DIE K I R C H E N DER WELT [

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BAND I

Herausgeber Dr. H A N S H E I N R I C H D. F E R D I N A N D

HARMS SIGG

Dr. H A N S - H E I N R I C H

WOLF

DIE O R T H O D O X E K I R C H E IN GRIECHISCHER

SICHT

1. T E I L

Herausgegeben von PANAGIOTIS

BRATSIOTIS

Professor der Theologie an der Universität Athen

e r EVANGELISCHES

VERLAGSWERK

STUTTGART

Erschienen 1959 im Evangelischen Verlagswerk G m b H , S t u t t g a r t © Alle Rechte, einschließlich dem der Obersetzung, vorbehalten Gesamtherstellung: Union Druckerei G m b H S t u t t g a r t

INHALT

V O R W O R T DES V E R L A G S

7

V O R W O R T DES H E R A U S G E B E R S

n

Prof. Dr. Johannes N. Karmins ABRISS DER D O G M A T I S C H E N LEHRE DER ORTHODOXEN KATHOLISCHEN KIRCHE

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Prolegomena

15

I. Einfache Theologie

28

1. Über den Einen und Dreieinigen Gott 2. Die Welt 3. Der Mensch

28 35 4°

II. Die Theologie der göttlichen Ökonomie

53

1. Die Person Jesu Christi 2. Das 3. Die 4. Die 5. Die

56

Erlösungswerk des Erretters Kirche Sakramente letzten Dinge

62 85 101 112

Prof. Dr. Vasilios Vellas DIE HEILIGE S C H R I F T IN D E R ORTHODOXEN KIRCHE

GRIECHISCH121

Prof. Dr. Basil Stephanidis G R U N D Z Ü G E DER GESCHICHTE DER ORTHODOXEN KIRCHE

141

Prof. Dr. Panagiotis Trembelas DER ORTHODOXE CHRISTLICHE GOTTESDIENST 1 . Allgemeine Charakteristik 2. Eingehendere Charakteristik

. . . . 157 157 !59

Inhalt

6

Archimandrit Dr. Hieronymos Kotsonis VERFASSUNG UND AUFBAU DER ORTHODOXEN KIRCHE

169

Dr. thcol. Andreas Theodorou DIE M Y S T I K IN DER O R T H O D O X E N O S T K I R C H E

175

Vorwort

175

I. D i e M y s t i k i m N e u e n Testament II. D i e M y s t i k i m Neuplatonismus III. D i e M y s t i k der griechischen Kirchenväter 1. a) Die Anthropologie der Väter als Basis ihrer Mystik

177 184 186 186

b) Die Transzendenz des göttlichen Wesens und deren Bedeutung für die Mystik der Väter 188 c) Die Vergottung des Menschen in Christo als die soteriologische Basis der Mystik der griechischen Kirchenväter 188 d) Der heilige Geist im mystischen Leben der Kirche 2. Der mystische Aufstieg des Menschen zu Gott

191 194

V O R W O R T DES VERLAGS

D

ie Segnungen und Verwirrungen der Neuzeit haben für die Christen in aller Welt die Möglichkeiten vervielfacht, einander zu begegnen. Sie haben aber auch - und das ist entscheidender - die ganze Christenheit im Geistigen enger aneinandergerückt. Darum empfinden wir heute stärker als frühere Zeiten die Zerrissenheit des christlichen Glaubens in der Welt in eine Vielzahl von Konfessionen als Mangel und Gefahr. Und wir hoffen intensiver auf Verständigung zwischen den Teilen der Christenheit. Solcher Verständigung soll dieses Buch gelten, in diesem Geisr. ist es geschrieben! Orthodoxe Theologen wollen uns ihre Kirche verständlich machen. Schon diese Absicht ist ungeachtet aller kirchlichen und theologischen Verschiedenheiten ein unsere Kirchen verbindendes Moment. Jahrhundertelang haben Orthodoxie und Protestantismus - von Außenseitern beider Kirchen abgesehen - aneinander vorbeigelebt. Heute ist das Interesse füreinander, das Bemühen um Verständigung erwacht. Daß dies nicht nur bei uns, sondern auch auf orthodoxer Seite so ist, dafür zeugt dieses Buch. Bei dieser Aktualität des ganzen Buches nimmt es wunder, daß große Teile der hier vorgelegten Aufsätze dem ersten Anscheine nach allgemeingehaltene, zeitlose Darlegungen der entsprechenden Fachgebiete sind, teils in historischer, teils in systematischer Form dargeboten; und es erstaunt, daß eine Anzahl von Fragen erörtert wird, die für unser theologisches Denken längst der Vergangenheit angehören. Wer jedoch die heutige Theologie innerhalb der orthodoxen Kirche Griechenlands kennenlernen will, darf diese Teile des Buches nicht mit geringerer Aufmerksamkeit lesen als die anderen: sie gehören offenbar notwendig zum Selbstverständnis eben dieser heutigen Theologie mit dazu. So hat zum Beispiel der Rückgriff auf die Geschichte der Kirche, besonders auf die Geschichte der Alten Kirche hier eine andere Bedeutung als etwa die Iiistorischen Einleitungen, die man bei uns der wissenschaftlichen Erörterung aktueller Fragen gerne in knapper Form voranstellt. Nach

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

Anschauung der Verfasser unserer Aufsätze sind viele Fragen, die bei uns nur mehr historische Bedeutung haben, für die orthodoxe Kirche auch in der Gegenwart noch ungetrübt lebendig. Das muß man sich besonders bei den dogmatischen Ausführungen stets vor Augen halten. In ähnlicher Weise hat es grundsätzliche Bedeutung, wenn die meisten Verfasser in ihren Aufsätzen einen systematischen Überblick über ihr Fachgebiet geben und aktuelle Problemstellungen und Anregungen nur kurz berühren. Der orthodoxe Theologe sieht eben die eine Frage, die sich in einer bestimmten Zeit mit besonderem Nachdruck stellt - für uiis oft der Schlüssel zum Verständnis eines ganzen Sachgebiets - , niemals losgelöst von dem besonderen Ort, den diese Frage in dem überlieferten Gesamtsystem der Theologie einnimmt. Theologie zu treiben ist für den Orthodoxen im Ganzen eine ebenso fest geordnete Tätigkeit wie die Ikonenmalerei. Damit hängt zusammen, daß man polemische oder kritische Abgrenzungen der einzelnen Theologen gegeneinander in der heutigen Literatur der orthodoxen Theologie nur selten findet, besonders selten natürlich in einem Werk, das bestimmt ist, die orthodoxe Theologie nach außen hin bekannt zu machen. Trotzdem gibt es lebendiges theologisches Nachdenken. Nur kommt ein Gedanke, auf den ein Theologe vielleicht besonderen Nachdruck legen möchte, oft nur in der Nuancierung eines Begriffs oder einer Benennung zum Ausdruck. Oder er schlägt sich nieder in einer Anmerkung. Wenn zum Beispiel Prof. Joh. N. Karmiris nicht w i e die anderen Theologen v o n der ‫״‬Griech. O r t h o d o x e n K i r c h e " b z w . v o n der ‫ ״‬O r t h o d o x e n Ostkirche" spricht, sondern die Bezeichnung

‫״‬Orthodoxe Katholische Kirche" wählt, so zeigt sich darin eine sehr bestimmte Vorstellung davon, was Orthodoxe Kirche ist (alle drei Bezeichnungen meinen die ganze Orth. Kirche, im engeren Sinne ist von der ‫ ״‬O r t h . K i r c h e Griechenlands" die Rede). Andrerseits darf m a n nicht annehmen, der orthodoxe Theologe fühle

sich durch die Lehre seiner Kirche in enge Schranken gewiesen, die ihn hinderten, seine eigene Meinung offen auszusprechen. Professor Pan. Bratsiotis sagt einmal, ein Grundprinzip der orthodoxen Kirche sei die ‫״‬ausgeglichene Verbindung von Autorität und Freiheit". Dasselbe gilt für die Theologie. Der orthodoxe Theologe wird nie einen Gegensatz wahrnehmen zwischen der Lehre der Kirche und seinem eigenen Nachdenken, wie auch immer das Verhältnis zwischen beiden bestimmt sein mag. Es ist 1 herbei interessant zu wissen, daß sich die orthodoxe Theologie vielleicht schon länger, als wir ahnen - in einer einseitig und im Stillen geführten Diskussion mit den theologischen Strömungen West- und

Vorwort des Verlags

9

Mitteleuropas befindet. Manche Aussage dieses Buches nimmt indirekt Bezug auf Urteile, die früher oder noch heute vom Westen über die orthodoxe Kirche gefällt wurden oder werden, manche Abgrenzung eines Begriffs ist von den Äußerungen eines unserer Theologen negativ oder positiv mitbestimmt worden. Die meisten der heutigen Theologieprofessoren der Griechischen Universitäten haben sich nach Abschluß ihres eigenen Studiums kürzere oder längere Zeit an einer der Universitäten des ‫״‬Westens" - i n England, A m e r i k a u n d v o r allem Deutschland - aufgehalten. Eine Tatsache, die weder u n t e r - n o c h überschätzt w e r -

den darf. So muß man bei der Lektüre dieses Buches in besondererWeise auf Nuancierungen achtgeben, auf stärkere oder schwächere Betonung einer bestimmten Aussage, auf die Grenze zwischen dem, was gesagt wird und dem, was nicht zur Sprache kommt. Dann gibt dieses Buch sowohl dem westlichen Beobachter, dem die orthodoxe Kirche bisher eine unbekannte und unverständliche Größe war, wie auch dem, der sie schon kennt, Einblick in die heutige theologische Situation des griechischen Teils der orthodoxen Kirche, und es gewährt darüber hinaus manchen Ausblick auf orthodoxes theologisches Denken im Ganzen, ja auf die „Orthodoxie" überhaupt. Die Fülle des Materials hat es nicht zugelassen, alle Beiträge in einem Band zu veröffentlichen. Während der vorliegende Band vor allem Beiträge über systematische Fragen enthält, folgen in einem weiteren Band Beiträge über die Gestalt und Arbeitsweise der Orthodoxen Kirche Griechenlands, nämlich: Archimandrit Dr. Hieronymus Kotsonis, Die griechische Theologie; Dr. Panagiotis Poulitsas, Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Griechenland; Prof. Panagiotis Bratsiotis, Die geistigen Strömungen und die religiösen Bewegungen in der Orthodoxen Kirche Griechenlands; Dr. theol. Andreas Theodorou, Das Mönchtum der Orthodoxen Ostkirche; Archimandrit Dr. Hieronymus Kotsonis, Die Stellung der Laien innerhalb des kirchlichen Organismus; Prof. Dr. Vasilios Ch. Joannidis, Die Beziehungen der Orthodoxen Ostkirche zu den andersgläubigen Kirchen und ihre Stellung innerhalb der ökumenischen Bewegung; Prof. Dr. Nikolaus Louvaris, Kirche und Welt; Dionysios Psarianos, Metropolit von Kozani und Servia, Die byzantinische Musik in der Griechisch-Orthodoxen Kirche; Prof. Dr. Georg A. Sotiriou, Die Kunst in der Griechisch-Orthodoxen Kirche. Der Verlag ist dem deutschen Pfarrer in Athen, Herrn Gerhard Möckel, zu großem Dank verpflichtet, weil er die Übersetzung der griechischen Beiträge organisiert und überwacht hat. Unter den Übersetzern danken wir besonders Herrn Repetent Helmut Lang für vielfache Hilfe und Anregungen.

V O R W O R T DES H E R A U S G E B E R S

B

is zum Beginn des 20. Jahrhunderts war die orthodoxe Kirche der westlichen Welt fast unbekannt. Nicht nur das: sie war derUngnade des Westens ausgesetzt, nicht nur des römisch-katholischen, sondern auch des protestantischen, der von der römisch-katholischen Kirche- trotz gescheiterter Versuche zu näherer Bekanntschaft schon im 16. Jahrhundert - eine Voreingenommenheit gegenüber der orthodoxen Kirche sozusagen geerbt hatte. Manches Beispiel dieser Unkenntnis und Voreingenommenheit in Dingen der orthodoxen Kirche und insbesondere auch der griechischen Kirche, spiegelt sich in den ungünstigen und ungerechten Urteilen so mancher römisch-katholischer Theologen, u. a. Bischof Boromelli von Cremona, K. Lübeck, J. Steifes, aber auch protestantischer Theologen, A. v. Harnack an der Spitze1). Manche dieser Urteile haben inzwischen fast allgemeine Mißbilligung sowohl in der römisch-katholischen wie in der protestantischen Welt gefunden,wie dies besonders aus den Schriften des protestantischen Theologen F. Heiler2) und des römischkatholischenTheologen G. Wunderle3) zu ersehen ist. Aber auch schon im vorigen Jahrhundert hat es im Westen an gerechteren Urteilen über die orthodoxe Kirche nicht ganz gefehlt, Urteile, denen eine bessere Kenntnis zugrunde lag. Als ein Beispiel sei die ‫״‬Symbolik der griechischen Kirche" v o n W . Gass (1872) genannt. Eine wesentliche Verbesserung der Lage i n dieser Hinsicht läßt sich aber

doch erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts feststellen, die - wie schon gesagt - einer tieferen Kenntnis der Geschichte und ihrer Quellen zu verdanken ist, zu der Folgendes beigetragen hat: 1. Die Versuche älterer orthodoxer Theologen, die Geschichte und andere x

) Siehe besonders seine Dogmengeschichte II, 4, 438ff.; ‫״‬Das Wesen des Christentums" und ‫״‬Der Geist der morgenländischen Kirche im Unterschied von der abendländischen" (S. B. der Pr. Ak. W . 1913, S. 1 5 7 f f ) . 2 ) Siehe besonders ‫״‬Urkirche und Ostkirche", München 1937. s ) Siehe besonders ‫״‬Über die religiöse Bedeutung der ostkirchlichen Studien", Würzburg 1939, S. 1 1 ff.

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

Schätze der Orthodoxie durch Veröffentlichungen, Übersetzungen orthodoxer liturgischer Bücher oder anderer spezieller Arbeiten bekanntzumachen. 2. Die aufblühende Erforschung der griechischen Väter innerhalb der westlichen Kirchen und damit das wachsende Interesse ihrer Theologen an der Erforschung auch des Lebens, des Glaubens und des Kultus der alten und der orthodoxen Kirche. (Auf protestantischer Seite z. B. K. Holl, F. Heiler, H. Koch u. a. Auf römisch-katholischer Seite Prinz Max von Sachsen, A. Baumstark, S. Salaville, M. Jugie, G. Hofmann u. a.) 3. Der von den letzten Päpsten und besonders von Pius XI. in ihrer Kirche gegebene kräftige Anstoß zur verständnisvollen Bekanntschaft mit den orientalischen und besonders mit der orthodoxen Kirche. Die Folgen dieses Anstoßes waren u. a. die Gründung des Orientalischen Instituts und der ‫״‬Orientalia Christiana" i n R o m , die Zeitschrift ‫ ״‬I r e n i k o n " i n Belgien, die v o n Prof. W u n d e r l e gegründete Reihe v o n Abhandlungen

zum Studium der Ostkirche, die Veröffentlichung von Übersetzungen der liturgischen Bücher der orthodoxen Kirche und zahlreiche Abhandlungen über diese Kirche. 4. Am meisten hat dann zu direkter und näherer Bekanntschaft der westlichen Welt mit der orthodoxen Kirche, besonders der protestantischen Welt, die ökumenischeBewegung beigetragen, die zu mancherlei näherem Kontakt geführt hat. Die Kenntnis nahm immer mehr zu, verbreitete Irrtümer wurden zerstreut und Schätze dogmatischer, liturgischer und kirchenrechtlicher Überlieferung der orthodoxen Kirche entdeckt. Arbeiten russischer Theologen im Exil in Westeuropa haben hauptsächlich dazu beigetragen, außerdem Schriften des Bulgaren St. Zankow. Nicht wenig zur Verbreitung des orthodoxen theologischen Gedankens (wenn auch manchmal mißverstanden) haben auch die Arbeiten der im westlichen Exil wirkenden russischen Philosophen, besonders N. Berdjajew geholfen. Da es sich aber hauptsächlich um Russen handelt, die sich dieserAufgabe unterzogen,versteht es sich von selbst, daß das entstandene Bild der orthodoxen Kirche russischer Fassung und Auffassung war. Das hat auch Anlaß zu Mißverständnissen gegeben und zu der Meinung, gerade diese Fassung verkörpere das östliche Frömmigkeitsideal am reinsten und innigsten1). Es wurde dadurch auch schon vor dem zweiten Weltkrieg die Notwendigkeit spürbar, einmal auch die echte griechische orthodoxe Tradition zu Worte kommen zu lassen, was z.B.in der lobenswerten Arbeit !) F. Heiler, ‫״‬Urkirche und Ostkirche", S. 546

Vorwort des Herausgebers

13

des amerikanischen (episcopalian) Theologen F. Gavin ,,Some Aspects of contemporary Greek Orthodox Thought" (London 1923) geschah. Aufs Große gesehen blieb es aber doch bei der Unkenntnis gerade dieser Kirche und ihrer theologischen und kirchlichen Bewegungen, so daß die heterodoxeWelt ein ganz mangelhaftes und einseitiges Bild vor sich hatte. Immer dringlicher wurde es also von dieser Kirche Kenntnis zu geben und zwar aus folgenden Gründen: 1. Es ist selbstverständlich, daß gerade die griechische Kirche als der direkte Erbe der Orthodoxie, zu deren Prägung, menschlich gesprochen, der griechische Geist sowohl in der alten als auch in der byzantinischen Zeit so viel beigetragen hat, der Schatzmeister kat' exoehen der orthodoxen Tradition ist. Dieses gilt auch, trotz oder sogar wegen der vielen Peripetien, die es in der Geschichte der griechischen Kirche gegeben hat. 2. Die neugriechische Kirche, welche allein das Privileg hat, in ihrem Kultus die griechische Bibel in ihrer Originalsprache und ebenso die griechische Liturgie und Hymnologie und in der Wissenschaft die Quellen der ältesten griechischen Theologen zu gebrauchen, weist anerkanntermaßen eine orthodoxe theologische Bewegung auf, die Athen zu einem Zentrum orthodoxer theologischer Studien erhob,von wo aus eine beachtenswerte Strahlung auch weit über die Grenzender orthodoxen Welt hinausging. So erklärt es sich, daß an der theologischen Fakultät von Athen Studenten aus allen orthodoxen Ländern (ausgenommen Rußland) zusammenkommen und daß in Athen der 1. Panorthodoxe theologische Kongreß unter der Leitung von Prof. H. Alivisatos im Jahre 1936 stattfand1). 3. Die autokephale Kirche Griechenlands entwickelt seit vielen Jahren eine beachtliche evangelistische, biblische, liturgische und nicht zuletzt auch soziale Bewegung, die zwar schon vor dem ersten Weltkrieg über die Grenzen Griechenlands hinaus in gewisser Weise bekannt war, aber bis zum heutigen Tage noch nicht bekannt genug ist. Ein sehr ernster Versuch, die griechische Sicht der orthodoxen Kirche bekanntzumachen, war das lobenswerte Unternehmen von Prof. F. Siegmund-Schultze i m B a n d X der ‫״‬Ekklesia", einer Sammlung v o n Selbstdarstellungen der verschiedenen christlichen K i r c h e n (Leopold K l o t z Verlag, Leipzig 1939, 45. Lieferung des Gesamtwerkes). I n diesem B a n d w u r d e v o n sechs bekannten griechischen Theologen unter d e m Obertitel „ D i e orthodoxe Kirche auf d e m Balkan u n d i n Vorderasien" J Proès Verbaux du I Congrès de Theologie Orthodoxe à Athènes, 29/11-6/12 1936. Athènes Pyrsos 1939. Es sei hinzugefügt, daß heutzutage an der Athener Fakultät nicht nur Serben, sondern auch Studenten aus dem Libanon, Syrien, Äthiopien und sogar aus Uganda und Korea studieren. 1

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

nach einer Einleitung des Herausgebers Geschichte, Leben, Kultus, Mönchtum der orthodoxen Kirche behandelt und die Beziehungen dieser Kirche zu anderen Kirchen herausgestellt. Aber dadurch ist das Bedürfnis nach einer nicht nur etwas vollständigeren, sondern vor allem auch den heurigen theologischen und kirchlichen Verhältnissen mehr angepaßten Darstellung der griechischen Orthodoxie nicht befriedigt. Den Bemühungen, diesen Mangel zu beheben, kam sehr bereitwillig das Ev.Verlagswerk in Stuttgart entgegen, das inmitten der Kirche arbeitet, in der das Andenken an den denkwürdigen Austausch der Reformatoren und des ökumenischen Patriarchats im XVI. Jahrhundert immer lebendig gebheben ist. Für dieses Entgegenkommen fühlt sich die heutige neugriechische Theologie der Leitung des Ev. Verlagswerkes Stuttgart zu großem Dank verpflichtet. Was den Herausgeber persönlich anbelangt, so hat er - dem Wunsch des Ev. Verlagswerkes nachkommend - die Sorge der Herausgabe des griechisch-orthodoxen Bandes gerne übernommen und freut sich, die Mitarbeit verdienter griechischer Theologen dazu gewonnen zu haben. Wir alle erheben nicht den Anspruch, ein lückenloses Bild der orthodoxen Kirche Griechenlands zu geben. Nur in großen Linien kann dieses Bild hier gezeichnet werden. Inwiefern dann unser Unternehmen den Erwartungen der heterodoxen Leser entspricht, werden sie selbst zu beurteilen haben. Der Herausgeber hofft jedoch, daß trotz mancher Unvollkommenheit dieser Versuch dazu beitragen wird, die bessere Kenntnis der Orthodoxie, wie auch im besonderen der Kirche Griechenlands, zu fördern und zu weiteren, vollkommeneren Versuchen Anlaß zu geben. Athen, im Juni 1958

P A N A G I O T I S BRATSIOTIS

PROF. DR. JOHANNES N. KARMIRIS

ABRISS DER D O G M A T I S C H E N LEHRE DER O R T H O D O X E N KATHOLISCHEN KIRCHE

PROLEGOMENA Bedeutung und Quellen der orthodoxen Dogmen

ie dogmatische Lehre der Orthodoxen Katholischen Kirche ist mit der der alten, einigen und ungeteilten Kirche identisch und blieb durch alle Jahrhunderte hindurch unversehrt und unverfälscht in der Orthodoxie erhalten1). Selbstverständlich unterzog die Orthodoxe Katholische Kirche die nach der Kirchentrennung des elften und sechzehnten Jahrhunderts erfolgten dogmatischen Entwicklungen im Römischen Katholizismus und im Protestantismus jeweils einer kritischen Betrachtung. Sie erarbeitete und entwickelte in negativer oder positiver Weise zu jener Entwicklung ihre eigenen orthodoxen Dogmen, soweit ihr das die bekannten historischen Ereignisse und Verfolgungen erlaubten. Ihr unbeugsames Festhalten an dem altüberlieferten dogmatischen Glauben erklärt sich aus der unbezweifelbaren Tatsache, daß die Orthodoxe Katholische Kirche die Fortsetzung der Alten Kirche ist, genauer gesagt, sie ist mit ihr eins und identisch. Die Alte Kirche ihrerseits ist von dem menschgewordenen Logos Gottes gegründet, von den heiligen Aposteln in der Welt befestigt und ausgebreitet, durch die Sieben Ökumenischen und die Lokalen Synoden und durch die großen Väter organisiert und mit Ruhm umgeben worden. Darum verkündet die Orthodoxe Kirche mit Recht, daß sie ‫״‬die dogmatische Lehre der Apostel bis zur Gegenwart unbeschadet bewahrt hat", u n d ebenso die der alten Väter, besonders der

nicaenischen, ‫״‬deren Glaubensbekenntnis sie als väterliches Erbe unverletzt bewahrt" 2 ). Darum werden wir im folgenden bemüht sein, sie vorzugsweise auf hinreichende Belege aus den Schriften der alten Kirchenväter zu basieren. ‫־‬ ) Theodoret v. Cyrus, Epist. 89. M . P. G. 83 col. 1284. Heute w i r d auch von Heterodoxen bekannt, daß ‫״‬the Orthodox Faith, that faith to which the Orthodox Fathers bear witness and of which the Orthodox Church is the abiding custodian, is the Christian Faith in its true and essential form, to which we all

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

Von da aus hat die orthodoxe dogmatische Lehre als Quelle und Grundlage die göttliche Offenbarung, welche in der Heiligen Schrift und der heiligen Überlieferung enthalten ist, im besonderen aber durch die Sieben Ökumenischen Synoden und die durch sie bestätigten Lokalen formuliert wurde. Im einzelnen jedoch wird die Lehre durch den gemeinsamen Glauben und das Bewußtsein der Kirche getragen und durch dieses den Ordiodoxen zu allen Zeiten unaufhörlich weitergegeben. Sie ist in den verschiedenen dogmatisch-symbolischen Texten und in den Schriften der heiligen Väter enthalten. Deshalb werden auch die die Lehre konstituierenden orthodoxen Dogmen als von Gott her geoffenbarte Wahrheiten bezeichnet - und darum haben sie auch göttliche, absolute, ewige und für alle Gläubigen verpflichtende Gültigkeit. Diese Wahrheiten, in der heiligen Schrift enthalten und mehr oder weniger theologisch in der heiligen Überlieferung entfaltet, wurden von alters her von der Kirche geglaubt. Teils wurden sie von ihr synodal festgelegt und formuliert, teils aber in der Praxis ohne Unterlaß gelehrt und vom allgemeinen Bewußtsein des Pleroma (des Kirchenvolkes) anerkannt. Daher können die der heiligen Schrift und der heiligen Überlieferung entspringenden orthodoxen Dogmen als Kristallisation und Ausdruck des gemeinsamen Glaubens und des katholischen Bewußtseins der Gesamtheit (Pleroma) oder des Leibes der Kirche aller Jahrhunderte, das heißt, des Klerus und Laienvolkes charakterisiert werden. Die Gesamtheit wird in der Orthodoxie als der Träger und Wächter des dogmatischen Glaubens betrachtet1), wobei sie die Ökumenische Synode gleichsam als Organ und Mund und Stimme der Kirche benützt zur authentischen, feierlichen und unfehlbaren Formulierung des gemeinsamen Glaubens des kirchlichen Pleroma durch die Inspiration des Heiligen Geistes. Aus dem Gesagten folgt, daß die orthodoxen Dogmen einerseits im breiten und wirklichen Sinn des Wortes alle von Gott geoffenbarten theoretischen Glaubenswahrheiten sind. Sie werden von der Heiligen Schrift und der heiligen Überlieferung gelehrt un4 von alters her von der lehrenden Kirche verkündet und seitens des kirchlichen Pieromas geglaubt und gelebt. Andererseits aber sind es, im engen und speziellen theologischen Sinne, die von der heiligen Schrift und der heiligen Überlieferung aspire and by which we are all judged", wobei man zum ökumenischen Problem ernst Stellung nimmt „as the problem of bringing back the West to a sound mind and a healthy life, and that means Orthodoxy". (H. A. Hodges, Anglicanism and Orthodoxy. A study in dialectical Churchmanship, London 1955, S. 46/47.) 1 ) Siehe die diesbezügliche Lehre der orthodoxen Patriarchen des Ostens bei Joh. Karmiris, Die dogmatischen und symbolischen Dokumente der Orthodoxen Katholischen Kirche, (griech.) Athen 1953, Bd. II, S. 920.

