Die Struktur der Arbeitskosten in der deutschen Wirtschaft

2/2013 Die Struktur der Arbeitskosten in der deutschen Wirtschaft Christoph Schröder, Juni 2013 Die Arbeitskosten je vollzeitbeschäftigten Arbeitnehm...
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Die Struktur der Arbeitskosten in der deutschen Wirtschaft Christoph Schröder, Juni 2013 Die Arbeitskosten je vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe stiegen im Jahr 2012 in Westdeutschland um 2,9 Prozent und in Ostdeutschland um 3,5 Prozent. Damit war die Kostendynamik in den alten Bundesländern weit schwächer als in den Jahren zuvor. Dieser Unterschied relativiert sich aber dadurch stark, dass die Arbeitszeit in den Jahren 2010 und 2011 auf das Vorkrisenniveau zurückgeführt wurde. Mit einem Kostenniveau von 40.540 Euro hat das ostdeutsche Produzierende Gewerbe weiterhin einen Kostenvorteil von rund einem Drittel gegenüber dem westdeutschen (61.200 Euro). Im Dienstleistungsbereich zeigt sich eine große Spanne zwischen den Sektoren Verkehr (43.980 Euro) und Handel (46.210 Euro) einerseits und den Finanzdienstleistern (78.420 Euro) andererseits. Auch bei den Unternehmensdienstleistungen ergibt sich trotz des Kostenrückgangs im Jahr 2012 mit 61.860 Euro ein etwas höheres Kostenniveau als im Produzierenden Gewerbe. Stichwörter: Arbeitskosten, Arbeitskostenstruktur, Verdienste JEL-Klassifikation: J31, J32

Bedeutung der Arbeitskostenstruktur Das Wirtschaftswachstum hat sich in Deutschland im Jahr 2012 spürbar verlangsamt. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte nur um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Für 2013 wird ebenfalls ein Zuwachs in dieser Größenordnung erwartet. Im Jahr 2014 wird mit einer konjunkturellen Belebung gerechnet, die Wachstumsrate bleibt aber mit 1½ Prozent moderat. Dieser Ausblick steht zudem unter dem Vorbehalt, dass sich die Staatsschuldenkrise in Europa nicht weiter verschärft, sondern die Krisenländer im Jahr 2013 die Talsohle durchschreiten werden (IW-Forschungsgruppe Konjunktur, 2013). Vor diesem Hintergrund einer sich voraussichtlich nur schwach ausweitenden Nachfrage verstärkt sich die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit, um Beschäftigungsverluste zu vermeiden. Zumindest hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit steht dabei das deutsche Verarbeitende Gewerbe unter Druck. Denn die Lohnstückkosten waren im Jahr 2012 nach einem deutlichen Wiederanstieg um ein Siebtel höher als im Vorkrisenjahr 2007.

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Die Höhe der Arbeitskosten war bereits vor und auch während der Krise ein wichtiges Standort-Handikap für die Industrieunternehmen (Schröder, 2012): Im internationalen Arbeitskostenvergleich für das Verarbeitende Gewerbe, das im Mittelpunkt des globalen Wettbewerbs steht, belegt Deutschland zusammen mit den skandinavischen Ländern, Belgien, der Schweiz und Frankreich eine ungünstige Position. Vor diesem Hintergrund wird auch diskutiert, ob besonders die Lohnzusatzkosten hierzulande eine Belastung darstellen. Zur Verminderung des Kosten-Handikaps ist eine Senkung der Lohnzusatzkosten allerdings nicht in jedem Fall einer Lohnmoderation vorzuziehen. Denn es ist durchaus denkbar, dass eine Zusatzleistung für den Arbeitnehmer von größerem Nutzen sein kann als eine für das Unternehmen gleich teure Lohnerhöhung. Dies kann beispielsweise bei der freiwilligen Umwandlung von Entgeltbestandteilen in Beiträge für die betriebliche Altersversorgung der Fall sein. Daher ist es unzutreffend, die Arbeitskosten in „gute“ Löhne und „schlechte“ Personalzusatzkosten aufzuteilen. Vielmehr ist es wichtig, sich über die Struktur der Arbeitskosten und die Kosten einzelner Elemente im Klaren zu sein, damit Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine optimale Kostenstruktur aushandeln können.

Definitionsvielfalt In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff Personalzusatzkosten oder Personalnebenkosten mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt. Von der ursprünglichen Konzeption her sollte die Personalzusatzkostenquote als Aufschlagssatz dienen, um ausgehend vom Bruttolohn je gezahlte Stunde die gesamten Arbeitskosten des Unternehmens je geleistete Stunde zu errechnen. Für die Kalkulation eines Auftrags mit einer vorgegebenen Arbeitszeit muss daher bedacht werden, dass ein Mitarbeiter auch dann Gehalt bekommt, wenn er nicht arbeitet. Dies ist während des Urlaubs, an Feiertagen, bei Krankheit und bei sonstigen Ausfallzeiten der Fall. Auch die Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld müssen in die Kalkulation einbezogen werden. Somit zählen zu den Personalzusatzkosten auch Bestandteile des Jahresverdiensts. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) folgt generell dieser Lesart, zählt aber die leistungs- und erfolgsabhängigen Sonderzahlungen, die im Gegensatz zu den übrigen Zusatzkostenpositionen nicht als Sozialleistungen interpretiert werden können und inhaltlich eng mit dem Entgelt für geleistete Arbeitszeit zusammenhängen, nicht zu den Personalzusatzkosten (Schröder, 2006). Wird dagegen in wirtschaftspolitischen Diskussionen von Lohnnebenkosten gesprochen, wird hierunter oftmals der gemeinsam von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu entrichtende Beitrag zur Sozialversicherung verstanden. In der Nomenklatur der europäischen

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Arbeitskosten wiederum wird zwischen direkten und indirekten Kosten unterschieden. Die direkten Kosten entsprechen der Position Löhne und Gehälter ohne Einbeziehung der Auszubildenden. Sie enthalten den Jahresverdienst einschließlich der Sachleistungen der Unternehmen, wie etwa Kantinenzuschüsse und Firmenwagen, aber nicht die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die in vielen Ländern zum großen Teil von den Sozialversicherungen getragen wird (Europäische Kommission, 2005). Das Statistische Bundesamt nimmt diese Definition in seinen Veröffentlichungen auf und bezeichnet die indirekten Kosten als Lohnnebenkosten, weist aber nachrichtlich in den Fachserien und in der Datenbank weiterhin auch die umfassender abgegrenzten Personalnebenkosten aus (Statistisches Bundesamt, 2010a; 2010b; 2010c).

