Die richtige Person am richtigen Platz

Die richtige Person am richtigen Platz Eine Untersuchung verschiedener Rekrutierungsmodelle im Kontext von Kirche und Gemeinde Designed by Freepik.co...
Author: Emma Dunkle
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Die richtige Person am richtigen Platz Eine Untersuchung verschiedener Rekrutierungsmodelle im Kontext von Kirche und Gemeinde

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Uwe Knoblauch Bachelor of Arts in praktischer Theologie IGW International, Zürich im Mai 2016 Fachmentor: Christian Haslebacher Studienleiter: Thomas Schnyder

Bachelorarbeit

Die richtige Person am richtigen Platz

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INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG...................................................................................................................... 1 1.1 Das Verhältnis von Person und Aufgabe: Eine explosive Mischung! ........................... 1 1.2 Ungenutztes Potenzial: Der Weg zum Ziel .................................................................... 2 1.3 Abgrenzungen................................................................................................................. 3 1.4 Forschungsmethodik....................................................................................................... 3 2. DAS FREIWILLIGE EHRENAMT .................................................................................. 5 2.1 Grosses Potenzial............................................................................................................ 5 2.2 Entscheidend: Die intrinsische Motivation .................................................................... 6 2.3 Zeitliche Begrenzung...................................................................................................... 7 2.4 Herausforderungen in der Zusammenarbeit ................................................................... 8 2.5 Der begrenzte Markt ....................................................................................................... 8 2.6 Fazit ................................................................................................................................ 9 3. THEOLOGISCHE REFLEXION ................................................................................... 10 3.1 Ein gemeinsamer Auftrag von Ehren- und Hauptamtlichen ........................................ 10 3.1.1 Das allgemeine Priestertum im NT .................................................................. 10 3.1.2 Wie wurde der gemeinsame Auftrag gelebt? .................................................... 11 3.1.3 Die heutige Wirklichkeit ................................................................................. 12 3.1.4 Fazit ............................................................................................................... 13 3.2 Ein Leib – viele Glieder ............................................................................................... 13 3.2.1 Die Darstellung in den paulinischen Briefen ................................................... 13 3.2.2 Die heutige Wirklichkeit ................................................................................. 15 3.2.3 Fazit ............................................................................................................... 16 4. BESTEHENDE REKRUTIERUNGSMODELLE ......................................................... 17 4.1 Model 1: Greenpeace Deutschland ............................................................................... 17 4.1.1 Allgemeines zum Ehrenamt bei Greenpeace .................................................... 17 4.1.2 Gewinnung neuer Ehrenamtlicher ................................................................... 18 4.1.3 Integration neuer Ehrenamtlicher ................................................................... 19 4.1.4 Weiterbildung ................................................................................................. 20 4.1.5 Führung von freiwilligen Mitarbeitern ............................................................ 21 4.1.6 Evaluation: Wie erfolgreich waren wir? .......................................................... 22 4.2 Modell 2: Die ABC-Strategie ....................................................................................... 22 4.2.1 Mitarbeiter finden .......................................................................................... 22 4.2.2 Mitarbeiter halten .......................................................................................... 26 4.3 Modell 3: Das D.I.E.N.S.T.-Programm ........................................................................ 27 4.3.1 Der Kurs: 8 Schulungseinheiten: Teilnehmer- und Leiterhandbuch .................. 28 4.3.2 Das Beratergespräch ...................................................................................... 31 © IGW International

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4.4 Modell 4: xpand – Abenteuer Berufung ....................................................................... 32 4.4.1 Gabentest ....................................................................................................... 33 4.4.2 Fähigkeitsworkshop ........................................................................................ 33 4.4.3 Wissenschaftliche DISG-Persönlichkeitsanalyse .............................................. 34 4.4.4 Persönliche Werte .......................................................................................... 36 4.4.5 Gottesdienst .................................................................................................... 36 4.4.6 Coachinggespräch .......................................................................................... 36 4.4.7 Potenzial-Heft ................................................................................................ 36 5. MEINE IMPULSE ALS ERGEBNIS DER BISHERIGEN ERKENNTNISSE .......... 37 5.1 Die Gemeinde: Wen brauchen wir? ............................................................................. 37 5.1.1 Die Bedeutung strategischen Personalmanagements erkennen ......................... 37 5.1.2 Die richtigen Quellen anzapfen ....................................................................... 38 5.1.3 Eine klare Aufgabenbeschreibung erstellen ..................................................... 40 5.1.4 Hohe Ansprüche stellen .................................................................................. 42 5.1.5 Sinn bieten ..................................................................................................... 43 5.2 Der Bewerber: Wer bist du? ......................................................................................... 44 5.2.1 Eine Analyse erstellen .................................................................................... 45 5.2.2 Gaben on the job erkennen ............................................................................. 46 5.3 Der Auswahlprozess ..................................................................................................... 46 5.3.1 Gemeinsam entscheiden .................................................................................. 46 5.3.2 Die richtigen Kriterien anwenden ................................................................... 47 5.3.3 Den mehrstufige Entscheidungsprozess durchlaufen ........................................ 48 5.4 Die Integration .............................................................................................................. 49 5.4.1 Situativ führen, den Neuen coachen ................................................................ 49 5.4.2 Feedback geben .............................................................................................. 50 5.4.3 Durch Lob und Anerkennung ermutigen .......................................................... 51 5.4.4 Weiterbildungsmöglichkeiten bieten ................................................................ 51 5.4.5 Eine ehrliche Evaluation durchführen ............................................................. 53 5.4.6 Einsetzen und empowern ................................................................................. 53 6. SCHLUSSGEDANKEN .................................................................................................... 54 6.1 Ausblick ........................................................................................................................ 54 6.2 Persönlicher Gewinn .................................................................................................... 55 6.3 Danksagung .................................................................................................................. 55 7. BIBLIOGRAPHIE ............................................................................................................ 56

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1. EINLEITUNG 1.1 Das Verhältnis von Person und Aufgabe: Eine explosive Mischung! Erfolgreiche Sportler1, virtuose Musiker, phantasievolle Autoren und charismatische Leiter werden oft bestaunt. Was ist deren Geheimrezept? Gibt es überhaupt eines? Auf der Suche nach Antworten liess mich eine Feststellung von Bill Hybels (1996:Vorwort) eine grobe Richtung vermuten: „Wir entdeckten vor vielen Jahren, dass Christen in ihrem Dienst für Jesus richtig aufblühten, wenn sie entsprechend ihrer Begabung und in Übereinstimmung mit ihrer von Gott gegebenen einzigartigen Persönlichkeit mitarbeiteten.“ In meiner früheren musikmissionarischen Arbeit mit Gospel News hatte ich mit hunderten von motivierten ehrenamtlichen Musikern zu tun. In den intensiven Konzerttourneen erlebte ich oft das Zusammenwirken von Persönlichkeit, Begabung und Fleiss. Einige blühten förmlich auf, wenn sie die Technik aufund abbauen durften. Sie wollten aber nie für einen Applaus auf der Bühne erscheinen. Andere wagten zum ersten Mal ein Solo. Der anschliessende Applaus befeuerte ihre Energie, weiter an sich zu arbeiten. Manche quälten sich durch neue Herausforderungen, andere genossen sie förmlich. Manche beendeten ihre Musikerlaufbahn, andere wechselten ins Profilager und sind heute erfolgreiche Musikproduzenten, bekannte Worshipleiter in grossen Gemeinden oder Musiklehrer. Mich fasziniert es, wenn Menschen in ihrer Aufgabe aufblühen, zu Höchstleistungen fähig werden und dabei auch noch Spass haben. In meiner späteren Arbeit bei Surprise Reisen war ich für die Rekrutierung und Schulung von jährlich zirka 150 ehrenamtlichen Reiseleitern, Köchen, Sportlern und Kindermitarbeitern verantwortlich. Auch hier konnte ich beobachten, wie einige voller Energie und Freude zu Höchstleistungen aufblühten, andere wiederum nicht. Gegenwärtig arbeite ich in einer blühenden Chrischona-Gemeinde in Frauenfeld. Der Einsatz unserer ehrenamtlichen Mitglieder ist beeindruckend hoch. Um weiter und dauerhaft wachsen zu können, wollen wir das gesamte Potenzial unserer Mitglieder voll ausschöpfen. Gleichzeitig bin ich mir der hohen beruflichen und familiären Anforderungen vieler unserer meist jungen Familien bewusst. Wie schaffen wir es, die richtige Person an den richtigen Platz zu bringen, sodass sie ihre Arbeit mit hoher Zufriedenheit und gleichzeitig mit einem verantwortbaren Zeit- und Energieeinsatz erledigen kann und dabei das bestmögliche Ergebnis erzielt wird? Was macht den Unterschied? Ist es Begabung oder Persönlichkeit, ist es Dienstbereitschaft oder Geistesgabe, gibt es weitere, mir unbekannte Faktoren? Beauftragt Gott den Begabten oder begabt er den Beauftragten? Wie bringen wir unsere Gemeindeglieder an den richtigen Platz?

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In diesem Dokument verzichte ich darauf, stets die männliche und weibliche Form nebeneinander zu benutzen und verwende stattdessen aus Gründen der Ökonomie immer nur das Maskulinum. © IGW International

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1.2 Ungenutztes Potenzial: Der Weg zum Ziel Im AT spricht der Psalmist in Ps 139,4 von einer wunderbaren und ausgezeichneten Weise, in der jeder Mensch geschaffen ist. Auch im NT macht 1 Petr 4,10 deutlich, dass jeder eine Gnadengabe zum Dienst an Anderen empfangen hat. Am Potenzial scheint es also nicht zu liegen. Daher möchte ich der Frage nachgehen, wie das von Gott geschenkte Potenzial, das meiner Beobachtung nach oft ungenutzt bleibt, zum Einsatz kommen kann. Aus diesem Grund heisst meine Forschungsfrage: „Wie muss der Prozess aussehen, der bei der Rekrutierung von ehrenamtlichen Mitarbeiterstellen in Kirchen und Gemeinden dazu führt, dass die gestellte Aufgabe bestmöglich ausgeführt wird und gleichzeitig eine hohe und dauerhafte Zufriedenheit beim Mitarbeiter entsteht?“ In vielen Gemeinden orientiert man sich eher an der bestehenden Notwendigkeit, einen vakanten Platz möglichst schnell zu besetzen. Zu einer intensiven Betrachtung der Persönlichkeit, der Begabung und weiterer wichtiger Rahmenbedingungen nimmt man sich kaum Zeit oder kennt diese nicht einmal. Dies führt wiederum dazu, dass Aufgaben zwar mit hohem Einsatz, gleichzeitig aber nur mit mässigem Erfolg erledigt werden. Eine häufige Folge: Mitarbeiter geben ausgebrannt und enttäuscht auf. Wäre es nicht sinnvoller, zum Beispiel Antonovskys (Reinshagen, 2008:144) Ansatz der Salutogenese zu folgen, in der es darum geht, „an die Stelle einer Vermeidungsstrategie eine positive Förderung im Sinne einer Stärkung der Fähigkeiten, Fertigkeiten, ... zu setzen“? Man würde sich also auf die Stärkung der gesunden Entwicklung, anstatt auf die Heilung ausgebrannter Mitarbeiter konzentrieren. Christian A. Schwarz (2001:41) meint: „Gott hat das Thema ‚Geistesgaben’ offensichtlich auf die Tagesordnung der Gemeinde Jesu Christi gesetzt. Er möchte, dass wir die Gaben kennen lernen, die er uns längst gegeben hat.“ Wäre die stärkere Orientierung an den Geistesgaben ein Weg, ungenutztes Potenzial zu nutzen? Dabei ginge es laut Hennecke (2015:22) „nicht um eine neue ‚Sozialtechnik’ zur Mitarbeitergewinnung, sondern um eine veränderte Haltung gegenüber der Würde und Geistbegabtheit der Kinder Gottes.“ Welche Möglichkeiten gäbe es, eine Passung von Auf-gaben und der Einzigartigkeit einer Person zu erreichen? Was sind überhaupt passende Personen? Sind es diejenigen, die bereit sind, einzelne Aufgaben einer Todo-Liste abzuarbeiten oder eher diejenigen, deren Persönlichkeitsstruktur und Begabung zur Aufgabe passt? Sind Person und Aufgabe fixe Puzzleteile, von denen man nur die passenden finden muss oder verändern sie sich in einem dynamischen gegenseitigen Prozess, in dem Rollen bewusst oder unbewusst verhandelt werden, wie zum Beispiel Steiger und Lippmann (2013:48) in ihrem Rollenkonzept darstellen? Oder hat eher Leo Bigger Recht, wenn er sagt: „Denn wenn du beginnst, das vor deinen Füssen umzusetzen mit Happiness, mit glücklich zu sein [sic], mit Begeisterung, wird Jesus dich Schritt für Schritt automatisch in deine Bestimmung hineinführen und die Bestimmung wird am Ende immer anders sein als du dir das jemals vorgestellt hast, ganz konkret in deinem Leben.“ Soll ich also einfach mit Hingabe anpacken, egal was vor mir liegt?

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Das Ziel meiner Arbeit ist es, den Personalverantwortlichen in Kirchen und Gemeinden wichtige Impulse für den Rekrutierungsprozess ehrenamtlicher Mitarbeiter zu geben, mit deren Hilfe sie offene Stellen möglichst effektiv mit den dazu passenden Personen besetzen können. Damit könnten mehrere Ziele erreicht werden: ein überdurchschnittliches Ergebnis der Arbeit, zufriedene und anhaltend motivierte Mitarbeiter, ein gesunder Ehrgeiz, noch besser zu werden, sowie eine Kultur der Ermutigung, die auch andere anspornt.

1.3 Abgrenzungen Auch wenn der Begriff Rekrutierung eher aus dem professionellen Personalmanagement stammt, geht es in meiner Arbeit um ehrenamtliche Mitarbeiterstellen in Kirchen und Gemeinden. Die Besonderheiten der ehrenamtlichen Mitarbeiter werden im Kapitel 3 näher beschrieben. Manche Ergebnisse werden unter Umständen auch auf professionelle Anstellungen zutreffen. Der Focus meiner Fragestellung liegt aber eindeutig auf der ehrenamtlichen Mitarbeit. Mir ist bewusst, dass das Themenumfeld Ehrenamtliche in der Gemeinde eine breite Ausleuchtung verdient. Wegen dem begrenzten Umfang meiner Arbeit werde ich einzelne Bereiche ausklammern oder nur soweit berücksichtigen, wie sie für den Rekrutierungsprozess von Bedeutung sind. Dieser beginnt beim ersten Schritt, den eine Gemeinde geht, um einen Aufgabenbereich mit einer neuen Person zu besetzen und endet nach der Einarbeitungsphase, einer noch näher zu definierenden Probezeit (siehe Kapitel 5). Themen wie Mitarbeiterführung und -betreuung, Arbeitsmotivation, Mitgestaltung der Stelle und Weiterbildung Ehrenamtlicher werden daher nur im Rahmen der obigen Definition von Rekrutierung, soweit sie für diesen Prozess von Bedeutung sind, behandelt. Da ich mein Leben lang in evangelischen Freikirchen zu Hause war, wird manche Erfahrung sicherlich teilweise durch diese Brille geschildert werden. Im Prozess, die richtige Person an den richtigen Platz zu bekommen, sind meist zwei Hauptakteure beteiligt: 1. Die Verantwortlichen der Gemeinde sind auf der Suche nach einer Person, die bestimmte Aufgaben in der Gemeinde übernimmt. 2. Das Gemeindeglied ist oft selbst aktiv auf der Suche nach der eigenen Berufung und ihrem Einsatzort. In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf den ersten Akteur: die Verantwortlichen in der Gemeinde. Welches Vorgehen verspricht aus ihrer Sicht den grössten Erfolg? Es geht um den Prozess der Rekrutierung, nicht um die Suche nach der eigenen Berufung.

1.4 Forschungsmethodik Im Folgenden werde ich in Kapitel 2 das besondere Umfeld der ehrenamtlichen Mitarbeiter im gemeindlichen Umfeld beschreiben. Spezielle Herausforderungen stellen oft die geringe Grösse der Gemeinden und ein in vielen Bereichen geforderter Pastor (Pfarrer, Gemeindeleiter, Prediger) dar. Bevor ich zum Kernstück meiner literarischen Forschung in Kapitel 4 komme, befasse ich mich in Kapitel 3 mit den theologischen Grundlagen zur ehrenamtlichen Mitarbeit in der Gemeinde. Welche zentralen Aussagen finde ich im Buch der Bücher zu meiner Fragestellung, die mir helfen, mein Forschungsziel zu erreichen?

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Den Schwerpunkt bildet in Kapitel 4 die Untersuchung vier verschiedener aktueller Rekrutierungsmodelle. Ich habe bewusst zwei Modelle aus dem säkularen Raum gewählt: einen Spezialisten aus dem ehrenamtlichen und einen aus dem professionellen Bereich. Die anderen beiden Rekrutierungsmodelle haben sich im gemeindlichen Umfeld vielfach bewährt. Meine Auswahl begründet sich folgendermassen: Bernd Wallraff hat eine empirische Studie zum professionellen Management von Ehrenamtlichen bei Greenpeace veröffentlicht. Da es sich um eine grosse und bekannte Organisation mit tausenden von ehrenamtlichen Mitarbeitern handelt, gehe ich davon aus, dass sie wegweisende Impulse liefern wird. Die Methodenstudie Weiterbildungsszene 2014 von Jürgen Graf (2014:7) hat ergeben, dass unter den lizensierten Persönlichkeitsmodellen das persolog-Persönlichkeitsprofil (bekannt als DISG2) unter den ersten drei Plätzen rangiert (neben Myers-Briggs-Typindikator [MBTI], und dem Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung [BIP]). Die Tatsache, dass der frühere Besitzer der Firma persolog, Prof. Dr. Jörg Knoblauch, gemeinsam mit Jürgen Kurz ein wegweisendes Buch zur Rekrutierung von Top-Mitarbeitern verfasst hat, war mir dessen Untersuchung wert. Das D.I.E.N.S.T.-Programm, ursprünglich in der Willow Creek Gemeinde in Chicago entwickelt, sowie das Programm Abenteuer Berufung von xpand scheinen mir zwei Modelle zu sein, die im christlichen Bereich gerade durch deren besondere Behandlung der Charismen (geistliche Gaben) eine wertvolle Bereicherung darstellen. Im katholischen Umfeld scheint die Orientierung an Charismen noch wenig verbreitet zu sein. So wird zum Beispiel in dem Beitrag von Silke Obenauer (2015:140) Der bunten Gnade auf der Spur auf die drei Programme aus dem evangelisch-evangelikalen Bereich verwiesen: D.I.E.N.S.T., Die drei Farben deiner Gabe und Ich bin dabei, Gaben entdecken – Akzente setzen – Welt gestalten. Somit konnte ich aus dem katholischen Umfeld keine nennenswerten Ergänzungen finden. Weitere Modelle wie zum Beispiel das Enneagramm, Big five oder das Riemann-Thoman-Modell, um nur die Bekanntesten zu nennen, versuchen auf unterschiedliche Art die Verschiedenartigkeit der Individuen zu beschreiben. Diese konnte ich aus Platzgründen nicht weiter berücksichtigen. Ich werde die Vorgehensweisen und Schwerpunkte der vier ausgewählten Programme darstellen und sie (aus eigener Sicht auf deren Relevanz) bewerten. Die Kombination der Modelle aus dem säkularen und gemeindlichen Umfeld ist neu und vielversprechend. Ich gehe davon aus, dass sie sich gegenseitig befruchten und ergänzen werden und damit zu neuen Lösungsansätzen führen. In Kapitel 5 werde ich dann in meinem Hauptteil wichtige Impulse für die Personalverantwortlichen in Kirchen und Gemeinden herausarbeiten und anschliessend mit einem kurzen Ausblick schliessen.

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Das Persönlichkeitsmodell DISG findet man in der Literatur in unterschiedlichen Schreibweisen. Dies hängt unter anderem mit einem Rechtsstreit über den Markennamen zusammen. Aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe vom 21. Januar 2010 wurden die Rechte an dem Markennamen DISG® und DISG-Training® von der Persolog GmbH auf die Inscape Publishing Inc. übertragen. Ich verwende der Einfachheit halber in der Arbeit die einheitliche Schreibweise DISG. © IGW International

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2. DAS FREIWILLIGE EHRENAMT In dieser Arbeit geht es um ehrenamtliche Mitarbeiter in Kirchen und Gemeinden, deren Tätigkeit ich folgendermassen definiere: Sie ist unentgeltlich, freiwillig, meist zeitlich begrenzt und wird in einem Teilbereich der Gemeinde von beiden Geschlechtern geleistet. Es geht beim Ehrenamt nicht um Ehre, wie der gebräuchliche, aber eher missverständliche Begriff suggeriert. Der Begriff Freiwillige, wie ihn Greenpeace verwendet, oder der im angloamerikanischen Raum gebrauchte Begriff volunteers (freiwillige Helfer) benennt diese Art der Mitarbeit besser. In diesem Kapitel geht es um die Besonderheiten dieser Form der Mitarbeit mit ihren Chancen und Grenzen.

2.1 Grosses Potenzial Da ein grosser Teil der Arbeit in einer Gemeinde ehrenamtlich geleistet wird, ist diese Form des Engagements von besonderer Bedeutung. Die theologische Begründung dazu folgt im nächsten Kapitel. Freiwillige Mitarbeiter ergänzen und bereichern die Arbeit der Hauptamtlichen. Je nach Gemeindegrösse und deren Prägung wird von ihnen der grösste, zumindest aber ein bedeutender Teil der geleisteten Arbeit erbracht. Die Dauer ihres Einsatzes ist unterschiedlich und oft nicht längerfristig vorhersehbar. Manchmal überdauert ihr Engagement sogar das Arbeitsverhältnis eines Pastors. Dadurch sorgen sie für ein bestimmtes Mass an Beständigkeit und können ohne Übertreibung als Säulen der lokalen Gemeinde bezeichnet werden. Viele von ihnen spenden regelmässig für die Gemeinde und sorgen dadurch für einen doppelten finanziell positiven Effekt: Ihre Arbeit ist kostenlos (aber nicht umsonst) und sie tragen aktiv zum Haushalt bei. Ehrenamtliche Mitarbeiter verfügen oft über wertvolles Fachwissen, ergänzende Kompetenzen, reiche Lebensweisheit, Glaubenserfahrungen, neue Kontakte, Leidenschaft, Aufgeschlossenheit und innovative Ideen. Somit können sie die Grenzen der hauptamtlich Angestellten deutlich erweitern, indem zum Beispiel ausgebildete Lehrer die Kinderarbeit leiten, Webdesigner und Reporter für einen guten öffentlichen Auftritt sorgen oder Finanzspezialisten dabei helfen, den Gemeindehaushalt zu führen. Es gibt aber auch kritische Aspekte: Durch ihre hohe Fachkompetenz können sie manchmal Ängste bei den Hauptamtlichen wecken, wenn sie als Konkurrenz oder sogar als Jobkiller empfunden werden. Manchmal werden sie tatsächlich als Ersatz für fehlende Hauptamtliche genutzt, um beispielsweise unattraktive oder lästige Arbeiten zu erledigen oder schlicht um Finanzen zu sparen. So kommt es vor, dass zum Beispiel der Pfarrkreis für den Hauptamtlichen zu gross ist oder die Aufgaben in einer Seelsorgeeinheit nicht mehr vom örtlichen Pastor allein bewältigt werden können, worauf Ehrenamtliche in die Bresche springen. Dies kann dann zu einer Überforderungen führen, unter der dann in vielen Fällen die Person selbst, sowie auch dessen Familie leidet. Freiwillige sind durch ihre Begeisterung Botschafter der Gemeinde in ihrem Umfeld. Sie sind oft die grössten Fans der Gemeinde und tragen das positive Image nach Aussen. Wertvolles Potenzial ist bereits © IGW International

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in der Gemeinde vorhanden oder kann durch Coaching, Beratung und Seminare zum Thema Berufung und Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Doch nicht nur die Gemeinde profitiert vom vorhandenen Potenzial, auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter erleben eine besondere Befriedigung, wenn sie ihre Gemeinde in wichtigen Bereichen unterstützen können. Laut dem letzten Freiwilligensurvey (Gensicke 2010:5) engagiert sich mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung als freiwillige Helfer. Die sogenannte Engagementquote, also der Anteil freiwillig Engagierter an der Bevölkerung, lag bei 36% der deutschen Gesamtbevölkerung. Bereits an dritter Stelle lag mit 6,9% das Engagement im Bereich Kirche / Religion (:7). Laut Denner (2015:38) befände sich das Ehrenamt aber in einem Strukturwandel, der mit einem gewissen gesellschaftlichen Wandel konform geht, zum Beispiel weg vom langfristigen, selbstlosen, einsamen Dienst, hin zu stärker selbstbestimmten Aufgaben von zeitlich eher begrenzter Dauer mit biografischer und persönlicher Passung. Zudem sei der demografische Wandel, veränderte Geschlechterrollen sowie Bildungsreformen beim Einsatz zu berücksichtigen. Laut der PRAGMA-Studie3 aus dem Jahr 2013 sind Selbstverwirklichung, Eigenverantwortung, Selbstverpflichtung, gute soziale Einbindung und Teilhabe an Entscheidungsprozessen, Vielseitigkeit und Erlebnisreichtum wichtige Merkmale eines zeitgemässen attraktiven Ehrenamtes (Denner 2015:41). Dies hat natürlich direkte Konsequenzen auf die Rekrutierung neuer Mitarbeiter, was in Kapitel 5 näher beleuchtet wird.