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche

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gelehrten Wahrheiten, welche auf den sieben Ökumenischen Synoden offiziell und feierlich festgelegt und formuliert wurden. Es versteht sich von selbst, daß diese wie jene Wahrheiten für alle Gläubigen in gleicher Weise verpflichtend sind, da sie für ihr Heil absolut notwendig sind. Demzufolge ist die Formulierung durch die Ökumenischen Synoden nicht ein wesentlicher Charakter oder ein wichtiges und unerläßliches Kennzeichen derselben, sondern etwas Äußeres, aus Geschichte und Zufall Entstandenes. Vieles kann also, wenn die Umstände es verlangen, voll ergänzt werden aus der dogmatischen Lehre der heiligen Schrift und der hedigen Überlieferung, diesen zwei orthodoxen Glaubensquellen. Dies ist das erste, wesentliche und unerläßliche Merkmal eines jeden orthodoxen Dogmas. Vor allem für die älteste Epoche, die ersten drei Jahrhunderte, die vor Einsetzung der Ökumenischen Synoden hegen, trifft dies absolut zu. Während dieser Zeit wurden zweifellos alle geoffenbarten Glaubenswahrheiten als Dogmen bezeichnet, auch die, die sich auf das trinitarische und christologische Dogma beziehen. Sie galten also als solche bereits vor ihrer offiziellen Formulierung auf den Ökumenischen Synoden. Dies wird zum Beispiel durch den hl. Ignatius von Antiochien bestätigt, wenn er die Magnesier crmahnt: ‫״‬Befleißigt euch festzustehen in den Dogmen des Herrn und der Apostel" 1 ), und ebenso durch Origenes, w e n n er über ‫״‬die heilbringenden D o g m e n " 2 ) des Christentums spricht u n d erläutert: ‫״‬secundum dogma nostrum, i d est secundum

Ecclesiae fidem" 3 ). Ferner bestätigt dies auch die hernach folgende Epoche: Die alten Ökumenischen Synoden wurden ungefähr drei Jahrhunderte, nachdem die geoffenbarten und verkündeten Dogmen ihren Anfang genommen hatten, einberufen; aber zur Formulierung der Dogmen gaben vollkommen äußerliche Motive und zufällige Ereignisse Anlaß. Weiter schloß sich bis zu dem achten Jahrhundert die dogmatische Definierung durch die Ökumenischen Synoden an; aber sie umfaßte nur das trinitarische und das christologische Dogma und die aus ihnen sich ergebenden Wahrheiten. Daraus wird nur zu leicht verständlich, daß die Kirche sich nicht mit den wenigen später von den Sieben Ökumenischen Synoden formulierten dogmatischen Wahrheiten begnügen konnte, sondern daß auch alle anderen theoretischen Glaubenswahrheiten, welche von der heiligen Schrift und der heiligen Überlieferung gelehrt und von alters her den Gläubigen seitens der Kirche zur Annahme vorgelegt wurden, stets als Dogmen unwiderlegbar inkraft waren. Hierher gehören Ignatius v. Antiochien, Magn. 13, 1. M . P. G. 5, col. 672. ) Origenes, De principüs IV, 1 , 1 . 2. Vgl. contr. Cels. III, 76. M . P. G. 1 1 , col. 344, 1020. 3 ) Origenes, De princ. I, 7, 1. Vgl. contr. Cels. II, 4. M . P. G. 1 1 , col. 1 7 1 , 180. 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

die Lehre von der Kirche, den Sakramenten, der göttlichen Gnade, der Rechtfertigung usw. Diese gelten bis heute als Dogmen, auch wenn sich kein Anlaß ergab, sie auf einer Ökumenischen Synode offiziell zu formulieren; denn die lehrende Orthodoxe Kirche, der Wächtcr und Interpret der göttlichen Offenbarung, formuliert den Glaubensinhalt in zweifacher Weise als Dogmen: einmal durch die dauernd an die Gläubigen gerichtete Verkündigung der göttlichen Wahrheiten, zum andern durch die feierliche synodale Proklamation eines Teiles dieser Wahrheiten. Solange letzteres nicht geschehen kann - in der Orthodoxen Ostkirche fand ja aus verschiedenen historischen, nicht organischen Gründen seit dem achten Jahrhundert keine Ökumenische Synode mehr statt - , gelten also selbstverständlich außer den auf den Synoden formulierten auch alle vom gemeinsamen Glauben und vom katholischen Bewußtsein des kirchlichen Pieromas getragenen, von der unfehlbaren Kirche autoritativ und unaufhörlich zu allen Zeiten gelehrten Heilswahrheiten in ihr als Dogmen - gleichsam in der Praxis stillschweigend zu Dogmen erhöht1). Denn in beiden Fällen interpretiert und bestimmt dieselbe unfehlbare Kirche autoritativ die Dogmen, indem sie von ihrer Unfehlbarkeit Gebrauch macht und von dem ihr innewohnenden Heiligen Geist geleitet wird. Darüber hinaus bewahrt sie jene unversehrt und unverändert und gibt sie ohne neuere Zusätze und unverdorben vom einen orthodoxen Geschlecht zum anderen weiter. Angesichts der hier erwähnten Unfehlbarkeit der Kirche erscheint es erforderlich, von vornherein zu erklären, daß die Kirche unfehlbar ist als ein Ganzes, als Pleroma, das aus allen orthodoxen Gläubigen, Klerikern und Laien, besteht. Als Organ ihrer Unfehlbarkeit gebraucht sie nur die Ökumenische Synode, welche allein das Recht hat, die Dogmen unfehlbar zu 1

J Demzufolge ist jede gegenteilige Ansicht zu verwerfen, welche von Theologen vertreten wird, die das in der Orthodoxie Beibehaltene nicht kennen oder mißverstehen und daher versuchen die orthodoxen Dogmen nur auf das von den alten sieben Ökum. Synoden Angeordnete zu beschränken oder Hauptdogmen und Dogmen zweiten Ranges, wesentliche und unwesentliche, große und kleine, zu unterscheiden; denn alle orthodoxen Dogmen sind als ‫״‬Dogmen Gottes" ohne Unterschied gleichwertig und gleichrangig: ‫״‬Denn in kleinen oder großen Dogmen zu sündigen, das ist dasselbe; durch beides wird das Gesetz Gottes annulliert" (Tarasios v. Konstantinopel, in den Akten der VII. Ök. Syn., bei J . Harduin, Acta Conciliorum IV, 60). Siehe auch die Erklärung der orthodoxen Deputation auf der II. Vollversammlung des Weltkirchenrates in Evanston 1954 in ‫״‬Ekklesia" 31 (1954), 366. Vgl. auch P. Bratsiotis, La signification du dogme dans la Théologie orthodoxe, in: 1054-1954, L'Eglise et les Eglises. Edition de Chevetogne, tom. II (1955), S. 197-206, wo sich auch Zeugnisse anderer orthodoxer Theologen finden.

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche

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formulieren, und deren höchster Leitung und Autorität alle unterstehen. Dabei sind die Patriarchen selbst wie diePäpste und die übrigen Hierarchen mit einbegriffen, wie auch die Apostel alle samt Petrus der Apostolischen Synode unterstanden. Das Ganze also, das Pleroma, oder der Leib der Kirche, gilt in der Orthodoxie als Träger der Unfehlbarkeit, während die Ökumenische Synode als Organ und gleichsam als Mund der Kirche dient. Auf der Ökumenischen Synode wird das kirchliche Pleroma durch seine Bischöfe vertreten, die unter Inspiration des Heiligen Geistes die D o g m e n f e s t l e g e n 1 ) . ‫ ״‬D i e K i r c h e ist danach u n f e h l b a r , n i c h t n u r , w e n n

sie auf Ökumenischen Synoden zusammenkommt, sondern auch unabhängig von den Synoden als Ganzes, so daß aus der Unfehlbarkeit der Kirche als eines Ganzen die Unfehlbarkeit der Ökumenischen Synoden folgt und nicht umgekehrt aus der Unfehlbarkeit der Ökumenischen Synoden die Unfehlbarkeit der Kirche". 2 ) Es ist zu bemerken, daß weder das kirchliche Pleroma, noch seine beiden großen Teile, die Kleriker und die Laien, je für sich allein, noch, was viel schlimmer wäre, eine Person, ein Bischof, Patriarch oder Papst autoritativ dogmatisieren könnten, da dies, wie wir sagten, das alleinige und ausschließliche Recht und Werk der Ökumenischen Synoden und der an ihnen teilnehmenden Bischöfe ist. Diese vertreten das Pleroma und semen Glauben, indem sie verpflichtet sind, getreu und genau diesen gemeinsamen und katholischen Glauben, das Bewußtsein der Kirchc als eines Ganzen, auszudrücken und zu interpretieren, so wie es der heiligen Schrift entspringt und sich im gesamten religiösen und besonders im gottesdienstlichcn Leben des kirchlichen Pleromas und kat' exochen in der schriftlichen dogmatischen Überlieferung der Kirche ausdrückt. Auf diese Weise formulieren die Ökumenischen Synoden in dogmatischen Beschlüssen den von alters her überlieferten orthodoxen Glauben des kirchlichen Pieromas, welches seinerseits nach Empfang des Dogmatisierten diesem die Ökumenizität zuerkennt. So hängt also die Ökumenizität ab von der Übereinstimmung und Einheit des ganzen Leibes der Kirche, die sich in Einmütigkeit und Liebe gründet, v o n d e m ‫״‬consensus Ecclesiae" aller Z e i t e n , w o b e i aber diese A n e r k e n -

nung nur als ein äußerliches Kennzeichen und Zeugnis, als Bezeugung der Unfehlbarkeit des synodal Dogmatisierten zu denken ist. Darin und dadurch halten wir Orthodoxen also fest an dem ‫״‬Quod ubique, quod S e m p e r , q u o d ab o m n i b u s c r e d i t u m est", f o l g e n d der ‫ ״‬u n i v e r s a l i t a s " Folglich trifft die Behauptung W. Nieseis nicht zu, daß nämlich ‫״‬die O r t h o doxe Christenheit kein unfehlbares Lehramt kennt". Siehe ‫״‬Das Evangelium u n d die Kirchen", Neukirchen 1935, S. 105. 2 ) K. D y a ^ J S c ^ k D i e Lehre der Griechisch-Orthodox-Anatolischen Kirche. I n ‫ ״‬E k k A i f e " 10 56. \

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und ‫״‬consensio" aller, und durch sie auch der „antiquitas", u m die W o r t e

Vincenz' von Lerin zu wiederholen1). W i r müssen aber auch bemerken, daß die Entwicklung und Formulierung der Dogmen durch die Ökumenischen Synoden im Sinne einer rein äußerlichen Veränderung der Form der göttlichen Wahrheiten zu denken ist, das heißt, als einfache Vertiefung, Erläuterung und Formulierung derselben. Es wurden also durch die Ökumenischen Synoden keine neuen Dogmen geschaffen, sondern die ihrem Wesen nach unveränderlichen Dogmen neu formuliert. Die Dogmen sind nämlich die in Jesus Christus geoffenbarte göttliche Wahrheit. Diese ist eben dieselbe Offenbarung Gottes an die Menschen, welche in der Menschwerdung seines Sohnes und Logos gipfelte und vollendet wurde und seit jener Zeit stets unverändert geblieben ist. Durch die Synoden und die Väter und durch die Kirche schlechthin wird ein volleres Verständnis und ein Fortschritt der Kenntnis der Dogmen von Seiten der Gläubigen erstrebt, was ganz und gar nicht einen Fortschritt oder eine Veränderung der Dogmen selbst bedeutet; denn nicht die Wahrheit an sich, sondern die Kenntnis der Menschen von der Wahrheit schreitet voran. Folglich wechseln die entfalteten und von Synoden formulierten Dogmen nur ihre äußere Form, während sie ihrem inneren Kern, ihrem Wesen und ihrem Inhalt nach immer unverändert dieselben bleiben. So bewahrt also die Kirche als unfehlbare und als „Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit" 2 ) unversehrt und unverändert den vom Herrn und den Aposteln ihr übergebenen Glaubensschatz, das „anvertraute Gut" 3 ), sie lehrt und interpretiert die göttlichen Wahrheiten - eben jenes anvertraute Gut inspiriert von dem ihr „innewohnenden" und sie in alle Wahrheit führenden Heiligen Geist, und sie stützt sich dabei stets auf die heilige Schrift und die heilige Überlieferung. Schrift und Tradition sind also die zwei gleichwertigen, gleichrangigen und gleichstarken Quellen für die dogmatischen Wahrheiten, womit die Identität der biblischen mit derauf der Apostolischen Tradition beruhenden kirchlichen Lehre bestätigt wird; denn das Wort Gottes wurde der Kirche zweifach überliefert: schriftlich und mündlich, als heilige Schrift und als heilige Überlieferung. „Beide haben für die Frömmigkeit denselben Wert", da „wir einen Teil der in der Kirche bewahrten Dogmen und Verkündigungen aus der ') Commonitorium prim. 2, Migne P. L. 50, 640. Vgl.: „auch eine von einem Konzil formulierte Lehre ist erst dann Dogma, wenn sie von der ökumenischen Kirche als solches angenommen ist", denn „das entscheidende ist der consensus Ecclesiae". (Metropolit Seraphim, Die Ostkirche, Stuttgart 1950, S. 33.) *) I. Tim. 3, 15· 3 ) II. Tim. 1, 14.

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niedergeschriebenen Lehre haben, den anderen aber aus der Überlieferung der Apostel auf geheimnisvolle Weise empfangen haben", wie Basilius d. Gr. lehrte1)·, „denn nicht alles kann aus der göttlichen Schrift genommen werden, das eine überlieferten die heiligen Apostel in Schriften, das andere aber in der Tradition".2) Die apostolische Überlieferung hat folglich im Verhältnis zur heiligen Schrift nicht nur interpretierenden, sondern auch hinzufügenden und ergänzenden Charakter)3. Diese Auffassung verringert keineswegs die Gültigkeit und den Wert der heiligen Schrift als der ersten Quelle der christlichen Dogmen. Dies betonte die Orthodoxe Katholische Kirche von jeher und betont es stets wieder neu, indem sie die heilige Schrift als ersten schriftlichen Niederschlag der von den Aposteln kommenden Tradition annimmt. Die heilige Schrift trägt für immer das unverwischbare Siegel und Kennzeichen der göttlichen Inspiration, sie unterliegt keiner Abänderung oder Verfälschung. Die Apostel überlieferten uns später durch die Bücher des neuen Testamentes wirklich nur einen kleinen Teil der an sie ergangenen übernatürlichen Offenbarung schriftlich, während sie das Ganze derselben schon von Anfang an der Kirche mündlich überliefert hatten. Das ist die heilige Überlieferung (Tradition). Aus diesem Grunde ist die heilige Überlieferung älter und reicher als die heilige Schrift, die später den Umständen entsprechend zusammengestellt und vollendet wurde und, wie wir sagten, nur einen kleinen Teil der Offenbarung umschließt. Sie hat folglich zu ihrer Interpretation und Ergänzung das Licht der heiligen Überlieferung und ganz besonders der von den Aposteln bis zur siebenten Ökumenischen Synode reichenden echten dogmatischen Tradition notwendig. Darum verstehen die Orthodoxen „als Quelle des göttlichen Wortes nicht jede, sondern nur die dogmatische Tradition, welche die Glaubenslehren umfaßt, die nur undeutlich in der Schrift enthalten sind und teils zur Ergänzung der Schrift, teils zur Interpretation der nur allgemein und undeutlich in ihr enthaltenen Lehren dient"4). Aber es wird De Spiritu Sancto 27, 2. M . P. G. 32, col. 188.]oh. Karmiris, a. a. O. I, S. 234. ) Epiphanius, adv. haer. 61, 6. M. P. G. 41, col. 1047. Ähnlich lehrten auch Chrysostomus (zu II. Thess., hom. 4,2. M . P. G. 62, col. 488) undMogilas (Conf. Orth. I, 4, bei Joh. Karmiris, a. a. O. II, 594), ebenso die in Jerusalem im Jahre 1672 zusammengekommene lokale Synode, die die heterodoxen Lehre des B e kenntnisses des Cyrill Loukaris verwarf (Joh. Karmiris, op. cit. II, 704), mit dem Bekenntnis des Dositheos 2 (ebenda, S. 747). 3 ) Es ist bemerkenswert, daß der ergänzende Charakter der heiligen Tradition außer von den orthodoxen und den römischen Katholiken auch von einigen Protestanten und besonders von Anglikanern angenommen wird. Vgl. Joh. Karmiris, Orthodoxie und Protestantismus, (griech.) Athen 1937, S. 366f., 371 f. 4 ) Ch. Androutsos, Dogm. der Orth. Anatol. Kirche (griech.) Athen 1907, S. 7. 2

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jede dogmatische Tradition verworfen, die späteren Ursprungs ist und ihren Anfang nicht auf die Apostel zurückführen kann, bzw. die nicht echt und von den autoritativen dogmatischen Quellen der Kirche bezeugt ist1). Es ist hinzuzufügen, daß der kanonische Wächter und autoritative Interpret der heiligen Schrift und der heiligen Tradition die durch den Heiligen Geist geleitete und darum unfehlbare Kirche ist durch ihre Hierarchen, die in Ökumenischen Synoden zusammenkommen, worüber wir weiter oben schon gehandelt haben - , und nicht der Patriarch des Alten oder Neuen Roms, noch einzelne Patriarchen, Hierarchen, geschweige denn einzelne Personen2). Ferner ist zu sagen, daß alle Bücher der heiligen Schrift von Gott inspiriert sind, ihre Inspiration ist jedoch als eine sinngemäße, nicht als eine wörtliche und buchstäbliche, und ganz und gar nicht als eine natürliche und moralische zu denken. Trotz aller bekannten Meinungsverschiedenheiten stellt die Orthodoxe Kirche wohl auch die sogenannten deuterokanonischen Bücher des Alten Testamentes mit den kanonischen in eine Reihe; sie hält es einfach mit der alten historischen Unterscheidung zwischen protokanonischen und deuterokanonischen. Aber diese Unterscheidung wird weit mehr als eine chronologische denn als eine wesendiche verstanden3). Schließlich sei noch gesagt, daß die Orthodoxe Kirche von alters her die Ubersetzung der heiligen Schrift in die Sprachen aller orthodoxen Völker erlaubte, ebenso das freie Lesen und Auslegen derselben von jedermann, sie fordert aber, daß die Auslegung auf der Grundlage der überlieferten orthodoxen Interpretation geschehe, denn ‫״‬es sind etliche D i n g e " der Schrift ‫״‬schwer ‫״‬Als unerläßliches Kennzeichen der echten und unveränderten dogmatischen Überlieferung haben wir ihr Alter zu betonen. Denn es ist offensichtlich, daß sie als Quelle der göttlichen Dogmen zurückreichen muß bis auf die Zeit, w o die christlichen Dogmen durch den Mensch gewordenen Logos Gottes geoffenbart und von Gottes Sprechern, den Aposteln, die diese direkt von ihm oder durch Offenbarung des heiligen Geistes empfangen haben, verkündet wurden. Sie ist also Apostolische Überlieferung und wird in Fortsetzung davon von den Ökumenischen und Lokalen Synoden, wie auch durch die einstimmige Lehre der frühen Väter bezeugt. So sind die Dogmen nicht Gedanken und Gebilde der Vernunft, sondern ‫״‬Dogmen Gottes", d. h., göttliche Wahrheiten, die übernatürlicher Offenbarung entstammen; und darum müssen sie auf die Zeiten zurückgehen, in denen die übernatürliche Offenbarung durch den Herrn und die Apostel gegeben, erfüllt und abgeschlossen wurde" (Joh. Karmiris, Das neue Dogma der römischen Kirche von der leiblichen Assumptio der Gottesmutter, (griech.), in ‫״‬Ekklesia" 28 (1951), 23, 24. 2 ) Vgl. besonders den 2. Artikel des Bekenntnisses des Dositheos, bei Joh. Karmiris, Die dogmatischen und symbolischen Dokumente, Bd. II, S. 747. 3 ) Vgl. Joh. Karmiris, Orthodoxie und Protestantismus (griech.), S. 156 f.

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zu verstehen, welche die Ungelehrigen und Leichtfertigen ebenso wie die anderen Schriften verdrehen"1). Innerhalb der verschiedenen schriftlichen Dokumente der orthodoxen Überlieferung, in denen die Dogmen enthalten sind, muß nun deutlich unterschieden werden zwischen den alten Symbolen und jenen, die man gewöhnlich die neueren Symbolischen Bücher oder Texte nennt. Einerseits also verleiht die Orthodoxe Katholische Kirche den Charakter von Symbolen nur den dogmatischen Definitionen und den auf den Glauben bezugnehmenden Beschlüssen der sieben Ökumenischen Synoden der alten einigen und ungeteilten Kirche, was besonders für das Symbol, nämlich das Nicaeno-Konstantinopolitanum, gilt. Andererseits aber erkennt sie einige der seit dem Schisma der Römischen Kirche im neunten Jahrhundert von kleineren orthodoxen Synoden und von Hierarchen herausgegebenen Glaubensbekenntnisse, Synodalakten, Enzykliken und ähnlichen Proklamationen als einfache dogmatisch-symbolische Texte an. Diese enthalten den orthodoxen Glauben ganz oder teilweise; sie tragen teils positiven, meist aber negativen Charakter in Verbindung mit einer vergleichenden oder polemischen Stellungnahme zur Lehre der heterodoxen Kirchen. So betrachtet man im altkirchlichen Sinne als Symbole nur die auf den Glauben Bezug nehmenden Beschlüsse oder Definitionen der von dem katholischen christlichen Bewußtsein anerkannten Sieben Ökumenischen Synoden, welche als die alleinigen Träger, Interpreten und Organe des Ausdruckes der Unfehlbarkeit der Kirche in Erscheinung treten. Aus diesem Grunde spricht die Kirche nur den dogmatischen Beschlüssen derselben ewige Gültigkeit, absoluten Wert, autoritativen, katholischen und verpflichtenden Charakter zu: sie betrachtet diese als die wichtigsten schriftlichen Zeugnisse der heiligen Überlieferung und als kanonische, autoritative und unverbrüchliche Richtschnur des orthodoxen Glaubens; denn durch diese spricht und lehrt die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" unfehlbar. Sie benützt also nur die ökumenischen dogmatischen Definitionen als erstrangige Hauptquclle ihrer dogmatischen Lehre, die mit der heiligen Schrift gleichwertig und gleichwürdig ist, da sie die heilige Überlieferung enthält. Unter die verpflichtenden Definitionen der Sieben Ökumenischen Synoden müssen allerdings auch die Beschlüsse des Trullanum (691/92) gerechnet werden, da sie die Fünfte und die Sechste Ökumenische Synode ergänzen; dasselbe trifft auch für die alten lokalen Synoden zu, die durch Ökumenische ratifiziert wurden. In ähnlicher Weise könnte die Orthodoxe Katholische x

) II. Petr. 3, 16.

