Die andere Seite der Stadt. Februar 2005

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Author: Gundi Schmitt
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Information | Satire | Kultur

Die andere Seite der Stadt.

Februar 2005

EDITORIAL

Seite 2

KRUL-KAMPF

Seite 3

BERLINALE

Seite 12

KULTURKAMPF

Seite 19

TAGEBUCH

Seite 24

AUTOREN / KONTAKT

Seite 32

| EDITORIAL |

Abschied, liebe Leser, allerorten! Nicht von PotZdam, nein. Aber von vielem, das einen angestammten Platz in Potsdam hatte: die Winterkälte, der Prinzenspielplatz, krul. Die klirrende Kälte wird dem Frühling Platz machen, der zugeschüttete Prinzenspielplatz dem Vergessen, und mit krul verschwindet der rot schimmernde Farbpunkt im Potsdamer Mediengrau... Nur der gelbe bleibt.

Was uns dieser Tage bei Laune hält, ist die Berlinale! Wir berichten natürlich hautnah vom Schauplatz des Geschehens und widmen ihr wie immer eine eigene Rubrik Die Ausgabe lebt diesmal – neben den Texten – vielfach von Bildern: Darum sei dem, der sich an längeren Ladezeiten stört, gleich das gesamte PDF zum Download empfohlen.

Durchhalten!

Die Redaktion

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KRUL-KAMPF

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Gelb krul Nr. 1 Von M. Gänsel

Im Oktober 2004 war es so weit: krul war da! Die Gerüchteküche kam gar nicht so schnell zum Zutatenschneiden wie ein Dutzend Leute von der Idee zur Drucklegung. Ein Heftchen mit Texten zu machen ist fürs erste keine SO schlechte Idee. Auch Potsdam zum Trotz dieses Heftchen in Potsdam, und nur in Potsdam zu vertreiben, mutet gleichermaßen nicht SO übel und durchaus funktionabel an. Äußerlich – das Heftchen ist klein (A 5), nicht so dick (44 Seiten) und fasst sich gut an (Papier gewachst) – kam krul Nr. 1 auch genauso daher: nicht so übel, durchaus neugierig machend. Das Heft Nr. 1 hatte drei Vorteile: 1) Es war NEU. 2) Es war kostenlos. 3) Die ambitionierte grafische Gestaltung ließ manch unspannenden Text immerhin ohne Lesen spannend wirken. Das Heft Nr. 1 hatte drei Nachteile: 1) Es war neu. Was braucht es denn NOCH ein „Stadtmagazin“ für Potsdam? Waren vergangene Fehlversuche nicht genug? Muss man nicht anerkennen, dass Potsdam mit „events“ genau das hat, was es verdient/ will/ bedient haben will? 2) Es war kostenlos. Nichts gegen Auslegeheftchen. Nichts gegen Klolektüre. Aber muss ein die Maxime „kultur raum unten links“ auf der Titelseite versprechendes Text-Konvolut UMSONST verramscht werden? War „Zahl ich nix für, geb ich nix für, geb ich nix drauf“ das, was die Macher wollten? 3) Manch unspannender Text wurde grafisch derart überambitioniert aufgepeppt, dass beides, Text und Grafik, zum Schlag ins Gemüt jedes wohlmeinenden gutgewillten Lesers wurden. Was macht man zuerst: Man blättert einmal durch und lässt sich festlesen, wo man mag. Beim zweiten, professionellen Lesen MUSS man ja jede Zeile... Nach dem netten Editorial („nett“ ist nett gemeint) und ein paar Seiten Neid (Die haben wen, der zeichnen kann!), Mitleid (Wieder jemand, der die Titanic-Briefe-an-die-Leser kopiert...) und Staunen (Anzeigen! Bezahlt! Für wie viel?) schnallt der Leser, dass die grüngelbe Zweitfarbe nicht IMMER Balken bildet, sondern manchmal auch SCHRIFT ist. Schwer zu lesen, sehr schwer zu entziffern: Auf dem Digi-Proof sah das bestimmt anders aus... Unglückliche Farbwahl. Der Rest ist Blättern und die eine oder andere hochgezogene Augenbraue ob allzu üppig verteilter Hervorhebungen (s.a.: Zweitfarbe, unglücklich) in den ohnehin recht übersichtlichen Texten. Auf 11 Zeilen (à 50 Anschläge in Times New Roman o.ä., 10 pt) im Ganzen FÜNF Hervorhebungen zu platzieren, grenzt an Tautologie. Den Text hat man ebenso schnell gelesen wie die Hervorhebungen in einen Sinnzusammenhang gebracht. Sinn einer Hervorhebung jedoch ist das schnellere Textverständnis. Zeitgleichheit zählt nicht. Ja, das sind Sachen, die den Puristen, den Pingeling, den Perfektionisten ärgern. Sachen wie die unstete, zwischen neuer und alter changierende Rechtschreibung, übrigens. Aber es gibt in krul Nr. 1 ein WIRKLICH schlimmes Vergehen: Das unlesbare Interview. Auf den Seiten 10 und 11 (Doppelseite! Hochkant!) haben mindestens vier Grafiker nacheinander Hand angelegt. Mag sein, der Text war nicht allzu lang und sollte etwas mehr hermachen. Fakt jedoch ist, dass es sich hier um einen der wenigen gehaltvollen, weil authentischen Texte des Hefts handelt, da der Interviewte weitgehend frei von Polemik und

Pose einfach nur die Fragen beantwortet, die ihm gestellt werden. Das merkt man zumindest, wenn man sich den Text trotz aller grafischen Wehrhaftigkeit lesenderweis erkämpft. Der erste Grafiker hat durchaus sinnvoll agiert und die Fragen von den Antworten abgesetzt. Erstere sind also gelbgrün (s.o.) unterlegt, letztere schwarz auf weiß. Der zweite Grafiker fand den so entstehenden Eindruck zu langweilig, wollte ein paar schicke Brecher einbauen und entschied sich für wagerechte Linien über die gesamte Breite (1 bis 2,5 pt, schwarz, grau, dunkelgrau, hellgrau) der Seite. Da Fragen ja bereits von Antworten getrennt wurden, ist die Höhe der Brecherlinien willkürlich, aber immerhin ZWISCHEN den Zeilen, und schlägt in die ausführlicheren Antworten lustige Breschen, die der Interviewte ganz gewiss nicht beabsichtigt hat. Der dritte Grafiker war gerade mit dem o.g. 11-Zeiler fertig und fand, dass ein paar Hervorhebungen auch hier nicht schaden könnten. Dies ist nicht unrichtig, und in der Tat ergeben die Hervorhebungen hier ein Schlagwort-Statement, das die Themen des Gesprächs zusammenfasst und Informationen subsumiert. Insofern hat Grafiker Nr. 3 zwar richtig gehandelt, jedoch verabsäumt zumindest Nr. 2 zum sofortigen Rücktrittsgesuch zu ermahnen, was ohnehin wenig genützt hätte, denn Grafiker Nr. 4 stand schon in den Startlöchern, um dem Text endgültig den Garaus zu machen. Der vierte Grafiker nun änderte in einer im Nachhinein euphorisch gewesen sein müssenden Stimmung die Schriftart. Aus einer machte er drei. In einem Interview, fragen Sie sich, wie geht das, drei Schriftarten? Die Fragen eine, die Antworten... die Hervorhebungen, genau. Und wenn, dann richtig. Also auch die SchriftGRÖSSEN geändert. Die Fragen klitzeklein (Bescheidenheit?) und Courier New. Die Antworten im beliebten Times New Roman, größer. Die Hervorhebungen NOCH GRÖSSER und FETT. UND andere Schrift, Modern o.ä. Der Eindruck ist verheerend: Alles purzelt und rumpelt quer, die jeweiligen grafischen Elemente versuchen einander den Rang abzulaufen, der Leser versucht eben jenen Rang zu erkennen um die GEMEINTE Struktur zu erfassen. Die nicht besteht und also nicht gefunden wird. Am Ende wird gar ganz lax drüber gewischt und die letzte Antwort in Schrift und Schriftgröße des Fragenden gedruckt, is eh wurscht, liest eh keiner. Im SPIEGEL-Stil geht das letzte Wort an krul – und birgt auch noch einen blöden Fehler: „Vielen Dank und weiterhin viel EErfolg.“ Doch enden wir mit den guten Dingen. Am oberen Heftrand findet sich eine Ticker-Matrix-Meldungen-Banderole, die sich über alle Seiten zieht und mal viel, mal weniges meldet. Das meiste ist skurril und aus dem Internet (Keine Tautologie!), die Auswahl des Hefts Nr. 1 lässt eine gewisse politische bzw. gesellschaftliche Note erkennen, der mit „unten links“ (s.o.) ja bereits angekündigt wurde. Ist witzig, stört nicht, liest sich. In der Heftmitte gibt’s ein Malen nach Zahlen! Ach, das ist schön. Alte letzte NBI-Seiten* wehen vorbei. Man kann das Ergebnis sogar einschicken und gewinnt was. Toll! Die Musik-, Film- und Buchempfehlungen sind originell und, weil mit Leidenschaft und ehrlicher Begeisterung für gute Sachen geschrieben, fast zeitlos. Vorausgesetzt, die Empfehlenden gestehen den Lesern zu das eine oder andere für völligen Schrott zu halten. Immerhin ZUGESTEHEN, bitte. * Neue Berliner Illustrierte, NBI, 1960-1991. Buntes, wöchentliches Nebenprodukt der Berliner Zeitung. Auflage 1990: 800.000 Exemplare. Nicht zu verwechseln mit Neue Bundesländer Illustrierte, NBI, seit dem 3. Juli 1998 in 6,8 Mio. (sic!) ostdeutsche Haushalte gestopft, um Wahlkampf für Kohl (Herausgeber: CDU) zu machen. Schöne faktenreiche Polemik hier nachzulesen. © POTZDAM 2005 – M. Gänsel

