphen 265a die Möglichkeit einer pauschalierten Förderung des Arbeitsentgeltes für den ABM-Teilnehmer. Damit soll insbesondere für Jugendliche ohne Berufsabschluss die Möglichkeit offen gehalten werden, während der ABM-Zeit ein angemessenes Entgelt, welches in seiner Höhe nicht die spätere Aufnahme einer Ausbildung behindert, zu zahlen. Das geplante Gesetz sieht dabei die Verantwortung für die Anwendung der "Pauschalierten Förderung" auf Seiten der Träger. Unter Beachtung tariflicher Besonderheiten möchten wir heute an alle Maßnahmeträger von Leistungen in Verbindung von SGB III und SGB VIII appellieren, zukünftig von dieser Regelung Gebrauch zu machen, um diesbezüglich den benachteiligten Jugendlichen den Übergang in eine Ausbildung nicht zusätzlich zu erschweren. Jugendliche ohne Berufsabschluss haben perspektivisch immer geringere Chancen beruflich integriert zu werden. Da auch zu Beginn des Ausbildungsjahres 2001/2002 die Tendenzen von Jugendarbeitslosigkeit als steigend zu bewerten sind, Wirtschaftsunternehmen und Betriebe nach wie vor nicht im ausreichendem Maße Ausbildungs- und Arbeitsplätze anbieten können, müssen Maßnahmen des Jugendsofortprogramms und weiterführende innovative Ansätze der Jugendberufshilfe notgedrungen als eine Chance für die Zielgruppe zur beruflichen und sozialen Integration begriffen werden. Der aktuellen Bedarfslage entsprechend ist geplant, im Jahr 2002 beginnend, ein tagesstrukturierendes Angebot für suchtmittelabhängige Jugendliche zu entwickeln, welche sich noch vor Therapieantritt befinden. Erste konzeptionelle Abstimmungen dazu führte das Jugendamt mit der AWO Kinder- und Jugendhilfe gGmbH. Der Träger verfügt sowohl über fachliche Erfahrungen im Werkstattbereich als auch über entsprechende räumliche Ressourcen.

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10. Weiterführende Ansätze der Jugendberufshilfe Ein weiterführender Ansatz der Jugendberufshilfe bleibt nach Auffassung des Jugendamtes und des Arbeitsamtes Dresden die verstärkte Entwicklung von sozialen Betrieben. In Jugendhilfebetrieben, die Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebote betrieblich oder in Anlehnung an betriebliche Strukturen gestalten, können sich Jugendliche mit den realen Anforderungen der Arbeitswelt auseinandersetzen. Durch die schrittweise Etablierung solcher innovativer Formen der Jugendberufshilfe kann für Jugendliche nach erfolgreicher Absolvierung klassischer Angebote nach § 13 SGB VIII ein zusätzlicher Raum zum schrittweisen Übergang in den 1. Arbeitsmarkt geboten werden. Er ist eine direkte Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und freier Wirtschaft. Eine wesentliche Herausforderung in diesen Projekten ist das Spannungsfeld zwischen dem sozialpädagogischen Ziel der Förderung Benachteiligter sowie der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit der Mittel- und Ressourcenerwirtschaftung. Dabei muss entsprechend sensibel an die Konzipierung derartiger Strukturen herangegangen werden. Im Verlaufe des Forums erhalten wir die Möglichkeit zwei Projekte kennen zu lernen, welche sich bereits in diesem Spannungsfeld bewegen und erste Erfahrungen vermitteln können. Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen in knapper aber transparenter Art und Weise die aktuelle Situation der Jugendberufshilfe aus Sicht der Jugendhilfe verdeutlicht zu haben. Lassen Sie uns nicht warten, bis alle Jugendlichen nach dem Westen vermittelt sind oder der Geburtenknick ab dem Jahre 2005 für Entspannung sorgt! Schaffen Sie hier Ausbildungs- und Arbeitsplätze - die Jugendberufshilfe wird ihren Beitrag bei der Verbesserung der Beschäftigungslage junger Menschen leisten! Vielen Dank.

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Das Gefüge der industriellen Arbeitsgesellschaft bricht um: Jugendberufshilfe in Kontexten sozialen Wandels Professor Günther Robert, Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH) Meine Damen und Herren, obwohl ich selbst auch aus sehr praktischen Bezügen zum heutigen Thema komme, werde ich primär die mir von den VeranstalterInnen zugedachte Rolle spielen, nämlich diejenige, einen Problemaufriss, eine ein wenig allgemeinere Sichtweise auf unsere Thematik vorzutragen und hole deshalb etwas weiter aus. Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Sichtweise ist Jugendberufshilfe (JBH) nicht angemessen zu verstehen als die Organisation eines zeitlich befristeten und punktuell ansetzenden Bündels von Maßnahmen zur Bewältigung eines spezifisch und eng umreißbaren und zeitlich vorübergehenden Problems. Das lehrt schon ein Blick in die Geschichte. Vielmehr dokumentiert ja gerade die Entstehung und Entwicklung der Jugendhilfe und JBH im vergangenen Jahrhundert diese als Teile der Versuche, ein chronisches Problem moderner industrieller Gesellschaften zu bearbeiten; nämlich: diese trotz aller Umbrüche, Widersprüchlichkeiten und Krisen, gerade auch im ökonomischen Bereich und dem entsprechend den Übergangssystemen und dem Arbeitsmarkt, sozial zusammenzuhalten, etwas zu setzen gegen sichtbare oder befürchtete Desintegrationstendenzen, im konkreten Fall insbesondere solche an der Grenze zwischen den Generationen. Probleme im Übergang, etwa vom Bildungs- ins Ausbildungs- und von dort in das Beschäftigungssystem hat es in der einen oder anderen Weise in dem benannten Gesellschaftstypus wohl meist gegeben, häufiger zumindest, als dass man von einem überwiegend nahtlosen Funktionieren sprechen kann. In ihren etablierten Formen ist Jugendberufshilfe daher zu verstehen als auf soziale (und personale) Integration abstellendes Element der gesellschaftlichen Organisationsform, die wir uns gewöhnt haben, als moderne industrialisierte Gesellschaft in der Verfasstheit einer sozialen Marktwirtschaft zu bezeichnen. Mit dieser ist ein gesellschaftliches Arrangement entstanden, das ein wenngleich im Einzelnen oftmals prekäres - Gleichgewicht sozialer Minimalintegrationen und gesellschaftlicher Normalitätszustände herstellt(e). Wenn nun einiges darauf hinweist, dass aktuell viele ausschlaggebende Positionen innerhalb dieses Gefüges umgerückt werden, so spricht dies dafür, zumindest für einen kurzen Moment den Rahmen unseres Themas an diesen Tagen etwas weiter zu definieren. Da dies aber in sehr kurzer Zeit geschehen soll, bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass ich mich auf die Form einiger zudem bis hart an die Grenze des Zulässigen vereinfachter plakativer Überschriften und Thesen beschränke. Es geht

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also im Folgenden in entsprechenden Teilen vor allem um Jugend, Beruf und Hilfe im sozialen Wandel. Jugend In Gesellschaften, die stark von Traditionen geprägt sind, bedeutet der Weg ins Erwachsenenleben das Hereinwachsen in eine weitgehend vorgegebene, selbstverständliche Ordnung. Die Phasen des Lebens sind symbolisch und durch rituelle Übergänge verknüpft. Die Verknüpfungen sowie die entstehende Gesamtform ergeben ein Bild des Lebens als eines quasi natürlichen, in sich selbst zurücklaufenden Lebenszyklus’. Moderne Gesellschaften haben ein anderes Verhältnis zu sich selbst. V.a. machen sie sich zunehmend explizit zu einem Gegenstand ihrer Beobachtung und ihres Handelns. Sie verstehen sich so in Teilen selbst als ein Projekt. Sie denken dann zumindest, sie verfügten über die Möglichkeiten, die sozialen Lebensverhältnisse entscheidend zu beeinflussen, auch strukturell zu verändern, zu verbessern. Den so entstehenden oder erhofften Weg nennen wir gewöhnlich Fortschritt. Moderne Gesellschaften sind daher unverzichtbar mit einer gewissen Offenheit ausgestattet. Diese prinzipielle Offenheit heißt auch die Anerkennung von Ungewissheiten sowie die Notwendigkeit, Freiräume für Innovation zu schaffen und - gerade darin - Verantwortung an die Mitglieder der Gesellschaft zu delegieren. Das Leben ist in der Tendenz weniger zyklisch als linear ausgerichtet. Leben wird zum Lebenslauf. Der Übergang zwischen diesen Phasen richtet sich auch hier aus am Bestehenden, verlangt aber mehr. In modernen Gesellschaften betont das Konzept von Jugend nicht zuletzt deren Qualitäten der Offenheit, Intermediariät und Prozesshaftigkeit. Damit wird Jugend zu einem zentralen gesellschaftlichen Konzept für und Bezugsmedium zur Zukunft. Jugend soll in die bestehenden Ordnungen hinein wachsen, diese aber nun zugleich mit der Zukunft, dem angezielten oder entstehenden Neuen verbinden. In Gesellschaften, denen es gut geht mit dieser Konstruktion, ist Jugend daher positiv besetzt, u.a. assoziiert mit Hoffnung. Unterstützungen für sie verstehen sich dann ebenfalls positiv, also als Angebote der Bewältigung der (auch eigenen, gesellschaftlichen) Zukunft. Jungsein wird so offener, heraus- und anfordernder. Es formulieren sich gegenüber traditionellen Gesellschaften besondere, neue Aufgaben für die Bewältigung dieses Hereinwachsens in die Gesellschaft und das eigene Leben, neue Qualitäten und Kompetenzen werden dafür nachgefragt bzw. benötigt. Neben die etablierten Rollen tritt dabei immer stärker die Person und Persönlichkeit, die diese gestaltend ausformen und damit zukunftsfähig machen soll.

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Die Erweiterung der Handlungsspielräume und die genannte Erhöhung der Anforderungen bedeutet zugleich eine größere Gefahr des Scheiterns. Diese Möglichkeit wird vor allem – und oftmals falsch (denn es handelt sich ja zunächst v.a. um eine unstimmig gewordene Relation zwischen mehreren Polen) - verstanden aus einem Defizit allein der Person. Eine Reaktion darauf ist die Entwicklung entsprechender Formen kompensierenden Lernens und nachholender Sozialisation, verstanden als Angebote sozialer Hilfe. Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungsdynamiken wird Jugend nunmehr und in Teilen zum Gegenstand gezielter Kompensationen von Defiziten und damit zum Klientel. Gelingen auch diese Kompensationen nicht, besteht die Gefahr einer Eskalation: personale und/oder soziale Integration misslingt zunehmend und grundlegender. Aus gesellschaftlicher Sicht entsteht die wachsende Wahrscheinlichkeit abweichenden Verhaltens: Jugend wird nun zum Risiko. Auf der Seite gesellschaftlicher Reaktionen auf Jugend finden wir also parallel Unterstützungen, die von positiven Bildern ausgehen, Hilfen, die sich auf Defizite beziehen und dort, wo eine zumindest oberflächliche und einfache Einpassung in normative und normalitätsbezogene gesellschaftliche Muster scheitert, Verfahren und Instanzen sozialer Kontrolle. Jugend erfährt mithin in der modernen Gesellschaft verstärkte Aufmerksamkeit und erscheint dabei vielgestaltig: Offenheit, Zukunft, Hoffnung, aber auch Risiko, gesellschaftliche Desintegration, drohende Verwahrlosung werden mit ihr verbunden. Arbeit und Beruf Modernität geht nicht zuletzt einher mit dynamischen Entwicklungen im Bereich der gesellschaftlichen Arbeit. Arbeitsteilung und Industrialisierung sind Stichworte dafür. Moderne Gesellschaften werden - zunehmend komplexere – Arbeitsgesellschaften. Gesellschaftliche Teilhabe, Anerkennung, materielle Sicherungen, Identität, Tugenden, Elemente von Ethiken und Moral werden erschlossen, organisiert und/oder formuliert durch Bezugnahmen zur Arbeitswelt und deren Logiken. Arbeit wird das zentrale Medium der Vergesellschaftung . Der oben angesprochene „Weg ins Leben“ ist in industrialisierten Gesellschaften vor allem einer in die arbeitsteiligen Strukturen der Arbeitswelt (und ihrer Derivate, all derjenigen Strukturen, die von dieser abgeleitet werden). Das System der gesellschaftlichen Arbeit wird zum wesentlichen Nadelöhr gesellschaftlicher Teilhabe, Anerkennung, Sinnorientierung, nicht zuletzt und das ist hier besonders wichtig, zum Bezugspunkt und Medium der Bildung der Person. Dabei formuliert sich an dieser Stelle eine deutliche und in dieser Form neue Grenze. Der Übergang in die Arbeitswelt bedeutet im Kontrast zu traditionellen Gesellschaften kein einfaches Hereinwachsen in ein „von Kind an“ vertrautes

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Handlungssystem, sondern den Übergang in eine in vielem ganz andere Welt. Diese fordert eine tiefgreifende Neuorientierung, nicht zuletzt eine Überformung und Entwicklung der Persönlichkeit. Darauf haben Jugendtheoretiker immer wieder hingewiesen. Jugend in modernen Gesellschaften erfordert(e) an den Schwellen des Übergangs zum Erwachsenenstatus etwas qualitativ Neues, im wesentlichen von deren Teilen eine Transformation der Person. Die Entwicklung zum verantwortlichen und anerkannten Erwachsensein, der Persönlichkeit sowie von Beruflichkeit lassen sich innerhalb dieser Strukturvorgaben dabei dann immer weniger noch voneinander trennen. Der Lebenslauf wird verstärkt zur Biographie und diese wiederum zur Berufsbiographie. Das System der gesellschaftlichen Arbeit wird zum Bezugspunkt und Medium der Bildung der Person. Zugleich wird gerade dort die Entwicklung einer kompetenten, eigenständigen Persönlichkeit zunehmend wieder gefordert und erforderlich. Sozialer Wandel und gesellschaftliche Umbrüche Einleitend hatte ich angesprochen, dass diese neuzeitlich so entwickelte gesellschaftliche Gestalt einem starken Veränderungsdruck ausgesetzt ist, auf vielen verschiedenen Ebenen finden tiefgreifende Veränderungen statt. Entsprechende soziologische Zeitdiagnosen kennen Sie alle - seien sie bezogen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse global, die Situation und die Gestalten des Jungseins in diesen, die Formen und Qualitäten der Arbeitswelt, nicht zuletzt die Besonderheiten und Folgen der Wende in unserem Land. Zusammengenommen bedeuten sie für die nachwachsende Generation, die Aufgaben des Jugendalters in einem gesellschaftlichen Rahmen zu bewältigen, der selbst irritiert ist, sich dabei durch mehrfache Transformationen beschreiben lässt. Die Wende etwa bewirkte in diesem Zusammenhang für viele auch den Verlust wesentlicher orientierender Bezugspunkte. Deinstitutionalisierungen und Lebensweltbrüche, wie immer sie begründet und zu bewerten sind, hinterlassen eine in Teilen verunsicherte und entwurzelte Generation Erwachsener. Die Eltern verlieren für manche der Jugendlichen die Qualität, signifikante Andere zu sein, an denen man sich orientieren, auch reiben kann, um die eigene „Transformation“ zum Erwachsenen zu bewältigen. Es entsteht ein Verlust an persönlichen, aber auch an gesellschaftlichen Dialogpartnern, die Jugendlichen erleben sich u. U. in der Folge als gegenüberlos. Jugend nach der Wende bedeutete aber im Osten des weiteren nicht nur das Hereinwachsen in ein weitgehend neues gesellschaftliches System. Vielmehr war und befindet sich dieses – wie gesagt selbst im Umbruch. In allgemeiner Weise spricht man als Indikatoren dafür häufig weitgehende

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soziale Erosionen, etwa Enttraditionalisierungen an. (Auch) hier lösen sich also vertraute Lebensweisen, Institutionalisierungen und soziale Milieus auf bzw. verlieren ihre Bindungskraft. Für immer mehr Gesellschaftsmitglieder wird in der Folge die eigene Individualität zum – einzigen Zentrum der Lebensführung. Formal beschrieben erscheint Gesellschaft dabei als zunehmend komplexer, schwer durchschaubar und in ihren disparaten Elementen kaum noch vermittelbar. Zugleich vollziehen sich ihre Lebensprozesse immer schneller. Insgesamt wirkt sie vielfach als zunehmend entgrenzt und desintegriert. Neue Lebensformen entstehen oder werden nachgefragt. Z. B. verändern sich die Formen familialen Zusammenlebens und die Rollen und Arrangements der Geschlechter, nicht zuletzt die Arbeitsteilungen zwischen ihnen, in vergleichsweise kurzer Zeit. Entsprechende Beschreibungen der Veränderung der Jugend sind uns in ähnlicher Weise vertraut. Dabei war das oben skizzierte Bild der Jugend (eine Phase der Transformation, des Moratoriums und Persönlichkeitswachstums u. ä. m.) immer nur idealtypisch aufzufinden. Es traf zudem nicht für alle im gleichen Maße zu. Etwa bestanden zunächst große Unterschiede zwischen den sozialen Schichten und den Geschlechtern. Dennoch kann man sagen, das sich diese Formung der Jugendphase und ein entsprechendes Verständnis von ihr gesellschaftlich weit verbreitet hatte. Das ist heute nicht mehr ohne weiteres so. Nur als Beispiele für Veränderungen möchte ich illustrativ nennen: die Verlängerungen der beruflichen Ausbildungen bis weit in frühe Erwachsenenphasen hinein und damit die zeitliche Ausdehnung der Jugend. Die Entkopplung von Lebensphasenelementen und deren neue Vermischung: verheiratete Studierende mischen zwei früher eher getrennt gedachte Elemente von Jugend und Erwachsensein. Die Trennung zwischen Übergangsphase und Erwachsenenstatus wird wieder durchlässiger, entsprechend schwächer wird auch ihre Symbolisierung ebenso wie diejenige des Übergangs. Was Jugend ist, ist nicht mehr eindeutig und spezifisch: Momente des Jugendlichseins treten auch in anderen Lebensphasen auf. Wenn zum Erwachsensein das lebenslange Lernen gehört, sie etwa studieren, einen ganz neuen Beruf ergreifen oder auch erneut und „konsekutiv“ auf die Suche nach intimen Partnerschaften gehen, werden bislang jugendtypische Momente zunehmend zu solchen des Erwachsenenbildes allgemein. Die Grenzen werden, wie gesagt, brüchiger, die Formen sind unklarer, vor allem sind sie nicht mehr länger weitgehend selbstverständlich. Zur Zeit meiner Jugend wären Rentner, die in kurzen Hosen auf Inlineskates durch die Fußgängerstraße schweben, nicht nur aufgefallen, heute fallen sie zwar manchen noch (!) auf, sind aber nicht länger und selbstverständlich „verrückt“. Diese Entgrenzungen zwischen den Lebensphasen, das sei in eckigen Klammern gesagt, gilt im Übrigen auch für die Typik von Problemlagen. Die Wirklichkeit und auch das Bild einer - einmal eingespurt - lebenslangen, kontinuierlichen und integrierten Berufsbiographie lösen sich aktuell auf.

