Die Deutsche National-Zeitung und die Wiedervereinigung

Antifaschistische Informations-, Dokumentationsund Archivstelle München e. V. Kurzanalyse zum Thema Die Deutsche National-Zeitung und die Wiedervere...
Author: Kevin Walter
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Antifaschistische Informations-, Dokumentationsund Archivstelle München e. V.

Kurzanalyse zum Thema

Die Deutsche National-Zeitung und die Wiedervereinigung

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GLIEDERUNG Seite Vorwort

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Einleitung

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Ab September 1989: Wiedervereinigung Thema Nummer eins

3

Einzelaspekte des Themas Wiedervereinigung in der Berichterstattung der DNZ

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3.1 3.2 3.3 3.4

Wiedervereinigung - jetzt oder nie? Der Kampf um die deutsche Einheit Deutschland in den Grenzen von 1937 Abzug aller ausländischen Truppen

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3.5

Berlin ist Hauptstadt

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Resumée

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Anhang I Liste der Schlagzeilen der Deutschen NationalZeitung zwischen 15.9.1989 und 11.5.1990

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II

Anmerkungen

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III Literaturverzeichnis

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Vorwort Nach einem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aus dem Jahr 1965 ist für Demokraten eine Diskussion mit der Deutschen National-Zeitung (DNZ), bei der nationalistische und nazistische Ideen Unterstützung finden, unmöglich. Seither hat sich an der Grundlinie der Zeitung nichts geändert. Bei dieser Feststellung könnte man es belassen und sich einem anderen Thema zuwenden, wäre da nicht die Tatsache, daß es sich bei der DNZ um das bis heute auflagenstärkste rechtsextreme Publikationsorgan in der Bundesrepublik handelt. Mit einer geschätzten Auflage von rund 100.000 Stück erreicht die National-Zeitung wöchentlich knapp eine halbe Million Leser. Angesichts eines derartigen Verbreitungsgrades scheint - wenn schon eine Diskussion unmöglich ist - zumindest eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der DNZ notwendig. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage, wie die Zeitung der "alten Rechten" mit dem Thema Wiedervereinigung umgegangen ist, als diese im Herbst 1989 durch die Ereignisse in der DDR zum alles bestimmenden politischen Ereignis in Deutschland wurde. Eine Durchsicht der Jahrgänge 1989 und 1990 ergab, daß die Deutsche National-Zeitung zwischen Mitte September '89 und Anfang Mai '90 auf ihrer Titelseite fast ausschließlich über die deutsche Einheit berichtete, während vor- und nachher andere Themen im Vordergrund standen. Entsprechend wurde dieser Zeitraum für die vorliegende Arbeit zugrundegelegt. Durch den vorgegebenen Umfang mußten wichtige Aspekte ausgeklammert werden, andere werden nur kurz erwähnt. In vielen Bereichen bleibt die Arbeit deskriptiv. Bisweilen mag auch der Eindruck entstehen, Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen Dem sei entgegnet, daß die Arbeit versucht hat, sich streng an den Argumentationslinien der Zeitung zu orientierten und es für nahezu alle Textstellen aufgrund der häufigen Wiederholungen in der Argumentation - die wohlgemerkt zum publizistischen Konzept der DNZ gehören - eine Vielzahl vergleichbarer Belege gibt. Um eine Überinterpretation zu vermeiden, wurde häufig gänzlich auf eine Einordnung verzichtet; die war auch nicht nötig, denn zumeist spricht der Text für sich. Das verweist darauf, daß der Journalismus der DNZ am ehesten als ein Anknüpfen an der Gesinnungspresse der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts charakterisiert werden kann. Die aus der US-Tradition stammende Trennung von Nachricht und Meinung, die sich in der bundesrepublikanischen Presse nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzte, findet jedenfalls bei der Deutschen National-Zeitung keine Anwendung.

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Einleitung

Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands gehörte von jeher zum politischen Programm der Deutschen National-Zeitung (DNZ). Nachdem die frühere Deutsche Soldaten-Zeitung im Januar 1963 - unter ausdrücklichem Hinweis auf die Zeitung aus dem Bismarck-Reich - auf Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung 1 umbenannt wurde, schrieb der Herausgeber und Chefredakteur Gerhard Michael Frey: "Der großen Tradition der Deutschen National-Zeitung stets eingedenk, streben wir unbeirrbar unserem Ziel zu, daß auch unser Volk nach seiner Fasson innerhalb seiner rechtmäßigen Grenzen selig werden kann."2 Das unbeirrbare Streben nach der Einheit Deutschlands ließ die Zeitung auch jenseits des eigenen politischen Lagers nach möglichen Koalitionspartnern suchen. Diese Suche führte gelegentlich zu so skurril anmutenden Schlagzeilen wie Ende 1978, als die National-Zeitung in ihren Überschriften ankündigte "Wie China Deutschland groß machen will" oder die Frage stellte: "Bringt China uns die Wiedervereinigung?" 3 Enttäuscht von der 'geistig-moralischen Wende', vor allem aufgrund der Fortführung der sozialliberalen Ostpolitik durch die CDU/CSU/FDP-Koalition, ging die Deutsche National-Zeitung im Laufe der 80er Jahre mehr und mehr auf Distanz zu den Unionsparteien. Hatte sie über lange Jahre hinweg die Union als das 'kleinere Übel' betrachtet und ihre Wahl empfohlen, sah die DNZ sich von den "Versprechungen von 1982, die man ohne schlechtes Gewissen Lügen nennen darf" 4, getäuscht. Ihre "Öffnung nach links" bewies der National-Zeitung, "daß die C-Parteien mit Kräften wie Kohl, von Weizsäcker, Blüm, Süßmuth, Geißler usw. an der Spitze die letzten sind, die die Deutschen richtig vertreten und ihre Interessen wahrnehmen können." 5 Gerade der Prozeß der europäischen Einigung geriet immer wieder in das Zentrum der Kritik der National-Zeitung. Mit dem Wahlrecht für EG-Bürger, das die DNZ undifferenziert als Ausländerwahlrecht bezeichnet, sah sie die Chancen für ein geeintes Deutschland dahinschwinden. Zur Europa-Wahl am 18. Juni 1989 empfahl sie daher ihren Lesern, die Deutsche Volksunion (DVU) des DNZ-Herausgebers Frey zu wählen: "Denn eine 'multikulturelle' EG-Gesellschaft", so die DNZ am 9.6.89 auf ihrer Titelseite, "hätte natürlich kaum ein Interesse an einer deutschen Wiedervereinigung" 6. Ihre Wahlempfehlung untermauerte sie mit einem auf der selben Seite abgedruckten Artikel unter der Überschrift "Absage an Wiedervereinigung - Bonner Etablierte auf Abwegen". Darin wird Helmut Kohl vorgeworfen, daß er von der deutschen Einheit nurmehr in "Floskeln, die die Wiedervereinigung auf den St.-Nimmerleinstag verschieben", spreche, während die SPD "nicht einmal mehr Lippenbekenntnisse für Deutschland" 7 erübrige.