2.2 Entscheidend: Die intrinsische Motivation Wie der Freiwilligensurvey (Gensicke 2010:12) bestätigt, sind die Motive zur Mitarbeit mehrheitlich intrinsisch. Über 60% geben auf die Frage, warum sie sich engagieren an: „Ich will durch mein Engagement die Gesellschaft zumindest im Kleinen mitgestalten“. Dies deckt sich auch mit der Erfahrung in vielen Gemeinden. Man sieht sich als Teil des Ganzen und gestaltet mit – allerdings mit sehr unterschiedlicher Dauer und Intensität des persönlichen Einsatzes. So nennen viele Gemeindeglieder den Missionsbefehl aus Mt 28,20ff als Grund für ihr ehrenamtliches Engagement. Wie Gensicke (2010:13) jedoch aufzeigt, müssen die Motive oft gar nicht von besonders geistlicher Natur sein. Viele hätten die Erwartung an die ehrenamtliche Arbeit, dass sie Spass macht. Diese Erwartung wurde an erster Stelle genannt. An zweiter folge, dass man damit anderen Menschen helfen kann. Auch Wallraff (2010:186) zeigt dies am Beispiel von Greenpeace. Er nennt als eines der wichtigsten Motive, „die Freizeit sinnvoll und mit anderen Menschen gemeinsam zu gestalten“ und „Spaß und Freude zu haben“. Dabei sei „Spaß“ als ein Oberbegriff für Zufriedenheit und innere Erfüllung bei der Bewältigung einer Aufgabe zu sehen (:125). Diese „innere Erfüllung“ hängt für viele Ehrenamtliche in der Gemeinde dann aber doch wieder mit ihrem geistlichen Antrieb zusammen.

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Befragung der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Jahr 2013 an 800 Personen zu ihrem ehrenamtlichen Engagement.

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Wenn Freude, Spass und Erfüllung mit idealistischen Motivationsfaktoren kombiniert werden können, werden beide Seiten zu Gewinnern: Der Mitarbeiter erlebt seinen Einsatz positiv, was Zufriedenheit und weiteres Engagement zur Folge hat und der Empfänger erlebt konkrete Unterstützung in seiner speziellen Bedürfnissituation. Dabei gilt es natürlich zu berücksichtigen, dass Motive meist mehrschichtig sind. Einem Leiter einer Kleingruppe geht es unter Umständen nicht nur um die Stärkung und Ermutigung seiner Teilnehmer, sondern auch um das Training seiner Sozialkompetenz, eine Steigerung seiner Anerkennung oder vielleicht sogar um das Finden einer Lebenspartnerin. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass eine möglichst hohe Eigenmotivation eine dauerhafte und erfolgreiche Mitarbeit fördert.

2.3 Zeitliche Begrenzung Eine besondere Herausforderung stellt der zeitlich begrenzte Einsatz dar. Oft stehen nur einzelne Stunden und diese zudem meist in Randzeiten zur Verfügung. Dadurch wird das mögliche Einsatzfeld stark eingeschränkt oder es werden Kompromisse (auch was das Ergebnis angeht) notwendig. Dies gilt besonders, wenn es darum geht, anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen. In solchen Fällen müssen spezielle Fähigkeiten oft erst erworben werden. Dies wiederum erfordert Zeit, Finanzen und Geduld. Zudem muss eine gewisse Dauer zur Einarbeitung berücksichtigt werden. Wadsack (zitiert nach Wallraff 2010:143) betont: „Je anspruchsvoller die Zielsetzung der Freiwilligenorganisation ist, desto wichtiger ist eine konstante und kompetente Aufgabenerfüllung“. Diese ist nicht zum Nulltarif zu haben. Gerade hier sind Gelder zur Weiterbildung gut investiert. Wallraff (2010:17) warnt in diesem Zusammenhang: „Wenn die Institution keine Mittel, Hilfe und Unterstützung für ein Ehrenamtsprogramm zur Verfügung stellt, besteht deshalb die Gefahr, dass die Ehrenamtlichen zu einem Nachteil werden.“ Häufige Wechsel können ebenso eine spezielle Herausforderung darstellen. Diese treten besonders unter den jüngeren Mitarbeitern auf. Wenn zum Beispiel der Jugendleiter zum Studium wegzieht, ist manchmal die ganze Jugendarbeit in Gefahr. Teilweise sind Wechsel absehbar, wie bei anstehenden einschneidenden Lebensereignissen. Teilweise geschehen sie aber auch unerwartet, wenn zum Beispiel eine ungeplante Veränderung im Hauptberuf ansteht. Berufstätige sind oft durch ihre geldbringende Tätigkeit bis zur Belastungsgrenze gefordert, sodass kaum noch oder nur sehr unregelmässige Möglichkeiten zum ehrenamtlichen Engagement bestehen. Da das ehrenamtliche Engagement meist an zweiter Stelle steht, bleiben Projekte in der Gemeinde gerne stecken oder benötigte Materialien werden nicht rechtzeitig fertig gestellt. Der lokale Pastor steht bei solchen Entwicklungen in ganz besonderen Herausforderungen. Eine geringfügige Bezahlung einer freiwilligen Tätigkeit stellt in einem solchen Fall jedoch keine praktikable Lösung dar.

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2.4 Herausforderungen in der Zusammenarbeit Da Ehrenamtliche ihre Mitarbeit freiwillig erbringen, besteht oft keine klare Weisungsbefugnis seitens des Pastors. Seine Sozialkompetenz und sein Geschick im Bereich Motivation sind hier besonders gefordert. Besonders dann, wenn sich mancher Ehrenamtlicher als schwierige Persönlichkeit zu erkennen gibt, zum Beispiel mit mangelnder Konfliktfähigkeit, verstecktem Egoismus, Geltungssucht oder anderen versteckten Motiven. Die Zusammenarbeit einzelner Ehrenamtlicher untereinander birgt ebenfalls spezielle Herausforderungen. Zum Beispiel, wenn wie oben beschrieben, Mitarbeiter ungeplant ausfallen. Dann bleibt die Arbeit an den verbleibenden Mitarbeitern hängen. Stark Involvierte stehen in der Gefahr, das selbe Engagement von anderen zu verlangen. Eine reife Persönlichkeit ist von entscheidender Bedeutung. Laut Freiwilligensurvey (Gensicke 2010:219) ist die Fähigkeit „mit Menschen umgehen können“ mit 68% die am stärksten geforderte Anforderung an die Tätigkeit von Freiwilligen.

2.5 Der begrenzte Markt Eine weitere Herausforderung stellt die geringe Grösse vieler Gemeinden dar. So steht oft nur ein kleiner Kreis von Personen für die Rekrutierung zur Verfügung. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass viele schon engagiert sind, stellt diese Tatsache, zum Beispiel beim Start eines neuen Arbeitsbereiches oder beim Wegfall eines langjährigen Mitarbeiters, eine ernst zu nehmende Hürde dar. Aufgrund der Vielfalt des Angebots für potenzielle Ehrenamtliche, gestaltet sich die Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiter zusätzlich schwierig. Ich möchte diese Problematik in meinen nebenstehenden Grafiken verdeutlichen: Abbildung 1: Was also tun, wenn man als Gemeinde für eine Aufgabe ein Anforderungsprofil (A) hat, das von den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Gemeinde (B) nicht gedeckt wird? Das rote Dreieck sprengt den

Abbildung 1 - Der begrenzte Markt

dunkelgrünen Kreis. Abbildung 2: Eine Möglichkeit wäre, über die gemeindeeigenen Grenzen hinaus zu gehen und im gesamten Umfeld zu rekrutieren (C). Mitarbeiter in umliegenden Gemeinden zu rekrutieren halte ich allerdings für problematisch. Dort zu rekrutierende Mitarbeiter sind meist durch Freundschaften und ein enges Beziehungsnetz, das weit über die

Abbildung 2 - Der begrenzte Markt

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eigene Mitarbeit hinausgeht, in ihrer Heimatgemeinde verwurzelt. Abbildung 3: Eine weitere Möglichkeit wäre, das Anforderungsprofil auf die vorhandenen Ressourcen in der eigenen Gemeinde anzupassen (D), also zu verkleinern. Dieses könn-

Abbildung 3 - Der begrenzte Markt

te dann durch die eigene Gemeinde abgedeckt werden. Dabei ist die Bereitschaft, mit entsprechenden Kompromissen leben zu können, gefordert. Eine der grössten Versuchungen ist sicherlich, die Anforderungen auf die bereits engagierten Mitarbeiter aufzuteilen nach dem Moto: „Wer fähig ist, diese Last zu schultern, schafft auch noch ein bisschen mehr“. Die Folgen sind vielerorts bekannt: Überforderung, Unmut und frustriertes Aufgeben. Warum einen Dienst nicht ruhen lassen (zumindest bis eine passende Person gefunden ist)? Mut zur Lücke, Konzentration auf das Wesentliche, alte Zöpfe abschneiden, scheint mir ein viel zu selten beschrittener Weg zu sein.

2.6 Fazit Es wurde deutlich, dass für ein gesundes Gemeindeleben die Mitarbeit von Ehrenamtlichen unverzichtbar ist. Die vorhandenen vielfältigen Ressourcen sollten für das Wohl aller Beteiligten genutzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Ehrenamt in einem Strukturwandel befindet, der mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel einhergeht. Dadurch verändern sich teilweise die Motive, die Dauer der Mitarbeit und die Erwartungen an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Entscheidend ist und bleibt eine hohe intrinsische Motivation der Mitarbeiter. Den Chancen stehen aber auch Herausforderungen gegenüber. Die zeitlich begrenzte Mitarbeit, bedingt durch Veränderungen im persönlichen Umfeld oder der Mitarbeit vermehrt in Randzeiten, schränkt das Einsatzfeld stark ein. Dadurch treten häufigere Wechsel auf. Die eingeschränkte Weisungsbefugnis des Pastors erfordert eine besonders hohe Sozialkompetenz. Oft setzt die geringe Grösse der Gemeinde und die damit eingeschränkte Verfügbarkeit verschiedener Fähigkeiten Grenzen.

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3. THEOLOGISCHE REFLEXION Wie sieht die Bibel die Zusammenarbeit der Nachfolger Jesu? Wer ist zum Dienst in der Gemeinde berufen? Gibt es einen besonders ausgewählten Personenkreis, zum Beispiel Priester, Pfarrer, Pastoren oder sind alle Christen gleichermassen beauftragt und berufen? Wie sieht das Verhältnis der Berufenen untereinander aus? Diesen Fragen gehe ich in diesem Kapitel nach.

3.1 Ein gemeinsamer Auftrag von Ehren- und Hauptamtlichen Petrus und Andreas, die ersten beiden Personen, die Jesus in seine Nachfolge berief, waren einfache Fischer, ebenso die nächsten beiden, Jakobus und Johannes (Mt 4,18-22). Jesus erweiterte später seinen engeren Kreis der 12 Jünger bei einer seiner Sendungen auf 72 (Lk 10,1ff). Bei der Beauftragung in Mt 28,20 gibt er seinen Jüngern den Befehl, in allen Völkern Jünger zu machen. Jesu Jünger machen andere zu Jüngern. Hier wird ein Multiplikationsprinzip unter Gleichberechtigten deutlich. Die neu gewonnenen Jünger werden gleich benannt wie die Jünger Jesu. In 2 Tim 2,2 beauftragt Paulus Timotheus, die Botschaft anderen treuen Menschen anzuvertrauen, die wiederum fähig sind, andere zu lehren. Auch hier wird ein Multiplikationsprinzip ersichtlich, das auf eine allgemeine, gleichberechtigte Beauftragung schliessen lässt. Ich möchte diese Tatsache anhand der Thematik des allgemeinen Priestertums noch näher verdeutlichen.

3.1.1 Das allgemeine Priestertum im NT Das allgemeine Priestertum, also die gleichberechtigte Zusammenarbeit von hauptamtlichen Klerikern und Laien, wird durch die erfüllte Prophezeiung aus Joel 3,1-5 an Pfingsten (Apg 2,17-18) sichtbar. Dort wurde der Heilige Geist auf alle ausgegossen und bevollmächtigte sie zum prophetischen Dienst, einem der höchsten Dienste in der Gemeinde (1 Kor 12,28). Haslebacher (2016:77) bemerkt dazu: Im Gegensatz zu dieser Ausgießung des Heiligen Geistes auf alle Gläubigen an Pfingsten war der Heilige Geist zur Zeit des Alten Testaments auf einige wenige Führer des Volkes Israels, wie Könige (1Sam 16,13), Propheten (Jes 61,1; Hes 11,5), Richter und Älteste (4Mo 11,25) beschränkt gewesen und ging oft mit einer Salbung einher.

An Pfingsten wurde der Heilige Geist dann auf alle Gläubigen ausgegossen, was zur Folge hatte, dass die Gemeinde nicht mehr durch einzelne Priester geleitet wurde, sondern die Autorität auf alle geistgetauften Gläubigen überging. Es sind nun nicht mehr wie in alttestamentlicher Zeit die Priester, die in einer Mittlerrolle für das Volk einstehen, um dem Volk durch Fürbitte und den Opferdienst Versöhnung zu schaffen (Lev 16) und Gottes Weisungen zu verkündigen. Diese Mittlerrolle zwischen Gott und seinem Volk hat jetzt der eine Mittler, Jesus Christus, übernommen (1 Tim 2,5; 1 Joh 2,1-2), meint Haslebacher (2016:78). Jesus ist der neue Hohepriester. Nur über ihn führt der Weg zu Gott (Joh 14,6). Er ist der treue (Hebr 2,17) und grosse (Hebr 4,14), der heilige, unschuldige, unbefleckte Hohepriester (Hebr 7,26), dessen Priestertum unvergänglich ist (Hebr. 7,24).

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Seit Pfingsten spricht der Heilige Geist die Worte Gottes in die Herzen der Gläubigen (Joh 16,13-15; Apg 2,16-21). Haslebacher (2016: 79) verdeutlicht dies folgendermassen: Somit erfüllte sich an Pfingsten, was Jeremia in 31, 31-34 vorausgesagt hatte und in Hebr 8, 8-12 aufgenommen wird: «Ich will mein Gesetz geben in ihren Sinn, und in ihr Herz will ich es schreiben und ... es wird keiner seinen Mitbürger lehren oder seinen Bruder und sagen: Erkenne den Herrn! Denn sie werden mich alle kennen von dem Kleinsten an bis zu dem Größten» Vers 10b-12; Luther.

Jeder einzelne Gläubige ist nun selbst Tempel Gottes (1 Kor 6,19) sowie er dies auch als Teil der Gemeinde ist (Eph 2,19+20). Durch die Ausgiessung des Heiligen Geistes haben also alle Gläubigen Anteil am Priestertum Jesu. Dies wird als das königliche (1 Petr 2,5) und das heilige Priestertum bezeichnet (1 Petr 2,9). Haslebacher führt weiter aus (2016:80): Alle Gläubigen sind Geschwister des Hohenpriesters Jesus (Hebr 6, 20) und wurden in eine priesterliche Familie hinein adoptiert (Röm 8, 29). Im Neuen Bund sind alle Gläubigen aufgefordert, befähigt und bevollmächtigt, im «Tempel der Gemeinde» (Eph 2,20-22; 1Tim 3,15) mit ihren Gaben zu dienen,...

Diese Priester bringen ganz verschiedene Opfer dar (Gebet, Busse, gute Taten, etc.), sie dienen am Evangelium (Röm 15,16) und in der Gemeinde. Bei der Ausgiessung des Heiligen Geistes wurde kein Unterschied zwischen Mann und Frau, Knecht oder Magd, Alten oder Jungen gemacht, „... und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist“ (Apg 2,3f). Alle Gläubigen sind nun also zu Priestern berufen.

3.1.2 Wie wurde der gemeinsame Auftrag gelebt? Bereits in der Zeit um Paulus übernahmen bestimmte Personen Führungspositionen in der Gemeinde. Es entwickelten sich die ersten Gemeindestrukturen mit ihren männlichen Hirten und der allgemeinen Herde. Mit der Ausbreitung des Christentums im 2. und 3. Jahrhundert entwickelte sich ein hierarchisch abgestufter Klerikerstand. Spätestens 1075, als Papst Pius VII. sich mit dem dictatus papae über König Heinricht IV. setzte, waren Papst, Bischöfe und Priester klar vom christlichen Fussvolk getrennt. Luther (1839: 9) lehnt das katholische Verständnis des Priestertums ab. Unter Berufung auf 1 Kor 12; 1 Petr 2,9 und Offb 5,10 meint er: „Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, daß es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht einem jeglichen [sic] ziemt, solch ein Amt auszuüben“, und begründet damit das allgemeine Priestertum. Eduard Kopp (2015) führt dazu aus: Es hat einen historischen Grund, dass die Reformatoren die Mitwirkung aller Getauften betonten: In der spätmittelalterlichen Kirche schien der Dienst der Kleriker zu einer ‚Herrschaft über die Seelen geworden zu sein’, so der Evangelische Erwachsenen-Katechismus (EEK). Die Reformation versuchte, die ‚einfachen Gläubigen’ aus der Rolle der Betreuten und Beherrschten zu befreien und sie als aktiv Mitwirkende in die Verantwortung und Mitwirkung zu rufen. Nicht nur ein bestimmter Stand, der der Kleriker, sondern das ganze Volk sollte priesterlich tätig werden.

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Laut Rückle (1982:286) ist es in der Praxis allerdings nicht zu einer wirklichen Ausbildung des Priestertums aller Gläubigen gekommen. Besonders vom Pietismus aus sei auf diesen Mangel immer wieder hingewiesen worden, so zum Beispiel von Ph.J.Spener in seiner Schrift »Pia desideria« (1675). Im II. Vatikanischen Konzil wurde das gemeinsame Priestertum im Lumen Gentium (2. Kapitel, Absatz 10) neu beschrieben: Das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt... das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.

3.1.3 Die heutige Wirklichkeit Das von der katholischen Kirche neu definierte gemeinsame Priestertum hat Bewegung ausgelöst, aber trotz dieser Neuerung blieb es bei zwei deutlich voneinander abgegrenzten Stellungen. Im Webportal der katholischen Kirche Kassel schreibt Anselm Grün: „Der Priester ist Mittler zwischen Gott und den Menschen. Er hat Zugang zu Gott.“ Auch von evangelischer Seite wird diese Haltung der katholischen Kirche so gesehen. Rückle (1982:286) meint, die Priesterweihe habe in der katholischen Kirche eine unverlierbare Qualität, die ihn vom Laien unterscheidet und zum Mittlerdienst befähige. Warum tun sich viele Hauptamtliche so schwer mit dem neutestamentlichen allgemeinen Priestertum? Wird das Amt eines Pastors zu schnell mit einer höheren geistlichen Ebene verwechselt? Ist es für den Laien einfacher, geistliche Belange an einen bezahlten Profi zu delegieren? Ist es für den Profi einfacher, einen Ehrenamtlichen für die Erledigung einer Aufgabe zu (be-) nutzen, als in einen langwierigen Jüngerschaftsprozess mit ihm zu investieren? Zu oft haftet am Pastor eine übersteigerte Erwartung, er allein sei für das geistliche Wohlergehen der Gemeinde zuständig und könne dies sicherstellen. Klaus Eickhoff (2009:269) beklagt unter dem Titel „Schluss mit der Gaben vernichtenden Pastorenfalle“, dass unsere Gemeinden weiterhin nach dem hierarchischen Priesterbild geleitet werden, anstatt das allgemeine Priestertum zu verwirklichen. „Der Solist ist überfordert und die Gemeinde dazu verurteilt, unter ihren Möglichkeiten dahinzudümpeln“. Dieser Zustand würde als gottgegeben angesehen. Dabei sei der betroffene Pastor der Geschundene, der sich noch in seiner „herausragenden“ Rolle gefalle (:268). Aber auch für das ganz normale Gemeindemitglied besteht die Gefahr, sich in ungewohnten Situationen wie zum Beispiel bei einem Gebet für Kranke, der Gottesdienstplanung oder dem Austeilen des Abendmahls hinter dem Profi zu verstecken. Eickhoff (:271) resümiert: „Das Pastoren-zentrierte [sic] System, das von den Reformatoren von Rom übernommen und nie überwunden wurde, wirkt sich verheerend aus.“ Eickhoff hat dabei die Evangelische Landeskirche © IGW International

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Deutschlands vor Augen. Der dortige Zustand lässt sich sicherlich nur eingeschränkt auf andere Gemeinden übertragen. Freikirchen wie zum Beispiel der icf, Chrischona, Willow Creek und andere leben in weiten Teilen ein allgemeines Priestertum. Bill Hybels (2002:9) ermutigt ehrenamtliche Mitarbeiter zum Beispiel: „Als D.I.E.N.S.T.-Berater setzen Sie genau dort an, wo es sich entscheidet, ob gabenorientierte Mitarbeiterschaft – das Priestertum aller Gläubigen – in Ihrer Gemeinde Wirklichkeit wird oder nur graue Theorie bleibt.“

3.1.4 Fazit Die Umsetzung des allgemeinen Priestertums bewahrt uns vor zwei Gefahren: vor Überschätzung des geistlichen Amtes (als habe der Pastor ein direkteres Verhältnis zu Gott) sowie vor Unterschätzung der Laien, als ob sie nicht zu geistlichem Handeln fähig wären. Rückle (1982:286) betont in diesem Zusammenhang: „Geistliche Ämter in der Gemeinde und »Priestertum aller Gläubigen« sind notwendige Ergänzungen zueinander. Verzicht auf das Erstere führt in Schwärmerei. Verzicht auf das Letztere zu einem ungeistlichen Apparat und zur Entmündigung der Gemeindeglieder.“

3.2 Ein Leib – viele Glieder Um die Vielfalt an Persönlichkeiten zu beschreiben, gibt es unterschiedliche Ansätze: nichtwissenschaftliche Beschreibungen wie zum Beispiel: „Jeder Mensch ist so einzigartig wie die Schneeflocken, bei denen keine der anderen gleicht“, aber auch unterschiedliche wissenschaftliche Modelle, die in der Einleitung und unter Punkt 4 näher beschrieben werden. Ich möchte neben diesen Ansätzen einige wichtige Grundsätze aus der Bibel benennen. Hier wird die Vielfalt oft im Spannungsfeld zur gleichzeitig anzustrebenden Einheit beschrieben.