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Hilfen an Übergangs- und Bruchstellen werden damit vermehrt nicht nur für Jugendliche notwendig und von diesen nachgefragt. Es entsteht vielmehr ein wachsender Bedarf an Bewältigungsideen und – ressourcen, an Übergangshilfen und -institutionen für prekäre, brüchig gewordene Lebensläufe auch innerhalb des Erwachsenenalters, also etwa eine Art Erwachsenenberufshilfe, die über die bestehenden Vermittlungsangebote und finanziellen Absicherungen der Arbeitsverwaltung hinausgehen bzw. qualitativ anders angelegt sein müssten. Damit sind wir schließlich bei einer weiteren und für uns zentralen Dimension des sozialen Wandels, der Arbeitswelt. Viele der pauschal für die Gesellschaft und etwas spezieller für die Jugend angedeuteten Veränderungsdynamiken haben ja insbesondere hier ihren Ursprung: nicht zuletzt die Wirtschaft und die Arbeitswelt beeinflussen auch unsere Lebensweisen und -welten massiv. Was wir – auch das ist ihnen vertraut und soll nur recht pauschal angetippt werden- in der Arbeitswelt seit Jahren erleben und sehen können, sind Umschichtungs- und Umgewichtungsphänomene wie das der Abnahme der Menge der bezahlten Arbeit insgesamt, insbesondere die Abnahme der substituierbaren (überwiegend abstrakten) Einfacharbeit, die nach dem Krieg noch mehr als 40 % , inzwischen aber weniger als 20% der Arbeitsmenge ausmacht(e) mit entsprechenden Folgen etwa für die Qualifikationsanforderungen. Wichtiger aber noch sind an dieser Stelle die – auch darin bereits enthaltenen - qualitativen Veränderungen, diejenigen der Gegenstände, Inhalte und Formen der Arbeit sowie ihrer Organisation. Lassen Sie mich zur Illustration aus einem der zahlreichen Texte zitieren, in dem es bereits vor Jahren, hier: 1987, um die damals im Westen seit mehr als einem Jahrzehnt sichtbaren Probleme im Übergangssystem ging: „Das Problem beginnt bereits bei der Berufswahl. Die beruflichen Erfahrungen von Eltern und Bekannten sind den Jugendlichen heute keine große Hilfe. Zahlreiche Berufe existieren inzwischen nicht mehr (...). Hinter der Fassade traditioneller wie neuer Berufsbezeichnungen verbergen sich zudem sehr differenzierte Tätigkeits- und Anforderungsprofile. Neue und alte Arbeitsinhalte stehen nebeneinander. So gilt die Berufsbezeichnung „Dreher" bzw. die neue Bezeichnung „Zerspanungsmechaniker" in gleicher Weise für die Arbeit an einer handgesteuerten wie an einer programmgesteuerten Maschine. Und ein „Dreher" an einer CNC Maschine wiederum kann entweder nur die Maschine bedienen oder auch noch das Programm für sie schreiben. Jugendliche, die sich für eine berufliche Tätigkeit entscheiden wollen, wissen daher gar nicht, welche unterschiedlichen Anforderungen in einem Beruf gestellt werden und auf welchem Qualifikationsniveau sich diese bewegen. Auch die offiziellen Berufsbeschreibungen informieren hierüber nicht“ (vgl. STOOSS 1987: 161). „Die Klassifizierung von Berufen in solche mit praktischen oder theoretischen

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Anforderungen, mit körperlich leichten oder schweren Arbeiten, zwischen kaufmännischen und technischen Berufen wird damit der neuen Arbeitssituation nicht mehr gerecht.“ (Wittwer 1987, 70f) Dies lässt sich weiter zuspitzen. Etablierte, auch statushohe Berufe (z.B.: Setzer) verschwinden gänzlich oder werden neu geschnitten, Berufsbilder ändern sich, neue Kompetenzprofile entstehen bzw. werden gefordert, selbst die etablierten Formen der Beruflichkeit als solche stehen in Frage. So gibt es seit vielen Jahren in den Auseinandersetzungen über neue Management- und Organisationsstrategien eine angeregte Diskussion darüber, ob und inwieweit das Institut des Berufs, etwa des Facharbeiters, neue Organisationsformen der Arbeit und Produktion nicht eher behindert. Es steht ein prozessorientiert - integratives Modell der Arbeitsorganisation gegen ein berufszentriertes. In ersterem, dem prozessorientierten wird dann nach Befähigungen gefragt wie denjenigen, nicht nur im Rahmen einer arbeitsteiligen Struktur eine fachliche Aufgabe zu bewältigen, sondern dabei den ganzen Prozessablauf durchschauen zu können. Über dieses systemische Wissen und seine praktischen Grundlagen soll der Beschäftigte weiterhin nicht nur kognitiv verfügen. Vielmehr soll er fachlich wie kommunikativ in der Lage sein, mit anderen Beteiligten über auftretende Probleme, Veränderungsmöglichkeiten u.ä. zu sprechen und dies dann vor Ort praktisch wieder umzusetzen. Damit werden Berufe tendenziell in flexibel kombinierbare – und nach Bedarf nachschulbare Kompetenz - Module transformiert. Der Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Fähigkeitsdimensionen - etwa zwischen für alle gültige Sockelqualifikationen, Spezialkenntnissen, Schlüsselqualifikationen und extrafunktionalen Fähigkeiten - und den heterogenen Bewältigungsaufgaben soll dabei vor allem durch die Person des Arbeitenden (im Sinne einer strukturellen und normativen (Re-) Subjektivierung der Arbeitsorganisation) hergestellt werden, die sich dabei allerdings nicht auf zuverlässige Stützen verlassen kann, hier etwa und u.a. auf ein orientierungswirksames und zukunftsgewisses Berufsbild. Auch die Persönlichkeit muss genau die – neuen bzw. neu geforderten – Fähigkeiten, Konturen und Merkmale aufweisen, die die arbeitende Person in die Lage versetzt, den skizzierten und neu entstehenden Anforderungen gerecht zu werden. Solche, hier nur angedeuteten, Veränderungen müssen wir registrieren und in Rechnung stellen, wenn wir JBH diskutieren. Für unsere Jugendlichen heißt dies alles insgesamt ja die Aufgabe der Bewältigung einer mehrfachen Transformation und dies z.T. ohne die typischen KonstellationenBezugspunkte, Angebote, Gegenüber.. - der Phase des Jugendlichseins. Sie müssen, dabei vielfach auf sich allein gestellt, erwachsen werden (1) in einem in Vielem neuen gesellschaftlichen Rahmen (2), der sich dabei selbst auf mehreren entscheidenden Ebenen in einem sich beschleunigenden

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Veränderungsprozeß befindet (3). Zusammengenommen ergibt sich für sie daraus ein unübersichtliches Bild. Angebote eines orientierenden Bezugsrahmens sind geschwächt oder fehlen, erlebte und gelebte Verbindlichkeiten und Anerkennung sind für manche rar mit der Folge nachlassender sozialer Bindung und Motivation, gehbare und zukunftsträchtige Wege, Gelegenheitsstrukturen für Lebensentwürfe und deren Realisierung, sind für viele immer noch in zu geringem Ausmaß vorhanden nicht zuletzt mit dem Risiko anomischer Entwicklungen. Offenheit („Erfinde Dich selbst“) ohne hinreichende Ressourcen, Optionen, Anerkennung und Halt kann überfordern und tut dies vielfach, wie wir an manchen unserer Jugendlichen sehen. Allgemein kann man also sagen, das die Bewältigungsaufgaben für Jugendliche sich verändert haben, Möglichkeiten zugewachsen, Anforderungen aber auch angestiegen sind. Es entstehen aktuell neue Schwellen und Selektionen an den biographischen Übergangsstellen, neue und andere Kompetenzen und Ressourcen sind gefragt. Diese aber sind nicht zuletzt und in weiten Teilen Qualitäten, die über eine einfache Berufsbefähigung hinausgehen. Gerade der Erwerb solcher Kompetenzen ist notwendig und eng verbunden mit dem allgemeinen Wachsen der Persönlichkeit. Diese Grundlagen aber werden nach wie vor und unverzichtbar vor allem in der Jugend gelegt. Trotz mancher Unkenrufe ist Jugend aktuell überwiegend recht aktiv und erfolgreich dabei, die Herausforderungen anzunehmen, die anstehenden Aufgaben anzugehen, nicht zuletzt dabei auch unsere zukünftige Lebensweise zu erfinden. Dazu benötigt sie allerdings Räume und Angebote, vor allem persönliche und soziale Gegenüber, die Interesse, Verbindlichkeit, Offenheit und Anerkennung, nicht zuletzt reale Lebensoptionen vermitteln können und wollen. Nur so entstehen zukunftsfähige lebenspraktische Unabhängigkeit und Autonomie, personale und soziale Integration, Wachstum und Entwicklung. Für diese unverzichtbaren Prozesse gilt es also gleichermaßen unterstützende Bedingungen zu schaffen wie für deren implizite Risiken sensibel zu sein. Denn, wer hier und auf diesen Ebenen nicht angesprochen wird, kann vielfach in den neuen Formen und Strukturen der Arbeitswelt nicht mithalten. Gerade dann aber droht ein viel weiter reichender sozialer Ausschluß, „Exklusionen“, mit allen ihren seit längerem bereits sichtbaren, auch für die Gesellschaft negativen Folgen. Jugendberufshilfe Nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung entsprechender gesetzlicher und finanzieller Vorgaben (etwa des §13 KJHG) ist die JBH stark defizitbezogen ausgelegt. Das auch, wenn es bereits im 9. Jugendbericht der Bundesregierung heißt: „Angesichts der großen Probleme des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes in den neuen Bundesländern ist eine exakte Zielgruppe aber immer schwerer zu

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beschreiben“ und Richard Münchmeier, einer der Autoren der bekannten Shell Jugendstudie folgert: „Eine trennscharfe Beschreibung der klassischen Zielgruppe der Jugendberufshilfe geht nicht ohne Schwierigkeiten oder nur dann, wenn man selektiert oder überaus großzügig mit Defizitzuschreibungen reagiert.“ Diese Akzentsetzung hatte Folgen. Mit einer derartigen Ausrichtung trat die JBH von Beginn an insbesondere auf im Kontext der neu entstehenden gesellschaftlichen Grenzziehungen, bezog und bezieht sich auf soziale Unterscheidungen und Selektionen und bearbeitet diese. Sie unterstützt – mitunter durchaus auch unabhängig von jeweils konkreten Personen und Fällen - die Seite der Opfer und Benachteiligten, konstituiert diese darin allerdings zugleich auch (mit). Bei ihrem Klientel sowie in ihrem Aufgabenverständnis kumulieren dann persönliche und soziale Belastungen und Einschränkungen, entsprechende Lösungsstrategien sind nachgefragt und werden angeboten. Das Problem scheint angemessen kategorisiert und verstanden. Die resultierenden, ebenfalls überwiegend aus einem vertrauten und überschaubaren Repertoire stammenden Handlungsansätze lassen sich dann zumeist ohne weiteres in Einklang bringen mit traditionellen Verständnissen vom Unterstützungsbedarf eines spezifisch defizitären Klientels in einem entsprechenden, eindeutig definierten und umrissenen Problem- und Handlungsfeld. Zugleich entstehen so aber Perspektiveneinschränkungen und Immunisierungen, nämlich solche gegen konkurrierende Sichtweisen, etwa die oben angedeuteten Skizzen zu den Folgen sozialen Wandels und sozialer Umbrüche und den daraus ableitbaren Herausforderungen und Konsequenzen. Auf diese Weise wird dann etwa oft übersehen oder überblendet, dass Defizite, wie zitiert, vielfach „überaus großzügig“ zugeschrieben werden, viele Handlungsansätze gemessen an einem differenzierenden Problemverständnis zu eng oder in ihrer Wirksamkeit wie in ihrer Zukunftsfähigkeit (etwa bezogen auf einen erwartbaren Kompetenzbedarf auf dem Arbeitsmarkt) ganz unbefriedigend sind. Die angesprochenen gesellschaftlichen Veränderungen aber lassen sich nicht weg definieren, insbesondere muss in Rechnung gestellt werden, dass sich deren Folgen nicht nur am Rande sondern auch im Kern der Gesellschaft zeigen. Bewältigungsprobleme als Folgen des sozialen Wandels treten nicht nur an den gesellschaftlichen „Rändern“ auf. Eben deshalb lassen sie sich auch nicht nur durch Defizitbestimmungen verstehen und durch die Organisation selektiver, kompensativer, integrativer aber auch ausgrenzender Prozesse (allein) bearbeiten. Neben den Grenzfällen und den eindeutigen Struktur- (= Arbeits- und Ausbildungsmarkt-) Benachteiligten gänzlich übersehen werden dabei schließlich v.a. auch die „Protagonisten“ des sozialen Wandels, die Innovateure, als eine der unverzichtbaren Ressourcen gesellschaftlicher Zukunftsschöpfung, die oft sehr eigene Wege gehen, aber auch für solche Experimente Raum, Verständnis und Akzeptanz benötigen. Sei es aber für das

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klassische Klientel des defizitorientierten Ansatzes an einem, sei es für die Protagonisten des sozialen Wandels am anderen Pol eines beschreibbaren Spektrums von Betroffenheiten, für (und von) alle(n) werden - auf der Grundlage adäquater Situations- und Falldiagnosen - Wege ins Leben, Kontextqualitäten dafür und Angebotsstrukturen entwickelt werden müssen, die für uns heute in Teilen noch neu, unverständlich oder gar unzugänglich sind. Zu vermuten ist, dass es in allen Bereichen der Gesellschaft zu neuen Strukturbildungen, Mustern der Lebensführung, Beziehungs- und Identitätskonstruktionen kommt. So zeichnet sich bereits jetzt ab, dass und wie die Verhältnisse zwischen der Entwicklung der Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten und Motivationen, der Erwerbsarbeit und den Mustern und Formen der alltäglichen Lebensführung sich neu und heterogen mischen. Erwerbsarbeit wird des Weiteren nicht wie bisher für alle Gesellschaftsmitglieder potentiell und selbstverständlich im Zentrum des Lebens stehen können. Es fehlen uns aber integrative und anerkannte Sozialmodelle für die so entstehenden sozialen Lagen, es fehlen Modelle, hier: eines nicht erwerbsarbeitszentrierten Lebens. Für andere wird sich die Gewichtung der Arbeit im Lebenslauf ändern, Phasen der Überfokussierung auf Arbeit wechseln mit solchen der Qualifizierung, der Erwerbslosigkeit, des Engagements, der Familienarbeit. Diskontinuierliche Berufsbiographien zu integrieren und zu steuern erfordert aber hohe persönliche und soziale Kompetenzen, deren Grundlagen nicht zuletzt in der Jugend gelegt werden. An den angesprochenen Polen der Opfer und Protagonisten wie in den Feldern zwischen ihnen entsteht mithin ein je spezifischer Bedarf an Ideen, Möglichkeiten und gesellschaftlichen Bewältigungshilfen. Jugendberufshilfe steht zwischen den beschriebenen Prozessen gesellschaftlicher Veränderungen, differierenden Betroffenheiten und politischen Verantwortlichkeiten. Sie besetzt ein zentrales Aufgabenfeld: die Mitarbeit an der Schaffung der Bedingungen eines gelingenden Aufwachsens der nachwachsenden Generationen. Sie muss daher als integraler Bestandteil einer breiter angelegten Jugendarbeit und Jugendhilfe verstanden werden. Nur so kann sie daran mitwirken, Jugend zuallererst wieder zu einer Kategorie der gesellschaftlichen Zukunft und Hoffnung zu machen. Selbst muss sie dabei im mindesten den Kriterien genügen, die heute ganz selbstverständlich als Forderung an die Jugendlichen gestellt werden. Wie diese sollte sie Ansätze entwickeln und umsetzen, die v.a. mit Blick auf die Gesellschaft von Morgen bedarfsgerecht und realitätsbezogen sind, was bedeutet, dass sie entsprechende Entwicklungsprozesse auch in Rechnung stellt und zu verstehen versucht. Sie sollte gleichermaßen stabil wie flexibel ausgelegt sein, lernfähige und selbstkritische Institutionen entwickeln, die Halt bieten, ohne starr zu sein. Sie sollte sich einbringen in kooperative Querschnittsstrukturen zwischen den verschiedenen beteiligten Systemen und Akteuren wie denjenigen der Bildung , Berufsbildung und Wirtschaft. Nicht zuletzt ist sie gefordert, am