Gliederungskonzept Aufgrund dieser begrifflichen Vielfalt und wegen der möglichen inhaltlichen Fehlinterpretationen hebt das IW Köln die Personalzusatzkosten nicht mehr als Einzelgröße stark hervor, sondern dokumentiert stattdessen die Arbeitskostenstruktur detailliert. Zur besseren Anschaulichkeit werden die einzelnen Kostenkomponenten in Prozent der Bruttolöhne und Bruttogehälter dargestellt. Dies hat den Vorteil, dass unmittelbar ersichtlich ist, welche Kosten der Arbeitgeber zusätzlich zu dem Gehalt zu entrichten hat und wie sich der Jahresverdienst in Direktentgelt und die in Lohn und Gehalt enthaltenen Zusatzkostenkomponenten aufteilt. Zudem sind wichtige Zusatzkostenpositionen wie die Beiträge zur Sozialversicherung verdienstbezogen, sodass sich etwa eine Beitragssatzerhöhung direkt ablesen lässt. Anders als nach der amtlichen Abgrenzung in der Arbeitskostenerhebung ist in den Bruttolöhnen und -gehältern die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall enthalten, während die Sachleistungen nicht einbezogen sind. Herausgerechnet wurden dagegen die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung aus Entgeltumwandlung. Somit entsprechen die Bruttolöhne und -gehälter dem auf der Verdienstabrechnung ausgewiesenen Jahresverdienst, so wie es auch in der früheren Darstellung des Statistischen Bundesamtes der Fall war (Statistisches Bundesamt, 2003). Tabelle 1 zeigt, dass die Arbeitgeber im Jahr 2012 im deutschen Produzierenden Gewerbe zusätzlich zu den Löhnen und Gehältern noch weitere 28,8 Prozent aufwenden mussten, um die gesamten Arbeitskosten abzudecken. Hierunter entfällt mit 24,6 Prozent der Großteil auf die Aufwendungen für Vorsorgeeinrichtungen (3). Dies sind im Wesentlichen die gesetzlich vorgegebenen Beiträge zur Sozialversicherung und die Leistungen für die betriebliche Altersversorgung. Von den Bruttolöhnen und -gehältern entfallen nur drei Viertel auf das Entgelt für geleistete Arbeitszeit. Das restliche Viertel teilt sich zwischen der Vergütung arbeitsfreier Tage (1) und den Sonderzahlungen (2) auf. Damit machen die

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gesamten Personalzusatzkosten, also die Positionen (1) bis (4), insgesamt 71,4 Prozent des Direktentgelts aus. Tabelle 1

Struktur der Arbeitskosten im Jahr 2012 Angaben für das Produzierende Gewerbe in Deutschland in Prozent des Bruttolohns und -gehalts1) Entgelt für geleistete Arbeitszeit (Direktentgelt)2) (1)

+ Vergütung arbeitsfreier Tage

(2)

+ Sonderzahlungen = Bruttolohn und -gehalt

(3) (4)

3)

75,1 17,3 7,6

4)

100,0

+ Aufwendungen für Vorsorgeeinrichtungen + Sonstige Personalzusatzkosten

5)

6)

24,6 4,2

= Arbeitskosten insgesamt

128,8

1) Kalenderbereinigt. 2) Einschließlich leistungs- und erfolgsabhängiger Sonderzahlungen. 3) Einschließlich Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall. 4) Ohne Sachleistungen. 5) Einschließlich Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersversorgung; einschließlich Aufstockungen zu Lohn und Gehalt im Rahmen der Altersteilzeit. 6) Abzüglich Erstattungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Die Arbeitskosten und ihre Struktur werden teils vertraglich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern oder ihren entsprechenden Vertreterorganisationen ausgehandelt und sind teils gesetzlich vorgegeben. Um zu zeigen, inwieweit der Verhandlungsspielraum zwischen den Vertragspartnern eingeschränkt ist, wird auch der Anteil der Arbeitskosten ausgewiesen, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht verhandelbar ist (Tabelle 2). In Westdeutschland beliefen sich die gesetzlich veranlassten Arbeitskosten im Jahr 2012 auf 25,9 Prozent der Arbeitskosten, in Ostdeutschland waren es 27,5 Prozent. Hierzu gehören der gesetzliche Mindesturlaub, das an gesetzlichen Feiertagen und im Krankheitsfall gezahlte Entgelt, die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer und Auszubildende und sonstige meist geringere Aufwendungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen – beispielsweise zum Mutterschutz. Hiervon abgezogen werden die Erstattungen durch die öffentliche Hand. Dass ein Teil der Arbeitskosten gesetzlich festgelegt ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie hierdurch entsprechend verteuert werden. Zum Beispiel geht der tariflich vereinbarte Urlaub meist weit über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus. Gleichwohl weisen diese Arbeitskostenkomponenten auf eine eingeschränkte Vertragsfreiheit hin. Um die Ergebnisse nicht durch zufällige Kalendereinflüsse zu verzerren, wird mit einer konstanten Anzahl an Feiertagen gerechnet. Orientiert am langfristigen Durchschnitt, wurde für West- und Gesamtdeutschland mit zehn und für Ostdeutschland mit neun Feiertagen gerechnet. Da der Buß- und Bettag im Rahmen der Einführung der Pflegeversicherung im 4

