Der Beitrag der Raumordnung zur Intensivierung der Windenergienutzung an Land

Der Beitrag der Raumordnung zur Intensivierung der Windenergienutzung an Land Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lars Kindler und Rechtsanwalt Dr. Marcus ...
Author: Karsten Klein
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Der Beitrag der Raumordnung zur Intensivierung der Windenergienutzung an Land Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lars Kindler und Rechtsanwalt Dr. Marcus Lau*

Mit ihrer Förderung und Privilegierung im Jahr 1997 hat die Windenergienutzung einen regelrechten Boom erlebt, der nunmehr– zumindest an Land – abzuflauen droht. Die 2010 neu installierte Leistung ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Im Zuge der sog. Energiewende wird wohl eine Wiederbelebung notwendig werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts der jüngsten Gesetzesänderungen stellt der Beitrag zunächst dar, welche Möglichkeiten der Steuerung der Windenergienutzung an Land insbesondere durch die Raumordnung bestehen und zeigt dann Wege zu einer verträglichen Nutzungsintensivierung auf, wobei das Augenmerk insbesondere auch auf dem sog. Repowering liegt. I.

Einleitung

Hinsichtlich der Notwendigkeit der sog. Energiewende besteht in Deutschland ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Wie die neue Energielandschaft aussehen wird, lässt sich dabei freilich im Detail noch nicht absehen1. Fester Bestandteil werden aber in jedem Fall auch die Windenergieanlagen sein. Obgleich die (fach-)öffentliche Aufmerksamkeit derzeit eher der Off-ShoreWindenergienutzung gehört, gibt es auch noch erhebliche Potenziale an Land. Soll die Energiewende gelingen, müssen wohl auch diese Potenziale ausgeschöpft werden. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden der Frage nachgegangen, welchen Beitrag die Raumordnung zur Intensivierung der Windenergienutzung an Land bereits heute leisten kann (II.) und wo Verbesserungspotenziale liegen (III.). II.

Bestehende Steuerungsmöglichkeiten in der Raumordnung

Eine raumordnerische Steuerung von Windenergieanlagen ist nur denkbar, soweit es um raumbedeutsame Vorhaben geht (1.). Ist dies gewährleistet, ist das in der Praxis wohl wichtigste raumordnerische Steuerungsinstrument das sog. Darstellungsprivileg nach § 35 III 3 BauGB (2.). Nähere Betrachtung verdient aber auch die Positiv- und Negativwirkung von Zielen der Raumordnung nach § 35 III 2 BauGB (3.).

* 1

Die Autoren sind in der Leipziger Rechtsanwaltskanzlei Füßer & Kollegen (www.fuesser.de) tätig. Zu den vielfältigen Potenzialen siehe nur FAZ v. 4.4.2011, Nr. 79, Verlagsbeigabe Energie.

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1.

Raumbedeutsamkeit von Windenergieanlagen

Eine Steuerung von Windenergieanlagen durch die Ausweisung in einem Raumordnungsplan setzt zunächst voraus, dass es sich hierbei um raumbedeutsame Vorhaben handelt. Mit Blick auf § 35 BauGB lässt sich das zwar ausdrücklich nur § 35 III 2 BauGB entnehmen, muss aber auch für § 35 III 3 BauGB gelten, da § 35 III 3 BauGB die Raumbedeutsamkeit nur deshalb nicht explizit erwähnt, weil er gleichzeitig die Darstellungsmöglichkeit in einem Flächennutzungsplan regelt2. Zudem ergibt sich die Erforderlichkeit der Raumbedeutsamkeit auch aus der Eigenart raumordnerischer Ziele, die nach § 3 I Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums sind3. Ausgehend von der Begriffsbestimmung in § 3 I Nr. 6 ROG sind Maßnahmen und Planungen nicht nur raumbedeutsam, wenn dadurch Raum in Anspruch genommen wird, sondern auch, wenn die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes durch sie beeinflusst wird. Um dies zu bejahen, muss das Vorhaben über den Nahbereich hinaus wirken4. Das kann auch schon bei einer einzigen Windenergieanlage gegeben sein, was aber im Einzelfall zu beurteilen ist5. Die Dimension der Anlage ist dabei ein entscheidendes Indiz, muss aber immer im Kontext mit dem umliegenden Geländeprofil, der Funktion und dem Charakter der Landschaft und der räumlichen Entwicklung gesehen werden6. Als sensibel gelten bspw. die Nähe zu Naturdenkmälern, Brut- und Rastplätze schlaggefährdeter Vogelarten, Flugrouten von Fledermäusen oder die Errichtung auf Bergkuppen, da die Anlagen so weithin sichtbar sind. Weniger sensibel sind Flächen, die bereits durch andere technische Anlagen wie Hochspannungsmasten vorbelastet sind7. Schließlich kann die Raumbedeutsamkeit nicht losgelöst von den vom Plangeber verfolgten Zielen bestimmt werden; vielmehr bieten diese hierfür den notwendigen Beurteilungsmaßstab8. 2.