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KRUL-KAMPF

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Rot krul Nr. 2 Von Mathias Deinert

Der Boss biss das Ende seiner Zigarre ab, spie aus und ließ sich von Ma³gorzata, einer Seele von Mensch, das dicke Ding anzünden. Er atmete schwer, er hustete. In der Luft zwischen ihm und seinen zwei Redakteuren quirlten die gutriechenden Schwaden umher. Ma³gorzata griff zu Eimer und Mop und verzog sich in den Redaktionsraum nebenan. „Nun,“ begann der Boss, „was ist beim Treffen mit krul herausgekommen?“ M. Deinert rutschte auf seinem Stuhl herum. „Wir peilen eine ganz lockere Zusammenarbeit an. Erst einmal gegenseitig beschnuppern, warm werden, vielleicht mal Texte tauschen.“ M. Gänsel nickte euphorisch: „Das sind sehr passable Typen: jung, idealistisch, locker, aufgeschlossen und auf Zack. Und sie haben einen Comiczeichner!“ „Ach?“ Der Boss machte große Augen. „Für wieviel Kröten würde der zu PotZdam wechseln?“ „Ich glaube, die krul-Leute sind nicht käuflich“, winkte M. Gänsel ab. „Papperlapapp!“ unterbrach der Boss unwirsch. „Wenn Geld für die kruler keine Rolle spielte, bräuchten die doch keine Anzeigen in ihren Heften. Bei der wievielten Ausgabe sind die denn schon?“ „Bei der zweiten“, antwortete M. Deinert brav. Der Boss lachte dreckig. „Also, ihr Pappnasen: Nachdem ihr mir mit Eurer krul-Begeisterung zwei Tage lang auf die Nerven gefallen seid, hab ich mir das aktuelle Heft genauer angesehen. Ich glaube, die werden nicht lange überleben.“ So abfällig sprach der Boss ständig über seine zwei Redakteure, über ihre Einfälle, über ihre Freunde. M. Gänsel und M. Deinert sahen sich an. „Wieso sollte krul als Stadtmagazin-Alternative nicht lange überleben?“ „Na welche Massen sollen sich denn an den Texten begeistern? Zu wem sprechen denn die Texte? Über das Rezensionskapitel und den Veranstaltungskalender, der sich drin abgedruckt findet, verlier ich kein Wort – beides brauchbar.“ Die zwei Redakteure überlegten kurz. „Na, junges Publikum und jeder, der eben auch mal eine andere Stimme hören will als nur PNN, MAZ und events oder gar schreib.“ Wieder sahen sich M. Gänsel und M. Deinert an. „Quatsch!“ fuhr der Boss dazwischen. „Das Weltbild der Texteschreiber ist viel zu selbstgerecht. Und es ist logisch, dass sie damit nur Leute ansprechen, die genauso sind wie sie selbst. Ich meine, zum Überleben des Heftes werden das langfristig schlicht zu wenige sein.“ Wieder lachte der Boss dreckig, und er löschte seine Zigarre in M. Deinerts voller Kaffeetasse. „Gut, vor Selbstgerechtigkeit ist niemand gefeit. Das seh ich ein. Aber ehrlich gesagt habe ich auf PotZdam bei noch keinem meiner Autoren ein so plattes Weltbild voller Schablonen durchschimmern sehen, wie in den krul-Texten. Dass z.B. Bullen natürlich (wie hier auf S. 12 f.) eigentlich tumbe Typen sind, die nicht merken, wie lächerlich sie sich machen; dass es generell ja total scheiße und bekackt und pissig ist, dass man Hunde in der Innenstadt anleinen sollte, und es ist ja auch überhaupt nicht einzusehen warum, nö, ach.“ Der Boss rief nach Ma³gorzata und ließ sich eine neue Zigarre anzünden. „Leute vom Bau (wie auf S. 48) sind natürlich besoffen. Ingo und Sabine aus der Pizza-Pinte (selbe Seite) machen ihren Job natürlich total ungern. Volksmusik-Hörer sind Nazis (S. 14), Sven Petke ist so gut wie ein Nazi (S. 4), im Schlaatz und im Stern wohnen sowieso – in fast allen krulTexten – nur Nazis, und so immer weiter, immer weiter, in vielen Texten…“