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Ab September 1989: Wiedervereinigung Thema Nummer eins

Nach der - für die DVU wenig erfolgreichen - Europawahl standen neben einer Auseinandersetzung mit den Republikanern ("Schönhuber im Zwielicht") und der Frage "Kommt rot-grüne Koalition in Bonn?" die traditionellen DNZ-Themen wie 'Über-

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fremdung1 und Kriegsschuldfrage im Mittelpunkt der Berichterstattung. Die Wiedervereinigung blieb mangels Aktualität auf die hinteren Seiten einzelner Ausgaben des Blattes verbannt. Als es dann allerdings im Sommer 1989 zur Ausreisewelle aus der DDR und wenig später zu den ersten Protesten der Bürgerbewegung kam, entwickelte sich die Wiedervereinigung für die DNZ schnell zum Thema Nummer eins. Bereits die Ankunft der ersten größeren Anzahl von Flüchtlingen aus der DDR wurde von der National-Zeitung als Beweis für das nach wie vor "ungebrochene Zusammengehörigkeitsgefühl unserer Nation"8 gewertet. Unter der Überschrift "Kommt jetzt die deutsche Einheit? Wiedervereinigung immer wahrscheinlicher" stellte Gerhard Frey junior am 15.9.1989 auf der Titelseite der DNZ fest: "Die Einheit Deutschlands ist in aller Munde [...] In der Bundesrepublik gibt es freilich immer noch eine Anzahl von Ewiggestrigen 9, die lieber den 1. September 1939 bejammern, als die entscheidenden Fragen von 1989 in Angriff zu nehmen, zu denen die Wiedervereinigung gehört."10 Die politische Strategie, die Frey jun. zur Überwindung der Hemmnisse der deutschen Einheit vorschlug, war einfach: "Es gelten hier die gleichen Grundsätze wie in der Wirtschaft: ein wichtiger Schritt zum Erfolg ist Werbung. Werbung für die Wiedervereinigung."11 Die aktuelle Entwicklung wurde von der DNZ in die Kontinuität der Auseinandersetzung um die Bildung des deutschen Nationalstaates im 19. Jahrhundert gestellt und die Werbekampagne für die Wiedervereinigung mit dem Anreiz eröffnet, ruhmreich in die Geschichtsbücher einzugehen: "Wieder bestätigt sich die These, daß eine große Zeit das ist die Zeit der Wiedervereinigung zweifellos - auch großer Persönlichkeiten bedarf. Kohl hat noch die Wahl, ob er künftigen Generationen als 'kleiner Bismarck' oder als 'kleiner Metternich' gelten will. Sollte er sich für Metternich entscheiden, der mit allen Mitteln den Status quo zu bewahren suchte, muß er bedenken, daß auch Metternich verloren hat. Die deutsche Einheit war und ist nicht aufzuhalten."12 Eine Woche später zitierte die Nationalzeitung Augstein, Brandt und Mechtersheimer mit Überlegungen zu den Möglichkeiten einer deutschen Vereinigung. Um das Kampfziel Wiedervereinigung zu erreichen, setzte die DNZ auf möglichst breite Koalitionen und gab als politische Leitlinie das Motto aus: "Die Parole der nächsten Jahre darf aber nicht sein, welcher Partei jemand angehört, sondern nur ' Für oder gegen die Wiedervereinigung?'."13

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Einzelaspekte des Themas Wiedervereinigung in der Berichterstattung der DNZ

Ausgehend von der These, daß sich der Stellenwert einer Thematik für eine Zeitung aus der Untersuchung ihrer Schlagzeilen ableiten läßt, zeigt sich, daß es zwischen September '89 und Mai '90 neben der Wiedervereinigung (so gut wie) kein anderes Titelthema für die DNZ gab 14. Eine nähere Betrachtung ergibt, daß dieses Hauptthema in mehrere Unterthemen gegliedert ist, die über bestimmte Zeiträume in den Vordergrund

-5treten, bisweilen zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgegriffen werden, oder auch in einem gewissen Spannungsverhältnis mit einem anderen Unterthema parallel auftreten. In der Berichterstattung der DNZ wird a) die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung geweckt, b) die Verwirklichung der Wiedervereinigung als Kampf dargestellt, c) die Anerkennung der polnischen Westgrenze abgelehnt, d) der Abzug aller ausländischen Truppen und die militärpolitische Souveränität Deutschlands gefordert sowie e) Berlin als Hauptstadt favorisiert. Anhand dieser fünf Aspekte soll im Folgenden die Berichterstattung der Deutschen National-Zeitung im untersuchten Zeitraum vorgestellt werden.

