Dichter, Denker und Banker?

14 schwerpunkt Hochschulfinanzierung Cédric Koch Dichter, Denker – und Banker? Wie kann Wissenschaft nachhaltig finanziert werden? Die Finanzieru...
1 downloads 0 Views 2MB Size
14

schwerpunkt Hochschulfinanzierung

Cédric Koch

Dichter, Denker – und Banker? Wie kann Wissenschaft nachhaltig finanziert werden?

Die Finanzierung des Hochschul- und Wissenschaftssektors befindet sich in einer möglicherweise richtungsweisenden Phase. Viele Akteure der Branche erwarten gespannt die für April geplanten Empfehlungen des Wissenschaftsrates. Die zentrale Frage dabei wird lauten: Wie können Hochschulen in der Zukunft nachhaltig finanziert werden? Oder besser noch: Von wem?

Die Hochschulen sind auf die öffentliche Hand angewiesen; gleichzeitig müssen neue Finanzierungsmodelle gesucht und entwickelt werden. Foto: Damaris/pixelio

Eine Reihe wichtiger Entwicklungen kommt derzeit zusammen. Auf der einen Seite stehen die stetig wachsenden Studierendenzahlen der letzten Jahre: Die doppelten Abiturjahrgänge im Zuge der verkürzten Gymnasialzeit, die abgeschaffte allgemeine Wehrpflicht sowie die steigende Bildungsbeteiligung in der Gesellschaft befeuerten eine Entwicklung, die kontinuierlich zu neuen Rekordzahlen bei den Studienanfängern führte. Im Gegensatz zu Schätzungen der vergangenen Jahre gehen zentrale Akteure wie Kultusministerkonferenz (KMK) und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mittlerweile von einem deutlich längeren „Studentenhoch“ aus – eine Entwicklung, die angesichts des viel beschworenen Fachkräftemangels in der deutschen Wirtschaft eigentlich zu begrüßen ist. Finanzierungen vor dem Aus Dass die steigenden Studentenzahlen aber als Problem wahrgenommen werden, liegt an den dramatischen Finanzierungsschwierigkeiten der deutschen Hochschulen, die dem gegenüberstehen. Zwei Entwicklungen erweisen sich hier als besonders schwerwiegend: der vorauseilende Schatten der bereits beschlossenen Schuldenbremse sowie das Auslaufen einer Reihe milliardenschwerer Finanzierungsprogramme. Der Studienanfänger-Boom führte 2007 zur Auflegung des von Bund und Ländern finanzierten Hochschulpaktes, mit dem zusätzliche Mittel in den Ausbau von Studienmöglichkeiten investiert werden. Darin enthaltene Staatsgelder zur Bewältigung des Studentenhochs und weitere Forschungsfinanzierungen laufen jedoch 2015 aus. Es geht um insgesamt mehr als fünf Milliarden Euro allein vom Bund. Die Länder steuern etwa genauso viel bei, sie verpflichteten sich außerdem, eventuelle zusätzliche Kosten für die benötigten Studienplätze zu übernehmen. Zusätzlich endet 2017 die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und vom Wissenschaftsrat (WR) gemeinsam durchgeführte Exzellenzinitiative für Spitzenforschung an Hochschulen, die über zehn Jahre hinweg rund 4,6 Milliarden Euro an Hochschulen verteilt. Noch schlimmer könnte es werden, wenn Bund und Länder auf die Schuldenbremse reagieren, die im Bund ab 2016 und für

wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2013

15

Status quo

die Länder ab 2020 gilt. Ohne Einschnitte in den Etats werden ausgeglichene Haushalte angesichts der schwachen europäischen Konjunktur wohl nicht zu erreichen sein. Hinzu kommt, dass von den Hochschulen erwartet wird, zusätzliche Aufgaben wie Bildung im Alter, Studienangebote für Kinder oder Weiterbildung zu übernehmen – weitere Posten in den Büchern der Institutionen. Wie soll es weitergehen? Schaut man also zu Beginn des Jahres 2013 auf die Hochschulfinanzierung, so stellt sich die Frage: Wie soll bzw. kann sich die Industrienation Deutschland ihren Hochschulbetrieb leisten? Klar ist zumindest, woher das Geld in absehbarer Zeit wohl nicht kommen wird: Die seit 2007 in den meisten Bundesländern eingeführten Studiengebühren sind 2013 ein „gestorbenes“ politisches Projekt. Nur in Bayern und Niedersachsen existieren sie noch, wobei im Freistaat nach dem erfolgreichen Volksbegehren für kommenden Mai ein Volksentscheid zur Abschaffung der Studiengebühren erwartet wird. Auch die neue Rot-Grüne Landesregierung in Hannover wird die Selbstfinanzierung durch Studierende in der Tradition beider Parteien wohl bald endgültig Geschichte werden lassen.