Ma³gorzata schob mit einem leisen Staubsauger derweil um die Sitzenden herum, richtete sich mitunter auf, hielt sich das Kreuz, fluchte etwas auf polnisch und staubsaugte dann weiter. Der Boss sah manchmal schräg auf die gebückte Putzkraft, dann wieder auf seine Redakteure. „Also nee, ihr beiden… ich habe beim Lesen irgendwann einfach mit den Augen gerollt. Immer nur die gleichen ausgelutschten Klischees, immer die gleichen. Wenn sie ÜBER SICH und die Leute, DIE SIE GUT finden, auch MAL augenzwinkernd EIN Klischee kucken lassen würden, wär ich ganz ruhig, wär ich zufrieden, ausgesöhnt. Aber nein, immer sind nuuuuur die anderen schlecht, scheiße, böse, piefig, vermufft, an der Macht, vorurteilsbeladen, dumm, Nazis.“ Der Boss aschte wie aus Versehen auf M. Gänsels Hose. „Aber sie selbst = die ewig Guten, weil sie ja sooo persönlich und ja sooo trotzig sind. Pfff… zu einfach so ’ne Gleichung für junge Leute mit Anspruch, ein Stadtmagazin werden zu wollen!“ M. Gänsel und M. Deinert wurden blass. Der Boss war noch nicht zu Ende mit seiner Predigt. „Ihr wisst, ich kenne CDU-Mann Petke sehr gut vom allwöchentlichen Nachbarschaftstreffen: Sie werfen Sven Petke vor, dass er nur Stammtischparolen drauf hätte. Aber sie, die kruler, merken nicht, wie sehr sie selber in einer gewissen Stammtischmanier schreiben – nämlich die der OLGA. Und sie merken’s nicht, sondern halten’s wahrscheinlich alles noch für unglaublich reif, stichhaltig, einleuchtend.“ Am dicken Hals des Bosses wurde eine Ader sichtbar. M. Gänsel besaß Mut und gestand offen, dass einige Texte aus krul sehr wohl gefallen. Der Boss tat, als hätte er diesen Einwand nicht gehört und ließ seine noch glimmende Zigarre auf M. Gänsels Hose fallen. „Also MIR gefallen nur die Texte, wo sie mir NICHT ihr enggefasstes Weltbild in die Windungen stopfen wollen, sondern wo sie einfach über die Uni-Einschreibewoche berichten (S. 21), Bäckerbrötchen beurteilen (S. 22 f.), über Behinderte (S. 18) und Schwetzingen (S. 26) schreiben oder Leute von der Straße befragen (S. 20) – obwohl die Einschiebsel dort wieder den naseweisen Besserwisser erkennen lassen.“ Befragt, wie er sich einen guten Text vorstelle, sagte der Boss: „Klischees dürfen ruhig sein, aber nur vereinzelt und nur als Stilmittel.“ Basta. Da rief Ma³gorzata in gebrochenem Deutsch aus dem Hintergrund: „Ja, ein Stückweit stimmt das schon, das mit dem unausgereiften Weltbild – denn jedes Weltbild, das bei sich stehen bleibt, ist unreif –, die gnadenlose Hau-drauf-Mentalität, oft gepaart mit Klischee oder Pauschalurteil endet zwangsläufig in einer gewissen Intoleranz, ja MenschenUNfreundlichkeit, die ihrerseits kein großes Publikum ansprechen kann. Aber Herr Boss, lassen Sie doch die kruler ihre Erfahrungen machen: Wenn es ihnen wirklich wichtig ist, VON Leuten FÜR Leute zu schreiben, werden sie auch überleben.“ M. Deinert und M. Gänsel atmeten erleichtert auf. Der Boss hingegen zog ein schiefes Gesicht: Er lehnte jede Zusammenarbeit PotZdams mit krul ab. „Ich blieb heut an deren Gästebuch im Internet hängen. Schon mal gelesen?“ Der Boss schaute in zwei ratlose Gesichter. „Da äußern sich die kruler nämlich ebenso selten abwägend und mit Achtung gegenüber ihren Kritikern. Hier… das ist doch pubertärdummes Zeug, wenn sie einem Schimpfer mit kotz, scheiß und rotz entgegentreten, oder wenn sie einem anderen dort wörtlich sagen: Wer will denn da Patriot sein, Coco? …Ich wette, du kommst vom Schlaatz und bist Studi oder ausm Westen! …Spowi? Gott!“ Kurze Pause. „Oder hier, noch ein Pröbchen: Lieber C… deinen Zeilen zu folgen ist ein wahrer Genuss für deinesgleichen. Pöbeln muss daher eine Lebenseinstellung für dich (euch) sein. Erstens: herzlichen Glückwunsch zu den gesparten 4 Euro. Das sind immerhin fast 8 DM bzw. fast 80 Ostmark, ’ne Menge Bier ausm Konsum (kannst ’ne ganze Woche von feiern). Zweitens: die nächste Veranstaltung sollte unter dem Motto C-MUSIC – EIN MANN FEIERT RICHTIG

laufen, Special Guest BABELSBERG PÖBELZ, die kannste dann von deinen 80 Ostmark finanzieren, und alle können umsonst rein. Ist das nicht toll?“ Nur das Telefonklingeln durchschnitt die peinliche Stille, die darauf folgte. Der Boss ging sofort ran. „Ja bitte? …ach… haben Sie für mich? …super! …einen weltbekannten Getränkehersteller? Lassen Sie hören! …Na das ist doch… das ist doch mal was!“ Beim Auflegen hustete er und sagte, sodass seine Goldzähne blitzten: „Ich habe eine grandiose Idee! Geht jetzt nach Hause, ihr Gesichtsschnitzel...“ Und nachdem Ma³gorzata dem Dicken eine weitere Zigarre angezündet hatte, hatte auch sie endlich Feierabend. © POTZDAM 2005 – Mathias Deinert

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KRUL-KAMPF

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Blau krul Nr. 3 Von P. Brückner

Die schwere Aufgabe, das dritte krulheft zu besprechen, sollte nach einigem Kopfzerbrechen eigentlich mit einer sprachwissenschaftlich kritischen Analyse der Autorenkürzel beginnen. Nachdem aber auch bei mehrmaligem Lesen neben Revolutz keine Anarcholaf und keine Randalisa auftauchten, wurde dieser Ansatz wegen fehlender Substanz wieder fallen gelassen. Auch die winter- bzw. weihnachtskritischen Texte taugen nicht wirklich als Ansatz einer Rezension; nach dem winterkritischem Text Walthers von der Vogelweide („Uns hat der Winter geschat über al“) gibt es nichts mehr über Kälte, horrende Heizkosten und kommerzielle Weihnachtsmärkte zu sagen. Und ganz ehrlich, am meisten war der Leser (jedenfalls der online-lesende GästebuchRezipient) auf den angekündigten Schlagabtausch zwischen der krul-Redaktion und dem Leser Ralf Keller gespannt, welcher endgültig klären sollte, ob nämliche Redaktion nun ein sexistisches Machwerk auf den Potsdamer Zeitungsmarkt geworfen habe oder nicht. Eine Stimmung, die am besten in dem Gästebucheintrag „Der Vorwurf kam von einem Mann, der insgesamt nichts Konstruktives zu sagen hat, außer platten Anfeindungen uns gegenüber...“ nachzuspüren ist. Die Redaktion nahm es also persönlich und da es kein besseres Forum als ein Gästebuch gibt, um persönliche Verärgerung auf die Spitze zu treiben, war einige Schärfe in der Druckerschwärze der dritten Ausgabe zu erwarten. Um so enttäuschender dann die Seiten 26 bis 28 des Heftes. „Hat die krul sexistische Tendenzen?“ fragte Ralf Keller in seinem Text und warf die bekannten Argumente von Objektstatus, männlichem Blick und normierendem Diskurs in die Waagschale. Nichts Überraschendendes, aber auch nichts, was sich einfach so von der Hand weisen ließ. Arndt versuchte es für die Redaktion trotzdem. Dabei ging er nicht ungeschickt vor, wurde doch erst einmal ein grundsätzlicher Schlag gegen das „dogmatische Beharren“ auf „Definitionen,“ den „Absolutismus“ des Vorwurfs und die „Prinzipienreiterei“ „gerade von linker Seite“ geführt. Da Dogmen alleine dem Papst und Absolutismus nur Friedrich II. zusteht, ein netter Versuch der Diskreditierung, jedoch vergisst Arndt, dass eine „inhaltliche Auseinandersetzung“ nun einmal eines Standpunkts, sprich einer Definition bedarf. Ob diese dann automatisch immer im Auge des Betrachters liegen mag, sei dahin gestellt. Den Objektstatus allerdings als „voluntative* Selbstreduzierung“ abzutun, ist sicherlich spätestens seit Michel Foucault und dem Diskurs nicht ganz so einfach. Dass jeder sich nach seinem Gusto kleiden darf, bedeutet nicht automatisch, dass die Transformation dieser Freiheit in ein Abbild nicht normbildend wirkt. Das ist der Grund, weshalb Frauen und auch Männer in der Werbung so dargestellt werden, wie es nun einmal

der Fall ist, und aus dem Kathy Bates es wohl nie auf die Titelseite von FHM schaffen wird. Das meint Arndt aber gar nicht, wenn er „Auseinandersetzung am konkreten Beispiel“ fordert. Arndt schwebt eine „warme, starke und intelligente Frau“ vor, dies „Beispiel liegt ihm [Arndt] einfach am nächsten.“ WIE nah sie ihm liegt [Kalauer, verantwortlich d. Aut.] interessiert hier nicht einmal sekundär. Auch die Differenzierung „Mensch mit entsprechenden körperlichen Attributen gleich Frau“ und die Frage, die dann erlaubt sein muss (Mensch nach Brustkrebs, Mensch mit 95 usw. gleich was?) soll nicht weiter vertieft werden. Interessant ist das Adjektiv warm. Stark und intelligent darf sie ruhig sein, aber ankuscheln muss sich Arndt auch dürfen. Das ist ihm schon wichtig. Nun bleibt die Frage, „hat krul sexistische Tendenzen.“ Die Beiträge lassen dazu nur auf eines schließen: Sollte Arndt sie haben, wird er es nie bemerken. Wenn aber jemand ernsthaft an einer Antwort auf die Frage interessiert sein, dann mag er den Schattenriss auf den Seiten 26 und 27 genauer betrachten und sich drei Fragen stellen: 1. Wie hoch mag wohl ihr IQ sein? 2. Wie ist ihre Körbchengröße? Und 3. Was hat den Zeichner wohl mehr interessiert?