3.2.1 Die Darstellung in den paulinischen Briefen In Eph 4,3-6 betont Paulus das Miteinander als gleichberechtigte Einheit: „...und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ Gott ist über, durch und in allen! Da ist keine Rede von Hauptund Ehrenamtlichen. Es geht um ein lebendiges Miteinander unter Gleichgestellten. Als Einleitung zu den drei Gabenkatalogen aus 1 Kor 12,1ff; Röm 12,3ff und Eph 4,11f möchte ich 1 Petr 4,10f stellen: Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Hier wird im Bezug auf die Verwendung verschiedener Charismen (Gnadengaben) deren Ziel betont: dient einander. Das Ziel der Gnadengeschenke Gottes weist von mir weg auf den Anderen hin. Nicht ich

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bin dadurch gesegnet sondern der Andere wird durch das Ausleben meiner Gabe gesegnet. Da es sich dabei um „der verschiedenartigen Gnade Gottes!“ (Elb) handelt, ist die Angst, zu kurz zu kommen, völlig unangebracht. Jeder Gläubige hat eine besondere Gabe empfangen und ist damit einzigartig ausgestattet. Sie kann nicht selbständig erworben oder antrainiert werden. Es wird keine Aussage über die Wertigkeit der Gaben gemacht. Am Beispiel des Predigens verdeutlicht Petrus, dass Gott deren Geber ist: „... so sei es als aus der Kraft, die Gott darreicht“ (Elb), und dass seine Gabe letztendlich den Geber ehren soll. In 1 Kor 12,1-31 spricht Pauls am ausführlichsten über das Spannungsfeld von Einheit und Vielfalt der Gaben. In Vers 4 nennt er drei Wortpaare, die die Spannung verdeutlichen: mancherlei Gaben und ein Geist, mancherlei Ämter und ein Herr, mancherlei Kräfte und ein Gott. Die Aufgabe der einzelnen Gaben ist es, dem gemeinsamen Nutzen der Gemeinde zu dienen. Paulus verfasst einen Katalog mit neun verschiedenen Gaben: Weisheit, Erkenntnis, Glaube, Heilung, Wundertaten, Prophetie, Geisterunterscheidung, Zungenrede und Auslegung der Zungenrede. Er beschliesst diese Aufzählung mit ähnlichem Inhalt, wie wir ihn schon aus 1 Petr 4,10 kennen. Wenn Gottes Geist die Gaben vergibt, liegt die Annahme nahe, dass dies bei der Bekehrung passiert. Ab Vers 12 verwendet Paulus das Bild vom Körper mit dessen verschiedenen Gliedern. Dieser metaphorische Vergleich aus dem Alltag verdeutlicht diese geistliche Wahrheit. Als Gläubige sind wir der Leib Jesu. Das ist eine Tatsache. In den Versen 15-26 beschreibt er verschiedene Aspekte des Zusammenwirkens verschiedener Gaben, die ja auch in der Gemeindewirklichkeit oft zu beobachten sind: Neid und Minderwertigkeitsgefühle (Verse 14-20), Stolz und Arroganz (Vers 21), die Gleichwertigkeit der Begabungen (Verse 22-24) und deren gegenseitige Ergänzung (Vers 26). Ab Vers 28 führt Paulus die Beschreibung der einzelnen Gaben aus den Versen 7 – 11 weiter aus. Es werden Auf-gaben / Dienstbereiche / Ämter genannt: „... aufs erste Apostel, aufs andere Propheten, aufs dritte Lehrer.“ Im Gegensatz zur Aufzählung in Eph 4,11 (s.u.) werden die Evangelisten und Hirten nicht genannt, dafür aber zwei noch nicht erwähnte Gaben: Helfer und Leiter. Gabenvielfalt in Einheit zu leben ist immer Chance und Herausforderung zugleich. Gelingt das Miteinander unterschiedlichster Begabungen, entsteht eine starke, lebendige, bunte und bereichernde Gemeinschaft, die Gottes Kreativität wiederspiegelt. Zerbricht eine Gemeinde an ihrer Unterschiedlichkeit, entstehen bleibende Verletzungen und Misstrauen. In Röm 12,3-8 macht Paulus deutliche Aussagen zum Spannungsfeld der Gabenvielfalt und der Einheit der Gemeinde. Er spricht vor der Benennung der Gaben über deren Verwendung. Er ruft in Vers 3 dazu auf, sich nicht zu überschätzen und bescheiden zu bleiben. Bescheidenheit bewahrt vor Arroganz und Überheblichkeit und hilft damit, die Einheit in der Vielfalt zu bewahren. In den folgenden beiden Versen nutzt Paulus dasselbe Bild wie in 1 Kor 12 vom einen Leib mit seinen vielen unterschiedlichen Gliedern. An dieser Stelle allerdings betont er zusätzlich die Abhängigkeit der einzelnen Glieder voneinander, indem er den Dienst untereinander ebenso mit dem Bild der vielen Glieder an einem Leib anwendet: „Untereinander ist einer des andern Glied.“ In den Versen 6 bis 8 beschreibt er dann einzelne Charismen: prophetische Rede, ein Amt / Dienst, lehren, ermahnen / ermutigen, (ab-) geben, vorstehen (Verantwor-

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tung übernehmen) und Barmherzigkeit. Diese Aufzählung deckt sich nur teilweise mit der Gabenliste aus 1 Kor 12. Es werden einzelne herausgegriffen. In den folgenden Versen betont Paulus (wie in 1 Kor 13) die notwendige Liebe im Umgang mit allen Unterschiedlichkeiten. In Eph 4,11f wird der sogenannte fünffältige Dienst beschrieben: „Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi“ (Elb). Es werden keine einzelnen Gaben (Charismen) benannt, sondern fünf verschiedene Ämter / Dienste, die mittels unterschiedlicher Gaben ausgeführt werden. Bevor Paulus diese Dienste beschreibt, betont er die Notwendigkeit der Einheit (V. 4-6) und benennt anschliessend das Ziel aller Dienste in Vers 12: „... damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden.“

3.2.2 Die heutige Wirklichkeit Der Versuch einer Strukturierung der vielfältigen Gaben fällt in unterschiedlichen christlichen Programmen sehr verschieden aus: xpand spricht von Gaben, Fähigkeiten und Persönlichkeit. Das D.I.E.N.S.T.Programm unterteilt in Neigungen, Gaben und Persönlichkeitsstil. Christian A. Schwarz (2001:15) spricht von drei Farben (Dimensionen) verschiedener Gaben und unterscheidet in manifeste und latente Gaben (:99). Diese Programme gehen davon aus, dass es hilfreich ist, die eigene Verschiedenartigkeit zu entdecken, um dann in einem passenden Dienst aktiv zu werden. Das genaue Vorgehen zweier Programme wird in Kapitel 4 dargestellt. Rick Warren (1995:371) vertritt in diesem Zusammenhang hingegen genau die gegenteilige Meinung: Die meisten Kirchen sagen, ‚Entdecke deine geistlichen Gaben und dann wirst du wissen, welchen Dienst du unterstützen sollst.’ Das ist verkehrt. Ich glaube, das genaue Gegenteil trifft zu: ‚Beginne mit verschiedenen Diensten zu experimentieren und dann wirst du deine Gaben entdecken!’4

Beim Experimentieren muss konsequenterweise in Kauf genommen werden, dass Fehler passieren, wenn zum Beispiel festgestellt wird: „Diese Gabe scheine ich wohl nicht zu haben.“ Besonders wenn für diese Erkenntnis ein längerer Weg notwendig sein sollte, wird dabei viel Kraft, Zeit und Liebe notwendig sein. Damit kommen wir zu einer wichtigen Frage: Beruft Gott den Begabten oder begabt er den Berufenen? Was kommt zuerst: Gabe oder Berufung? So verlockend es wäre, hier eine eindeutige Antwort geben zu können, so unterschiedlich sind die Beispiele, die wir in der Bibel finden. In Apg 13, 1 werden spezielle Gaben (Lehrer, Propheten) dortiger Personen (z.B. Barnabas) benannt. Im folgenden Vers wird dann von der Berufung des Barnabas zu einem bestimmten Dienst berichtet. In den Beschreibungen der Qualifikationen bei der Auswahl der Bischöfe in 1 Tim 3,1-13 wird als eine der Gaben „geschickt zur Lehre“ unter weiteren Voraussetzungen genannt. In Tit 1,5-9 finden wir eine weitere Liste von Qualifikationen, die bestimmte Gaben benennt, die für die Berufung zum Ältesten als Voraus4

Most churches say, „Discover your spiritual gift and then you’ll know what ministry you’re supported to have.“ This is back-

wards. I believe the exact opposite: Start experimenting with different ministries und then you’ll discover your gifts!“ © IGW International

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setzung genannt werden. In Apg 6,3 wird als eine Voraussetzung zum Diakon die Gabe der Weisheit genannt. In diesen Fällen können wir davon ausgehen, dass die Berufung eine Folge vorhandener Gaben war. In Jeremia 1,5 lesen wir hingegen, dass er bereits vor seiner Geburt zum Dienst berufen wurde: „... und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.“ Ähnliches finden wir bei Mose. Zur Zeit seiner Berufung war er Schafhirte und konnte an sich keine der notwendigen Begabungen zum Befreier des Volkes Israels erkennen. Gott beauftragte ihn dennoch für diesen Dienst. Als er nach mehreren Abwehrversuchen mit dem Argument aufwartet, er sei nicht redegewandt, sagt Gott ihm zu, ihn mit der notwendigen Gabe auszurüsten: „Ich will mit deinem Mund sein und dich lehren, was du sagen sollst“ (2 Mo 4,12). In diesen beiden Fällen steht die Berufung an erster Stelle, auf die dann die Begabung / Befähigung folgt. Als Jesus seine Jünger beruft, wählt er Petrus und seinen Bruder Andreas aus und verspricht ihnen, sie zu Menschenfischern zu machen. Über deren Gaben wird keine Aussage gemacht, jedoch über deren Aufgabe nach der Berufung. Sollte Jesus schon eine gewisse Leiterbegabung bei Petrus erkannt haben, wäre Andreas nur aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses berufen worden? Dieses Gedankenspiel zeigt, dass es keine klare Regel zur Reihenfolge von Berufung und Begabung gibt. Was wir aber wissen, ist: „Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist und teilt jedem besonders aus, wie er will“ (1 Kor 12,11).

3.2.3 Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass das neue Testament von einer Vielzahl unterschiedlicher Gaben ausgeht. Sie sind besondere Fähigkeiten, die der Heilige Geist jedem Christen nach Gottes Vorstellung und Gnade gibt. Die Auflistungen dieser Gaben sind nicht deckungsgleich. Es gibt unterschiedliche Schnittmengen. Somit ist eine eindeutige Bestimmung biblischer Gaben nicht möglich. Sie wurden zum Dienst und zum Nutzen der ganzen Gemeinde gegeben. Hennecke (2015:19) nutzt in diesem Zusammenhang einen passenden Vergleich: „Von Anfang an bilden Gaben und Aufgaben ein Tandem, denn nur wo beides zusammenkommt, wird Kirche wirksam und überzeugend.“ Meist wird als Ergänzung zur Vielfalt die Notwendigkeit der Einheit und die Liebe als das entscheidende Mittel dazu benannt. Einen sehr passenden Vergleich für das Zusammenwirken von Einheit und Vielfalt sehe ich in der Vorstellung eines Prismas: Weisses Licht trifft auf eine Licht brechende Glasfläche. Es entsteht ein unfassbar vielfältiges Lichtspektrum. Andreas Malessa hat diesen Vorgang in einem Song aus den 80er Jahren treffend formuliert: „Wie sich das weiße Licht in bunte Farben bricht, so Abbildung 4 Prisma

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seh in vielen Menschen ich auch dein [Gottes] Gesicht“ [Ergänzung, U.K.].

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4. BESTEHENDE REKRUTIERUNGSMODELLE In diesem Kapitel stelle ich vier verschiedene Rekrutierungsmodelle dar, ohne sie zu bewerten. Zwei Modelle kommen aus dem säkularen Bereich, zwei aus dem gemeindlichen Umfeld. Näheres zur Auswahl habe ich bereits in Kapitel 1.4 beschrieben. In Kapitel 5 werde ich ausführlich darstellen, welche Impulse zur Rekrutierung von Ehrenamtlichen im gemeindlichen Umfeld daraus genutzt werden können.

4.1 Model 1: Greenpeace Deutschland Grundlage dieses Kapitels bildet das Buch von Bernd Wallraff „Professionelles Management von Ehrenamtlichen. Eine empirische Studie am Beispiel von Greenpeace“, sowie einige interne Papiere von Greenpeace-Deutschland, die mir freundlicherweise für diese Arbeit zur Verfügung gestellt wurden.5 Der vorliegenden Untersuchung liegt die Arbeit in Deutschland zu Grunde. Die 1979 gegründete und in Amsterdam beheimatete Umweltorganisation Greenpeace international beschäftigt weltweit zirka 2000 Mitarbeiter und unterhält Büros in über 30 Ländern, finanziert sich ausschliesslich durch private Spenden und kennt keine formale Mitgliedschaft der Mitarbeiter. Die Struktur der Gesamtarbeit wird von Hauptamtlichen getragen, wobei die nationalen und lokalen Gruppen in selbstorganisierten Strukturformen arbeiten, die sich flexibel an lokalen Erfordernissen orientieren.

4.1.1 Allgemeines zum Ehrenamt bei Greenpeace Wallraff (2010: 47) betont: „Quasi alle spektakulären Aktionen werden von Ehrenamtlichen getragen.“ Ohne diese ist die Arbeit in der jetzigen Form nicht zu leisten. Daher kommt ihrer Mitarbeit eine entscheidende Bedeutung zu. Greenpeace verwendet die Begriffe Freiwillige und Ehrenamtliche als synonyme Begriffe. Freiwillige werden direkt als Mitarbeiter angesehen und müssen nicht aus einem zur Organisation gehörenden Personenkreis (wie in den Kirchen und Gemeinden) zur Mitarbeit rekrutiert werden. In diesem Punkt weicht die inhaltliche Bedeutung des Begriffes Rekrutierung von der Verwendung im kirchlichen Bereich ab. Hier haben wir eine grössere Menge an reinen Besuchern (inaktiven Konsumenten), die nicht zwangsläufig mitarbeiten. Unter Umständen besuchen sie nur den Gottesdienst oder geniessen ein anderes kirchliches Angebot, ohne sich selbst aktiv zu engagieren. Greenpeace rekrutiert auf breiter Basis (mit Flyern, Plakaten, Mailings) und versucht in einem zweiten Schritt, die Neuen zu integrieren, d.h. eine für sie passende Tätigkeit zu finden und sie damit dauerhaft als Mitarbeiter zu halten. Diese Integrierten, die eine definierte Verantwortung übernehmen, könnte man mit der Position ehrenamtliche Mitarbeiter im kirchlichen Umfeld in etwa vergleichen.

5

Die zentrale Bedeutung der Freiwilligenarbeit bei Greenpeace wird schon dadurch deutlich, dass der interne, 29 seitige Leitfaden zur Rekrutierung und Integration von Freiwilligen mit dem Titel „Neue finden und binden“ für alle Greenpeace-Gruppen auch als E-Learning Weiterbildung für alle zur Verfügung steht. Zudem werden regelmässig verschiedene lokale Weiterbildungen zu diesem Thema angeboten. © IGW International

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Eine Ortsgruppe6 ist hierarchisch aufgebaut, sie wird von einem ehrenamtlichen Leiter geführt. (Wallraff 2010: 49). Laut Wallraff (2010:89) verfügen typische Freiwillige über einen überdurchschnittlichen Bildungsstand, sind 4,5 Jahre aktiv, investieren 4,4 Stunden pro Woche plus 13 Tage pro Halbjahr an Aktionen, Weiterbildungen und Treffen. Das ist mehr als der Durchschnitt der Ehrenamtlichen in Deutschland. Greenpeace gibt durchschnittlich pro Jahr 800 bis 1000 € pro Kopf für die Betreuung und Weiterbildung seiner Ehrenamtlichen aus. Dieses Engagement „hat durchaus einen eigennützigen Hintergrund“ (:202). Wallraff beziffert den Wert der ehrenamtlichen Arbeit für Greenpeace zum Beispiel im Jahr 2004 auf 12 – 14 Millionen Euro (:91). Laut Wallraff (2010:58) können Ehrenamtliche authentischer auftreten, da man ihnen weniger Eigeninteresse unterstelle. „Die Hauptarbeit in den Gruppen erstreckt sich auf die Öffentlichkeits-, Medien- und Lobbyarbeit.“ Zudem bringen sie Vielfalt in die Organisation und übernehmen eine wichtige Multiplikatoren-Funktion (:48). Nur 12% der Befragten bei Greenpeace mussten die benötigten Kenntnisse oder Qualifikationen mitbringen. 28% der Befragten haben die für die Tätigkeit notwendigen Kenntnisse ausschliesslich im Ehrenamt bei Greenpeace erworben (:93). Dies ist sicherlich ein Grund für das umfassende Weiterbildungsangebot. Altruistische Motive wie „Mich für Natur und Umwelt einsetzen“ und „Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen“ stehen im Vordergrund. Sie engagieren sich, um etwas zu bewegen. Gemeinschaftsund selbstbezogene Motive unterstützen das freiwillige Engagement, treiben es voran und tragen zu einem längerfristigen Engagement bei (Wallraff 2010:194).

4.1.2 Gewinnung neuer Ehrenamtlicher Harder (2011:2) macht bereits im Vorwort zum Leitfaden „Neue finden und binden“ deutlich, dass eine Stellenbeschreibung sowie die unterschiedlichen Potenziale und Erwartungen der Freiwilligen zentrale Einflussfaktoren darstellen, die für eine gelungene Mitarbeit von Bedeutung sind (:3). Die Gewinnung Neuer muss Herzenssache sein und geht daher nicht einfach nebenher. Die lokale Gruppe muss attraktiv sein – auch in der Öffentlichkeit. Die Konzentration auf das, was Spass macht und auf die vorhandenen Stärken spielt eine grosse Rolle. Erst durch die Integration wird Neuenwerbung erfolgreich. Wallraff (2010:145) plädiert für eine klare Stellenbeschreibung, die eine zielgerichtete erste Werbung möglich macht: Der Schlüssel, um dieses Engagementpotenzial in der Bevölkerung für die Organisation zu nutzen, liegt in einem zielgerichteten Werben von potenziellen Ehrenamtlichen. Um Ehrenamtliche aber gezielt ansprechen zu können, müssen die Verantwortlichen in der Organisation wissen, auf welche Position welcher potenzielle Ehrenamtliche passen würde.

Folgende Vorgehensweisen haben sich laut Wallraff (2010:149) bewährt:

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Die Ortsgruppen sind altersspezifisch strukturiert: Greenteams von 10-15 Jahren, Jugend-AGs von 15 – 20 Jahren, Gruppen ab 18 Jahren und Team50plus ab 50 Jahren. © IGW International

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Persönliche Werbung bei Freunden und Bekannten



Persönliche Ansprache von Interessierten mit konkretem Angebot zum Einstieg

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Wallraff (2010:186) betont an anderer Stelle: „Nach wie vor stellt zum Beispiel der AnstossMangel einen der grössten Hemmfaktoren für den Einstieg in ein Ehrenamt dar.“ •

Aktuelle und ansprechend gestaltete Internet-Seite



Familiäre Atmosphäre und gutes soziales Klima



Einbindung in inhaltliche Projekte, klare Angebote der Gruppe



Mitmachliste am Stand zwecks Abo eines Gruppen-newsletters

Er ermutigt, auch ehemalige Freiwillige, die durch die Veränderung ihrer Lebensphase eventuell wieder mitarbeiten könnten, zu berücksichtigen. „Rund 30% der ehemaligen Engagierten sind irgendwann bereit, wieder in ihr Ehrenamt einzusteigen“ (Klages zitiert bei Wallraff 2010:177). Er ermutigt, diese immer wieder zu offiziellen Veranstaltungen einzuladen oder zum Beispiel eine Ehemaligen-Feier durchzuführen. Zudem sei es legitim, Ehrenamtliche auch aus anderen Organisationen anzusprechen, in denen wenig läuft (:178). Laut Wallraff wurden die Greenpeace-Gruppen in den letzten Jahren verstärkt systematisch in der Neuengewinnung unterstützt, zum Beispiel durch die Hilfe zur Gestaltung einer eigenen Internetseite oder dem Weiterbildungsprogramm „Neue finden und binden“ (:149) oder durch ausführliche Hilfen zur Gestaltung von Werbemitteln (Poster, Flyer, Bilder) und zu Aktionen in den social medias.

4.1.3 Integration neuer Ehrenamtlicher Bereits nach dem Erstkontakt spricht Wallraff (2010:150) von „Integration“ und empfiehlt eine intensive Betreuung, die auf den „Typus“ des Neuen eingeht, ohne allerdings zu klären, was er unter „Typus“ versteht. Die individuellen Vorstellungen und Handlungsweisen sollen be- und geachtet werden, Anregungen sollen ernst genommen und eine Einladung zu weiteren AktiviAbbildung 5: Inserat zur Gewinnung Neuer

täten ausgesprochen werden. Harder (2011:18) weist darauf

hin, dass es jeweils eine spezielle Person innerhalb der lokalen Gruppe gäbe, die für die NeuenIntegration verantwortlich sei - dies sei nicht der Gruppenleiter. Eine schriftliche Freiwilligenvereinbarungen (eine Art Arbeitsvertrag) wird nur mit dem Gruppenverantwortlichen vor Ort geschlossen. Laut Wallraff (2010:151) entscheidet der Neue, ob er ein Engagement beginnt. In einem Einführungsgespräch sollen Wünsche und Bedürfnisse geklärt, Fähigkeiten ergründet und ein für beide Seiten optimaler Einsatz gefunden werden. Er weist darauf hin, dass das Werben und Halten von Freiwilligen aufgrund der Multioptionsgesellschaft und der Konkurrenz immer schwieriger wird (:187). Er beschreibt folgende Erfolgsfaktoren als Ergebnis seiner empirischen Studie (Wallraff 2010: 196 und 197): regelmässiges Enga© IGW International

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gement, Qualifikation und Weiterbildung, Unternehmungen ausserhalb der Greenpeace-Arbeit, passende Zahl an Mitgliedern in der Gruppe, Wachstum in der Gruppe, überdurchschnittliches Engagement. Dabei empfände das Team50plus ihre Arbeit erfolgreicher als die anderen Greenpeace-Gruppen. In den Jugendgruppen würde besonders der Spass als Erfolgsfaktor genannt. Wallraff (2010:154) empfiehlt, ein Ehrenamtsleitbild zur optimalen Erreichung der Ziele und für eine effektive Zusammenarbeit zu erstellen. Das nationale Büro von Greenpeace in Deutschland verfügt über ein solches Papier (Behrens 2010), in dem die Aufgaben und Erwartungen der Ehrenamtlichen und der Hauptamtlichen sowie deren Zusammenarbeit beschrieben werden. Zusätzlich wird den Ortsgruppen ein Gruppenhandbuch, das die Ehrenamtlichen mit wichtigen Materialien unterstützt, zur Verfügung gestellt (Wallraff 2010:156). Harder (2011: 19) fordert die lokalen Mitglieder auf: Zeigt, dass Gruppenarbeit Spaß macht (ihr seid freiwillig dabei) und ihr eine motivierte Gruppe seid. Präsentiert euch als organisierte, handlungsfähige Gruppe und sprecht von dem, was ihr aktuell plant und von euren Erfolgen. Die Neuen müssen das Gefühl haben, dass es sinnvoll ist, sich bei euch zu engagieren und dass es für sie etwas zu tun gibt. Denn Leute kommen zu Greenpeace, um etwas zu tun.

Er widmet mehrere Seiten dem Thema Gesprächsführung, bevor er näher auf den von Wallraff erwähnten „Typus“ der Neuen eingeht. Dabei stellt er das „Riemann-ThomannModell“ vor und beschreibt die vier Grundausrichtungen, die vom Aufbau und teilweise auch von der Beschreibung der einzelnen Ausprägungen stark an das DISG-Modell erinnern. Es sei wichtig, sich dieser verschiedenen Grundausrichtungen bewusst zu sein, um die Form der Integration an den jeweiligen Typen anpassen zu können (Harder 2011:21). Ein Test zur Einstufung ist nicht vorgesehen. Allein das Bewusstsein dieser vier Grundausrichtungen und deren unterschiedliche Ausprägung Abbildung 6: RiemannThomann-Modell

würde helfen, die Andersartigkeit des Gegenübers besser zu verstehen.

4.1.4 Weiterbildung Weiterbildung ist für Greenpeace besonders wichtig. Da stark inhaltlich gearbeitet wird, muss das notwendige Hintergrundwissen meist erst nach der Rekrutierung erarbeitet werden. Laut Wallraff (2010:186) kann das Ziel ohne umfassende Weiterbildung nicht erreicht werden. 57% der Freiwilligen brauchen Fachwissen oder bestimmte Fertigkeiten, nur 12% bringen diese beim Einstieg mit. Das notwendige Humankapital wird durch Weiterbildung erworben, das dann auch ausserhalb der Organisation genutzt werden kann. Weiterbildung ist ein Schlüssel, um Ehrenamtliche dauerhaft für ihr Engagement zu begeistern. Auf die Wichtigkeit dieses Themas würde seit längerem von Forschungsseite her hingewiesen (:160). Auch Non-Profit-Organisationen müssten in einem starken Wettbewerb auf die Qualität und Effektivität ihrer Leistungen achten. Dies gelte nicht nur für hauptamtlich Beschäftigte, sondern ebenso für das Ehrenamt.

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Seit 1991 gibt es bei Greenpeace ein Weiterbildungsprogramm für Ehrenamtliche, das neben den Basisseminaren, inhaltliche Seminare zu den wichtigsten Umweltthemen enthält (:161). Zudem wird eine grosse Bandbreite an methodischen Seminaren angeboten: Rhetorik, Kommunikation, Projektmanagement, Gruppenorganisation, Pressearbeit, Moderation (:162) sowie Aktionstrainings wie Klettern, Schlauchboot fahren, tauchen und Grundlagen der Gewaltfreiheit. Greenpeace ist sich des Wertes der Ehrenamtlichen bewusst und daher auch bereit, zu investieren (:164). Seit dem Jahr 2000 gibt es regionale Weiterbildungsstützpunkte, die von ehrenamtlichen Trainern getragen werden. Sie sind Fachexperten, haben berufliches Know-how und werden durch Train-the-trainerProgramme und Supervision unterstützt. Dadurch steigen die Auswahlmöglichkeiten, einzelne Trainer werden entlastet und es können flächendeckend Seminare angeboten werden. Die verschiedenen Treffen werden durch Mitarbeiter aus dem Moderatorenpool geleitet (Wallraff 2010:165). Er (:182) schlägt vor, die in eigenen Weiterbildungen oder ausserhalb von Greenpeace erworbenen Fähigkeiten in einem „Potenzial- und Qualifikationsfragebogen“ zentral zu erfassen. Der Freiwillige würde selbst entscheiden, welche Bereiche er dort festhalten und für Greenpeace zur Verfügung stellen möchte. In den Publikationen von Greenpeace wird mehrheitlich von einer hohen Eigeninitiative des Freiwilligen ausgegangen. Er entscheidet sich für oder gegen eine Weiterbildung und wählt diese aus. Er entscheidet selbst über deren Umfang und Dauer. Ich konnte wenig Informationen darüber finden, wie zum Beispiel Begabungen entdeckt und gezielt ausgebaut werden, welchen Einfluss verschiedene Persönlichkeitsausprägungen haben, ob ein individuelles Coaching stattfindet oder bei wem welche Weiterbildungsmassnahmen Sinn machen. Das meiste scheint per learning by doing und trial and error zu laufen.