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gesellschaftlichen Zukunftsdiskurs teilzunehmen und das, was sie tagtäglich und hautnah als Bewältigungsaufgaben und -probleme der Jugendlichen und jungen Erwachsenen erlebt, in diesen einzubringen, ihre hochsensiblen Kenntnisse aus einem Labor der gesellschaftlichen Entwicklung fruchtbar zu machen für eine angemessene Selbstbeschreibung und -analyse unserer Lebensverhältnisse, deren Risiken, Potentiale und Zukunftshorizonte. Über den von mir bis hierher vorgestellten Versuch einer Bestandsaufnahme wie über die zuletzt genannten Forderungen und Anregungen wird im Weiteren zu sprechen sein. Einige Zuspitzungen und Konkretisierungen insbesondere zu den abschließenden Thesen sollen später in das Podiumsgespräch eingebracht werden

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Perspektiven der Jugendberufshilfe in Dresden: strukturelle Entwicklungen – Förderstrategien – Vernetzungen Gerd Bernecker, Teamleiter im Arbeitsamt Dresden Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Vorredner, Herr Professor Robert, hat mit Werbung begonnen und hat mir in seinem Vortrag ein Stichwort geboten. Er hat bemerkt, dass die Eltern ihren Kindern nicht mehr viel helfen können bei Fragen der Berufswahl und Berufsentscheidung. Da möchte ich an dieser Stelle gleich rufen, nutzen Sie bitte auch das Angebot des Arbeitsamtes zur Berufsberatung bzw. seines Berufsinformationszentrums. So, nun zu meinem Thema: Das Arbeitsförderungsrecht im Sozialgesetzbuch III ist die wichtigste Arbeitsgrundlage der Bundesanstalt für Arbeit und damit auch für das Arbeitsamt Dresden. Es bietet sehr vielfältige Förderansätze hinsichtlich der beruflichen Eingliederung: Von der Berufsvorbereitung, über Förderung der beruflichen Ausbildung, die Förderung der beruflichen Weiterbildung bis hin zur Förderung der Eingliederung in Beschäftigung. Die erheblichen finanziellen Mittel, die das Arbeitsamt jährlich dafür einsetzt, sind fast ausschließlich Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Arbeitslosenversicherung. Hauptziel des Sozialgesetzbuches III ist die möglichst dauerhafte Eingliederung, der Ausbildungssuchenden und der Arbeitssuchenden in Beschäftigung, also möglichst in betriebliche Ausbildung und letztlich Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Das schließt auch ein, dass über die Nutzung der Förderinstrumente die Möglichkeiten und Voraussetzungen benachteiligter Ausbildungs- und Arbeitssuchender für eine Erwerbstätigkeit verbessert werden, um dadurch Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen zu vermeiden oder zu verkürzen. Für die Bundesanstalt für Arbeit verbindet sich damit - faktisch als Philosophie - auch das Ziel, Jugendlichen als sehr wichtige Voraussetzung zum Einstieg in das Berufsleben einen Berufsabschluß zu ermöglichen. Für das Arbeitsamt Dresden bedeutet das z.B., dass im September diesen Jahres für rund 560 Jugendliche eine durch das Arbeitsamt voll finanzierte Berufsausbildung in der sogenannten Benachteiligten-Ausbildung nach § 240 ff. Sozialgesetzbuch III begann. Dazu kamen noch ungefähr 80 Ausbildungsplätze für behinderte Jugendliche, diese vorrangig in Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation. Damit konnte allen Jugendlichen, die die Fördervoraussetzung für diese Benachteiligten-Ausbildung erfüllten, ein Ausbildungsplatz gesichert werden. Unser Arbeitsamt wendet in diesem Jahr ungefähr 24 Millionen DM allein für diese Förderung auf.

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Der Gesetzgeber hat im Sozialgesetzbuch III sehr verbindliche Anforderungen für Arbeitnehmer sprich arbeitslose Leistungsbezieher - hinsichtlich der Eigenbemühungen und Mitwirkung formuliert. Ich sage das an dieser Stelle besonders auch deswegen, weil die Inanspruchnahme der Berufsberatung des Arbeitsamtes auf der Basis der Freiwilligkeit erfolgt, Leistungsbeziehern dagegen drohen vom Gesetzgeber her ziemlich harte Sanktionen, wenn sie zumutbare Arbeitsmöglichkeiten nicht annehmen bzw. sie selbst den Verlust des Arbeitsplatzes zu verantworten haben. Bezüglich der Auswahl von Leistungen der Arbeitsförderung wird im Sozialgesetzbuch III darauf abgestellt, dass man der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit folgend, die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen hat und dass vorrangig die Fähigkeiten der zu fördernden Person und die Erfolgsaussichten einer Eingliederung in Beschäftigung zugrunde zu legen sind. Es besteht also bei der Förderung ein Zusammenhang zwischen Eignung, Neigung, der Leistungsfähigkeit und den späteren Beschäftigungsmöglichkeiten. Das Sozialgesetzbuch III und das SGB VIII sprechen verschiedentlich von Benachteiligten bzw. von sozial Benachteiligten. Im besonderen Maße wird dies mit Jugendlichen verbunden. Im Sozialgesetzbuch III sind sozial benachteiligte Jugendliche zum Teil direkte Zielgruppe für Förderansätze. Unter der Sicht hoher Jugendarbeitslosigkeit und der angespannten Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt wird teilweise auch der Begriff „Marktbenachteiligte“ verwendet. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist eigentlich dieser Übergang von „Marktbenachteiligten“ zu sozial Benachteiligten relativ fließend. Unter der Sicht des Sozialgesetzbuches III und der Jugendberufshilfe handelt es sich vor allem um die Jugendlichen, die den Übergang von der Schule in Ausbildung bzw. in das Arbeitsleben auf Grund von Bildungsdefiziten und/oder schwerwiegenden sozialen Problemen nicht direkt vollziehen konnten. Bei der Abschlußkonferenz zum Modellprojekt INKA 2 - Innovation in der Berufsvorbereitung - Ende Mai diesen Jahres in Bonn wurde darüber informiert, dass die Zahl der Jugendlichen, die nach Beendigung der Schulzeit eine berufsvorbereitende Maßnahme entweder nach Landesrecht oder nach dem Sozialgesetzbuch III –absolvieren, 1999 bundesweit bei ca. einer Viertelmillion lag. Die Tendenz ist steigend und das trotz des in bestimmten Regionen des Altbundesgebietes guten Ausbildungsstellenangebotes. Auch im Bereich des Arbeitsamtes Dresden benötigt eine sehr große Zahl von nicht ausbildungsreifen Jugendlichen solche Maßnahmen. Mit den im Dezember beginnenden Grundausbildungslehrgängen werden es ca.1.000 Jugendliche sein, die dann eine schulische oder SGB-III-geförderte Bildungsmaßnahme besuchen. Insbesondere unter der Sicht der demographischen Entwicklung in den neuen Bundesländern und damit auch in Dresden wird der vorgenannte Personenkreis sicher künftig für die regionale Wirtschaft

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von besonderem Interesse sein. Das zeigen zum Beispiel die Erfahrungen solcher Bundesländer, wie Hessen, wo kleine- und mittelständische Unternehmen dringend Arbeitskräfte suchen. Es gibt dort viel Unverständnis, dass es einerseits viele jugendliche Arbeitslose gibt, die aber aufgrund ihrer sozialen Defizite und Lerndefizite sehr häufig nicht in der Lage sind, den Anforderungen des betrieblichen Alltags gerecht zu werden. Dieses Problem wird sicher auch bei uns auftreten, wenn der Geburtenknick bei den Schulentlassenen einsetzt, von dem mein Chef, der Direktor des Arbeitsamtes Dresden, Herr Wünsche, schon zu Beginn der Veranstaltung sprach. Aus der Sicht des hiesigen Arbeitsmarktes und der Wirtschaft deutet sich eine komplizierte Situation an. Aus der Sicht der Klientel der benachteiligten Jugendlichen ist es vielleicht eine echte Chance, besser im Arbeitsmarkt Fuss fassen zu können. Für uns alle ist das deshalb eine Aufgabe etwas dafür zu tun, dass möglichst viel Jugendliche über die notwendigen Voraussetzungen verfügen, dass sie mit Erfolg in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Ich möchte die Problematik des Geburtenknicks nochmals am Beispiel des Arbeitsamtes Dresden deutlich machen. Im Jahre 2001 waren im Arbeitsamt Dresden 7.400 Bewerber um Ausbildungsstellen gemeldet. Wenn man davon ausgeht, dass sich beginnend ab dem Jahr 2005 die jährliche Bewerbernachfrage halbieren wird, so werden es dann weniger als 4.000 Jugendliche sein, die auf dem Ausbildungsstellenmarkt nachfragen. Die Bundesregierung und die Bundesanstalt für Arbeit haben auf die Problematik der Jugendarbeitslosigkeit und auf die besonderen Problemgruppen bei Jugendlichen reagiert. Mit dem Jugendsofortprogramm wurden zusätzliche Maßnahmen initiiert, um den Einstieg von Jugendlichen in das Berufsleben zu ermöglichen. Dieses Programm ist zwischenzeitlich bis zum Jahre 2003 verlängert worden. Das heisst, der letzte Einstieg in Maßnahmen ist bis Ende des Jahres 2003 möglich. Auch die Bundesanstalt für Arbeit hat die Vermeidung und Senkung von Jugendarbeitslosigkeit als ein geschäftspolitisches Ziel formuliert, das für alle Arbeitsämter Gültigkeit besitzt. Seit dem 1.7.2001 haben wir das Sozialgesetzbuch IX, das insbesondere die Problematik der behinderten und schwerbehinderten Menschen regelt. Mit diesem Sozialgesetzbuch ist dem Personenkreis der Lernbehinderten besonders Rechnung getragen worden, in dem diese als gesonderte Zielgruppe genannt wurden. Es gibt des Weiteren eine neue Regelung, die den Jugendlichen wirklich zugute kommt und die sicher auch positive Wirkungen bei vielen Jugendlichen haben wird. Seit Maßnahmebeginn 01.08.2001

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erhalten Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, nach dem Sozialgesetzbuch III auf Antrag Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 375,00 Mark ohne Anrechnung des Einkommens der Eltern. Das wird sicher dazu führen, dass noch mehr Jugendliche bereit sind, eine solche berufsvorbereitende Maßnahme absolvieren zu wollen, um damit den Einstieg in eine Berufsausbildung und das Berufsleben erfolgversprechend vollziehen zu können. Übrigens ist auch die Ausbildungsvergütung für die sogenannte Benachteiligten-Ausbildung erhöht worden. Sie liegt nun bei 550,00 DM im ersten Ausbildungsjahr. Die deutliche finanzielle Abstufung zwischen der Berufsvorbereitung und der Ausbildung ist dabei ausdrücklich gewollt. Unter dieser Sicht wurde die Richtlinie zum Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit dahingehend geändert, dass bei der Qualifizierungs-ABM die Arbeitszeit auf 70 % einer vergleichbaren Vollbeschäftigung reduziert wurde und ein Qualifizierungsanteil von mindestens 30 % an der Maßnahme gefordert wird. Für den Qualifizierungsanteil wird kein Arbeitsentgelt gezahlt, sondern nur anteilig ein Betrag, der sich von einer Pauschale von 900,00 DM ableitet. Und damit soll erreicht werden, dass die bisher günstigere Entlohnung bei ABM - und damit auch bei der Qualifizierungs-ABM - nicht einer späteren Ausbildungsaufnahme entgegenwirkt. Die Problematik der nicht ausbildungsreifen und der beruflich nicht qualifizierten Jugendlichen führte bereits 1996 zur Neufassung der inhaltlichen Anforderungen an die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach dem damals geltenden Arbeitsförderungsgesetz. Die Einbeziehung des Arbeitsamtes Dresden und des Maßnahmeträgers „Sächsisches Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden e. V.“ in die Modellversuchsreihen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung bzw. Bundesministerium für Bildung und Forschung „INKA 1“ und INKA 2“ und die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in allen einschlägigen Maßnahmen des Arbeitsamtes Dresden haben geholfen, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wesentlich zu erhöhen. So wurde die Arbeit mit individuellen Förderplänen, mit gründlicher Eingangsdiagnose und Kompetenzfeststellung und die konkrete Einbeziehung der Jugendlichen in diesen Entwicklungsprozess wesentlich qualifiziert. Zum Problem der Kompetenzfeststellung: Kompetenzansatz statt Defizitansatz ist Grundsatz für alle berufvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach dem SGB III. Das ist in der Praxis nicht so einfach umzusetzen. Wenn ich mich mit Mitarbeitern der Träger unterhielt, da war es für sie meistens kein Problem, die bei Jugendlichen vorhandenen Defizite im individuellen Förderplan konkret auszuweisen. Aber das mit den Kompetenzen war schon eine schwierigere Geschichte. Es war ein unheimliches Umdenken erforderlich, weil man nur über diesen Kompetenzansatz echte Chancen hat, die Jugendlichen voran zu bringen. Im Lehrgang zur Verbesserung beruflicher Bildungs- und Eingliederungschancen - viele kennen ihn auch unter BBE-Lehrgang - können die Teilnehmer nach Schnuppertagen in fünf Berufsfeldern

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auswählen, welches Berufsfeld sie in der nachfolgenden Findungsphase gründlicher kennen lernen möchten. Kleinschrittige Zertifizierung von Praxiselementen aus Ausbildungsordnungen anerkannter Berufe stärkten die Motivation und verringern die Anzahl der Maßnahmeabbrüche. Neben der Möglichkeit der Realisierung des Moduls „nachträglicher Erwerb des Hauptschulabschlusses“ - hier ist eigentlich die Teilnehmerquote noch etwas zu niedrig - wurde das Modul „Kommunikationstechnik“ immanenter Bestandteil aller berufsvorbereitenden Maßnahmen. In diesem Jahr werden wir erstmals einen Grundausbildungslehrgang für nicht vermittelte Bewerber und Ausbildungsabbrecher mit dem Berufsfeld “Informationstechnik“ einrichten. Das fachliche Ziel ist neben der Verbesserung der Voraussetzung für eine nachfolgende Berufsausbildung der Erwerb des „Europäischen PC-Führerscheines“. Seit September diesen Jahres ist das Arbeitsamt Dresden in die bundesweite Modellversuchsreihe „Entwicklungsinitiative: Neue Förderstrukturen für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“ einbezogen. Herr Lippmann hatte das bereits in seinem Vortrag angesprochen. Dieser Versuch wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Zentraler Kooperationspartner ist dabei die Bundesanstalt für Arbeit. Das Institut für Berufliche Bildung, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik - INBAS - wird die Modellversuchsreihe konzeptionell begleiten. Zielgruppe dieser Modellversuchsreihe sind Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, d.h. junge Menschen, die noch nicht ausbildungsreif sind und die Unterstützung im sozialen Bereich und Hilfestellung beim Lernen benötigen. Mindestaufnahmekriterium ist ein allgemeines, noch nicht unbedingt zielgerichtetes, berufsbezogenes Qualifizierungsinteresse. Es ist vorgesehen, dass die Jugendlichen in eine Grundstufe von maximal 6 Monaten einmünden, und dass dort eine gründliche Kompetenzfeststellung stattfindet. Die anschließende Förderstufe ist mit 6 Monaten angedacht, kann aber im Einzelfall um weitere 12 Monate erweitert werden. Das ist eigentlich das Neue dieses Modellversuches, dass es möglich ist, in Einzelfällen bis zu 24 Monaten Berufsvorbereitung zu realisieren. Diejenigen, die mit benachteiligten Jugendlichen arbeiten, wissen, dass man sehr viel Zeit benötigt, um manche Jugendliche voranzubringen. Es ist auch vorgesehen, in einer sozialpädagogischen Gesamtbetreuung im Sinne eines case-Management die Jugendlichen bis zur Absolvierung eines Berufsabschlusses bzw. beruflichen Eingliederung zu unterstützen. Ich will nur kurz erwähnen, dass wir auch dabei Erfahrungen einbringen können. Frau Dörmer und Herr Schmieder werden zum sogenannten Dreistufenmodell der Integrationsgesellschaft Sachsen gGmbH gesondert sprechen, bei dem das Arbeitsamt Dresden wesentlich involviert ist. Ich möchte abschließend feststellen, dass meine Ausführungen vielleicht den Eindruck hinterlassen, dass eigentlich alles im Griff ist. Dem ist natürlich nicht so. Wir erreichen gegenwärtig alle die Jugendlichen, die zu uns kommen, die eine Förderung wünschen und die auch in der Lage sind, diese