3.1 Wiedervereinigung - jetzt oder nie? Während bei den Demonstrationen in der DDR unter der Kurzformel, "Wir sind das Volk" noch ausschließlich Demokratieforderungen und Reformbestrebungen zur Debatte stehen, gelingt es der DNZ durch geschickte assoziative Interpretation, ihre eigenen politischen Ziele einfließen zu lassen. Am 13. Oktober 1989 titelt sie: "Deutsche Einheit jetzt oder nie?" 15 und erklärt, daß in der Berichterstattung der Medien verschwiegen würde, daß sich hinter dem '"Ruf nach Reformen' [...] der Wille der Mitteldeutschen zur Wiedervereinigung Deutschlands verbirgt." 16 In der Logik der DNZ liegt der Zusammenhang auf der Hand: "Die deutsche Frage ist untrennbar mit dem Ruf nach mehr Freiheiten für die Mitteldeutschen verbunden; denn was könnte die Freiheit unserer Landsleute in der ' DDR' auf Dauer sicherer garantieren, als die Deutsche Einheit?"17 Immer wieder weist die DNZ darauf hin, daß das "deutsche Volk [...} in seinen Politikern wenig Unterstützung für das Selbstbestimmungsrecht [hat]. Dafür aber umso mehr im Ausland. Das Echo von Staatsleuten und Presse unserer Nachbarn und Verbündeten ist fast durchwegs positiv. [...] Und die USA fordern die Wiedervereinigung nicht zuletzt deshalb, weil sie sich möglichst bald aus Europa zurückziehen wollen."18 Mit dem Verweis auf die ausländischen Forderungen nach einer deutschen Einheit zielt die DNZ in mehrere Richtungen: sie rückt die Wiedervereinigung in greifbare Nähe, immunisiert sich gegen den Vorwurf, sie betreibe Nationalismus und versucht die Bonner Politiker in argumentativen Zugzwang zu bringen. Als die Bundesregierung Ende November ihren Zehn-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung bekannt gibt, sieht sich die National-Zeitung der deutschen Einheit ein gutes Stück näher gekommen. In der DNZ vom 8.12.89 kommt Erleichterung zum Ausdruck, wenn es heißt: "Daß Helmut Kohl schließlich mit seinem Konzept zur Wiedervereinigung, mit seinem 'Plan für Deutschland' deutliche, realisierbare und wegweisende Akzente setzte, ist ein entscheidender Schritt in die einzig richtige Richtung, der weltweit verdeutlichte: Die Wiedervereinigung ist nicht mehr aufzuhalten."19 Ihrer Zufriedenheit mit Kohls Deutschlandplan verleiht die National-Zeitung auch dadurch

-6Ausdruck, daß sie ihn - was für die DNZ ausgesprochen unüblich ist - im Januar 1990 im Wortlaut abdruckt. Besondere Anerkennung zollt sie vor allem der Tatsache, daß Kohl seinen Drei-Stufen-Plan nicht mit anderen Regierungen abgesprochen habe, zumal "auf diese Weise nach langer Zeit verdeutlicht wird, daß die Einheit unseres Vaterlandes allein Sache der Deutschen und nicht 'des Auslands' oder 'unserer westlichen Partner' ist."20 Für die National-Zeitung muß es schnell gehen mit der Wiedervereinigung. Denn sie befürchtet, daß jegliche Verzögerung im Vereinigungsprozeß eine Gefahr für die "Chance des Jahrtausends"21 darstellt, so "daß veränderte Machtverhältnisse in ein oder zwei Jahren die Wiedervereinigung verhindern könnten."22 Auch in diesem Zusammenhang stellt die DNZ eine geschichtliche Parallele zur Bildung des deutschen Nationalstaates im letzten Jahrhundert her: "Hier muß man sich der Sorgen Bismarck[s Anm. d. V.] vor Gründung des Zweiten, des kleindeutschen Reiches erinnern, der jede Verzögerung als tödliche Gefahr betrachtete."23