4.1.5 Führung von freiwilligen Mitarbeitern Ich gehe nur kurz auf dieses Thema ein, da eine erfolgreiche Rekrutierung meiner Ansicht nach erst nach einer gewissen Probe- oder Einarbeitungsphase abgeschlossen ist. Die Führungskultur stellt in den ersten Wochen einen wichtigen Einflussfaktor dar. Wallraff (2010:174) betont, dass Freiwillige nicht über monetäre Anreize geführt werden können: „Im ungünstigsten Fall wird, aus der Sicht des Ehrenamtlichen, aus einem unentgeltlichen Engagement, das er freiwillig macht, eine schlecht bezahlte Arbeit.“ Vielmehr sei es notwendig, zu überzeugen und zu motivieren. Als Gegenleistung für deren Zeit- und Krafteinsatz müsse eine attraktive und reizvolle Tätigkeit geboten werden. Um den Freiwilligen zu motivieren, müsse die Führungskraft auf interessante Aufgaben aufmerksam machen, persönliche Interessen und Werte des Mitarbeiters ergründen, ihn zu einem klärenden Entscheidungsprozess führen und seine Zustimmung bekommen. Zudem müsse alles, was demotivieren könnte, abgebaut, vermieden oder korrigiert werden. Das geleistete Engagement hingegen müsse anerkannt werden. Eine Rückmeldung mit entsprechender Wertschätzung sei dabei wichtig. „Erfolge müssen an dieser Stelle anerkannt, wertgeschätzt und möglichst auch gefeiert werden“ (:174). Wichtig sei die

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Einbindung in die Organisation, das Führen über Ziele, noch besser über Visionen. Die Aufgabe müsse sich an der momentanen Lebenssituation des Ehrenamtlichen orientieren.

4.1.6 Evaluation: Wie erfolgreich waren wir? Harder (2011:26) regt in seinem internen Papier zu einer abschliessenden Bewertung des Vorgehens an: „Habt ihr euer Ziel erreicht? ... Hat sich der Aufwand gelohnt? ... Habt ihr neue Leute ins Boot holen können?“

4.2 Modell 2: Die ABC-Strategie Grundlage bildet die „ABC-Strategie“, die im Buch von Prof. Dr. Jörg Knoblauch7 und Jürgen Kurz8 näher beschrieben wird. Da ich in diesem Kapitel durchgängig die selbe Quelle nutze (Knoblauch&Kurz 2009), gebe ich in Klammern jeweils nur die Seitenzahl an.

4.2.1 Mitarbeiter finden Bereits in der Einleitung machen die beiden Autoren (:12) deutlich: „In einer Wissensgesellschaft sind es die Mitarbeiter, die über den Erfolg des Unternehmens entscheiden.“ Sie seien der wichtigste Erfolgsfaktor für heutige Unternehmen. Es ginge nicht nur darum, gute Mitarbeiter zu finden, sondern die Besten. Aus diesen Besten müssten dann noch einmal die Richtigen ausgewählt werden. Dieser Prozess wird in diesem ersten Teil des Buches näher beschrieben. 4.2.1.1

Die Bedeutung der richtigen Mitarbeiter

Den Mitarbeitern käme eine hohe Bedeutung zu, da die Märkte gesättigt sind, die Gewinnmargen schmelzen und die technischen Möglichkeiten weitgehend ausgereizt sind. Entscheidende Wettbewerbsvorteile entstünden nur noch über die Auswahl des richtigen Personals. Viele Unternehmen würden sich allerdings weit mehr Gedanken um die Anschaffung der richtigen Maschinen als um die richtigen Mitarbeiter machen (:25). Fehlentscheidungen im Personalbereich wären extrem teuer. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass eine Fehlbesetzung den Spass an der Arbeit raube, weil dann ein unglücklicher Mensch im Team arbeite, der das auch andere wissen liesse (:28). Es gelte die Regel (: 29): „... besser keinen Mitarbeiter einzustellen, als den Arbeitsplatz einem untauglichen Mitarbeiter anzuvertrauen.“ Mit der Aussage: „Erst wer, dann was – also: Menschen vor Aufgaben“ (:29) unterstreichen die Autoren ihre Vorgehensweise. Diese wird mit einem Statement des US-amerikanischen Management-Experten Jim Collins (zitiert in Knoblauch&Kurz 2009:30) unterstrichen: „Eine grossartige Vision ohne grossartige Mitarbeiter ist belanglos.“ Da das Know-how und das Engagement der Mitarbeiter zum wichtigsten Merkmal erfolgrei7

Prof. Dr. Jörg Knoblauch ist Wirtschaftsprofessor und geschäftsführender Gesellschafter verschiedener mittelständischer Unternehmen. Er hat unter anderem den Best Factory Award, BestPersAward, Förderpreis Innovatives Handwerk, Ludwig-ErhardPreis-Wettbewerb (Geschäftsbereich drilbox) gewonnen und ist einer der führenden Autoren in Deutschland im Personalbereich. Zudem ist er einer der Veranstalter des „Kongresses christlicher Führungskräfte“ und selbst für Hunderte von Angestellten in seinen Betrieben verantwortlich.

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Jürg Kurz, MBA, ist Geschäftsführer der tempus. GmbH. Er war Projektleiter bei den Bewerbungen zum Ludwig-Erhard-Preis 2005 und International Best Factory Award 2004. © IGW International

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cher Unternehmen wird, unterscheiden die Autoren zur besseren Auswahl drei Kategorien (:34): „A zieht den Karren, B läuft nebenher, C sitzt auf dem Karren drauf.“ Diese drei Kategorien werden wie folgt näher beschrieben: A-Mitarbeiter übertreffen immer gesetzte Ziele und Aufgaben durch ein ungewöhnliches Mass an Engagement und Erfolg. Sie denken voraus, handeln proaktiv, sind flexibel in Bezug auf Arbeitsplatz und – zeit, betreiben das Geschäft, als ob es ihnen gehören würde und haben ein grosses Interesse an Weiterbildung. Sie haben exzellente Ideen, betrachten ihre Kollegen und Vorgesetzten als Kunden und liefern deswegen schnell und zuvorkommend. B-Mitarbeiter erreichen meistens die vorgegebenen Ziele und erfüllen die dazugehörigen Aufgaben in allen Bereichen. In den USA nenne man B-Mitarbeiter auch Nine-to-Fiver. Sie kommen um 9 Uhr und gehen um 17 Uhr. Dazwischen machen sie ihre Arbeit, ohne kontrolliert werden zu müssen. Unangekündigte Überstunden werden sie jedoch nicht leisten. Bei manchen Aufgabenstellungen erreichen BMitarbeiter durchaus Ergebnisse der A-Kräfte. B-Mitarbeiter lösen allerdings auch hin und wieder Fragen aus. Durch notwendige Rückfragen halten sie ihre Kollegen unnötig auf. C-Mitarbeiter haben innerlich gekündigt und kaum Bereitschaft zur Weiterbildung. Sie verhalten sich bei Veränderungen destruktiv, tragen die Unternehmensphilosophie nicht mit, bringen nur minderwertige Leistung und machen Fehler, die durch Kollegen korrigiert werden müssen. Für die beiden Autoren ist die Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft von entscheidender Bedeutung. Sie würden sogar so weit gehen und eine spezielle Stelle schaffen, wenn sie einen A-Mitarbeiter kennen lernen würden, denn: „Exzellente Mitarbeiter ziehen weitere exzellente Mitarbeiter an, und Ihr Unternehmen wird ständig begehrter“ (:31). Im Bezug auf C-Mitarbeiter gilt das Gegenteil: „Selbst wenn ein C-Mitarbeiter umsonst arbeiten würde, wäre er zu teuer“ (Jack Welch zitiert in Knoblauch&Kurz 2009:36). Er muss motiviert und angetrieben werden und hält die Verantwortlichen dadurch von deren Arbeit ab. Er tritt das Unternehmen mit Füssen und demotiviert die A-Mitarbeiter, da sie die Fehler ausbügeln müssen. Sie benennen die prozentuale Verteilung9 von A-,B- oder C-Mitarbeitern verschiedener Firmen und Managementautoren. Es sei möglich, die Verteilung langfristig zu ändern. Der Anteil an A-Mitarbeitern in der Firma der Autoren wuchs innerhalb von 10 Jahren von 22% auf 91%, der Anteil der C-Mitarbeiter wurde von 9% auf 0% reduziert. Die Autoren (:44) stellen sich der Frage, ob eine solche Klassifizierung von Mitarbeitern ethisch vertretbar ist und stellen dabei klar, dass ein schlechter Mitarbeiter noch lange kein schlechter Mensch ist und es

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Die aktuelle Gallup-Studie (Gallup 2014) aus dem Jahr 2014 liefert meiner Ansicht nach die verlässlichsten Zahlen. Demnach ergeben sich: 15% auf A-Mitarbeiter („mit hoher emotionalen Bindung“) 70% auf B-Mitarbeiter („mit geringer emotionalen Bindung“) 15% auf C-Mitarbeiter („mit keiner emotionalen Bindung“) Auffällig hierbei: Im internationalen Vergleich findet sich in der Schweiz der geringste Anteil von C-Mitarbeitern mit nur 10%! © IGW International

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dabei ausschliesslich um die Bewertung der Leistung geht. In diesem Zusammenhang werden einige Stellen aus der Bibel zitiert (2 Tess 3,10; Spr 6,6-11; Luk 19,12-27), die diese Differenzierung rechtfertigt. Sie ist vergleichbar mit der Vergabe von Schulnoten. Es kommt darauf an, Stärke und Situation zusammenzubringen. „Ein schlechtes Ergebnis bedeutet immer, dass persönliche Stärken und die Situation, in der sich ein Mitarbeiter bewähren muss, nicht zusammenpassen“ (:45). Zudem würde dieses Modell gerade C-Mitarbeitern helfen, wenn es gelingt, Hilfestellung zu geben, einen Positionswechsel herbeizuführen oder Behinderungen auszuschalten. Ein Unternehmer hätte die Verantwortung, die Firma vor schwierigen Situationen zu bewahren, sowie Stärken und Schwächen in allen Bereichen zu identifizieren. 4.2.1.2

Die Auswahl der Mitarbeiter

Sie beginnt mit einem positiven Image des Arbeitgebers, da gute Leute sich einen guten Arbeitgeber aussuchen können. Daher müssen gute Arbeitsbedingungen geschaffen und eine grosse Vision, hohe Flexibilität und eine gute Work-Life-Balance vorhanden sein. Es wird dazu aufgefordert, alle Möglichkeiten zu nutzen, zum Beispiel die Presse, einen Tag der offenen Tür, das Internet, Teilnahme an Wettbewerben, Sponsoring,... Natürlich lässt sich dieser Punkt nur begrenzt auf eine lokale Kirchgemeinde anwenden, die aus ihren Reihen ehrenamtliche Mitarbeiter-Stellen besetzen will. Jedoch gilt folgende Erkenntnis der Autoren (:63) auch hier: „A- und C-Mitarbeiter findet man in allen Gehaltsklassen.“ Die beiden Autoren betonen (:64): Beim Einstellen des Personals handelt es sich um die Kernaufgabe des Unternehmers. Er muss sicherstellen, dass er A-Mitarbeiter gewinnt. Eine B- oder gar C-Kraft einzustellen, wäre eine Katastrophe. Weil Personalentscheidungen so wichtig sind, ist es sinnvoll, einen Rekrutierungsprozess zu definieren.

Im Folgenden stellen sie verschiedene Auswahlprozesse dar, die allerdings nicht auf Kirchen und Gemeinden anwendbar sind. Ich gehe daher nicht weiter auf sie ein. 4.2.1.3

Der neunstufige Auswahlprozess – ein Garant für A-Mitarbeiter.

Dieser Prozess bildet das methodische Kernstück ihrer Strategie und ist für meine Forschungsfrage besonders wichtig, weshalb ich ihn ausführlicher darstelle. 1. Anforderungsprofil erstellen: Dies besteht aus vier Bereichen. Die Aufgabenbeschreibung beschreibt das Wesentliche der Stelle, also: „Was ist zu tun?“ Dabei werden keine einzelnen Todos aufgelistet. Die Ergebnisse beschreiben 3 - 5 mess- und machbare Ziele. Die Anforderungen an den Mitarbeiter beschreiben Kenntnisse und Fähigkeiten. Wird eher ein Mitunternehmer oder ein Arbeiter gesucht? Hier läge das grösste Defizit (:73). Die Jobargumente beschreiben, was die Stelle attraktiv macht, zum Beispiel ein 13. Gehalt, Dienstwagen usw. Falls es K.o.-Kriterien gäbe, müssten diese benannt werden, ebenso die Muss-Kriterien. Klar formulierte Erwartungen seien für beide Seiten eine wichtige Hilfe. Danach müsse das Anforderungsprofil optimiert werden. Was will ich genau vom Bewerber? Hier müssten auch die „weichen Faktoren“ beschrieben werden. Die Autoren unterscheiden dabei fünf Kompetenzbereiche: persönliche, fachliche, soziale, strategische und methodische Kompetenz. © IGW International

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2. Netzwerk aktivieren – Talente entdecken: Dies sei der Schlüssel zum Erfolg (:81). Die Autoren raten dazu, im eigenen Umfeld zu beginnen. Dies hat positive Auswirkungen auf das Betriebsklima und ist ein motivierendes Signal. Die Einarbeitungszeit wird verkürzt, zudem ist das Kompetenzprofil schon bekannt. Der Mitarbeiter kennt bereits das Unternehmen mit Kultur und Werten. Gute Unternehmen seien ständig auf der Suche nach guten Mitarbeitern. 3. und 4. Personalfragebogen zuschicken und Telefoninterview: Durch einen standardisierten Fragebogen und einen ersten Telefonkontakt liesse sich die Auswertung beschleunigen. Die beiden Schritte sind für meine Fragestellung nicht zielführend. Die Auswahl muss meist nicht stark eingeschränkt werden. 5. Erstes Interview: „Bewerbungsgespräche sind mit Abstand der wichtigste Teil des Rekrutierungsprozesses“ (:95). Man solle mindestens fünf Stunden investieren und einige Regeln beachten: Es sollten mehrere Gespräche stattfinden. Im Ersten ginge es ums Formelle und Allgemeine10, im Zweiten dann um Werte (siehe Schritt 7). Es sollten immer mehrere Personen beteiligt sein. Dadurch entstehe ein objektiveres Bild. Die Ergebnisse aus der Analyse könnten mit den Resultaten aus den Gesprächen verglichen werden. Widersprüche könnten so erkannt und angesprochen werden. Die Autoren (:98) stellen verschiedene Systeme vor und konzentrieren sich in ihrer Beschreibung auf die beiden Modelle: DISG (wird im Punkt 4.3.1 näher beschrieben) und den EIQ (Einstellungs-Integrations-Quotient), der anhand von vier Fragebögen Aussagen darüber macht, inwieweit Anforderung und Selbsteinschätzung zusammenpassen. 6. Referenzen einholen: Auf diese ergänzenden Angaben wird grosser Wert gelegt, da im Bewerbungsgespräch oft nur die positiven Seiten gezeigt und die negativen verschwiegen würden. Die Autoren formulieren einen Leitfaden für diese Gespräche. A-Kandidaten werden sich über solche Gespräche freuen. 7. Zweites Interview: „Wir stellen Mitarbeiter ein wegen ihrer fachlichen Qualifikationen und wir entlassen sie wegen ihrer charakterlichen Schwächen“ (:110). Jetzt ginge es darum, aus den Besten den Richtigen auszuwählen (:106). Das Gespräch konzentriere sich jetzt auf den Charakter, das Auftreten, die persönlichen Wertvorstellungen und Ziele des Bewerbers. „Das ist die Königsdisziplin des Personalwesens“ (:106). Ihr Resümee: „Ein Gramm Recruiting ersetzt 1 Kilo Weiterbildung“ (:109). Die Autoren (:109) betonen: „Selektion ist wichtiger als Weiterbildung. Selektion ist ein ungleich längerer Hebel. Selektion ist der Weg zum Erfolg.“ 8. Den Bewerber für das Unternehmen gewinnen: Falls bis zu diesem Punkt kein A-Mitarbeiter gewonnen werden konnte, sollte wieder ganz von Vorne begonnen werden. Die Autoren mahnen, keinen

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Die US-amerikanische Firmen würden uns Deutschen vorwerfen, wir seien „too quick to hire an too slow to fire.“ Sie würden von sich sagen: „Wir sind slow to hire and fast to fire.“ © IGW International

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B-Mitarbeiter zu nehmen! Wenn es jemand hingegen bis hierher geschafft habe, würde er so gut sein, dass er mehrere Angebote habe und man sich jetzt anstrengen müsse, ihn für sich zu gewinnen. 9. Meilensteine festlegen (Probezeit): Es sollte eine Probezeit von 6 Monaten genutzt werden, in denen Meilensteine definiert, Feedbackgespäche geführt und offen kommuniziert würde. Alle fünf Partner müssten danach ein klares Ja haben: Mitarbeiter, Kollegen, Kunden, der direkte Vorgesetzte und der Partner des Mitarbeiters. Falls ein Ja fehlen sollte, raten sie, die Zusammenarbeit zu beenden. Die Autoren geben zu bedenken, dass 70% aller Neueinstellungen nicht optimal11 seien und eine Trennung nach der Probezeit daher nichts Aussergewöhnliches sei (:116).

4.2.2 Mitarbeiter halten Da ein A-Mitarbeiter ständig neue Angebote bekommt, ist es notwendig, ihn nicht nur zu finden, sondern auch zu halten. Letztendlich muss man ihm „Sinn“ bieten (:130). „Es sind die immateriellen Leistungsanreize, die Mitarbeiter binden“ (:132). Die beiden Autoren haben einen mehrstufigen Plan dazu entwickelt, den ich hier nur stark verkürzt wiedergeben kann. Da er Auswirkungen auf die Probezeit – und damit auf die von mir definierte Rekrutierungsphase – hat, möchte ich ihn kurz darstellen. Mitwissen: Beim Arbeitsstart sollte der neue Mitarbeiter mit allen nötigen Informationen versorgt werden. Es soll ihm ein Pate zur Seite stehen. Es wird empfohlen, mit Checklisten zu arbeiten. Mitwissen erhöhe die Motivation und die Eigenverantwortung und kann durch eine Mitarbeiterbroschüre, einen Kontaktabend (Abendessen beim Chef) und Belegschaftsversammlungen unterstützt werden. Mitdenken: Regelmässige Mitarbeitergespräche helfen dem Mitarbeiter zu wissen, wo er steht und wo er an Verbesserungen arbeiten kann (:147). Dabei solle darauf geachtet werden, nicht die meiste Zeit mit schwachen Mitarbeitern zu verbringen und dabei die Stars zu vernachlässigen. Sie raten dazu, dass eine Person nicht mehr als 12 Mitarbeiter fördern solle. Die Autoren schlagen vor, auch den Vorgesetzten durch den Mitarbeiter bewerten zu lassen. Mitlernen: Es wird ermutigt, eine Kultur des Lobens zu entwickeln. Da sich A-Mitarbeiter ständig weiterentwickeln wollen, müssen die richtigen Rahmenbedingungen dazu geschaffen werden (:167). Dazu gehörten ein Vorschlagswesen, ein klar definierter kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), externe und kreative, auf den Betrieb abgestimmte Formen der Weiterbildung. Mitverantworten: Wichtig ist ein Umfeld der Motivation. Reinhard K. Sprenger (:176) wird mit seiner These „Mitarbeiter kann man gar nicht motivieren“ zitiert, es werden drei Arten von Motivation angerissen: Pull- und Zugmotivation, Push- und Stossmotivation und intrinsische Motivation. Die Darstellung gipfelt in dem Schluss, dass der Mitarbeiter zum Mitunternehmer werden muss (:177). Das Vorbild der Führungskraft hat dabei entscheidende Bedeutung. Das Handeln spricht lauter als Worte (:180).

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Dann solle ihm zuerst Hilfestellung angeboten werden, ein Positionswechsel ins Auge gefasst und Unterstützung mit Training und Anleitung geboten werden. Falls dadurch die gewünschten Ergebnisse nicht erreicht werden, sollte eine Trennung mit Stil stattfinden (:126). © IGW International

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Mitgeniessen: Mitarbeiter müssen ihren Erfolg geniessen können. „Wer den Samen der wohlwollenden Aufmerksamkeit und des Vertrauens reichlich aussät, der wird früher oder später das Herzblut, die Begeisterung, die Emotionalität und die Ideenvielfalt seiner Mitarbeiter ernten“ (:195). „Machen Sie es in Ihrem Unternehmen zur Gewohnheit, an den Anfang wichtiger Besprechungen oder auch Betriebsversammlungen Erfolgsstorys zu setzen. Wenn Sie beginnen, Erfolge zu feiern, werden Sie sehen: Es beflügelt und setzt eine Menge Energie frei“ (:203). Mitbesitzen: Hier werden die Themen Karriereplanung und flexible Vergütung behandelt. Diese sind für ehrenamtliche Mitarbeiter nicht von Bedeutung und werden daher nicht näher beschrieben. 4.2.2.1

Mit Werten führen

Die Autoren gehen noch einmal auf die Notwendigkeit ein, Sinn zu bieten. Laut dem Psychiater Viktor E. Frankl sei der Mensch auf der Suche nach Sinn (:217). Hier werden die Grenzen der Bezahlung und auch die begrenzten Möglichkeiten von Headhunter deutlich: „Wer seinen Traumjob gefunden hat, an dem perlen Abwerbeversuche einfach ab“ (:216). A-Mitarbeiter schätzen Freiräume. Ihr Herz muss gewonnen werden, sie suchen grössere, begeisterndere und herausforderndere Aufgaben. Daher ist die Unternehmensvision wichtig, also ein Bild der Zukunft, das Begeisterung auslöst. Ohne dieses lohnende Bild würde es ein Unternehmen schwer haben, gute Leute zu halten. Wer das Herz seiner Mitarbeiter gewonnen hat und Sinn bieten kann, der wird Menschen erleben, die nicht mehr auf das Wochenende warten, um sich selbst zu verwirklichen. Im Gegenteil: Durch das passende Maß an Eigenverantwortung und die damit verbundene Freude an der Arbeit erfährt der Mitarbeiter Erfüllung und Wertschätzung. (:217)

4.3 Modell 3: Das D.I.E.N.S.T.-Programm D.I.E.N.S.T. ist die Abkürzung für „Dienen im Einklang von Neigungen, Stärken und Talenten“ und wurde in der Willow Creek Community Church anfangs der 90er-Jahre in Chicago entwickelt. „Das Ziel von D.I.E.N.S.T. ist, dass Sie den Platz finden, an dem Sie sich einsetzen können und dabei Erfüllung finden“, so Bill Hybels (2002:8). Das gesamte in deutscher Sprache vorliegende Programm umfasst mehrere Bücher sowie CDs und DVDs mit fertigen Powerpoint-Präsentationen, Theaterstücken und einem Muster-Beratergespräch. Die Notwendigkeit, zusätzlich zum Leiterhandbuch einen über 100 Seiten umfassenden Leitfaden zusammen zu stellen, macht deutlich, dass die Umsetzung in der Gemeinde nicht nebenher möglich ist. Im Leitfaden wird deutlich gemacht, dass es bei der Einführung dieses Programmes um eine Erneuerung der gesamten Mitarbeiter-Struktur geht, in den Gemeindeleitung, Pastoren und Leiter der verschiedenen Dienstbereiche mit eingebunden sein müssen. Jeder Schritt wird sehr detailliert beschrieben. Bill Hybels (2003:7) macht schon im Vorwort deutlich, dass sich dieser Aufwand in jedem Fall lohnen wird, indem er sagt: „Wir entdeckten vor vielen Jahren, dass Christen in ihrem Dienst in der Gemeinde richtig aufblühen, wenn sie im Bereich ihrer Begabung und in Übereinstimmung mit ihrer von Gott gegebenen einzigartigen © IGW International

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Persönlichkeit mitarbeiten.“ Bruce Bugbee (2003:9) führt dazu weiter aus: „D.I.E.N.S.T. wird ihnen helfen, besser zu verstehen, wie und wozu Gott sie geschaffen hat und wie sie am besten ihren ganz persönlichen Beitrag in der Gemeinde leisten können.“ Als erstes soll ein Projektteam gegründet werden. Danach ist zu klären, ob „gabenorientierte Mitarbeit der Gemeindeglieder“ überhaupt ein Element des Leitbildes der Gemeinde ist. Nach dieser Klärung geht es darum, die Gemeindeleitung und die Pastoren dazu zu bringen, sich voll hinter D.I.E.N.S.T. zu stellen. Sie sollen persönlich und „amtlich“ überzeugt sein und das Programm mit Energie und Mitteln unterstützen. Es wird dazu geraten, dass die betreffenden Entscheider zuerst selbst am Programm teilnehmen. Nur wenn sie wirklich überzeugt sind, habe das Programm Aussicht auf Erfolg. Danach müssen die Leiter der einzelnen Arbeitsdienste der Gemeinde integriert werden und die Idee verstehen, mittragen und Aufgabenbeschreibungen für ihre jeweiligen Dienste erstellen. Danach sollen alle Aufgabenbeschreibungen der Gemeinde nach Neigungen, geistlichen Gaben und Persönlichkeitsstilen überarbeitet werden. Das Ziel ist eine umfassende Darstellung aller Dienste. Fertige Formulare werden im Anhang (Hybel 2013:49) bereitgestellt. Diese dienen als Grundlage für das Berater-Gespräch. In dieser Phase muss das Projektteam durch weitere Mitarbeiter verstärkt werden, um genügend Unterstützung für die ersten Kurse und Beratergespräche zur Verfügung zu haben. Danach soll die Gemeinde informiert werden, zum Beispiel durch eine Predigtreihe zum Thema dienen und entsprechende Info-Materialien zum ersten Kurs, bevor dieser dann stattfindet. Regelmässige Treffen des D.I.E.N.S.T.-Teams helfen, den Ablauf weiter zu verbessern. Im Anhang werden verschiedene Formulare, Listen (z.B. „Zuordnung von Gaben und Aufgaben“) und inhaltliche Hilfen zur Verfügung gestellt.