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Kirche den Charakter der Symbole ihrem Symbol kat' exochen, d. h. dem Nicaeno-Konstantinopolitanum1), in einem breiteren Sinne, in zweitrangiger und mißbräuchlicher Weise - wegen deren unklaren Ursprungs - auch dem in den Kirchen des Westens gebräuchlichen Apostolischen2) und Athanasianischen3) Symbol zuerkennen. Letztlich ist hierzu einerseits noch die heilige Liturgie hinzuzufügen, die in Verbindung mit dem übrigen Orthodoxen Kult ein plastischer Ausdruck des Orthodoxen dogmatischen Glaubens4) und die adaequate äußere Erscheinungsform der Orthodoxen Kirche ist, andererseits die Schriften der alten, großen Väter, die die orthodoxen Dogmen entfalten. Diese jedoch nur, soweit sie die Übereinstimmung der Väter zeigen, die natürlich im ethischen und nicht im mathematischen Sinne zu verstehen ist. Allerdings besitzt die Orthodoxe Katholische Kirche neben dem, was auf den Ökumenischen Synoden dogmatisiert wurde und den Charakter von Symbolen trägt, auch spätere (d. h. nach dem achten Jahrhundert verfaßte) einfache symbolische Texte und Bücher. Diese sind weder Symbole im eigentlichen und altchristlichen Sinne, noch symbolische Bücher im römisch-katholischen oder protestantischen Sinne, sondern einfache, unvollkommene orthodoxe dogmatisch-symbolische Schriften; sie bringen den Geist der Epoche, in der sie verfaßt wurden, zum Ausdruck und weisen die Heterodoxien der zwei großen christlichen Kirchen des Westens, der Römisch-Katholischen und der Protestantischen, zurück. Es wurde ja keiner dieser Texte von einer ökumenischen oder panorthodoxen Synode verfaßt oder rezipiert, noch entwickeln sie die ganze Orthodoxe Lehre positiv, unfehlbar und vollständig, noch geben sie auch in allem dem gemeinsamen Glauben und dem katholischen Bewußtsein der Gesamtkirche Ausdruck. Folglich kann keiner jener Texte als kanonisches Symbol oder kanonisches symbolisches Buch der Orthodoxen Kirche betrachtet werden5). Da dem so ist, geht es nicht an, Weiteres darüber siehe bei Joh. Karmiris, a. a. O. I, S. 53-99. ) Ebenda, S. 35-52. 3 ) Ebenda, S. 100-109. 4 ) So bemerkt F. Heiler richtig, daß ‫״‬die Liturgie für die östliche Kirche in noch höherem Maße als für die lateinische das ,gebetete Dogma' darstellt". (Urkirche und Ostkirche, München 1937, S. 190.) 6 ) Somit haben diese orthodoxen symbolischen Texte weit mehr eine theologische, wissenschaftliche - und besonders symbolisch-historische - Bedeutung, da in ihnen die Heterodoxien der zwei großen Kirchen des Westens zurückgewiesen werden, und gegen sie die Stellung der Orthodoxen Katholischen Kirche skizziert dargelegt wird. Andererseits wird in ihnen auch der Versuch unternommen, die Orthodoxe Lehre, die nicht synodal seitens der Alten Kirche 2

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche 24 die in Frage stehenden T e x t e als erstrangige Hauptquelle der Orthodoxen dogmatischen Lehre zu benutzen, sie können nur als relative, behelfsmäßige und zweitrangige Quellen dienen, und nur, w e n n und insoweit als sie mit der Lehre der heiligen Schrift und der alten, echten Orthodoxen Überlieferung übereinstimmen, w o b e i man i m Besonderen die auf sie ausgeübten geringen heterodoxen Einflüsse beachten m u ß 1 ) . Als solche O r t h o d o x e symbolische T e x t e haben w i r die folgenden charakterisiert und in unserer oben erwähnten Sammlung veröffentlicht: I. Photius, Patriarch v o n Konstantinopel, Rundschreiben ‫ ״‬A n alle bischöflichen Sitze des Ostens" (866). formuliert wurde und besonders diejenigen dogmatischen Lehren, die mißverstanden oder zuerst von heterodoxen Theologen formuliert wurden, zu entwickeln und zu bestimmen. Von diesem Gesichtspunkt aus sind sie als historische Dokumente in allererster Linie für die orthodoxe, dann aber auch für die christüche Theologie schlechthin, wie auch für die Kirche und die allgemeine christliche Dogmengcschichte unbestreitbar von höchstem Interesse. L ) Vgl. Joh. Karmiris, Rede über die von außen kommenden Einflüsse auf die Orthodoxe Theologie (grieeh.), Athen 1938. Heterodoxe Einflüsse auf die Confessiones des 17. Jahrhunderts (griech.), Jerusalem 1948. Es erübrigt sich zu erwähnen, daß aus der Tatsache, daß die in Frage stehenden Texte im genauen Sinne des Wortes keine symbolischen Bücher der Orthodoxen Kirche sind, weder im altchristlichen noch im neueren heterodoxen (dem römisch-katholischen und dem protestantischen) Verständnis, zu folgern ist, daß sich die Beschreibung und Darstellung der Orthodoxen Katholischen Kirche und die Darlegung ihrer Lehre weiterhin nicht mehr auf diese Texte als ‫״‬kanonische" (!) stützen kann und darf. Und aus diesem Grunde verfehlten viele frühere und jetzige heterodoxe Theologen ihr Ziel, die in ihren symbolischen oder anderen ähnlichen Schriften den Versuch machten, das Bild der Orthodoxie nur an Hand der besagten orthodoxen symbolischen Bücher zu geben, indem sie aus weiter Ferne und ohne tiefe und genaue Kenntnis der Orthodoxen Kirche und Theologie kunstvoll ein blasses und vollkommen unerkennbares Bild der Orthodoxie herausarbeiteten. Bemerkenswert ist, daß unter anderem F. Kattenbusch die orthodoxen symbolischen Texte als ‫״‬kanonisch" charakterisierte (Lehrbuch der vergleichenden Confessionskunde, Freiburg i. Br. 1892, Bd. I, S. 7, während derselbe Kattenbusch zuvor das Werk von W . Gass, Symbolik der Griechischen Kirche, Berlin 1872, in Theol. Studien und Kritiken, 1878, S. 105, in seiner Kritik richtiger charakterisierte. Auf Kattenbuschs Ansuchen in den beiden obigen Werken, doch die Symbolik der Orthodoxen Katholischen Kirche vor allem auf ihre alten Quellen zu basieren, antwortete ihm Gass in der Zeitschrift f ü r Kirchengeschichte 3 (1879), S. 333, ebenso einseitig die gegenteilige Ansicht vertretend. Die beiden Ansichten vereinigend stellte sich F. Loofs in seiner Symbolik oder christliche Konfessionskunde (Tübingen und Leipzig 1902, S. 124, 127 f.) auf sicheren Grund und formulierte richtiger.

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П. Michael Cerularius Patriarch von Konstantinopel, I. Brief an Petrus von Antiochien (1054). III. Synodalakten der Synoden zu Konstantinopel von 1341 und 1351 über den Hesychasmus. IV. Marcus Eugenicus von Ephesus, Rundschreiben an ‫״‬die überall auf Erden und den Inseln sich befindenden Orthodoxen Christen" (1440/41). V. Germadius Scholarius, Patriarch von Konstantinopel, Bekenntnis des Glaubens (1455/56). VI. Jeremias II., Patriarch von Konstantinopel, Antworten an die Württembergischen Lutherischen Theologen (1573/81). VII. Metrophanes Kritopoulos, Patriarch von Alexandria, Bekenntnis des Glaubens (1625). VIII. Akten der Synode von Konstantinopel von 1638. IX. Akten der Synode von Konstantinopel und Jassy von 1642. X. Petrus Mogilas, Metropolit von Kiew, Confessio Orthodoxa (1642). XI. Akten der Synode zu Konstantinopel von 1672. XII. Akten der Synode zu Jerusalem von 1672. XIII. Dositheos, Patriarch von Jerusalem, Glaubensbekenntnis (1672). XIV. Akten der Synode zu Konstantinopel von 1691. X V . Antworten der Orthodoxen Patriarchen des Ostens an die Anglikanischen Nonjurer (1716/25). XVI. Rundschreiben der Konstantinopler Synode von 1722 an die Orthodoxen Antiochener. XVII. Glaubensbekenntnis der Konstantinopler Synode von 1727. XVIII. Rundschreiben der Konstantinopler Synode von 1836 „Gegen die Protestantischen Missionare". XIX. Rundschreiben der Konstantinopler Synode von 1838 „Gegen die Lateinischen Neuerungen". X X . Antwort der Orthodoxen Patriarchen des Ostens an Papst Pius IX. (1848). XXI. Antwort der Konstantinopler Synode von 1895 an Papst Leo XIII. XXII. Enzyklien des Patriarchats von Konstantinopel über die ökumenische Bewegung der Kirchen (1920 und 1952).

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Mit den obigen haben w i r gleichzeitig auch andere neuere dogmatischsymbolische T e x t e veröffentlicht, z. B . über die A u f n a h m e Heterodoxer 1 ) in die Orthodoxie und andere 2 ).

!) W i r stützen uns dabei ganz besonders auf unsere in ‫״‬Theologia" 25 (1954), 211-243 veröffentlichte Studie: „ W i e sind die zur Orthodoxie Kommenden aufzunehmen?" 2 ) Betreffs der griechischen dogmatisch-symbolischen Bibliographie der letzten sechzig Jahre siehe P. Bratsiotis, Die griechische Theologie des letzten Jahrzehntes, in „Theologia" 19 (1941-1948), S. 105 ff. und Joh. Karmiris, Die griechische theologische Bibliographie des letzten Jahrzehntes, in „Orthodoxia" 3 1 , Konstantinopel 1956, S. 145 ff-

I. E I N F A C H E T H E O L O G I E l. Über den einen und dreieinigen Gott

D

ie Orthodoxe Katholische Kirche hält unverändert an der dogmatischen Lehre der alten ungeteilten Kirche über den einen und dreieinigen Gott fest, wie sie von den zwei ersten Ökumenischen Synoden formuliert und von ihren großen Vätern interpretiert und entwickelt wurde. Von jener Zeit an wurde und wird diese Lehre von der Kirche auf mannigfaltige Weise in der Praxis und besonders durch das heilige Symbol des Nicaeno-Konstantinopolitanum und zahlreiche berühmte Hymnen des Göttlichen Kultus gelehrt; so bleibt sie mit anderen Orthodoxen Dogmen, die in ähnlicher Weise vom Kultus getragen werden, in dem kirchlichen Pleroma lebendig. Folglich glauben alle Orthodoxen aller Jahrhunderte mit den Alten Väter und besonders mit Johannes von Damaskus ,,an einen Gott, an einen Ursprung, den ursprungslosen, den ungeschaffenen, den ungezeugten, den unverderblichen und unsterblichen, den ewigen, den unendlichen, den unbeschreibbaren, den unbegrenzten, den unendlich mächtigen, den einfachen, den nicht zusammengesetzten, den körperlosen, den nicht flüssigen, den leidenschaftslosen, den unwandelbaren, den unveränderlichen, den unsichtbaren, die Quelle der Güte und Gerechtigkeit, das geistige Licht, den unzugänglichen: die Kraft, die mit keinem Maß erkannt, nur im eigenen Willen gemessen wird; denn alles was sie will, ist ihr möglich; die alle sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfe erschafft, alle erhält und bewahrt, alle vorherweiß, alle beherrscht und anführt und regiert in einem kein Ende nehmenden, unsterblichen Königreich, die nichts gegen sich hat, alles erfüllt, in nichts enthalten ist, vielmehr alles enthält und umschließt und überragt; die makellos über allen Wesen steht und jenseits aller, und alles Wesen übertrifft, über-seiend, und über allem seiend, über-göttlich, über-gut, übererfüllt, die alle Mächte und Ordnungen bestimmt und über alle Macht und Ordnung gestellt ist, über Wesen, Leben, Vernunft und Gedanke; in sich selbst Licht, in sich selbst Güte, in sich selbst Leben, in sich selbst Wesenheit, die das Sein nicht hat von anderem, also von dem was ist, die aber Quelle ist des Seins dem Seienden, des Lebens dem Lebenden, der Vernunft dem an der Vernunft Teilhabenden, Grund alles Guten in allem, die alles vor seiner Erzeugung weiß: eine Wesenheit, eine Gottheit, eine Kraft, ein Wille, eine Energie, eine Macht, eine Gewalt, eine Herrschaft, ein Königreich, die in drei vollständigen Hypostasen erkannt wird" 1 ). *) Johannes v. Damaskus, Expos. Fid. Orth. I, 8. M. P. G. 94, col. 808/809.

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Natürlich ist das Wesen Gottes als unerfahrbares und unaussprechliches für den physischen Menschen unverständlich, weil ‫״‬dies für ihn (für Gott) allein verständlich ist, die Unerfahrbarkeit und die Unvers tändlichkeit" 1 ). Aber nichtsdestoweniger offenbarte sich Gott selbst durch die natürliche und besonders durch die übernatürliche Offenbarung den Menschen gemäß ihrem Erkenntnisvermögen. Selbstverständlich kann ihre Erkenntnis nicht absolut, vollkommen und das Wesen erfassend sein, sondern sie ist relativ, unvollkommen und auf das, was sich um das Wesen Gottes befindet, begrenzt, wie die Ansicht der Väter lautet, oder sie ist nur die Teil-Erkenntnis2) dessen, was sich um Gott befindet ( ‫ ״‬r a περί Θεόν") und beruht auf dem Glauben. Darum sind nicht nur die von der heiligen Schrift apophatisch wiedergegebenen Attribute und Eigenschaften Gottes, sondern auch die kataphatischen wie ‫״‬gut", ‫״‬gerecht", ‫״‬weise" usw. w o h l w a h r , w i r k l i c h u n d dem O b j e k t i v e n entstammend

und nicht aus unserer Subjektivität auf Gott angewendet, und trotzdem offenbaren und drücken sie nicht das Wesen und die Natur Gottes aus, sondern nur das, was sein Wesen umgibt: ‫״‬nicht die Natur, sondern was u m die N a t u r ist, offenbart er" 3 ). Hiernach kennen w i r zwar die Existenz Gottes, sein Wesen aber kennen w i r n i c h t : ‫ ״‬W a s G o t t also ist, ist offenbar; was er aber dem Wesen und der N a t u r nach ist, dies ist gänzlich

unbegreiflich und unbekannt"4). Darum charakterisierte auch Gregor von Nazianz Gott auf Grund von I. Tim. 6, 16 als ‫״‬das höchste Licht, unzugänglich und unaussprechlich, unerfaßbar für den Verstand und auch nicht aussprechbar durch das Wort" 5 ). Allein also von der heiligen Schrift belehrt, glauben wir ‫״‬Ein Wesen, Eine Gottheit . . . i n drei v o l l k o m m e n e n Hypostasen . . . unvermischt u n d ohne Diastase getrennt" 6 ). So ist der nach dem Wesen eine G o t t trinitarisch nach den Hypostasen oder Personen, nämlich Vater, Sohn

und heiliger Geist, welche drei Weisen der Existenz sind, aber untrennbar miteinander verbunden und vereint in dem einen göttlichen Wesen. Solchermaßen besteht das eine göttliche Wesen in den drei gleichwürdigen und ungeteilten Hypostasen, ohne daß es sich jedoch aus ihnen ergibt, wobei wir sie nicht als Teile der Gottheit, oder als Qualitäten 1

) Ebenda, I, 4, col. 800, vgl. Gregor v. Nazianz, hom. 45, 3. Μ . P. G. 36, col. 625. Hom. theol. 28, 4. Μ. P. G. 36, col. 29; vgl. auch col. 48. 2 ) I. Kor. 13, 9. 12. 3 ) Johannes v. Damaskus, ebenda. 4 ) Ebenda, col. 797, vgl. Irenaeus, adv. haer. III, 24, 2 und IV, 6, 2. Migne P. G. 7, col. 967 und Basilius d. Gr. bei Joh. Karmiris, a. a. Ο. I, S. 329-330. 5 ) Gregor v. Nazianz, hom. 40, 5. Migne P. G. 36, col. 364. e ) Johannes v. Damaskus, Expos, fid. orth. I, 8, col. 809.

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in etwas anderem betrachtet denken, aber auch nicht als Aspekte oder Ausdrucksformen des einen göttlichen Wesens, sondern jede von ihnen als eigentlich und für sich sich in dem einen und demselben göttlichen Wesen befmdend, welches den drei Hypostasen gemeinsam ist. So also haben w i r die ‫״‬Einheit i n der Dreiheit u n d die Dreiheit i n der Einheit angebetet, die paradox erscheint i n der T r e n n u n g w i e auch i n der V e r einigung" 1 ). D i e Einheit verstehen w i r einerseits hauptsächlich aus der Einigkeit und

Identität des göttlichen Wesens, insofern ‫״‬als bei der heiligen Trinität das Gemeinsame als das Eine wegen dem Mitewig- und Dasselbesein des Wesens betrachtet wird . . ." 2 ), andererseits aber halten wir von der Einheit und der Identität der Eigenschaften, der Energien und des Willens her daran fest, daß sowohl der Sohn wie auch der heilige Geist als den einen Ursprung und die eine Ursache den Vater haben3) - aber ohne Verschmelzung, Vermengung oder Vermischung. Daher sind die drei Personen miteinander engstens verknüpft, unvermischt in dem einen Gott vereinigt, einerseits weil sie wesensgleich (ομοούσια) sind, andererseits aber weil sie unvermischt einander umgeben (περιχωροΰσιν). Dies bedeutet, sie umgeben einander und sind so ineinander, daß sie sich nicht vermischen, sondern sich einfach einander besitzen, wie es Joh. 14, 1 1 ausdrückt: „ich im Vater und der Vater in nur" 4 ). Demnach „erkennen wir durch das Wesensgleiche (όμοούσιον) und durch das Ineinandersein die Hypostasen und durch die Identität des Willens, der Energie und der Kraft, wie auch durch die Vollmacht und die Bewegung das Unzertrennbare (άδιαίρετον), und daß es der eine Gott ist; eins nämlich ist Gott, Gott(-Vater) und der Logos und sein Geist"5), indem jede Trennung oder Teilung des Wesens oder Subordination der drei Personen auf Grund von Priorität oder Rang ausgeschlossen ist. Die Trinität aber verstehen wir einerseits aus der Unterscheidung der drei Personen voneinander, und andererseits aus dem Unterschied ihrer Ausgänge. So unterscheiden sich die drei göttlichen Personen vonein*) Gregor v. Nazianz, hom. 25, 17. Μ . P. G. 35, col. 1221. 2 ) Joh. v. Damaskus, a.a.O., col. 828. 3 ) Gregor v. Nyssa, tractatus adv. Graecos cx communibus notionibus, Migne P. G. 45, col. 180. 4 ) Nach dem Damascener sind die drei Hypostasen „voneinander durch keinen Zwischenraum getrennt und ohne Ausdehnung, indem sie einander in der Perichorese umgeben, jedoch ohne Verschmelzung oder Vermischung, sondern so, daß sie sich einander umgeben . . . frei von jeder Verschmelzung, Vermengung oder Vermischung" (a. a. O., col. 860, vgl. 829). s

) Ebenda, col. 825/826.

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ander, oder sind untrennbar und unscheidbar voneinander getrennt, indem eine jede die Fülle der Gottheit besitzt, aber das eine göttliche Wesen ungetrennt und ungeteilt bleibt, und dies solchermaßen, daß nach G r e g o r v o n Nazianz -

‫ ״‬d i e Gottheit ungeteilt i n Geteilten"

(αμέριστος έν μεμερισμένοις) existiert1). Und der Vater unterscheidet sich von den anderen Personen, insofern als er von Natur und ewig den Sohn zeugt wie auch den heiligen Geist ausgehen läßt (έκπορεύει), der Sohn aber, insofern als er von dem Vater gezeugt wird, und der heilige Geist, insofern als er von dem Vater ausgesandt wird oder hervorgeht. Daher bestehen die hypostatischen Eigenschaften der drei Personen aus dem Ungeborensein (άγεννησία) des Vaters und der Vaterschaft, aus dem Geborenwerden (γέννησις) des Sohnes und der Sohnschaft, und aus dem Ausgang (έκπόρενσις), Hervorsprießen (προβολή) oder der Aussendung (εκπεμιρις) des heiligen Geistes: ‫״‬Zueigen ist dem Vater das Ungeborensein, d e m Sohne aber das Geborenwerden u n d dem heiligen Geiste

das Ausgeschicktwerden", so drückt es Gregor von Nazianz aus2). Der Vater also ist ungezeugt, ohne Ursache und ohne Ursprung, ist aber zugleich ‫״‬der eine Ursprung, die eine W u r z e l u n d Quelle des Sohnes u n d des heiligen Geistes" 3 ), u n d deren alleinige Ursache, als Zeuger (γ ε ννή τω ρ)

des Sohnes und Hervorbringer (προβολενς) des heiligen Geistes in Ewigkeit; der Sohn aber ist erzeugt oder das vom Vater Erzeugte (γέννημα), und der heilige Geist ist ausgesandt, oder das Ausgesandte, oder das vom Vater Hervorgebrachte (πρόβλημα): ‫״‬Er, der Erzeuger u n d Hervorbringer, ich aber sage leidenslos, zeitlos u n d nicht körperlich,

von ihnen das eine das Gezeugte, das andere aber das Hervorgebrachte, oder, ich weiß nicht, wie man das nennen sollte, wenn man völlig entrückt ist von dem, was wahrgenommen wird." 4 ) Demzufolge ist der Vater unursächhch und selbstursächlich, der Sohn und der heilige Geist aber haben als Ursache den Vater, gezeugt ist der Sohn und ausgesandt der heilige Geist, aber beide sind zeitlos, unteilbar und untrennbar. Demgemäß hegt der Unterschied und die Unterscheidung der drei Hypostasen oder Personen der heiligen Trinität nur in diesen drei nicht mitteilbaren Eigenschaften begründet, das heißt in dem Ungeborensein des Vaters, in dem Geborenwerden des Sohnes und dem Ausgesandtwerden des heiligen Geistes. Diese drei Eigenschaften charakterisieren die Kappadozier als die Arten der Existenz der drei Personen und ihrer Beziehung Horn. 31, 14. Migne P. G. 36, col. 149. Vgl. Johannes von Damaskus, а. а. O., col. 829. 2 ) Gregor v. Nazianz, hom. 25, 16. Migne P. G. 35, col. 1221. 3 ) Basilius d. Gr., contr. Sab. 4. Migne P. G. 3 1 , col. 609. 4 ) Gregor v. Nazianz, hom. 29, 2. Migne P. G. 36, col. 76.

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zueinander, und nicht nur als deren OfFenbarungsweisen nach sabellianischer A u f f a s s u n g ; denn tatsächlich ‫״‬unterscheiden sich nur i n diesen drei hypostatischen Eigenschaften die heiligen drei Hypostasen voneinander nicht i m Wesen, aber i m Charakteristischen der Hypostase selbst, als die ungetrennt getrennten ( α δ ι α ι ρ έ τ ω ς διαιρούμεναι), da selbige ‫ ״‬n i c h t i n i h r e m Wesen bekanntgemacht sind, sondern i n der Beziehung zueinander u n d der Existenzweise" 1 ). Aber so besteht bei ihnen nichts früheres oder späteres, ‫ ״‬d a m i t nicht ein erster G o t t u n d ein späterer G o t t sei und

Gott einen Zusatz bekomme"2). Wir glauben also, daß der Vater und der Sohn und der heilige Geist gleichzeitig sind, und zwar der Sohn als geboren und der heilige Geist als ausgegangen aus dem Wesen des Vaters, ursprungslos, zeitlos, ungetrennt und unerfaßbar; ‫״‬und daß da ein Unterschied des Geborenwerdens und des Ausgesandtwerdens besteht, das haben wir gelernt, welches aber die Weise des Unterschiedes,keineswegs"3). Aber hier ist es erforderlich, daß wir kurz die Frage des Ausgangs des heiligen Geistes berühren, über den sich bereits von dem ersten Jahrtausend an Uneinigkeit zwischen der östlichen und westlichen Christenheit erhob, insofern als die erstere das „der heilige Geist. . . der von dem Vater ausgeht" (το Πνενμα το αγιον ... το εκ τον Πατρός εκπορευόμενον) auf Grund des Symbols des II. Ökumenischen Konzils und der gesamten alten heiligen Überlieferung, wie auch der heiligen Schrift und besonders der klassischen Stelle Joh. 15, 26, bekannte. Die westliche Christenheit aber nahm späterhin an, daß er „ausgeht vom Vater und dem Sohn" (procedit ex Patre Filioque), was nicht Schrift- und traditionsgemäß ist. In der Tat glauben die Orthodoxen des Ostens aller Jahrhunderte, daß der heilige Geist vom Vater als der Quelle und dem Ursprung der Gottheit ausgeht, indem sie auf Grund von Joh. 15, 26 (in Verbindung mit Joh. 14, 26) die ewige Existenz und die Aussendung des Geistes aus demVater allein von seiner zeithchen Offenbarwerdung, Erscheinung, von seinem Aufleuchten und seiner Ausschickung in die Welt durch den Sohn unterscheiden. Dies wird von Johannes auch angedeutet durch Gegenüberstellung der unterschiedlicheBedeutung habenden Worte „ εκ πορεύε ται", was in bezug auf den Vater im Präsens steht, und „πέμψω", was in bezug auf den Sohn im Futur steht4). So lehren auch die alten Väter Johannes v. Damaskus, a. a. O., col. 824 und 837. *) Ebenda I, 8, col. 813. 3 ) Joh. v. Damaskus, ebenda I, 8, col. 824. Vgl. Basilius d. Gr., epist. 52, 3. Migne P. G. 32, col. 396 und Gregor v. Nazianz, hom. 2 5 , 1 6 . Migne P. G. 35, col. 1 2 2 1 , hom. 3 1 , 8. Migne P. G. 36, col. 1 4 1 . 4 ) Vgl. Cassian, Bischof v. Catania, L'enseignement de la Bible sur la procession du St. Esprit, in ‫״‬Russie et Chrétienté", Paris 1950, Hefte 3 und 4, besonders S. 141 f f .