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Jahr 1995 abgeschafft wurde, erhöhte sich für die Jahre davor die Anzahl der Feiertage entsprechend. Die Kalenderbereinigung wirkt sich lediglich auf das Direktentgelt und auf die Vergütung arbeitsfreier Tage aus, die Höhe des Bruttolohns und -gehalts sowie der Arbeitskosten bleiben dagegen unverändert. Dadurch ändert sich auch die Zusatzkostenquote: Da beispielsweise 2004 ein Jahr mit wenigen Feiertagen war, beträgt der kalenderbereinigte Wert für das deutsche Produzierende Gewerbe 72,3 Prozent des Direktentgelts, während der Originalwert bei nur 69,9 Prozent liegt. Tabelle 2

Gesetzlich induzierte Arbeitskosten im Jahr 2012 Angaben für das Produzierende Gewerbe in Prozent der Arbeitskosten Westdeutschland

Ostdeutschland

25,9

27,5

Mindesturlaub

5,3

5,6

Gesetzliche Feiertage

2,7

2,5

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

2,6

2,8

14,9

16,2

0,4

0,6

–0,1

–0,2

Insgesamt

Gesetzliche Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung 1)

Sonstiges

Erstattungen der öffentlichen Hand

1) Umlagen für das Insolvenzgeld, Arbeitgeberzuschüsse zum Mutterschaftsgeld, Sozialbeiträge der Arbeitgeber für Auszubildende und Weiteres. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Datenlage Das IW Köln berechnet die Personalzusatzkosten für Deutschland alljährlich auf Grundlage der amtlichen Statistik. Ankerpunkte sind die alle vier Jahre durchgeführten Arbeitskostenerhebungen des Statistischen Bundesamtes. Die jetzt vorliegenden amtlichen Erhebungen decken die Entwicklung bis zum Jahr 2008 ab (Statistisches Bundesamt, 2010a; 2010b; 2010c). In der IW-Dokumentation werden die amtlichen Ergebnisse bis zum Jahr 2012 fortgeschrieben. Hierzu werden zahlreiche Hilfsstatistiken genutzt, unter anderem die laufenden Verdiensterhebungen, die Beitragssätze und Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung, Daten zur beruflichen Bildung, Angaben zu den Insolvenzen und über die Zugänge in Arbeitslosigkeit aus Erwerbstätigkeit sowie die Krankenstandsstatistiken.

Arbeitskostenentwicklung in der westdeutschen Industrie Im Jahr 2012 stiegen die Arbeitskosten im westdeutschen Produzierenden Gewerbe im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 Prozent und damit nicht mehr so kräftig wie 2011 (4,9 Prozent). Die deutliche Verlangsamung in der Kostendynamik relativiert sich beim Blick auf 5

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die Arbeitszeitentwicklung. Denn in den Jahren 2010 und 2011 wurde die Arbeitszeit wieder annähernd auf das Vorkrisenniveau zurückgeführt. 2011 war die bezahlte Arbeitszeit daher um 1,5 Prozent länger als 2010. Im Jahr 2012 stagnierte die Arbeitszeit dagegen. Je Stunde betrachtet war der Anstieg der Arbeitskosten 2012 daher kaum niedriger als 2011. Abbildung 1

Arbeitskosten in der westdeutschen Industrie Kosten je Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe und Jahr in Euro 70.000 60.000

55.759

54.510

43.303

42.130

32.524

31.600

51.858

50.000

43.806

39.617

38.139

40.000

46.733

33.554

56.700

44.030

59.500

61.200

46.120

47.450

34.480

35.520

36.076

29.826 30.000

19.656 20.000

21.500 15.805

24.714

27.054

10.000

29.922

Arbeitskosten

11.588

33.090

Bruttolohn/-gehalt

Direktentgelt

0

1978

1992

1996

2000

2004

2008

2009

2010

2011

2012

Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten; umgerechnet in Vollzeiteinheiten; ab 1992 einschließlich Berlin (Ost); kalenderbereinigte Werte. Angaben für 1978 nur bedingt vergleichbar; ab 2000 unter Berücksichtigung der geringfügig Beschäftigten und Heimarbeiter sowie ohne Aufwendungen für auswärtige Beschäftigung, daher mit früheren Erhebungen nur bedingt vergleichbar; ab 2008 nach neuer Wirtschaftszweigsystematik (Arbeitskosten 2008 nach alter Systematik: 55.921 Euro), einschließlich geschäftsführender Gesellschafter von GmbH bzw. Vorstandsmitglieder der AG. Direktentgelt ab 1992 einschließlich erfolgs- und leistungsabhängiger Sonderzahlungen. Bis 2008 amtliche Daten, ab 2009 Schätzungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Der recht kräftige Anstieg der Arbeitskosten in den letzten Jahren ist im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise und der darauf folgenden Rückkehr zur Normalität zu sehen. Im Jahr 2009 sanken die Arbeitskosten je Vollzeitbeschäftigten erstmals (Abbildung 1). Dieser Rückgang um 2,2 Prozent ergab sich hauptsächlich dadurch, dass die bezahlte Arbeitszeit durch Kurzarbeit, Überstundenabbau und in einigen Fällen durch ein verkürztes Wochenpensum laut Verdienststatistik um knapp 4 Prozent zurückging. Noch stärker sank die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, da in vielen Fällen auch die Guthaben von Arbeitszeitkonten abgebaut wurden. Sowohl je bezahlte als auch je geleistete Stunde gerechnet, wären die Arbeitskosten 2009 gestiegen. In den Jahren 2010 und 2011 normalisierten sich mit der konjunkturellen Erholung auch die Arbeitszeiten wieder und es wurde bei der Arbeitszeit-