4.3.1 Der Kurs: 8 Schulungseinheiten: Teilnehmer- und Leiterhandbuch Ein Teilnehmerhandbuch führt durch die acht Schulungseinheiten. Im Leiterhandbuch werden die jeweiligen Einheiten mit weiteren Erklärungen, Fragen, Zeitabläufen und weiteren Gruppenprozessen ergänzt. Leider sind die Powerpointfolien zirka 20 Jahre alt, was man ihnen deutlich ansieht und sie so kaum brauchbar machen. Das Teilnehmerhandbuch wurde für die aktuelle Ausgabe von 2002 stark überarbeitet und ist nutzbar. 4.3.1.1

Einheit 1: Einführung

Das Ziel des Kurses wird vorgestellt und „erfüllende Mitarbeit“ kurz und prägnant definiert (Hybels 2002:8): “Erfüllende Mitarbeit ist, dass wir das tun sollen, was wir wollen und auch können.“ Das Ziel des Kurses wird mit einem sehr alten Video von Bill Hybels schmackhaft gemacht und in einer anschliessenden Kleingruppenarbeit vertieft. Die drei Elemente des D.I.E.N.S.T.-Profils: Neigungen, Gaben und Persönlichkeitsstil werden vorgestellt. Ziel ist es, Gott zu verherrlichen und anderen Menschen zu dienen. Die drei Schritte der D.I.E.N.S.T.-Entdeckungsreise werden vorgestellt: Das Seminar mit seinen acht Einheiten, dem ein Beratungsgespräch folgt, soll dazu führen, zum praktischen Einsatz an der richtigen Stelle zu finden. Dieser würde zu mehr Freude und zu mehr Frucht führen.

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Einheit 2: Neigungen

Die Frage nach den Neigungen beantwortet die Frage, Wo wir uns einsetzen möchten. „Unsere Neigungen sind Bereiche und Themen, für die unser Herz schlägt und bei denen wir uns gerne für Gott einsetzen und etwas bewirken wollen“ (Hybels 2002:14). Man könne sie auch mit Leidenschaft, Passion, Vision, Traum, ... umschreiben. Jeder Mensch hat mindestens einen solchen Bereich. Diesen und/oder weitere gilt es, in dieser Einheit zu entdecken. Ein Neigungsfragebogen bietet Gelegenheit, sich anhand von interessanten Themen (Hobbys, Bücher,...), unterschiedlichen Personengruppen, positiven Erfahrungen und Träumen klar darüber zu werden, welche Neigungen beim Teilnehmer vorhanden sind. In einer persönlichen Auswertung (markieren von immer wiederkehrenden Themen und Begriffen) und einem Kleingruppen-Austausch soll die persönliche Neigung herausgearbeitet werden. Es wird deutlich gemacht, dass dies ein Prozess ist, der nicht am selben Kursabend abgeschlossen ist. Die Sensibilität für die eigene Neigung wird durch eine Hausaufgabe in Form einer Selbstbeobachtung verstärkt. 4.3.1.3

Einheit 3: Gaben

Die nächsten drei Einheiten beschäftigen sich mit dem zweiten Element des D.I.E.N.S.T.-Programmes, den Gaben. „Geistliche Gaben sind besondere Fähigkeiten, die der Heilige Geist jedem Christen nach Gottes Vorstellung und Gnade gibt, zum Nutzen für den ganzen Leib Christi“ (Hybels 2002:27). Die Definition soll als Einzelarbeit aus 1 Kor 12,4-11 herausgearbeitet werden. Es wird betont, dass es keine besseren oder schlechteren Gaben gibt, dass jeder Christ mindestens eine hat und sie zum Wohl der ganzen Gemeinde gegeben wurden. In einer Diaschau wird das Zusammenwirken verschiedener Instrumente in einem Orchester als Metapher für die verschiedenen Gaben in der Gemeinde genutzt. Es wird betont, dass wir unsere Einzigartigkeit verstehen und die Unterschiede als Ergänzung schätzen sollen. Es folgt eine Vertiefung in Kleingruppen. Im nächsten Schritt wird die Einheit der gesamten Gemeinde betont: Unterschiedliche Gaben sollen nicht trennen. Einheit bedeute andererseits auch nicht Gleichmacherei. Sie würde durch ein gemeinsames Ziel erreicht. Als Hausaufgabe werden drei Fragen genannt, die den Gedanken der gegenseitigen Ergänzung weiter vertiefen und zur nächsten Einheit überleiten. 4.3.1.4

Einheit 4: Wie entdecke ich meine Gaben?

Die Frage nach den Gaben beantwortet die Frage nach dem Was. Welche Gaben gibt es und wie kann ich sie entdecken? Auf dieser Entdeckungsreise gibt es sechs Meilensteine. Nach dem ersten, dem Gebet, folgt: Wissen vertiefen. Der Teilnehmer wird aufgefordert, die folgenden Bibelstellen zu lesen und die dort beschriebenen Gaben zu notieren: 1 Kor 12,8–10; 1 Kor 12,28; Röm 12,6–8; Eph 4,11; 1 Petr 4,9– 10; 1 Mo 31,3; 1 Tim 2,1–2; Ps 150,3–5. Es gibt 23 Gaben zu identifizieren. Dieses Wissen wird mittels eines Gabenquizes in Kleingruppen vertieft. Nun werden die Teilnehmer aufgefordert, zu experimentieren: Neues ausprobieren, die Meinung anderer einholen, andere beobachten. So steigt das Verständnis und die Sicht für verschiedene Gaben. Ein Video soll zur Verdeutlichung helfen. Jetzt wird jeder Teilnehmer aufgefordert, den neunseitigen Fragebogen auszufüllen und das Ergebnis in die Tabelle einzutra-

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gen. Die Bewertung der einzelnen Fragen lassen in der Summe Rückschlüsse auf die Begabung des Teilnehmers zu. Die fünf Gaben mit der höchsten Punktzahl sollen in die Auswertung übertragen werden. Zur Ergänzung soll ein Fremdfragebogen an drei verschiedene Personen ausgegeben werden, die den Teilnehmer in ähnlicher Art beurteilen. Als Hausaufgabe sollen aus dem Ergebnis der Befragungen drei der eigenen geistlichen Gaben notiert werden. Das den acht Einheiten folgende Berater-Gespräch, in dem diese Einheit vertieft wird, wird bereits jetzt angekündigt. 4.3.1.5

Einheit 5: Gaben unter die Lupe genommen

In dieser Einheit hat der Teilnehmer die Aufgabe, die Beschreibung seiner drei Gaben mit der höchsten Punktzahl näher zu betrachten. Im Teilnehmerbuch sind alle 23 Gaben auf je 1,5 Seiten beschrieben. Diese Beschreibungen sollen dazu führen, die entsprechenden Gaben zu bestätigen. Das Ergebnis wird in einem Kleingruppen-Austausch vertieft. Auf drei Gefahren wird hingewiesen: Projektion – wenn man meine, alle anderen müssten zum Beispiel so barmherzig sein wie ich; Überheblichkeit – ich halte meine Gaben für wertvoller als die der anderen; Ablehnung – ich bin nicht bereit, meine Gaben einzusetzen, sei es aus Faulheit, Unwissenheit oder falscher Bescheidenheit. In einem weiteren Schritt sollen nun Neigungen und Gaben kombiniert werden. Nachdem dies in Einzelarbeit geschehen ist, wird es wieder in einem Kleingruppen-Austausch vertieft. Als Hausaufgabe soll an diesen Kombinationen weiter gearbeitet und mit anderen ausgetauscht werden. 4.3.1.6

Einheit 6: Persönlichkeitsstil

Die Frage nach dem Persönlichkeitsstil beantwortet die Frage nach dem Wie wir uns einsetzen möchten. Bin ich eher offensiv oder defensiv? Gehe ich Herausforderungen eher aufgabenorientiert oder menschenorientiert an? Diese vier Kriterien werden näher beschrieben, wobei betont wird, dass es nicht um eine Wertigkeit, sondern um eine Vorliebe für bestimmte Verhaltensweisen geht. Im Folgenden wird ein sehr kurzer DISG-Test vorgegeben. Er enthält lediglich 10 Viererkolonnen, die in eine Rangliste von 1 bis 4 gebracht werden müssen. Es wird angeregt, die Fragen in einem selbstgewählten Umfeld (z.B. des Ehrenamtes), schnell und spontan zu beantworten. Das Ergebnis wird in ein Flächendiagramm der vier Quadranten übertragen, das die Ausprägung der Persönlichkeit optisch anzeigt. Anhand der nachfolgenden Beschreibung der vier DISG-Typen soll das Ergebnis überprüft werden. Eine Mischung der vier Verhaltenspräferenzen sei normal. Das D.I.E.N.S.T.-Profil soll nun um die Angabe des Persönlichkeitsstils ergänzt werden. In einem Kleingruppen-Austausch werden mögliche Betätigungsfelder gesucht. 4.3.1.7

Einheit 7: Liebe

Laut Leiterhandbuch (Hybels 2002:138) ist dies die wichtigste Einheit, in der es um die Motive zum Dienst geht. Gott sei unsere Einstellung wichtiger als die Ergebnisse. Die Teilnehmer bekommen die Gelegenheit, ihre Herzenshaltung zu überprüfen. Daher bietet diese Einheit weniger Lernstoff und mehr Raum zur Selbsterkenntnis. Die Aufgabe des Leiters ist es hier, zur Hingabe zu ermutigen. Bei einem Mangel an Liebe soll der Teilnehmer zur Quelle aller Liebe, zu Jesus Christus, geführt werden. Dies wird © IGW International

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mit dem Bild der „1“ (Jesus) vor den „Nullen“ (wir) und anhand 1 Kor 13 verdeutlicht. Anhand einer Tabelle hat der Teilnehmer in einer Einzelarbeit die Gelegenheit, falsches Dienen von echtem Dienen zu unterscheiden. Dies wird durch die Auswertung mehrerer Videoausschnitte und einen weiteren Kleingruppen-Austausch vertieft. Auch hier erhalten die Teilnehmer wieder eine Hausaufgabe, um das Gelernte zu verankern. 4.3.1.8

Einheit 8: nächste Schritte

Die Teilnehmer lernen drei weitere Einflussfaktoren für ihren Dienst kennen: die Universalrolle, die jeder Christ im Allgemeinen hat (jeder muss mal abwaschen), die persönliche Verfügbarkeit (wie viel Zeit kann der Teilnehmer investieren?) und die geistliche Reife für den entsprechenden Dienst (erst neu oder schon lange im Glauben). Zum Abschluss des Kurses wird das Beratungsgespräch betont, das dabei helfen soll, die Erkenntnisse aus dem D.I.E.N.S.T.-Programm auf den Alltag der Gemeinde anzuwenden. Die Einheit vermittelt bewusst eine klarere Vision für den Dienst und grössere Entschlossenheit für die Mitarbeit in der Gemeinde. Sie soll zu einer motivierenden Erfahrung für die Teilnehmer werden. Dies wird durch die Auswertung einer Geschichte, mehrerer Einzelarbeiten, zum Beispiel zum Thema Verfügbarkeit, und durch die Präsentation des Referenten erreicht.

4.3.2 Das Beratergespräch Das Gespräch sei der Schlüssel, damit aus dem Wissen konkretes Handeln folge. Im Berater-Arbeitsheft (Hybels 2002:38 bis 44) wird eine ausführliche Anleitung zur Ausbildung der Berater gegeben, deren Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Zur Vorbereitung solle der Teilnehmer den im Teilnehmerbuch befindlichen Fragebogen ausfüllen. Hier werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst dargestellt. Zudem solle er sich einen Bereich aussuchen, der gut zu seinem Persönlichkeitsprofil passe und in dem er gerne mitarbeiten wolle. Für das Gespräch wird in der Regel eine Stunde veranschlagt. Die Rolle des Beraters sei es, das erarbeitete D.I.E.N.S.T.-Profil zu interpretieren, als Botschafter für das Mitarbeiterteam zu fungieren und der Anwalt des potenziellen Mitarbeiters zu sein. Es wird dazu geraten, das Gespräch mit zwei Beratern durchzuführen, so könnten neue Berater on the job ausgebildet werden. Zu Beginn soll herausgefunden werden, warum sich der Gesprächspartner in der Gemeinde einsetzen will. Dem schliesst sich eine ausführliche Interpretation des erarbeiteten Dienstprofiles an. Hier spiele das Gespür und das Urteilsvermögen des Beraters eine entscheidende Rolle. Es gelte auch, auf die Haltung, die Authentizität, die Kommunikationsfähigkeiten und die Selbstachtung des Teilnehmers zu achten. Neben den Neigungen, Gaben und dem Persönlichkeitsprofil werden auch die natürlichen Fähigkeiten und die erworbenen Fertigkeiten besprochen. Sie werden als Ergänzung gesehen. Es wird davor gewarnt, diese zu stark zu berücksichtigen, da sie unter Umständen nicht im Einklang mit Neigungen, Gaben und Persönlichkeitsprofil stehen könnten. „Natürliche Fähigkeiten spiegeln manchmal nur Interesse wieder“, so Hybels (2002:21). Es wird klar in geistliche Gaben, die ein Christ bekommen habe und natürlichen Fähigkeiten, die jeder Mensch habe, unterschieden. Gemeinsam mit dem Teilnehmer wird eine „Dienst-

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kategorie“, von 1-4, festgelegt. Diese setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen: Verfügbarkeit, Kohärenz von Neigungen / Gaben / Persönlichkeitsprofil, Vorhandensein von Fähigkeiten / Fertigkeiten, geistliche Reife und Kirchenmitgliedschaft. Am Ende des Gespräches sollten drei mögliche Dienstbereiche benannt sein. Diese werden in dem Formular „Der nächste Schritt“ festgehalten. Der Teilnehmer solle nach dem Gespräch möglichst schnell mit den entsprechenden Bereichsleitern Kontakt aufnehmen, um einen möglichen Einsatz zu klären. Der Leiter habe nun ein Protokoll zu verfassen und beim Teilnehmer nach geeigneter Frist nachzufragen, wie es weitergegangen sei. Jeder der betreffenden Dienstbereichsleiter bekommt eine Kopie des vervollständigten Fragebogens. Im Anhang des Berater-Arbeitsheftes finden sich viele weitere Arbeitshilfen, die im Gegensatz zu den veralteten Videos, Theaterstücken und Powerpointfolien sehr gut brauchbar sind.

4.4 Modell 4: xpand – Abenteuer Berufung Paul Donders gründete 1987 das Power Management Team, aus dem die jetzige Stiftung xpand nach einem Zusammenschluss mit Profil e.V. von Andreas Donath hervorging (xpand 2016). Die Stiftung xpand arbeitet europaweit im Bereich der Mitarbeiter-Entwicklung. Ihr Kernanliegen ist es, Einzelpersonen, Organisationen (Firmen und Vereine) sowie Kirchen und Gemeinden zu unterstützen, ihren Auftrag zu erkennen und zu erfüllen. In der Sparte Kirchen und Gemeinden bieten sie den Kurs Abenteuer Berufung an, den ich hier näher darstellen werde. Ich habe den Kurs in den Jahren 2009 und 2010 besucht und beziehe mich auf die dort abgegeben Kursmaterialien. Es geht in erster Linie darum, das Potenzial der Mitarbeiter zu entdecken und zu beschreiben – ganz unabhängig von einer momentan zu besetzenden Stelle. Durch die Kenntnis des Mitarbeiterpotenzials gibt der Kurs aber auch den Gemeindeverantwortlichen wertvolle Hilfestellung beim Rekrutieren von ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihre gemeindlichen Aufgabenstellungen. Laut Aussage von xpand (xpand, CD-ROM), gibt es keine schlechten, sondern nur richtig oder falsch eingesetzte Mitarbeiter. Daher ist der erste Schritt, das Potenzial des Mitarbeiters zu kennen, um ihm dann in einem zweiten Schritt zu helfen, die passende Aufgabe zu finden. So entsteht Freude und Motivation. Das Ziel: „Jeder Mitarbeiter ist entsprechend seiner Persönlichkeit und Gaben am richtigen Platz eingesetzt und macht mit Hingabe und Freude hochmotiviert seine Arbeit.“ Leider sähe die Realität anders aus: Mitarbeiter würden zu Lückenbüssern, die vielfach über- oder unterfordert sind und keinen Spass mehr an ihren Aufgaben fänden. Jeder trage ein einzigartiges Potenzial in sich, das unter Erwartungsdruck oder Unwissenheit verschüttet sei. Erst durch gezielten Einsatz eines solchen Programmes käme es zur vollen Entfaltung. Zudem gelänge es dadurch, sein eigenes Verhalten und das der anderen besser zu verstehen und Gottes Absicht dahinter zu erkennen. Nicht die Lücke sei der Auftraggeber, sondern die von Gott geschenkte Qualifikation, die Berufung jedes Einzelnen. Dies entspräche zutiefst biblischen Grundprinzipien. Die Berufung setze sich aus vier Elementen zusammen: aus Gaben, Fähigkeiten, der Persönlichkeit und aus den eigenen Werten (xpand, CD-ROM). In der Regel wird das Seminar an einem Wochenende durchgeführt. © IGW International

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4.4.1 Gabentest Andreas Donath (2008:3) eröffnet die erste Einheit mit 1 Petr 4,10: Jeder hat eine Gabe, die er mit der Aufforderung zum Einsatz empfangen hat. In der Folge werden in Gruppenarbeiten anhand dreier Bibelstellen drei verschiedene Arten von Gaben bearbeitet und vom Autor näher beschrieben: 1 Kor 12,7-10: Hier handle es sich um die sogenannten „Manifestationsgaben“. Sie machen etwas vom Heiligen Geist deutlich. Er gibt diese Gaben nur an gläubige Menschen. Es seien Offenbarungen des Geistes, die sich nicht mit einem Ankreuztest erfassen liessen. Eph 4,8.11: Dies sind die „Dienstgaben“. Es sind eher Ämter oder Aufgaben. Um diese Ämter auszufüllen, werden die verschiedenen Gaben gebraucht. Röm 12,6-8: Die Motivationsgaben (Charismen) werden ausführlich behandelt und liegen später auch dem Gabentest zu Grunde. Folgende werden definiert: •

Erkenner: erkennt Schwachstellen, ist stark auf geistliche Wahrheiten fixiert.



Diener: packt gerne praktisch an, steht ungern im Mittelpunkt, ist schnell und effektiv.



Lehrer/Forscher: forscht gerne und liebt intellektuelle Dienstleistungen, ist objektiv und kritisch.



Ermutiger: ist ein kommunikativer Motivator. Es geht ihm um Menschen und Beziehungen.



Geber: gibt gerne alles, was er hat: Zeit, Geld, Liebe, Materielles, Geistliches.



Administrator: ist der Organisator und oft auch der Leiter und trägt gerne Verantwortung.



Barmherzige Person: ist fürsorglich, freundlich, emotional warmherzig.

Im nächsten Schritt geht es um eine grobe Selbsteinschätzung im Bezug auf die sieben Gaben auf einer Skala von 1 - 6, dem sich ein detaillierter Fragebogen anschliesst. Zu jeder Gabe werden 20 Fragen gestellt, die auf einer Skala von 0 - 5 im Spektrum von nie bis immer bewertet werden müssen. Die sich daraus ergebenden Summen werden in ein Diagramm übertragen. Dabei wird betont, dass der Teilnehmer darauf achten soll, den tatsächlichen und nicht den erwünschten Zustand zu bewerten. Die Gleichwertigkeit aller Gaben wird ebenso unterstrichen. Abbildung 7: Ergebnis Gabentest (Beispiel)

In einem letzten finetuning wird ein weiterer Selbsttest durchgeführt, allerdings nur für die drei

am höchsten bewerteten Gaben. Hier ginge es darum, herauszufinden, wo Blockaden bei der Ausführung der Gaben entstehen können. Eine Liste mit Zuordnungen von Gaben und Diensten soll helfen, mögliche Einsatzgebiete zu finden.

4.4.2 Fähigkeitsworkshop 4.4.2.1

Aufgabe 1: Tätigkeiten/Aufgaben beschreiben

Da die Autoren (Kast & Donders 2008:4) davon ausgehen, dass man gerne tut, was man gut kann, bitten sie den Seminarteilnehmer, drei bis fünf Tätigkeiten/Aufgaben aufzuschreiben, die ihm Spass gemacht © IGW International

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haben. Er soll in aktiver Form beschreiben, was er wie getan habe. Der Umfang der Geschichten soll 5 bis 10 Sätze nicht übersteigen. Dabei sollen möglichst viele Verben verwendet werden. Der Sinn liegt darin, über die eigenen Fähigkeiten nachzudenken. In diesem Kurs ginge es um 7 bis 10 Motivationsfähigkeiten, über die jeder Mensch in der Regel verfüge. Danach sollen alle Verben aus den eigenen Geschichten mit einem Textmarker gekennzeichnet und danach in eine Liste übertragen werden. In einem weiteren Schritt werden sie mittels Strichliste in ein vorgegebenes Raster mit vier Haupt-Bereichen und je 12 Fähigkeiten zugeordnet. Die Haupt-Bereiche lauten: Umgang mit Menschen / Umgang mit Informationen / Umgang mit Material, Maschinen und Tieren / Bereich Kreativität und Bewegung. 4.4.2.2

Aufgabe 2: Selbsteinschätzung mittels Fragebogen

Der Seminarteilnehmer wird aufgefordert, einen 8 seitigen Fragebogen auszufüllen. Dieser ist in die selben Haupt-Bereiche wie Aufgabe 1und jeder Haupt-Bereich wieder in die entsprechenden 12 Fähigkeiten aufgeteilt. Zu jeder Fähigkeit werden jetzt fünf Tätigkeiten beschrieben, die auf einer Skala von 0 - 4 dahingehend bewerten werden sollen, wie gerne man sie durchführt: 0 = „Dies mache ich überhaupt nicht gerne“ und 4 = „Dies mache ich sehr gerne.“ Nach dem Ausfüllen des Fragebogens sollen aus den insgesamt 48 Fähigkeiten (4x12) die 10 Fähigkeiten mit der höchsten Punktzahl in entsprechender Rangfolge aufgelistet werden. Um sicher zu gehen, dass diese Rangfolge stimmt, wird eine Überprüfung mittels einer Abbildung 8: Bsp.: Übersicht Fähigkeitsworkshop

Prioritätenmatrix vorgeschlagen. Nun werden die Er-

gebnisse in eine entsprechende Übersicht übertragen. Sie enthält wieder die 4 Haupt-Bereiche, in welche die jeweils fünf am höchsten bewerteten Fähigkeiten eingetragen werden. 4.4.2.3

Ratgeberworkshop

Eine Person, die den Teilnehmer gut kennt, soll nun eine Fremdeinschätzung abgeben. Diese enthält die komplette Aufgabe 2 mit Ausnahme der Prioritätenmatrix.