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mit G r e g o r dem Thaumaturgen ‫״‬einen heiligen Geist, welcher aus G o t t seine Existenz hat u n d durch (öid) den Sohn erschienen ist (das

heißt den Menschen)"1). Wenn also die Orthodoxen von dem Ausgang des heiligen Geistes sprechen, glauben sie diesen im Sinne seiner ewigen und unursprünglichen Existenz und Aussendung, und bekennen ihn daraufhin als allein vom Vater her geschehend, nicht aber auch vom Sohn (ex rov Yiov). Wenn sie nun diesen Ausgang mit dem Gedanken an die zeitliche Aussendung, OfFenbarwerdung, Aufleuchtung, Ausdruckgebung und Ausschickung des Geistes in die Welt glauben, dann bekennen sie diese als vom (ex) Vater her durch (diu) den Sohn oder auch v o n beiden her geschehend; ‫ ״‬d e n n er ist v o m Vater durch den

Sohn über alle Schöpfung ausgegossen" 2 ). Daraus folgt, daß man ‫״‬durch den Sohn" i n dem Sinne versteht, daß der Geist in der Z e i t durch den Sohn den Menschen geschickt, ‫״‬abgesandt", ‫״‬gegeben", oder auf die Menschen ‫״‬ausgegossen" w i r d (ngoxeerai), oder auch, daß er durch den Sohn ‫״‬erschienen i s t " , ‫״‬aufleuchtet" u n d ‫״‬erkannt w i r d " - so die bekannten patristischen Begriffe, w o sich nirgends etwas d e m lateinischen ‫ ״‬F i l i o q u e " - u n d von d e m Sohne - Entsprechendes findet, als ob er als Ursache u n d U r s p r u n g seiner Hypostase u n d Existenz auch den Sohn habe; denn, w i e w i r sagten, eine solche Ursache u n d anfangloser U r s p r u n g ist n u r der Vater allein. D a r a u f basierend erhalten die O r t h o -

doxen durch die Zurückführung des Sohnes und des Geisteis auf die eine

Ursache und den einen Ursprung, den Vater nämlich, die Monarchie in der trinitarischen Gottheit, während ihr durch Annahme des ‫״‬Filioque"Ausganges des heiligen Geistes, so ist ihre M e i n u n g , eine Dyarchie b e i gelegt w i r d 3 ) . D i e das Gegenteil besagenden Behauptungen der Lateiner m i t i h r e m A r g u m e n t v o n der Wesenseinheit w u r d e n wohlbegründet als

Vermischung der drei nicht mitgeteilten hypostatischen oder persönlichen Eigenschaften der göttlichen Personen bezüglich der ihnen gemeinsamen Idiome in ihren zur Welt hin gerichteten Energien und Relationen betrachtet. Also nicht hypostatisch, sondern nur ‫״‬dem Verständnis des Wesens nach"4) könnte das Filioque angebracht sein, d. h. wenn man es mittels des patristischen ‫ ״‬d u r c h den S o h n " v o m O r t h o d o x e n Standpunkt

Gregor Thaumaturgos v. Neocaesarea, expos. fid. Migne P. G. 10, col. 984. Joh. Karmiris, a. a. O. I, S. 70. 2 ) Cyrill v. Alexandria, De recta fide ad rcginas I, 3. Migne P. G. 76, col. 1204. 8 ) Vgl. das über den Theozentrismus in der Theologie von Bischof Cassian Gesagte, a . a . O . , S. 148ff. 4 ) Cyrill v. Alexandrien, Epist. 39 an Johannes v. Antiochien. Migne P. G. 77, , col. 1 8 1 .

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aus gesehen 1 ) interpretieren würde. Dies betont auch Theodoret v o n C y r u s , w e n n er schreibt: ‫ ״‬W e n n er (d. h. der heilige Geist) aus dem Sohn oder durch den Sohn zur Existenz g e k o m m e n w ä r e , so w ü r d e n w i r dies als blasphemisch und gottlos zurückweisen." 2 ) S o halten w i r uns an die Formulierung des Johannes v o n Damascus, der da sagt: ‫ ״‬. . . des Sohnes Geist verstehen w i r als v o m Vater durch den Sohn ausgehend. So geht er nicht v o m Sohne aus ; denn der Vater allein ist die Ursache . . . So geht er v o m Vater aus, der Sohn vermittelt i h n u n d so w i r d er der gesamten Schöpfung z u t e i l . . . S o sagen w i r nicht : aus d e m Sohn sei der Geist erschienen . . . er ist durch den Sohn erschienen und hat sich auf uns übertragen. W i r bekennen daher . . . daß der heilige Geist Gottes und des Vaters v o m selbigen ausgeht. Dies trifft auch beim Sohne zu, und durch diesen ist er (d. h. der heilige Geist) erschienen und der Schöpfung vermittelt worden, aber seine Existenz hat er nicht aus dem Sohn empfangen."3) ') Cassian, ebenda, S. 125 : ‫״‬l'interpretation du Filioque dans le sens de, διά τον Υίον' de l'exégèse byzantine est la seule voie qui mène à cette fin (monarchie du Père". 2 ) Bei Cyrill ν. Alexandrien, Apolog. adv. Theod. IX. M . P. G. 76, col. 432. 3 ) Johannes v. Damaskus, Expos, fid. orth., I, 8, 12. Migne P. G. 94, col. 821, 832, 833, 849; Homil. z. Gr. Sabbath 4. M . P. G. 96, col. 605. An dieser Stelle wäre noch zu bemerken, daß die morgenländische Kirche das lateinische Filioque bis zum 9. Jahrhundert nur als ein Theologumenon betrachtet und daher offiziell nicht angegriffen hatte. Ja, sie wurde darin auch noch bestärkt; denn selbst die Kirche Roms, besonders unter Papst Leo III., hatte es bis zu jener Zeit abgelehnt. Als das Filioque jedoch auf antikanonische Art und Weise in das heilige Glaubenssymbol eingeführt wurde und Papst Nikolaus I. versuchte, das Filioque dem orthodoxen Bulgarien aufzuzwingen, und unter Druck des deutschen Kaisers, Heinrichs II., Benedikt VIII. 1014 in R o m zur Annahme des Filioque gezwungen wurde, widersetzte sich dem der gesamte Orthodoxe Osten. So gab das Filioque den letzten Anlaß zum Schisma zwischen R o m und dem orthodoxen Osten. Im Verlauf der Jahrhunderte versteifte sich nun dieses Schisma, und angefangen vom Patriarchen Photius bis auf den heutigen Tag entfaltete sich eine scharfe orthodoxe Polemik, wodurch den Lateinern die Verfälschung des Glaubensbekenntnisses vorgeworfen wird und somit auch die Abänderung und Verfälschung des grundlegendsten christlichen Dogmas über die heilige Trinität (vgl. hierzu Joh. Karmiris, The Schism of the Roman Church, Athens 1950, S. 5 f.). So verwarfen die Orthodoxen das in das heilige Symbol eingefügte Filioque deswegen, weil es dem Wesen nach eine Verirrung und der Form nach antikanonisch ist; denn es ist nicht von der heiligen Schrift bezeugt, zweitens wird es, in historisch dogmatischer Hinsicht, auch nicht von der alten, echten dogmatischen Überlieferung gelehrt, da es weder im achten Artikel des auf dem II. Ökumenischen Konzü formulierten Symbols, der von dem heiligen

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche 2. Die

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Welt

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Kosmologie keiner großen Darlegung bedarf, weil die O r t h o d o x e Katholische Kirche die sich auf die K o s m o l o g i e beziehenden D o g m e n der alten Kirche fortwährend beibehält und unverändert lehrt, w i e es übrigens auch mehr oder weniger die heterodoxen Kirchen tun. Sie n i m m t demnach die Schöpfung der W e l t als Gottes T a t an, durch welche er unmittelbar und ohne irgendeinen Zwischenschöpfer die W e l t frei schuf und alles Unsichtbare und Sichtbare aus dem Nichtsein in das positive Sein hervorbrachte. S o schuf der trinitarische Gott aus höchster Güte in der Zeit zunächst die unsichtbare und pneumatische W e l t , dann aber die sichtbare und wahrnehmbare, und zuletzt den geistig-materiellen Menschen 1 ) aus dem Nichts 2 ) und durch sein W o r t allein in sechs Tagen, völlig frei und allein v o n seinem guten und allmächtigen Willen getrieben, zu seinem R u h m und zur Sehgkeit seiner Geschöpfe. D e m z u f o l g e w u r d e die W e l t nicht aus ihr selbst, und bestand auch nicht v o n Ewigkeit, noch wurde sie aus einer Geist handelt, enthalten ist, noch von den späteren Ökumenischen Konzilien und von den großen Kirchenvätern des Ostens angenommen worden war; drittens, da es in theologischer und philosophischer Hinsicht der monarchischen Trinität einen Dualismus beilegt und somit die Monarchie ditheistisch auflöst; viertens aber, weü es nur von der westlichen, d. h. nur von einer Lokalen Kirche auf antikanonischem und gesetzeswidrigem Wege unbefugterweise eingefügt wurde, in ein Ökumenisches Symbol, das das Siegel der Unfehlbarkeit und Unveränderlichkeit trägt, da es j a die zwei ersten Ökumenischen Konzilien unter Entscheidung des heiligen Geistes unfehlbar formuliert hatten. So war es auch von den folgenden kirchlichen Konzilien unter ausdrücklichem Verbot, auch nur geringste Hinzufügungen oder Auslassungen vorzunehmen, als das kat'cxochen formulierte Symbol bekräftigt worden. So bestimmte die III. Ökumenische Synode, daß es ‫״‬nicht erlaubt sei, einen anderen Glauben vorzutragen, abzufassen oder zusammenzustellen, als den der heiligen Väter, die

in Nicaea unter dem heiligen Geist zusammengekommen waren" (Сап. VII, bei Mansi, Concil. IV, 1361 und bei Joh. Karmiris, а. а. 0 . 1 , 1 5 0 ) . Dieses Verbot wiederholten einstimmig alle darauffolgenden Synoden (vgl. Kallinikos von Kyzikos. Die I. Ökumenische Synode zu Nicaea, (griech.), Konstantinopel 1930, S. i88ff.). Obiges von der III. Ökumenischen Synode ergangene Verbot erläuterte ihr Vorsitzender, Cyrill v. Alexandrien, wenn er hinzusetzte, daß es keinesfalls erlaubt sei ‫״‬ein W o r t der dortigen Texte zu ändern, oder auch nur eine Silbe außer acht zu lassen" (Mansi, Concil. V, 308/309. Migne P. G. 77, col. 184). Und Basilius d. Gr. sagt: ‫״‬nicht eins der dortigen Worte ist ungültig zu machen" (Migne P. G. 32, col. 529). So lehrt auch der Damascener, а. а. О. IV, 13. Migne P. G. 94, col. 1 1 3 6 . 2 ) Siehe Gregor v. Nazianz, hom. 40, 45. Migne P. G. 36, col. 424.

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prEexistenten Materie geschaffen, sondern ist das Erzeugnis des freien Willens, der Allweisheit und der Allmächtigkeit des Dreieinigen Gottes, welcher sie ‫״‬εξ ονκ δντων"1) schuf. Ebenso trat die Welt nicht auf natürliche Art aus dem Wesen Gottes hervor, noch ist sie eine geschaffene Energie Gottes, sondern sie ist das Resultat seiner ungeschaffcnenEnergie2). Endlich wurde die Welt auch nicht aus irgendeiner Notwendigkeit heraus geschaffen, weil Gott ‫״‬unser in keiner Weise bedürfend, uns zum Dienen erschuf" 3 ), sondern sie ist das Erzeugnis der Güte, Liebe und des freien Willens Gottes, ohne daß er etwas ‫״‬erzwingt noch Gewalt auferlegt" 4 ). ‫״‬Als nun dem allergütigsten Gott die Betrachtung seiner selbst nicht genügte, sondern es ihm im Übermaß der Güte gefiel, daß etwas werde, was seine Wohltaten in Empfang nehme und teilhabe an seiner Güte, da brachte er (seine Schöpfung) aus dem Nichtsein [εκ τον μη δντος) in das Sein und schuf alles, das Unsichtbare wie auch das Sichtbare" 5 ). Gott ist also der Schöpfer der Welt - nicht dem Wesen nach und aus Zwang, sondern auf Grund seines freien Willens und seiner Energie und Güte. Die Schöpfung aber, als freie Tat Gottes, ist nicht ewig, sondern hatte einen zeithchen Anfang, und so wurde der bekannte gegenteilige origenistische Lehrsatz von der Kirche verurteilt. Die Absicht jedoch, der Plan und Ratschluß Gottes für die Welt bestanden vor der Zeit. Demzufolge verwirklichte Gott den von Ewigkeit her bestehenden „νοητόν κόσμον" und wandelte ihn durch die in der Zeit geschehene Schöpfung um in den „αίσΟητόν κόσμον", wie es die heiligen Väter gelehrt haben. Frei und aus dem Nichts die Welt erschaffend, war Gott vollkommen unabhängig von den unursprünglichen und enhypostatisierten Archetypen oder Ideen, wie er auch zur Schöpfung nichts bedurfte oder notwendig hatte, weder die Materie, noch Organe oder Arbeit usw.: 1

J II. Makk. 7, 28. ) Nach Gregor Palamas heißt es: ‫״‬dessen Energie geschaffen, er selbst aber nicht geschaffen ist; darum ist nicht Gottes Energie - fliehe diesen Gedanken! sondern das durch die Energie Bewirkte und das von ihr Erzeugte das Geschöpf" (Capita theologica, moralia et practica 73. Migne P. G. 150, col. 1172). Und an anderem Ort weist er die von den Lateinern festgehaltene Identifizierung des Wesens Gottes mit seiner Energie zurück, welche die wesentliche Relation zwischen Schöpfer und Geschöpf ist. Somit wird die Schöpfung vergottet und Gott stellt sich mit den Geschöpfen zusammen (syntaxetai tois ktismasi)", (ebenda, col. 1189). 3 ) Johannes Chrysostomus, ad eos qui scandalizati sunt, 7. Migne P. G. 52, col. 496. 4 ) Johannes Chrysostomus, de prophet. obscur. II, 3. M . P. G. s6, col. 180 und Gregor v. Nazianz, hom. 38, 9. Migne P. G. 36, col. 320. 6 ) Johannes v. Damaskus, а. а. О. II, 2. Migne P. G. 94, col. 864. 2

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‫״‬Denn unbedürftig ist Gott, aber die menschlichen Künste bedürfen einander . . . Der Schöpfer des Alls jedoch bedarf weder der Werkzeuge noch der Materie, und was den anderen Künstlern zu eigen ist, nämlich Materie, Werkzeuge, freilich auch Zeit, Arbeit, Wissenschaft und Sorgfalt, dies ist in allem für Gott der Wille." 1 ) Darum schafft Gott ‫״‬denkend und der Gedanke (έννόημα) war Werk, vom Logos erfüllt, durch den heiligen Geist vollendet" 2 ), oder: ‫ ״‬D e r Vater schafft durch den Logos u n d i m heiligen Geiste alles" 3 ). Daher ist es der Vater, ‫ ״‬v o n welchem alle D i n g e sind" ( i . K o r . 8, 6 ; R o m . I i , 36), der Sohn, ‫ ״‬d u r c h welchen alle D i n g e sind" ( δ ι ' ο ν τά πάντα; Joh. 1 , 3 ; 1 . K o r . 8, 6 ; K o l . 1 , 1 6 ;

Hebr. i, 2), und der heilige Geist, in welchem alle Dinge wurden (Gen. i , 2) 4 ). Es muß hinzugesetzt werden, daß ‫״‬alles was Gott tat, sehr gut

war" 5 ), und folglich das Böse in der Welt nicht aus dem guten Gott hervorgegangen, noch etwas in die Welt eingepflanztes ist; ‫״‬denn nichts Böses ist durch Gott geworden"6). Aber die Welt wurde nicht als absolut, selbständig und unabhängig geschaffen, sondern nur in relativer Selbständigkeit, welche ohne Mitwirkung und ohne die Vorsehung Gottes nicht zur Erhaltung und Entfaltung ihres Wesens ausreicht. So überließ der allgütige Gott die von ihm geschaffene Welt nicht ihrem Schicksal, sondern sorgte für sie weiterhin durch seine Vorsehung, sie erhaltend, regierend und dem letztlichen Ziel zuführend. Darum ‫״‬bekennen wir Gott" nicht nur als den Schöpfer, sondern ‫״‬wissen, daß alles durch die Vorsehung verwaltet wird, aber von ihm allein"7). ‫״‬Nicht nur brachte er (Gott) die Schöpfung hervor, sondern, nachdem er sie hervorgebracht hat, konstituiert er sie auch . . . und das Sichtbare schlechthin, wie auch das Unsichtbare erfreut sich seiner Vorsehung; und wenn es von jener Energie verlassen wird, dann vergeht es, zerrinnt und verdirbt8)." Die Erhaltung und Regierung, die sich auf die ganze Welt und auf alle jeweils nach ihrer Art geschaffenen Wesen erstreckt, wird durch Mitwirkung der göttlichen Kraft und Vorsehung zusammen mit den physischen und pneumatischen Kräften, wie *) Theodoret v. Cyrus, Graec. affect. curatio 4, Migne P. G. 83, col. 961. 2 ) Gregor v. Nazianz, hom. 38, 9. Μ. P. G. 36, 320 und Johannes v. Damaskus, a. a. Ο. II, Migne P. G. 94, col. 865. 3 ) Athanasius d. Gr., epist. ad Serapionen! I, 28. Migne P. G. 26, col. 596. 4 ) Vgl. Origenes, contr. Celsum 6, 60. Migne P. G. 1 1 , col. 1389 und Basilius d. Gr., de Spiritu sancto 16, 38. Migne P. G. 32, col. 136. 5 ) Gen. i , 31. 6 ) Theophilus v. Antiochien, ad Autolyc. II, 17. Migne P. G. 6, col. 1080. 7 ) Ebenda, III, 9. Migne P. G. 6, col. 1 1 3 3 . 8 ) Johannes Chyrsostomus, A d Paralyticum, hom. 12, 4. Migne P. G. 48, col. 810.

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auch der Weltordnung, bewirkt. In der Welt existiert nichts Zufälliges oder Unvorhergesehenes: ‫״‬Sage nicht, daß dies zufällig geschehen, und daß es von selbst begegnet sei. Nichts Ungeordnetes, nichts Unbestimmtes, nichts ungeplant Geschehenes, auch nicht so, daß es sich in den Wesen zufällig zugetragen habe, oder eine schlechte Schickung oder böse Stunde sei: roh sind diese S t i m m e n . . . bei Gott gibt es nichts Unvorherbedachtes, nichts oberflächlich Geplantes: alles beobachtet das schlaflose Auge, es ist allen zugegen und vermittelt jedem das Heil." 1 ) Während die göttliche Vorsehung in der vom Menschen erstrebten Ausführung des Guten mitwirkt, versagt sie jedoch umgekehrt ihre Mitwirkung in der von ihm in freier Entscheidung erstrebten Ausführung des Schlechten, ,,παραχωρεί δέ τώ αυτεξουσίω"2). So ‫״‬glauben wir, daß alles Seiende, das Sichtbare und das Unsichtbare von der Vorsehung Gottes regiert wird, daß Gott das Böse aber als Böses wohl vorhersieht und zuläßt, aber nicht der ist, der es vorherbestimmt (προνοητής), da er nicht dessen Schöpfer ist; wir glauben aber, daß es, einmal geschehen, dann von der äußersten Güte zu etwas Brauchbarem hingeleitet wird; die Güte zwar bewirkt es nicht, aber beeinflußt es zum Besseren, soweit es ihr möglich ist" 3 ). Als erste aller Geschöpfe wurden aus dem Nichts von Gott die Engel geschaffen, ‫״‬denn durch ihn ist alles geschaffen, was i m H i m m e l und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder H e r r -

schaften oder Fürstentümer oder Obrigkeiten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen"4). Der Name ‫״‬Engel" erläutert nicht sein Wesen, sondern seine Eigenschaft und seinen Dienst, damit er den Menschen den Willen Gottes verkünde. Nach dem Damascener ist Engel ‫״‬ein geistiges Wesen, immer i n Bewegung, frei, unkörperlich, ein Wesen, das Gott

dient und gnadenhalber in der Natur das Unsterbliche empfangen hat" 5 ). Nach dem Pseudo-Areopagiten aber sind die Engel ‫״‬rein von aller Verderbnis, v o n Tod, Materie, Geburt und was sonst dem Veränderlichen 1

) Basilius d. Gr., hom. ad psalm. X X X I I , 3. Migne P. G. 29, col. 329 und hom. 7 ad Hexahemeron 5. Migne P. G. 29, col. 160, vgl. auch Chrysostomus, De fato et Providentia. MigneP. G. 50, col. 749 sq., Theodoret v. Cyrus, De Providentia, Migne P. G. 83, col. 556 sq. 2 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. II, 29. Migne P. G. 94, col. 964 sq., daselbst wird ausführlicher über die Providentia Dei gehandelt. 3 ) Dositheos v. Jerusalem, confessio fidei 5, bei J. Karmiris, a. a. O .II, S. 749 u. ‫״‬Die Confessio des Orthodoxen Glaubens des Patriarchen Dositheos von Jerusalem" (griech.), Athen 1949, S. 48/49. 4 ) Kol. 1, 16. Gregor v. Nazianz, hom. 38, 9. Migne P. G. 36, col. 320. 5 ) a. a. O. II, 3. Migne P. G. 94, col. 865.

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unterworfen ist - als unkörperlich und nicht aus Materie bestehend"1). Also sind die Engel unkörperlich, ,,gleichsam wie Geist und Feuer materielos sind", darüber hinaus aber ,,sind sie nicht zu beschreiben und zu bestimmen. . . und befmden sich sofort allerorten, schnell von Natur . . ." 2 ) Als vernünftig und frei sind die Engel auch wandelbar, sie können im Guten verbleiben und fortschreiten, aber sie können sich auch dem Schlechteren zuwenden. Die guten Engel sind schwer beweglich in Richtung auf das Schlechte, aber dennoch nicht völlig unbeweglich, nichtsdestoweniger haben sie sich durch die göttliche Gnade fest im Guten verankert. Mit anderen Worten, die „Engel haben zwar in freier Entscheidung die Selbständigkeit, fallen aber nie aus dem Umhülltsein mit dem wirklich Guten heraus"3). Von den guten Engeln unterschieden sich die Dämonen, welche, obschon sie von Gott das Gute geschaffen und mit den guten Engeln derselben Natur teilhaftig waren, sich aus Hochmut gegen Gott erhoben und fielen und böse wurden, indem sie willentlich ihre Freiheit mißbrauchten; denn ihre Natur war, da sie ja geschaffen waren, für Wechsel und Veränderung empfänglich, „zumal sie außerhalb des Wesens Gottes sind und ohne Körperlichkeit bestehen"4). Nach ihrem Fall verankerten sie sich jedoch fest in dem Bösen und zeigten keine Buße. Sie sind zur ewigen Verdammnis bestimmt; ihr Regiment aber wird mit der zweiten Parusie des Herrn aufgelöst werden. „Nach dem Fall haben sie keine Möglichkeit zur Buße, gleichwie die Menschen sie nach dem Tod auch nicht haben"5) „ . . . die Dämonen tun nach dem Fall keine Buße, auch sündigen die Engel jetzt nicht, sondern beide haben das Unveränderliche."6) Die Lobpreisung Gottes und der Dienst unter ihm in der Regierung der Welt, wie auch die Ausführung des göttlichen Willens schlechthin ist die Aufgabe der guten Engel, andererseits aber ist es ihr Beruf den Menschen beizustehen u n d v o n G o t t als ‫ ״‬d i e n e n d e Geister z u m D i e n s t f ü r die

zukünftigen Erben des Heils"7) gebraucht zu werden. Daher ist ‫״‬dies der

D i e n s t der E n g e l : G o t t z u dienen z u unserem H e i l " 8 ) . D e r schlechten

D e divinis nominibus 4, 1. Migne P. G. 3, col. 693; vgl. Gregor u. Nazianz, h o m . theol. 28, 31. M i g n e P. G. 36, col. 72. 2 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O . II, 3. M i g n e P. G. 94, col. 865-872. 3 ) Basilius d. Gr., D e Spiritu Sancto 16, 18. M i g n e P. G. 32, col. 137. 4 ) Athanasius d. Gr., epist. ad Serapionen! I, 26. M i g n e P. G. 26, col. 592, vgl. contr. Arianos I, 51. M i g n e P. G. 25, col. 117. 5 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O . II, 4. M i g n e P. G. 94, col. 877. 6 ) Johannes u. Damaskus, contr. Manichaeos 75. M i g n e P. G. 94, col. 1573. 7

) Hebr. 1, 14. ) Johannes Chrysostomus, A d Hebr., h o m . 3, 2. M i g n e P. G. 63, col. 30.