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dauer wieder ungefähr das Vorkrisenniveau erreicht. Wird der Zeitraum 2008 bis 2012 insgesamt betrachtet, ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Anstieg von 2,4 Prozent. Die Jahresverdienste und die Personalzusatzkosten legten in den vergangenen zwölf Jahren in einem ähnlichen Tempo zu, was sich in einem annähernd konstanten Verhältnis der Arbeitskosten zum Bruttolohn und -gehalt sowie einer kaum veränderten Personalzusatzkostenquote zeigt (Abbildung 2). Zwar ging die Zusatzkostenquote in Westdeutschland im Zeitraum 1996 bis 2000 um immerhin knapp 5 Prozentpunkte zurück, dies dürfte aber zumindest teilweise auf erhebungstechnische Änderungen zwischen diesen Jahren zurückzuführen sein (Schröder, 2003). Seit dem Jahr 2000 schwankt die Zusatzkostenquote im Westen zwischen 71 und 73 Prozent des Direktentgelts. Abbildung 2

Personalzusatzkostenquote im Produzierenden Gewerbe Personalzusatzkosten in Prozent des Direktentgelts 90

80 70

Westdeutschland 77,4

77,3

73,3

72,7 65,1

63,6

61,8

72,5

71,4 61,8

61,4

Ostdeutschland 72,6

71,4

62,6

62,4

72,3 62,8

62,7

60 50 40

30 20 10 0

1992

1996

2000

2004

2008

2009

2010

2011

2012

Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Tabelle 2 zeigt, dass in Westdeutschland immerhin rund ein Viertel der industriellen Arbeitskosten durch gesetzliche Vorgaben festgelegt ist. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können somit lediglich über drei Viertel der Arbeitskosten frei verhandeln. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer wegen der hohen (Grenz-)Belastung durch Steuern und Sozialabgaben über die Verwendung eines Großteils ihres Verdiensts nicht frei entscheiden können. Der Anteil der gesetzlichen Arbeitskosten stieg in Westdeutschland im Zeitraum 1978 bis 2012 lediglich von 23,8 auf 25,9 Prozent, obwohl nicht nur der Mindesturlaub von drei auf vier

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Wochen erhöht wurde, sondern vor allem auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung von gut 16 auf knapp 20 Prozent des Bruttolohns und -gehalts wuchsen (Abbildung 3). Ohne die Änderungen des Arbeitszeitgesetzes hätte es sogar einen Gleichstand gegeben. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Abbildung 3

Gesetzlich induzierte Arbeitskosten in der Industrie Produzierendes Gewerbe in Westdeutschland, Angaben in Prozent der Arbeitskosten 28,0 27,0 26,1

26,0

26,3

25,5

25,5

25,6

2004

2008

26,0

25,9

26,0

25,9

2009

2010

2011

2012

25,0 24,0

23,8

23,0 22,0 21,0 20,0 1978

1992

1996

2000

Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln







Der Krankenstand sank im Zeitraum 1978 bis 2012 merklich. So hatten die Lohn- und Gehaltsfortzahlungen im Krankheitsfall 1978 noch einen Anteil von 4,1 Prozent am Bruttolohn und -gehalt. Im Jahr 2012 waren es nur noch 3,4 Prozent. Die Arbeitnehmer von heute werden in Zukunft in relativer Betrachtung ein wesentlich niedrigeres Nettorentenniveau haben als frühere Generationen. Nicht zuletzt deshalb hat die betriebliche Altersvorsorge beträchtlich an Bedeutung gewonnen. Damit haben die Unternehmen zum einen den Staat entlastet. Zum anderen ist der Anteil der Arbeitskosten, der nicht im Bruttolohn und -gehalt enthalten ist, deutlich gestiegen. Dies hat zusätzlich den rechnerischen Effekt, dass der Anteil der gesetzlichen Kosten an den gesamten Arbeitskosten sinkt, da diese verdienstbezogen definiert sind. Als Kostenausgleich für den Ausbau der Pflegeversicherung wurde der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft. Dies hatte einen geringen Effekt in Höhe von 0,2 Prozent der Arbeitskosten.

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Abbildung 4

Arbeitskosten in der ostdeutschen Industrie Produzierendes Gewerbe, Kosten je Arbeitnehmer und Jahr in Euro 45.000

40.000

39.170

36.820

36.570 28.880

29.870

30.940

32.030

29.170

22.811

23.250

24.050

24.910

22.480

33.922 35.000

29.986 27.805

30.000 25.000 20.000

20.802

26.502 23.491

15.895

15.000 10.000

21.549

20.967 16.996

40.540

37.740

18.536

12.600

5.000

Arbeitskosten

Bruttolohn/-gehalt

Direktentgelt

0

1992

1996

2000

2004

2008

2009

2010

2011

2012

Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten; umgerechnet in Vollzeiteinheiten; ohne Berlin; kalenderbereinigte Werte. Ab 2000 unter Berücksichtigung der geringfügig Beschäftigten und Heimarbeiter sowie ohne Aufwendungen für auswärtige Beschäftigung, daher mit früheren Erhebungen nur bedingt vergleichbar; ab 2008 nach neuer Wirtschaftszweigsystematik (Arbeitskosten 2008 nach alter Systematik: 36.946 Euro), einschließlich geschäftsführender Gesellschafter von GmbH bzw. Vorstandsmitglieder der AG. Direktentgelt einschließlich erfolgs- und leistungsabhängiger Sonderzahlungen. Bis 2008 amtliche Daten, ab 2009 Schätzungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Arbeitskostenentwicklung in der ostdeutschen Industrie Im Produzierenden Gewerbe Ostdeutschlands lagen die Arbeitskosten im Jahr 2012 mit 40.540 Euro pro Arbeitnehmer um 20.660 Euro unter dem westdeutschen Niveau (Abbildung 4). Der absolute Abstand zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland war damit merklich größer als im Jahr 1992, allerdings bei einem insgesamt deutlich höheren Kostenniveau. Die relative Betrachtung macht den ostdeutschen Annäherungsprozess sichtbar. Die Arbeitskosten in den ostdeutschen Bundesländern betrugen 1992 lediglich 55 Prozent des Westniveaus, im Jahr 2012 dagegen 66 Prozent. Dahinter steht die insgesamt deutlich höhere Arbeitskostendynamik Ostdeutschlands. Im Zeitraum 1992 bis 2012 erhöhten sich dort die Arbeitskosten im Jahresdurchschnitt um 3,4 Prozent, im Westen lediglich um 2,4 Prozent. Die ostdeutsche Anstiegsdynamik flachte allerdings im Lauf der Zeit deutlich ab. Die Arbeitskosten im Osten stiegen im Zeitraum 2004 bis 2008 insgesamt nur um gut 1 Prozentpunkt stärker als im Westen. Zwischen den Jahren 2008 und 2012 war die Kostendynamik mit einem Anstieg von insgesamt 10,1 Prozent etwa genauso groß wie in Westdeutschland (9,8 Prozent).