3.2 Der Kampf um die deutsche Einheit Damit rückt ein zweiter inhaltlicher Schwerpunkt in den Vordergrund, der auf den ersten Blick mit der immer wieder geäußerten Überzeugung, daß die Wiedervereinigung nicht nehr aufzuhalten sei, im Widerspruch steht. In unregelmäßigen Abständen greift die DNZ die Bedrohung der Wiedervereinigungspläne auf. Dabei arbeitet sie mit schablonenhaften Freund-Feind-Schemata und Begriffen wie "Separatisten" 24, "Verschwörung" 25, "sabotiert" 26, die dem Leser ein lebhaftes Bild von einem erbitterten "Kampf um die Wiedervereinigung"27 suggerieren sollen. Unter der Schlagzeile "Geheimplan gegen deutsche Einheit - Wie der Volkswille bekämpft werden soll"28 meldet sich beispielsweise Mitte Dezember der Herausgeber der DNZ, Dr. Gerhard Frey, selbst zu Wort. Der tatsächliche Inhalt des fünfspaltigen Artikels bleibt allerdings - wie so oft bei der National-Zeitung 29 - weit hinter den mit dem spektakulären Titel geweckte Erwartungen zurück. Kernstück des 'Geheimplanes' bilden ein Passus aus der Erklärung des SED-Parteitages am 9.12.89, in dem die Eigenständigkeit der DDR als "historische Chance einer deutschen Alternative des demokratischen Sozialismus in gleichberechtigter Nachbarschaft zu allen Staaten Europas" 30 bezeichnet wird und Überlegungen der SED-Spitze hinsichtlich der Aufnahme eines Artikels in die geplante neue DDR-Verfassung, der die Zweistaatlichkeit festschreiben sollte. Diese Fakten dienen der DNZ als Aufhänger für eine Generalabrechnung mit den von ihr ausgemachten Gegnern der Wiedervereinigung. Hierzuzählen neben dem als Reformer apostrophierten SED-Politikern Gregor Gysi und dem "Bluthund" 31 Markus Wolf (auf deren jüdische Abstammung ausdrücklich hingewiesen wird), auch der französische Präsident Mitterand 32, der SPD-Kanzlerkandidat Lafontaine, maßgebliche Teile des DGB, "Betonköpfe" in Moskau "und mannigfache Geheimdienste, die sich einiges einfallen lassen werden".33 In die Reihe der "Feinde der deutschen Einheit"34 werden immer neue politische Kräf-

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te und Einzelpersonen gestellt In Zusammenhang mit der Überschrift "Thatchers wahre Motive" heißt es, anläßlich der Forderung der britischen Regierung nach Garantien für die polnische Westgrenze und der NATO-Einbindung eines vereinten Deutschlands, in der Ausgabe vom 6.4.1990: "Im Kreis dieser 'feindlichen Elemente' und 'mißgünstigen Freunde' findet sich ganz vorn die britische Premierministerin Thatcher, die es uns nie verzeihen kann, daß London durch den Sieg im Zweiten Weltkrieg sein Weltreich, in dem auf einem Viertel der Erde 250 Völker versklavt wurden, verlor." 35 Im Vorfeld der Volkskammerwahl am 18. März 1990 in der DDR, die von ihr - wie so oft bei Wahlen 3 6 - als "Deutschlands Schicksalswahl" 37 bezeichnet wird, beginnt die Deutsche National-Zeitung eine Kampagne gegen jene politischen Kräfte, die ihrer Meinung nach eine möglichst rasche Wiedervereinigung behindern. Diese Kampagne richtet sich vorrangig gegen die SPD, da die DNZ in deren Kanzlerkandidat Lafontaine ("ein marxistischer Internationalist, dem beim Wort 'Vaterland' übel wird" 38) offenbar die größte Gefahr für den Einigungsprozeß sieht. Entsprechend präsentiert die Zeitung in mehreren Ausgaben jeweils eine Seite mit Fotos, die vorrangig SPD-Politiker (aber auch Grünen-Vertreter und DGB-Funktionäre) zusammen mit Erich Honecker und anderen SED-Größen zeigen. Dabei benutzt die National-Zeitung eine geschickte Methode. Nachdem sie das - bei ihren Lesern wohl ohnehin bereits vorhandene Feindbild gegenüber der "kommuniststischen" SED mit ihren Berichten immer wieder verstärkt hat, rückt sie nun die SPD in die Nähe dieses Feindbildes. Kontrastiert mit früheren Aussagen der gezeigten SPD-Politiker, in denen diese die Existenz der DDR anerkannt hatten, entlarvt die DNZ auch deutliche Befürworter der Wiedervereinigung, wie Willy Brandt oder Hans-Jochen Vogel, als "Wendehälse" 39, die in Wahrheit gar kein Interesse an der deutschen Einheit hätten.

3.3 Deutschland in den Grenzen von 1937 Die Geschichtsschreibung der Deutschen National-Zeitung datiert den deutschen Einheitsstaat nicht mit der Gründung des Nationalstaats von 1871 unter Bismarck, sondern mit König Otto I. zu Beginn des zehnten Jahrhunderts. Für sie liegt damit auf der Hand, "daß die staatliche Einheit Deutschlands annähernd 1000 Jahre währte". 40 Vor dem Hintergrund einer solchen geschichtlichen Tradition machte die DNZ nie eine Hehl daraus, daß sie die ehemals deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße, Ostpreußen, Pommern und Schlesien, als rechtmäßiges deutsches Territorium betrachtet. So heißt es auch in der Ausgabe vom 3. November 1989, bezogen auf die deutschen Ostgebiete: "Dieses Land gehört nach wie vor zum de jure nicht untergegangenen Deutschen Reich."41 Rechtlich bindende Garantien der 1945 durch die Potsdamer Konferenz festgelegten polnischen Grenziehung an der Oder-Neiße-Linie werden von der DNZ abgelehnt. Für die National-Zeitung handelt es sich bei der Grenzziehung vielmehr um den "größten Landraub der Geschichte" 42. Entsprechend wird die Kompensationstheorie unter dem Titel "Einheit: Wegen Polen verzichten? Warschaus wahre Pläne gegen Deutschland"