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Förderung wahrzunehmen. Wir wissen aber, dass wir eine ganze Reihe von Jugendlichen haben, denen es schwerfällt, einen strukturierten Arbeitstag überhaupt zu bewältigen. Hierfür brauchen wir ausreichend niedrigschwellige Angebote. Unter dieser Sicht ist es eigentlich schade, dass die Plätze in den Dresdner Jugendwerkstätten im vergangenen Jahr reduziert wurden. Eine zweite Seite möchte ich noch abschließend ansprechen. Ich denke, wir laufen hier als Arbeitsamt einem Problem hinterher und es ist wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel. Auf der einen Seite verlassen viele Jugendliche nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht die Schule mit schwerwiegendsten sozialen und Bildungsdefiziten deren Misserfolgserlebnisse zum Teil schon in der 4./ 5. Klasse begonnen haben. Jeder kann sich selbst ausmalen, was sich da alles an Problemen und Frust anstaut. Andererseits muss das Arbeitsamt dann viel Mühe, Kraft und erhebliche finanzielle Mittel aufwenden, um diese Jugendlichen so weit zu bringen, dass sie mit Erfolgsaussichten berufsfördernde Maßnahmen des Arbeitsamtes absolvieren können. Abschließend möchte ich noch kurz die Problematik der Sicherung des Berufsschulunterrichtes ansprechen. Ich weiß, dass sich die Kollegen vom Regionalschulamt sehr viel Mühe geben, um den Berufschulunterricht - auch kurzfristig - für alle unsere Maßnahmeteilnehmer zu sichern. Allerdings sind mache Lösungen eigentlich keine geeigneten Lösungen für benachteiligte Jugendliche, wenn zum Beispiel ein solcher Jugendlicher ohne Schulabschluss im Rahmen der außerbetrieblichen Ausbildung als "Tischler" zum Blockunterricht nach Pulsnitz oder beim Ausbildungsberuf "Fertigungsmechaniker" gar nach Boxberg muss. Erforderliche Stützunterrichte und sozialpädagogische Betreuung sind unter diesen Bedingungen durch den Maßnahmeträger nicht leistbar. Damit ist aber der Ausbildungserfolg erheblich gefährdet. Auch hier müssen wir im Interesse der benachteiligten Jugendlichen zu besseren Lösungen kommen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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Perspektiven der Jugendberufshilfe in Dresden: strukturelle Entwicklungen – Förderstrategien – Vernetzungen Jochen Schnabel, Referent des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie Um der Entwicklung von Angeboten der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit – Jugendberufshilfe in Sachsen eine Basis zu schaffen hat das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie (SMS) im Jahr 1997 eine Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit – Jugendberufshilfe erlassen und im Haushalt einen eigenen Ansatz für arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit geplant. Die genannte Richtlinie hat zum Ziel, Träger beim Auf- und Ausbau sowie der Durchführung von Maßnahmen der Jugendberufshilfe zu unterstützen. Sozial benachteiligten jungen Menschen sollen Integrationshilfen zur beruflichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt und zur persönlichen Stabilisierung gegeben werden. Dies erfolgt konkret durch Jugendberatung (im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB VIII), sozialpädagogisch begleitete Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen (nach § 13 Abs. 2 SGB VIII) und sozialpädagogisch begleitete Wohnprojekte (nach § 13 Abs. 3 SGB VIII). In Sachsen werden fast 100 Projekte der Jugendberufshilfe im Rahmen dieser Richtlinie gefördert. Cirka 30 dieser Projekte erhalten zusätzlich zur Landesförderung eine Ausstattung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Mit diesen Landesmitteln werden derzeit ca. 80 Fachkräfte (Sozialpädagogen und Fachanleiter) finanziert. Hauptgruppe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der geförderten Maßnahmen der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit sind benachteiligte Jugendliche für die eine Berufsausbildungsfähigkeit und / oder eine Berufsvorbereitung angestrebt wird. Die Förderrichtlinie Jugendberufshilfe und die dafür bereitgestellten Mittel sind jedoch nur ein Teil der Bemühungen um eine Integration bzw. Eingliederung benachteiligter junger Menschen in Sachsen. In der 1998 von den Staatsministerien Kultus, Wirtschaft und Arbeit, Umwelt und Landwirtschaft sowie Soziales und den kommunalen Spitzenverbänden, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern sowie den Gewerkschaften und dem Landesarbeitsamt unterzeichneten Kooperationsvereinbarung haben sich alle beteiligten Partner zur Abstimmung und Koordinierung ihrer Bemühungen zur Förderung und Unterstützung benachteiligter und individuell beeinträchtigter junger Menschen beim Übergang von der Schule in die Ausbildung und von der Ausbildung in das Berufsleben verpflichtet. Auf Grundlage dieser Kooperationsvereinbarung wurden in Sachsen regionale Abstimmungsgremien der Jugendberufshilfe gegründet. Mit zum Teil unterschiedlicher Bezeichnung und Zuordnung existieren sie mittlerweile in allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Ihre Arbeitsweise ist sicherlich unterschiedlich, sie haben jedoch alle einen regelmäßigen Austausch und die Abstimmung der Integrationsbemühungen zum Ziel.

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Warum will nun das Sozialministerium die bisherige Förderpraxis – auch im Bereich der Jugendberufshilfe – verändern? Auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und des Landesjugendhilfegesetzes konnten in den vergangenen Jahren in Sachsen die erforderlichen Strukturen für die Jugendhilfe vor Ort entwickelt und ausgestaltet werden. Dabei ist eine Struktur mit vielfältigen Angeboten und einer großen Trägervielfalt gewachsen. In einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten sind dabei Unterschiede zu registrieren, die nicht nur aus der jeweiligen Bedarfssituation resultieren. Ausgangspunkte für die Weiterentwicklung der bisherigen Förderstrategie des SMS auf dem Gebiet der Jugendhilfe waren: Entwickelte und etablierte Strukturen der Jugendhilfe auf örtlicher Ebene ein verwaltungstechnisch für alle Beteiligten aufwendiges Förderverfahren Gesamt- und Planungsverantwortung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für Angebote und Leistungen in diesem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe Aufgaben des Landes auf Grundlage des SGB VIII Das SMS hat für die Förderstrategie auf dem Gebiet der Jugendhilfe vier Grundanforderungen beschrieben: I.

Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe beim Erhalt und der Entwicklung grundlegender Angebote und Leistungen im Bereich der Jugendarbeit, der Jugendverbandsarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes.

II.

Beitrag des Landes zum gleichmäßigen und bedarfsgerechten Ausbau der Einrichtungen und Angebote im Bereich der örtlichen Jugendhilfe, zum Ausgleich bestehender Defizite und zur gezielten Unterstützung bei besonderen Problemlagen.

III.

Förderung von Angeboten und Leistungen, die jugendhilfeplanerisch in die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fallen und der Befriedigung des überörtlichen Bedarfs dienen.

IV.

Anregung und Förderung der Weiterentwicklung der Jugendhilfe durch das Land zur Unterstützung der Träger der öffentlichen und der freien Jugendhilfe in Sachsen.

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Die Weiterentwicklung der Förderstrategie des SMS auf dem Gebiet der Jugendhilfe soll es dem Land noch besser ermöglichen seinen Aufgaben nach dem SGB VIII und seinen Funktionen als oberste Landesjugendbehörde gerecht zu werden. Darüber hinaus soll sie die kommunale Verantwortung stärken und einen Beitrag zur Vereinfachung der Verwaltung leisten. Diese Entwicklung bringt auch Veränderungen für die bisherige Förderpraxis im Bereich der arbeitsweltorientierten Jugendsozialarbeit mit sich. Das Land wird künftig entsprechende Angebote und Leistungen auf örtlicher Ebene nicht mehr direkt fördern. Im Rahmen der sogenannten Jugendpauschale Sachsen ist die Förderung auch der Jugendberufshilfe möglich. Ergänzend zu dieser Form der Unterstützung beim Erhalt und Ausbau örtlicher Strukturen der Jugendhilfe wird der Freistaat Sachsen gezielt, jedoch zeitlich befristet, Projekte auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte unterstützen, die einen konkreten Beitrag zum Abbau eines strukturellen Defizits im Bereich der örtlichen Jugendhilfe leisten, dem Abbau einer benachteiligenden Situation und der Herstellung gleichwertiger Chancen für Kinder, Jugendliche und junge Menschen in einer Region dienen, einen konkreten Beitrag der Kinder- und Jugendhilfe zum Ausgleich in einer besonderen regionalen Situation oder einen konkreten Beitrag zur Befriedigung eines unvorhergesehenen Bedarfs leisten. Konkret wird das sächsische Sozialministerium hierzu mit Wirkung vom 1. Januar kommenden Jahres zwei neue Förderrichtlinien in Kraft setzen. Die erste Richtlinie (Jugendpauschale Sachsen) dient der Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Sicherung grundlegender Angebote der Jugendhilfe. Die zweite Richtlinie ist die Grundlage für die Gewährung von Zuwendungen zum gleichmäßigen und bedarfsgerechten Ausbau der Einrichtungen und Angebote im Bereich der örtlichen Jugendhilfe und zur Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Förderrichtlinien arbeitsweltorientierte Jugendsozialarbeit – Jugendberufshilfe wird, neben anderen Richtlinien, zum Jahresende Außer-Kraft gesetzt werden. Was bedeutet die Einführung der Förderstrategie und dieser beiden genannten Richtlinien nun für die freien Träger der Jugendhilfe auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte? Ihr einziger und direkter Ansprechpartner ist künftig das Jugendamt des Landkreises bzw. der kreisfreien Stadt. Eine Förderung von Projekten der arbeitsweltorientierten Jugendsozialarbeit – Jugendberufshilfe wird nicht mehr zwei Anträge, zwei Bewilligungen und zwei Verwendungsnachweise in ein und derselben Sache

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erforderlich machen (Richtlinie I). – Dies dürfte für die Mehrzahl der bisher auf Grundlage der Richtlinie Jugendberufshilfe geförderten Projekte gelten. Grundlage für die Förderung von Projekten die gezielt der Unterstützung und dem Ausgleich dienen sollen, wird künftig eine Zielvereinbarung zwischen Landkreis bzw. kreisfreier Stadt und dem Sozialministerium, vertreten durch das Landesjugendamt, möglich sein (Richtlinie II). Auf der Grundlage einer solchen konkreten Zielvereinbarung werden dann einzelne Projekte (auch der Jugendberufshilfe) gefördert werden können. – Dies erlaubt auch die Entwicklung neuer Angebote, jedoch nur unter den vorangenannten Prämissen. Die genannten künftigen Fördermöglichkeiten werden ergänzt um eine Richtlinie, die der Weiterentwicklung der Jugendhilfe dienen soll. Hier ist die Förderung von Modellvorhaben künftig einzuordnen. Mit der Weiterentwicklung der Förderstrategie und der Einführung neuer Förderrichtlinien zieht sich das Land nicht aus der Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfe zurück. Die Weiterentwicklung der Förderstrategie und die entsprechende Entwicklung von Förderrichtlinien erfolgte unabhängig vom beschlossenen Doppelhaushalt für die Jahre 2001 und 2002. Sie werden jedoch zu einer den Aufgaben des überörtlichen öffentlichen Trägers der Jugendhilfe (Freistaat Sachsen) und der obersten Landesjugendbehörde (SMS) entsprechenden Akzentsetzung in künftigen Haushaltsplanungen führen.

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Perspektiven der Jugendberufshilfe in Dresden: strukturelle Entwicklungen – Förderstrategien – Vernetzungen Christian Micksch, Projektleiter, Kommunalentwicklung Sachsen GmbH Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Friedrich-Ebert-Stiftung als Veranstalter hat mich gebeten, über den Europäischen Sozialfonds (ESF) zu sprechen, insbesondere über die Fördermöglichkeiten des Europäischen Sozialfonds im Bereich der Jugendberufshilfe. Der ESF ist ein Strukturfonds der Europäischen Union, eine sehr komplexe Thematik und ich will mich deshalb auf das Wesentliche konzentrieren. In einem ersten Teil möchte ich Ihnen den Europäischen Sozialfonds mit seinen Grundlagen und Strategien vorstellen und dann auf Maßnahmen, die mittels des ESF gefördert werden, eingehen. Die Kommunalentwicklung Sachsen (KES) ist ein privates Unternehmen. Wir sind tätig im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Das Wirtschaftsministerium ist der ESF-Fondsverwalter im Freistaat Sachsen. Das Regierungspräsidium Dresden ist die Bewilligungsbehörde für die ESF-geförderten Maßnahmen im Regierungsbezirk Dresden. Die Tätigkeit der KES umfasst einen Teil der Technischen Hilfe für die Umsetzung des ESF. Unsere Leistungen sind hierbei insbesondere die Beratung der Antragsteller, Bearbeitung der Anträge, Begleitung und Abrechnung der Maßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit, Berichtswesen und auch fachlich inhaltliche Arbeiten für die Entwicklung neuer Arbeitsmarktstrategien, einschließlich neuer Fördermodelle. Der ESF ist einer von drei Strukturfonds der EU. Er ist der Älteste der Strukturfonds und das Instrument ist seit Anfang der 60er Jahre im Einsatz. Ich möchte Ihnen den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds in der Landwirtschaft (EAGFL) kurz skizzieren.- Die Stichworte zu den Förderstrategien sind hierbei: -

Verbesserung der Infrastruktur, Investitionshilfen für die gewerbliche Wirtschaft

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Förderung der Landwirtschaft, des ländlichen Raumes und des Fischereiwesens.

Der ESF ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Sicherung der Beschäftigung und Schaffung neuer Arbeitsplätze insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Wir befinden uns in einer Förderperiode, die am 1. Januar 2000 begonnen hat und am 31. Dezember 2006 endet.

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Ich habe bereits erwähnt, es handelt sich beim ESF um ein arbeitsmarktpolitisches Instrument: Die Strategie der ESF - Förderung beinhaltet die Entwicklung des Humankapitals und Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU). Im Förderzeitraum von 2000 bis 2006 stehen dem Freistaat Sachsen 1,7 Milliarden EURO zur Verfügung, und der Freistaat Sachsen ist wie alle anderen ostdeutschen Bundesländer auch Ziel-1-Gebiet. Ziel-1-Gebiet bedeutet beste Fördermittelausstattung bei besten Förderbedingungen. Kriterium ist das Brutto - Inlandsprodukt, welches kleiner 75% des gesamten EU - Durchschnitts ist. Eine wesentliche Grundlage der ESF-Förderung ist das Operationelle Programm (OP) des Freistaates Sachsen. Dieses Programm wurde im Dezember 2000 durch die EU-Kommission bestätigt. Das OP beschreibt in fünf Politikfeldern die entsprechenden Maßnahmen und Ziele der ESF-Förderstrategie im Freistaat Sachsen.. -

Politikfeld A - Aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik:

→ Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit von Jugendlichen → Aktive und präventive Maßnahmen zur Verhinderung der Langzeitarbeitslosigkeit bei Erwachsenen -

Politikfeld B - Gesellschaft ohne Ausgrenzung:

→ Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit unter besonderer Berücksichtigung älterer Arbeitsloser und von Personen mit besonderen Integrationsproblemen -

Politikfeld C - Berufliche und Allgemeine Bildung:

→ Verbesserung der Systeme der beruflichen Aus- und Weiterbildung und Modellversuche zur Verringerung des Schulabbruchs -

Politikfeld D - Anpassungsfähigkeit und Unternehmergeist

→ Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und der Beschäftigten → Förderung des Unternehmergeistes -

Politikfeld E - Chancengleichheit von Frauen und Männern:

→ Qualifikation, Information und Beratung, Förderung der Beschäftigung und der Existenzgründungen, Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Frauen und Abbau der vertikalen und horizontalen Segregation Im Freistaat Sachsen ist die ESF-Förderung durch eine Förderrichtlinie geregelt. Die Förderrichtlinie wurde am 12. Juli 2001 bestätigt und ist rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten. Dies bedeutete, dass etwa 1 ½ Jahre ohne Förderrichtlinie die ESF-Förderung organisiert und durchgeführt werden musste. Diese Tatsache war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, insbesondere der