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Der Zuschlagssatz auf den Bruttolohn und besonders die Personalzusatzkostenquote sind in Ostdeutschland deutlich niedriger als in Westdeutschland. Der Abstand zur westdeutschen Zusatzkostenquote betrug zuletzt fast 10 Prozentpunkte (Abbildung 2). Dabei gibt es besonders bei der betrieblichen Altersvorsorge und bei den fest vereinbarten Sonderzahlungen noch große Unterschiede. Der Anteil der gesetzlich veranlassten Arbeitskosten an den gesamten Arbeitskosten lag in Ostdeutschland mit 27,5 Prozent im Jahr 2012 um knapp 2 Prozentpunkte über dem Westniveau (Tabelle 2). Dies liegt zum einen daran, dass die vertraglich vereinbarten Zusatzleistungen in Westdeutschland stärker ausgebaut sind als in Ostdeutschland. Zum anderen ist der effektive Beitragssatz zur Sozialversicherung in den ostdeutschen Ländern höher als in den westdeutschen, da ein größerer Anteil des Einkommens beitragspflichtig ist und der Beitragssatz zur Unfallversicherung etwas höher liegt. Die Werte für die gesamtdeutschen Arbeitskosten des Produzierenden Gewerbes lagen im Jahr 2012 mit 58.560 Euro je Arbeitnehmer umgerechnet in Vollzeiteinheiten 4 Prozent unter dem westdeutschen Niveau. Die gesamtdeutsche Zusatzkostenquote war mit 71,4 Prozent knapp 1 Prozentpunkt niedriger als die westdeutsche und sie entwickelte sich weitgehend parallel zu dieser. Diese recht geringen Unterschiede erklären sich dadurch, dass laut Arbeitskostenerhebung nur rund jeder achte Arbeitnehmer dieses Wirtschaftssektors im Osten beschäftigt ist.

Struktur der industriellen Arbeitskosten Nachdem sich die Arbeitskostenstruktur in den Jahren 2010 und 2011 durch den Abbau der Kurzarbeit und durch den Wiederanstieg der Sonderzahlungen wieder der Struktur vor der Krise annäherte, blieben deutliche Strukturveränderungen im Jahr 2012 aus. Insgesamt veränderte sich die Personalzusatzquote nur leicht und ging um 0,3 Prozentpunkte in Westdeutschland und um 0,1 Prozentpunkte in Ostdeutschland zurück. Im Einzelnen änderte sich die Kostenstruktur wie folgt (Tabelle 3):  Die fest vereinbarten Sonderzahlungen erhöhten sich im Jahr 2012 in Westdeutschland



im Gleichschritt mit den regelmäßig gezahlten Entgelten – in Relation zum Bruttojahresverdienst gab es daher keine Änderungen. In den neuen Bundesländern nahm die Bedeutung der Sonderzahlungen dagegen leicht zu. Gemessen am Jahresverdienst stiegen sie um 0,1 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent. Die Entwicklung des Krankenstands wird durch die Erhebungen des Gesundheitsministeriums (BMG) und durch die Statistik der Betriebskrankenkassen (BKK) unterschiedlich bewertet. Während der Krankenstand laut BMG um 0,2 Prozentpunkte abnahm, blieb er laut BKK konstant. Angenommen wurde hier in Relation zum Bruttojahresverdienst ein Rückgang um 0,1 Prozentpunkte.

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Tabelle 3

Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe Angaben in Prozent des Bruttolohns und -gehalts1) West

Ost

Deutschland

2008

2011

2012

2008

2011

2012

2008

2011

2012

75,1

74,8

74,9

78,2

77,7

77,8

75,4

75,0

75,1

17,0

17,4

17,3

16,5

16,9

16,7

17,0

17,3

17,3

10,0

10,0

10,0

9,7

9,7

9,7

9,9

9,9

9,9

3,1

3,5

3,4

3,2

3,6

3,5

3,1

3,5

3,4

4,0

4,0

4,0

3,5

3,5

3,5

4,0

3,9

3,9

7,9

7,8

7,8

5,3

5,4

5,5

7,7

7,6

7,6

Vermögensbildung

0,4

0,4

0,4

0,3

0,3

0,3

0,4

0,4

0,4

Fest vereinbarte Sonderzahlungen

7,4

7,4

7,4

5,0

5,1

5,2

7,2

7,2

7,2

Entgelt für geleistete Arbeitszeit

2) 3)

Vergütung arbeitsfreier Tage3) Urlaub Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Bezahlte Feiertage

3) 4)

Sonderzahlungen

Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber5)

19,0

19,2

19,1

20,2

20,5

20,4

19,1

19,3

19,2

6)

5,5

5,6

5,7

2,1

2,4

2,5

5,2

5,3

5,4

Sonstige Personalzusatzkosten7)

4,3

4,2

4,2

3,9

3,7

3,7

4,3

4,2

4,2

Betriebliche Altersversorgung

Arbeitskosten insgesamt

128,8 129,0 129,0 126,2 126,6 126,6 128,5 128,8 128,8

Nachrichtlich: Anteil der gesetzlich veranlassten Arbeitskosten8)