Zwei Entwicklungen sind besonders schwerwiegend: der vorauseilende Schatten der bereits beschlossenen Schuldenbremse sowie das Auslaufen einer Reihe milliardenschwerer Finanzierungsprogramme.

Damit ist das Modell, mit dem sich Hochschulen im anglo-amerikanischen Raum hauptsächlich finanzieren, hierzulande vom Tisch. Vor allem Großbritannien hatte in den letzten Jahren angesichts ähnlicher Sparzwänge von der staatlichen Finanzierung radikal auf eine Gebührenfinanzierung umgeschwenkt: Seit 2000 fuhr das Vereinigte Königreich den Staatsanteil in der Hochschulfinanzierung von fast 70 auf 30 Prozent herunter – trotz sozialer Unruhen und Massenproteste angesichts teils verdreifachter Studiengebühren. Abgesehen von Studiengebühren könnten größere öffentliche Budgets eine Antwort sein. Die Konferenz Hessischer Universitätspräsidien forderte kürzlich in einer Stellungnahme ihre Landesregierung auf, die Grundfinanzierung pro Student um 1.000 Euro über die nächsten fünf Jahre anzuheben sowie beim Bund auf eine deutliche Verlängerung des Hochschulpaktes hinzuarbeiten. „Die Situation ist kritisch“, sagte ihr Vorsitzender, der Kasseler Universitätspräsident Rolf-Dieter Postlep, und beklagte: „Das Gesamtsystem hessischer Hochschulen ist derzeit einer Belastung ausgesetzt wie noch nie in der Geschichte des Landes.“ Für Hessen – wie für die meisten anderen Bundesländer ebenso – dürften steigende Budgets angesichts der Schuldenbremse allerdings kaum möglich sein, zumal sie nur begrenzt für neue Einnahmen, etwa durch Steuern, sorgen können. Das Bundesfinanzministerium jedoch hat hier viele Möglichkeiten und ließ bereits durchblicken, die Steuern im Falle einer Wiederwahl im Herbst erhöhen zu wollen. Ein Blick auf den internationalen Vergleich zeigt zudem: Deutschland liegt bei den Ausgaben für den Hochschulbereich nur im Mittelfeld. So gaben Bund und Länder 2009 laut OECD 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für den tertiären Sektor aus. Dies entspricht dem Durchschnitt der OECD-Staaten, liegt aber noch unter dem EU-21 Durchschnitt von 1,2 Prozent des BIP. Es gibt allerdings ein Problem: Selbst wenn der Bund mehr für die Hochschulen ausgeben wollte, das Grundgesetz verbietet dies. Mischfinanzierungen ausgeschlossen Die Föderalismusreform von 2006 machte Hochschulfinanzierung durch das sogenannte Kooperationsverbot zur exklusiven Ländersache. Lediglich für die Forschung an Hochschulen darf Berlin auf Projektbasis Geld beisteuern. Um dies zu ändern und den Bund langfristig zu beteiligen, müsste mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern ins Grundgesetz eingegriffen werden – ein Versuch, der zuletzt im vergangenen Jahr scheiterte. Auf Initiative von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) brachte die Koalition eine Änderung des Kooperationsverbotes

wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2013

16



schwerpunkt Hochschulfinanzierung

Es gibt allerdings ein Problem: Selbst wenn der Bund mehr für die Hochschulen ausgeben wollte, das Grundgesetz verbietet dies.