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Förderfähigkeit einzelner Kostenpositionen in den Finanzplänen der Maßnahmen. Im Rahmen der Richtlinie sind folgende fünf Maßnahmen förderbar: 1. Qualifizierungsmaßnahmen und Kooperationsvorhaben → Zielgruppen der Förderung sind Arbeitslose, Beschäftigte aus Unternehmen, Existenzgründer und Unternehmer 2. Einsatz von Projektkoordinatoren → Förderung von Managementaufgaben für arbeitsmarktpolitische Projekte An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass nur ein geringes Budget für Projektkoordinatoren zur Verfügung steht. Wir haben sehr viele Anfragen für die Förderung. Das zur Verfügung stehende Budget ermöglicht die Förderung von jährlich etwa 20 Projektkoordinatoren im Regierungsbezirk Dresden. Darüber hinaus sind weitere Möglichkeiten zur Förderung von Projektkoordinatoren vorhanden, allerdings ausschließlich für frauenspezifische Projekte. 3. Einstellung arbeitsloser Personen in zusätzliche Dauerarbeitsverhältnisse →Kleine oder mittlere Unternehmen schaffen zusätzliche Dauerarbeitsplätze. Unter Einhaltung bestimmter Förderbedingungen können 15.600 DM oder ab dem kommenden Jahr 7.800 EUR als nicht zurück zahlbarer Zuschuss gewährt werden. Hierbei sind auch Jugendliche förderfähig. 4. Existenzgründung durch Arbeitslose →Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen, die den Schritt in die Selbständigkeit gehen, können unter Einhaltung bestimmter Förderbedingungen einen Zuschuss von 12.600 DM oder 6.300 EUR erhalten. Es ist u. a. ein unternehmerisches Konzept erforderlich. Fördermittel der Bundesanstalt für Arbeit (Überbrückungsgeld) werden angerechnet, d. h. vom ESF-Förderbetrag abgezogen. 5. Erstellung von Studien- und Konzeptentwicklungen →Die Studien und Konzepte dienen zur Vorbereitung von Maßnahmen, die insbesondere im Bereich der Qualifizierungsmaßnahmen und Kooperationsvorhaben umgesetzt werden können Vorstellung von ESF-geförderten Maßnahmen -

Förderung von Jugendberatungsstellen

Im Freistaat Sachsen existiert ein Netzwerk von Jugendberatungsstellen. An diesem Netzwerk beteiligt sich der ESF gemeinsam mit dem Landesjugendamt und den örtlichen Jugendämtern. Gegenwärtig ist es nicht möglich zusätzlich Jugendberatungsstellen zu fördern. -

PC-Kurse für Mädchen

Derzeit werden erste Erfahrungen mit den PC-Kursen für Mädchen gesammelt. Die Maßnahmen sind für Mädchen aus den Klassen 8 der Mittelschulen, auch für Mädchen im Berufsgrundbildungs- und Berufsvorbereitungsjahr vorgesehen. Ein erklärtes Maßnahmeziel ist Interesse für neue IT-Berufe zu

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wecken. Die Maßnahmedauer beträgt 43 Stunden, darin eingebettet ist auch eine Exkursion in ein Wirtschaftsunternehmen, Gespräche mit Unternehmern und die Kooperation mit dem Arbeitsamt. -

Maßnahmen zur Unterstützung des Berufswahlprozesses

Die Themen dieser Maßnahmen sind Berufsorientierung, Exkursionen, Betriebsbesichtigungen, Betriebspraktika. Erste Maßnahmen werden im Jahr 2002 gefördert werden. Ich hoffe, dass in der zweiten Jahreshälfte 2002 die ersten Erfahrungen mit dieser Maßnahmekonstruktion vorliegen werden. -

Erwerb des Hauptschulabschlusses

Auf der Grundlage der entsprechenden Verordnung des Sächsischen Staatministeriums für Kultus aus dem Jahre 1993 wird das Ziel verfolgt, Jugendliche zum Hauptschulabschluß zu führen und damit die Verbesserung des Zugangs zur Berufsausbildung zu ermöglichen. Für diese Maßnahme liegt ein Rahmenlehrplan zugrunde, der verbindlich eingehalten werden muss. Sehr oft werden die Maßnahmen in Verbindung mit einer Beschäftigung im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) durchgeführt. -

Qualifizierung im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für arbeitslose Jugendliche

Das SGB III regelt, dass im Rahmen von ABM bis zu 20 % der Arbeitszeit mit Bildung versehen werden können. Der ESF fördert diesen Qualifizierungsanteil. Inhalte sind Bewerbungstraining, Wirtschafts- und Sozialkunde, persönliche Kompetenz, berufstheoretische und berufspraktische Qualifizierungsmodule, einschließlich Module aus dem „Qualifizierungspaß“. -

Qualifizierung und Arbeit statt Sozialhilfe (für jugendliche Sozialhilfeempfänger)

Die Maßnahmen werden mit einen Qualifizierungsanteil von 50 % und einem Beschäftigungsanteil von 50 %, einschließlich sozialpädagogischer Betreuung, gefördert. Die Konzipierung der Maßnahmen erfolgt in enger Abstimmung mit den Sozialämtern. -

Maßnahmen zur Qualifizierung für Jugendliche im Strafvollzug

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Zuschüsse zur Existenzgründung und für neue Dauerarbeitsplätze für Jugendliche

Darüber hinaus gibt es weitere Maßnahmen, auf welche ich wegen der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr eingehen kann. Zum Antragsverfahren -

Einreichung eines Projektvorschlages

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Prioritätensetzung für den Projektvorschlag

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Einreichung und Bearbeitung des formgebundenen Antrages

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Bewilligung des formgebundenen Antrages

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Maßnahmebeginn (etwa vier Wochen nach Bewilligung)

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Für das gesamte Antragsverfahren vom Projektvorschlag bis zur Bewilligung sind etwa sechs Monate einzuplanen. Letzter Teil meiner Ausführungen: Wer sind die Projektträger ? Was kann gefördert werden ? Die Antragsteller beim ESF sind Bildungs- und Beschäftigungsträger. Dabei spielt die Rechtsform keine Rolle. Die Projektträger müssen über eine entsprechende Ausstattung an Personal und Infrastruktur verfügen. Darüber hinaus müssen fachliche Kompetenzen und Referenzen vorhanden sein. Die ESF-Förderung erfolgt ausschließlich als Projektförderung. Institutionelle Förderung findet nicht statt. Gefördert werden Lehrgangskosten (für arbeitslose Jugendliche zu 100 %) und auch Leistungen an Teilnehmer (Aufwandsentschädigung, Fahrtkosten, Kinderbetreuungskosten). Die ESFFörderung erfolgt als Nachrangförderung, d.h. nach nationalen Finanzierungsinstrumenten. Wir arbeiten mit den Arbeitsämtern, Sozialämtern und weiteren Institutionen (Kammern, Fachverbände, usw.) eng zusammen. Auf Grund dieser Komplexität bedeutet dies für uns und auch für die Projektträger, dass eine Abstimmung mit den verschiedensten Partnern erforderlich ist.

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Jugendberufshilfe als integrativer Bestandteil in den Strukturen der Jugendarbeit – Vorstellungen und Erfahrungen Stefan Zerm, Kompass Job-in-Club Sie halten dieses Programm in ihren Händen und da steht darauf: “Jugendberufshilfe als integrativer Bestandteil in den Strukturen der Jugendarbeit, Vorstellung und Erfahrungen, Statements von Stefan Zerm“. Das bin ich und ich möchte Ihnen zunächst etwas zeigen. Sie sehen hier die wunderschöne Insel Zypern. Sie liegt im östlichen Mittelmeer. Vor ein paar tausend Jahren lebte auf dieser Insel ein König, er hieß Pygmalion. Pygmalion war ein Schöngeist, ein Künstler, er liebte die Einsamkeit und er hielt sich von Frauen fern. Statt dessen schuf er sich Frauen nach seinen eigenen Vorstellungen, in dem er sie in Elfenbein schnitzte. Irgendwann gelang es ihm, etwas zu schaffen, etwas wunderschönes, in das er sich sehr verliebte. Aphrodite, die Göttin der Liebe, hatte ein Erbarmen mit Pygmalion, sie erweckte die Statue mit Leben und sie lebten glücklich zusammen. Ein paar tausend Jahre später gab es einen Professor für Sozialpsychologie. Dieser Professor züchtete zu seinem Wohlgefallen Ratten. Nette kleine Tierchen, die sich wunderbar eignen für Lernexperimente verschiedener Art. Und der Professor hatte Studenten. Diese Studenten teilte er in zwei Gruppen und sagte: Ihr bekommt jetzt meine dummen Ratten und ihr bekommt meine klugen Ratten. Jetzt macht ein paar Wochen Lernexperimente und dann schauen wir, wie sich die Intelligenz dieser Tiere verhält. Gesagt - getan. Nach ein paar Wochen traf man sich wieder, und die Ratten wurden auf ihre Intelligenz hin überprüft. Das Ergebnis war nicht sehr überraschend. Die klugen Ratten verhielten sich klug und die dummen Ratten verhielten sich dumm. Was erstaunt ist die Tatsache, dass die Ratten eigentlich von gleichem Schrot und Korn waren. Also sie waren ursprünglich weder dumm noch klug, sondern sie waren gleich. Lediglich, und das ist das Interessante, lediglich die Überzeugung der Studenten produzierte intelligente Ratten und dumme Ratten. Und fortan nannte man diesen Effekt Pygmalion-Effekt. Also Pygmalion-Effekt als Symbol für Fleisch gewordene Überzeugung. Und an dieser Stelle sage ich zum ersten Mal offene Jugendarbeit. Wer nicht offen ist für Entwicklungsprozesse, der ist mit großer Wahrscheinlichkeit nach ein Freund der Belehrungspädagogik. Ich nehme beispielsweise einen Jugendlichen an die Hand und sage ihm bei jedem seiner kleinsten Schritte, was er zu tun und was er zu lassen hat. Und ich leiste damit einen Beitrag zur erlernten Hilflosigkeit. Es gibt noch eine andere Möglichkeit als der berühmte erhobene Zeigefinger, beispielsweise die Möglichkeit, den Blick frei zu machen für die persönliche Krisensituation. Das wäre weniger Belehrungspädagogik, sondern eher eine Bewältigungspädagogik. Ich möchte aber nicht den Anschein

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erwecken, ein pädagogischer Optimist zu sein, gemäß dem Motto: „Nichts ist unmöglich“. Aber ich möchte ein Plädoyer halten für die Offenheit der Entwicklungsprozesse. Und ich möchte zwei krasse Möglichkeiten gegenüberstellen. Eine Möglichkeit ist, ich kreiere quasi am Reißbrett den sogenannten benachteiligten Jugendlichen und lasse mich von Klischees oder Stereotypen leiten. Ich halte mich, so wie sich Pygmalion von den Frauen ferngehalten hat, von den ganz individuellen persönlichen Bedürfnissen fern und kreiere noch eine Ausbildung dazu, die nenne ich vielleicht QLX oder FSU. Dann stecke ich den Jugendlichen in dieses Maßnahmekarussell. Das dreht sich dann, und ab und zu bleibt es stehen. Da gibt es eine mehr oder weniger lange Leerzeit und dann geht es ab in die nächste Gondel. Dieses Maßnahmekarussell kann sich dann weiter drehen. Die andere Möglichkeit besteht darin, die ganz persönlichen individuellen Bedingungen desjenigen zu berücksichtigen oder auf die individuellen Bedingungen zu schauen. Welche Bedingungen sind ausschlaggebend für sein Verhalten? Ich teile das in 6 Obergruppen ein, die das Verhalten bestimmen. Sie werden erstaunt sein, wie komplex das Ganze ist. Wir haben zum einen kognitive Bedingungen geistige Fähigkeiten, Intelligenz, Konzentration zum anderen motivationale Bedingungen, Bedürfnisse, Wünsche, Überzeugungen. Dann gibt es emotionale Bedingungen, z. B. die Frage wie emotional belastbar jemand ist, ob er schnell aggressiv wird u. s. w.. Dann auch soziale Bedingungen. Wenn wir von Benachteiligung sprechen, denken wir oft an soziale Benachteiligung, bestimmte Klischees werden wach, soziale Bedingungen, Beziehungen zu anderen Menschen , Milieu und soziale Kompetenzen. Das sind die psychologischen Faktoren. Dann gibt es noch nichtpsychologische, organische Bedingungen. Ist z. B. jemand körperbehindert oder hat jemand eine Krankheit oder ähnliches. Dann gibt es noch umgebungsbezogene Bedingungen, z. B. die Bedeutung des Wohnortes oder die aktuelle finanzielle Situation. Nun stehen diese Bedingungen nicht für sich allein, sondern sie stehen in Wechselwirkung zueinander. Aus dieser Komplexität wird deutlich, dass es nicht möglich ist, den Blick lediglich auf Probleme beruflicher Natur zu richten. Denn das ist oftmals nur die Spitze des Eisberges. Berufliche Integration sollte Persönlichkeitsentwicklung heißen. Ich habe nun verschiedene Einrichtungen befragt, z. B. Jugendclubs und Streetworker. Ich gelangte zu dem Eindruck, dass die Thematik Berufsorientierung etwas Losgelöstes ist. Also etwas, was von der Lebenswelt des Jugendlichen abgetrennt zu sein scheint. Nehmen wir das Beispiel Schule. Stellen sie sich eine 9. Klasse vor. Die Tür geht auf, da steht der Beratungslehrer. Er hat ein Paket unterm Arm und sagt:„So liebe Schüler, jetzt habe ich euch etwas mitgebracht, hier das Buch „Berufe aktuell“. Ein tolles Buch, wie ich persönlich auch finde. Das könnt ihr jetzt mal angucken. Da stehen so verschiedene Berufe darin und denkt daran, es wird Zeit, sich zu bewerben.“ Danach bricht die große Panik aus und letztendlich greift alles in die große Tombola und greift das heraus, was an Ausbildungsstellen noch da ist.

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Meiner Meinung nach müsste Berufsorientierung nicht erst 2 Jahre vor Schulabschluss integriert werden, sondern viel eher, schon für Kinder. Das Thema Ausbildung und Job sollte frühzeitig in die Lebenswelt integriert werden. Die Komplexität macht den Praktikern oft deutlich, dass die eigene fachliche Kompetenz nicht ausreicht und dass es sehr wichtig ist, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber dazu später. Jetzt noch ein Beispiel für Integration, Ausbildung und Job sowie Lebensweltorientierung. Ich habe lange überlegt und bin auf die Idee gekommen, über eine Einrichtung zu sprechen, die sich nach dem Gerät zur Bestimmung der Himmelsrichtung benannt hat, und zwar über den „Kompass-Job-in-Club“. Da bin ich ganz zufällig auch selber Mitarbeiter. In unserer Einrichtung versuchen wir die Integration zu leben. Und hier auf diesem Bild ganz explizit, das ist unsere Einrichtung am Schützenplatz. Ich möchte sie alle einladen, einmal vorbeizukommen. Da können sie sich das aus der Innenperspektive heraus betrachten. Das ist ein Bild von unserem Sommerfest. Integration. Jugendliche haben Verantwortung übernommen, in dem sie den Grill bedient haben. Integration ist hier auch kultureller Natur. Das ist Marco, er stammt ursprünglich aus Italien. Das ist der Sergej, der wollte heute auch kommen. Na gut, was immer ihn für Bedingungen dazu bewogen haben mögen, heute nicht zu kommen. Es sei ihm verziehen. Also kulturelle Integration. Aber auch Integration von Bedürfnissen. Bedürfnisse gibt es bekanntlich viele, z. B. physiologische Grundbedürfnisse. Physiologische Grundbedürfnisse, also sie sehen hier Bratwürste und Steaks. (Bildwechsel) Damit können grundlegende Bedürfnisse gestillt werden. Aber auch das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, wobei jeder seine eigene Strategie hat, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Oder das Bedürfnis nach lustvoller sportlicher Betätigung. Wie hier im besonderen Falle durch Bogenschießen. Also Integration funktioniert bei uns nach dem Motto, das Leben ist viel zu bedeutend, als das man es ernst nehmen könnte. Also es soll eine Verquickung stattfinden zwischen der Thematik Job und Ausbildung einerseits und Freizeitinteressen andererseits. Freizeitinteressen, wir haben ein Internetcafe, wo sich Jugendliche betätigen können und jetzt neuerdings - allerdings eingeschränkt - Computerspiele spielen dürfen. Es ist eine Mischung aus offenem Jugendtreff und Beratungsstelle zur Orientierung für Ausbildung und Job. Also eine bunte Mischung, wo versucht wird mit Synergieeffekten zu arbeiten. Stichwort Synergie: Es gibt verschiedene Einrichtungen bei verschiedenen Trägern. Und naheliegend ist natürlich der Gedanke, erst einmal gegeneinander zu arbeiten. Aber das es nicht so sein muss, das beweist z. B. der Kooperationsverbund, den Herr Lippmann heute vorgestellt hat. Das ist eine Mischung aus dem Jobladen der QAD mbH, der Beratungsstelle Lee(h)rlauf vom Jugendamt und der Kompass-Job-in-Club in Trägerschaft der DAA. Und dieser Kooperationsverbund wirbt mit einem Flyer, in dem wir uns gemeinsam darstellen. Es geht also durchaus miteinander. Es reicht aber nicht, das die Projekte der Jugendberufshilfe miteinander kooperieren, sondern da muss noch mehr passieren. Ein Beispiel möchte ich ihnen zeigen. Ich weiß nicht, wer von ihnen die Stadtteilrunden kennt. Das ist eine wunderbare Möglichkeit, nicht

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gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten. Angebote sinnvoll zu ergänzen und letztendlich im Sinne von Transparenz Informationen auszutauschen. Da habe ich hier etwas heraus gesucht, und zwar am Beispiel zweier Stadtteile. Zunächst mal Stadtteilrunde Friedrichstadt/Mitte. Ich habe ihnen einfach eine Teilnehmerliste kopiert, und da können sie sehen, wer da alles mitmacht, z. B. outlaw , Allgemeiner sozialer Dienst des Jugendamtes, die 17. Mittelschule, KOJA– offener Jugendtreff, dann Caritas-Familienberatung, Koja Betreutes Wohnen, das Umweltzentrum, der Kompass-Job-in-Club und das Riesa efau. Und als besonderen Bonbon sehen sie hier, Herrn Bernecker, er war an diesem Tag bei uns und hat uns Informationen geliefert. Das andere Beispiel wie sich Einrichtungen, welche mehr oder weniger mit Jugendarbeit zu tun haben, zusammensetzen können, ist die Stadtteilrunde Gorbitz. Sie sehen hier die Insel, ein offener Jugendclub, das Projektehaus, der Kompass-Job-in-Club, die Alte Feuerwehr, die Streetwork Cotta, die Kümmelschänke , den Jugendsurfer.... Also verschiedene Einrichtungen, die letztendlich ein Synergienetz bilden. Lange Reden schaffen kurze Tage. Also jeder Dummkopf kann bekanntlich eine Rede beginnen, aber es ist immer schwierig eine Rede zu beenden. Lassen sie’s mich machen mit dem Satz: Lange Reden kurzer Drink und ein Prost auf Offenheit für Entwicklungsprozesse. Denken sie an den Herrn Pygmalion und an Offenheit für Zusammenarbeit, Kooperation und Vernetzung und an die Synergie.