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mit einer "Räuber-Logik" verglichen: "Sie entspricht der Logik eines Bankräubers, der aus dem Verlust seiner bei einer Bankfiliale geraubten Beute das Recht ableitet, sich mit Waffengewalt im Kassenraum einer anderen Niederlassung 'Ausgleich' holen zu dürfen." 43 Für die deutsche National-Zeitung, die die Alleinschuld Hitler-Deutschlands am Zweiten Weltkrieg vehement bestreitet, bleibt die Niederlage tragisch: "Denn Deutschland hatte den Krieg verloren und konnte seine Rechte nicht durchsetzen." 44 Genau um die Durchsetzung dieser Rechte geht es aber der DNZ, und so möchte sie die Vereinigung von Bundesrepublik und DDR losgelöst von endgültigen Garantien gegenüber Polen verwirklicht sehen. So hofft die National-Zeitung, "daß langfristig ein gerechter Ausgleich zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk erreicht wird. Dies dürfte jedoch nur möglich sein, wenn Warschau vom hohen Roß des Chauvinismus absteigt und Deutschland nicht länger auf Knien rutscht." 45 Wie dieser Ausgleich aussehen könnte, läßt die Deutsche National-Zeitung offen. Daß es nicht der Verzicht auf die deutschen Gebiete sein darf, legt ihre Berichterstattung nahe. Aber selbst das wäre für die DNZ nur die "kleindeutsche" 46Lösung und so versäumt sie es nicht in regelmäßigen Abständen, darauf hinzuweisen, daß auch Österreich zur deutschen Nation gehört. So z.B. mit einer Serie über "Österreichs großdeutsches Bekenntnis" 47 oder mit einem Zitat Metternichs aus dem Jahr 1847: "Österreich ist deutsch, deutsch durch die Geschichte, durch den Kern seiner Provinzen, durch seine Zivilisation." 48

3.4 Abzug aller ausländischen Truppen Lange Jahre sah die National-Zeitung eine deutsche Neutralität als den Schlüssel zur Wiedervereinigung an. Ihr schien klar, daß die Sowjetunion "nie einer Regelung zustimmen [würde], wonach Gesamtdeutschland in den Machtbereich Washingtons, also der Nato fiele. Und Washington würde Mittel und Wege suchen, um zu verhindern, daß sich Deutschland - etwa aus 'Gorbimanie' und Dankbarkeit für die Gewährung der Einheit - zu einem engen Schulterschluß mit Moskau bereitfände. Die gesamtdeutsche Paktfreiheit und Neutralität wäre der befreiende Hieb durch diesen Gordischen Knoten." 49 Als sich jedoch, sowohl bei der Bundesregierung, als auch bei ihren westlichen Verbündeten, ein Festhalten an einer NATO-Mitgliedschaft Deutschlands abzeichnet und die Sowjetunion Einlenken signalisiert, rückt auch die DNZ von ihrer Position ab: "Wenn die fremden Truppen möglichst rasch abziehen, ist über eine Zugehörigkeit zu einer sich wandelnden Nato durchaus nachzudenken, für den Fall, daß eine andere Lösung nicht realisierbar ist." 50 Unter der Schlagzeile "Neutralität oder NATO - Wo liegt Deutschlands Zukunft?" 51 stellt die DNZ in ihrer Ausgabe vom 30. März 1990 vier sicherheitspolitische Grundforderung auf. Dazu zählt der Abzug aller fremden Truppen, die Selbstbestimmung der Bündnispolitik, Abschaffung von Gebietsteilen eingeschränkter Souveränität sowie

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das Recht, "eine Selbstverteidigungsarmee in einer selbst zu bestimmenden Größe zu unterhalten, die über alle Waffen, über die auch Frankreich und Großbritannien verfügen, ebenfalls verfügen darf." 52 Das würde auch Atomwaffen beinhalten.

3.5 Berlin ist Hauptstadt Nach alledem kann es nicht verwundern, daß für die National-Zeitung "die HauptstadtFrage [...] überhaupt keine Frage ist." 53. Denn "natürlich ist Berlin auch die traditionelle deutsche Hauptstadt und die alte Hauptstadt Preußens, des größten deutschen Staates neben Österreich." 54 Mit diesem Wissen kann die DNZ bereits am 5. Januar, also knapp zwei Monate nach der Maueröffnung, "Berlins Wiedergeburt als Hauptstadt" 55 feiern. Neben Umfrageergebnissen, die nicht belegt werden, aus dem Religiösen entlehnten Begriffen, wie 'Wiedergeburt', und Appellen an die 'Natürlichkeit' wird von der DNZ auch die neuste Brockhaus-Enzyklopädie zu Hilfe genommen, in der es heißt: "Als Hauptstadt Deutschlands gilt nach wie vor Berlin." 56 Aber es gibt auch geopolitische Überlegungen, die für die DNZ eine Rolle spielen, wenn sie schreibt: "Was also liegt naher als Berlin, die mitteldeutsche Stadt in der Mitte Mitteleuropas zur Hauptstadt zu wählen; einen Standort, der die deutsche Politik weder von Westeuropa abkoppelt noch vom Geschehen in Mittel- und Osteuropa fernhält" 57

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Resümee

Die Deutsche National-Zeitung hat, so scheint es, vor allen anderen Medien, die Bedeutung der Geschehnisse in der DDR im Sommer und Herbst 1989 vollständig erfaßt Eine genauere Analyse zeigt jedoch, daß weniger politisches Gespür, als vielmehr die eigenen vehement verfolgten politischen Ziele, den Ausgangspunkt für die Berichterstattung der DNZ bilden. So zeigt die Untersuchung, daß in der Berichterstattung der National-Zeitung deutliche Elemente rechtsextremer Denkmuster transportiert werden. Die Werbung für ihr politisches Ziel "Wiedervereinigung" stand für die National-Zeitung besonders in der Anfangsphase im Vordergrund. Die Betonung des Kampfes um die Wiedervereinigung verweist auf darwinistisch geprägte Grundmuster. In der Sprache der DNZ wird die Politik emotionalisiert. Zur Legitimierung der eigenen politischen Ziele werden sämtliche verfügbaren, oft nicht überprüfbaren, Zitate, Umfrageergebnisse und überinterpretierte Fakten herangezogen und in einen neuen Kontext gestellt. Ihren politischen Zielen ist die DNZ in der Berichterstattung über die Wiedervereinigung (mit Ausnahme der Neutralitätsforderung) treu geblieben. So zeigt sich einmal mehr, daß die Deutsche National-Zeitung aus der Geschichte nichts gelernt hat. Schwerer noch wiegt allerdings, daß sie auch nichts aus der Geschichte lernen will. Das beweist die Antwort auf einen Artikel in der 'Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung', der in Zusammenhang mit der Wiedervereinigung eine