in den Bundesrat ein, das Ministerium sollte die Möglichkeit bekommen, einzelne Spitzenforschungs-Institute auch dauerhaft zu fördern. Der Vorstoß scheiterte am Widerstand der Opposition, die das Kooperationsverbot auch für Schulen und frühkindliche Bildung kippen wollte. Ernst Dieter Rossmann, Bildungsexperte der SPD im Bundestag, erklärte den Widerstand gegenüber Wissenschaftsmanagement: Der Koalitionsvorschlag sei eine „Schmalspur-Lösung“ und gehe „an den konkreten Problemen der meisten Hochschulen und vor allem der Fachhochschulen vorbei“. Trotzdem sind die Sozialdemokraten der Ansicht, Bund und Länder könnten „die enormen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen“, weshalb die SPD für die „umfassende Abschaffung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz“ eintrete. Albert Rupprecht (CSU), Mitglied im Bildungs- und Forschungsausschuss des Bundestages, wiederholte auf Anfrage den Wunsch der Union, die Regelung zu ändern: Demnach solle der Bund „dauerhaft Verantwortung für die Hochschulen übernehmen“ können. Zur konkreten Ausgestaltung wolle man allerdings die Empfehlungen des Wissenschaftsrates abwarten. Nach Meinung der Grünen könnte die Verteilung der finanziellen Bürden zwischen Bund und Ländern auch innerhalb des bestehenden Grundgesetzes geändert werden. Die Bildungspolitiker Krista Sager und Kai Gehring forderten kürzlich, die Länder bei der Forschungsfinanzierung zu entlasten, um zusätzliche Grundmittel für die Hochschulen freizusetzen. Derzeit tragen Bund und Länder noch zu gleichen Teilen zum Grundetat der Max-Planck-Gesellschaft sowie der Institute der Leibniz-Gemeinschaft bei. Auch innerhalb des „Pakts für Forschung und Innovation“ besteht eine Ko-Finanzierungspflicht in Höhe von 50 Prozent für die Länder, bei der Exzellenzinitiative steuern sie 25 Prozent bei, zum Etat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) etwa ein Drittel, zur Grundfinanzierung der Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft immerhin noch zehn Prozent. Hier sei Spielraum für Veränderung: Die grünen Bildungspolitiker fordern, der Bund solle seine Anteile erhöhen. Trotz der unterschiedlichen Vorstellungen scheint eines sicher: Das bestehende Gesetz ist reformbedürftig. Wachsender Einfluss privater Geldgeber Die Länder können nicht, der Bund darf nicht – welche anderen Finanzierungsmöglichkeiten haben Hochschulen? Eine rasante Entwicklung nahmen in den letzten Jahren private Zuschüsse an die Institutionen: 226.000 Euro an „Drittmitteln“, also Gelder, die nicht zum öffentlich finanzierten Grundhaushalt der Institution zählen, sammelte jeder deutsche Professor 2010 im Schnitt ein. Die Summe der Finanzierung von außen hat sich seit 1998 mehr als verdoppelt und machte 2010 bereits mehr als ein Viertel der Hochschulgelder aus. Einerseits täuschen solche Zahlen teilweise, schließlich sind viele der „privaten“ Geldgeber etwa für Forschungsprojekte öffentlich geförderte Financiers wie die DFG. Nichtsdestotrotz warnte die Anti-KorruptionsOrganisation Transparency International im Dezember vor dem korrumpierenden Einfluss von immer mehr Hochschulsponsoren aus der Wirtschaft. Bereits 660 Lehrstühle würden von mit Eigeninteressen belasteten Stiftern bezahlt, außerdem müssen die Universitäten Verträge mit Geldgebern auch auf Nachfrage nicht offenlegen – ein juristisches Schlupfloch im Informationsfreiheitsgesetz macht dies möglich. Dabei kommt es immer wieder zu Skandalen: So wurde 2011 ein Vertrag zwischen TU Berlin, Humboldt-Universität und der Deutschen Bank öffentlich, der dem größten deutschen Geldinstitut ein Vetorecht bei der Publikation von Forschungsergebnissen sowie redaktionellen Einfluss auf Uni-Medien zusicherte.

Stichwörter Hochschulfinanzierung Hochschulanleihen Hochschulstiftungen

wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2013

Öffentlich-Private Partnerschaften Ein Zwischenmodell stellen Finanzierungen in sogenannter Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) dar (s. Interview, S. 24). Als erfolgreiches politisches Beispiel fungieren hier die sogenann-

17

Status quo

ten Deutschland-Stipendien. Darin werben die Hochschulen selbstständig um Stipendiengelder im Wert von 150 Euro pro Student und Monat, der Bund finanziert weitere 150 Euro für das Stipendium. So werden die Hochschulen zu aktiver Einwerbung von Mitteln angespornt. Bereits etwa 12.000 Studierende werden im laufenden Studienjahr so gefördert, seit der Einführung des Förderinstruments Anfang 2011 hat sich die Zahl der Stipendiaten verdoppelt. Cédric Koch hat am University College Maastricht Internationale Beziehungen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Mitarbeiter bei Lemmens Medien.