Jugendberufshilfe und Schule – Zusammenfassung der Arbeitsgruppe I Carsten Ungewitter, Diskurs e. V. Wenn wir darüber sprechen wollen, wie Jugendlichen geholfen werden kann, ihren beruflichen Weg zu finden, sich zurecht zu finden in unserer modernen Arbeitsgesellschaft, dann müssen wir zu allererst eine Standortbestimmung versuchen, uns vergegenwärtigen, wie diese Arbeitsgesellschaft eigentlich aussieht, wie sie sich entwickelt hat, und welche Entwicklungen sich in ihr momentan vollziehen. Wir müssen uns also, wenn wir uns mit "Jugendberufshilfe" beschäftigen, ich verstehe darunter vor allem eine Arbeits- und Lebensorientierung für Jugendliche, mit drei wesentlichen Themen beschäftigen: Mit einer sich verändernden Arbeitsgesellschaft, mit der Biographie des Einzelnen darin und mit der Funktion von Bildung. Diese Themen möchte ich im folgenden kurz ansprechen, um im Anschluss daran einige Thesen zu einer Arbeits- und Berufsorientierung in einer sich verändernden Arbeitsgesellschaft zu formulieren.

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1. Veränderte Arbeitsgesellschaft Das erste Thema betrifft die Veränderungen unserer Arbeitsgesellschaft. Dies ist eine umfassende und komplexe Debatte, die ich hier nur anreißen kann. Vielleicht seit Anfang der 80er Jahre gibt es innerhalb der Sozialwissenschaften eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Entwicklung dessen, was für uns heute in Form von Lohnarbeit allgegenwärtig ist. So allgegenwärtig, dass wir uns selten bewusst machen, dass diese Form der Arbeit ein vergleichsweise neues Phänomen ist, das erst im 19. Jahrhundert entstand. Aber eben diese, für uns so selbstverständliche und trotz 4 Millionen Erwerbsloser aus unserem Leben kaum noch wegzudenkende Form der Lohn- bzw. Erwerbsarbeit, die nicht nur die Identität des Einzelnen, sondern auch den persönlichen und gesellschaftlichen Lebensrhythmus sowie eigentlich das gesamte soziale Leben dominiert, steckt in der Krise. Zumindest momentan wird nur ein Teil der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte überhaupt gebraucht. In Deutschland sind es 10-25 %, wenn man die sogenannte versteckte Reserve des Arbeitsmarktes hinzurechnet, die offensichtlich nicht gebraucht wird. Und während also die Gesamtmenge der Lohnarbeit abnimmt, nimmt die individuelle Bedeutung von Erwerbsarbeit keineswegs ab - sondern eher im Gegenteil. Nach der Devise: was knapp ist, ist viel wert. Vor dem Hintergrund einer verschärften Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, einer großen Anzahl von BewerberInnen pro Ausbildungsstelle, können wir entsprechend einen veränderten Umgang in den Bereichen Arbeit und Berufswahl, sowohl in Schule als auch in der Familie beobachten. Die Frage, ob man selbst, seine SchülerInnen oder seine Kinder eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz bekommen, gehört mit zu den wichtigsten. Gleichzeitig gibt es immer weniger Lebensbereiche, die nicht monetarisiert sind, d.h. die nicht der wirtschaftlichen Logik unterworfen sind. Erwerbsarbeit entscheidet daher in hohem Maße über die Möglichkeiten der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, an der politischen und zivilgesellschaftlichen Partizipation. Innerhalb dieses Dilemmas spielen sich auch die Überlegungen Jugendlicher zur Berufswahl ab. Wie die Zukunft aussehen wird, ist dabei kaum absehbar. Wird ein erneuter Produktivitätsschub in den Bereichen der Dienstleistungen die demographischen Veränderungen überwiegen? Wird es in Zukunft noch mehr Arbeitslose geben? Oder führt ein Rückgang der Geburtenzahlen dazu, dass auch die Arbeitslosenquote sinkt? Wer sich hier auf einfache Rechnungen beruft und glaubt, sichere Prognosen wagen zu können, muss unseriös erscheinen. Wir wissen es schlichtweg nicht. Die Debatte über das Ende der Erwerbsarbeitsgesellschaft bzw. über die Zukunft der Arbeit wird daher andauern. Eines jedoch ist so gut wie sicher: Ein lebenslanger Arbeitsplatz wird in Zukunft eher die Ausnahme sein, ebenso wie das sogenannte "Normalarbeitsverhältnis". Wir werden eine weitere Flexibilisierung erleben - ob wir wollen oder nicht. Wir werden die Nebenwirkungen dieser Entwicklung erleben, wir werden die Umstrukturierung und den Abbau sozialer Sicherungssysteme erleben. Und wir werden

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eine weiter zunehmende Dominanz marktwirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten in den verschiedenen Lebensbereichen erleben, ob das nun Krankenversicherung oder Rentenversicherung, soziale Dienste oder Bildung sind. Dies bedeutet auch, dass der Teil, der nicht an der Erwerbsarbeitsgesellschaft teilnehmen kann, hier von vorne herein ins Hintertreffen gerät. Jugendliche müssen sich mit diesen Entwicklungen auseinander setzen. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, sich die Debatte anzueignen und die Zukunft mitzugestalten. Sie müssen die Risiken unserer Gesellschaft kennen lernen, genauso wie die Chancen, die eine damit ebenfalls einhergehende Freiheit bietet. Eines sollen sie meines Erachtens nicht: Sich blind an die sogenannten Erfordernisse des Arbeitsmarktes anpassen. Sie sollen gestalten, nicht die Krisen managen. Sie sollen Visionen haben, anstatt frühzeitig die Frustration zu erleben, den Anforderungen nicht zu genügen und als Mensch nicht viel wert zu sein, weil sie für den Arbeitsmarkt nicht taugen. 2. Das Verhältnis zur eigenen Biographie Das zweite Thema, das in diesem Kontext von entscheidender Bedeutung ist, betrifft die Biographie Jugendlicher und das individuelle Verhältnis zum eigenen Lebensverlauf. Offensichtlich ist, dass die Möglichkeiten der Gestaltbarkeit der eigenen Biographie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts stark zugenommen haben. Es gibt wesentlich größere Variationsmöglichkeiten, die der einzelne bei seiner Lebensgestaltung in Betracht ziehen kann. Es gibt eine große Zahl möglicher Bildungswege, eine Vielfalt von Berufen und außerberuflichen Betätigungsmöglichkeiten. Ich kann in anderen Ländern arbeiten, ein Babyjahr machen, meinen Beruf wechseln etc. Das muss ich im Einzelnen nicht weiter erläutern. Diese Entwicklung ist aber widersprüchlich. Tatsächlich unterliegen viele dieser Möglichkeiten einem hohen Normierungsdruck. Vieles von dem, was vordergründig als Chance, als freiwillige Möglichkeit erscheint, ist tatsächlich von so großer Wichtigkeit für eine Berufskarriere, dass das, was wie eine ungeahnte Vielfalt an Möglichkeiten aussieht, eher eine Bedingung für beruflichen Erfolg ist. Die Möglichkeiten haben sich zwar vervielfacht, die Ausrichtung und die Zweckbestimmung dieser jedoch nicht. Dies hat starken Einfluss auf das Verhältnis, das der Einzelne zu seinem eigenen Lebensverlauf hat. Biographie unterliegt also auch hier einem gestiegenen Druck, insofern sie selbst quasi zum Aushängeschild wird für Qualifikation und Erfahrung. Der Einzelne gewinnt in dieser Entwicklung ein zunehmend instrumentelles Verhältnis zu seiner eigenen Biographie. Bestimmte Erlebnisse, Betätigungen, Ereignisse gewinnen vor diesem Hintergrund eine ganz neue Qualität. Sie sind nicht mehr in erster Linie existenzielle Lebenserfahrung, sondern sind Erfahrung für etwas. Vor diesem Hintergrund läuft selbst politisches und soziales Engagement Gefahr, nicht mehr für sich selbst zu stehen und einen eigenen Wert zu haben, sondern gut zu sein für die eigene Karriere.

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Ich möchte Ihnen das etwas verdeutlichen: Immer öfter wird betont, dass soziales und politisches Engagement die soziale Kompetenz befördert. Dies wird nicht nur deswegen betont, weil es im gemeinschaftlichen Zusammenleben erstens schön ist, sich für eine Gemeinschaft zu engagieren, und zweitens hilfreich ist, mit den Mitmenschen sozial kompetent (man könnte auch sagen: freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit, fähig zur Konfliktlösung) umgehen zu können, sondern vor allem, weil soziale Kompetenz auf dem „Arbeitsmarkt“ als wichtige Schlüsselqualifikation angesehen wird gemeinsam mit einigen anderen. Die Gefahr sehe ich dabei, dass es immer weniger Dinge im Leben gibt, die für sich stehen, für sich genossen werden können und für sich zu einem glücklichen und zufriedenen Leben beitragen. Vieles von dem, was im Leben eine Rolle spielt, scheint sich an den Voraussetzungen zu orientieren, konkurrenfähig zu sein und beruflichen Erfolg zu haben. Die eigene Biographie orientiert sich in diesem Kontext also stark an den Rahmenbedingungen unserer Arbeitsgesellschaft und unseres Arbeitsmarktes. Erfolg im Beruf scheint so zu einer Bedingung der Möglichkeit eines zufriedenen und guten Lebens zu sein, was auch bedeutet, dass vor dem Hintergrund einer hohen Arbeitslosigkeit und einer ungewissen Zukunft unserer Arbeitsgesellschaft die Möglichkeiten dazu zwangsläufig begrenzt sind und nicht allen offen stehen. Verändertes Verhältnis zur Bildung: Der dritte Bereich, in dem wir Veränderungen feststellen können, bezieht sich auf die Bildung, ihre Politik und ihre Institutionen wie z.B. Schule. Der in letzter Zeit immer stärker an Bildung heran getragene Anspruch, diese könne bei der Bewältigung der hohen Arbeitslosigkeit ihren Beitrag leisten, führt in der Tendenz zu einer stärkeren Ausrichtung von Bildungsinhalten an Erfordernisse des Arbeitsmarktes. Diese Entwicklung scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein, schließlich ist die individuelle Chance, mit einem guten Bildungshintergrund einen Arbeitsplatz zu bekommen, offensichtlich größer. So treten überall Kooperationen zwischen Wirtschaft und Schule auf den Plan, die beispielsweise die Verbesserung der "Ausbildungsfähigkeit" zum Ziel haben sollen. Neben der Tatsache, dass eine bessere Bildung von wenigen Ausnahmen abgesehen noch keine neuen Arbeitsplätze schafft, sondern eher die Konkurrenz zwischen den Bewerbern forciert, führt diese Entwicklung dazu, dass Bildung in erster Linie ein Mittel zum Zweck wird, auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Der Aspekt von Bildung, der helfen könnte, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen, sich die eigene Welt zu erschließen und in ihr gesellschaftlich und politisch zu handeln, verliert demgegenüber an Bedeutung. Dazu würde nämlich gehören, zu lernen, sich mit der gegenwärtigen Situation politisch auseinander zu setzen und Möglichkeiten zu bekommen, diese Arbeitsgesellschaft mit zu gestalten.

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Und dazu würde nicht zuletzt auch gehören, zu lernen, wie man ein Leben auch ohne Erwerbsarbeit leben kann, ohne dass dies ausschließlich defizitär besetzt wäre. Eine Erziehung und Bildung fast ausschließlich im Hinblick auf einen Arbeitsmarkt, von dem später 20 % ausgeschlossen bleiben, ist zynisch. Arbeits und Berufsorientierung in einer sich verändernden Arbeitsgesellschaft Die Situation, in denen Jugendliche sich heute befinden, möchte ich in den folgenden Stichpunkten versuchen, zu verdeutlichen: ¾ Unsicherheit im Kontext einer Veränderung unserer Arbeitsgesellschaft ¾ Angst vor Arbeitslosigkeit ¾ Angst, keine Lehrstelle zu finden ¾ gleichzeitig hoher gesellschaftlicher Stellenwert von Konsumbefriedigung ¾ Widersprüche zwischen einerseits hoher "Arbeitsorientierung" und andererseits starker "Bedürfnisorientierung" (Spaßgesellschaft) ¾ Widerspruch zwischen tradierter Orientierung an einer "Normalbiographie" und Notwendigkeit von Flexibilisierung durch "Arbeitsmarkterfordernisse" ¾ Scheinbar hohe Anforderungen an die eigene Qualifikation ¾ Klima des Wettbewerbs und der Konkurrenz in fast allen gesellschaftlichen Bereichen Die Erfahrungen in den Seminaren des Diskurs e. V. zu "Arbeits- und Berufsorientierung in einer sich verändernden Arbeitsgesellschaft" in Mittelschulen haben gezeigt, ¾ dass Jugendliche nach wie vor durch starke Berufsorientierung geprägt sind: Erwerbsarbeit ist aus dem Leben der Jugendlichen nicht wegzudenken. ¾ Gleichzeitig wird Arbeitslosigkeit zwar als gesellschaftliches Problem gesehen, aber nicht als persönliches Problem wahrgenommen ("mich wird es nicht treffen"). ¾ Arbeitslosigkeit wird demgegenüber in hohem Maße als persönliches Versagen angesehen. Soziale Probleme werden individualisiert. ¾ Der gesellschaftliche Kontext von Arbeit wird so gut wie nicht reflektiert (Sinn & Unsinn von Tätigkeiten in Bezug auf persönliche Präferenzen, Arbeitsteilung, gesellschaftliche Funktion). ¾ Viele Möglichkeiten sind kaum bekannt: z.B. FÖJ, FSJ, Freiwilligendienste, Au pair, Tätigkeiten außerhalb der ökonomischen Sphäre, Tauschringe, lokale Ökonomie. Vor diesem Hintergrund muss Berufsorientierung meines Erachtens vor allem eines sein: Lebensorientierung. Eine Lebensorientierung, die Arbeit und Beruf nicht ausklammert, aber betont, dass es andere Bereiche im Leben gibt, die mindestens ebenso wichtig sind, und die aufzeigt, dass

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nicht alleine aufgrund der Tatsache, arbeitslos zu sein, oder keine oder nicht die gewünschte Lehrstelle zu bekommen, das Leben als gescheitert anzusehen ist. Arbeits- und Lebensorientierung muss also eingebettet sein in eine umfassende Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie sowie mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. In unseren Seminaren versuchen wir daher, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und mit diesen zusammen Bedeutung und Stellenwert von Arbeit und Beruf zu reflektieren. Einen Schwerpunkt bilden dabei Erkundungen der Jugendlichen, Reportagen, in denen sie die Möglichkeit haben, mit Anderen über ihre Erfahrungen in ihren Beruf und in ihrem Leben zu sprechen. Wir bieten ihnen Gelegenheit, in Betrieben Mitarbeiter zu interviewen oder Passanten auf der Straße. Die Fragen drehen sich dabei um so unterschiedliche Themen wie z.B. Arbeit, Beruf, Leben, Arbeitslosigkeit, Traumjob oder Glück. Wir veranstalten diese Seminare in Kooperation mit Schulen und einzelnen Schulklassen als zweioder dreitägige Workshops. Der erste Tag dreht sich in der Regel um die eigenen Vorstellungen vom Leben. In verschiedenen Methoden bekommen SchülerInnen die Möglichkeit, sich über ihre Werte zu verständigen und unterschiedliche Biographieentwürfe zu diskutieren. Ein Schwerpunkt ist dabei die Frage, welchen Stellenwert Arbeit im Leben einnehmen kann und soll, sowie die Frage, welche Tätigkeiten von SchülerInnen als sinnvoll erachtet werden. Stoff für kontroverse Diskussionen liefert zum Beispiel immer wieder die Frage, ob man eine berufliche Tätigkeit auch dann ausführen würde, wenn sie den eigenen Werten und Wünschen zuwider läuft. Aus diesen Diskussionen entstehen Fragen, die Ausgangspunkt für die Erkundungen am zweiten Tag sind. In Kleingruppen gehen die SchülerInnen los und konfrontieren andere Menschen, auf der Straße, in Geschäften oder Betrieben mit ihren gesammelten Fragen. Abschluss und Höhepunkt ist die Präsentation der einzelnen Reportagegruppen in Form einer spielerischen Pressekonferenz. Hier wird noch einmal diskutiert, hier werden die Antworten und offen gebliebenen Fragen erneut auf die persönliche Zukunft und die eigenen Wünsche bezogen. Dies als praktisches Beispiel und Illustration eines vom Diskurs e.V. entworfenen Konzeptes zur Arbeits- und Berufsorientierung. Was Berufs- oder Arbeits- oder Lebensorientierung, wie ich sie am liebsten nennen möchte, leisten sollte, möchte ich abschließend in 11 Thesen formulieren. Berufsorientierung versus Anpassung an den Arbeitsmarkt? ¾ Berufsorientierung bedeutet meistens Sozialisierung im Hinblick auf unsere Arbeitsgesellschaft. ¾ In klassischer Berufsorientierung ist eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Aspekten von Arbeit nicht vorgesehen.