* Dass der Wille die Grundfunktion des Seins ist, ist in diesem Zusammenhang sicher nur bedingt sinnvoll. Es darf aber unterstellt werden, dass die selbst gewählte willentliche Reduzierung gemeint ist. (Vgl. Duden, Das große Fremdwörterbuch) © POTZDAM 2005 – P. Brückner

© POTZDAM 2005 – Story, Fotos, Layout: Mathias Deinert/ M. Gänsel

| BERLINALE | Die Jury stellt sich vor ... und ich bin dabei Von Astrid Mathis

Man hätte die Pressekonferenz (PK) auch „Fit for Berlinale“ nennen können. Wie sich die sieben Juroren auf den Filmmarathon vorbereiten, interessierte nämlich besonders. „Müsliriegel, Meditonsin, Aspirin und Traubenzucker“ hat Franka Potente in ihrer Tasche. Roland Emmerich, der JuryPräsident dagegen: „Ich hab überhaupt nichts dabei.“

„Du kannst was von mir haben“, bot Franka gleich an. „I drink all day long“, bemerkte Kostümbildner Nino Cerruti augenzwinkernd. „Kein Wodka, Whiskey am Abend“, empfahl der Schriftsteller Andrei Kurkov. „Gute Filme und gute Gesellschaft“ halten den Produzenten Wouter Barendrecht fit. Überhaupt gilt für alle: Ist der Film gut, schläft man nicht ein. Nervosität ist Franka Potente inzwischen fremd: „Gestern habe ich den ersten Film gesehen und beobachtete die Schauspieler, suchte Symbole, bewertete den Schnitt, und dann war ich so gestresst von mir selber, dass ich dachte ‚Jetzt guck einfach den Film‘. So mache ich das jetzt. Mal sehen, was am Ende rauskommt.“ Außerdem ist sie der Meinung: „Berlin ist ein A-Festival. Das muss man mit Cannes oder dem Oscar nicht vergleichen. Allein das Wetter. Es ist kalt. Berlin muss sich nicht verstecken, nicht vom Inhalt her noch vom Glamour.“ Die Schauspielerin Bai Ling fühlte sich grundsätzlich geehrt, in der Jury zu sitzen, derweil stellte Roland Emmerich fest: „Wir sind die bestaussehende Jury.“ „Man to Man“ eröffnete die 55. Internationalen Filmfestspiele in Berlin, und das Thema war auch wirklich - ja revolutionär: Muss die Evolutionstheorie korrigiert werden?! Oder: Warum spielt Kristin Scott Thomas immer eine Eisfee – räusper – eine unterkühlte englische Lady? Auf der PK am Donnerstag blieb sie anscheinend ganz in ihrer Rolle, eine warme Ausstrahlung schwappte jedenfalls nicht auf die Journalisten über. Im Gegenteil: sie wurde einem geradezu unsympathisch. Während die beiden afrikanischen Hauptdarsteller schilderten, wie beeindruckt sie von dem Interesse der Menschen an dem Film und ihnen selbst sind, machte Kristin Scott Thomas – nichts. Auffällig nichts. So fiel es schwer, Joseph Fiennes zuzuhören, denn seine Schauspielkollegin forderte ganze Aufmerksamkeit. Sie saß einfach da, strich sich durch die Haare, starrte an die gegenüberliegende Wand oder auf die schreibende Zunft herunter, und auf Fragen an das gesamte Team antwortete sie schon gar nicht. Man konnte sie in Ruhe fotografieren, eine Geste nach der anderen festhalten, zumindest die Fotografen. Dieser Auftritt wird im Gedächtnis bleiben, der Film wohl kaum.

Während die Leute aus der U2 schon anfangen zu rennen, sobald sie ausgestiegen sind, bekommen am Ticket-Counter die ersten Journalisten ihre Karten © POTZDAM 2005 – Text & Bild: Astrid Mathis

| BERLINALE| Berlinale Donnerstag Von Astrid Mathis

„Heut ist der erste Tag, und mir kommt’s vor, als wär’s der zweite – alles nervt“ (ein Journalist im PK-Raum des Hyatt Hotels) Auf der Berlinale gibt es in jedem Jahr Neuerungen, und erst am Ende scheint man sie alle erfasst zu haben. Der Mann von Cinemaxx 7 ist weg. Ja, genau der, der alles wunderbar schnell für die 16Uhr-Vorstellung organisierte, und zwar so gut, dass der Film schon früher beginnen konnte. Nun wuseln sechs bis acht Leute herum, und der Film fängt nicht eher an. Wo ist der Mann von Cinemaxx 7? Es gibt auch schöne Neuerungen: Die Auswahl der Wasserflaschen ist zum Beispiel bunter und breiter geworden. Neben BirneKaktusfeige und AnanasGrapefruit-AloeVera-Wasser sind die Geschmacksrichtungen Kirsche-Jasmin und Marille-Ingwer fast langweilig. Nein wirklich, das 5-Kalorien-Getränk schmeckt lecker, obwohl ich am Ende doch beim puren Vöslauer lande. „Der Schraubverschluss greift sich besser“, lobte ein italienischer Kollege.

„Kommt es mir nur so vor, oder wird es jetzt immer früher immer voller?“ meinte ein anderer. Also, was einem alles auffällt! Besonders der harsche Wind, der durch die Berlinale weht. Alles wird immer organisierter: Kein Einlass für Zuspätkommende. Jetzt wirklich. Auf PKs dürfen nur Fotografen ohne Blitz knipsen (die dürfen ausschließlich in die erste Reihe), und das machen sie auch. Wenn ich’s mir recht überlege, sind wir direkt unerträglich anständig geworden, um nur nicht negativ aufzufallen. Vor der Pressekonferenz zu „Man to Man“ kam Frauke Greiner höchstpersönlich und ging die neuerdings aufgestellten Schilder durch – nichts mehr mit angeklebten Zetteln, auf denen steht, wer wo sitzt. Alles schön hochkant. Das ganze Prozedere dauerte geschlagene 20 Minuten – eine klasse Einlage, wenn man grad nichts zu schreiben hat. © POTZDAM 2005 – Text & Bild: Astrid Mathis

| BERLINALE | Berlinale Freitag Von Astrid Mathis

Im 12.30-Uhr-Film „Asylum“ ging es – schon wie beim Berlinale-Sieger „Intimacy“ – um Leidenschaft und Sex. Die Frau eines Therapeuten (Stella) verliebt sich in einen Patienten der Klinik, einen Mann, der aus Eifersucht seine Frau umgebracht hat (Edgar). Als die Affäre auffliegt, verlässt sie ihre Familie, doch sie bleibt nicht lange unentdeckt und kehrt zurück. Sie verspricht ihrem Sohn, ihn nie mehr zu verlassen. Das Desaster scheint unabwendbar. „Eine Geschichte von Menschen in Extremsituationen“ wollte der Regisseur David Mackenzie erzählen. „Die Geschichte von Stella und Edgar ist keine romantische“, fügt der Autor Patrick McGrathan hinzu. Ein Journalist will wissen: „Ist Selbstmord die einzige Antwort in dieser Situation?“ – „Hoffentlich nicht. Für Stella ist es das. Ich kann sie verstehen, was auch immer das bedeutet“, erwiderte StellaDarstellerin Natasha , die sich so ganz anders als ihre Kollegin Kristin Scott Thomas gibt. Sie lächelt, sie erzählt viel, bringt sich in das Gespräch ein, auch wenn sie nicht gefragt wird, und das mit sehr viel Charme. Na, geht doch! „Sie spielen immer Verlierer. – Gestern in ‚Man to Man’, heute in ‚Asylum’“, bemerkte ein Journalist spitzzüngig gegenüber Hugh Bonneville.