4.4.3 Wissenschaftliche DISG-Persönlichkeitsanalyse Dem Arbeitsheft „Abenteuer Berufung: Persönlichkeit“ liegt ein Fragebogen der Firma persolog mit dem Titel „Profil Fragebogen“ bei12. Zu Beginn des Seminars soll der fünfseitige Fragebogen vom Seminarteilnehmer ausgefüllt werden. Der erste Teil enthält 24 Fragegruppen mit je vier Angaben zur Person. Die

12

Laut den Autoren Geier und Downey (2008:8) sei das Ziel dieser Persönlichkeitsanalyse, sich selbst und andere besser zu verstehen und dabei das Wissen über den persönlichen, einzigartigen Verhaltensstil zu vertiefen. Somit könne ein Umfeld geschaffen werden, das den grösstmöglichen Erfolg garantiere. Ebenso werde dadurch deutlich, in welchem Umfeld Menschen mit anderen Verhaltensstilen am effektivsten sein können. Jedes Diagramm zeige, wie stark die einzelnen Verhaltensdimensionen ausgeprägt sind. © IGW International

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Angabe, die am ehesten auf den Teilnehmer zutrifft, soll von ihm freigerubbelt werden. Dadurch wird jeweils einer der vier Buchstaben aus dem Persönlichkeitsprofil sichtbar. Sie stehen für die vier Grundtypen: D: Dominant (aktiv und entschlossen), I: Initiative (gesprächig und offen), S: Stetigkeit (verlässlich und kooperativ), G: Gewissenhaftigkeit (diszipliniert und besorgt). Diese werden in einer kurzen Beschreibung und den Angaben zum Ziel, Grundbedürfnis, Grundangst und Motivation näher beschrieben. Im zweiten Teil soll er die Angabe innerhalb weiterer 24 Fragegruppen freirubbeln, die am wenigsten auf ihn zutreffen. Auch hier werden die entsprechenden Buchstaben D, I, S, G sichtbar. Nun gilt es, die Ergebnisse in drei Diagramme zu übertragen. Das Diagramm 1 „äusseres Selbstbild“ beschreibt, was die Gesellschaft unserer Meinung nach von uns erwartet und Diagramm 2 „inneres Selbstbild“ beschreibt unsere eigene Erwartung an uns persönlich. Das „integrierte Selbstbild“, Diagramm 3, ist somit die Schnittstelle der beiden13 anderen. Im nächsten Schritt soll der bei der entsprechenden Erklärung zu den vier Typen abgedruckte Gesichtsausdruck mit dem eigenen verglichen werden. Erkenne ich mich wieder? In dieser „Interpretationsstufe 1“ wird die Lektüre aller 4 Grundtypen empfohlen. In der „Interpretationsstufe 2“ führt die Kennzahl aus dem Diagramm 3 (Abbildung 6) zu einem der 20 Mischtypen, die aus den vier Grundtypen abgeleitet und hier (Geier und Downey 2008:13) näher beschrieben werden. Diese 20 Typen kommen in einer Abbildung 9: Diagramm 3: Integriertes Selbstbild (Beispiel)

durchschnittlichen Bevölkerung am häufigsten vor. Die Beschreibung ist von Fachleuten durch Studien zusammengefasst worden. Beckendorf (2008:19) nimmt nun eine Übertragung der vier Grund-Typen

auf den Christen und die Gemeinde vor: D - der dominante Christ – Paulus (Apg 9,3-19): Er wirkt bestimmend und manchmal zu forsch auf sein Umfeld. Manche fühlen sich bei ihm überfordert oder kontrolliert. Er ist ergebnisorientiert und entschlussfreudig. Aus diesem Grund ist er ein Kandidat für gemeindliche Leitungsaufgaben. Er blüht auf, wenn er aktiv und direkt vorwärts gehen kann. Er braucht Ergänzung, da er oft zu schnell voran geht, ihm der Sinn für Details fehlt und er dadurch andere schnell überfordert. I – der initiative Christ – Petrus (Joh 21, 1-22): Er hat gern mit Menschen zu tun und kann sie begeistern, hat viele Ideen und wirkt dadurch auf sein Umfeld eher sprunghaft, manchmal manipulativ. Er kann Gespräche gut in Gang bringen, steht aber in der Gefahr, Alleinunterhalter zu werden. Er mag keine Rou-

13

Wenn die Markierung zwischen 90 - 100% läge, zeige das eine Verhaltenstendenz, die sehr stark ausgeprägt wäre. 80 - 90% zeigten eine hohe Wahrscheinlichkeit der entsprechenden Verhaltensausprägung, 60 - 70% weise darauf hin, das eine Tendenz in diese Richtung vorhanden sei, 40 - 50% weise eine schwer vorhersagbare Tendenz auf und bei 10 - 30% sei diese Verhaltenstendenz sehr unwahrscheinlich. Die meisten Menschen besässen zwei „höchste Punkte“, die ihre stärksten Verhaltenstendenzen zeigten. © IGW International

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tine und wird durch kurzfristige Projekte begeistert. Er braucht Ergänzung, da ihm oft der lange Atem fehlt. Er ist der klassische Kleingruppenleiter. S – der stetige Christ – Abraham (1 Mo 12-22): Er ist eher zurückhaltend, rücksichtsvoll und weniger bestimmend sowie loyal und verlässlich Aufgaben und Menschen gegenüber. Er arbeitet oft im Hintergrund und eher im Team. Er braucht ein gewisses Mass an Sicherheit und Kontinuität und wirkt dadurch auch gerne unflexibel. Er braucht andere, die ihm helfen, Neues zu wagen und auch einmal Nein zu sagen. Er ist empfänglich für ehrlich gemeintes Lob. G – der gewissenhafte Christ – Mose (2 Mo 3-4): Er ist eher zurückhaltend, geht Schwierigkeiten aus dem Weg und will Ordnung halten. Er ist sehr sorgfältig und gründlich und macht daher wenig Fehler. Entscheidungen sind ausgereift, brauchen aber ihre Zeit. Sein Gerechtigkeitsempfinden ist stark ausgeprägt, logisches Denken ist für ihn normal. Er ist oft Lehrer, Forscher oder Buchhalter. Manche empfinden ihn als pedantisch. Im Folgenden werden weitere Verhaltenstendenzen der 20 beschriebenen Mischtypen aufgeführt, die hier nicht näher erläutert werden können. Die jeweiligen Ergebnisse sollen dann mit einer Person des Vertrauens besprochen werden.

4.4.4 Persönliche Werte Die Teilnehmer werden aufgefordert, ihre fünf wichtigsten Werte zu formulieren. Ps 139 bringt zum Ausdruck, dass jeder Mensch ganz speziell von Gott geschaffen wurde. Eine Hilfe könne die Vorstellung der eigenen Geburtstagsrede sein. Was soll man über mich sagen? Was ist das, was mich ganz besonders auszeichnet? Was ist mir besonders wichtig und wertvoll?

4.4.5 Gottesdienst In einem gemeinsamen Gottesdienst soll Gott geehrt werden. Er, unser Schöpfer, habe uns wunderbar und individuell sehr unterschiedlich geschaffen. Hier soll eine besondere Gelegenheit geboten werden, damit Gott zu jedem Einzelnen sprechen könne.

4.4.6 Coachinggespräch In einem persönlichen Coachinggespräch werden alle Puzzleteile aus den vorangegangenen Prozessen zusammengebracht, ausgewertet und persönliche nächste Schritte geplant.

4.4.7 Potenzial-Heft Alle Ergebnisse werden in einem Potenzial-Heft (4 Seiten A5) übersichtlich erfasst. Es ist so gestaltet, dass die Kernaussagen ausgeschnitten und in einer Art Checkkarte immer mitgenommen werden können. Dies soll dazu dienen, die Ergebnisse zu verinnerlichen und im Alltag zielgerichtet umzusetzen.

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5. MEINE IMPULSE ALS ERGEBNIS DER BISHERIGEN ERKENNTNISSE Ich werde wichtige Impulse geben, die helfen, ein Verfahren zu entwickeln, das auf die lokale Gemeindesituation angepasst ist. Dabei ist die Grösse, die Art und Menge der Arbeitsbereiche, sowie die Anzahl vorhandener Hauptamtlicher von Bedeutung. Spannend ist dabei die Kombination der Erkenntnisse aus der Analyse der dargestellten Rekrutierungsmodelle unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ehrenamtes (Kapitel 2) sowie der theologischen Grundlagen (Kapitel 3). In einem ersten Schritt beginne ich bei den Anforderungen der Gemeinde. Im zweiten Schritt konzentriere ich mich auf die Besonderheiten des Bewerbers. Im dritten Schritt befasse ich mich mit dem Auswahlprozess. Im vierten und letzten Schritt gebe ich Anregungen zur dauerhaften Integration.

5.1 Die Gemeinde: Wen brauchen wir? 5.1.1 Die Bedeutung strategischen Personalmanagements erkennen In einem ersten Schritt muss den Gemeindeverantwortlichen die enorm hohe Bedeutung des richtigen Personalmanagements bewusst sein. Es geht nicht um eine Nebensache oder eine Pflichtübung. Es darf nicht einfach darum gehen, einen vakanten Platz möglichst schnell zu besetzen. Oft führt dies dazu, dass derjenige Mitarbeiter die Aufgabe übernimmt, der sich am wenigsten wehren kann oder die Gabe des Dienens hat. Diese Personengruppe wird oft schnell verheizt. Das Ziel wird dabei nur mittelmässig erreicht. Übrig bleiben ausgebrannte Mitarbeiter und erneut zu besetzende Stellen. Wenn hingegen die richtige Person an den richtigen Platz kommt, kann Aussergewöhnliches entstehen. Hybels (2002:15) nutzt den Vergleich einer Pflanze: Nur am richtigen Ort blüht sie auf. Knoblauch&Kurz (2009:71) behaupten: „Die wichtigste Frage ... lautet: Welcher Bewerber passt am Besten?“ Dabei sollten Personalfragen über Sachfragen stehen (:12). Knoblauch&Kuttler (2016:263) behaupten sogar:„Personalmanagement wird für Top-Unternehmen zum Schlüsselbereich.“ „Je mehr Talent da ist, desto größer sind die Möglichkeiten.“ Diesen Wert müssen die Gemeindeverantwortlichen erkennen. Dabei stellt sich die Frage: „Wer übernimmt diese Verantwortung?“ Können wir dem ohnehin schon oft überlasteten Pastor mit der Betreuung der ehrenamtlichen Mitarbeitern noch eine weitere Aufgabe aufbürden? Soll die sogenannte eierlegende Wollmilchsau, das Multitalent, nun auch noch Personalchef werden? Ich meine ja, und zwar unbedingt! Falls er versuchen sollte, alle wichtigen Aufgaben allein zu bewältigen, wird das Wachstum der Gemeinde trotz höchstem Einsatz dauerhaft durch seine persönlichen Grenzen limitiert bleiben. Die Lösung kann nur in der Einsetzung wichtiger Multiplikatoren sein, die ihm ganze Teilbereiche abnehmen und diese mit ihren speziellen Fähigkeiten weit über die Möglichkeiten des Pastors weiter entwickeln. Bereits im AT wird dieser Gedanke deutlich, wenn zum Beispiel Mose in 5 Mo 1,9 zugibt: „Ich kann euch nicht mehr allein tragen.“ In der Folge wird von der Einsetzung verständiger und erfahrender Mitarbeiter gesprochen, die für unterschiedlich grosse Personengruppen verantwortlich sind. Ähnliches wird ihm von seinem Schwiegervater Jitro geraten (2 Mo 18,13-27). Im NT lesen wir, wie Jesus sich auf bestimmte Personen© IGW International

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gruppen konzentriert (12 und 72 Jünger), die er bewusst auswählt und über längere Zeit trainiert, bis er ihnen Leitungsaufgaben überträgt. Schlussendlich beauftragt er seine Jünger in Mt 28,19: „Machet zu Jüngern ...“ Jünger bilden also neue Jünger aus. Paulus gibt dieses Multiplikationsprinzip in 2 Tim 2,2 an Timotheus weiter. Die Umsetzung eines solchen Jüngerschaftsprinzips ist die Kernaufgabe des Pastors. Knoblauch&Kurz (2009:64) sehen die Auswahl von Personal als die Kernaufgabe des Unternehmers, denn „erstklassige Chefs stellen erstklassige Mitarbeiter ein“ (:61). Rekrutierung ist Chefsache. Die beiden Autoren betonen (:64): Beim Einstellen des Personals handelt es sich um die Kernaufgabe des Unternehmers. Er muss sicherstellen, dass er A-Mitarbeiter gewinnt. Eine B- oder gar C-Kraft einzustellen wäre eine Katastrophe. Weil Personalentscheidungen so wichtig sind, ist es sinnvoll, einen Rekrutierungsprozess zu definieren.

Jörg Knoblauch (2015: Interview als mp3) berichtete mir in einem persönlichen Interview, dass zum Beispiel der Chef von Google, Larry Page, mit allen 20.000 Angestellten ein Einstellungsinterview geführt habe. Larry Page meinte: „Wenn es nur einem B-Mitarbeiter gelingen würde, in unsere Organisation einzudringen, dann wären wir ruiniert.“ Michaela Tholl (2015:24) unterstreicht aus katholischer Perspektive: „Kirchenentwicklung – und aus deren Konsequenz die Ehrenamtsentwicklung – ist die wichtigste Aufgabe ... im hauptamtlichen Dienst.“ Hier wird also sehr deutlich, welch entscheidende Aufgabe dem Pastor bei der Auswahl der Mitarbeiter zukommt. Denner (2015:44) beschreibt diese Aufgabe noch näher: „Begleitung braucht die Fähigkeit einer Hebamme oder eines Gärtners, eines Koordinators und Managers, aber nicht den ‚Hans-Dampf in allen Gassen’, der die Ehrenamtlichen nach seinem Takt dirigiert.“ Er muss also die richtige Auswahl treffen und dann, ähnlich eines Trainers im Sport, andere anleiten. Meist fordert dieser Prozess Geduld und ein geschicktes schrittweises Vorgehen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass es im gemeindlichen Alltag in vielen Fällen die Dienstgruppenleiter sind, die neue Mitarbeiter für ihren Bereich suchen. In vielen Gemeinden wird das Prinzip Jüngerschaft praktiziert, in dem zum Beispiel der Jungscharleiter neue Mitarbeiter unter seinen Zöglingen heranbildet. In kleinem Rahmen kann erstmals ein begrenztes Mass an Verantwortung übernommen werden, das dann je nach Entwicklung weiter ausgebaut wird. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Pastor ist dabei von entscheidender Bedeutung. Je besser sie von ihm eingeführt wurden, desto eher wird es ihnen möglich sein, eine für die jeweilige Kultur der Gemeinde passende Person zu finden.

5.1.2 Die richtigen Quellen anzapfen Ich rate dazu, in den eigenen Reihen, in der Gemeinde, zu beginnen. Dies hat viele Vorteile: Die entsprechenden Personen sind bekannt, man verfügt über Erfahrungen aus der Vergangenheit und kann leichter entscheiden, ob die Person zu einem neuen Aufgabengebiet passt. Aber Achtung: Der Prophet gilt nichts im Heimatland, dieser Gefahr muss man sich bewusst sein. Weitere Vorteile liegen auf der Hand: Die Werte der Gemeinde und deren Kultur sind bekannt, was eine reibungsärmere Zusammenarbeit begünstigt. Schon in jungen Jahren können Talente entdeckt und gefördert werden. Oft wächst der Nachwuchs © IGW International

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direkt in der Gemeinde auf. Daher sollte das Radar immer an sein. Knoblauch&Kurz (2009:81) raten selbst Unternehmen, im eigenen Umfeld mit der Suche zu beginnen. Die dort beschriebenen Vorteile treffen voll auf den ehrenamtlichen Gemeindebereich zu. Auch Wallraff (2010:149) bestätigt, dass persönliche Werbung sich bewährt hat. Zudem fordert er dazu auf, einen vorhandenen „Anstossmangel“ zu beseitigen. Knoblauch&Kuttler (2016:263) sprechen in diesem Zusammenhang von „active sourcing“, der aktiven Suche der eigenen Leute nach neuen Mitarbeitern. Sie (:264) bestätigen: „Google hat sogar herausgefunden, dass es bei den Empfehlungen der eigenen Leute eine besonders hohe Trefferquote an Kandidaten gibt,...“ Aus der Gemeindepraxis ist sicherlich bekannt, dass die persönliche Ansprache weit erfolgversprechender ist als zum Beispiel das Auslegen einer Liste oder das einfache Erwähnen einer freien Stelle im Gemeindebrief. Eine weitere Möglichkeit stellt die erneute Anfrage an ehemalige Mitarbeiter dar. Durch die Änderung des beruflichen oder familiären Umfelds kann zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen wieder eine Mitarbeit in Frage kommen. „Rund 30% der ehemaligen Engagierten sind irgendwann bereit, wieder in ihr Ehrenamt einzusteigen“ (Klages zitiert bei Wallraff 2010:177). 30% ist ein Potenzial, das unbedingt genutzt werden sollte. Da viele potenzielle ehrenamtliche Mitarbeiter oft gar nicht fest in eine Gemeinde integriert sind, können auch social medias genutzt werden. Christen ohne Heimat lassen sich so unter Umständen ansprechen und integrieren. Dies gilt auch für die eigene Website. Wallraff (2010:178) geht noch einen Schritt weiter. Er meint, es sei legitim, Ehrenamtliche auch aus anderen Organisationen anzusprechen, in denen wenig läuft. Bei diesem Fischen im fremden Teich wird meiner Meinung nach eine Grenze überschritten. Natürlich ist die Konkurrenz am Markt der Ehrenamtlichen gross, aber das Verdrängen der Kleinen (bei denen wenig läuft) durch das Abwerben ihrer Mitarbeiter halte ich für ethisch nicht vertretbar. Der Abzug eines Mitarbeiters könnte zur Schwächung der anderen Gemeinde führen. Für zeitlich begrenzte gemeinsame Projekte hat ein Zusammenlegen verschiedener Kräfte eine Chance auf Gelingen. Ein gemeinsames Musicalprojekt, ein Einsatz am Weihnachtsmarkt, ein Sponsorenlauf für Hilfsprojekte wären zum Beispiel Projekte, die Mitarbeiter aus verschiedenen Gemeinden gemeinsam realisieren könnten. Grenzen könnten dadurch erweitert werden, indem kleinere Gemeinden dieselben Dienste zusammenlegen wie zum Beispiel die Kinderarbeit, die Jungschar oder Strassenaktionen. Oft treibt die Not, nicht genügend eigene Mitarbeiter zu finden, Gemeinden zu diesem Schritt. Wichtig dabei ist aber in jedem Fall, dass das Ziel von allen geteilt wird. Im eigenen Umfeld – ausserhalb der eigenen Gemeinde – zu suchen, scheint mir ein durchaus erfolgversprechender Weg zu sein. Warum zum Beispiel nicht im Freundeskreis einen Koch rekrutieren, der seine Fähigkeiten für einen Brunch in der Gemeinde einsetzt? So könnten wieder beide Seiten profitieren: Die Gemeinde kommt in den Genuss spezieller Fähigkeiten, der neue Mitarbeiter lernt engagierte, beziehungsorientierte Christen kennen, die ihm im besten Fall helfen, wichtige Schritte hin zum Glauben an Jesus zu gehen. © IGW International

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Wallraff (2010:146) rät zu einer zentralen und systematischen Erfassung von Mitgliederstruktur und Motivationen, um ein zielgerichtetes Marketing zu ermöglichen. Dieses müsse sich direkt aus der Bedarfsanalyse ableiten. Bisher scheitere dies an den notwendigen Ressourcen. Ich halte diese systematische Erfassung für einen unrealistisch hohen bürokratischen Aufwand. Zudem ist es äusserst schwierig, die wirklichen Motive der einzelnen Mitarbeiter konkret zu erfassen.

5.1.3 Eine klare Aufgabenbeschreibung erstellen Um die Frage zu beantworten: „Wer passt am besten?“ ist eine klare Aufgabenbeschreibung notwendig. Die Bedürfnisse und Erwartungen müssen möglichst genau beschrieben werden. Dies wird auch dem Bewerber helfen, eine klare und verlässliche Entscheidung treffen zu können. Ich warne davor, hier nur die halbe Wahrheit zu sagen, um möglichst schnell eine Zusage des Bewerbers zu erhalten. Wenn sich später herausstellt, dass weit mehr Zeit, Kraft und Geld notwendig ist, um die Aufgabe zu erfüllen, wird der neue Mitarbeiter zwangsläufig seine Zusage überdenken müssen. Der Eindruck entsteht: „Man reicht den kleinen Finger, die nehmen gleich die ganze Hand.“ Gewissensnöte, der Abbruch der Mitarbeit, schlechte Atmosphäre, aber in jedem Fall ein brüchiges Vertrauen werden die Folgen sein. Bei einer weiteren Anfrage wird dieser Bewerber dann sehr zurückhaltend sein. Daher ist eine klare und transparente Kommunikation über Aufgaben, Rahmenbedingungen, Probezeit, etc. von Anfang an wichtig. Die Aufgabenbeschreibung umfasst weit mehr als eine Auflistung einzelner Todos. Ich rate dazu, sich viel mehr auf die gewünschte Person zu konzentrieren: •

Welche Gaben/Begabungen sind notwendig?



Wie sollte er von seiner Persönlichkeit her sein?



Welches Alter und Geschlecht sollte die Person im besten Fall haben?



Welche Charaktereigenschaften sind besonders wichtig?



Welchen geistlichen Entwicklungsstand hat die Person?

Für die Mitarbeit im Kinderbereich suche ich zum Beispiel einen Mann (als Ergänzung zum Team) Mitte 30, der durch seine offene, freundliche und beziehungsorientierte Art schnell Kontakt findet, der Inhalte gut vermitteln kann (am besten ein Pädagoge), der schon mehr als drei Jahre gläubig ist und dadurch aufgefallen ist, dass er gut mit Kindern umgehen kann. Das spezifische Fachwissen kann er sich in der Ausübung seiner Tätigkeit später noch aneignen. Knoblauch&Kurz (2009:76) berichten: „Mitarbeiter werden oft aufgrund ihrer fachlichen Fähigkeiten eingestellt und wegen des persönlichen Verhaltens entlassen.“ Daher ist die Beachtung weicher Faktoren wie Persönlichkeit und Sozialkompetenz äusserst wichtig. In ihrem Kapitel „Hire for Attitudes, Train for Skills“ betonen Knoblauch&Kuttler (2016:257), dass die Einstellung eines Mitarbeiters wichtiger sei als sein Wissen. „Exzellente Unternehmer achten oft viel mehr auf Persönlichkeit, Werte und Einstellungen eines Bewerbers.“

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In einem weiteren Schritt müssen natürlich auch die Aufgaben und wenn möglich die zu erzielenden Ergebnisse möglichst klar beschrieben werden. Dabei sollte immer noch ein gewisses Mass an Freiheit zur eigenen Gestaltung durch den Mitarbeiter bleiben. Er soll die Arbeit zu seiner Arbeit machen können. Knoblauch&Kuttler (2016:258) betonen: „Erfolgreiche Firmen suchen nicht Mitarbeiter, die verwalten, sondern Mitarbeiter, die gestalten.“ Freiheit und Selbstverantwortung sind die wichtigsten Trends bei exzellenten Unternehmen. Falls es K.o.-Kriterien für die Stellen gibt, müssen diese benannt werden. Vielleicht gibt es aber auch Erwartungen, die nicht so wichtig sind, wie im obigen Beispiel das Alter des Mitarbeiters. Falls aber andere Erwartungen unbedingt erfüllt werden müssen, wie zum Beispiel der geistliche Entwicklungsstand, muss dies klar formuliert sein. Weitere von der Stelle unabhängige Erwartungen, wie zum Beispiel die Mitgliedschaft in der Gemeinde, früher erbrachte Leistungen, Mitarbeit im Vorstand und andere müssen ebenso beschrieben werden. Auch Wallraff (2010:145) bestätigt, dass es notwendig ist, zielgerichtet zu werben. „Um Ehrenamtliche aber zielgerichtet ansprechen zu können, müssen die Verantwortlichen in der Organisation wissen, auf welche Position welcher potenzielle Ehrenamtliche passen würde.“ Er empfiehlt, die richtige Zielgruppe anzusprechen. Auch er geht weniger von einer Todo-Liste sondern mehr von einer speziell beschriebenen Personengruppe aus. Es kann sinnvoll sein, eine Stelle eventuell zeitlich begrenzt zu besetzen. So können unter Umständen Personen angesprochen werden, für die ein langfristiges Engagement nicht in Frage kommen. Laut Denner (2015:38) befindet sich das Ehrenamt in einem Strukturwandel, der mit dem gesellschaftlichen Wandel konform ginge, zum Beispiel weg vom langfristigen Einsatz hin zu zeitlich begrenzten Aufgaben. Die zeitliche Begrenzung macht den Einsatz für den Mitarbeiter überschaubarer und passt eventuell besser in die aktuelle Lebensphase. Laut Himmel (2015:79) bietet die zeitliche Begrenzung folgende weiteren Vorteile: •

Die Aufgabe bleibt für den Mitarbeiter überschaubar. Dadurch erhöht sich die Bereitschaft, Ja zu sagen.



Die Leitung ist gezwungen, permanent nach neuen Personen Ausschau zu halten, was vom Autor positiv bewertet wird.



Diese Vorgehensweise bewahrt vor Verkrustung, Einseitigkeit und Machtanhäufung.



Es werden neue Leute mit schlummernden Charismen entdeckt.



Es gilt dabei zu beachten, dass das Potenzial nach einem Wechsel nicht verloren geht.

Wenn die Arbeit Spass macht und beide Seiten zufrieden sind, kann das Engagement immer noch verlängert werden. Wallraff (2010:196) bringt noch einen weiteren Faktor ins Spiel, indem er als einen Erfolgsfaktor bei Greenpeace das „regelmässige Engagement“ benennt. Diese beiden Faktoren sollten in der Aufgabenbeschreibung mit berücksichtigt werden.