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¾ Berufsorientierung, wie sie augenblicklich verstanden wird, verschärft oft die Konkurrenzsituation unter den Schülern zusätzlich. ¾ Die momentane Tendenz, den Forderungen der Wirtschaft zu entsprechen und bereits in der Schule stärker auf Bedürfnisse der Wirtschaft einzugehen, verhindert eher eine umfassendere und wünschenswerte "Berufs- und Arbeitsbildung". ¾ Durch eine sogenannte "Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit" kann den Problemen Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel nicht angemessen begegnet werden. Statt dessen sollte ¾ Berufsorientierung (oder Arbeitsorientierung) eine umfassende Auseinandersetzung sowohl mit den eigenen Wünschen wie auch mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglichen. ¾ Sie sollte weniger Anpassung an den Arbeitsmarkt sein, sondern vielmehr eine kritische Auseinandersetzung mit Arbeitsgesellschaft, Beruf und Ökonomie ermöglichen. ¾ Sie muss eingebettet sein in die Beschäftigung mit der eigenen Biographie, und mit existenziellen Lebenszielen und somit Teil einer umfassenden politisch – sozialen Bildung sein. ¾ In den Themen rund um Arbeit, Arbeitslosigkeit und Beruf kristallisieren sich grundlegende Probleme und Dilemmata unserer Gesellschaft. Diese müssen Anlass zu fruchtbaren Diskussionen werden - auch und gerade in der Schule. ¾ Schülerinnen und Schüler müssen insofern die Möglichkeit bekommen, sich mit den Veränderungen unserer Arbeitsgesellschaft auseinanderzusetzen. ¾ Anstatt Leistung und Wettbewerb bereits in der Schule zu alles bestimmenden Kriterien werden zu lassen, muss Raum für solidarisches Handeln (abseits von Marktzwängen) bleiben und entstehen können.

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Jugendberufshilfe und Drogenproblematik – Zusammenfassung der Arbeitsgruppe II Veronika Mühlhausen, Aktion Jugendschutz Sachsen e. V. In der Arbeitsgruppe Jugendberufshilfe und Drogenproblematik hatten wir 2 Referenten, die zunächst ein Inforeferat gehalten haben. Das waren Frau Kawelke und Herr Barth von der Jugend- und Drogenberatungsstelle Dresden. Anschließend wurde ein Projekt durch Frau Gaeth vorgestellt, das Haus an der Polz von der Balance gGmbH. Das ist ein stationäres Jugendhilfeangebot, welches für Rauschmittel abhängige und Rauschmittel missbrauchende Jugendliche entwickelt wurde. Ausgehend von den Darstellungen von Frau Kawelke und Herrn Barth, welche die Arbeit der Jugendund Drogenberatungsstelle vorstellten, aber auch aufzeigten, wo Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit der Jugendberufshilfe bestehen, hat es sich herauskristallisiert, dass eine Zusammenarbeit von Jugendberufshilfe und Drogenberatung unbedingt notwendig ist. Denn wenn Jugendberufshilfe ihr Ziel erreichen möchte, dann muss sie den lebensweltlichen Zusammenhang betrachten. Dies bedeutet oftmals, dass die Jugendlichen, die von Suchtmitteln abhängig sind, Probleme haben, ihren Alltag zu organisieren. Damit sie bestimmte Maßnahmen in der Jugendberufshilfe umsetzen und durchhalten können, ist aus dieser Sicht eine ganz dringende Zusammenarbeit zwischen beiden Stellen notwendig. Dass es in Dresden schon erste Ansätze diesbezüglich gibt ist wichtig. Frau Queißer hat die Sicht der Jugendberufshilfe dargestellt. Zukünftig sollen in Dresden in Zusammenarbeit eines Werkstattprojektes mit der Drogenberatungsstelle ganz konkrete Möglichkeiten für 12 Jugendliche, die Probleme mit dem Suchtmittelgebrauch oder -missbrauch haben, geschaffen werden. Dabei müssen noch bestimmte Dinge genau durchdacht und geklärt werden. Die Mitarbeiter aus Jugendberufshilfe-Maßnahmen müssen weiter im Umgang mit Suchmittel gebrauchenden Jugendlichen geschult werden, damit sie wissen, was sie von den Jugendlichen überhaupt erwarten können. Sie müssen geschult werden, damit sie wissen, wie weit die Toleranz gehen kann, die man diesen Jugendlichen entgegenbringen muss, um sie für den Arbeitsmarkt arbeitsfähig und bereit zu machen. Des Weiteren wurde festgestellt, dass dazu zwischen Jugendberufshilfe und der Drogenberatungsstelle ein gemeinsames Konzept erarbeitet werden muss. Es müsste die finanzielle Absicherung geregelt sein und überlegt werden, wie viel und welche spezielle Betreuung diese Drogen gebrauchenden oder ehemals Drogen gebrauchenden Jugendlichen benötigen.

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In der Arbeitsgruppe war es für uns wichtig, durch Frau Gaeth konkrete Erfahrungen aus dem Projekt der Balance gGmbH vermittelt bekommen zu haben. Das Projekt besteht seit 5 Jahren in Brandenburg. Es integriert für Drogen gebrauchende Jugendliche Jugendberufshilfe-Maßnahmen, z.B. eine Weiterführung der Schulausbildung oder auch die Möglichkeit einer Berufsausbildung. Also komplexe Arbeit in der gesamten Maßnahme. Hierbei entstand in der Gruppe eine rege Diskussion zur Problematik der Arbeit mit Jugendlichen, die ein Drogenproblem haben, insbesondere zu Fragen ihrer Motivation, ihrer Selbsteinschätzung. Es wurde diskutiert, wie der Zeitraum gestaltet sein müsste, wenn ein Jugendlicher aus dem Drogenkonsum aussteigen möchte, eine Entgiftung durchgeführt hat, und dann aber einen Zeitraum von mehreren Monaten überbrücken muss, um in eine abschließende Therapie zu gehen. Es wurde besonders heraus gearbeitet, dass es ein großes Problem ist, die Motivation des Jugendlichen so lange aufrecht zu erhalten. Im Großen und Ganzen würde ich sagen, ist die Zusammenarbeit Jugendberufshilfe und Drogenberatung unbedingt erforderlich und notwendig. Sie ist in Dresden schon in der richtigen Richtung begonnen worden. Es müssen aber noch Absprachen und Konzeptdiskussionen geführt werden.

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Jugendhilfe-Betriebe – Soziale Betriebe - Zusammenfassung der Arbeitsgruppe III Olaf Schwarzenberger, Europa-Zentrum Meißen e. V. An der AG nahmen ca. 25 TeilnehmerInnen (SozialarbeiterInnen, StudentInnen, GeschäftsführerInnen, MitarbeiterInnen des Arbeitsamtes) teil. Der Einstieg erfolgte mit Impulsreferaten von: •

Ute Dörmer und Tobias Schmieder – Vorstellung des Beschäftigungs- und Integrationsmodells der Integrationsgesellschaft Sachsen gGmbH (3 Stufen Modell)



Frau Zippel – Vorstellung des Beschäftigungs- und Integrationsmodells der FAB e. V., Crimmitschau (Jugendhilfezentrum)

Diskussionsbeiträge und Ergebnisse der AG: o

Vernetzung mit Wirtschaftspartnern ist für dieses Berufsfeld unumgänglich, Möglichkeiten bestehen in enger Kooperation zwischen Wirtschaftsunternehmen und Jugendhilfeträger (wie z.B. bei FAB e.V.) oder auch durch Einbeziehung als Gesellschafter (wie z.B. bei Integrationsgesellschaft Sachsen gGmbH)

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Die Ausgründung einer GmbH wäre nach Meinung von Herrn Schmieder für die perspektivische Weiterentwicklung der Angebote am günstigsten. Zu beachten ist dabei, dass die Arbeiten in Nischengebieten bzw. Handlanger- und Hilfsarbeiten bleiben (müssen), damit der Arbeitsmarkt nicht unterwandert wird. Die GmbH könnte die logistische Organisation der Subunternehmen übernehmen, die sich aus Jugendhilfeangeboten heraus als Unternehmen auf den Arbeitsmarkt begeben. Mit diesem Modell könnten im Anschluss einer Jugend-ABM, wo benachteiligte Jugendliche heran geführt, stabilisiert und für die Tätigkeit qualifiziert werden, Jugendliche direkt auf den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden. Ein weiterer Vorteil dieses Modells wäre, dass die Gewinne aus der GmbH als Eigenmittel direkt der gGmbH zu gute kämen, was damit sogar den öffentlichen Haushalt entlasten würde. Das Spannungsfeld dieses Modells liegt vor allem darin, soziale Belange mit beriebswirtschaftlichen zu koppeln.

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Es werden dringend niedrigschwellige Angebote gemäß § 13 KJHG, wie z.B. die Jugendwerkstätten benötigt, um benachteiligte Jugendliche an die Arbeit heran zu führen. Zumeist sind die Jugend-ABM zu hochschwellig für sozial benachteiligte Jugendliche, die bereits seit mehreren Jahren über keinerlei geregelte Tagesstruktur mehr verfügen. Eine Zuweisung und einzelfallbezogene Finanzierung über §78 KJHG hat sich nicht bewährt.

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Berufsorientierung muss vermehrt in den Schulen angestrebt werden, um u.a. eine langfristigere Berufswahl zu unterstützen und damit Ausbildungsabbrüche aufgrund falscher Vorstellungen über das Berufsfeld zu vermeiden.

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Weiterhin muss schneller auf die Veränderungen des Arbeitsmarktes reagiert und dementsprechend ausgebildet werden. So befinden sich die „klassischen“ Ausbildungsberufe im Schwinden, während neue benötigt, aber kaum ausgebildet werden. Die Planung des Arbeitsamtes ist diesbezüglich zu schwerfällig, was vor allem an der langfristigen Vorlaufplanung und der eingeschränkten Benachteiligtenförderung liegt.

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Betriebspraktika – Chancen und Risiken für Jugendliche in Beschäftigungsprojekten der Jugendberufshilfe - Zusammenfassung der Arbeitsgruppe IV Thomas Gericke, Deutsches Jugendinstitut Leipzig Grundlage der Diskussion war die Präsentation des Frauenförderwerkes Dresden e.V. durch deren Geschäftsführerin Frau Dr. Pietzsch, die insbesondere die sozial- und berufsbiographisch integrativen Potenziale der Praktika ihres Angebotes herausstellte. Die in der anschließenden Diskussion erarbeiteten Chancen von Betriebspraktika lassen sich wie folgt zusammenfassen: ¾ Betriebliche Angebote – auch Betriebspraktika - sind Angebote mit einem hohen Ernstcharakter, d.h. die Anforderungen entsprechen weitgehend den Anforderungen der realen Arbeitswelt. Das lässt sich unter den Bedingungen eines außerbetrieblichen Beschäftigungsprojektes auch bei hoher Professionalisierung nicht herstellen. ¾ Jugendliche, die erfolgreich betriebliche Praktika absolviert haben, tragen seltener das Stigma, "erst einmal richtig Arbeiten lernen zu müssen". Dieser Aspekt gewinnt mit der Dauer des Praktikums an Gewicht. ¾ Gleichzeitig ist das Lernen und Arbeiten unter betrieblichen Bedingungen insbesondere für “schulmüde” Jugendliche, eine andere, eher zu realisierende Lernchance, in deren Folge erlebbare Lernfortschritte wieder neue Motivationen schaffen können. ¾ Die Chancen nach einem betrieblichen Praktikum von dem Betrieb auch ein Beschäftigungs- oder Ausbildungsangebot zu erhalten, sind für den Jugendlichen in jedem Fall größer, als wenn er sich dem Betrieb als “Externer” nähern würde. Aber der Praktikumsort „Betrieb“ bietet auch dem Betrieb die Möglichkeit, Jugendliche kennenzulernen und sie ggf. anschließend zu übernehmen. ¾ Das Spektrum der angebotenen Beschäftigungsfelder und Ausbildungsgänge und Ausbildungsinhalte ist in betrieblichen Angeboten wesentlich breiter als in außerbetrieblichen Maßnahmen, in denen nach wie vor klassische Handwerksberufe - Maler, Tischler u.ä. dominieren. Für die Jugendlichen bedeutet das ein umfangreicheres Angebot und die Möglichkeit auf ein größeres Maß der Übereinstimmung mit ihren beruflichen Interessen und Neigungen, was wiederum motivationsstiftend wirken kann.

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Natürlich birgt der Betrieb als Lernort für Benachteiligte auch Risiken. Nicht ohne Grund ist es gerade für diese Jugendlichen schwer, Zugang zu einer betrieblichen Ausbildung oder Beschäftigung zu finden. Da sind auf der Seite der Jugendlichen die vergleichsweise schlechten schulischen und sozialen Voraussetzungen, um den Anforderungen einer betrieblichen Ausbildung oder Beschäftigung gerecht werden zu können, aber auch auf der Seite der Betriebe gibt es Bedingungen und Verfahrensweisen, die dem Qualifizierungsprozess der Jugendlichen im Betrieb zuwiderlaufen. Es gibt viele Hinweise darauf, dass der erste Schritt in die berufliche Marginalisierung häufig eine betriebliche Berufsausbildung war, die wegen qualitativ unzulänglicher Ausbildungsbedingungen abgebrochen wurde. Gleichzeitig haben sich auch in den Handwerksbetrieben, die ehemals traditioneller Lernort für Jugendliche mit ungünstigeren Voraussetzungen waren, modernisierungs- und wettbewerbsbedingt die Anforderungen erhöht, so dass ein Lernen bei der Arbeit, wie es früher für die handwerkliche Ausbildung charakteristisch war, für schlecht vorgebildete Jugendliche nicht mehr möglich ist. Diese grundsätzlichen Potenziale eines Betriebspraktikums für Jugendliche in Beschäftigungsprojekten gilt es vermehrt zu nutzen, indem die Vermittlung in betriebliche Praktika „passgenau“, d.h. den Erwartungen des Jugendlichen und des Betriebes folgend, geschieht. Dazu sind zunehmend standardisierte Verfahren (Assessment-Center, Potenzialanalyse etc.) einzusetzen. Der Integrationserfolg ist neben der passgenauen Auswahl aber auch von der Dauer des Praktikums und der Begleitung des Jugendlichen während des Praktikums abhängig. Hier gibt es auch bei den Förderrichtlinien der Arbeitsverwaltungen – z.B. für ABM - noch Anpassungsbedarf. Die gesamte Diskussion zeigte deutlich, dass ein nachhaltiger beruflicher und sozialer Integrationserfolg bei den Jugendlichen nur dann erreichbar ist, wenn sie mit den Anforderungen der realen Arbeitswelt konfrontiert werden. Betriebspraktika sind dabei eine Möglichkeit. Es ist dann die Aufgabe der Träger zu ermitteln, welche konkreten Hilfen und Unterstützungsleistungen die Jugendlichen benötigen, damit sie den Anforderungen der realen Arbeitswelt auch standhalten können. Nachtrag zur Diskussion: Am Rande des eigentlichen Themas wurden noch folgende Aspekte diskutiert, die im Kontext des Forums Jugendberufshilfe nicht unwesentlich sind: -

Es müssen in einem viel stärkeren Maß als bisher präventive Angebote in den Schulen darauf gerichtet sein, Benachteiligung gar nicht erst entstehen zu lassen, indem z.B. Schulmüdigkeit rechtzeitig erkannt und ihr begegnet wird.

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Die berufsorientierenden Angebote der Schule sind praxisnäher und nachhaltiger zu gestalten.

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Um die Integrationsleistungen des BVJ zu erhöhen, erwägt das Sozialministerium die Fokussierung des BVJ auf jeweils zwei Berufsfelder. Damit soll der Qualifikationsaspekt des

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BVJ und somit auch dessen Attraktivität für die Betriebe erhöht werden. Das BGJ soll zunehmend mit einem zertifizierten Abschlußverfahren beendet werden.