gegenüber Hugh Bonneville. „Es steht in meinem Ausweis: Spielt Verlierer“, konterte der Angesprochene und brachte damit den gesamten Raum zum Lachen. „Ich wünschte, dieser Film hätte das Festival eröffnet“, sagte zum Schluss ein Journalist und fand allgemeine Zustimmung im Saal. Da hatte er noch nicht „Hotel Rwanda“ gesehen. Oscarnominierung. Einen Preis verdient er in jedem Fall. Der Hotelmanager Paul Rusesabagina rettet 1994 in Kigali das Leben von über 1000 Menschen. Soweit die Geschichte. Der Retter selbst beehrte die Berlinale und war im Handumdrehen Hauptperson, was der Darsteller des Hauptcharakters Don Cheadle nicht im mindesten störte. Bescheiden zog er sich zurück bzw. er versuchte nicht, durch Witze auf sich aufmerksam zu machen. Und wieviel Wahrheit steckt in dem Film? „90 Prozent. Das ist wie bei einem guten Steak. Da kommt auch noch was ran, damit es gut schmeckt.“ Nächste Frage: „Was haben sie sich dabei gedacht, die Flüchtlinge aufzunehmen?“ – „Ich habe gar nichts gedacht. Ich habe meine Pflicht getan und geholfen.“ Im nächsten Monat wird der Film erst in Rwanda laufen. Was Paul Rusesabagena sich davon erhofft: „Ich hoffe, sie verstehen es als Botschaft.“ Keanu Reeves hat bereits als Arzt in „As good as it gets“ neben Diane Keaton eine gute Figur gemacht, in „Thumbsuckers“ begegnet er uns als Kieferorthopäde, dessen Patient er mit Hypnose von seinem Laster Daumenlutschen kuriert. Das heißt, zunächst begegnet er uns gar nicht. Erst um 20 Uhr ist die Pressekonferenz angesetzt. Journalisten und Fotografen zeigten sich geduldig, auf Keanu Reeves wartet man doch gerne, auch wenn das Sondereinsatzkommando „no flash“ anrückt. „Kiki“ ist Keanus Spitzname. Mehr amüsieren sich die PK-Gäste über seine Deutschkenntnisse: „Morgen, morgen, nur nicht heute - sagen alle faulen Leute.“ Wenig später dankt ihm ein Journalist dafür, dass er keine Musik mehr macht. „And you are not a great journalist”, ist seine Antwort. Die Mehrheit ist auf Keanu Reeves’ Seite. Schließlich ist er so’n Netter.

Catherine Deneuve ist eine Diva. Und so verhielt sie sich – auf der Pressekonferenz ihres Films „Changing Times“, gegenüber den Fotografen, auf dem roten Teppich... Es hätte nicht geschadet, wenigstens ein paar von den Hunderten von Fans ein Autogramm zu geben. Da - eine Kusshand im Inneren des Berlinale-Palasten von dem Geländer herunter. Ein Raunen geht durch die Menge, und der Deneuve wird verziehen. Schade, dass Gerard Depardieu nicht nach Berlin kommen konnte. Der spielte im Film den Liebenden, der an beständige, endgültige Liebe glaubt, nicht an den Augenblick allein. Catherine Deneuve hält Beständigkeit nur in Freundschaften für möglich. Mich hätte mal Depardieus Meinung interessiert.

© POTZDAM 2005 – Text & Bild: Astrid Mathis

| BERLINALE | Berlinale Samstag Von Astrid Mathis

One day in Europe – ein Tag in Europa oder eines Tages in Europa. So definiert Regisseur Hannes Stöhr den Titel seines neuesten Werkes nach „Berlin is in Germany“. Warum eigentlich wieder ein englischer? Zum einen, weil Englisch wirklich jeder versteht, zum anderen, weil man damit zweierlei ausdrücken kann. Hannes Stöhr kann jedoch mehr, als unterhaltsam vier Diebstahlgeschichten quer durch Europa zu erzählen. Er spricht fließend Spanisch und Englisch, nicht ganz so fließend Französisch und Schwäbisch. Im

Schwäbischen ist Erdal Yildiz Experte. Das war ein Grund, warum nur er für die Rolle an der Seite des Cottbussers Florian Lukas in Frage kam. „Kein Mensch kann so schwäbeln wie Erdal. „Ich habe Klischees bewusst eingesetzt“, meint Stöhr. Da ist der von Miguel di Lira gespielte Polizist, denn mit Autoritäten spielt man gerne, da ist der Diebstahl und der Wodka in Russland, der flirtende Gendarme in Spanien, und da ist Fußball – überall.

„Werden Sie wieder ein ähnliches Thema im nächsten Film aufgreifen? Wieder Europa?“ „Ja. Ich suche in der Stadt immer das Dorf. Ich werde mein Leben lang suchen.“

Filmkritiken

PC-Raum: 36 Rechner für 2400 Journalisten

© POTZDAM 2005 – Text & Bild: Astrid Mathis

| BERLINALE | Berlinale Sonntag Von Astrid Mathis

Park Sanssouci liegt in Italien… Kevin Spacey sieht man gern. Besonders, wer ihn in Pressekonferenzen schon erlebt hat, weiß ihn zu schätzen. Sein Film „Beyond the Sea“ ist in der Tat sein Film. Er schrieb die Geschichte, führte Regie und spielte Bobby Darin, der mit Hits wie „Splish Splash“ bekannt wurde. Das stand auch alles auf seinem Schild während der PK. Noch bevor sie zu Ende war, drehte er das Schild um. Vier Jahre brauchte es an Vorbereitung. Da galt es zum Beispiel Geldgeber zu finden – Medienboard Berlin-Brandenburg – und die Rolle der Regie zu besetzen, am Ende übernahm er selbst den Part. Denn der Zeitplan von zwei in Frage kommenden Regisseuren passte nicht. Eine vernichtende Kritik hatte ich vorher gelesen – schlecht sitzendes Make-up und überhaupt alles gefiel nicht. Also wollte ich nicht gehen, bis ja, bis ich eine Journalistin

traf: „Ich mochte ihn, aber ich mag auch Kevin Spacey.“ Nun doch. Das Leben berühmter Persönlichkeiten verfilmt zu sehen, ist seit einem Jahr keine Seltenheit und nichts Verwerfliches, erst recht nicht die Art, wie Spacey den Filmstoff angegangen ist. Hm, das einzig Befremdende war, den Schlosspark Sanssouci als Italien verkauft zu sehen. Nee, nee, Leute, wo ich schon langgeradelt bin, kann kein glaubhaftes Italien sein. Und Kevin Spacey tanzend und singend an der Orangerie – ich weiß nicht. „Es war toll für uns, und es ist toll für Berlin. So sehen andere Filmemacher, man kann eine Verbindung zwischen einem amerikanischen Film und Berlin und Potsdam schaffen“, findet Spacey. Davon abgesehen, was hatte er in Potsdam gemacht, wenn er nicht drehte? „Bob (Hoskins) and I had a lot of beer.” In Wirklichkeit kam er vor lauter Arbeit nicht zum Schlendern durch Potsdams City. Dennoch: „It’s a little sweet place.”

© POTZDAM 2005 – Text & Bild: Astrid Mathis

| KULTURKAMPF | Würfelzucker Sichtweisen 2er Bilder Von M. Gänsel

„Alles auf Zucker“ von Dani Levi lief ja im Kino so lala erfolgreich – davon kann halten, wer was davon halten will. Wir haben den Film natürlich gesehen und zwei Fragen: Was soll der Auftritt von Klaus Wowereit? Was soll der Auftritt von Dani Levi? Klaus Wowereit wird zwei Zehntelsekunden in einer Runde von unterhaltsamen Menschen gezeigt, hat ein Glas in der Hand und tut, was nur Klaus Wowereit tut: schwunzeln. Dani Levi steht in der letzten Einstellung des Films im Hintergrund und wird durch die Fahrt der Kamera, die Henry Hübchen auf dem Weg aus dem Billard-Cafe folgt, zum Vordergrund. Er (Dani Levi) trägt eine Kippa / Kipa / Kippot. Botschaft Nr. 1: „Ich schwunzle, wann und wo und mit wem ich will.“ Botschaft Nr. 2: „Ich bin unter anderem übrigens auch und hier in erster Linie Jude.“ Wo stehen die Busse mit den Leuten, die das interessiert? Für die „Ach, der Wowereit!“ oder „Ach, der Dings, der hat doch den Film gemacht!“ – Ausrufe im Kino ist der Aufwand doch ETWAS übertrieben. No? Ja, natürlich: Wowereit will hier mit einer Flucht nach vorn dieser elenden Diskussion über den Party-Bürgermeister – ja was? Das Wasser von den Mühlen, den Wind aus den Segeln nehmen? Neues Wasser, frischen Wind bringen? Ein Argument mehr liefern? Ist, wer EXTRA schwunzelt, ein Kritiker der Kritiker? Und ja, natürlich: Dani Levi will den nicht vorhanden „Hohoho, Witze über Juden“ – Rufern Beruhigung verschaffen, indem er signalisiert, dass hier ja ein Jude über Juden Witze macht. Der darf das. Sinnvoller wäre diese Einstellung am Anfang des Films gewesen, dann hätte sich der Großteil des Publikums WIRKLICH amüsieren können. So wusste man ja nicht... Es ist immer ein Kreuz mit ersten Ideen. Sie wirken total witzig und irre innovativ und ja mensch, das machen wir, das transportiert doch total gut die Ironie, das zeigt doch, dass wir echt auch den inneren Abstand und so weiter! Tipps für die Zukunft: 1) Klaus Wowereit frequentiert mindestens drei Events die Woche und schwunzelt selbstironisch, dass es eine Art hat. 2) Dani Levi tritt in jedem folgenden seiner Filme in mindestens einer halben Szene als eindeutig gekennzeichneter jüdischer Mitbürger auf. Wer so tut, als ob er weiß, was „die andern“ denken, muss sich dem großen Maß an Ausdauer, was die Vorwegnahme schlagfertiger Reaktionen erfordert, leider bewusst sein. Ob wir in vorliegenden Fällen damit rechnen können, darf mit Spannung erwartet werden. © POTZDAM 2004 – M. Gänsel