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Auseinandersetzung fordert, "mit den Ursachen und den Wirkungen des Versuches, deutsche Geschichte als ein Gebilde des Größenwahns und des Rassenwahns zu schreiben". 58 Dazu schreibt die DNZ: "Nach über vierzig Jahren soll das deutsche Volk weiterhin die Rolle des Verlieres einnehmen, um 'wieder in den Kreis der zivilisierten Völker aufgenommen' zu werden? Die Einheit Deutschlands soll davon abhängen, wie die Deutschen sich fortan mit ihrer Geschichte beschäftigen? [...] Die Antwort kann nur sein: Nein!" 59

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Schlagzeilen der Deutschen National-Zeitung (15. September 1989 - 1 1 . Mai 1990) Titelgeschichte (schwarz)

15.9.89

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Kommt jetzt die deutsche Einheit? Wiedervereinigung immer wahrscheinlicher

22.9.89

Kann Kohl die CDU retten? Sein neues Konzept

29.9.89

Moskaus neue Deutschlandpolitik Die Wandlungen im Kreml

6.10.89

Kriegsverbrechen der anderen Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht

13.10.89

Deutsche Einheit -jetzt oder nie? Entscheidung für unser Volk

20,10.89

Wird Deutschland jetzt wiedervereinigt? Unsere Chancen zur Einheit

27.10.89

Freie Bahn für Wiedervereinigung Deutschlands große Chance

3.11.89

Der Massnmord an deutschen Soldaten Geheim-Dokumente enthüllen Sieger-Verbrechen

10.11.89

Kohls Kniefall vor Polen Die überflüssigste Reise der Welt

17.11.89

(Zeitung ist schwarz/rot/gelb umrandet)

Wiedervereinigung jetzt! (rot) Der Volkswille triumphiert (schwarz) 24.11.89

Deutschlands große Stunde

1.12.89

"Der Weg zur deutschen Einheit" Interview mit der Prinzessin von Preußen

8.12.89

BRINGT DEUTSCHLANDPLAN DIE EINHEIT?

Hinweis auf Artikel im Inneren der Zeitung (rot)

Die wahren schuldigen am Zweiten Weltkrieg Kommt jetzt die deutsche Einheit? Der Weg zur Wiedervereinigung Wiedervereinigung kein Traum mehr Wiedervereinigung - Deutschlands Zukunft Ausländerwahlrecht gestoppt Kohl - Totengräber der CDU? Verspielt Kohl die Wiedervereinigung? "So werden die Deutschen belogen" Interview mit David Irving

Deutschlands Auferstehung WIEDERVEREINIGUNG KOMMT! (Lettern in schwarz/rot/gelb)

Wiedervereinigung; Deutschlands Zukunft Herrhausens Vermächtnis: Ja zur Wiedervereinigung

Bonns Initiative für Wiedervereinigung

15.12.89

Geheimplan gegen deutsche Einheit

Wegen Hitler keine Wiedervereinigung?

Wie der Voikswille bekämpft werden soll

22.12.89 5.1.90

Deutsche Einheit - Segen oder Fluch?

Wiedervereinigung nicht aufzuhalten

Der Kampf um die Wiedervereinigung

Berlins Wiedergeburt als Hauptstadt

Kann Kohl sich durchsetzen?

12.1.90

Die Lüge vom "Neonazismus"

Verschwörung gegen Wiedervereinigung?

Wie Deutschlands Einheit verhindert werden soll

19.1.90

"Deutsche Einheit nicht mehr aufzuhalten" Bringen DDR-Wahlen die WiederverEx-US-Minister Kissinger zur Wiedervereinigung

einigung?

-1226.1.90

Wie Kohls Wiedervereinigungsplan sabotiert wird

Kohl oder Lafontaine Deutsche Einheit oder Teilung

2.2.90

Wo liegen Deutschlands Grenzen?

Verhindert Lafontaine Wiedervereinigung?

9.2.90

DDR-Wahlen: Triumph für die deutsche Einheit?

Wiedervereinigung: Volksabstimmung am 17. Juni?

Am 18.März: "Ja zur Vereinigung"

16.2.90

Bonn oder Berlin -

Kohl - Kanzler der Einheit

Wer wird Deutschlands Hauptstadt

23.2.90

Wer wird DDR-Ministerpräsident?

Verschwörung gegen Wiedervereinigung

Die wahre Vergangenheit der Kandidaten

2.3.90

Was plant DDR-Geheimdienst

Wiedervereinigung an Ostern

Vor neuen Verbrechen

9.3.90

Lafontaine - Gegner der Einheit

Wiedervereinigung - sofort oder nie?

Seine antideutschen Pläne T

16.3.90

Deutschlands Schicksalswahl 18. März: Entscheidung für Wiedervereinigung

Warschaus Erpresser-Methoden gegen Deutschland Wiedervereinigung: Polens unverschämte Forderungen

23.3.90 30.3.90 6.4.90

Einheit: Wegen Polen verzichten?

Nach Kohls Triumph:

Warschaus wahre Pläne gegen Deutschland

Wiedervereinigung schon morgen?