25,6

26,0

25,9

27,2

27,7

27,5

25,8

26,2

26,0

Personalzusatzkosten in Prozent des Entgelts für geleistete Arbeitszeit3)

71,4

72,6

72,3

61,4

62,8

62,7

70,6

71,7

71,4

1) Entgelt für geleistete Arbeitszeit zuzüglich Vergütung arbeitsfreier Tage und Sonderzahlungen (ohne Sachleistungen) – entspricht dem Bruttojahresverdienst; Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten; Westdeutschland einschließlich Berlin, Ostdeutschland ohne Berlin; Rundungsdifferenzen möglich; 2008 amtliche Daten, ab 2011 Schätzungen. 2) Einschließlich leistungs- und erfolgsabhängiger Sonderzahlungen. 3) Kalenderbereinigt. 4) Einschließlich sonstiger arbeitsfreier Zeit. 5) Einschließlich Unfallversicherung. 6) Einschließlich Entgeltumwandlung; einschließlich Aufstockungsbeträge zu Lohn und Gehalt sowie zur Rentenversicherung für Personen in Altersteilzeit; einschließlich Aufwendungen für sonstige Vorsorgeeinrichtungen. 7) Abzüglich Erstattungen. 8) Gesetzlicher Mindesturlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und sonstige gesetzliche Aufwendungen abzüglich Erstattungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln





Die Beitragssatzentwicklung in der Sozialversicherung wirkte 2012 leicht kostenentlastend. Denn der Beitragssatz in der Gesetzlichen Rentenversicherung sank von 19,9 auf 19,6 Prozent. Der effektive Beitragssatz für den Arbeitgeber verringerte sich dadurch in Relation zum Jahresverdienst um gut 0,1 Prozentpunkte. Die betriebliche Altersversorgung hat leicht an Bedeutung zugelegt, weil sich die Beitragssätze zum Pensionssicherungsverein (PSV) erhöht haben. Dies bewirkt einen Anstieg von 0,1 Prozentpunkten in Westdeutschland. In Ostdeutschland haben die Beiträge zum PSV geringeres Gewicht. Für die neuen Bundesländer wird aber ein Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge angenommen, sodass sowohl in Ostdeutschland als 11

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auch in Westdeutschland mit einem Anstieg der betrieblichen Altersvorsorge um 0,1 Prozentpunkte gerechnet wird. Die Zusatzkostenstruktur ist in den letzten Jahren flexibler geworden. Inhaltlich ist diese Entwicklung positiv zu bewerten, denn die Kostenstruktur kann nun in einem stärkeren Maß als zuvor an die Bedürfnisse einzelner Unternehmen und ihrer Mitarbeiter angepasst werden. Dabei entstehen oft neue Wahlmöglichkeiten für die Beschäftigten. So bedeutet die Möglichkeit der Entgeltumwandlung, die von vielen Arbeitgebern zusätzlich gefördert wird, dass der Arbeitnehmer die für ihn optimale Mischung aus Verdienstbestandteilen und Vorsorgeleistungen in Grenzen selbst bestimmen kann. Im Jahr 2008 wurden beispielsweise im westdeutschen Produzierenden Gewerbe 20 Prozent oder 425 Euro der Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung aus den Entgeltumwandlungen der Arbeitnehmer finanziert. Deutlich sichtbar ist der Trend zur Flexibilisierung auch bei den Lohnextras. Demnach waren im Jahr 1992 mit 1,3 Prozent der Bruttolöhne und -gehälter erst 13 Prozent in Westdeutschland und in Ostdeutschland mit 0,3 Prozent der Bruttolöhne und -gehälter sogar nur 7 Prozent der gesamten Sonderzahlungen leistungs- oder erfolgsabhängig ausgestaltet. Im Jahr 2012 galt dies sowohl in den westdeutschen als auch in den ostdeutschen Bundesländern für rund ein Drittel der Sonderzahlungen.

Arbeitskosten im Dienstleistungssektor Die Arbeitskosten im deutschen Dienstleistungssektor erfasst das Statistische Bundesamt bereits seit 1978. Seitdem die aktuelle Erhebung aus dem Jahr 2008 vorliegt, ist es möglich, einen breiten Bereich der Dienstleistungssektoren zu erfassen und die Angaben gleichzeitig mit den Ergebnissen der Verdienststatistik nahtlos zu verknüpfen. Daher hat auch das IW Köln seine Darstellung des Dienstleistungsbereichs anpassen können und erfasst seit 2011 die Bereiche Handel, Finanzdienstleistungen, Verkehr (einschließlich Lagerei) und unternehmensnahe Dienstleistungen. Alle vier betrachteten Dienstleistungssparten sind über den Vorleistungsverbund eng mit der Industrie verknüpft und spielen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Rolle (Neligan/Schröder, 2006). Die Daten der amtlichen Erhebung des Jahres 2008 werden mit einem ähnlichen Ansatz, wie er für die Industrie benutzt wird, bis zum Jahr 2012 fortgeschrieben. Die mit Abstand höchsten Arbeitskosten hatten im Jahr 2012 die Finanzdienstleister. Mit über 78.000 Euro lagen sie um fast 20.000 Euro über dem Niveau des Produzierenden Gewerbes (Tabelle 4). Auch die freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen – hier als unternehmensnahe Dienstleistungen bezeichnet – übertrafen mit knapp 62.000 Euro das Niveau des Produzierenden Gewerbes. Deutlich niedriger waren dagegen die Arbeitskosten

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einer Vollzeitkraft im Handel und bei Spediteuren oder anderen Verkehrsunternehmen: Hier waren nur zwischen 44.000 und gut 46.000 Euro zu entrichten. Merklich gesunken sind die Arbeitskosten bei den unternehmensnahen Dienstleistern. Nicht zuletzt durch einen deutlichen Rückgang der Sonderzahlungen lagen die Arbeitskosten in dieser Branche im Jahr 2012 um 3,5 Prozent niedriger als 2011. In den anderen Dienstleistungssparten beliefen sich die Kostenanstiege im Jahr 2012 zwischen 2,4 Prozent im Verkehrssektor und 4,7 Prozent im Handel. Tabelle 4