| KULTURKAMPF | Das Lied vom letzten Atemzug www.kleintiersaerge.de Von Mathias Deinert

Ist erst der letzte Atemzug getan, dann fängt für manche erst der Reibach an. Das gilt bei Menschen so im allgemeinen wie auch beim Haustier: großem, kleinem. Wenn also Mäxchens Kater ausmiaut, dann wird von Pappa ihm ein Sarg gebaut, und im Park Sanssouci unter ’ner Eiche liegt dann des Katers kalte kleine Leiche. Wie gut, sagt sich der Tierfreund sonder Gnaden, am Brauhausberg, da gibt’s jetzt einen Laden, der fertigt Kleintiersärge: große, kleine – und alles, was man braucht, sind Euroscheine. Wie freut sich Mäxchens Vater nämlich dann, wenn er Frau, Sohn und Leiche noch was bieten kann. Und alle, die den tollen Sarg sehn, meinen: So’n Tod ist schöner als das Leben, will’s mir scheinen! Stirbt nun ein Tier, ist’s fast ein Fest, weil man es sich was kosten lässt. Unmittelbar am Brauhausberge gibt’s ein Geschäft für Kleintiersärge für Schnuck und Putzis letzte Reise. Große Auswahl, feine Preise! Ähnlich dem Kater ging es Klaus, einer 2jährigen weißen Maus, die stets, wenn nachts der Kühlschrank surrte, in ihrem Käfig wach – und rollig wurde. Was niemand ahnte, niemand wusste: Klaus hatte ein Verhältnis mit Auguste (einer Wanderratte aus Zingst am Meer) und ungeschützt Geschlechtsverkehr. Doch Klaus besaß noch einen zweiten Schatz: Marie, die Messalina vom Luisenplatz! Sie war Augustens Zwillingsschwester hatt’ Klaus umworben seit Silvester… kurzum: Klaus hat mit beiden Zwillingen aus Zingst in schöner Regelmäßigkeit ge-dingst. Und eines Morgens nach solch einer Sause lag Klaus in seinem Käfig tot zu Hause. Statt bloß im schnöden Karton verwahrt ward Klaus mit Sarg (in Samt) verscharrt: Unmittelbar am Brauhausberge gibt’s ein Geschäft für Kleintiersärge für Schnuck und Putzis letzte Reise. Bunte Auswahl, Stoffe, Preise! * Ich finde (ich sag’s ehrlich) es ist gegen die Natur, zu tun, als seien Tiere Großstadtmenschen. Zerrt sie im Leben nicht von ihrer tierischen Spur, und zwingt sie im Tod nicht noch menschlich zu glänzen! © POTZDAM 2005 – Mathias Deinert

| KULTURKAMPF | Wonach Er sich zu richten hat! PotZdamer Tagesbefehle

Liebes Bundespresseamt! Bitte bezahle deine Mitarbeiter doch ein bisschen besser. Und wahrscheinlich ist das mit den Überstunden bei dir auch so eine Sache, weswegen keiner gern länger bleibt. Dabei könntest du mit finanziellem Anreiz in Form von Abbummlung oder Mehrzahlung viele schlimme Dinge verhindern. Du könntest zum Beispiel verhindern, dass sich einer deiner Mitarbeiter an einem Freitag unseres Wissens offensichtlich VIEL zu früh aus dem Büro entfernt und auf dem Nachhauseweg weitergearbeitet hat, um die unbezahlte Mehrarbeit immerhin zum eigenen Zwecke erträglicher zu machen: Bin ich danach wenigstens daheim. Die Mehrarbeit bestand in zwei Telefonaten. Das erste à 1 Minute: „Du ja hi ich bin’s schade dass ich dich nicht erreiche ich wollte mit dir noch mal über na über die Sache reden vielleicht ja morgen ich finde wir könnten da schon einen Weg finden na bis dann.“ Das zweite Telefonat geriet ungleich länger, VIEL länger, da der Gesprächspartner nicht abwesend war. Seine Anwesenheit konnte sich jedoch nur auf sehr kurze Kommentare beschränken, da unser effektiver Mitarbeiter nach Austausch der Eingangsfloskeln flugs monologisierte: „Ja also ich komme gerade vom Treffen mit dem Katholischen Nachrichtendienst [sic! Der war sogar zu uncool für die Abkürzung!] und also das lief PHAN-TAS-TISCH. Ehrlich, ganz ganz super. Im Detail würde ich das gern morgen mit dir besprechen, also wir kommen da auf jeden Fall zusammen, das lief ganz ganz toll... Hm... ja. Die Sache mit dem Homann ist noch unklar, ob wir da... nein? Also die machen doch da so eine Unterschriftenliste, achttausend Unterschriften für die Rehabilitierung von Hohmann. [Wir dürfen gespannt sein, ob wir DAS Ergebnis in der Zeitung lesen.] Ja nein, weiß ich nicht. Müssen wir mal schauen, und das mit der Türkei ist übrigens Chefsache, da machen wir gar nichts. Ja... Genau. Was war noch... ach ja, am Freitag bringt dpa [Abkürzung, aber nur, weil er’s nicht besser weiß] eine ganz ganz kleine Pressemitteilung wegen der Sache mit Schily. Ja. Machen wir auch nichts. Nein. Das mit dem Food-Managing [so hieß es nicht, Catering auch nicht, es war aber ein ganz und gar dämlicher Begriff] am Samstag läuft, machen wieder die... na, die vom letzten Mal, haben die ja ganz wunderbar. Ja genau. Reden wir morgen dann noch mal ausführlich drüber, wollte ich dich jetzt nur eben über die paar Sachen informieren, ja? Tschüß.“ Es erübrigt sich fast dazuzusagen, dass um den Delinquenten herum ausschließlich Arbeitnehmer saßen, die supergut bezahlt werden und alle Arbeit bereits im Büro erledigt hatten, deswegen nach derart befriedigendem Tagwerk nunmehr der Entspannung und Auftankung für den nächsten befriedigenden Arbeitstag entgegen sahen und nicht wenig verstimmt über die Trübung ihrer Aussicht durch besagten Mitarbeiter des Bundespresseamtes wurden. Natürlich waren alle viel zu höflich etwas zu sagen. Ohnehin hätte maximal ein plötzlich die Regionalexpresstreppe heraufkommender Bundeskanzler die Wichtigkeit besessen den vor Jobgeilheit Rotbäckigen zum Schweigen zu bringen. Vielleicht solltest du also nicht unbedingt mehr bezahlen, Bundespresseamt. Sondern bei der Einstellung einen Test veranstalten, in dem die Bewerber fünf Minuten Gespräch NACH FEIERABEND mit einem Unbekannten simulieren. Durchreden sie diese fünf Minuten OHNE auch nur einmal „Schily“, „dpa“ oder „Christiansen“ zu sagen, täten wir sie einstellen.