Stiftungshochschulen Als weitere Drittmittelquelle könnte ein Stiftungsmodell für Hochschulen attraktiv sein (s. Wissenschaftsmanagement 6/2012, S.10/11), eine Option, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewann. Den Anfang machte hierbei 2003 das Land Niedersachsen: Fünf Hochschulen, die sich zuvor in konventioneller Rechtsform als Körperschaften öffentlichen Rechts befanden, wurden damals zu Stiftungshochschulen umgewandelt. Gleiches geschah 2008 mit der brandenburgischen EuropaUniversität Viadrina, Frankfurt/Oder. Nicht mehr das Land, sondern eine öffentlich-rechtliche Stiftung fungiert seitdem als Träger der Institutionen. Ein ähnliches Modell übernahm 2008 die Goethe-Universität in Frankfurt/Main: Hier wurde die Hochschule selbst zu einer Stiftung des öffentlichen Rechts. In allen Fällen ist das Hauptmotiv für die Umwandlung eine größere Unabhängigkeit von den jeweiligen Ministerien: Als Stiftungshochschule darf das Land weniger Mitsprache bei Personalund Strategieentscheidungen halten. Dennoch hat die Stiftungsform auch finanzielle Auswirkungen: Obwohl sich die Hochschulen weiterhin hauptsächlich über Zuwendungen der öffentlichen Hand finanzieren, kann das Stiftungskapital – zumindest langfristig – zu unabhängigen Investitionen beitragen. Im Fall der Goethe-Universität etwa wurden seit der Umwandlung zur Stiftung inklusive Zusagen bereits rund 160 Millionen Euro an Stiftungskapital eingeworben. Ein Strategiepapier der Universität gibt als Ziel aus, die daraus resultierenden Erlöse langfristig als „signifikanten Teil des universitären Budgets“ zu etablieren, um mehr Autonomie und eigeninitiatives Handeln zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liege dabei auf „philantropen“ Zustiftungen etwa von Alumni und Bürgern. Steuerrechtliche Vergünstigungen sowie das allgemein positive Image einer Stiftung werden generell als attraktive Argumente für eine Zustiftung genannt und können erfolgreich zur Kapitaleinwerbung der Hochschulen beitragen. Unternehmerisches Geschäftsmodell britischer Unis Als schnellerer Weg zu neuem Geld könnte sich dagegen eine Möglichkeit erweisen, die britische Universitäten vergangenes Jahr wählten: Die junge Universität De Montfort in Leicester platzierte ebenso wie die Elite-Universität Cambridge Anleihepapiere, gab also Schuldscheine an Investoren aus. Zuvor hatte dies 14 Jahre lang keine britische Hochschule mehr getan. Die beiden Hochschulen sammelten so 131 Millionen beziehungsweise im Falle von Cambridge sogar 417 Millionen Euro ein. Was die Regulierung angeht, so muss das zuständige Higher Education Funding Council for England Kreditpläne von Universitäten genehmigen, wenn die jährlichen Kosten für den gesamten Schuldendienst vier Prozent des Hochschul-Jahreseinkommens übersteigen würden. Speziell für Anleihen – also Schulden, die über offene Auktionen von Schuldtiteln aufgenommen werden – gebe es keine gesonderten Regeln, sagte ein Sprecher der Behörde gegenüber Wissenschaftsmanagement. Um die geliehenen Gelder produktiv einzusetzen und mit Sicherheit zurückzahlen zu können, stellte etwa die Universität De Montfort klar, die Mittel würden „nicht für den alltäglichen Betrieb“ genutzt. Stattdessen sollen neue Forschungslabore und Schlafsäle gebaut werden, die Zinskosten erwirtschaften und als Investitionen in die Zukunft dienen.