Arbeitskosten im Dienstleistungssektor Angaben je Arbeitnehmer und Jahr in Euro, Deutschland 2008

2011

2012

41.641

44.120

46.210

40.761

42.930

43.980

71.870

76.520

78.420

Unternehmensdienstleistungen2)

60.495

64.120

61.860

Nachrichtlich: Produzierendes Gewerbe

53.340

56.900

58.560

Arbeitskosten Handel Verkehr und Lagerei Finanzdienstleistungen

1)

darunter: Bruttolohn und -gehalt Handel

32.855

34.790

36.460

31.709

33.340

34.170

54.505

57.710

59.310

Unternehmensdienstleistungen2)

48.555

51.400

49.600

Nachrichtlich: Produzierendes Gewerbe

41.497

44.180

45.480

16.190

17.270

18.100

16.784

17.880

18.260

31.970

33.810

34.490

Unternehmensdienstleistungen2)

22.541

24.090

22.920

Nachrichtlich: Produzierendes Gewerbe

22.071

23.750

24.400

Verkehr und Lagerei Finanzdienstleistungen

1)

Personalzusatzkosten3) Handel Verkehr und Lagerei Finanzdienstleistungen

1)

Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten; umgerechnet in Vollzeiteinheiten. 2008 amtliche Daten, ab 2011 Schätzungen. 1) Kredit- und Versicherungsgewerbe und verbundene Tätigkeiten. 2) Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen. 3) Kalenderbereinigt. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

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Groß sind die Unterschiede bei der auf das Direktentgelt bezogenen Zusatzkostenquote, die zwischen knapp 59 Prozent bei den unternehmensnahen Dienstleistungen und 78,5 Prozent bei den Finanzdienstleistern liegt. Bei den meist eher kleineren Betrieben, die freiberufliche, technische oder wissenschaftliche Dienstleistungen erbringen, ergibt sich die niedrige Quote aus der Kombination eines überdurchschnittlich hohen Lohnniveaus, das zu niedrigen effektiven Sozialversicherungsbeiträgen führt, einer unterdurchschnittlich stark ausgebauten betrieblichen Altersvorsorge und eher niedrigen fest vereinbarten Sonderzahlungen, die allerdings durch erfolgs- oder leistungsabhängige Bonuszahlungen in etwa gleicher Höhe ergänzt werden (Tabelle 5). Tabelle 5

Arbeitskostenstruktur im Dienstleistungssektor Angaben in Prozent des Bruttolohns und -gehalts1) Handel

Verkehr und Lagerei2)

FinanzUnternehmensdienstleistungen3) dienstleistungen4)

2008

2012

2008

2012

2008

2012

2008

2012

77,5

77,1

75,6

75,3

73,2

74,1

78,2

78,5

16,2

16,4

18,3

18,8

15,8

16,5

15,3

15,8

9,7

9,6

10,0

10,1

9,5

9,8

9,4

9,5

2,7

3,0

4,4

4,8

2,8

3,1

2,3

2,5

3,8

3,7

3,9

3,9

3,5

3,6

3,7

3,7

6,3

6,6

6,0

5,9

11,0

9,4

6,5

5,7

Vermögensbildung

0,4

0,3

0,3

0,3

0,7

0,6

0,2

0,2

Fest vereinbarte Sonderzahlungen

5,9

6,2

5,8

5,7

10,3

8,8

6,3

5,5

Entgelt für geleistete Arbeitszeit

5) 6)

Vergütung arbeitsfreier Tage Urlaub Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Bezahlte Feiertage

6) 7)

Sonderzahlungen

Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber8)

18,7

18,8

19,0

19,1

15,4

15,4

15,9

15,9

9)

2,4

2,5

6,7

6,9

11,1

11,4

4,6

4,8

10)

5,6

5,4

2,8

2,7

5,4

5,4

4,2

4,1

126,7

126,7

128,5

128,7

131,9

132,2

124,6

124,7

Anteil der gesetzlich veranlassten Arbeitskosten11)

25,7

25,9

26,0

26,4

21,7

22,1

23,0

23,4

Personalzusatzkosten in Prozent des Entgelts für geleistete Arbeitszeit6)

63,6

64,4

70,0

71,0

80,1

78,5

59,4

58,9

Betriebliche Altersversorgung

Sonstige Personalzusatzkosten Arbeitskosten insgesamt Nachrichtlich:

1) Entgelt für geleistete Arbeitszeit zuzüglich Vergütung arbeitsfreier Tage und Sonderzahlungen (ohne Sachleistungen) – entspricht dem Bruttojahresverdienst; Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten; Rundungsdifferenzen möglich; 2008 amtliche Daten, 2012 Schätzungen. 2) Einschließlich unterstellter Sozialbeiträge zur Alters- und Gesundheitsvorsorge von Beamten. 3) Kredit- und Versicherungsgewerbe und verbundene Tätigkeiten. 4) Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen. 5) Einschließlich leistungs- und erfolgsabhängiger Sonderzahlungen. 6) Kalenderbereinigt. 7) Einschließlich sonstiger arbeitsfreier Zeit. 8) Einschließlich Unfallversicherung. 9) Einschließlich Entgeltumwandlung, einschließlich Aufstockungsbeträge zu Lohn und Gehalt sowie zur Rentenversicherung für Personen in Altersteilzeit; einschließlich Aufwendungen für sonstige Vorsorgeeinrichtungen. 10) Abzüglich Erstattungen. 11) Gesetzlicher Mindesturlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und sonstige gesetzliche Aufwendungen abzüglich Erstattungen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