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5.1.4 Hohe Ansprüche stellen Hohe Ansprüche zu haben ist gut und wichtig. In Mt 24,14ff rügt Jesus im Gleichnis von den anvertrauten Talenten den Faulen und lobt den Tüchtigen. Paulus spornt seine Leser an: „Ihr kennt das doch: Von allen Läufern, die im Stadion zum Wettlauf starten, gewinnt nur einer den Siegeskranz. Lauft so, dass ihr ihn gewinnt!“ Bill Hybels (2009:304) begründet das Bemühen um gute Leistungen unter anderem mit Ausführungen zu Mal 1,6-14 (Verachtung Gottes durch minderwertige Opfer) und betont dabei: „Wir müssen darum ringen, herausragende Leistungen zu bringen, denn herausragende Leistungen ehren Gott. Herausragende Leistungen inspirieren. Und herausragende Leistungen bringen den Feind unserer Seele in Schwierigkeiten.“ Knoblauch&Kuttler (2016:138) betont, dass Non-Profit-Organisationen genauso professionell gemanagt werden müssen wie Wirtschaftsunternehmen. „Idealismus genügt eben nicht. Auch nicht bei Non-Profit-Organisationen ... Je wichtiger die Mission einer Organisation ist, desto wichtiger ist es auch, dafür die besten Mitarbeiter zu haben.“ Meine eigene Erfahrung ist: Gute Leute ziehen wiederum gute Leute an. Wenn zum Beispiel eine Band mit tollen Musikern besetzt ist und ein begeisterndes Konzert spielt, wollen andere gerne beim nächsten Mal mit in der Band spielen. Es macht ihnen Spass, sie können ihre Talente einsetzen und ausbauen. Wenn die Band allerdings mit weniger versierten Musikern besetzt spielt, ist es für gute Musiker eher peinlich und hinderlich, dabei zu sein. Durch meine Auswahl entscheide ich, ob ich mich in einer Spirale nach oben oder nach unten befinde. Knoblauch&Kurz (2009:25) raten dazu, aus den Guten die Besten und aus den Besten die Richtigen zu wählen. Dabei kämen nur A-Mitarbeiter in Frage. In einem persönlichen Gespräch sprach Jörg Knoblauch sogar von AAA-Mitarbeitern (tripple-A). Knoblauch&Kuttler (2016:255) ermutigen dazu, die Besten zu wählen und zwar nur die, die besser sind als man selbst. Ich befürchte, dass viele Gemeinden an diesem Punkt zögern werden. In einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass es zu Rivalitäten mit dem Hauptamtlichen kommen könnte. Der neue hochqualifizierte ehrenamtliche Mitarbeiter könnte ihn selbst in Frage stellen und dann heisst es: du oder ich. Hybels (2009:57) rät dazu, wenn irgend möglich „Zehner14“ ins Boot zu holen. Da Leiter dazu neigen, meist Personen zu rekrutieren, die auf der Skala unter ihnen rangieren, sei es wichtig, sich selbst ständig fortzubilden. Es gilt dabei, der Versuchung zu widerstehen, handzahme, warmherzige „Niedrignummern“ an Bord zu holen. Dies führt zu einer stetig anwachsenden Anzahl von Leitern mit geringem Effektivitätsgrad. Stattdessen soll mit jedem neuen Mitarbeiter das Niveau gehoben werden. Schulen Sie ihre Mitarbeiter und ermutigen Sie sie, ihre eigenen Führungsqualitäten zu kultivieren und hohe Ansprüche zu stellen, wenn das Team Verstärkung braucht. Machen Sie ihnen Mut, nach den klügsten, gebildetsten, effektivsten Leitern Ausschau zu halten, die sie finden können. Und helfen Sie ihnen dann, die Ziele und Träume der Gemeinde so anziehend zu schildern, dass diese ein unwiderstehlicher Anziehungspunkt für Leute mit hohem Effektivitätsgrad wird. Hybels (2009:58)

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Die Beschreibung der Effizienz eines Leiters auf einer Skala von 1-10 („Leitereffizienzskala“), wobei die 10 für höchste Effizienz steht. © IGW International

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Jack Welch (2005:100) spricht in seinem Buch „Winning: Das ist Management“ von dem 4E(und1P)Konzept [sic]. Folgende Eigenschaften sind für jede Führungskraft wichtig: Energie, Elektrisieren, Entschlusskraft, Ergebnisorientierung und Passion. Dies gelte unabhängig von der Position. Somit wäre es auch auf Ehrenamtliche anwendbar. Knoblauch&Kuttler (2016:266) raten sogar, Unangepasste ins Boot zu holen. Dadurch würde Kreativität und Selbstbewusstsein gefördert. „Steve Jobs wollte bei Apple nie nur »die Braven und Angepassten«. Das gilt für viele Top-Unternehmen. Je bunter die Truppe, desto kreativer.“ Dabei raten sie (:268) auch dazu, sich nicht nur auf Jüngere zu konzentrieren, sondern die Erfahrung und das Wissen Älterer zu nutzen. Bei derart hohen Erwartungen bringt Hybels (2009:177) einen wichtigen ergänzenden Punkt zur Sprache: „... die gleichbleibend B-Leistungen erzielen, sind in der Regel gute Mitarbeiter mit einer gesunden Einstellung. Sie mögen zwar nie mit einer genialen, zündenden Idee aufwarten, doch ihre Beständigkeit und Treue sind ein unverzichtbares Kapital jeder Organisation.“ Es sind also nicht ausnahmslos A-Mitarbeiter mit ausnahmslos Top-Leistungen notwendig. Auch weniger Qualifizierte können eine Gemeinde in ihrer Arbeit stärken. Allerdings warne ich davor, die Ansprüche zu weit zu senken und rate dazu, eine vakante Stelle lieber unbesetzt zu lassen als einer schlecht geeigneten Person zuzusagen. Jack Welch (zitiert in Knoblauch&Kurz 2009:36) warnt: „Selbst wenn ein CMitarbeiter umsonst arbeiten würde, wäre er zu teuer.“ In diesem Fall wäre also auch kein Geld im Spiel, somit trifft dieser Fall auch auf Ehrenamtliche zu. Hier ist Mut zur Lücke und manchmal ein grosses Mass an Vertrauen gefordert, später die passende Person zu finden. Greenpeace geht in ihrer Arbeit einen völlig anderen Weg, in dem sie sehr breit rekrutieren und in einem zweiten Schritt versuchen, durch Weiterbildung die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Ich rate im Gemeindeumfeld von diesem Vorgehen ab, da so sehr viel Manpower und Materialeinsatz notwendig ist und das Erreichen des Ziels fraglich bleibt.

5.1.5 Sinn bieten Wer hohe Ansprüche stellt, muss auch bereit sein, viel zu bieten. Es wird immer ein Geben und Nehmen sein. Eine der grossen Chancen im Rahmen der Gemeinde ist es, Sinn bieten zu können. Wenn schon bei einer hauptamtlichen Anstellung gilt: „Motivation durch Sinn statt Geld“ (Knoblauch&Kuttler 2016:265), dann gilt dies ganz besonders für ehrenamtliche Mitarbeiter in Gemeinden. Wenn es gelingt, Hochqualifizierte zu gewinnen, die sich ehrenamtlich für die Gemeinde einsetzen wollen, profitieren beide Seiten. Der neue Mitarbeiter unterstützt mit seinen speziellen Fähigkeiten die Gemeinde und findet darin selbst Sinn. Zum Beispiel unterstützte ein Top-Fotograf (www.pete-ruppert.com) mehrere meiner CD-Produktionen und sah dabei seinen kostenlosen Einsatz als seinen „Zehnten“ für das Reich Gottes an. Wenn ich zum Beispiel neue Mitarbeiter für das Putzteam suche, kann ich ihnen vor Augen malen, wie einladend unsere Räume für unsere Gäste sind und wie diese sich wohlfühlen werden. Unsere Gemeindeglieder können sich so zu Hause fühlen. Obwohl ihr Dienst oft gar nicht wahrgenom-

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men wird, können sie sicher sein, dass sie einen wesentlichen Anteil dazu beitragen, eine lebendige, frohe und ansteckende Gemeinde zu bauen. Gerade im ehrenamtlichen Bereich, in dem ich keine monetären Anreize bieten kann, ist Sinn zu bieten von entscheidender Bedeutung. Oft wird es notwendig sein, den Sinn aufzuzeigen – besonders bei eher unattraktiven Aufgaben. Es ist unabdingbar, die Wichtigkeit und Bedeutung zu erklären, die positiven Auswirkungen vor Augen zu malen und den Anteil an der Gemeindevision zu verdeutlichen. Neben dem Beitrag zur Erfüllung der Gemeindevision ist der Einsatz oft eine Möglichkeit, die Dankbarkeit für Gottes Errettung zu zeigen. Letztendlich dient die Person nicht der Gemeinde oder den Mitgliedern sondern Gott selbst. Das D.I.E.N.S.T.Programm widmet diesem Thema einen ganzen Schulungsabend (7. Einheit). Die Liebe zu Gott als Triebfeder und das echte Dienen wird dort besonders betont (Hybels 2002:132). Knoblauch&Kurz (2009:214) betonen: „Es kommt darauf an ... das Herz für das Unternehmen zu gewinnen, indem Sie Sinn bieten.“ Dabei beruft er sich auf den Neurologen und Psychiater Viktor E. Frankl, der sagt: „Der Mensch ist ein Wesen ‚auf der Suche nach Sinn’“ (:217). Auch Wallraff (2010:193) bestätigt bei der Beschreibung der Motive ehrenamtlicher Mitarbeit die Bedeutung dieses Faktors, indem er „altruistische Motive“ als eines der drei wichtigsten benennt. Im Freiwilligensurvey 2009 (Gensike 2010:117) werden diese Motive sogar an erster Stelle genannt. Hier liegt für Gemeinden die grösste Möglichkeit, Interessenten für ein ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Dabei sollte die eigene Gemeinde ein möglichst attraktives Bild nach Aussen abgeben. Ist es cool und sinnvoll, zum Beispiel bei der Chrischona Frauenfeld zu arbeiten? Was schreiben andere in den social medias über die Gemeinde? Knoblauch&Kurz (2009:53) bestätigen, dass die Rekrutierung mit einem positiven Image des Arbeitgebers beginne: „Die Firma muss zu einem Leuchtturm werden, der weit ins Umfeld hineinstrahlt.“ Auch Wallraff (2010:148) betont, dass laut einer eigenen Untersuchung aus dem Jahr 2005 die überregionale Berichterstattung über Greenpeace weiterhin der wichtigste Auslöser für eine Mitarbeit ist. Hier bestätigt sich wieder einmal: Gewinner ziehen Gewinner an. Die positive Wahrnehmung der Arbeit von Aussen ist ein unschätzbares Kapital – auch für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter.

5.2 Der Bewerber: Wer bist du? Neben der Formulierung des Bedarfes (der offenen Stelle) im vorigen Kapitel, ist es ebenso notwendig, das vorhandene Potenzial (den möglichen Mitarbeiter) zu erkennen, um dann in einem dritten Schritt einen Auswahlprozess zu beschreiben, in dem beide Teile zusammenfinden können. In diesen Zusammenhang gehört auch der Begriff Berufung, auf den ich aber nicht näher eingehe, da ich die Fragestellung vom Arbeitgeber (der Gemeinde) her angehe (wie finde ich den passenden Mitarbeiter?) und nicht vom ehrenamtlichen Mitarbeiter her, der seinen Platz, seine Berufung sucht. Bei der Beschreibung der potenziellen Mitarbeiter gehen die untersuchten Modelle sehr unterschiedliche Wege: Greenpeace rekrutiert sehr breit angelegt und versucht danach, die unterschiedlichsten Personen

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richtig zu platzieren. Die ABC-Strategie geht den diametral entgegengesetzten Weg: Sie wählt sehr genau aus und achtet dabei nahezu ausschliesslich auf die berufliche Leistungsfähigkeit.

5.2.1 Eine Analyse erstellen Alle vier untersuchten Modelle nutzen Persönlichkeitsmodelle: Greenpeace verwendet das RiemannThomann-Modell. Die ABC-Strategie, D.I.E.N.S.T. und xpand nutzen das Persolog-Modell (DISG). D.I.E.N.S.T. und xpand beschreiben meiner Ansicht nach das beste und praktikabelste Vorgehen, das sich für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Gemeinde eignet. Sie berücksichtigen je nach Definition: Neigungen, Fähigkeiten, Gaben, Persönlichkeitsstrukturen und Werte und können dadurch eine hohe Passgenauigkeit ermöglichen. Dabei gilt allerdings zu berücksichtigen, dass der Umfang des Prozesses der Grösse der Gemeinde angepasst werden sollte. In einer kleinen Gemeinde wird der im D.I.E.N.S.T.-Programm beschriebene Weg wahrscheinlich zu umfangreich sein. Zudem stehen in einer kleinen Gemeinde nur wenige Personen für die zu erfüllenden Aufgaben zur Verfügung. In grösseren Gemeinden wiederum steigt die Notwendigkeit aber auch die Möglichkeit, genauer auszuwählen. So schreibt Rick Warren15 (1999) in seinem Artikel „How to break through the 200-300 attendance barrier“: „Nachdem deine Gemeinde sich entschieden hat, dass sie wachsen will, lehrst du ihr die Wichtigkeit der Gabe jedes Gläubigen, dass jeder Gläubige eine Funktion am Leib hat ... Du musst deine Geistesgabe einsetzen!“ Als Ende der 80er Jahre Der Gabentest von Christian A. Schwarz veröffentlicht wurde, folgte eine ganze Welle von Literatur und Programmen zu diesem Thema. Nachdem viele Gemeinden Erfahrungen gesammelt hatten, verschwand dieses Thema wieder weitgehend von der Bildfläche. Ich halte es dennoch weiterhin für sehr bedeutsam und rege eine neue Beschäftigung und eine angepasste Umsetzung in den Gemeinden an. Petrus fordert uns in 1 Petr 4,10 klar dazu auf: „Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ Für weitergehende theologische Begründungen verweise ich auf das Kapitel 3. Dass sich Gabenorientierung im Alltag bewährt hat, kann ich durch meine Rekrutierungen für das Reiseunternehmen Surpise-Reisen oder auch im Rahmen der Tourneeprojekte mit Gospel News an vielen Beispielen belegen. Menschen blühen auf, wenn sie in ihrer Gabe arbeiten. Ich persönlich empfehle das Vorgehen des D.I.E.N.S.T.-Programmes, da es logisch aufgebaut ist und Neigungen, Gaben und Persönlichkeitsstile berücksichtigt. Allerdings würde ich es straffen (z.B. das Thema Gaben auf einen Abend reduzieren), um den Aufwand für die Teilnehmer zu reduzieren. Den verwaltungstechnischen Aufwand (Protokolle, Formulare) würde ich ebenso reduzieren. Das abschliessende Beratungsgespräch finde ich sehr hilfreich, da hier noch einmal alle offenen Fragen besprochen und ein weiteres Vorgehen miteinander abgestimmt werden kann. Zudem darf der intensive persönliche Kontakt in diesem Prozess nicht unterschätzt werden.

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After they've decided they want to grow then you start teaching the ministry of the laity and talking about the importance of every believer has a gift, every believer has a function ... You need to use your spiritual gift.

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5.2.2 Gaben on the job erkennen Wie man methodisch vorgeht, ist dabei eher zweitrangig. Ob man Rick Warren folgt (siehe Kap 3.2.2) und Mitarbeiter in Bereiche einsetzt, um on the job zu erkennen, welche Gaben sie haben oder ob man einem eher analytischen Ansatz wie bei xpand oder D.I.E.N.S.T. folgt, ist letztendlich zweitrangig. Mancher Pastor wird mit der Zeit ein gewisses Mass an Erfahrung und Menschenkenntnis entwickelt haben, das es ihm ermöglicht, ehrenamtliche Mitarbeiter in die für sie passende Aufgabe zu begleiten. In manchen Fällen wird eine Berufung im gemeinsamen Gebet erlebt und kann dann in der Begleitung durch den Pastor oder Dienstgruppenleiter umgesetzt werden. Besonders im Teens- und Jugendbereich werden Gaben- und Persönlichkeitstests nur teilweise zutreffende Ergebnisse zeigen, da sich die Personen noch in einer starken Entwicklungsphase befinden. Hier wird man eher on the job versuchen, den passenden Aufgabenbereich zu finden. Bei Personen, die sich einem Gabentest verweigern oder nur über ein geringes Selbstwertgefühl verfügen und sich daher schlecht einschätzen können, ist man ebenso gezwungen, diesen Weg zu wählen. Gemeinden tun gut daran, verschiedene Wege zu nutzen, um unterschiedliche Charismen zielgerichtet zum Einsatz zu bringen. Sei es, dass sie zuerst entdeckt und dann eingesetzt werden oder man den Mut aufbringt, zu experimentieren und im Laufe des Dienstes die entsprechenden Gaben entdeckt. Allerdings, sie zu ignorieren, wäre ein grosser Fehler, denn dadurch käme das Potenzial, das Gott in jede einzelne Person gelegt hat, nur eingeschränkt oder gar nicht zum Einsatz.

5.3 Der Auswahlprozess Nachdem die Stelle klar beschrieben (Kap. 5.1) und die potenziellen Bewerber sich über ihre Einzigartigkeit klar wurden (Kap. 5.2), gilt es nun, den entscheidenden Schritt im Rekrutierungsprozess erfolgreich zu bewältigen. Die Autoren des xpand-Programmes (xpand, CD-Rom) bestätigen: „Der erste Schritt ist, das Potenzial des Mitarbeiters zu kennen, um ihm dann in einem zweiten Schritt zu helfen, die passende Aufgabe zu finden. Das Ziel ist dabei: Jeder Mitarbeiter ist entsprechend seiner Persönlichkeit und Gaben am richtigen Platz eingesetzt und macht mit Hingabe und Freude hochmotiviert seine Arbeit.“ Auch Knoblauch&Kurz (2009:46) betonen in diesem Zusammenhang: „Erfolg ist da, wo der richtige Mitarbeiter am richtigen Ort zur richtigen Zeit arbeitet.“ Dabei betonen sie (:109): „Selektion ist wichtiger als Weiterbildung. Selektion ist ein ungleich längerer Hebel. Selektion ist der Weg zum Erfolg.“ Dies kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen.

5.3.1 Gemeinsam entscheiden In diesem Prozess möchte ich als erstes die Frage beantworten: Wer soll entscheiden? Entscheiden die Dienstgruppenleiter selbständig, bitten dann um Unterstützung, wenn sie es für notwendig halten, oder entscheidet allein der Pastor? Ich rate dazu, diese Entscheidung vom Dienstgruppenleiter und dem Pastor gemeinsam treffen zu lassen. Knoblauch&Kurz (2009:96) betonen: „Es gehört zum kooperativen Führungsstil, seine Mitarbeiter bei Personalentscheidungen einzubinden.“ Da Personalentscheidungen so © IGW International

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wichtig sind, dürfen sie nicht nebenher erledigt werden. Jörg Knoblauch berichtete mir in einem Telefoninterview (liegt als mp3 vor) von der Firma Google. Dort müsse jeder Bewerber über 30 Interviews und in jedem Fall eines mit dem Chef führen. Mitarbeiter dürfen und sollen gerne geeignete Personen vorschlagen. In einigen Wirtschaftsunternehmen werden solche Vorschläge sogar monetär belohnt. Google zahlt 2000 Dollar für eine Empfehlung, 2000 Dollar beim Abschluss des Arbeitsvertrags und nochmal 2000 Dollar bei der Übernahme nach Abschluss der Probezeit (Knoblauch&Kuttler 2016:264). Dies macht deutlich, dass die Vorschläge aus den eigenen Reihen wertvoll sind, es aber auch nur Vorschläge sind. Da ein Dienstgruppenleiter oft selbst gute Kontakte hat, sollten sie unbedingt genutzt werden. Zum Beispiel wird ein Tontechniker selbst die meisten in Frage kommenden neuen Mitarbeiter in diesem speziellen Bereich kennen. In Zusammenarbeit mit dem Pastor wird dann sichergestellt, dass diese zur Kultur der Gemeinde passen, deren Werte mittragen können und das Team auf Dauer hilfreich verstärken können. Jegliche Alleingänge sollten vermieden werden. Weder der Pastor entscheidet ohne Dienstgruppenleiter noch umgekehrt. Bei weitreichenden Entscheidungen könnte auch die Gemeindeleitung, andere Dienstgruppenleiter oder zukünftige Kollegen einbezogen werden.

5.3.2 Die richtigen Kriterien anwenden Welche Kriterien sind für eine Auswahl entscheidend? Teilweise wurden diese schon in der Aufgabenbeschreibung definiert (z.B. die K.o.-Kriterien). Je klarer diese Definition erfolgt ist, desto einfacher wird jetzt der Entscheidungsprozess verlaufen. Bill Hybels (2009:110) nennt hier eine einfache Formel: „c+c+c = dreamteam“ wobei die drei c für Charakter, Competenz und Chemie stehen. Dabei betont Hybels die Bedeutung der richtigen Reihenfolge: „Wenn jemand die Charakterprüfung bestanden hat – und erst dann! -, durchleuchte ich seine Fähigkeiten.“ Vor der Einstellung überprüft er dann auch noch die Chemie, also ob er zum Team passt. Ich kann diese Vorgehensweise nur empfehlen. Schnelle Entscheidungen für hochbegabte und kompetente Mitarbeiter können den gesamten Arbeitsbereich ruinieren, wenn der Mitarbeiter später deutliche Charakterschwächen zeigt. Paulus rät in 1 Tim 3,10: „Und man soll sie zuvor prüfen und wenn sie untadelig sind, sollen sie den Dienst versehen.“ In 2 Tim 2,2 betont er Treue als eine wichtige Charaktereigenschaft. Falls hier Unsicherheiten auftreten und sich zum Beispiel ein Mitarbeiter erst als treu beweisen muss, könnte man dem möglichen neuen Mitarbeiter zuerst kleinere, evt. bewusst unattraktive Arbeiten anvertrauen, durch die er sich für mehr Verantwortung qualifiziert, ganz nach dem Grundsatz aus Luk 16,10: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu...“ oder Mt 25,21: „Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen ...“ Herausfordernd finde ich Hybels Bekenntnis zur Bedeutung der Chemie. Muss nicht jeder Mitarbeiter fähig sein, wenn Reibungsflächen auftreten, diese gerade zum persönlichen Wachstum zu nutzen? Wahrscheinlich sind aber die allgemeinen Herausforderungen in der Gemeindearbeit schon so gross, dass man weiteren Schwierigkeiten besser aus dem Weg geht, um damit die Effizienz des Dienstes nicht zu gefährden. © IGW International

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5.3.3 Den mehrstufige Entscheidungsprozess durchlaufen Der Auswahlprozess sollte in unterschiedlichen Stufen stattfinden. In der Literatur werden meist mehrstufige Entscheidungsprozesse benannt. Hier wird jede Gemeinde ihren eigenen Weg finden müssen, abhängig von Grösse, Bedeutung und Komplexität der Stelle. Als Muster könnte er so aussehen: 1. Anforderungsprofil erstellen (siehe Kap. 5.1.3) 2. Dem Bewerber Unterstützung geben bei der Frage: „Wer bist du?“ (siehe Kap. 5.2) 3. Gespräch mit Dienstgruppenleiter und Pastor: Der Dienstgruppenleiter oder Pastor erläutert das Anforderungsprofil, beschreibt die Erwartungen und vermittelt grundsätzliche Gemeindewerte, die für die Übernahme der entsprechenden Aufgabe wichtig sind. Sie sind Teil der Gemeindekultur. Zum Beispiel sollte die Gabenorientierung als Gemeinde-wert vermittelt werden. In einem zweiten Schritt wird das erarbeitete Profil des Bewerbers gemeinsam interpretiert und auf die Passung zum Anforderungsprofil überprüft. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Bewerberprofil und Anforderungsprofil keine unveränderbaren Grössen darstellen. Hilfreich in diesem Zusammenhang scheint mir das Rollenkonzept von Steiger & Lippmann (2013:47), das davon ausgeht, dass Rollen immer verhandelt werden (bewusst oder unbewusst) und eine Art Schnittmenge von Bewerberprofil und Anforderungsprofil darstellen. Diese Rollen sind nicht starr (also wie ein festes Puzzle-Teil) sondern immer in Bewegung. Der Rollensender hat bestimmte Erwartungen, die auf Seiten des Rollenempfängers auf Neigungen, Werthaltungen, Wünsche und Fähigkeiten treffen. Der Erfolg und damit die Zufriedenheit aller Beteiligten ergibt sich durch den gelungenen dynamischen Prozess des Aushandelns der beidseitigen Rollenerwartungen. Offene Fragen sollten möglichst konkret miteinander besprochen und das weitere Vorgehen gemeinsam abgestimmt werden. Ich rate dazu, in keinem Fall mit Druck oder schlechtem Gewissen zu arbeiten, was sich langfristig nur rächen würde. 4. Auswertung: Der Bewerber muss die neugewonnenen Informationen verarbeiten und für sich zu einer Antwort kommen. Dasselbe gilt für Dienstgruppenleiter und Pastor. Eventuell müssen von ihnen Referenzen anderer Dienstgruppenleiterleiter eingeholt werden, ein Gespräch mit dem Kleingruppen-Leiter geführt werden und Rücksprache mit den zukünftigen Kollegen genommen werden. Ich rate dazu, dass sich beide Seiten genügend Zeit fürs Gebet nehmen. 5. Zu- oder Absage an Bewerber: Zu einem in Schritt 3 vereinbarten Zeitpunkt tauschen sich beide Gruppen über ihr Ergebnis aus. Es kommt zu einer Zu- oder Absage oder einer weiteren Klärung noch offenstehender Fragen. Ich rate dazu, bei Unsicherheit keinen Kompromiss einzugehen, sondern den Prozess bei Punkt 2 erneut zu beginnen. Knoblauch&Kurz (2009:109) betonen die grosse Bedeutung dieses Auswahlprozesses: „Ein Gramm Recruiting ersetzt 1 Kilo Weiterbildung.“ Gerade das Argument der Weiterbildung führt ja oft dazu, eine Personalentscheidung zu treffen in der Hoffnung, dass der vorhandene Mangel später durch entsprechende Weiterbildungsmassnahmen gelöst werden könne.