Steuerrechtliche Vergünstigungen sowie das allgemein positive Image einer Stiftung werden generell als attraktive Argumente für eine Zustiftung genannt und können erfolgreich zur Kapitaleinwerbung der Hochschulen beitragen.

wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2013

18

schwerpunkt Hochschulfinanzierung Beide Universitäten sicherten sich im Vorfeld ein hohes Rating durch die Agentur Moody‘s. Pikant freilich: In der Begründung des Ratings De Montforts gab Moody’s als Pluspunkt die „very high likelihood of extraordinary support from the UK government...in the unlikely event of [the university] experiencing acute liquidity stress” an. Das Modell der Hochschulanleihen, welches große US-Universitäten seit Längerem praktizieren, scheint in der Theorie durchaus attraktiv. Schließlich lassen sich so schnell große Mengen Kapital erschließen, im Gegensatz zu begrenzten öffentlichen Fördertöpfen, die häufig im Wettbewerb vergeben werden. Allerdings gibt es starke Zweifel an der Übertragbarkeit auf Deutschland: Ein Sprecher der Commerzbank etwa sagte, Cambridges Auktion könne „nicht als ‚Blaupause‘ für deutsche Universitäten dienen“, da die britische Traditionsuniversität „aufgrund ihres Standings und der Vermögenssituation aus Investorensicht mit keiner deutschen Universität vergleichbar sein dürfte“. Auch CDU/CSU-Bildungsexperte Rupprecht weist darauf hin, dass die Universität Cambridge „auch außerhalb des öffentlichen Auftrags noch über eine stabile Umsatzbasis“ verfüge. Elite-Universität Cambridge am Kapitalmarkt – ein Finanzierungsmodell Die University of Cambridge sammelte im letzten Oktober durch die Ausgabe von Anleihen im Wert von 417 Millionen Euro frische Investitionsgelder ein. Nach der De Montfort University war sie damit die zweite britische Universität, die sich 2012 in den Anleihenmarkt wagte. Die Elite-Universität muss für die auf 40 Jahre Laufzeit ausgelegten Schuldscheine 3,75 Prozent feste Zinsen zahlen. Verantwortlich für die Platzierung am Kapitalmarkt waren die Großbanken HSBC, Morgan Stanley und Royal Bank of Scotland. Die Identitäten der Anleihenkäufer nannte die Universität nicht. Es wird jedoch angenommen, dass es sich vor allem um Rentenfonds handelt – wie die Anleihen der De Montfort University. Die Hochschule sicherte sich bei der Ratingagentur Moody’s im Vorfeld der Auktion die Top-Bewertung von triple A mit stabilem Ausblick – eine bessere Bewertung als der britische Staat zur selben Zeit. Als Begründung nannte die Agentur die außergewöhnliche Stellung der Universität im internationalen Wettbewerb sowie ihre gesicherte finanzielle Position durch eine starke kommerzielle Sparte. Die englische Traditionsuniversität verfügte 2011 über ein Nettovermögen von etwa drei Milliarden Euro. Der hauseigene Wissenschaftsverlag Cambridge University Press sowie die Testagentur Cambridge Assessment setzten im selben Jahr alleine knapp 600 Millionen Euro um. Als Grund für den Schritt auf den Kapitalmarkt nannte die Universität die zunehmenden Schwierigkeiten, Investitionen langfristig zu finanzieren: Angesichts des britischen Sparprogrammes und des stetigen Rückzuges der öffentlichen Hand aus der Hochschulfinanzierung sanken die Zuschüsse deutlich, allein in den letzten beiden Jahren von neun auf etwa 6,5 Milliarden Euro. Obwohl die Kreditaufnahme britischen Universitäten grundsätzlich gestattet ist, seien Banken seit der Finanzkrise außerdem seltener bereit, langfristige Kredite in ausreichender Höhe an Hochschulen zu vergeben.

keywords higher education financing university bonds university foundations

wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2013

Einige Professoren der Universität kritisierten die Anleihenfinanzierung. Sie warnten etwa vor den Risiken schwankender Grundstücks- und Immobilienwerte – diese könnten die kalkulierten Einnahmen aus den Investitionen drastisch ändern und angesichts der Gesamtsumme zu einem ernsthaften Problem für die Finanzen der Hochschule werden.