Darstellungsprivileg des § 35 III 3 BauGB

Um eine „planlose“ Errichtung von Windenergieanlagen zu verhindern, ist zeitgleich mit der Privilegierung des § 35 I Nr. 5 BauGB das sog. Darstellungsprivi-

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Gatz, DVBl. 2009, 737 (740). BVerwG, NVwZ 2003, 738; Mayer-Metzner, BayVBl. 2005, 129 (132); Fest, Die Errichtung von Windenergieanlagen in Deutschland und seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2009, S. 184. BVerwG, NVwZ 2003, 738; Fest, Fußn. 3, S. 184 f. BVerwG, BauR 2003, 837 (837); Scheidler, NWVBl. 2009, 409 (410). Für Anlagen unter 100 m Gesamthöhe bejaht BVerwG, BauR 2003, 837 (837); OVG Münster, UPR 2007, 156 (157); OVG Lüneburg, ZfBR 2008, 336 (369); für solche über 100 m Gesamthöhe OVG Münster, NuR 2008, 736 (736); OVG Lüneburg, ZfBR 2006, 794 (794). Stüer/Stüer, NuR 2004, 341 (343). Gatz, DVBl. 2009, 737 (740).

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leg9 in § 35 III 3 BauGB aufgenommen worden10. Den Vorschub für die Windenergienutzung durch ihre bauplanungsrechtliche Privilegierung im Außenbereich hat der Gesetzgeber also mit einem Instrument zur planerischen Steuerung verbunden und so den Plangebern eine Kanalisierung der Windenergienutzung ermöglicht. Der Gesetzgeber hat hiermit kein neues Instrument geschaffen, sondern lediglich ein Modell der Rechtsprechung aufgegriffen und weiterentwickelt11. Durch das Darstellungsprivileg können die Plangeber den Ausschluss der Windenergienutzung auf ihrem Gebiet nur dann erreichen, wenn sie andererseits auch Positivflächen für die Nutzung der Windenergie ausweisen. Umfasst werden sämtliche Vorhaben i. S. v. § 35 I Nr. 2 bis 6 BauGB12. Für eine rechtmäßige Steuerung stellen sich dabei in dreierlei Hinsicht Probleme: den Abwägungsvorgang (a), das Abwägungsergebnis (b) und die formal richtige Ausweisung der Flächen (c). a)