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6. Probezeit von zirka 2-6 Monaten (siehe Kap. 5.4): Erst nach Abschluss der Probezeit wird die definitive Entscheidung getroffen. Erst dann ist die Rekrutierung abgeschlossen. Dies muss beiden Seiten klar sein.

5.4 Die Integration Die Phase der Integration beginnt bei der gegenseitigen Zusage und endet mit dem Abschluss der Probezeit. Erst dann ist die Rekrutierung endgültig abgeschlossen. Knoblauch&Kurz (2009:117) betonen die Bedeutung dieser Phase ganz besonders. Sie ermutigen dazu, einen Paten zu bestimmen, der die neue Person begleitet und einen Plan für diese Phase zu erstellen. Dabei sind klare Ziele notwendig. Sie geben Orientierung, da man weiss, wo man hin will. Sie sind kontrollierbar und man kann sie bei Erreichung gebührend feiern. Knoblauch&Kuttler (2016:269) unterstreichen: „Nicht »der Weg ist das Ziel«, sondern »das Ziel ist das Ziel«.“ In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die Darstellung von René Reinshagen (2008:144) über Antonovskys Begriff der Salutogenese verweisen. Es geht darum, „... an die Stelle einer Vermeidungsstrategie eine positive Strategie der Förderung, im Sinne einer Stärkung der Fähigkeiten, der Fertigkeiten, der Interaktionen, der Kommunikation, der Rahmenbedingungen zu setzen.“ Dabei geht es darum: „Nicht Krankheit soll präventiv verhindert, sondern vielmehr Gesundheit grundlegend gefördert werden.“ (:144). Die beste Möglichkeit zur Gesundung sei Empowerment. Im Ausbildungsbereich wird oft der Begriff Empowerment gebraucht, der meint: mit fachlicher Begleitung, guten Fortbildungsangeboten und einem regelmässigen Erfahrungsaustausch zu bevollmächtigen. Genau das ist jetzt die Aufgabe des Dienstgruppenleiters. In diesem Prozess muss der Neue auf die Werte der Gemeinde verpflichtet werden. Sie sind wie ein Kompass, der Orientierung gibt. Christian A. Schwarz (2013:21) regt in seinem Buch „Die 3 Farben der Leiterschaft“ dazu an, folgende drei „Primärtugenden“ zu praktizieren: motivieren, erklären und freisetzen. Diese Tugenden sollten in einer grösstmöglichen Balance gelebt werden.

5.4.1 Situativ führen, den Neuen coachen Der Dienstgruppenleiter ist mit Unterstützung des Pastors für die Integration verantwortlich. Ich empfehle die Situationsbezogene Menschenführung nach der Regel von Kenneth Blanchard (2009:9): „Die einen so, die anderen so.“ Es ist nicht möglich, einen immer gleichen Führungsstil für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Ehrenamtlicher umzusetzen. Je unerfahrener der Ehrenamtliche, je enger muss er geführt werden. Das Ziel ist es, vom Lenken / Dirigieren bis zum Delegieren zu kommen. Dann wird dem Mitarbeiter die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen und die zu lösenden Probleme übergeben (:32). Dies sollte frühestens nach Ende der Probezeit der Fall sein. Dabei ist das Vorbild des Dienstgruppenleiters von entscheidender Bedeutung. Jesus ist uns ein Vorbild. Er fordert uns direkt auf : „Folge mir nach“ (Mk 2,14). Paulus fordert an mehreren Stellen dazu auf, sei-

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nem Vorbild zu folgen und selbst Vorbild zu sein (1 Kor 4,16; 2 Tess 3,9b; Titus 2,7). Petrus tut es ihm gleich (1 Petr 5,2f). Wir sind immer Vorbild – ob wir wollen oder nicht, ob uns das bewusst ist oder nicht. Der Dienstgruppenleiter sollte sich dessen bewusst sein und seine Führungsaufgabe liebevoll und klar wahrnehmen.

5.4.2 Feedback geben Wie schon im vorigen Kapitel angesprochen, braucht ein neuer Mitarbeiter anfangs eine engere Führung. Er muss wissen, was erwartet wird und ob er diese Erwartungen auch erfüllt. Falls Korrekturen notwendig sein sollten, können diese schnell kommuniziert werden. Feedback führt dazu, dass der Mitarbeiter an die Leistungen des Dienstgruppenleiters herangeführt wird, sich ständig verbessert und mehr Verantwortung übernimmt. Hybels (2009:169) legt dabei Wert auf eine zeitnahe Umsetzung: „Unmittelbares Feedback ist eines der größten Geschenke, das eine Person in leitender Funktion ihren Kollegen und Untergebenen machen kann.“ Eine positive Feedbackkultur baut Vertrauen auf. Der Focus sollte immer auf der zukünftigen Leistung liegen. Die Frage: „Was kann ich besser machen?“ sollte besonders anfangs den Neuen leiten. Ein gutes Vertrauensverhältnis zum Dienstgruppenleiter ist dabei sehr wichtig. Freunden darf man offen sagen, was man denkt, wo man nicht weiterkommt oder wenn man Hilfe braucht. Dazu gehört aber auch Klarheit in der Kommunikation. Patrick Lencioni16 (zitiert in Hybels 2009:176) behauptet: „..., dass viele Organisationen mit ‚tödlicher Nettigkeit’ infiziert seien, was dazu führe, dass man einander nicht länger die Wahrheit sagen könne.“ Besonders in Gemeinden besteht akut diese Gefahr. Eine weitere Möglichkeit für hilfreiches Feedback sind regelmässig stattfindende Mitarbeitergespräche. Ich rate dazu, sie in der Probezeit nicht zu formell zu gestalten. Eine abschliessende Einteilung in A-, Boder C-Mitarbeiter halte ich in der Probezeit eines ehrenamtlichen Mitarbeiters nicht für hilfreich. Erst recht nicht in Form eines Briefes, wie von Knoblauch&Kurz (2009:150) für hauptamtliche Mitarbeiter empfohlen. Einem neuen C-Mitarbeiter zu schreiben: „Bitte betrachten Sie Ihr Gehalt als Spende“ wird wohl kaum zu einer weiteren guten Zusammenarbeit helfen. Hingegen ist ihr (:163) Rat hilfreich, bei Mitarbeiter-Gesprächen darauf zu achten, nicht die meiste Zeit mit den schwachen Mitarbeitern zu verbringen und damit die Stars zu vernachlässigen. Eine weitere Möglichkeit zum Feedback sind Feedbackbögen, wie ich sie bei Surprise-Reisen verwendet habe17. Sie geben Impulse für Verbesserungen und helfen bei der weiteren Planung. Ein solches Vorgehen könnte zum Beispiel nach der Konfirmation über den vorangegangenen Unterricht, über ein durchgeführtes Seminar-Wochenende etc. angewendet werden. Motivierte Mitarbeiter wollen sich verbessern. Für schlecht geeignete Mitarbeiter braucht der Dienstgruppenleiter hilfreiche Informationen.

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Patrick Lencioni ist Gründer und Vorsitzender von The Table Group, einer Unternehmensberatung spezialisiert auf Teamentwicklung und gesunde Organisationen. Ausserdem schreibt er Bücher über Managementthemen und ist ein beliebter Vortragsredner. Sein aktuelles Buch: „Die 5 Dysfunktionen eines Teams“.

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Die Teilnehmer einer Reise konnten in verschiedenen abgefragten Rubriken ihre Bewertung abgeben. Diese Feedbackbögen bildete dann eine Gesprächsgrundlage für ein Auswertungsgespräch mit dem rekrutierten Freizeitleiter. © IGW International

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5.4.3 Durch Lob und Anerkennung ermutigen Zeitnah geäussertes Lob, das in direkter Verbindung mit einer konkreten Leistung steht und von Herzen kommt, wirkt unglaublich positiv. Es gibt dem Mitarbeiter Orientierung für sein Handeln und setzt zusätzliche Energie frei. Lob fördert das Selbstbewusstsein und macht dadurch Mut, Neues anzupacken. So werden aussergewöhnliche Leistungen möglich. Ein Daumen, der nach der Präsentation eines tollen Songs nach oben zeigt, hat die Mannschaft auf der Bühne gerade zur nächsten Top-Leistung angespornt. Wichtig dabei: Lob muss gezielt eingesetzt werden, sonst nutzt es sich schnell ab und wird kraftlos. Zudem muss es echt und ehrlich sein. Nach einem intensiven Arbeitseinsatz zu sagen: „Ihr seid echt ein Power-Team, es ist ein Vorrecht, mit euch zu arbeiten“, erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, dass man sich beim nächsten Mal wieder zur Mitarbeit bereit erklärt. Knoblauch&Kurz (2009:157) ermutigen dazu, eine „Kultur des Lobens“ zu entwickeln. Vertrauen und die Freiheit, Fehler als Trittsteine in die Zukunft und nicht als Stolpersteine zu sehen, würde eine gute Weiterentwicklung ermöglichen. Es müsse nicht lange dauern, aber ernst gemeint sein. Auch Wallraff (2010:174) rät: „Erfolge müssen an dieser Stelle anerkannt, wertgeschätzt und möglichst auch gefeiert werden.“ Ein Fest für alle ehrenamtlichen Mitarbeiter, ein Grillabend beim Pastor, Mitarbeiter auf die Bühne holen oder in einer Ansage namentlich erwähnen, alle Namen in einer Festschrift aufführen, Bilder des Teams auf der Website oder dem Cover des Gemeindebriefes platzieren: Das sind Möglichkeiten, Lob und Anerkennung zu zeigen. Weitere Möglichkeiten der Anerkennung könnten sein: die Gemeinderäume, den Beamer, das E-Piano, etc. für einen Familienanlass kostenlos nutzen lassen, kostenloser Kaffee an der Gemeinde-Kaffeemaschine, interne günstigere Kopierpreise, etc. Zur Stärkung des Zusammenhalts können gemeinsame Aktivitäten dienen: gemeinsames Kochen, ein Gruppen-Ausflug mit Partner, ein Kinoabend in der Gemeinde mit Chips und Cola, etc.

5.4.4 Weiterbildungsmöglichkeiten bieten Meiner Erfahrung nach ist dies ein Bereich, der grosses Potenzial für die Gemeinde birgt, jedoch meist nur wenig genutzt wird. In meiner über 40jährigen ehrenamtlichen Mitarbeit in verschiedenen Gemeinden, habe ich nur zwei einwöchige Weiterbildungen besuchen können, die von der Gemeinde unterstützt wurden: einen Jungscharleiterkurs sowie einen Chorleiterlehrgang. Letzterer war für meine berufliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung: Er öffnete mir später die Tür für meine 25jährige hauptamtliche Tätigkeit als Musikmanager. Als Leiter von vme-musik habe ich selbst begonnen, Weiterbildungskurse für Ehrenamtliche anzubieten: Chorleiterlehrgänge, Tontechnikseminare, sowie Kurse für Worshipleiter, Pianisten, etc. Mit begrenztem Aufwand konnte vorhandenes Potenzial vervielfacht werden. Eine ähnliche Strategie verfolgt Greenpeace. Laut Wallraff (2010:164) wurden dort regionale Weiterbildungsstützpunkte eingerichtet, in denen alte Hasen mit viel Erfahrung ihr Wissen weitergeben. Dabei geht es nicht nur um inhaltliche, sondern auch um methodische Seminare. Ein ganzer Trainerpool wurde entwickelt, der sich durch Supervisionstreffen immer weiter verbessert. Natürlich ist bei Greenpeace in © IGW International

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erster Linie der Transfer von Fachwissen wichtig. Laut Wallraff (2010:186) brauchen 57% ihrer Ehrenamtlichen das entsprechende Fachwissen durch Weiterbildung, da nur 12% dieses mitbringen. Doch Weiterbildung ist auch ein Schlüssel, um Ehrenamtliche dauerhaft für ihr Engagement zu begeistern (:160). Neben der Verbesserung von Fähigkeiten und dem Transfer von Fachwissen zeigt eine Gemeinde dem Mitarbeiter dadurch auch, dass sie bereit ist, den oft hohen Einsatz zu honorieren. „Wir helfen dir, da wir ein hohes Interesse an dir als Mitarbeiter haben und dafür sorgen wollen, dass du deine Aufgabe bestmöglich erledigen kannst“, ist eine wichtige Botschaft, die angebotene Weiterbildungsmassnahmen vermitteln können. Diese Wertschätzung und der damit verbundene Ausbau von Fähig- und Fertigkeiten könnte als eine Form von Bezahlung für ehrenamtlichen Einsatz angesehen werden. Natürlich kosten von der Gemeinde angebotene Weiterbildungen Geld, das aber meiner Meinung nach sehr gewinnbringend angelegt ist. Wallraff (2010:202) betont: „Greenpeace gibt im Jahr durchschnittlich zwischen 800 und 1.000 € pro Kopf für die Betreuung, Weiterbildung etc. seiner Ehrenamtlichen aus.“ Ich würde dabei nicht von ausgeben sondern von investieren sprechen. Knoblauch&Kuttler (2016:262) betonen: Top-Unternehmen „sorgen dafür, dass ihre bestehenden Mitarbeiter ständig besser werden ... Festo steckt 1,5% des Jahresumsatzes in seine Academy ... um die Apple University ranken sich bereits Legenden.“ Willow Creek gibt Millionen von Dollars für die Weiterbildung der Gemeindeglieder aus (Knoblauch&Kuttler 2016:142). In vielen Gemeindeverbänden gibt es klare Regelungen für Weiterbildungsmassnahmen für deren Hauptamtliche (z.B. bei Chrischona: CHF 2000.- und 2 Wochen Arbeitszeit pro Jahr für jeden Mitarbeiter). Leider gibt es keine Regel für Ehrenamtliche. Mir ist natürlich bewusst, dass die Voraussetzungen und Aufgaben ehrenamtlicher Mitarbeiter sehr unterschiedlich sind, jedoch halte ich es für wichtig und wertvoll, das vorhandene Potenzial weiter auszubauen. Ergänzend gilt zu beachten, dass motivierte Mitarbeiter gerne weiterkommen wollen. Knoblauch&Kurz (2009:167) betonen: „A-Mitarbeiter wollen sich ständig entwickeln und brauchen dazu die richtigen Rahmenbedingungen.“ „A-Mitarbeiter lieben Zusatzqualifikationen“ (Knoblauch&Kuttler 2016:262). Auch Wallraff (2010:26) bestätigt: „Die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung, zum Erwerb von Humankapital ist heute ein wichtiges Motiv, um ein Ehrenamt anzutreten.“ Weiterbildung muss nicht teuer und aufwändig sein. Knoblauch&Kurz (2009:172) benennen einige tolle Ideen, die auch im ehrenamtlichen Umfeld umsetzbar wären, zum Beispiel: •

Innerbetriebliche Weiterbildungen in Form eines Abendessens und zwei Schulungseinheiten zu je 45 Min. Dieses Angebot wird so gut wie zu 100% genutzt.



Das Verschenken von Fachliteratur.



Das Angebot eines Querdenker-Stammtisches. Oft entstünden hier Ideen, die in der Zukunft Lösungen bringen.

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Jobrotation (Vorteile: Das Verständnis für andere wächst, bei einem Ausfall ist Ersatz schneller möglich, gute Ideen werden auch in andere Bereiche übertragen).

5.4.5 Eine ehrliche Evaluation durchführen Nach Abschluss der Probezeit rate ich zu einer Auswertung, um den Prozess bei einer erneuten Rekrutierung zu optimieren. Dabei sollten unter anderem folgende Fragen beantwortet werden: Haben wir unser Ziel erreicht? Was lief gut / schlecht? Was können wir besser machen? Welche Stärken sollten wir ausbauen? Brauchen wir Unterstützung? Wenn ja, von wem? Ich halte es für sehr sinnvoll, den Prozess mit einer Bewertung abzuschliessen. So kann das Vorgehen kontinuierlich verbessert und an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden.

5.4.6 Einsetzen und empowern Je nach Umfang des neuen Dienstes kann eine Einsetzungsfeier, zum Beispiel im Gottesdienst, dazu führen, den neuen Mitarbeiter und den entsprechenden Dienstbereich zu stärken. Eine Einsetzungsfeier, ein Segensgebet, ein Leitvers, kann ein angemessener Ausdruck einer anerkennenden und wertschätzenden Kultur sein. Ähnliche öffentliche Beauftragungen finden wir ja schon im AT, zum Beispiel bei der Einsetzung von Josua durch Mose (4 Mo 27,19). Als Bild könnte dabei zum Beispiel als Zeichen des Vertrauens ein Schlüssel übergeben werden.

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6. SCHLUSSGEDANKEN 6.1 Ausblick An das Ende meiner Arbeit möchte ich einen Werbeslogan der Sportartikelfirma Nike stellen: JUST DO IT! Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (2013) drückt diese Aufforderung ähnlich aus, indem sie dazu ermuntert, gute Ideen schneller umzusetzen: „Der Weg von der Forschung in den Markt muss kürzer und schneller werden.“ Ich war überrascht von vielen Parallelen in den vier untersuchten Rekrutierungsmodellen. Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt: Was hindert uns in den Gemeinden daran, diese Erkenntnisse umzusetzen? Ende der 80er Jahre erschien auffällig viel Literatur zum Thema „gabenorientierte Mitarbeit“ mit verschiedenen Gabentests. Dieser Hype scheint vorbei zu sein. Noch heute stammt die wesentliche Literatur im christlichen Umfeld aus dieser Zeit. Doch warum hat sich Gabenorientierung nicht als wichtiger Wert in vielen Gemeinden gefestigt? Es wäre spannend, hier weiter zu forschen und Wege zur konsequenten Umsetzung zu finden. Wie erforsche und beschreibe ich am besten das Potenzial eines möglichen Mitarbeiters? Hier gehen die untersuchten Modelle sehr unterschiedliche Wege. Sicherlich wäre es wertvoll, die einzelnen Ansätze weiter zu untersuchen, um eine möglichst treffende Vorgehensweise zu finden, die auch praktisch einfach umsetzbar ist, ganz nach dem Leitsatz: „Entweder geht es einfach, oder es geht einfach nicht!“ (Anonym). Überrascht hat mich der hohe Anspruch an die Qualität der Mitarbeiter, wie sie von Knoblauch&Kurz im säkularen Bereich, aber auch von Bill Hybels im gemeindlichen Umfeld gefordert wird. Sicherlich muss man hier noch zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen differenzieren – jedoch scheint gute Qualität eine Bestätigung für die Glaubwürdigkeit zu sein. Fredmund Malik (zitiert in Knoblauch&Kuttler 2016:142) überrascht mit seiner Sicht des Managements in der Kirche und motiviert damit, gute Qualität als Wert zu schätzen: Mit richtigem und gutem Management wird es der Kirche, das heißt den Theologen, gelingen, die Basis zu erreichen. Dies wird der Kirche und ihren Anliegen die ihr gebührende Anerkennung bringen – von ihren Mitgliedern ebenso wie von der Gesamtgesellschaft. Dadurch wiederum stärkt die Kirche ihre Reputation und erhöht ihre Bindungskraft.

Als grosse Chance sehe ich die Tatsache, dass sich ehrenamtliche Mitarbeiter oft aus einer starken intrinsischen Motivation für die Anliegen der Gemeinde einsetzen. Knoblauch&Kurz (2009:132) bestätigen durch die Erfahrung mit hochbezahlten A-Mitarbeitern: „Es sind die immateriellen Leistungsanreize, die Mitarbeiter binden.“ Gerade diese Tatsache ist eine grosse Chance für das Ehrenamt in der Gemeinde. Hier können Mitarbeiter Teil des grossen Auftrags Jesu sein. Sie sind konkret daran beteiligt, Gottes Reich aktiv zu bauen. Sie arbeiten unentgeltlich, aber nicht umsonst! Daher sollten wir gar nicht erst auf die Idee kommen, mit einer geringen Bezahlung ehrenamtliches Engagement zu fördern. Dadurch stünden wir nur in der Gefahr „... aus einem unentgeltlichen Engagement, das er freiwillig macht, eine schlecht bezahlte Arbeit“ zu machen (Wallraff 2010:174). © IGW International

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6.2 Persönlicher Gewinn Für mich war es ein Vorrecht, mich intensiv mit Erfahrungen professioneller Personalverantwortlicher auseinandersetzen zu können. Bisher war mein Vorgehen eher aus dem Bauch heraus geleitet. Dabei war ich von der Offenheit der Autoren überrascht, sich in die Karten schauen zu lassen. Greenpeace stellte mir auf Anfrage innert Stunden ausführliche interne Dokumente zur Verfügung und Prof. Dr. Jörg Knoblauch nahm sich Zeit für ein Telefoninterview und versorgte mich anschliessend mit damals noch unveröffentlichtem Material aus seinem neuen Buch. Besonders wichtig wurde mir die zentrale Bedeutung des Pastors als Trainer und Ausbilder im Jüngerschaftsprozess. Da ich selbst als Pastor in einer Gemeinde arbeite, habe ich durch diese Abschlussarbeit eine grosse und wichtige Aufgabe für die Zukunft erkannt. Mir wurde neu bewusst, wie verführerisch es ist, eine offene Stelle möglichst schnell mit Irgendjemandem zu besetzen, um gleich zur nächsten Aufgabe weitereilen zu können. Unsere Geschwister sind zu wertvoll, als dass wir sie für eine kurzfristige Lösung gemeindlicher Aufgaben missbrauchen dürften. So wie wir uns selbst Sinn und Erfüllung in unserer Arbeit wünschen, so sollten wir sie auch unseren Geschwistern im ehrenamtlichen Bereich gönnen. Nach einer langen Ausbildungszeit freue ich mich darauf, vieles von dem Erlernten in der Praxis umzusetzen, also: JUST DO IT!

6.3 Danksagung Dass ich nun im Alter von 53 Jahren meine Ausbildung abschliessen werde, ist schon etwas Spezielles. Daher möchte ich als allererstes meiner lieben Frau Renate von Herzen für 32 Jahre andauernde Begleitung meiner Ausbildung danken, in der sie mir mit viel Geduld, Mut, Bereitschaft zu Kompromissen und Verzicht den Rücken gestärkt hat. Mit mir, als damals jungem Greenhorn in eine neue Missionsarbeit zu starten, war wirklich ein äusserst mutiger Schritt. Schön, dass ich jetzt mit ihr noch eine anständige Ausbildung abschliessen kann. Danken möchte ich meinen beiden Töchtern, Ellen und Iris, die diese Kapriolen mitgemacht haben und jetzt begeistert als ehrenamtliche Mitarbeiter in einer dynamisch wachsenden Gemeinde am Start sind. Mein Dank gilt meinen Eltern und meinen, leider bereits verstorbenen, Schwiegereltern, die uns immer im Gebet und oft sehr praktisch unterstützten, unsere von Gott gegebene Berufung zu erfüllen. Besonders danken möchte ich den zahllosen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihre Begabung für unsere Berufung mit Gospel News und vme-musik investierten. Namentlich erwähnen möchte ich Leni Silber, die für mich ein Paradebeispiel für „die richtige Person am richtigen Platz“ war. Als unterforderte Rentnerin setzte sie sich mit all ihrem Wissen und Herzblut ehrenamtlich für unsere Arbeit ein. Sie selbst hatte Spass an der Arbeit, ihr Mann genoss den Freiraum und ich profitierte von einer kompetenten und engagierten Person, die spezielle Herausforderungen mit Hingabe vorbildlich meisterte. Dabei wurde jeder zum Gewinner. Vielen Dank an Pastor Uwe Mackfeld, der mir so manche Prüfung abnahm und mich fachlich und persönlich im Studienalltag unterstützte sowie an meinen Fachmentor Christian Haslebacher und meine Korrektoren Albin Brühwiler, Barbara Schori und (noch einmal) Renate.

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