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Auswertung des Projektemarktes vom 19. November 2001 Björn Redmann und Florian Sichling, Studenten Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit (FH) Dresden Ich bin Florian Sichling, 26, und studiere Sozialarbeit an der Evangelischen Hochschule in Dresden. Mein Name ist Björn Redmann. Ich bin 23 Jahre und studiere ebenfalls Sozialarbeit in Dresden. Wir wollen ganz kurz auf das eingehen, was wir gestern zum Projektemarkt gemacht haben. Im Nachbarsaal hatten eine ganze Reihe Projekte der Jugendberufshilfe einen Stand aufgebaut. Vorgesehen war, dass zwei Gruppen von Jugendlichen - einmal um dreizehn Uhr und einmal um fünfzehn Uhr - zunächst einen Rundgang machen, wobei jedes Projekt etwa 2 bis 3 Minuten Zeit hatte, sich kurz vorzustellen. Und danach war unsere Idee, ein Gespräch mit den Jugendlichen zu führen. Alle Erwachsenen und Jugendlichen, die nicht daran teilnehmen wollten, wurden des Saales verwiesen. Dies geschah, um den geschützten Raum darzustellen und den Jugendlichen die Chance zu bieten, sich relativ unbefangen zu äußern. Methodisch hatten wir vorgesehen, zwei Wandzeitungen erstellen zu lassen. Als Einstieg in das Gespräch fragten wir nach Alltagserfahrungen der Jugendlichen in den Projekten und Institutionen. Und die zweite Frage galt den Zukunftsträumen. In der ersten Gruppe um 13 Uhr waren zirka 40 Jugendliche, hauptsächlich männlich, aus BVJ-Klassen der Stadt anwesend. Die zweite Gruppe, auch etwa 40 bis 45 Jugendliche mit einem höheren Mädchenanteil kam aus diversen ABM- Projekten. Auffällig war, dass fast keiner von ihnen freiwillig da war, und dass sich nach dem Rundgang der Großteil der Gruppen verabschiedet hat, also keinerlei Sinn in einem weiteren Gespräch gesehen hat. Wir haben niemanden dazu gezwungen. Bei denen, die geblieben sind, gab es ebenfalls wenig Bereitschaft sich zu äußern. Die erste Gruppe um 13 Uhr war dann doch noch relativ offen. Nachdem beide Gruppen jeweils eine Wandzeitung angefertigt haben zu Alltagserfahrungen und zu Zukunftsträumen, sind wir wieder im Plenum zusammengekommen und haben uns die Wandzeitungen angesehen und darüber gesprochen. Dabei sind ein paar Dinge deutlich geworden, die ich kurz ansprechen möchte: Es sind grundsätzlich mehr negative Erfahrungen und negative Wertungen zu Alltagserfahrungen vorhanden als positive. Das schwankt zwischen Monotonie, Sinnlosigkeit und Zeit absitzen. Auf der anderen Seite - neue Freunde kennen lernen und neue Erfahrungen machen. Neue Freunde kennen lernen, das ist die Frage, ob das innerhalb eines Berufsvorbereitungsjahres der Schwerpunkt ist. Neue Erfahrungen sammeln ist da eher sinnvoll und so zu werten. Als letztes zum Thema Alltagserfahrungen wurde noch die Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer bzw. Anleiterinnen und Anleiter bemängelt. Die Qualifikation, also die Fähigkeit einen Unterricht durchzuführen und die Fähigkeit zu sehen, welche Dinge für Jugendliche wichtig sind, wenn sie aus diesen BVJ-Klassen herausgehen. Es ist festzuhalten, die Alltagserfahrungen sind häufig sehr negativ.

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Wir haben in einem zweiten Schritt versucht noch zu sehen, was an positiven Alltagserfahrungen vorhanden ist. Deswegen sind dort ein paar positive Geschichten an der Wandzeitung. Sie wären nicht gekommen, wenn nicht noch einmal gefragt worden wäre. Zu den Zukunftsträumen und Wünschen war festzustellen, dass sich die Ergebnisse in einem Spannungsbogen zwischen persönlichen und beruflichen Wünschen bewegten. Bei persönlichen Dingen waren es durchaus handfeste materielle Dinge, wie irgendwann einmal einen BMW zu fahren. In Bezug auf die Arbeit war es wichtig, eine Perspektive zu haben, eine Festanstellung oder eine Aussicht auf eine Festanstellung zu haben, eine gute Bezahlung und nette Arbeitgeber. Es gab Forderungen, die konkret wurden und die gestellt wurden. Sie lassen sich zusammenfassen unter dem Stichwort Toleranz gegenüber den Jugendlichen und dass weniger auf Äußerlichkeiten, wie Zensuren oder Kleidung gesehen werden sollte als auf die Fähigkeiten. Und generell wurde sich mehr Unterstützung für Jugendliche gewünscht. Wie gesagt, das war die erste Gruppe um 13 Uhr. Dort sehen Sie die Wandzeitung der Gruppe am Nachmittag. Auffällig ist, dass sie wesentlich dürftiger ist. Ich fand das erschreckend. Wie gesagt, das war die Gruppe, die hauptsächlich aus ABM-Projekten kam. Sie waren wesentlich ruhiger und hatten eine geringere Motivation, sich überhaupt auf das Gespräch einzulassen. Wir hatten in der zweiten Runde ein oder zwei männliche Jugendliche. Wir hatten es vorwiegend mit Mädchen zu tun. Die meisten waren in ABM nach einer Ausbildung, nur wenige vor einer Ausbildung. Wir haben gemerkt, dass die Zettelmethode hier schwierig wurde. Deswegen haben wir die Fragen spontan im Plenum gestellt. Die Fragen haben wir einfacher formuliert. Zum Beispiel Wie geht es dir in deiner Einrichtung und was wünschst du dir? - Im Grunde , das war allen anzumerken, wären sie lieber nach Hause gegangen. Und es gab eine Art Druck zu bleiben, der von außen kam. Das Gespräch konzentrierte sich auf die Alltagserfahrungen und weniger auf die Wünsche. Das ist erkennbar auf den beiden Wandzeitungen. Oberflächlich sind die derzeitigen Tätigkeiten und die Erfahrungen in diesen Tätigkeiten in Ordnung. Nach 5 Minuten hätten wir das Gespräch abbrechen können. Wir haben dann versucht , zu problematisieren. Und bei genauerem Nachfragen wurde klar, dass die Beschäftigung im Grunde durchweg als sinnlos bezeichnet wurde. Persönlich wurde sie von manchem ein Stück weit als sinnvoll empfunden, das waren z. B. Nähen und Kochen. Aber eigentlich durchweg eher sinnlos. Die Motivation für die ABM war nicht zu Hause zu sitzen und nicht herum zu lungern. Eine weitere „Motivation“ war der Zwang. Die Motivation war der Zwang vom Arbeitsamt. Ganz praktisch sieht es so aus, wenn sie die ABM nicht annehmen, bekommen sie eine Kürzung. Ein wenig Geld zu verdienen war ebenfalls eine Motivation. Wichtig war, und das will ich noch einmal deutlich herausstellen - vom Arbeitsamt wird uns keine interessante

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Tätigkeit angeboten. Perspektivlosigkeit, Desillusionierung, sie hatten keine Zukunftsträume. Also wir haben versucht danach zu fragen. Frage aus dem Publikum: Ihr habt gesagt, dass bei den ABM-Teilnehmern keine interessanten Arbeiten angeboten werden. Habt ihr gefragt, was das für interessante Arbeiten wären? Antwort: Der Schwerpunkt lag in dem Fall nicht auf der Ausgestaltung der ABM, sondern darauf, dass wir gefragt haben: Ist das eine Perspektive für euch und entspricht das, was ihr momentan tut bzw. das was ihr angeboten bekommt, dem was ihr machen wollt. Ich sagte schon, jeder Jugendliche, jedes Kind hat Wünsche, einen Berufswunsch, der sich dann irgendwann klärt und der irgendwann konkret wird. Da hat unser Arbeitsamt gesagt, das ist überhaupt nicht machbar, das ist auf unserem Arbeitsmarkt, mit dem was wir angeboten bekommen nicht machbar. Wir haben nicht über die konkrete Ausgestaltung der ABM gesprochen. Frage aus dem Publikum: Welche Zukunftsträume gibt es? Antwort: Wir haben versucht, konkret nachzufragen. Und ich kann nur sagen, es kommt nichts. Vielleicht war die Stimmung so. Wenn man mit Alltagserfahrungen anfängt, wenn man mit negativen Geschichten anfängt, dann ist es schwierig, über Zukunftsträume und Wünsche zu reden. Aber es ist kaum noch etwas davon vorhanden. Es war auffällig, dass die zweite Gruppe durchweg negativer in ihren Einschätzungen war. In Bezug auf ihre Zukunftsträume war ein Statement, dass man sie hätte, wenn man jünger ist, aber dass sie einem im Laufe der Zeit kaputt gemacht werden. Frage aus dem Publikum: Ich hätte gern die Frage beantwortet, was die Intension war, genau diese Fragen zu stellen? Es sind ja doch Fragen, die tiefgehend sind, die sehr persönlich sind. Antwort: Das war genau der Grund, warum die Gespräche nicht in diesem Plenum stattgefunden haben, sondern in einem geschützten Raum, in einem Kreis von Jugendlichen. Also wir wollten einen Austausch über Träume und einen gegenseitigen Abgleich, ausgehend von den jetzigen Erfahrungen und Ausblicken für die Zukunft. Das Ergebnis wollen wir in diese Expertenrunde hinein tragen. Meine Erfahrung mit Jugendgruppen ist, dass sich zwei Dinge gut thematisieren lassen. Erstens, wenn ich sie nach ihren Alltag frage, Dinge die sie einfach benennen können und zweitens, wenn ich sie nach ihren Wünschen frage. Schwierig war, dass wir die Gruppen nicht kannten und dass die Zeit knapp war. Wir wollten ihnen einen Raum zum Reden geben und wollten die Ergebnisse in diese Runde tragen. Sie

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sollten spüren, ihr werdet mal gefragt. Das ist unser Eindruck, dass das viel zu selten passiert und im Grunde genommen in diesen Maßnahmen überhaupt nicht passiert.

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Auszüge aus der Podiumsdiskussion „Worin werden zukunftsfähige Ansätze der Jugendberufshilfe gesehen? Welche Ansprüche und Gestaltungaufgaben leiten sich daraus ab?“ Aline Fiedler, Stadträtin und stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Ich bin heute hier als Vertreterin des Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, Herrn Oberbürgermeister Roßberg, weil er heute leider nicht teilnehmen kann. Ich möchte nicht nur zum Thema sprechen, sondern auch Ihre Vorstellungen hören und diese dann an die entsprechenden Stellen des Stadtrates und des Jugendhilfeausschusses transportieren. Als ich mich auf diese Veranstaltung vorbereitet habe, musste ich als Mitglied des Jugendhilfeausschusses selbstkritisch feststellen, dass wir uns in der nächsten Zeit intensiver mit dem Thema Jugendberufshilfe beschäftigen sollten. Ich werde damit beginnen und im nächsten Jugendhilfeausschuss um die Vorstellung der Ergebnisse der heutigen Tagung bitten. Nun zu meinen Vorstellungen: Ich denke, wir müssen dazu kommen, den Wirkungsgrad der jetzigen Angebote zu hinterfragen um zu sagen, was gut und was nicht so gut läuft. Zum Beispiel habe ich von der Arbeitsgruppe „Initiativen der Jugendberufshilfe“ erfahren, dass der Informationsfluss zwischen der AG und dem Jugendhilfeausschuss verbessert werden muss. Des weiteren müssen wir frühzeitiger mit Jugendberufshilfe und Berufsorientierung beginnen. Wir sollten nicht erst anfangen zu reagieren, wenn der Problemfall entstanden ist, sondern intensiver mit den Schulen zusammenarbeiten, aber auch die spezielle Beratungsstellen nutzen. Dazu müssen die verschiedenen Partner, die an diesem Thema arbeiten, stärker kooperieren. Die in diesem Zusammenhang am 21.08.2000 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen dem Oberbürgermeister, der IHK, der Handwerkskammer, dem Arbeitsamt, dem Regionalschulamt und dem Deutschen Gewerkschaftsbund bietet dafür eine wichtige Grundlage. Was sind Perspektiven der Jugendberufshilfe? Ich habe mir die Rede von Herrn Lippmann geben lassen und denke, dass er schon viele Möglichkeiten benannt hat. Gerade die sozialen Betriebe, als Verbindung von sozialpädagogischem Ziel und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten, sind eine Möglichkeit, die wir für Dresden diskutieren sollten.

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Jochen Schnabel, Referent des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie: Es gibt in Dresden, das ist sehr erfreulich, wie in vielen anderen sächsischen Kommunen eine Kooperationsvereinbarung zur beruflichen Integration benachteiligter Jugendlicher. Diese möchte ich jetzt mit einem Bild vergleichen: Hier sind sechs kleine Boote, in ihnen sitzt jeweils einer und rudert. Die Kooperationsvereinbarung ist dabei der minimale Konsens. Man hat sich verständigt in die gleiche Richtung zu rudern. Aber man hat sich noch nicht abgestimmt, ob man im gleichen Tempo rudert, wie man sich mit den Rudern nicht ins Gehege kommt oder wie man mit kritischen Situationen umgeht. Ich möchte damit sagen, dass der nächste Schritt darin bestehen könnte, gemeinsam einen etwas größeren Kahn zu besteigen und gemeinsam zu rudern. Wir haben unwahrscheinlich viele Regelungen, Netzwerke, Arbeitsgruppen und ähnliches. Die Ressourcen sind begrenzt. Und derzeit ist für den Bereich der Jugendberufshilfe leider nicht mehr Geld in Aussicht. Für Dresden klingt das für die Jugendhilfe mit 16 Millionen DM statt 13 Millionen DM erfreulich. Wie die Akzente gesetzt werden und was konkret für den Bereich Jugendberufshilfe zur Verfügung steht, das wird der Jugendhilfeausschuss in der nächsten Zeit beschliessen. Wünschenswert ist es, dass man sich im Arbeitskreis Jugendberufshilfe nicht nur informiert, sondern Wege und Möglichkeiten findet, gemeinsam tätig zu sein. Im Jugendhilfeplan Dresden, im Ausschnitt Jugendberufshilfe steht unter dem Stichwort mittelfristige Aufgabenstellung die Gründung eines sozialen Betriebes für benachteiligte Jugendliche. Das könnte ein konkretes Projekt sein, in dem man in der Konzeptionsphase gemeinsam tätig wird, um die Sache auf breite Schultern zu heben und zu beginnen. Des weiteren sollte man die Veränderungen, die sich am Horizont ankündigen, ernst nehmen. Sie machen spätestens heute ein Handeln erforderlich. Gestern wurde angesprochen, dass es mit dem ESF 2006 in dieser Dimension zu Ende ist. Es ist zwingend erforderlich, sich heute schon klar zu werden, wie man mit diesen Dingen umgeht. Wir haben das auf Landesebene versucht, in dem wir die Förderstrategie im Bereich der Jugendhilfe weiter entwickelt haben. Das hat zwei Jahre gedauert. Nun hat das sächsische Kabinett zwei von vier erforderlichen Richtlinien zur Umsetzung dieser Förderstrategie behandelt. Wie schnell so etwas im Rahmen einer kommunalen Verwaltung geht, kann ich nicht einschätzen. Da fehlen mir die Erfahrungen. Ich weiß nur, dass auch dort die Einflüsse vielfältig sind. Wir müssen uns eigentlich heute grundsätzlich klar werden, was wir übermorgen wollen.

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Professor Günther Robert, Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH):

Jochen Schnabel, Referent des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie: Noch ein Wort zur Ganzheitlichkeit. Ich vertrete hier im Namen des Ministeriums das Kinder- und Jugendhilfegesetz - KJHG. Im § 1 ist formuliert, dass jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat. Weiterhin ist formuliert, Jugendhilfe soll zur Verwirklichung dieses Rechts beitragen und junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern, Benachteiligungen vermeiden oder abbauen. Jugendhilfe soll dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen, ihre Familien zu schaffen sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten. Um diese beschriebenen Grundrechte für Kinder und Jugendliche zu verwirklichen, geht es nicht nur um die Jugendsozialarbeit, die tatsächlich auf den benachteiligten Jugendlichen begrenzt wird, sondern ganz wesentlich um die Jugendarbeit. Ich will jetzt hier keine neue Diskussion beginnen zu den Übergängen von Jugendsozialarbeit zu Jugendarbeit, auch nicht über Kann- und Pflichtleistungen nach dem KJHG. Vielmehr möchte ich betonen, außer den Möglichkeiten für benachteiligte Jugendliche bei der Bundesanstalt für Arbeit und dem § 13 des KJHG gibt es für diese Zielgruppe viele Möglichkeiten in der Jugendbildung, in der außerschulischen Jugendarbeit u. s. w. Es ist eine ganze Nomenklatur die im KJHG beschrieben ist, und die es durchaus erlaubt, sich den veränderten Anforderungen, den Problemen und der Verschiebung der Zielgruppe oder den Strukturproblemen zu stellen. Man muss es tatsächlich ausfüllen. Professor Günther Robert, Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH):

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