Abwägungsvorgang

Was in der Pionierzeit der Konzentrationsplanung noch zu beobachten, dass es nicht sonderlich relevant war, ob es nun drei13, sechs14 oder mehr Schritte sind, die den Plangeber zum schlüssigen gesamträumlichen Konzept bringen, muss nun gesehen werden, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg15 in einer jüngeren Entscheidung von einer zwingenden methodischen Vorgehensweise ausgeht. Angelehnt an eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts16 zur Steuerung der Windenergienutzung per Flächennutzungsplan vollziehe sich danach die Konzentrationsplanung schrittweise in der Art, dass in einem ersten Schritt die sog. „Tabuzonen“ zu ermitteln seien, wobei in „harte“ und „weiche“ Tabuzonen zu unterscheiden sei. Bei „harten“ Tabuzonen handle es sich um Flächen, auf denen aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen keine Windenergieanlagen errichtet und betrieben werden können. Von „weichen“ Tabuzonen ist die Rede, wenn die Errichtung von Windenergieanlagen denkbar ist, aber der Plangeber aus raumplanerischen Gründen von der Ausweisung von Positivflächen absehen will. Nach Ausschluss dieser Tabuzonen blieben die sog. Potenzialflächen übrig, die mit den konkurrierenden Belangen abzuwägen seien17.

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Im Folgenden wird dieser Begriff verwendet; gängig sind auch die Bezeichnungen als Planvorbehalt oder Planungsvorbehalt. Vgl. BR-Drs. 153/95, S. 2. BVerwG NVwZ 1988, 54; Mayer-Metzner, BayVBl. 2005, 129 (129). BVerwG, NVwZ 2003, 1261; Ostkamp, Planerische Steuerung von Windenergieanlagen, 2006, S. 78 f.; Stüer/Stüer, NuR 2004, 341 (342). Mitschang, ZfBR 2003, 431 (436); vgl. auch OVG Lüneburg, BeckRS 2010, 47067. Vgl. VGH Mannheim, ZUR 2006, 152 (153). OVG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2011, 48126. BVerwG, ZfBR 2010, 65 (66). BVerwG, ZfBR 2010, 65 (66); OVG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2011, 48126.

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Dies mag zwar eine durchaus schlüssige Methode zur Ermittlung von Positivflächen für die Windenergienutzung sein und man mag auch geneigt sein, dieser Methode seine Empfehlung auszusprechen, doch erscheint sie nicht zwingend. Obgleich sich bei der konfliktträchtigen Windenergienutzung vielfältige Belange mit unterschiedlicher Gewichtung gegenüberstehen, führt dies allein nicht zur Kompetenz für die Rechtsprechung, ein sachgerechtes Ausweisungsverfahren zu determinieren18. Vielmehr sollte sie sich darauf beschränken, im Nachgang das Vorgehen des Plangebers auf seine inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen. Kommt es doch gemäß § 12 ROG ohnehin in erster Linie auf das Abwägungsergebnis an. Auf Grund der Ausschlusswirkung des Darstellungsprivilegs und aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes muss der Plangeber freilich die Herangehensweise zu seinem schlüssigen planerischen Gesamtkonzept nachvollziehbar dokumentieren19. Inwieweit das gewählte Verfahren rechtlich angängig ist, kann von den Gerichten indes – wie sonst auch bei zuvörderst fachlich-methodischen Fragestellungen – nur dahingehend überprüft werden, dass sich das verwendete Verfahren nicht als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel zur Abarbeitung der gesetzlichen Vorgaben erweist20. So fordert denn auch das Bundesverwaltungsgericht, dass bei einer zu geringen Größe von Positivflächen das Auswahlverfahren auch dann zu hinterfragen ist, wenn der Plan in dem vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg für zwingend erachteten Verfahren aufgestellt worden ist21. Unabhängig davon, wie sich der Plangeber methodisch seinem schlüssigen planerischen Gesamtkonzept nähert, wird er Flächen wegen des Konflikts mit harten oder weichen Tabukriterien – unabhängig davon wie sie bezeichnet werden und an welcher Stelle sie geprüft wurden – von der Windenergienutzung ausnehmen. Mit den gängigen Ausschlusskriterien sollte dabei kritischer umgegangen werden. So scheidet bspw. die Errichtung von Windenergieanlagen in einem an sich dem Naturschutz vorbehaltenen Gebiet, insbesondere Natura 2000-Gebieten, nicht per se aus. Schon gar kein kategorisches Hindernis ist das besondere Artenschutzrecht, zumal dieses ohnehin ubiquitäre Geltung beansprucht22. Inwieweit Windenergienutzung und Naturschutz in ein und demselben Gebiet zu vereinbaren sind, hängt vielmehr von der Art des jeweiligen (Schutz-)Gebietes und den jeweiligen Schutzzielen ab23. Dies hat der Plangeber bspw. mit einer Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG zu untersuchen24. Dagegen kann eine Beein18 19 20 21 22 23 24