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Engel Beruf aber ist es, dem heiligen Willen Gottes und dem Heilswerk für die Menschen zu widerstreben und entgegenzuwirken, indem sie die Menschen in der Sünde verstricken; sie sind aber nicht in der Lage, die vernünftigen und freien Menschen zwingen zu können. So wurde der Satan letztlich der Feind der Heilsratschlüsse und Energien Gottes, der Feind des Menschengeschlechtes und schlechthin der Träger und Anführer des Bösen in der Welt. Darum steht auch geschrieben: ‫״‬Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die W e r k e des Teufels zerstöre." 1 )

Letztlich sei bemerkt, daß nach der Lehre der siebenten Ökumenischen Synode2) die Orthodoxen den Engeln nur Ehre zollen und sie anrufen, ihnen aber nicht die nur Gott gebührende Anbetung darbringen, was bereits von dem Apostel Paulus3) und der lokalen Synode von Laodicaea (360)4) verurteilt wurde. j. Der Mensch Nachdem Gott die geistige und die materielle Welt geschaffen hatte, bildete er letztens ‫״‬aus dem Nichtsein i n das Sein" 8 ) den aus Geist u n d Materie ‫״‬zusammengesetzten" 6 ) u n d ‫״‬gemischten" Menschen, i h n ‫״‬aus

zwei Substanzen konstituierend"7). Er gehört der Seele oder seinem Geiste nach der geistigen, dem Leibe nach aber der materiellen Welt an, er ist also einem Ring zu vergleichen, welcher diese zwei vorher geschaffenen Welten verbindet und, nach Gregor dem Theologen, zur Verbindung zwischen ‫״‬der unsichtbaren u n d der sichtbaren N a t u r " w i r d 8 ) , oder nach Chrysostomus ‫״‬eine enge V e r b i n d u n g beider Schöpfungen ist" 8 ). S o

ließ Gott, ‫״‬von der präexistenten Materie den Leib nehmend, ihm aber seinen Odem einhauchend - was der Vernunft ja bekannt ist - , mit geistiger Seele und mit dem Ebenbild Gottes begabt, gleichsam einen zweiten Kosmos entstehen, wo sich der kleine im großen befindet. So Heß er den Menschen auf Erden erstehen, gleichsam als einen Engel, einen Anbeter, der eine gemischte Substanz besitzt; er Heß einen Wächter für die sichtbare Schöpfung erstehen, einen Mysten des Geistigen, einen I. Joh. 3, 8. ) bei Joh. Karmiris, a. a. 0 . 1 , 2 0 4 .J. Harduin, Acta Conciliarum IV, 456 und 265. 3 ) Kol. 2, 18, vgl. O f f b . 19, 10 und 22, 9. 4 ) Joh. Karmiris, a. a. O. I, 215. 5 ) Basilius d. Gr., in martyrem Julittam 6. Migne P. G. 31, col. 253. 6 ) Basilius d. Gr., comm. in Is. 1, 13 und Psalm. 32, 6. Migne P. G. 30, col. 140 und 29, col. 337. 7 ) Johannes Chrysostomus, in Gen., hom. 14, 5. Migne P. G. 53, col. 1 1 7 . 8 ) Gregor v. Nazianz, Or. 38, 1 1 . Migne P. G. 36, col. 317 sq., 632. *) Johannes Chrysostomus, In incerta A. T. 2, 5. Migne P. G. 56, col. 182. 2

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K ö n i g setzte er somit über die irdischen D i n g e , der v o n oben her g e bietet" 1 ). S o ist der aus geistiger Seele und materiellem Leib Z u s a m m e n gesetzte das einzige in der W e l t existierende, geistig-materielle und seelisch-leibliche Wesen, in w e l c h e m nach dem freien schöpferischen Ratschluß Gottes eine v o l l k o m m e n e und arteigene Verbindung v o n Geist und Materie zustande g e k o m m e n ist. U n d diese Verbindung ist die K r o n e der Schöpfung aller sichtbaren Wesen, und aus diesen hebt sich die Erhabenheit des Menschen hervor, der sich durch sein W e s e n und durch seine N a t u r v o n allen anderen Geschöpfen unterscheidet und nur ein wenig niedriger ist als die Engel, w i e es der Psalmist ausdrückt 2 ); denn zu A n f a n g lebte er „als Engel auf E r d e n " 3 ) . Diese unvergleichliche Erhabenheit und W ü r d e des Menschen ergibt sich daraus, daß er „nach dem Bilde und nach Ähnlichkeit" mit Gott g e schaffenwurde 4 ). U n d das „nach dem B i l d e " offenbart das Geistige und das Freisein 5 ), das „nach Ähnlichkeit" aber die zu erstrebende Ahnlich1

J Gregor v. Nazianz, Orat. 38, 1 1 . Migne P. G. 36, col. 3 i 7 f . und 632. ) Psalm. 8, 6, vgl. Basilius d. Gr., in Psalm. 48, 8. Migne P. G. 29, col. 449; vgl. auch: in Is. 2, 83. Migne P. G. 30, col. 253f. 3 ) Johannes Chrysostomus, in Gen. hom. 15, 4. Migne P. G. 53, col. I24f. 4 ) Gen. 1 , 26. 5 ) Hinzuzusetzen ist, daß einige Väter mit dem „nach dem Büde" zugleich auch die von uns in der ursprünglichen Gerechtigkeit wiedergegebene und als Ergebnis des „nach dem Büde" zu betrachtende (vgl. auch M. Schmaus, Katholische Dogmatik, München 1954 5 , vol. II, S. 125 ff.) Herrschaft der Erstgeschaffenen über die Schöpfung erwähnen. So schreibt z. B . Basilius d. Gr., daß Gott „uns das ,nach dem Bilde' zum Beherrschen dessen gab, was im Wasser und auf dem Lande ist" (in Is. 2, 83. Migne 30, col. 256, vgl. col. I7f. und hom. in psalm. 48, 8. Migne P. G. 29, col. 449). Vgl. Gregor Palamas, Capita physica, theologica, moralia et practica 62. Migne P. G. 150, col. 1165. Aber die wenigsten ziehen dabei auch die Liebe in Betracht. So ist besonders P. Bratsiotis zu erwähenn; andere Theologen ziehen auch Unsterblichkeit, Güte und Menschenliebe mit in Betracht. Über dies alles siehe P. Bratsiotis, Gen. 1, 26 in der orthodoxen Theologie (griech.), in „Orthodoxia" X X V I I (1952), SS. 359-372, deutsch in „Evangelische Theologie" 1951-52, Heft 7 und 8. Z u dieser Frage beschränken wir uns hier nur auf die Bemerkung, daß die erwähnten wie auch andere, und dabei besonders ethische Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen der geistigen und ethischen Natur und ganz allgemein der Persönlichkeit des Menschen angehören, wozu gerade das „nach dem B ü d e " in Beziehung steht; denn die Persönlichkeit ist ja Ausdruck und Ergebnis des Intellektes des Menschen und seiner Selbständigkeit, die beide in ihrem Streben zu Gott gerichtet sind, und dies hat auch des Menschen Anpassung an das Gesetz Gottes zur Folge. Letzten Endes ist diese anthropomorphe Anschauung entschieden zu verwerfen, „wenn sie sagen, der Leib sei ,nach dem Büde'; aber wie sollte das Sichtbare 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

keit in der Tugend" 1 ) in Verbindung, Beziehung und Hinwendung des Menschen zu Gott. Daraus ergibt sich, daß „das ,nach dem Bilde' uns in aller Ursprünglichkeit gegeben ist und wir es bis zum Ende behalten. Das ,nach Ähnlichkeit' jedoch können wir in eigener Wahl erwerben . . . es ist das letzte Ziel meiner Werke und meines Mühens um das Gute; und so wird es mir durch tugendhaften Wandel im Verlaufe meines Lebens zuteil. . . durch mein eigenes Bemühen . . . um dadurch Rechtschaffenheit zu erlangen". So ist also das ,nach nach Ähnlichkeit' „der Potenz nach das ,nach dem Bilde' selbst, der Wirkung nach jedoch die Aneignung der Tugend und der Tat nach das Vollbringen des Guten und somit das durch sehr guten Lebenswandel in das ,nach Ähnlichkeit Gottes' Hineinwachsen"2). So „rührt das ,nach dem Bilde' vom Willen des Schaffenden her, das ,nach Ähnlichkeit' jedoch, vom Bemühen und der Tugend des Geschaffenen"3); denn „das eine haben wir von der Schöpfung, das andere aber müssen wir aus eigenem Antriebe erreichen"4). So sei auch bemerkt, daß das durch den Sündenfall verdunkelte ,nach dem Bilde' der Heiland im alten Glänze wieder erstehen Heß, und er bewirkte zugleich, daß auch das für das zerstoßene Gefäß „hinsichtHch des ,nach ÄhnHchkeit'" UnmögHche wieder mögHch wurde; denn Er ist das wahre „Bild Gottes, des Unsichtbaren"5), und Er gewährt denen, die an Ihn glauben, die Fähigkeit „seinem Bild gleichgestalt"6) zu werden und Gott aus Gnaden durch ein „das ganze Leben andauerndes tugendhaftes Leben" ähnlich zu werden. So „wurde in den früheren Zeiten gesagt, daß der Mensch zwar nach dem Bilde Gottes geschaffen sei, daß es sich aber nicht zeige; denn auch der Logos war noch unsichtbar, nach dessen Bild der Mensch geschaffen ist; darum legte er auch die Ähnlichkeit leicht ab. Als aber der Logos Gottes Fleisch wurde, bestätigte er beides: das ,nach dem Bilde' zeigte er in Wahrheit, indem er geworden war, was ja sein Bild war, und die wirkliche Ähnlichkeit steHte er her, indem er den Menschen zugleich dem unsichtbaren Gott ähnlich machte"7). Aus dem obigen geht hervor, daß das, was die Natur des Menschen ausmacht, die Vernunft ist, dem Unsichtbaren ähnlich sein? das Leibliche dem Nicht-Leiblichen? wie das, was Gefühl besitzt, dem Unverständlichen?" (Epiphanius, adv. haer. 70, 5. Migne P. G. 42, col. 345). *) Johannes v. Damaskus, a. a. O. II, 12. Migne P. G. 94, col. 920. 2 ) Basilius d. Gr., De hominis struetura I, 20. Migne P. G. 30, col. 29f., 32. 3 ) Metrophanes Kritopoulos, Confessio II, bei Joh. Karmiris, a. a. O. II, 514. *) Gregor v. Nyssa, in Verba, faciamus hominem, etc. Migne P. G. 44, col. 273. 5 ) Kol. 1, 15. II. Kor. 4, 5. 6 ) Rom. 8, 29. 7 ) Irenaeus, adv. haer. V , 16, 2. Migne P. G. 7, col. 1167.

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die Freiheit und die Möglichkeit, Gott, der Tugend und der Güte ähnlich zu werden, wobei die göttliche Gnade Beistand leistet. Als Ausdruck, Kundmachung, Schmuck und Ergebnis des ‫״‬nach dem Bilde"

bestand die sogenannte ursprüngliche Gerechtigkeit

(Justitia

originalis) des Menschen, welche seine Herrschaft über das Lebendige und die ganze Schöpfung, die Möglichkeit zu Unsterblichkeit und Sündlosigkeit, die Redlichkeit und Unschuld oder ‫״‬das Unversehrte und Unverletzte" 1 ), die Leidenslosigkeit, die Unvergänglichkeit und das

Fehlen von Kummer und Leid, die wahre Gotteserkenntnis und ‫״‬Cont e m p l a t i o n " w i e auch die unmittelbare Gemeinschaft m i t G o t t u n d den Besitz vieler anderer Erkenntnisse umfaßte 2 ). A u f solche Weise bildete G o t t den Menschen: ‫״‬unschuldig, rechtschaffen, tugendhaft, schmerzlos,

sorgenfrei, mit jeder Tugend geschmückt und mit allem Guten prunkend . . . irdisch und himmlisch, zeitlich und unsterblich, sichtbar und ideal, inmitten seiner Größe und Demut, ebenderselbe Geist und Fleisch... und schließlich in der Neigung zu Gott wird er vergottet, vergottet aber schaut er (die Herrlichkeit Gottes) unter Teilnahme an dem göttlichen Glanz, aber nicht als in das göttliche Wesen verwandelt. Gott aber schuf ihn von Natur aus sündlos und mit freiem Willen 3 ); sündlos, sage ich nicht in dem Sinne, daß er nicht für die Sünde empfänglich wäre, sondern daß es ihm von Natur aus nicht zu eigen sei zu sündigen, vielmehr aber in seiner Wahl liegt, obgleich es in seiner Macht steht, im Guten zu verbleiben und durch Mitwirkung der göttlichen Gnade voranzuschreiten, wie es auch an ihm hegt, sich vom Guten zum Schlechten hinzuwenden, was Gott auf Grund der Freiheit zuläßt"4). Desgleichen bildete Gott den Menschen, indem ‫״‬er ihm seine göttliche Gnade übermittelte und durch sie den Menschen in Gemeinschaft mit sich brachte"5). So verbheb der x

) Basilius d. Gr., in Is. 7, 202. Migne P. G. 30, col. 465.

) Vgl• Johannes v. Damaskus, а. а. О. II, 1 1 . 12. 30. Migne P. G. 94, col. 912 sq., 920 sq., 976 sq., 1108. ‫־‬

3

) Athanasius d. Gr. lehrt, daß im Prinzip Gott den Menschen so schuf: ‫ ״‬v o n Natur aus sündlos und mit freiem Willen begabt . . . zur Unsterblichkeit und zum Bilde seiner eigenen Ewigkeit" (contr. Apollin. 1, 15. M . P. G. 26, col. 1120), vorher aber auch Theophilus v. Antiochien, in A d Autolyc. II, 27 (M. P. G. 6, col. 1096): ‫״‬Gott schuf den Menschen ,SXEV&EQOV xai avregovoiov'". ) Joh. v. Damaskus, а. а. О. II, 12. M . P. G. 94, col. 921.924. Diese Stelle stützt sich auf Gregor v. Nazianz, Or. 38, 1 1 . M . P. G. 36, col. 321/4. Z u den übertriebenen Ausdrücken dieser patristischen und späterer orthodoxer Texte, die den Menschen vor dem Fall betreffen, vgl. Ch. Androutsos, Symbolik 2 (griech.), Athen 1930, S. 165/7. 4

5

) Joh. v. Damaskus, а. а. О. II, 30. M . P. G. 94, col. 976.

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

Mensch in der Harmonie mit Gott, mit sich selbst und mit der Schöpfung. Aus dem Gesagten kann der Schluß gezogen werden, daß bei dem Stammvater harmonisch verbunden und nicht voneinander getrennt oder identisch miteinander hier das göttliche Ebenbild und da die ursprüngliche Gerechtigkeit existierten. Während wir aber auf diese Weise zwischen dem adamitischen göttlichen Bild und der ursprünglichen Gerechtigkeit einen Unterschied machen, akzeptieren wir trotzdem eine zwischen ihnen bestehende organische Verbindung, indem wir die ursprüngliche Gerechtigkeit ganz natürlich aus dem göttlichen Bilde hervorquellen, entspringen und hervorsprießen sehen, als ihren Schmuck und allerdings nur relativ vollkommen und für weitere Entwicklung und weiteren Fortschritt empfänglich. So war auch allgemein des Menschen Zustand vor dem Fall nicht absolut vollkommen und unempfänglich für Fortschritt und Entwicklung, das heißt, die besagte Vollkommenheit des Menschen war keine absolute, sondern eine relative. Sie war somit empfänglich für weitere Entwicklung und für Fortschritt unter Zusammenwirken der göttlichen Gnade mit des Menschen physischen Kräften des Geistes und der Freiheit zur Vollendung und Umwandlung des ,,nach dem Bilde" in das „nach Ähnlichkeit". Es ist Tatsache, daß die ersten Menschen nicht ethisch vollkommen waren, denn dies hätte den Mangel an freiem Willen mit sich gebracht, und ihre Taten würden keinen ethischen Wert haben; sie waren aber auch von Natur aus nicht unvollkommen, weil in solchem Falle Gott die Ursache ihres Falles gewesen wäre. „Wenn die einen schlecht, die anderen aber gut geschaffen worden wären, so würden weder jene als Gute zu loben sein, da sie als solche zugerüstet worden waren, noch könnte man die andern tadeln, da sie so geschaffen sind. Aber . . . sie sind alle von derselben Natur, befähigt das Gute zu besitzen und zu tun, oder zu verwerfen und nicht zu tun" 1 ). Nach Basilius dem Großen mußte und konnte darum der Mensch frei entwickelt und auf ethische Weise vollkommen gemacht und so „in den Rang der Engel durch Vervollkommnung . . ." erhöht werden. „Der vollendete Mensch wird in den Rang der Engel eingeführt" 2 ) und gelangt „in eine Höhe, keine erdichtete, sondern eine wahre, durch Gottes Kraft groß gemacht, durch Gottes Weisheit erhellt, mit ewigem Leben und allem Guten erfreut"3). Alle geistigen und ethischen Eigenschaften und Qualitäten des menschlichen Zustandes vor dem Fall sind also weder im „übernatürlichen" und so völlig vollendeten ZuIrenaeus, adv. haer. IV, 37, 2 und 6. Migne P. G. 7, col. rioo, 1103. ) Basilius d. Gr., hom. in Hexahem. 9, 6. Migne P. G. 29, col. 205. 3 ) Basilius d. Gr., hom. de humilitate 20. Migne P. G. 3 1 , col. 525. 2

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1

stand zu verstehen, wie es die römisch-katholische Kirche tut ), noch in gänzlich ‫״‬natürlichem" und somit vollkommenem Zustand, wie es die Protestanten in entgegengesetzter Weise auffassen2), sondern sie befanden sich in einer Entwicklung und Bewegung zur Vollendung hin. Der Mensch wurde frei geschaffen, um sich zu entwickeln und ethisch vollkommen zu werden, empfing aber auch die Fähigkeit der Unsterblichkeit, um also unsterblich und unvergänglich zu werden, wobei sich versteht, daß dies mit dem Willen Gottes geschieht, oder „daß der Herr durch seine Kraft ihm, dem Sterblichen, Unsterblichkeit und ihm, dem Vergänglichen, Unvergänglichkeit verleihen kann . . ., denn das Sterbliche wird vom Leben verschlungen"3). Gerade in dieser Sache, nämlich der Erlangung der oben geschilderten Vollkommenheit, Unsterblichkeit, Ähnlichkeit und Vergottung sind besonders die griechischen Väter zu beachten, die die göttliche Gnade harmonisch mit der menschlichen Freiheit verbinden, ohne deren Mitwirkung die ethische Vervollkommnung und die Errettung des Menschen unmöglich ist. So lehrte bezeichnenderweise bereits Irenaeus, daß die ersten Menschen im Paradies kleine Kinder waren und ihren Weg zur Vervollkommnung beschreiten mußten, „indem der Geist der Ernährer und Vermehrer ist, und der Mensch langsam Fortschritte macht und sich demVollkommenen nähert, das heißt, daß er sich dem Ungeschaffenen nähert . . s o muß der Mensch zuerst werden, und geworden, muß er wachsen, wachsend, muß er reifen, herangereift, muß er sich vermehren, vermehrt, muß er stark werden, erstarkt, muß er zu Ruhm gelangen, und im Ruhme stehend, muß er seinen Gebieter sehen"4). An anderer Stelle hinwiederum betont Irenaeus, daß die ersten Menschen nur durch den heiligen Geist geistig und vollkommen würden - „secundum participationem Spiritus"5). In ähnlicher Weise lehrt der heilige ChrysostoSiehe M. Schmaus, a. a. O., S. 358 fr. Vgl. W. Niesei, a. a. O., S. 41 ff. ) Vgl. W. Walther, Lehrbuch der Symbolik, Leipzig-Erlangen 1924, S. 3 1 1 ff. 3 ) Vgl. Irenaeus, adv. haer. IV, 38, 3, V, 13, 3. Migne P. G. 7, col. 1107. 1158/9. Theophilus v. Antiochia, ad Autolyc. II, 24, 27. Migne P. G. 6, col. 1089, 1093/6. Tatian, ad Graecos 13. Migne P. G. 6, col. 833. 4 ) Irenaeus, adv. haer. IV, 38, 3. Migne P. G. 7, col. 1108. 5 ) Ebenda, V, 6, 1, col. 1 1 3 7 . Irenaeus setzt hinzu, daß, wie der Herr als Kind geboren wurde, hernach heranwuchs, Fortschritte machte, reif und vollkommen wurde, so auch der erste Mensch als Kind geschaffen wurde, daß er geistig und ethisch heranwachse, Fortschritte mache, reif und vollkommen werde. Vgl. ebenda, IV, 38, 3, col. 1108: „Durch diese Ordnung und durch solche Stadien und solchen Wandel entwickelt sich der geborene und geschaffene Mensch nach dem Büde und nach Ähnlichkeit des ungeborenen Gottes, indem der Vater 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

mus, daß sie auch ‫״‬die v o n oben k o m m e n d e Z u n e i g u n g . . . u n d Gunst, die ihnen der Gebieter erzeigte" 1 ), n o t w e n d i g hatten, insofern ‫ ״‬w i r ohne M i t w i r k u n g u n d H i l f e Gottes das Gute unmöglich w o l l e n oder voll-

bringen können"2). Infolgedessen bedurften die ersten Menschen der göttlichen Gnade als vereinigendem Band zwischen dem unendlichen Gott und dem endlichen Menschen, auf daß dieser durch gute Anwendung

seiner Freiheit und geistige Bemühung das ‫״‬nach dem Bilde" entfalten und in das ‫״‬nach Ähnlichkeit" umwandeln könne, wenn er ‫״‬gewohn-

heitsgemäß mit Gott vereint, die Stetigkeit im Guten unumstößlich empfangen würde" 3 ). Aber der Mensch hatte vom Schöpfer zugleich ‫ ״‬d e n freien T r i e b " empfangen, ‫״‬welcher zur vernünftigen Natur ge-

hört . . . , von Natur aus braucht er Freiheit und kann sich beidem zuneigen: der Wahl des Guten und des Schlechteren"4). Demzufolge lag bereits in der Freiheit des ersten Menschen die Möglichkeit zur Sünde. Aus dem guten Gebrauch der Freiheit konnte die ethische Entfaltung hervorgehen, und ebenso die Vervollkommnung und Umwandlung des ,nach dem Bilde' in das ,nach Ähnlichkeit'. Dazu mußte die göttliche Gnade mithelfen, durch die ‫״‬die natürliche Vergänglichkeit abgeschwächt würde, und er unvergänglich bliebe", unsterblich und der Sünde verschlossen5). Umgekehrt resultiert aus der schlechten Anwendung der Freiheit durch die Sünde das Herausfallen des Menschen aus der göttlichen Gnade und aus der ursprünglichen Gerechtigkeit. Die Erbsünde war die aus der Eigenliebe und dem Stolz6) herrührende freie Übertretung des ethischen Gesetzes, welches in Gestalt des Gebotes Gottes den ersten Menschen gegeben war. Aus Neid und durch Einfluß des Teufels7) segnet und befiehlt, der Sohn handelt und schafft, der Geist aber ernährt und aufwachsen läßt, und der Mensch langsam Fortschritte macht und zum Vollkommenen gelangt . . ., denn vollkommen ist der Ungeborene, ist Gott." Johannes Chrystostomus, in Gen. hom. 1 6 , 5 , 6 . M i g n e P . G.53,col. 13t, 1 3 2 , 1 3 3 . 2 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. II, 29 und 30. Migne P. G. 94, col. 968/9. 3 ) Ebenda, II, 30, col. 977. 4 ) Basilius d. Gr., Deus non est causa mali 6. Migne P. G. 3 1 , col. 344. Contr. Eunomium 3, 2. Migne P. G. 29, col. 660. 6 ) Athanasius d. Gr., Or. de inc. Verbi 4. Migne P. G. 25, col. 104. 6 ) Nach Johannes Chrysostomus ist der Stolz ‫״‬die Wurzel und Quelle und Mutter der Sünde", durch welche auch ‫״‬der Erstgeschaffene aus dem Stand der Glückseligkeit herausfiel", und der Teufel ‫״‬von jener Höhe der Würde herabfiel" (in Joan., hom. 9, 2. Migne P. G. 59, col. 72). 7 ) V g l . J ohannes v. Damaskus, a. a. O., col. 980 und weiter unten IV, 22, col. 1197, w o er hinzusetzt, daß des göttlichen ‫״‬Gebotes Übertretung Sünde ist, diese aber entsteht durch des Teufels Angriff und unsere unerzwungene und freiwillige Annahme derselben".