Liebe political correctness, lieber Zeitgeist! Es bleibt noch zu klären, ob Völkermorde und Kriegswahnsinnige jüngerer und älterer Geschichte tatsächlich so UNvergleichlich sind, wie uns Meinungsmacher und Politgrößen

immer weismachen wollen. Oder ob die HINTER den Taten stehenden Begierden, Einstellungen und Triebkräfte nicht vielmehr stets genau die gleichen sind: Menschenverachtung, mörderische Berechnung, Selbstgerechtigkeit, Machtwillen, Einflussstreben – bloß angeheizt oder gehemmt durch die jeweiligen Gegebenheiten und Möglichkeiten. Wozu also das Tabugehabe? Rühren, wegtreten!

Universität Potsdam!! Vor genau 200 Jahren starb Friedrich Schiller, also ist Schiller-Jahr. Für die angebliche Zugehörigkeit Deines germanistischen Instituts zu unserm Raum-Zeit-Kontinuum ist es sehr bezeichnend, dass in diesem Jahr NICHT EIN EINZIGES Seminar zum Frankfurter Dichter angeboten wird. Noch nicht einmal zum Sturm und Drang oder zur Klassik. Na gut, vielleicht klappt’s ja im Jahre 2057 zu Schillers 300stem Geburtstag – sofern es dann noch ein germanistisches Institut an der Uni Potsdam geben sollte.

Jaaaa! Endlich hat Babelsberg ein CAFÉ ITALIA! Toll. Es befindet sich am S-Bahnhof neben dem GLEIS 6, gegenüber der Post. Es bietet an: Croissants, Baguettes, Coffee to go, Breakfast und Bagles. Und auch das übrige Angebot ist superitalienisch und reicht von Giabatta (!) bis Lasage (!). Endlich wie in Italien fühlen, mitten in Babelsberg! Wow. Bitte unbedingt weitermachen, liebes Café Esperanto… äh… Italia..

USA! Dass ihr das Land der unbegrenzten Möglichkeiten seid, wussten wir ja schon lange. Dass aber selbst das Kuscheltier-Gewerbe neuerdings an der Befriedung des Iraks beteiligt wird, hat uns dann doch erstaunt. Mit Verwunderung haben wir unten stehendes Foto im Build A Bear Kuscheltierkaufhaus Kalender „Huggable“ zur Kenntnis genommen und kommen nicht umhin uns zu fragen, ob hier nicht unschuldige Kinder frühzeitig zum GI oder Marineinfanteristen geformt werden sollen.

Wie anders sind die Farbwahl der Kuscheltiere in der „Operation Iraqi Friendship“ zu deuten? Werden die grünen Frösche die Fallschirmspringer von Morgen? Die Hasen in ihren sandfarbenen Fellen, eine perfekte Tarnung in der Wüste, die nächsten Horchposten der CIA? Und ist dem Teddy in seiner Camouflageuniform nicht die Operation Wüstensturm 4 zu zutrauen? Kommandiert von dem rot uniformierten Bärengeneral? Nicht zuletzt besorgt uns, dass die Operation Iraqi Friendship schon zu den Huggable Hero Groups gehört. Gab es etwa schon verdeckte Einsätze im Iran?! Soll der Name der Gruppierung der Welt lediglich (Wüsten)Sand in die Augen streuen?? Wir fordern jedenfalls eine rückhaltlose Aufklärung!

Potsdamer! Bitte nachmachen:

Ampelmast, Heinrich-Mann-Allee. Gedicht: Heinrich Heine. Künstler unbekannt. © POTZDAM 2005 – Mathias Deinert, M. Gänsel, P. Brückner – Foto: Mathias Deinert

| TAGEBUCH | Schulweggedicht Kurze Asphaltstrophen Von Mathias Deinert

Zwei Jungen schlugen, traten einen Dritten und liefen, als er schließlich weinte, fort. Dann stand er wortlos ganz alleine dort, enttäuscht. Ich sah’s. Ich habe mitgelitten. Ich ging vorbei – dachte mir viel – und sagte zu mir kalt: So sind die Menschen halt. Und schwieg.

Der Junge half sich auf und sah mich flüchtig. Ich sagte nichts: Ihm ging’s schon wieder gut. Er weinte, weil er weinte, und aus Wut. Ihm Mitleid zeigen hielt ich nicht für richtig. Er sah mich an – er sah mir nach – und sagte zu mir kalt: So sind die Menschen halt. Das traf. © POTZDAM 2005 – Mathias Deinert

| TAGEBUCH | Der Hügel des Grauens Wehrt euch! Von M. Gänsel

PotZdam berichtete. Hier und hier. Natürlich scheuen wir keine Mühe und dokumentieren auch den schlimmsten Teil der Geschichte. Obschon wir nicht sicher sind diesen schlimmsten Teil nun zu erleben – wer weiß? Geht es nicht schlimmer? Folgende Bilder mit Neonazis garniert, die Runen in den schwarzen [sic!] Sand pinkeln? Fackeln im Sturm? Sehen Sie. Und hierhin sehen Sie bitte auch. So sieht das da jetzt aus.

Ist das nicht furchtbar? Sehen Sie noch einmal hin. Ja, es muss weh tun:

Nun ist das Aufregen über eine himmelschreiende Blödheit die eine Seite. Die Tat muss dem Worte folgen. Der unterschätzte Ernst von Feuchtersleben schrieb die Maxime dieser Tat: „Ein tüchtiger Mensch muss immer ein tüchtiges Werk vor sich haben; eine Aufgabe, die ein Zusammenstreben aller seiner Kräfte verlangt. Dieses Leben ist ja doch nur eine Spannung, mehr oder weniger gewaltsam; jedes Nachlassen ist ein Erkranken, ein Ersterben.“

Wir wollten nicht ersterben lassen. Die zufällig des Wegs kommende Spaziergängerin wurde aus der Kaffeekasse fürstlich entlohnt und in den Plan eingeweiht. PotZdamer Autoren können aus Sponsoringvertragsgründen nicht selbst aktiv werden. Ganz verständig gab sich die junge Frau mit Hund. Vorsichtig näherte sie sich dem Tatort von der Seite.

Schon nach wenigen Schritten ergreift ein Entsetzen Besitz. So schlimm schwarz das Ausmaß, so schmutzweit der Blick. Ihren Hund lässt die sensible Tierkennerin am Fuße des Horrorhügels zurück. Das Tier ist zum Sprung bereit, sein Frauchen zu retten. Wenn der Boden sich öffnet und Granaten ungeheurer Brisanz detonieren.

Auf dem Gipfel angekommen, misst das Elend mehrere einhundert Meter in der Weite, der Hügel erstreckt sich gut fünf Meter überm Parkbodenspiegel. Alles wurde großräumig zugeschüttet. Muttererde, auf dass darauf etwas wachse. Schon im Frühjahr diesen Jahres wird ein grüner Hügel mehr sein, wird nichts erinnern. Die unerschrockene Ausüberin unseres Plans schreit plötzlich leise auf. Ihr Blick verharrt in einer Richtung.

War es möglich? Konnte dies sein? Zuerst konnten auch wir es nicht glauben. Doch die Natur lügt nicht. Sie reagiert, auf ihre Art. Am Rande des schwarzen Grauens war vor lauter Aufregung ein Baum in Ohnmacht gefallen.

Wir beschworen die Täterin die Nerven zu behalten. Von weitem sahen wir das Zittern ihrer Knie, hörten das leise Wimmern des Hundes. Die Spannung war mit den Ohrläppchen zu spüren. Nun frisch zur Tat geschritten! Flugs begann die Frau. Flink spritzten Bröckchen schwarzen Höllendrecks links und rechts an ihren knienden Beinen vorbei. Rasend schaufelten Hände, unwirsch wurde eine Haarsträhne aus dem Gesicht geblasen. Der Hund bellte. Doch was war das? Kaum begonnen, schwoll Sirenenklang an, öffneten sich umliegende Baumstämme und entließen mit Baumbuschhelmen bewehrte Parkwächter! Die stundenlang im Baum harrenden exekutivrechtlosen Kerls jedoch konnten in der plötzlichen Helligkeit kaum geradeaus laufen und irrten sekundenlang wirr herum. Spaziergängerin, Hund und wir nutzten die wenige Zeit und entkamen. Es ist ein kleiner Beitrag. Doch es ist ein Anfang:

Denken Sie bitte darüber nach.