Neutralität oder NATO? Wo liegt Deutschlands Zukunft?

Währungsunion am 17. Juni

Die Macht des DDR-Geheimdienstes

Werden wir um die Wiedervereinigung

Der Fahrplan zur Wiedervereinigung betrogen? Gefahren für die Wiedervereinigung

13.4.90

Verschwörung gegen Wiedervereinigung

Deutschlands Wiederauferstehung

Wo die wahren Gefahren liegen

20.4.90

Deutschland vor dem Ziel

So soll die Wiedervereinigung verhindert werden

Wird die Einheit jetzt wahr?

27.4.90 4.5.90 11.5.90

Hängt Wiedervereinigung am seidenen Faden?

So wurde gefoltert und gemordet Kronzeuge berichtet aus DDR-KZ

Ist die Oder-Neiße Linie endgültig?

Ungesühnte Verbrechen an Deutschen

Was will Polen mit deutschem Land?

Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht

Was geschah in Auschwitz nach 1945?

Weizsäckers Verrat

Schreckliche Ereignisse, die verschwiegen werden

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Anmerkungen

1960 war die Deutsche Soldaten-Zeitung unter der Egide Freys und des damaligen Chefredakteurs Erich Kernmayr, der es 1940 immerhin bis zum Leiter der Pressestelle des Gauleiters von Saarland/ Lothringen gebracht hatte und der 1941 der SS-Division "Das Reich" beigetreten war, bereits auf Deutsche Soldaten-Zeitung und National-Zeitung umbenannt worden. (vgl. DUDEK, Peter/JASCHKE, Hans Gerd: Die Deutsche National-Zeitung, Inhalte. Geschichte. Aktionen., München 1981, S. 19/22) DNZSZ vom 4.1.1963 zit. nach DUDEK/JASCHKE, 1981, S. 25 KRITZER, Peter: Die Wut der Unbelehrten, Wie die "Deutsche Nationalzeitung" mit der Wahrheit umgeht, in: BENZ, Wolfgang (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen, Frankfurt/Main, 1984, S. 211 DNZ, Nr. 10, 3.3.1989, S. 1 ebd. DNZ, Nr. 24,9.6.1989,5.1 ebd. DNZ, Nr. 35,25.8.1989, S.l Anm.. d. V. Hier wird der Begriff "Ewiggestrige", der in der politischen Auseinandersetzung zur Etikettierung rechtsextremer Kräfte geprägt wurde, umgedreht und auf den politischen Gegner gemünzt, von dem er stammt. DNZ, Nr. 38, 15.9.1989, S. 1 ebd. ebd. DNZ, Nr. 39, 22.9.1989, S. 2 Vgl. dazu die Auflistung der Schlagzeilen der DNZ zwischen 15.9.1989 und 11.5.1990 (S. U/12). Es sei darauf verwiesen, daß vor und nach dem ausgewählten Zeitraum vorrangig die traditionellen DNZ-Themen wie Kriegsschuldfrage, Verbrechen an Deutschen und Überfremdung im Vordergrund der Berichterstattung standen. Unbestritten ist, daß die Berichterstattung über die deutsch-deutsche Entwicklung in sämtlichen Medien breitesten Raum einnahm und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum Kritik an der Wiedervereinigung geübt wurde. Ein deutlicher Unterschied dürfte allerdings sein, ab wann die Wiedervereinigung zum allgemeinen Thema avancierte und in welchen Nuancen in den einzelnen Medien darüber berichtet wurde. Da eine vergleichende Untersuchung den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen würde, sei nur vermerkt, daß beispielsweise die Süddeutsche Zeitung vom 11./12. November 1989 bei aller Euphorie über die Maueröffnung das Thema Wiedervereinigung nur am Rande thematisiert. Auf Seite 7 berichtet die SZ über die Reaktionen des Auslandes und verweist dabei vor allem auf die Stellungnahme des sowjetischen Außenministeriumssprecher Gerassimow, der sich entschieden gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands gewandt hatte. DNZ,Nr.42, 13.10.1989, S.l ebd., Der Begriff "Mitteldeutsche" impliziert den Anspruch auf die deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße und gehört zu einer der mannigfaltigen Wortschöpfungen der DNZ. Dudek und Jaschke weisen in ihrem Buch über die National-Zeitung zutreffend auf die mit solchen Schlagwörtern intendierte "schleichende Infiltration des politischen Bewußtseins des Lesers" hin. (DUDEK/JASCHKE, 1981, S. 51) ebd. ebd., Anm.: Die auch im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen nicht näher begründete eigenwillige Interpretation der US-Interessen durch die DNZ, soll hier nur kritisch angemerkt werden. DNZ, Nr. 50, 8.12.1989, S. 1, Anm.: Nachdem Kohl für immer wieder herber Kritik der DNZ ausgesetzt war, wendet sich mit dem 10-Punkte-Plan die Berichterstattung. Kohl wird in zunehmend positivem Licht dargestellt und schließlich zum "Kanzler der Einheit" gekürt, dem man "bei der Vereinigung von Bundesrepublik und DDR ein Höchstmaß an Geschick und Staatskunst zubilligen" muß. (DNZ, Nr. 8, 16.2.1990, S. 3)