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‫״‬befiel also Sünde und Übertretung" die ersten Menschen beim Übertreten des Gebotes Gottes, weil sie danach strebten, Gott gleich zu sein durch Loslösung von ihm und Erwerb göttlichen Wissens, göttlicher Seligkeit und Vollkommenheit durch eigene Mittel1). So aber ‫״‬brachte der erste Mensch den Tod für die ganze Welt" 2 ). Während es also die Bestimmung des unentfalteten und noch unentwickelten Menschen gewesen wäre, sich allmählich unter ‫״‬der Zuneigung von oben" zu entwickeln, zu v e r v o l l k o m m n e n u n d G o t t ähnlich zu werden, verfehlte er

nun durch den Ungehorsam diese seine Bestimmung und sündigte also, indem er von dem zur Vervollkommnung und Vergottung führenden Weg abglitt, aus seinem Urständ herausfiel und der Macht der Sünde, des Verderbens und des Todes verfiel. Dies vollbrachte der vom Teufel (und selbstverständlich nicht vom gütigen Gott) hinabgezogene erste Mensch ausschließlich aus eigener Verantwortung. Die vom Teufel ausgedachte und gestellte Falle entzündete nämlich im Menschen ‫״‬die Begierde, Gott ähnlich zu werden" 3 ), und so sündigte er. Folglich heißt es: ‫ ״‬U r s p r u n g u n d W u r z e l der Sünde sind w i r ( r ö iq>' rjfilv)

und

die Freiheit"4). ‫״‬Suche also nicht das Böse außerhalb, stelle es dir nicht in einer eigenen Hypostase vor, auch nicht als ursprüngliche Natur des Übels . . . halte auch nicht Gott für die Ursache der Existenz des Bösen. . ., sondern: jeder soll sich selbst als den Urheber der Sünde, die in ihm ist, erkennen!"6) ‫״‬Denn er selbst ist für sich zur Ursache aller Übel geworden"6). Als Folgen der Erbsünde ergaben sich die Verderbtheit und Verdunklung des götthehen Bildes im Menschen - das bedeutet aber noch nicht seine völlige Auslöschung und Zerstörung - , und so auch der Verlust aller das göttliche Bild schmückender Gaben der ursprünglichen Gerechtigkeit und der Verlust des ‫״‬nach Ähnlichkeit", der Abbruch der inneren und direkten Gemeinschaft des Gefallenen mit Gott7) und das HerausVgl. Johannes Chrysostomus, in Gen., hom. 17, 1 und 16, 4. Migne P. G. 53, col. 135 u. 130, in Matth., hom. 65, 6. Migne P. G. 58, col. 626. 2 ) Kyrill V.Jerusalem, catech. 13, 2. Migne P. G. 33, col. 773. 3 ) Basilius d. Gr., Deus non est causa mali 8. Migne P. G. 3 1 , col. 348. 4 ) Ebenda, 3, col. 332, vgl. col. 345. 6 ) Ebenda, 5, col. 341 hom. in Hexahem. 2, 5. Migne P. G. 29, col. 37-40. 6 ) Johannes Chrysostomus, in Gen., hom. 15, 4. Migne P. G. 53, col. 125. 7 ) Auch Johannes v. Damaskus sagt (a. a. O., IV, 4. Migne P. G. 94, col. 1108): ‫״‬Durch die Übertretung des Gebotes haben wir die Züge des göttlichen Bildes verdunkelt und verwischt, ins Böse geraten, wurden wir der göttlichen Gemeinschaft bar, und aus dem Leben herausgeraten, verfielen wir dem tödlichen Verderben". Und nach Gregor Palamas (Cap. phys. theol. etc. 39. Migne P. G. 150, col. 1148) heißt es: ‫״‬Nach jener Übertretung in der Ursünde durch das

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Die orthodoxe Kirche in griechischer

Sicht

fallen aus der Gnade des ‫״‬nach dem Bilde Gottes" Geschaffenen, die geistige u n d leibliche Verderbnis und Schwachheit der menschlichen Natur, u n d endlich auch der T o d , der natürliche, der geistige und der

ewige, welcher von Gott zugelassen wurde, auf daß das Böse nicht unsterblich würde, das hinwiederum nicht von ihm geschaffen wurde. Nach Athanasius dem Großen also „wurde der Mensch, obgleich als vollkommen geschaffen, durch die Übertretung mangelhaft und durch die Sünde sterblich . . . Da nun der Mensch sündigte und fiel, war auf Grund seines Falles alles in Unordnung gebracht: der Tod trat in Kraft von Adam bis Moses, die Erde ist aus den Fugen geraten, der Hades öffnete sich, das Paradies wurde verschlossen, der Himmel war erzürnt, und, als letztes, verdarb der Mensch und wurde bar jeden Besitzes, und auf uns stürzte sich der Teufel" 1 ). Von nun an irrt der gefallene und verwundete Mensch umher, im Zwiespalt mit Gott wegen der Sünde, im Zwiespalt auch mit sich selbst, auf Grund der in ihm selbst entstandenen Antithese zwischen Geistigkeit und Sensibilität, zwischen seelischen und leiblichen Mächten und Schöpfungen, wie es im siebenten Kapital des Römerbriefes vom Apostel Paulus beschrieben wird, und schließlich steht er im Zwiespalt mit der gesamten Schöpfung, die durch den Menschen der Eitelkeit unterworfen wurde. Es ist aber besonders zu bemerken, daß der Geist und die Entscheidungsfreiheit des gefallenen Menschen, die durch die Sünde geschwächt wurden, ihn doch nicht so völlig verließen, daß er außerstande wäre, das Gute zu tun und sein ethisches Leben zu entfalten, in welchem Sinne es weiter unten Dositheos von Jerusalem erläutert. Wie bekannt, stellte die Orthodoxe Katholische Kirche im siebzehnten Jahrhundert diese altüberlieferte Lehre der calvinistischen Lehre der Confessio des Cyrill Loukaris2) entgegen, welche durch die Synoden von Konstantinopel (1638)3), von Konstantinopel-Jassy (1642)4) und von Jerusalem (1672) 5) verurteilt wurde, wie auch durch die Orthodoxen Holz im Paradies erlitten wir vor dem leiblichen Tod den Tod der Seele, welcher ihre Trennung von Gott ist; das ,in Ahnlichkeit-Sein' mit dem Göttlichen verloren wir, verloren haben wir jedoch nicht das ,nach dem Bilde'. Vgl. W. Zenkowsky, Das Böse im Menschen, in der Ausgabe des Weltkirchenrates: Kirche, Staat und Mensch, Genf 1937, S. 359. 1 J Athanasius d. Gr., contr. Arianos, II, 66. Migne P. G. 26, col. 288. Horn, zu „Omnia mihi tradita sunt" 2. Migne P. G. 25, col. 209. 2 ) Cap. 14, bei Joh. Karmiris, a. a. O. II, S. 567, vgl. Calvin, Instit. II, 3, Iff. Conf. Belg. 24, Conf. Gallic. 22. 3 ) Joh. Karmiris, ebenda, S. 573. 4 ) Ebenda, S. 580. 6 ) Ebenda, S. 713 ff.

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Confessiones des Petrus Mogilas1), des Dositheos2) und durch die ältere des Kritopoulos3). Von diesen führen wir als Beispiel die Lehre des Patriarchen Dositheos an: ‫״‬Daß der Mensch von Natur aus sich um das Gute bemühen kann, deutet auch der Herr an, wenn er sagt, daß die Heiden die lieben, die sie heben; und am klarsten wird von Paulus ausdrücklich gelehrt, daß die Heiden, obgleich sie das Gesetz nicht haben, doch von Natur des Gesetzes Werk tun. Daraus geht auch klar hervor, daß unmöglich, was der Mensch Gutes tut, Sünde sei; denn das Gute kann unmöglich schlecht sein. Das Gute freilich, von Natur allein geworden und seelisch zugelassen, treibt denjenigen nicht geistig an und dient demjenigen nicht einfach zum Heil, der keinen Glauben hat. . ., es gereicht aber auch nicht zur Verurteilung; denn das Gute an sich kann ja nicht zur Ursache des Bösen werden. In den Wiedergeborenen aber macht es, von und durch die Gnade bewirkt, den Menschen, der sich bemüht, vollkommen und des Heils würdig" 4 ). Die Ursünde mit allen ihren Folgen und Strafen überträgt sich erblich auf jedes von den ersten Menschen abstammende menschliche Geschlecht; denn ‫ ״‬d u r c h eines Menschen Ungehorsam sind viele Sünder g e w o r d e n "

und ‫״‬durch eines Sünde ist die Verdammnis über alle Menschen gekommen", also ‫״‬durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und der Tod durch die Sünde, und also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben"5), darum ‫״‬sterben sie alle i n A d a m " 6 ) . Aber nicht n u r die ‫ ״‬f ü r die Seele ein fremdes Ereignis" 7 )

bildende Ursünde, sondern auch ihre Folgen samt allen Strafen übertragen sich erbhch auf alle Nachkommen. So entsprang der Zustand der Sünde aus dem einen geschichtlichen Geschehnis der ersten Sünde des Stammvaters, welche sich mit allen ihren Folgen auf alle seine Abkommen übertrug. Daher ‫״‬gelangte durch die Übertretung Adams die Sünde zu allen Menschen"8). Da sie beim Stammvater Eintritt fand, wurden 1

) Ebenda, S. 604, 605, 607. ) Ebenda, S. 756/7• 3 ) Ebenda, S. 521 ff., 526 ff., 531fr. 4 ) Ebenda, S. 756/7. 6 ) Rom. 5, 1 2 . 18. 19. 6 ) I. Kor. 15, 22 ‫״‬das erste (Rom. 5, 12) ergänzt sich durch das zweite (I. Kor. 12, 22), besonders aber durch das ,in Adam', was zwar in Rom. 5, 1 2 fehlt, aber in der Tiefe des Gedankens mitenthalten ist". P. Bratsiotis, Der Mensch im Neuen Testament, in ‫״‬Epist. Epeteris der Theol. Fakultät der Universität Athen 1954-55" (griech.), S. 92, Anm. 1 . 7 ) Athanasius d. Gr., or. contr. Graec. 34. Migne P. G. 25, col. 68. 8 ) Athanasius d. Gr., contr. Arianos I, 51. Migne P. G. 26, col. i r 7 . 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

folglich alle von ihm Abstammenden und seiner Natur teilhaftigen Menschen mitsündig, die ‫״‬vom Anfang der Schöpfung an einander folgten und geboren wurden" 1 ). Im ersten Menschen sind ‫״‬die Bedingungen der Nachfolge des ganzen Geschlechtes" 2 ) i m Prinzip m i t e n t -

halten. Daraus geht hervor, daß das zu Adam Gesagte auch allen gilt, die aus ihm geworden sind. Gott beschloß den Tod über ihn mit den W o r t e n : ‫״‬Erde bist du, u n d zu Erde sollst d u w e r d e n " . A l l e aber, die aus i h m geworden sind, haben neben i h m A n t e i l am Leiden, so daß ‫ ״‬k e i n v o n M a k e l reiner Mensch, u n d sei es auch n u r einen T a g lang nach seiner Geburt, zu finden ist" 3 ).

Daher sollte, gemäß der zumeist von den griechischen Vätern vertretenen Anschauung, die erbliche Übertragung der Ursünde von der Einheit der gesamten menschlichen Natur und der Wesenseinheit aller Menschen her verstanden werden. So macht Cyrill von Alexandrien folgende B e m e r k u n g : ‫ ״‬W a h r l i c h , durch den Ungehorsam des einen, das heißt.

Adam, ist die (menschliche) Natur krank geworden, und deshalb wurden viele zu Sündern; nicht weil sie mit Adam übertreten haben, denn sie existierten ja noch nicht, sondern weil sie seine Natur haben, die Natur dessen, der unter das Gesetz der Sünde fiel. . . Die menschliche Natur erkrankte in Adam durch Ungehorsam an Verderbtheit, und sonach brachte sie das Leiden"4). Und Anastasius Synaiticus schreibt: ‫״‬Es ist notwendig zu prüfen, wie der Vorvater die ihm der Übertretung halber auferlegte Strafe auf uns gebracht hat. E r hörte das ‫״‬Erde bist du, u n d zu Erde sollst d u w e r d e n " , da w u r d e aus dem Unvergänglichen der Vergängliche,

er geriet in die Bande des Todes. Da er nun, dem Tode verfallen, Kinder zeugte, sind die aus ihm als aus einem Vergänglichen Gewordenen vergänglich, und so sind auch wir vergänglich. Darum sind wir in Adam des Fluches Erben geworden . . ., weil er als Sterblicher die Sünde auf den aus ihm stammenden Samen übertrug; denn sterblich sind wir geworden durch einen Sterblichen . . . Ist also nicht die schlechthinnige und allgemeinste Strafe der Übertretung in Adam Vergänglichkeit und Tod?" 5 ) Ebenda, col. 61. ) Ebenda, II, 48. Migne P. G. 26, col. 249. 3 ) Basilius d. Gr., reg. asc. 4, 1. Migne P. G. 31, col. r348 in psalm. hom. 32, 4. Migne P. G. 29, col. 332. 4 ) Cyrill v. Alexandrien, in Rom. 5, 18. Migne P. G. 74, col. 789. Auf diese Stelle wendet er folgenden Vergleich an: ‫״‬Denn wegen der Ähnlichkeit mit Adam befällt der Tod jedes aus ihm kommende Geschlecht, gleichwie eine Pflanze, die Schaden in der Wurzel erlitt, zwangsweise die von ihr hervorgebrachten Schosse vertrocknen läßt" (ebenda, col. 785). 6 ) Anastasius Synaiticus, Quest. et respons. 143. Migne P. G. 89, col. 796. 2

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche

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Hier fügt Chrysostomus noch hinzu: ‫״‬Was ist nun das ,Sünder (wurden viele)'? Mir scheint, es sind die der Züchtigung Verpflichteten und z u m T o d e Verurteilten" 1 ), da ja ‫״‬als jener fiel, auch diejenigen, die

nicht vom Baume aßen, durch ihn alle sterblich wurden" 2 ). Daher verstehen die Väter des Ostens den Tod als die notwendige Folge der Sünde und des Falles der ersten Menschen, deren Nachkommen alle ihm unterworfen wurden. Der Tod ging folglich nicht aus dem guten Gott hervor, wie verschiedene westliche Theologen meinen3), da ‫״‬Gott den Tod nicht geschaffen h a t " 4 ) . Sonach übertragen sich die Krankheit zur Sünde

und der sündige Zustand der der göttlichen Gnade entzogenen und dem Tode unterworfenen menschlichen Natur erblich auf alle Abkömmlinge des Stammvaters, indem ihnen der Makel und alle Folgen und Früchte der Ursünde übermittelt wurden5). Aus diesem Grunde führte bereits die Urkirche die Kindertaufe ein, um gerade von diesem Makel der Vorfahren Befreiung zu erlangen, und dies auch für die Kinder, die von persönlichen Sünden noch nicht befleckt sind6). Außer dem übernatürlich empfangenen und geborenen gottmenschlichen Herrn, der somit allein der Ursünde nicht teilhaftig war, erben dieselbe alle Menschen ohne Ausnahme durch die natürliche Empfängnis und Geburt. Unter ihnen befindet sich auch die auf natürliche Weise empfangene und geborene Theotokos (Gottesmutter). So wird seitens der Orthodoxen Katholischen Kirche das neue lateinische Dogma von der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter verworfen, da es sich weder auf die heilige Schrift noch auf die heilige Uberlieferung stützt. Daraus ergibt sich weiter, daß die griechischen Väter das Problem der Erblichkeit der Sünde, des durch sie schuldig gewordenen Adam, wie auch der Bestrafung des gesamten Menschengeschlechts durch die göttliche Gerechtigkeit nicht wie die westlichen Väter vom juristischen Standpunkt aus sahen. Deswegen fehlen bei ihnen auch die im Westen x

) Johannes Chrysostomus, in Rom., hom. 10. Migne P. G. 60, col. 477. ) Ebenda, col. 474/5· 3 ) Vgl. Theophilus v. Antiochien, ad. Autolyc. II, 26. Migne P. G. 6, col. 1092/6. 4 ) Weisheit Sal. 1, 13. 6 ) Dositheos v. Jerusalem schreibt (Conf. 6 bei Karmiris, a. a. O. II, S. 750): ‫״‬Früchte und Bürde nennen wir . . . was die göttliche Gerechtigkeit dem Menschen als Strafe f ü r die Übertretung gab, als da sind der Schweiß der Mühsale, Betrübnisse, körperliche Gebrechen, Gebären mit Schmerzen und das Leben unter Mühsalen in der Fremde und als letztes den körperlichen Tod . . . Eine Bürde ist die unseren Gliedern innewohnende Neigung zum Sündigen." 6 ) Vgl. Can. 1 1 0 (121) der Syn. v. Carth., rezip. v. d. V/VI. Ök. Syn. bei Joh. Karmiris, a. a. O. I, S. 218, 193. 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

ausgebildeten juristischen Begriffe, welche dort zur Satisfaktionslehre des Anselm von Canterbury führten. Allgemein gesagt, distanzieren sich von den dogmatischen Voraussetzungen der Orthodoxie die gegenteiligen Lehren des römischen Katholizismus und des Protestantismus über die Erbsünde, den Zustand des Menschen vor und nach dem Fall und seine Schuld und Freiheit, über die göttliche Gnade, die Erlösung, die Kirche usw. Diese entfalteten sich im Westen durch die dem orthodox-östlichem Denken in manchem fremden Lehren des Augustin, des Pelagius, der Scholastiker und der Reformatoren. Darum führen uns die dogmatischen Voraussetzungen der Orthodoxie zur Darstellung der Dogmen innerhalb der Formen und Grenzen des dogmatischen Denkens und der Theolgoie der griechischen Kirchenväter. Wir werden darum im folgenden weiterhin versuchen, ihnen zu folgen.

II. D I E

THEOLOGIE

DER GÖTTLICHEN

ÖKONOMIE

ie ökonomische Theologie handelt von der göttlichen Ökonomie gegenüber dem Menschen, die den Ratschluß und Plan Gottes umfaßt, um aus unaussprechlicher Menschenhebe den gefallenen Menschen von der Sünde, dem Verderben und dem Tod durch die Inkarnation des Heilandes und sein gesamtes Erlösungswerk zu erretten. So sagt Basilius der Große: ‫״‬Die Ökonomie Gottes und unseres Heilandes gegenüber dem Menschen ist die Wiederberufung aus dem Falle und der wieder eröffnete Zugang zur Vertrautheit mit Gott nach der durch den Ungehorsam verursachten Entfremdung" 1 ), und nach Chrysostomus ‫״‬gedachte" Gott ‫״‬dieser Ökonomie, welche durch die Gnade geschieht"2). Zur Wiederberufung aus dem Falle also und zur Rettung des sündigen und gefallenen Menschengeschlechtes, wie auch zu dessen Zurückversetzung in den Zustand vor dem Fall und zur Wiederherstellung seiner Vertrautheit mit Gott sandte dieser aus höchster Erlöserhebe und unsagbarer Menschenfreundlichkeit seinen eingeborenen Sohn und Logos in die Welt, damit durch ihn ‫״‬der Sünde Tyrannei gebrochen, die Feste des Teufels gesprengt, der Todesnerv zerschnitten werde, damit sich des Himmels Tore wieder öffnen, der Fluch verschwinde und des Vorvaters Verurteilung aufgehoben werde" 3 ). Es wurde also der Erlöser gesandt, er verließ die Himmel und kam, als die Zeit erfüllt war, auf Erden her-

D

nieder. Gott, der Vollkommene, ‫״‬erschien i m Fleisch" und wurde zugleich vollkommener Mensch, indem er unverändert die volle und voll-

ständige menschliche Natur aus dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria annahm, und somit zum ‫ ״‬M i t t l e r wurde zwischen Gott und den Menschen, er, der einzige Menschenfreund" 4 ). A u f diese Weise ging der ewige Gott selbst als Mensch i n die Geschichte der Menschheit ein, damit ‫״‬das Menschengeschlecht wiederhergestellt werde, und nach dem ersten ein zweiter Anfang aller D i n g e " 5 ) geschehe. V o n da aus läßt sich nun

die Weltgeschichte in die Geschichte vor und nach der Geburt Christi einteilen. Wie der erste Adam das gesamte Menschengeschlecht in die Sünde, in das Verderben und den Tod hinabzog, und somit kraft der *) Basilius d. Gr., de Spiritu Sancto 15, 35. Migne P. G. 32, col. 128. 2 ) Johannes Chrysostomus, in Ephes. hom. 1, 4. Migne P. G. 62, col. 16. Ahnlich in Rom. hom. 7, 1, wo er hinzusetzt, daß ‫״‬die Rettung aus Gnade" notwendig war (Migne P. G. 60, col. 441). 3 ) Johannes Chrysostomus, ad eos qui scandal. sunt 8. Migne P. G. 52, col. 498. 4 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. III, 1. Migne P. G. 94, col. 984. 5 ) Cyrill v. Alexandrien, adv. Nest, blasph. I, 1. Migne P. G. 76, col. 17.

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

Einheit der menschlichen Natur Ursache und Urheber der allgemeinen Sündigkeit des ganzen Menschengeschlechtes wurde, so heilte der fleischgewordene Logos als der zweite Adam das Verderben, indem er die ganze menschliche Natur annahm und mit der göttlichen vereinigte, denn ‫״‬das nicht Angenommene wäre unheilbar"2). Er bildete sie neu, heiligte sie, und erlöste sie von der Sünde, vom Verderben und vom Tode, indem er ‫״‬Ursache zur ewigen R e t t u n g " (Hebr. 5, 9) des gesamten Menschengeschlechts w u r d e , u n d zwar eben k r a f t der Einheit der menschlichen

Natur. Nach Athanasius dem Großen bekleidete sich der allein unwandelbare und unveränderliche Logos Gottes auf Ratschluß des Vaters mit der wandelbaren und geschaffenen menschlichen Natur, welche von dem ersten Menschen durch die Übertretung getötet war, damit er sie belebe, neu schaffe und durch sein eigenes Blut erneuere, sie als ‫״‬Schöpfer erneuernd in sich selbst vergotte", und die sterblichen Menschen ‫״‬zu unsterblichen mache u n d i n das ewige H i m m e l r e i c h f ü h r e " 3 ) . Der Plan der Rettung in Christo aber ‫״‬ist bereits, bevor w i r (geboren) w u r d e n , vorbereitet w o r d e n , ja, sicher schon v o r der Entstehung der W e l t " , da ja ‫״‬der G o t t aller, der uns durch seinen eigenen Logos erschuf u n d

das Unsere über uns wußte . . . die Ökonomie unserer Rettung vorbereitete, damit wir, wenn wir - von der Schlange betrogen - fielen, doch nicht gänzlich Tote bheben, sondern in dem Logos die Erlösung und Rettung hätten und wiederauferstehen und unsterblich bleiben würden"4). So ‫״‬wissen wir, daß wir vom Tode zum Leben hinübergeschritten sind" 6 ), insofern als ‫״‬der Logos Fleisch w u r d e . . . , damit er durch den T o d die M a c h t nehme dem, der des Todes Gewalt hatte" 6 ), u n d w i r

in das Königreich des Gottessohnes versetzt würden, ‫״‬an welchem wir die Erlösung durch sein Blut haben, die Vergebung der Sünden"7). Wahrlich ‫״‬paradox und über Verstand und Vernunft ist die Art und Weise der Ökonomie im Fleisch; dieses große und wahrhaft Ehrfurcht gebietende Mysterium"8). 2 ) Gregor v. Nazianz, epist. 101 (ad Cledon.). Migne P. G. 37, col. i8r. Vgl. auch Leontius v. Byzanz (Or. II, adv. Incorrupt., Migne P. G. 86/1, col. 1325): und Cyrill v. Alexandrien (adv. Nestorium I, 1. Migne P. G. 76, col. 20). 3 ) Athanasius d. Gr., contr. Arianos II, 65. Migne P. G. 26, col. 285 und I, 48, col. 1 1 2 , vgl. col. 296. 4 ) Athanasius d. Gr., ebenda, II, 75. Migne P. G. 26, col. 305. 6

)I.Joh.3,14. ) Joh. i, 14, Hebr. 2, 14 in Verbindung mit zahlreichen Hymnen des Orthodoxen Kultes. 7 ) Kol. χ, 1 3 f . So auchChrysostomus, in Rom., hom. 10. MigneP. G. 60, col. 477. 8 ) Cyrill v. Alexandrien, contra Julianum 8. Migne P. G. 76, col. 929. e

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche

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Es ist hinzuzusetzen, daß die Rettung der Menschen selbstverständlich das "Werk des dreieinigen Gottes ist, weil da, wo eine Person der heiligen Trinität wirkt, zugleich auch die ganze heilige Trinität mitwirkt - „denn unlösbar ist sie (die eine Person) mit ihr (der Trinität) verbunden"1). - Im spezielleren Sinne aber ist es besonders das Werk des Mensch gewordenen Gottessohnes, zugleich aber auch das der Liebe und des Wohlgefallens des Gott-Vaters und das der Gnade und Energie des heiligen Geistes, insofern als „Vater, Sohn und heiliger Geist sich die Ökonomie untereinander teilen"2). Beachtenswert ist ebenfalls, daß die göttliche Ökonomie einerseits in objektiver Sicht als Erlösung3) verstanden werden muß, die vom Erlöser für das ganze Menschengeschlecht ein für alle Mal vollzogen wurde. Sie besteht in der Befreiung des Menschen von Sünde, Schuld, Verderben und Tod und in der Zurückversetzung in seinen ursprünglichen Zustand. Andererseits aber ist die göttliche Ökonomie in subjektiver Sicht als Erlösung oder Rechtfertigung zu verstehen, welche nichts anderes als die persönliche Aneignung der objektiven Erlösung ist, die jeder einzelne jederzeit durch den heiligen Geist in der Kirche zu vollziehen hat. So aber sind in der göttlichen Ökonomie zugleich auch die Christologie und die Soteriologie mit einbegriffen, wie ja auch bei den alten griechischen Vätern die Soteriologie im wesentlichen Christologie war. Aus diesem Grunde befaßten sie sich in ganz besonderem Maße mit der Person des Erretters, indem sie zugleich auch die soteriologischcn Fragen mit seltener, theologischer Krfat und großem Scharfsinn behandelten. Darum untersuchen wir hier ebenfalls beide zusammen, indem wir zum Schluß einiges über die Eschatologie beifügen. Wir handeln also erstens von der Person des gottmenschlichen Erlösers, zweitens von seinem Erlösungswerk, drittens von der Kirche als dem Gefäß des Heils und dem Haushalter der göttlichen Gnade, in welcher sich die Aneignung des Heils vollzieht, viertens von den Sakramenten als den Vermittlern der rechtfertigenden götthehen Gnade und des Heils, und fünftens von den letzten Dingen und der Vollendung der Erlösung schlechthin. Chrysostomus, in Rom., hom. 13, 8. Migne P. G. 60, col. 519. ) Chrysostomus, in Pentecost., hom. 1, 2. Migne P. G. 50, col. 456. 3 ) So auch Gregor v. Nazianz, Or. 30, 20. Migne P. G. 36, col. 1 3 2 : „Die Erlösung, die uns, die von der Sünde Behafteten, befreit, indem er sich selbst als Lösegeld f ü r uns gab, als Sühneopfer für die Ökumene". 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer

Sicht

l. Die Person Jesu Christi Nach dem Evangelisten Johannes ‫ ״‬w u r d e der Logos Fleisch" 1 ). U n d der

Damascener sagt: ‫״‬Der göttliche Logos, der dem Leib der heiligen Jungfrau innewohnt, ist, in seiner eigenen Hypostase unbeschreibbar, nun beseeltes Fleisch mit vernünftiger und verständiger Seele aus dem reinen Blute der immer-währenden Jungfrau, er brachte den Anfang einer neuen menschlichen Masse nicht durch Samen, sondern durch einen Schöpfungsakt, durch den heiligen Geist; der Logos selbst ist zur Hypostase im Fleisch geworden" 2 ). S o ‫ ״‬n i m m t " der Gott-Logos ‫״‬das eigene B i l d

wieder auf und trägt das Fleisch für das Fleisch, vermischt sich der vernünftigen Seele um meiner Seele willen, durch Gleiches das Gleiche reinigend"3). Was die Art und Weise der ‫״‬unaussprechlichen und unbegreiflichen Vereinigung" 4 ) der zwei Naturen anbelangt, ist zu be-

merken, daß der Herr, der Natur nach vollkommener Gott, der Natur nach vollkommener Mensch geworden ist. Er verwandelte seine Gottheit nicht in die Natur, sondern vereinigte sich hypostatisch mit dem Fleische, unvermischt, unverändert und untrennbar, er verwandelte die Natur seiner Gottheit nicht in die Substanz des Fleisches, noch die Substanz seines Fleisches in die Natur seiner Gottheit, noch schuf er aus seiner göttlichen Natur und der menschlichen, die er annahm, eine zusammengesetzte Natur" 5 ). Diese Lehre von den zwei Naturen in Christo, welche sich auf die heilige Schrift und die apostolische Überlieferung stützt, übernahm die Kirche und hielt sie schon am Anfang den alten Häresien entgegen, die die eine oder andere Natur ganz oder teilweise verneinten. So hob sie das eine Mal die Gottheit des Herrn hervor, nämlich gegen die ebionitischen, monarchianischen und arianischen Häretiker, das andere Mal seine Menschheit, nämlich gegen die doketischen, arianischen und apollinaristischen Häretiker. Später formulierte sie in den alten Ökumenischen Synoden gegen die nestorianischen, monophysitischen, monotheletischen und anderen Häretiker, die sich in der Frage der Art und Weise der Vereinigung der zwei Naturen irrten, die orthodoxe Lehre von der hypostatischen Einheit der zwei Naturen. So lehrte die Kirche, daß sich die beiden Naturen in unbegreiflicher und unbeschreibbarer Weise hypostatisch, das heißt in der Hypostase oder Person des Gott-Logos, vereinigten. Dieser hat bei seiner Inkarnation J

) Joh. i, 14. ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. III, 2. Migne P. G. 94, col. 988. 3 ) Gregor v. Nazianz, Or. 38, 13. Migne P. G. 36, col. 325. 4 ) Johannes Chrysostomus, in Joh. hom. 1 1 , 2. Migne P. G. 59, col. 79. 6 ) Johannes v. Damaskus, ebenda, col. 988. 2

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche

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die menschliche Natur nicht im Gesamten, ‫״‬nicht die als Spezies verstandene N a t u r - er n a h m ja nicht alle Hypostasen an sondern i n einem I n d i v i d u u m angenommen. D i e menschliche N a t u r bestand nicht v o r -

her für sich selbst und bestand nicht vorher schon als Individuum und wurde dann von ihm angenommen, sondern hatte ihren Anfang in seiner Hypostase; denn diese Hypostase des Gott-Logos wurde zur Hypostase des Fleisches", oder, ‫״‬der Logos Gottes selbst w u r d e zur Hypostase des Fleisches" 1 ). M i t anderen W o r t e n ausgedrückt, das Person-machende

Prinzip in Christus war der Gott-Logos selbst, dessen Hypostase auch zur Hypostase der angenommenen menschlichen Natur wurde. So hatte die menschliche Natur, die für sich allein nicht Person und dennoch vollständig ist, im Sinne der Väter die Person des Gott-Logos zur Person2). Die angenommene individuale menschliche Natur war eine wahre und vollkommene, ‫״‬aus vernünftiger Seele und aus Leib" 3 ) bestehend, sie existierte aber nicht vorher schon für sich allein in einem Individuum außerhalb der einen Person Christi, noch war sie vorher gebildet worden, sondern sie begann zu existieren mit dem Augenblick der göttlichen Inkarnation ‫״‬aus d e m heiligen Geist u n d der Jungfrau M a r i a " , u n d zwar i n der Einheit der Person oder i n der Hypostase des Gott-Logos. So hatte sie also nie eine andere Hypostase als allein die des Sohnes Gottes. ‫ ״‬D e n n Leib u n d Seele hatten bei i h m ihre Existenz v o n A n f a n g an i n der H y p o stase des Logos" 4 ). Also waren v o n der ersten Grundlegung u n d v o n der

Empfängnis der menschlichen Natur durch das schöpferische Wirken des heiligen Geistes in der Theotokos an die beiden Naturen zugleich und für immer in Christus vereint. ‫״‬Zugleich und für immer" bestehen ‫״‬die Einheit u n d das Vereinte" 5 ), insofern als ‫״‬der Logos d e m i h m aus dem Geist geschaffenen T e m p e l entsprechend der ersten F o r m u n g einw o h n t ; er wartete nicht auf die V o l l e n d u n g des Tempels, sondern, gleich

zu Beginn der unaussprechlichen Ökonomie in der Werkstatt der Natur verknüpft, umgab er sich mit dem ganzen Haus; so ist also nicht der Leib geworden, - so daß er selbst von außen her hereingekommen wäre,sondern er schuf ihn selbst um sich herum, und trug ihn wie eine Statue (ayaXfjLaxocpoQeT), das Unsere"6). Wir wiederholen, daß in der Person oder Hypostase des Logos Gottes sich die göttliche und menschliche Natur durch die Empfängnis solcherEbenda, III, 1 1 , col. 1024. ‫־‬

) V g l . Ch. Androutsos, D o g m a t i k (griech.), S. 177.

) Definition der IV. Ök. Syn., bei Joh. Karmiris, a. a. O. I, S. 165. ) Johannes v. Damaskus, ebenda, III, 27, col. 1097. 6 ) Leontius v. Byzanz, Capit. 30, contr. Severum 9. Migne P. G. 86, col. 1904. 6 ) Leontius v. Byzanz, Or. II, adv. Incorrupt. Migne P. G. 86/1, col. 1352/3. 3 4

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

maßen vereinten, daß Jesus Christus einer ist und also eine Person ‫״‬in zwei Naturen", in der göttlichen und der menschlichen, nicht aber ‫״‬aus z w e i N a t u r e n " . N a c h dem Damascener u n d anderen Vätern ist die V e r -

einigung der zwei Naturen in dem Gottmenschen keine personale, relative oder rangmäßige, auch keine der Identität des Willens, der gleichen Ehre, der Gleichnamigkeit oder des Beliebens (so die Dyophysiten), noch eine Vereinigung zu einer Masse, Zusammensetzung, Vermischung, Verschmelzung oder Vermengung durch Veränderung, Umwandlung oder Abänderung (so die Monophysiten), sondern sie ist derart, daß die Hypostasen unverändert, unvermischt, unverwandelt, ungeteilt, unzertrennt und untrennbar bleiben1). Daher lehrte die IV. Ökumenische Synode, es sei ‫ ״‬z u bekennen der eine u n d derselbe C h r i stus, der Sohn, der H e r r , der Eingeborene, der erkannt w i r d i n zwei N a t u r e n unvermischt, unverwandelt (gegen den Monophysitismus), ungeteilt, unzertrennt (gegen den Nestorianismus), w o b e i der U n t e r schied der N a t u r e n keinesfalls zugunsten der Vereinigung aufgehoben

wird, sondern vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen erhalten bleibt und sich in eine Person und eine Hypostase vereint"2). Die Vereinigung der zwei Naturen in Christo war also ‫״‬hypostatisch", i h r Ergebnis aber ‫״‬ist weder, daß die Vereinten einander ganz und gar

identisch, noch daß sie gänzlich zweierlei sind", sondern es ist, ganz im Gegenteil, ‫״‬die Identität in der Hypostase, das Anders-sein in der Natur" 3 ). In Übereinstimmung mit der obigen Definition der vierten Ökumenischen Synode blieben die zwei Naturen nach der Vereinigung unverändert und unvermischt, oder ‫ ״‬i n ihrer eigenen Bestimmung u n d A r t

und Weise"4), indem sie nämlich ihre physische Unterschiedlichkeit und ihr Anders-sein nicht ablegten. Nur die menschliche Natur wurde kraft ihrer hypostatischen Vereinigung mit der göttlichen erhöht, vollendet und vergottet. Aber diese Vergottung ist als ihre Erhöhung auf Grund der Aufnahme und Vereinigung mit der göttlichen Natur zu verstehen. Johannes v. Damaskus, a. a. O. III, 3. Migne P. G. 94, col. 993. ) Joh. Karmiris, a. a. O. I, S. 165. Cyrill v. Alexandrien schreibt (De Incarn. Domini 3 1 . Migne P. G. 75, col. 1472): ‫״‬Denn w i r verteilen die Ökonomie nicht auf zwei Personen, noch verkünden wir und erheben zum Dogma zwei Söhne anstatt des Eingeborenen, sondern wir sagen, daß es zwei Naturen sind..." 3 ) Leontius v. Byzanz, Solutio argumentorum Severi. Migne P. G. 86/11, col. 1941. 4 ) 4. Definition der IV. Ök. Syn., bei Karmiris, a.a. O . I , S. 188. Vgl. Theodoretv. Cyrus, Graec. affect. curatio, 6. Migne P. G. 83, col. 985: ‫״‬Denn die Vereinigung vermischt nicht die Naturen . . . sondern eine ist für sich unversehrt geblieben". 2

Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirche

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Es ist hinzuzusetzen, daß die hypostatische Vereinigung der zwei Naturen in Christo die Vernunft und alles Verstehen überschreitet, das heißt, sie ist nicht zu ermessen, unaussprechbar, unbeschreibbar und geheimnisvoll, auf jeden Fall jedoch bleibt sie - ‫״‬durch eine außerordentliche Empfängnis unvermischt und unzertrennbar" vollzogen - für immer in alle Ewigkeit unzertrennbar und unauflösbar, indem die menschliche Natur in Ewigkeit ‫״‬untrennbar" mit der göttlichen vereint bleiben wird. Deshalb ist der Gottmensch ‫״‬Jesus Christus gestern u n d heute u n d derselbe auch i n E w i g k e i t " 1 ) , er w i r d w i e d e r k o m m e n ‫ ״‬z u richten die Lebendigen u n d die T o t e n " , u n d w e i l ‫״‬er ewiglich bleibt, hat er unvergänglich das Priester-

tum. . . und er lebt immerdar, um Fürbitte zu tun für diejenigen, die durch ihn zu Gott kommen" 2 ). Auch nach seinem ‫״‬Es ist vollbracht" blieb die hypostatische Vereinigung i m T o d e n o c h unauflösbar, w i e w i r

an anderem Ort dargestellt haben3); denn das Person-machende Prinzip in Christus ist, wie wir bereits gesagt haben, der Gott-Logos, der sich seit der Inkarnation mit Seele und Leib zu einer ‫״‬unauflöslichen Verschmelzung" (Athanasius d. Gr.) vereinigt hat und nach Johannes von Damaskus zu einer untrennbaren und ‫״‬unzerreißbaren Vereinigung"4) geworden ist. Da aber in Jesus Christus zwei Naturen sind, die göttliche und die menschliche, befinden sich in ihm also auch zwei physische, jeweils selbständige, Willen, der göttliche und der menschliche, zwei physische Energien, die göttliche und die menschliche, und zwei physische Entscheidungsfreiheiten, die göttliche und die menschliche, wie auch Weisheit und göttliches und menschliches Wissen. Weil er wesensgleich mit dem GottVater ist, wollte und wirkte er frei (avteiovaiax;) als Gott. Insofern als er aber wesensgleich mit uns Menschen ist, wollte und wirkte er selbst als Mensch, indem er aber das Wollen ‫״‬und Wirken nicht getrennt besaß, sondern vereint; denn er will und wirkt in jeder der beiden Gestalten, jeweils in Gemeinschaft mit der anderen"5). So verstehen wir also die zwei Willen nicht als gegensätzlich, einander widerstrebend oder rivalisierend, sondern wir verstehen sie als in der eigenen Art und Weise harmonisch mit der anderen ein und dasselbe wollend, und zumal den unvollkommenen und schwachen menschlichen Willen als den, der sich dem vollkommenen und unbegrenzt starken göttlichen Willen fügt und unterordnet, wenn sich also beide Willen und Energien ‫״‬vereint" Hebr. 13, 8. 2

) Hebr. 7, 24/5. 3 ) Joh. Karmiris, Christi Abstieg i n den Hades. Athen 1939, S. 75f. (griech.). 4 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. III, 7-9. Migne P. G. 94, col. 1008. 5 ) Ebenda III, 13 f., col. 1033 fr.

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Die orthodoxe Kirche in griechischer

Sicht

bewegten u n d ‫״‬miteinander zur Errettung des Menschengeschlechtes vereinten" 1 ), gleichsam als wenn sie vereint wären in einen Willen, aller-

dings nur im ethischen Sinne. Mit anderen Worten, die zwei Naturen handeln und wirken in ethischer Einheit harmonisch zusammen, wie z. B. bei der Vergebung der Sünden, beim Vollzug der Wunder usw., nicht aber in physischer Einheit, wie die Severianer und die Monotheleten in ihrem Dogma bekannten. So war einer und derselbe der Wollende und der Vollbringende, das Göttliche und das Menschliche in seiner jeweiligen Gestalt in Gemeinschaft mit dem anderen. Und ganz allgemein: ‫״‬weil ja eine ist die Hypostase Christi, und einer Christus war, einer der Wollende i n beiden Naturen, als Gott Wohlgefallen habend u n d als Mensch gehorsam geworden" 2 ).

In dieser Weise gilt, was die Väter der VI. Ökumenischen Synode gesagt haben: ‫ ״‬I n allen Beziehungen das ,unvermischt' und ,ungeteilt* haltend,

verkünden wir in kurzer Rede das Ganze, daß einer von der heiligen Trinität auch nach der Fleischwerdung, unser Herr Jesus Christus, unser wahrer Gott ist. Indem wir das glauben, bekennen wir seine zwei Naturen, die durch seine eine Hypostase hindurchscheinen . .., wobei der physische Unterschied in ihr bekannt ist, während jede der beiden Naturen in Gemeinschaft mit der anderen dasselbe will und wirkt: demgemäß glauben wir auch, daß sich zwei physische Willen und Energien unteilbar, unwandelbar, unzertrennlich und unvermischt in ihm befinden, die sich zur Errettung des Menschengeschlechtes einander vereinigen", insofern als auch nach der Vereinigung ‫״‬sein menschlicher W i l l e v o n Gott her nicht aufgehoben wurde, sondern bewahrt worden ist" 3 ). Hiernach ist der

Gottmensch, unser Erlöser, auf Grund seiner Geburt aus dem Vater vollkommener Gott, indem er alles besitzt, was der Vater hat, außer dem ‫״‬Ungeborensein", und gleichzeitig ist er auf G r u n d der Geburt v o n der Jungfrau vollkommener Mensch, indem er alles, was der Mensch hat,

besitzt - außer der Sünde. Er ist der wahre Sohn Gottes, nicht in einem bildlichen, übertragenen Sinn, sondern im wirklichen und metaphysischen, wesensgleich mit dem Vater; er bleibt nach der Menschwerdung der ewige Logos, wahrer Gott aus wahrem Gott, zugleich aber wahrer Mensch, wesensgleich mit uns. Aus der hypostatischen Vereinigung der zwei Naturen in Christo ergeben sich folgende dogmatischen Konsequenzen: die Perichorese der zwei Definition der VI. Ök. Syn., bei Joh. Karmiris, а. а. О. I, 188. ) Johannes v. Damskus, De duo voluntatibus, 27. Migne P. G. 95, col. 160. Zur diesbezüglichen Lehre des Damasceners siehe K. Dyououniotis, Johannes von Damaskus (griech.), Athen 1903, S. i04f. 3 ) Bei Joh. Karmiris, а. а. О. I, 188. 2

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Naturen ineinander, in dem Sinne allerdings, daß ‫״‬vor allem aus der göttlichen Natur die Perichorese entstanden ist, denn diese breitet sich über alles aus, wie sie will, und umgibt alles, indem sie selbst jedoch von nichts umgeben wird" 1 ); sodann die Kommunikation der Idiome und Namen auf Grund der Vereinigung überhaupt, die Aneignung und Vergottung der angenommenen menschlichen Natur, die jedoch in ihrer eigenen Bestimmung und Begründung erhalten bleibt2); ferner die natürliche Sohnschaft Jesu Christi auch als Menschen; die eine Verehrung oder Anbetung desselben auch in seiner menschlichen Natur; seine Sündlosigkeit; seine Zunahme an menschlicher Erkenntnis und Kraft und schließlich die Bezeichnung seiner heiligen Mutter als wirklicher Theotokos und Gottesmutter3). Aus diesem letzten kann ferner der Schluß gezogen werden, daß die Theotokos immerwährende Jungfrau und immerwährendes Kind ist, das heißt Jungfrau vor, in und nach der Geburt, indem sie ohne Schaden zu nehmen und auf unbeschreibliche und unerklärliche Weise Christus geboren hat4). Daher wird sie von den Orthodoxen als die Begnadete besungen, ehrenvoller, herrlichcr und heiliger als irgendjemand sonst; denn man legt ihr, über die bei der Verkündigung der heilige Geist gekommen ist, relative Sündlosigkeit aus göttlicher Gnade bei (da ja nur der Herr allein der Natur nach absolut sündlos ist) und bezeichnet sie als allen Heiligen vorangestellte Fürsprecherin vor Gott5). Die im kirchlichen Kult und in der Volksfrömmigkeit vollJohannes v. Damaskus, a. a. O., col. 1012, vgl. contr. Jacobitas 52, ebenda, col. 1461. 2 ) Joh. Karmiris, ebenda. 3 ) Siehe die Beschlüsse der III. und V. Ök. Syn., bei Joh. Karmiris, a. a. O. I, S. 45, 46, 49• !34, 149 und 175. 4 ) Ebenda, S. 174. Vgl. Sophronius v. Jerusalem, Epist. synod., Migne P. G. 87, col. 3172 und Joh. v. Damaskus, a. a. O. IV, 14. Migne P. G. 94, col. 1 1 6 1 und 95. 9· B ) Es ist zu bemerken, daß die seitens der Bischöfe von Rom im Verlauf des letzten Jahrhunderts verkündeten mariologischen Dogmen über die unbefleckte Empfängnis und die leibliche Aufnahme der Theotokos in den Himmel, wie auch andere mariologische Theologoumena der Lateiner (siehe M. Schmaus, Kath. Dogmatik, München 1955, Bd. V , S. 181 f. J . Neuner und H. Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden 4 , Regensburg 1951, Nr. 325-334) von der Orthodoxen Katholischen Kirche nicht angenommen wurden, da sie sich nicht auf die heilige Schrift und die echte heilige Überlieferung stützen. Vgl. Joh. Karmiris, Das neue Dogma der Römischen Kirche (griech.), in ‫״‬Ekklesia" 28 (1951), S. 21 ff., wie auch entsprechende Artikel von Metropolit Irenaeos von Samos, H. Alivisatos und P. Bratsiotis in ‫״‬Ekklesia" 27 (1950), S. 369fr. und Ch. Androutsos, Dogmatik, S. 151 und Symbolik 2 , S. 201 ff. Demzufolge entbehren

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zogene Erhöhung der Theotokos übte jedoch auf die Orthodoxe Dogmatik nicht den Einfluß aus, den sie auf dieRömisch-Katholische ausübte1). 2. Das Erlösungswerk des Erretters Der Erretter erlöste die Menschheit von Sünde, Verderben und Tod und hat ‫״‬uns v o n der O b r i g k e i t der Finsternis errettet u n d versetzt i n sein

Reich, an welchem w i r haben die Erlösung durch sein Blut, die Ver-

gebung der Sünden"2). Er erlöste das Menschengeschlecht durch die Annahme und Vergottung der menschlichen Natur, durch seine göttliche Lehre und sein unnachahmbares Beispiel und vor allem durch seinen Kreuzestod und durch seine Auferstehung, das heißt durch sein ganzes Erscheinen auf Erden und sein rettendes Wirken. Darin ist selbstverständlich auch die von ihm ausgehende Errichtung der Kirche als Gefäß und Heilsanstalt miteinbegriffen, in welcher jeder Mensch in aller Freiheit durch die Sakramente und den in Liebe gewirkten Glauben sich das Heil subjektiv zu eigen machen kann - unter der stets starken ‫״‬Gunst" und ‫״‬Bundesgenossenschaft"3) der göttlichen Gnade, die das Heilswerk bei

jedem Menschen beginnt und vollbringt. Diese Lehre ist auch im Symbol des Nicaeno-Konstantinopolitanum enthalten. Entgegen der juristischen Auffassung des Heilsprozesses seitens der westlichen Christenheit, wie sie ganz besonders in der bekannten Satisfaktionslehre des Anselm von Canterbury und anderer westlicher Theologen bis zum heutigen Tag ihren Ausdruck fand, ist im orthodoxen Osten von alters her, bereits von Behauptungen einiger westlicher Theologen, die das Gegenteil darlegen, der Genauigkeit, wie K. Algermissen, a. a. O., S. 523 und andere. Im Gegensatz dazu bemerkt P. Bratsiotis zu recht (‫״‬Ekklesia" 27 (1950), S. 398/9): ‫״‬Zwischen diesen zwei schärfsten und unversöhnlichen Gegensätze über die Person der Gottesmutter (das heißt des römischen Katholizismus und des Protestantismus) beschreitet die Orthodoxe Kirche den mittleren und geraden Weg, zwischen dem päpstlichen steü nach oben und dem protestantischen nach unten führenden Weg, wenn sie mit der ungeteilten Kirche der ersten acht Jahrhunderte der Gottesmutter die höchste und vorzüglichste Ehre unter den Heiligen Gottes z o l l t . . . " *) Heiler bemerkte zu recht (a. a. O., S. 206), daß ‫״‬die panegyrische Verherrlichung der Gottesmutter in Predigten und Hymnen eine geringe Rückwirkung auf die dogmatische Theologie gehabt hat. Im Unterschied von der abendländischen Dogmatik hat die Orthodoxe Kirche gegenüber der Gestalt der Gottesmutter eine ehrfürchtige Zurückhaltung gezeigt . . . und das Mariageheimnis . . . meist der betenden Frömmigkeit überlassen." 2 ) Kol. 1, 1 3 . 1 4 . 3 ) Joh. Chrysostomus, in Gen., hom. 16, 5, 6 und 58, 5. M . P. G. 53, col. 1 3 1 , 1 3 2 , 133, 228 und tom. 54, col. 513. Catech. 1, 4. M . P. G. 49, col. 228.