Wir schließen mit Ernst von Feuchtersleben.

„Das Kleine in einem großen Sinne behandeln, ist Hoheit des Geistes; das Kleine für groß und wichtig halten, ist Pedanterie.“

© POTZDAM 2005 – M. Gänsel – Fotos: Mathias Deinert

| TAGEBUCH | Kommerz I Klingelton für Intellektuelle Von P. Brückner

Ich bin Oxy, das kleine Oxymoron Bin wirklich wahr, und steh im Lexikoon Ich steh mit mir nun mal im Widersinn, denn es liegt spitze Dummheit in mir drin.

ix, ax, uxy, oxy Oxymoron ix, ax, uxy, oxy Oxymoron

Ich bin Oxy, das kleine Oxymoron, in mir der Antithese und Stilfiguren Sohn, schließen sich zwei Eigenschaften aus, dann bringt mir das in jedem Fall Applaus.

ix, ax, uxy, oxy Oxymoron ix, ax, uxy, oxy Oxymoron

Ich bin Oxy, das kleine Oxymoron, Das Substantiv, das kommt mir nicht davon. Davor gestellt ein queres Adjektiv, da bin ich da, da geht dann nichts mehr schief.

ix, ax, uxy, oxy Oxymoron ix, ax, uxy, oxy Oxymoron

Ich bin Oxy, das kleine Oxymoron, Nen ganzen Satz, mach ich zum Paradoxon. Der Satz ist falsch und er ist auch wahr, da tanz ich rum, da bin ich immer dar.

ix, ax, uxy, oxy Oxymoron ix, ax, uxy, oxy Oxymoron Hohlen Sie sich diesen Klingelton im praktischen Monatsabo auf Ihr Handy. Senden Sie ein SMS mit Oxy 1 für Poly, Oxy 2 für Mono oder Oxy 3 für Realsound an die 0171POTZDAM*. *Nur 12 ct. Verbindungsgebühr aus allen Handynetzen und 99,99 € monatl. Abo. © POTZDAM 2005 – P. Brückner

| TAGEBUCH | Kommerz I Sex sells Von P. Brückner

Da in letzter Zeit immer wieder sexistische Tendenzen im Potsdamer Unterhaltungs- und Satire-Segment zu beobachten sind, möchte PotZdam auch endlich an diesem Wachstumsmarkt partizipieren. Der PotZdam präsentiert Ihnen einen Sexismus mit freundlicher Unterstützung der Stadt Wismar – die alte und moderne Hansestadt und dem Steigenberger Hotel Stadt Hamburg:

© POTZDAM 2005 – Text & Bild: P. Brückner

| TAGEBUCH | FWS for ever Frühwarnsysteme im Vergleich Von M. Gänsel

Viel Wissen, viel Ärger, / wer das Können mehrt, der mehrt die Sorge. (Kohelet 1,18)

Es war keine NAtur-, sondern eine KULtur-Katastrophe. Weil die Pazifik-Anrainer-Staaten kein Geld haben und es deswegen kein Tsunami-Frühwarnsystem gibt. Das ist eine riesengroße Sauerei, dass Länder, die vor dem Tsunami noch als BoomWirtschaftswachstum-Zone mit horrendem Prozentsatz galten, nun zu Unterschichtländern mutieren, nur weil sie kein scheiß Tsunami-Frühwarnsystem haben. Der Begriff „Frühwarnsystem“ ward wie viele sprachliche Malereien im Militärischen geboren. Dem Dienst an Waffe und Vaterland verdanken wir, zur Erinnerung, ja auch so schöne Worte wie z.B. „Brisanzgranatenkrise“. Im Begriff „Truppenstärke“ etwa ist die

Bedeutung voll und ganz enthalten – und noch etwas mehr. Sobald sich eine Truppenstärke nämlich mit einer anderen vergleicht, mutet das ganze Truppenstärkenwortgrüppchen ebenso militärisch wie martialisch an. Auch „Frühwarnsystem“ impliziert Dinge, vor denen gewarnt werden muss: Angriffe, Bomben, Atomwaffen. Da sei doch bitte ein Frühwarnsystem vor! Dies dachten sich wohl auch der DFB und der dessen Aussagen druckende Tagesspiegel (25.01.05): „Die Kommission soll ein Frühwarnsystem entwickeln, um weitere mögliche Wettbetrügereien zu verhindern.“ Gemeint ist damit irgendwas in der Richtung, bereits im Vorfeld auffallende hohe Wettbeträge an den DFB weiterzugeben, der das dann stattfindende Spiel umso aufmerksamer beobachtet. Hoyzer ist schuld. Am lustig drauflos marodierenden Sprachhaschmich sind natürlich die Medien schuld. Zum sicher entstandenen Ärger des einen oder anderen Bundeswehr-Angehörigen wurde ja „Frühwarnsystem“ ohne „Tsunami“ nicht mehr überzeugend verwendbar. Flugs im medialen Wunderland etabliert, darf es nicht wunder nehmen, wendet ein findiger Journalist an, was er gelernt. Das Rechtschreibprogramm in Word kennt „Frühwarnsystem“ schließlich auch und rot-unterstreicht mitnichten. Hunderttausend Euro sind ja genauso schlimm wie hunderttausend Tote. Frühwarnsysteme für alle, in jedem Lebensbereich! Fiepende Detektoren am Wohnungseingangsbereich, wenn der Partner betrunken nach Hause kommt. Leicht grünlich werdende Ohrläppchen, wenn sich ein Wutausbruch ankündigt. Kein schnödes „UBahn fährt ein!“ am Schacht-Desktop, sondern lustig sprutzelnde Feuerfontänen aus den Schienen! Unverzichtbar auch ein Dienstleistungsfrühwarnsystem: Unfreundliche Kunden, vergrätzte Kellner, in den Kaiserschmarren pinkelnde Köche – schwups, sprüht die Sprinkleranlage das Ganze im großen ADAC-Stil klatschnass. Triefende Roben, hängende Frisuren, ABER: Sie wurden gewarnt! Im Wortsinne liegt der Journalist ebenso wie der Verfasser natürlich in großem Maße daneben. Das Militär nutzt Frühwarnsysteme ja, um etwas, das definitiv kommt, ein klitzekleines bisschen vorher zu wissen, so dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden können. Siehe auch: Tsunami. Natürlich kann man beim DGB davon ausgehen, dass ein Wett- oder anderer Skandal definitiv wieder eintreten wird. Aber das meinten die ja nicht. Und was du nicht meinst, sollst du nicht sagen mit schwierigen Worten, die du nicht verstehst. (d.V. 1,1) © POTZDAM 2005 – M. Gänsel

| STÄNDIGE AUTOREN | Mathias Deinert Jahrgang 1977, lebt, liebt und wirkt in Potsdam und Guben. M. Gänsel geboren 1972, kommt aus Guben und wohnt in Potsdam-West. Markus Wicke seit 34 Jahren Altmärker, seit 14 Jahren Potsdamer. P. Brückner 1971 in Oschersleben (nicht Aschersleben) geboren, wohnt seit 1996 in Potsdam-West. Siobhan Groitl Jahrgang 1971, Bayerin, Potsdam-studiert, wohnhaft in Berlin. Andreas Kellner gebürtiger Uckermärker (1979 in Schwedt), seit 1998 Student in Potsdam, Redakteur beim "bernd" (Studizeitung für Potsdam). Astrid Mathis alt genug, um Texte zu verfassen, lebt und leidet seit 4 Jahren in Golm und Berlin. ThiloS Jahrgang 1966, Wessi, schön, gutaussehend, erfolgreich! Und ein Lügner. Mehr unter http://www.hinrichtungskomitee.de. Marco Schicker geb. 1971 in Berlin, lebt z.Zt. als Kritiker und freier Autor in Budapest/ Wien. Hans-Jürgen Schlicke 1956 geboren, Berliner. Hat aber im Grunde genommen nichts gegen Potsdamer. Sandra Schramm geboren und eine ganze Weile in Dessau gelebt; studieren gewollt, in Potsdam gelandet. Diana Stübs 22, Ostseekind, ledig.

| REDAKTION | Mathias Deinert, M. Gänsel, Markus Wicke

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