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ebd. Anm.: Nachdem zunächst in der DNZ-Berichterstattung, häufig auf die politischen Kräfte im Ausland rekurriert wurde, um die Legitimität der Forderung nach einer deutschen Wiedervereinigung zu untermauern, kommt es mit der Initiative der Bundesregierung zu einer deutlichen Akzentverschiebung. Zwar ist sich auch die National-Zeitung darüber im Klaren, daß ohne die Zustimmung der beiden Supermächte die Wiedervereinigung nicht durchsetzbar wäre, ihren Schwerpunkt setzt sie aber nun auf einer eigenständigen Politik: "Müßte Kohl jeden seiner Schritte mit ausländischen Vertretern absprechen, könnte die Bundesrepublik auf eigene Politiker verzichten ..." (ebd.) DNZ, Nr. 11, 9.3.1990, S. 3, Anm.: Hier greift sie auf den Ausspruch des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm zurück, der von einer "historischen Stunde," sprach, "wie sie nur einmal in einem Jahrtausend einem Volk wiederfahrt", (ebd.) ebd. ebd.; in der Ausgabe vom 2.3.1990 heißt es beispielsweise zum Tempo der Wiedervereinigung: Je rascher die Vereinigung zwischen Bundesrepublik und DDR vollzogen wird, desto besser für Deutschland und Mitteleuropa. [...] Bereits an Ostern könnte Deutschland wieder auferstanden sein." DNZ, Nr. 52, 22.12.1989, S. 2 DNZ, Nr. 3, 12.1.1990, S. 1 DNZ, Nr. 5, 26.1.1990, S . l DNZ, Nr. 1/2, 5.1.1990,5. 1 DNZ, Nr. 51, 15.12.1989, S. 1 vgl. DUDEK/JASCHKE, 1981, S. 242 DNZ, Nr. 51,15.12.1989, S. 2 ebd., S. 1 Zwei Beispiele der Angriffe auf Mitterand: "Daneben sinnt der unermüdliche Deutschenfreund, der wirklich alles versucht hat, die Wiedervereinigung zu verhindern auf Revanche." (DNZ, Nr. 14, 30.3.1990, S. 3) und auf die Politik der französichen Regierung: "Daß der französische Zwerg möglichst viele voneinander getrennte Deutschländer an Nasenringen durch eine für uns schaurige Zukunft führen will, kann nur jenen einleuchten, die sich in dem Wahn befinden, Frankreich sei auch nach dem Sturz Napoleons I. eine Weltmacht geblieben." (DNZ, Nr. 5 1 , 15.12.1989, S. 4) ebd., S. 4, Anm.: In der Formulierung, "die sich, einiges einfallen lassen werden", zeigt sich, daß es der DNZ an Anhaltspunkten für konkrete Pläne mangelt und stattdessen ein allgemeines Drohbild aktualisiert wird. DNZ, Nr. 15, 6.4.1990, S. 1 ebd.S.3 Nach Auffassung der D N Z wird häufig bei Wahlen über "Deutschlands Schicksal" entschieden, so beispielsweise auch bei der Europawahl 1989 (vgl. D N Z , Nr. 24, 9.6.1989, S. 1). DNZ, Nr. 12, 16.3.1990, S. 1 DNZ, Nr. 15, 6.4.1990, S. 3. Die DNZ-Kampagne gegen Lafontaine ist so umfangreich, daß sie im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden kann. Anhaltspunkte für den Stellenwert in der DNZBerichterstattung und die Stoßrichtung ihrer Kritik bieten auch, die verschiedenen Überschriften zu Lafontaine auf Seite 11. DNZ, Nr. 11, 9.3.1990, S . 5 . In einer Bildunterschrift in der D N Z Nr. 13, vom 23.3.1990 heißt es dazu: "Hans-Jochen Vogel gehört heute zu jenen SPD-Genossen, die Gefahr laufen, sich ihren (Wende-)hals z u verrenken. Sichtlich wohler fühlte er sich offenbar an der Seite von SED-Bonzen hier: Mittag)." DNZ, Nr. 45, 3.11.1989, S. 7 ebd. DNZ, Nr. 13, 23.3.1990, S. 1 ebd. ebd.

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DNZ, Nr. 11, 9.3.1990, S. 3

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DNZ, Nr. 12, 16.3.1990, S. 6

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DNZ, Nr. 17, 20.4.1990, S. 6. Dabei stört es die DNZ auch nicht, daß sie Metternich in anderem Zusammenhang gerade zum Abbild des Gegners der Deutschen Einheit im vergangenen Jahrhundert hochstilisiert hat. (Vgl. S. 4 in dieser Arbeit)

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DNZ Nr. 42, 13.10.1989, S. 2

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DNZ, Nr. 14, 30.3.1990, S. 2

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ebd. S. 1

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ebd.

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DNZ, Nr. 8, 16.2.1990, S. 4 ebd. 55 DNZ, Nr. 1/2,5.1.1990,8. 1 56 DNZ, Nr. 8,16.2.1990, S. 1 57 ebd. 58 DNZ, Nr. 5 1 , 15.12.1989, S. 2 59 ebd. 54

III Literaturverzeichnis DEUTSCHE NATIONAL-ZEITUNG (DNZ), alle Ausgaben zwischen 15.9.1989 und 11.5.1990, sowie Nr. 10, 3.3.1989; Nr. 24, 9.6.1989 und Nr. 35 vom 25.8.1989 DUDEK, Peter/JASCHKE, Hans Gerd: Die Deutsche National-Zeitung, Inhalte. Geschichte. Aktionen., München 1981 KRITZER, Peter: Die Wut der Unbelehrten. Wie die "Deutsche Nationalzeitung" mit der Wahrheit umgeht, in: BENZ, Wolfgang (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen, Frankfurt /Main 1984, S. 209 - 223 PASCHNER, Günther: Falsches Wissen der Nation. Deutsche National-Zeitung und SoldatenZeitung, Mainz 1968

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