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Ircnaeus, Athanasius d. Gr. und anderen, die auf den Aposteln und zumal auf Paulus basierende mystische Heilsauffassung vorgezogen und entwickelt worden. Diese fand bereits sehr früh in den Kult und die Volksfrömmigkeit Eingang und wurde vom Volk im Verlauf der Jahrhunderte zutiefst gelebt und in erhabene kirchliche Hymnen umgesetzt, die besonders im Festzyklus der Osterzeit gesungen werden. Darum wird von den Orthodoxen dieses Fest immer als ‫״‬Fest der Feste und Feier der Feiern" begangen u n d erlebt. D e m orthodoxen Glauben nach beginnt also das H e i l m i t der Inkarnation

unseres Erlösers und der Annahme und Vereinigung der menschlichen Natur mit der göttlichen und gipfelt in dem versöhnenden Kreuzestod und der Auferstehung v o n den T o t e n : ‫ ״‬D a r u m die E i n w o h n u n g Christi i m Fleisch, die Regeln des Lebenswandels nach dem Evangelium, das Leiden, das Kreuz, das Grab, die Auferstehung, damit der Mensch, der gerettet w i r d , durch Nachahmung Christi jene alte Kindschaft wieder erhalte 1 )." A l l g e m e i n hoben die griechischen Väter und T h e o l o g e n vier

Hauptstadien des Erlösungswirkens des Erretters hervor, im Gegensatz zu den westlichen, die einseitig den Kreuzestod des Herrn betonten. Es handelt sich dabei um die folgenden: a) die Menschwerdung, in welcher er schon mit der Verkündigung die ganze menschliche Natur annahm und sie mit der göttlichen vereinigend erneuerte, heiligte, unsterblich machte und ‫ ״‬k r a f t " derselben vergottete, i n d e m er i h r göttliches Leben

gab, und so den Anfang der Erlösung bewerkstelligte; b) seine göttliche Lehre und ethische Gesetzgebung, durch die er sich als der Prophet, als der Lehrer und als der höchste ethische Gesetzgeber an den verirrten menschlichen Geist wandte und ihn durch seine göttliche Lehre und ethische Gesetzgebung erleuchtete; c) der Kreuzestod, durch welchen er als Hohepriester sich selbst Gott dem Vater als Versöhnungsopfer darbrachte, um den Menschen von der Sünde abzuwenden und zu dem heiligen Gott hinzuwenden; d) die Auferstehung, durch welche er als allmächtiger König von den Toten auferstand, ‫״‬im Tod den Tod zertretend", den Menschen v o m T o d e i n das Leben mit-auferweckte u n d aufstieg gen H i m m e l , w o er sitzt zur Rechten des Vaters, u n d darüber

hinaus als Besiegelung seiner Erlösung und deren Verewigung seine Kirche gründete, die er selbst unsichtbar regiert. Zusammenfassend sei gesagt, daß der Erretter durch ‫״‬seine Geburt, das heißt durch seine Inkarnation, durch seine Taufe, sein Leiden und seine Auferstehung die Natur des Vorvaters von der Sünde, von Tod und Verderben befreite, und daß er Anfang der Auferstehung geworden ist und sich selbst zum Weg gemacht *) Basilius d. Gr., De Spiritu Sancto, 15, 35. Migne P. G. 32, col. 128.

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hat, zum Typus und zum Vorbild, auf daß auch wir, seinen Spuren folgend, das werden, was er von Natur ist, nämlich Söhne und Erben Gottes, und so seine Miterben"1). „Nachdem er uns das Bessere gegeben hatte, und wir es nicht bewahrt hatten, empfängt er nun das Schlimmere, das heißt unsere Natur, damit er durch und in sich selbst das ,nach dem Bilde' und das ,nach Ähnlichkeit' erneuere; aber auch damit er uns den tugendhaften Lebenswandel lehre, den wir durch ihn leicht beschreiten können. Damit er uns durch Lebensgemeinschaft vom Verderben befreie, ist er selbst zum Anfang unserer Auferstehung geworden; damit er das unbrauchbar gemachte und zerstoßene Gefäß erneuere und es von der Tyrannei des Teufels erlöst werde, indem er uns zur Gotteserkenntnis beruft, und damit er uns kraftvoll mache und erziehe, durch Geduld und Demut den Tyrannen niederzuringen2)." Es ist noch hinzuzufügen, daß der Erretter mit seiner Menschwerdung das Erlösungswerk begann, während in seiner bis zum Kreuz andauernden Lehrtätigkeit sein Prophetenamt, im Versöhnungsopfer am Kreuz sein Hohepriesteramt und in seiner Auferstehung, Himmelfahrt, im „Sitzen zur Rechten des Vaters" und in der Errichtung der Kirche sein Königsamt in Erscheinung tritt. Erstens: in der göttlichen Inkarnation beginnt das große Mysterium der Rettung. Denn in ihr reinigte der Erretter als „der Erstling der Menschheit"3), als der, der die ganze menschliche Natur, „den Anfang unseres Plasmas"4) annahm, eben diese, er erneuerte sie, bildete sie aufs neue, erhöhte, heiligte und vergottete sie, indem er sie mit der göttlichen Natur in Gemeinschaft brachte. So vollzog sich in der gottmenschlichen Person des Herrn die hypostatische und ewige Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur, welche die Grundlage und den Anlaß zur Rettung und Vergottung des gesamten Menschengeschlechtes ist, das als eine organische Ganzheit verstanden werden muß. Sie ist dies auch zur Umwandlung des gesamten Kosmos. So sagt Athanasius d. Gr.: „als erste vor den anderen wurde errettet und befreit" die von dem menschgewordenen Gott-Logos angenommene menschliche Natur, die „zum Leibe dieses Logos geworden"6) war, danach wurden auch wir mit ihr „durch die Fleischesverwandtschaft befreit"6), und „gerettet als eines Leibes mit jenem"7) und erlangen somit „zu einem Leibe durch die Johannes v. Damaskus, a. a. O. IV, 13. Migne P. G. 94, col. 1 1 3 7 . ) Ebenda IV, 4, col. 1108. 3 ) Cyrill v. Alexandrien, in Joan. 16, 6-7. Migne P. G. 74, col. 432. 4 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. III, 2. Migne P. G. 94, col. 985. 6 ) Athanasius d. Gr., contra Arianos II, 61. Migne P. G. 26, col. 277. 6 ) Ebenda, 69, col. 293. 7 ) Ebenda, col. 277. s

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Ähnlichkeit des Fleisches in ihm zusammengefügt und verbunden"1) UnVergänglichkeit, Unsterblichkeit und Vergottung2). So also wurde im „neuen Adam" auch das im „alten Adam" verdunkelte und verzerrte Bild Gottes wiederhergestellt und erneuert. Demnach wurde Gott Mensch, indem er die Natur des Menschen annahm, mit sich vereinte und vergottete, und so trat sie in ewige Gemeinschaft mit Gott, da im Gottmenschen Jesus die Gemeinschaft zwischen dem gefallenen, sündhaften Menschen und dem heiligen Gott hergestellt worden ist. Es liegt auf der Hand, daß die orthodoxe Soteriologie ihrem Wesen nach Christologie ist, und als solche behandelten sie die alten Väter auch, wie wir bereits sagten. Nach ihrer Lehre nun erreichte es der Gottmensch, in der von ihm angenommenen menschlichen Natur, als neuer geistlicher Adam und als Haupt der ganzen geretteten Menschheit, die als ein lebender Organismus anzusehen ist, „das abgeglittene Menschengeschlecht neu wiederherzustellen und in den alten Zustand wiederaufzunehmen"3). Insofern stellte er geheimnisvoll und unaussprechbar die ganze menschliche Natur in sich wieder her, „antiquam plasmationem in se recapitulans"4) und wurde gleichen Leibes mit ihr, da er ja „die ganze Natur in sich hatte, um sie durch die Umbildung ganz im alten Zustand wiederherzustellen"5). Er hat uns alle ja „in seinem eigenen Fleisch getragen, denn in ihm waren wir alle"6); „denn als Ganzen nahm der Ganze mich an und vereinte sich als Ganzer mit dem Ganzen, auf daß er dem Ganzen Rettung bringe; denn das, was nicht angenommen ist, ist unheilbar"7). So wurde also in Christo Jesu alle menschliche Natur mitauferweckt, mitemporgehoben und nahm mit den Platz zur Rechten des Vaters ein, wie auch von Eph. 2, 6 bestätigt wird: „samt ihm hat er uns auferweckt und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christo Jesu", da ja „unsere ganze Natur in der Hypostase Christi" enthalten war8). Dies belegten die griechischen Väter durch die mystische Einheit der menschlichen Natur. Sie nahmen an, daß „die Natur eine ist, und diese mit sich selbst vereinigt eine unzerschneidbare Einheit bildet, die sich durch keinen Zusatz verEbenda, col. 305. ) Ebenda, col. 293. 3 ) Cyrill v. Alexandrien, injoan. 9. Migne P. G. 74, col. 273. 4 ) Irenaeus, adv. haer. III, 18, 7. Migne P. G. 7, col. 938. 6 ) Cyrill v. Alexandrien, injoan. 5, 2. Migne P. G. 73, col. 753. ") Cyrill v. Alexandrien, injoan. !6, 6-7. Migne P. G. 74, col. 432. ') Johannes v. Damaskus, a. a. O. III, 6. Migne P. G. 94, col. 1005, vgl. Gregor v. Nazianz, epist. 101 ad Cledon. Migne P. G. 37, col. 181/4. 8 ) Johannes v. Damaskus, a.a.O., col. 1008. s

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mehrt, und auch durch keine Weglassung sich verringert, denn was eins ist, das ist sie, wenn sie auch in der Mehrheit in Erscheinung tritt, sie bleibt ungespalten, beständig und vollständig, ungetrennt für diejenigen, die jeweils als einzelne an ihr teilhaben . . . Einer ist der Mensch, wenn es besonders gesagt werden muß, und wenn er sich auch in der Natur als Vielheit zeigt.. . Wie es ja viele Goldmünzen gibt, aber nur ein Gold, so zeigen sich auch in der Natur viele Menschen als jeweils einzelne, wie zum Beispiel Petrus, Jakobus und Johannes, und doch ist in ihnen nur ein Mensch"1). In ähnlicher Weise drückt es Gregor von Nazianz aus, wenn er sagt: der Herr wurde Mensch, „auf daß er durch sich den Menschen heilige, indem er gleichsam Sauerteig für die ganze Masse wurde und das verurteilte Ganze von der Verdammung erlöste und mit sich vereinte"2). „Der Sohn Gottes aber wurde Mensch, damit er dem Menschen wieder das verleihe, wofür er ihn geschaffen h a t , . . . denn nachdem er uns an seinem eigenen Bild und seinem eigenen Geist teilgegeben hatte, wir dieselben aber nicht bewahrt hatten, nimmt er selbst an unserer armen und schwachen Natur Anteil, damit er uns rein und unsterblich mache und wieder als Teilhaber seiner Gottheit einsetze."3) Demnach ist in der menschlichen Natur Jesu Christi die ganze Menschheit als ein einheitlicher Organismus enthalten, wiederhergestellt, erlöst und wieder mit der Gottheit vereint; Ergebnis davon aber ist die Verherrlichung und Vergottung der erretteten Menschen, die „der göttlichen Natur teilhaftig sind"4). Es versteht sich von selbst, daß diese Vergottung nur in ethischem und nicht in realem oder auf Pantheismus hintendierendem Sinne gedacht werden muß, da ja die menschliche Natur gewissermaßen aus Gnade vergottet wird, indem sie von der götthehen durchdrungen wird - so ungefähr wie Eisen vom Feuer durchdrungen wird - , jedoch ohne daß die menschliche Natur verdrängt und in die göttliche umgekehrt wird. Der Damascener charakterisiert den Menschen „als durch den götthehen Glanz vergottet, aber nicht als in das göttliche Wesen umgesetzt"5). Die Menschheit wurde also kraft ihrer Gemeinschaft und Vereinigung mit der Gottheit vergottet, denn „der Logos Gottes, Mensch geworden, vergottete sie, nicht der Natur, sondern der Qualität nach, ihr ununterbrochen den Charakter seines eigenen Geistes aufprägend, so wie er Wasser wirkungsvoll in die Qualität des Weines umsetzt... denn deshalb wird er auch in Wahrheit Mensch, daß er uns Gregor v. Nyssa, Quod non sint tres Du. Migne P. G. 45, col. 120, 132. ) Gregor v. Nazianz, Or. 30, 21. Migne P. G. 36, col. 132. 3 ) Johannes v. Damaskus, a. a. O. IV, 4. 13, col. 1108, 1 1 3 7 . 4 ) II. Petr. 1 , 4. 6 ) A. a. O. II, 12. Migne P. G. 94, col. 921 2

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aus Gnade zu Göttern einsetze . . . " x ) Ähnlich lehrte auch Athanasius d. G r . : „ d e r L o g o s w a r d Fleisch, damit er den Menschen fähig mache, die Gottheit zu e m p f a n g e n , . . . denn er ist Mensch geworden, damit w i r vergottet w e r d e n , . . . denn er w u r d e Mensch, damit er uns in sich v e r g o t t e . . . W i r werden also zu einem heiligen und der göttlichen Natur teilhaftigen G e s c h l e c h t . . . D e n n w i e der Herr den Leib anzog und Mensch wurde, so werden w i r Menschen v o n dem L o g o s vergottet, weil w i r durch sein Fleisch angenommen sind, und erben also ewiges L e b e n " 2 ) . Ähnlich lehren auch G r e g o r v o n Nazianz 3 ), Johannes v o n Damaskus 4 ) und andere 5 ). A u f G r u n d der mystischen Einheit der gesamten menschlichen !) Maximus Confessor, Ad Thalassium quaest. 40 und 54. Migne P. G. 90, col. 400/1 und 520. 2 ) Athanasius d. Gr., Or. de Incarnatione Verbi 54. Migne P. G. 25, col. 192. Contr. Arianos I, 38. 39, II, 47. 70, III, 34. Migne P. G. 26, col. 92/3, 248, 296, 397. A d Adelphium 4, ebenda, col. 1077. Wie bekannt, kommt Athanasius d. Gr. in seinen verschiedenen Schriften des öfteren auf den von ihm geschätzten Gedanken der Vergottung zurück, wobei wir uns hier nur darauf beschränken, die Stellen bei Migne anzugeben: P. G. 25, col. 192, 448 und P. G. 26, col. 92, 93, 100, 105, 273, 277, 296, 361, 364, 393, 436, 588, 613, 784, 1077, 1088 u . a. Wir sagen ganz allgemein mit P. Dimitropoulos: „Unsere Vergottimg in Christus geschieht durch die Teilnahme an der Gottheit des Logos" (P. G. 26, 1060), oder, durch Teilhabe am heiligen Geist werden wir mit der Gottheit vereinigt (373), oder auch anders, „durch Teilnahme am Logos durch den Geist haben wir diese Gnade vom Vater" (29) und „durch die Gemeinschaft mit dem Geist werden wir Teilhaber der göttlichen Natur" (588, 1077). Demzufolge, „wenn wir auch f ü r Götter gehalten werden, so nicht von Natur, sondern durch die Teilhabe an dem Sohn" (613). Vgl. Die Anthropologie des Athanasius d. Gr. (griech.), Athen 1954, S. 121/2. Vgl. K. Bornhäuser, Die Vergottungslehre des Athanasius und Johannes Damascenus, Gütersloh 1903. L. Baur, Untersuchungen über die Vergöttlichungslehre in der Theologie der griechischen Väter, in Theol. Quartalschr. 98 (1916), S. i o i f f . M. Lot-Borodine, La doctrine de la déification dans l'Eglise greque jusqu'au X I siècle, in der Revue de l'histoire des religions 1932/3. Jul. Gross, La divinisation du chrétien d'après les Pères grecs, Paris 1938. M. G. Congar, La déification dans la tradition spirituelle de l'Orient, in Vie spirituelle 43, S. 91 ff. 3

) Gregor v. Nazianz, epist. 101 ad Cledonium. Migne P. G. 37, col. 180. ) Johannes v. Damaskus, a. a. О. II, 12 und III, 18. 20. Migne P. G. 94, col. 921 und 1072. 5 ) Vgl. С. Kern, „Homotheos" et ses synonymes dans la littérature Byzantine, in: 1054-1954: L'Eglise et les Eglises. Editions de Chevetogne, tom. II, S. 15fr. Trotz allem glauben wir jedoch, daß dieses soteriologische Element der Vergottung nicht einseitig überbetont werden darf, wie es heterodoxe Theologen tun, z. B . auch F. Heiler a. a. O., S. 201/2, der schreibt, daß zumal bei den 4

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Natur ergibt sich nun einerseits in dem zweiten Adam der mystische Leib, dessen Glieder alle diejenigen sind, die sich als Gläubige das Heil subjektiv aneignen, andererseits aber geht die Vergottung der menschlichen N a t u r Christi ‫ ״‬d y n a m i s c h " auf den ganzen Leib u n d auf alle seine

Glieder über, wodurch also der ganze mystische Leib Christi mitvergottet wird. Auf Grund davon wurde die vom fleischgewordenen GottLogos angenommene menschliche Natur vergottet, sie nimmt an dem göttlichen Leben teil. Nun also vergottet, wird sie den Gläubigen durch das Sakrament der göttlichen Eucharistie vermittelt, und so bewirkt sie durch die göttliche Gnade die relative Vergottung auch derer, die dieses Sakrament würdig genießen, ihre Teilhabe am göttlichen Leben, da jene eben durch die Teilnahme am Göttlichen vergottet werden1). So heißt es nach Gregor von Nyssa zu Recht: „Allen, die durch die Ökonomie der Gnade gläubig geworden sind, streut er sich selbst ein durch das Fleisch, das für sie die Beschaffenheit von Wein und Brot hat, wenn er sich nun mit den Leibern der Gläubigen vermischt, damit durch die Vereinigung mit dem Unsterblichen auch der Mensch an der Unvergänglichkeit teilbekomme" 2 ), ethisch vergottet durch die Teilhabe am göttlichen Leib und Blut. Folglich ist die hypostatische Vereinigung der menschlichen Natur Christi mit der göttlichen und die Vergottung jener, die als lebenspendend eingesetzt ist für die, die daran teilnehmen, der Grund der Vereinigung und Vergottung des Menschen in der göttlichen Eucharistie. Aber andererseits nimmt Christus auch, nach Gal. 4, 19 allgemein in den Gläubigen Gestalt an, „er wird gebildet aber durch den Geist, der uns durch sich bei Gott vertritt" und den Würdigen „mit sich Anteil an der götthchen Natur" 3 ) verleiht. „Also ist die Vergottung nicht eine Tat unserer Kraft. Wir haben ihre Kraft nicht von Natur, sondern allein durch die göttliche Kraft. . . aus Gnade sind wir vergottet worden."4) So wurde die gesamte, durch die göttliche Inkarnation angenommene, Orientalen „die Vergottung das eigentliche Ziel der Menschwerdung und des Opfertodes Christi ist". Die griechischen Väter übersahen in keiner Weise die anderen gleichfalls wichtigen Phasen der Erlösungstätigkeit des Retters. x ) Vgl. Cyrill v. Alexandrien, in Joan. 10, 2. Migne P. G. 74, col. 341 und nach C. Kern, a. a. O., S. 26: „si la divinisation n'est pas une identification avec Dieu, elle n'est pas non plus, une hyperbole rhétorique du langage des Pères; c'est la participation à la vie divine, d'après laquelle dans la communion eucharistique, nous acquérons Dieu et devenons la même chair que Lui; en communiant, nous entrons dans les deux, car le pain eucharistique y demeure". 2 ) Gregor v. Nyssa, or. catech. 37. Migne P. G. 45, col. 97. 3 ) Cyrill v. Alexandrien, D e Trinitate 7. Migne P. G. 75, col. 1089. 4 ) Maximus Confessor, A d Marinos. Migne P. G. 91, col. 33.

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verdorbene und veraltete menschliche Natur neu gesell äffen, wieder erneuert, gereinigt, unsterblich gemacht, erlöst und vergottet, das durch die Sünde ‫״‬des Erstlings unseres Geschlechtes" 1 ) verdunkelte göttliche

Bild wurde in seinem anfänglichen Glanz wiederhergestellt. Irenaus lehrt, daß der Gott-Logos Fleisch w u r d e ‫ ״‬i n compendio nobis salutem praestans, ut q u o d perdideramus i n A d a m , i d est secundum i m a g i n e m et similit u d i n e m esse Dei, hoc i n Christo Jesu reeiperemus" 2 ), weswegen der Logos ‫״‬factus est q u o d sumus nos, ut nos perficeret esse q u o d est ipse . . . ut et h o m o ficeret partieips D e i " 3 ) .

Aus dem Gesagten folgt, daß besonders die Alexandriner, aber auch die anderen östlichen Väter, sich nicht nur auf die negative Aufhebung der Sünde und ihrer Schuldhaftigkeit und auf die Versöhnung des Geschöpfes mit dem Schöpfer beschränken, wie es im Westen geschah, sondern darüber hinaus besonders den positiven Aspekt des Heils betonen, welchen sie als die Rekapitulation der menschlichen Natur verstehen, gleichsam durch ihre Neuschöpfung, Unsterblichmachung und Vergottung, ja, sie sehen sie schlechthin als die Rekapitulation und Wiederherstellung der Menschheit in dem mystischen Leibe Christi an. In dem zweiten A d a m , dem ‫״‬neuen Menschen", erhielt die menschliche N a t u r

zurück, was sie im ersten verloren hatte, nämlich das ‫״‬nach dem Bilde" und ‫״‬nach Ähnlichkeit"4). Den gottmenschlichen Erlöser endlich betrachten sie als das gottmenschliche Haupt des einen lebendigen Organismus der gesamten Menschheit, von welchem das göttliche Leben auf alle Christen, als seine Glieder, ausgeschüttet wird. Dieselbigen bleiben und leben, den Reben gleich, in Christus als dem wahren Weinstock, dessen Weingärtner - nach dem bekannten johanneischen Gleichnis6) - Gott der Vater ist. Zweitens: Kraft des prophetischen Amtes offenbarte und lehrte der Herr als der höchste, absolute, einzige und ewige Lehrer und Wegweiser der Menschheit6) durch Wort und Tat die höchste religiöse und ethische Wahrheit. Diese übte auf den gefallenen Menschen einen in Wahrheit erlösenden Einfluß aus; ‫״‬denn es war notwendig, daß er erzogen und den Weg der Tugend gelehrt werde, der ihn dem Verderben entzog und 1

j Johannes Chrysostomus, in Gen. hom. 9, 2. Migne P. G. 53, col. 77. ) Irenaeus, adv. haer. III, 18, x. Migne P. G. 7, col. 932. 3 ) Ebenda, V , praef. IV, 28, r. Migne P. G. 7, col. 1120, 1062. 4 ) Cyrill v. Alexandrien, in Joan. 16, 6-7. Migne P. G. 74, col. 432. 5 )Joh. 1 5 , 1 ff. 6 ) Matth. 23, 8. 1 0 ; 16, 1 4 ; 21, 1 1 ; Mark. 1, 21/22; Joh. 3, 2 ; 6 , 1 4 ; 7, 40; 13, 1 3 ; vgl. Deut. 18, 18. 2

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Die orthodoxe Kirche in griechischer Sicht

zum ewigen Leben geleitete"1). Die Notwendigkeit dessen wird verständlich, wenn man einerseits in Betracht zieht, daß durch die Sünde der Verstand des Menschen verdunkelt und geschwächt wurde, und er darum religiöser und ethischer Unwissenheit, Irrtum und Sünde verfiel; und andererseits, wenn man bedenkt, daß der zum Heil des Menschen unerläßliche Glaube „aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes"2) kommt, das heißt durch das Lehren. Daher mußte der Mensch, um gerettet zu werden, zu allem anderen auch vom Irrtum befreit und von der Verfinsterung der Sünde erlöst werden, was durch die wahre Gotteserkenntnis, durch die religiöse und ethische Belehrung und Gesetzgebung des Erlösers geschieht, also eben durch die Lehre der „Wahrheit", die ihm allein Befreiung bringen, das heißt, ihn erlösen und retten konnte. So lehrte der Herr selber3), welcher in absolutem Sinne „die Wahrheit" selbst war4), die einzige Quelle aller Weisheit und wahrer Lehre, das „Licht der Welt" 5 ). Nach Athanasius d. Gr. lehrte der Herr, damit er „alle vom Gottesirrtum und vom Verderben befreie und selbst aller Herr und König werde" 6 ), nach Chrysostomus, „damit er uns rette, uns vom Irrtum befreie und in den Genuß des Königreiches bringe"7). Genau dies tat der Herr, als der göttliche Lehrer kat'exochen durch sein prophetisches Amt. Durch die Lehre der Wahrheit befreite und erlöste er die Menschheit vom Irrtum; denn die Wahrheit, die der Herr verkündete, erweckt das Gewissen des der Sünde dienenden Menschen, sie macht ihm die Notwendigkeit seiner Erlösung bewußt und befreit ihn vom Irrtum und von der Knechtschaft der Sünde. Durch seine Lehre erleuchtete der Erretter den Verstand der Menschen durch das Licht der göttlichen Wahrheit und hauchte der Menschheit den neuen Geist der wahren Erkenntnis und Wahrheit ein, indem er selbst zum besten und Johannes v. Damaskus, a. a. O., III, i . Migne P. G. 94, col. 981. ) Rom. 10, 17. 3 )Joh. 8,32. 4 ) Joh. 14, 6. 5 ) Joh. 8 , 1 2 . 8 ) Athanasius d. Gr., contr. Arianos II, 14. Migne P. G. 26, col. 181. 7 ) Johannes Chrysostomus, in Gen., hom. 3, 4, P. G. 53, col. 36. Aber Clemens v. Rom hatte bereits gelehrt, daß Gott durch den Herrn „uns berufen hat von der Finsternis zum Licht, von der Unkenntnis zur Erkenntnis der Herrlichkeit seines Namens . . . aufschließend die Augen unseres Herzens, daß wir erkennen den einzigen Höchsten in der Höhe" (I. Kor. 59, 2-3). Wie bekannt, wurde dieser Gesichtspunkt von den großen alexandrinischcn Theologen Clemens und Origenes besonders betont, deren Übertreibungen jedoch von der späteren patristischen Theologie aus gutem Grunde gemieden wurden. 2