19

Status quo

Laut Mathias Winde, Programmleiter beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, ist das Problem noch grundsätzlicher: Anleihen seien zwar ebenso wie Kredite eine Form von Schulden, jedoch kalkulierten sie mit zukünftigen Gewinnen, setzen also ein unternehmerisches Geschäftsmodell voraus. Dieses Modell sei eindeutig auf den anglo-amerikanischen Raum beschränkt. „Als eine der größten Herausforderungen für die Universitäten sehen wir die Frage nach der Erzeugung stabiler Cashflows, die dann wiederum zur Bedienung der Anleihe notwendig sind“, stimmt auch ein Sprecher der Deutschen Bank zu. SPD-Bildungsexperte Rossmann kritisiert, die Anleihen-Debatte verdecke daher lediglich das „Problem der Unterfinanzierung der Hochschulen, indem sie eine Marktlogik vorgaukelt, wo keine wirksam ist“. Commerzbank und Deutsche Bank urteilten dementsprechend auf Anfrage, es gebe „derzeit keinen Markt“ für deutsche Universitäts-Schuldtitel und es werde auch keine Belebung des Marktes erwartet. Für ähnlich unrealistisch erachtet die Landespolitik die Option der Anleihen. Aus dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium etwa heißt es, diese seien dort noch nie diskutiert worden.

summary With increasing student numbers and public budget cuts looming, fundamental decisions on long-term higher education financing are needed. Increased public funding either from federal or state level, third-party financing, fundraising via a foundation as well as entering credit markets and bond issuance are options discussed in this article in the context of German higher education.

Kredite für Hochschulen als neue Option Etwas weniger abwegig scheint dagegen die Möglichkeit der Kreditfinanzierung im Allgemeinen für Hochschulen zu sein: So forderte die HRK bereits in einer Entschließung vom Mai 2011, dass den Hochschulen „die Möglichkeit gegeben werden [müsse], Kredite für die Finanzierung erforderlicher Investitionen aufzunehmen“. Auch der Stifterverband sei laut Winde grundsätzlich dafür, Hochschulen mit der Möglichkeit zur Kreditaufnahme auszustatten, „als eine selten genutzte, aber vorhandene Option“. Derzeit ist es den meisten deutschen Hochschulen als Körperschaften öffentlichen Rechts nicht erlaubt, selbst Kredite aufzunehmen. Ausnahmen zum Kreditaufnahmeverbot gibt es allerdings bereits auch in Deutschland: Einerseits betrifft dies die Stiftungshochschulen, deren zusätzliche Autonomie ihnen auch erlaubt, Kredite aufzunehmen. Andererseits dürfen dies die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, die durch das Hochschulfreiheitsgesetz von 2006 deutliche Freiheiten gegenüber dem Landesministerium erhielten. Sie dürfen sich nun „vollrechtsfähige Körperschaften“ nennen – und als solche auch Schulden machen. Trotzdem hat in Nordrhein-Westfalen nach Angaben des Wissenschaftsministeriums bisher keine Hochschule davon Gebrauch gemacht. Die Universität Münster teilte mit, dass sowohl eine Kredit-, als auch eine Anleihefinanzierung in ihren Überlegungen „derzeit keine Rolle“ spielen. Es scheint also, als sei noch ein weiter Weg zu gehen, bis solche Modelle an deutschen Hochschulen überhaupt hoffähig werden (s. auch S. 20) – ganz zu schweigen davon, dass zu bezweifeln bleibt, ob dadurch das grundsätzliche Finanzierungsproblem des Hochschulsektors gelöst würde. Bildung erwirtschaftet hohe Renditen Eine Statistik der OECD scheint abschließend hilfreich, um die Hochschulfinanzierungsdebatte ins rechte Licht zu rücken: Die Wirtschaftsorganisation errechnete für 2008 den Mehrwert, den das abgeschlossene Erststudium eines Mannes in Deutschland schafft – abzüglich der öffentlichen Kosten von rund 45.000 Euro. Das Ergebnis: 117.000 Euro verdient die Gesellschaft insgesamt, vor allem durch zusätzliche Steuereinnahmen im Verlauf seines Lebens. Bildung, und insbesondere Hochschulbildung ist also vor allem eine lohnende Investition – und zwar mit einer astronomischen Rendite von 9,4 Prozent.

Kontakt: Cédric Koch Lemmens Medien GmbH E-Mail: [email protected]

wissenschaftsmanagement 1 • januar/februar • 2013