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Die Zusatzkostenquote veränderte sich im Jahr 2012 in den Dienstleistungsbereichen – ähnlich wie im Produzierenden Gewerbe – im Vergleich zum Vorjahr kaum. Den stärksten Ausschlag verzeichneten die unternehmensnahen Dienstleister. Dort sank die Zusatzkostenquote vor allem wegen der niedrigeren Sonderzahlungen um 1,3 Prozentpunkte. Recht deutliche Unterschiede gab es auch bei dem Anteil der gesetzlich veranlassten Arbeitskosten. Er lag im Jahr 2012 zwischen 22,1 Prozent bei den Finanzdienstleistern und 26,4 Prozent im Verkehr (Tabelle 5). Hier wirkt sich aus, dass Branchen mit einem hohen Lohnniveau meist viele Extraleistungen bieten. Besonders im Kredit- und Versicherungsgewerbe ist die betriebliche Altersvorsorge stark ausgebaut, und auch die Sonderzahlungen sind dort vergleichsweise hoch. Zudem erreichen in diesen Branchen aufgrund des hohen Lohnniveaus viele Mitarbeiter ein Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen der Gesetzlichen Krankenversicherung oder sogar der Renten- und Arbeitslosenversicherung, sodass die effektiven Beitragssätze zur Sozialversicherung deutlich niedriger ausfallen als in den Handelsbranchen und im Logistiksektor.

Ausblick für das Jahr 2013 Die Sozialversicherungsbeiträge werden im Jahr 2013 insgesamt betrachtet zurückgehen. Zwar stieg der Beitragssatz in der Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte. Dem steht jedoch der deutlich stärkere Rückgang in der Gesetzlichen Rentenversicherung um 0,7 Prozentpunkte entgegen, sodass der Beitragssatz wieder knapp unter das Niveau des Jahres 2010 zurückgeführt wurde. Für die Arbeitgeber ergibt sich durch die aktuelle Beitragssatzveränderung bei den Arbeitskosten insgesamt eine Entlastung um 0,2 Prozent. Damit wird die gesamte Arbeitskostendynamik im Jahr 2013 erneut im Wesentlichen von der Lohnentwicklung bestimmt. Hier deuten die ersten Tarifabschlüsse darauf hin, dass die Tarifpartner das schwierigere konjunkturelle Umfeld berücksichtigen und keine Tarifverträge geschlossen wurden, die zu einer sehr starken unmittelbaren Gefährdung der Beschäftigung führen.

_________________

Literatur Europäische Kommission, 2005, Verordnung (EG) Nr. 1737/2005 der Kommission vom 21. Oktober 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1726/1999 in Bezug auf Definition und Übermittlung von Informationen über Arbeitskosten, in: Amtsblatt der Europäischen Union, S. L 279/11–L 279/31, Brüssel IW-Forschungsgruppe Konjunktur, 2013, Erholung ohne Schwung – IW-Konjunkturprognose Frühjahr 2013, in: IW-Trends, 40. Jg., Heft 2, S. 21–62

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Neligan, Adriana / Schröder, Christoph, 2006, Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe unter Berücksichtigung des Vorleistungsverbunds, in: IW-Trends, 33. Jg., Heft 1, S. 61–72 Schröder, Christoph, 2003, Personalzusatzkosten in der deutschen Wirtschaft, in: IW-Trends, 30. Jg., Heft 2, S. 37–46 Schröder, Christoph, 2006, Personalzusatzkosten in der deutschen Wirtschaft, in: IW-Trends, 33. Jg., Heft 2, S. 47–57 Schröder, Christoph, 2012, Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, in: IW-Trends, 39. Jg., Heft 3, S. 87–105 Statistisches Bundesamt, 2003, Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe und ausgewählten Dienstleistungsbereichen 2000 – Ergebnisse für Deutschland (Arbeitskostenerhebungen, 2000, Heft 1), Fachserie 16, Löhne und Gehälter, Wiesbaden Statistisches Bundesamt, 2010a, Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich – Ergebnisse für Deutschland (Arbeitskostenerhebungen, 2008, Heft 1), Fachserie 16: Verdienste und Arbeitskosten, URL: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VerdiensteArbeitskosten/Arbeitskosten/ ArbeitskostenBund2163201089004.pdf?__blob=publicationFile [Stand: 2013–06–10] Statistisches Bundesamt, 2010b, Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich – Ergebnisse für das frühere Bundesgebiet (Arbeitskostenerhebungen, 2008, Heft 2), Fachserie 16: Verdienste und Arbeitskosten, URL: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VerdiensteArbeitskosten/ Arbeitskosten/ArbeitskostenFB2163202089004.pdf?__blob=publicationFile [Stand: 2013–06–10] Statistisches Bundesamt, 2010c, Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich – Ergebnisse für die neuen Länder (Arbeitskostenerhebungen, 2008, Heft 3), Fachserie 16: Verdienste und Arbeitskosten, URL: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VerdiensteArbeitskosten/ Arbeitskosten/ArbeitskostenNL2163203089004.pdf?__blob=publicationFile [Stand: 2013–06–10]

***

The Structure of Labour Costs in the German Economy In 2012 labour costs per full-time employee in manufacturing (including energy and construction) rose by 2.9 per cent in western Germany and by 3.5 per cent in the east. In the west, cost growth was much weaker than in previous years. However, this difference must be viewed in the light of the return of working hours to their pre-crisis level in 2010 and 2011. With a cost level of 40,540 euros, eastern German manufacturing is maintaining its cost advantage of around one third over its western German counterpart (61,200 euros). In services, there is a wide gap between the transport sector (43,980 euros) and the wholesale and retail trade (46,210 euros), on the one hand, and financial service providers (78,420 euros), on the other. Despite a decline in costs in 2012, at 61,860 euros business services also have slightly higher labour costs than industry.

IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 40. Jahrgang, Heft 2/2013; ISSN 0941-6838 (Printversion); ISSN 1864-810X (Onlineversion). Rechte für den Nachdruck oder die elektronische Verwertung erhalten Sie über [email protected], die erforderlichen Rechte für elektronische Pressespiegel unter www.pressemonitor.de © 2013, IW Medien GmbH, Köln; DOI: 10.2373/1864-810X.13-02-06

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