So aber das OVG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2011, 48126. VGH Kassel, BeckRS 2011, 48793. So etwa zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung BVerwG, NVwZ 2004, 722. BVerwG, ZfBR 2010, 65 (66); BVerwG, NVwZ 2008, 559 (Rdnr. 15). Hierzu Hinsch, ZUR 2011, 191 ff. So auch Fest, Fußn. 3, S. 194. Für den Flächennutzungsplan Scheidler, LKRZ 2010, 41 (45); zur FFH-VP auf Raumordnungsebene Lieber, NuR 2008, 597 ff.

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trächtigung des Schutzzwecks auch in Betracht kommen, wenn Windenergieanlagen an Schutzgebiete angrenzen und erhebliche Ausstrahlungswirkung haben25. Häufig findet man in den sog. Windenergieerlassen der Bundesländer auch den Wald als ein hartes Tabukriterium26. Dabei ist nicht ersichtlich, warum die großen Waldflächen bereits von vornherein für die Errichtung von Windenergieanlagen nicht in Betracht kommen sollen. Auch eine aktuelle Studie des Bundesverbandes für Windenergie, die durch das Frauenhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik durchgeführt wurde, zeigt, dass die Waldflächen in Deutschland zumindest zum Teil für die Windenergienutzung nutzbar gemacht werden können27. Die Windenergieerlasse der Bundesländer sind überdies auch bezogen auf ihre Abstandsempfehlungen mit Vorsicht zu genießen. Nicht selten bleiben die Empfehlungen bei der Begründung der jeweiligen Abstände bei einem pauschalen Verweis auf die „Vermeidung von Konfliktsituationen“ stehen28. Um auf der sicheren Seite zu sein29 und dem Vorsorgeprinzip Rechnung zu tragen, kann das Plankonzept freilich an großzügig pauschalierenden Kriterien ausgerichtet sein30. Es stellt aber einen Abwägungsfehler dar, wenn die am Vorsorgegrundsatz orientierte Planung aus regionalplanerischen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar erscheint und sich in der Folge die Situation einstellt, dass der Windenergienutzung nicht mehr in substanzieller Weise Raum verschafft wird31. Eine unreflektierte Übernahme der Abstandsempfehlungen der Länder verbietet sich daher. Schließt man die Windenergie großräumig aus, muss sich aus dem Plankonzept ergeben, welchen konkreten örtlichen Gegebenheiten damit Rechnung getragen werden soll32.

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Siehe nur OVG Münster, ZUR 2008, 209 (209); Köck/Bovet, NuR 2008, 529 (533); Wolf, ZUR 2002, 331 (340). In diese Richtung auch BVerwG, NVwZ 2003, 733 (736). BWE, Studie zum Potenzial der Windenergie an Land, Kurzfassung, 2011, S. 9 und 12; differenzierter insoweit auch schon VGH Kassel, NuR 2011, 573 (576 f.) = BeckRS 2011, 48793. Ministerium der Finanzen/Ministerium des Innern und für Sport/Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau/Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz, Gemeinsames Rundschreiben v. 30.1.2006, S. 17; ebenso Staatsministerium des Innern/Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaats Sachsen, Gemeinsame Handlungsempfehlung zur Zulassung von Windenergieanlagen v. 8.8.2007, S. 14 f. OVG Münster, NVwZ 2002, 1135 (1139). UBA, Umweltschutz im Planungsrecht, 2008, S. 60. BVerwG, NVwZ 2008, 559; OVG Bautzen, SächsVBl. 2005, 225 (231 f.); OVG Bautzen, BauR 2003, 479 (481). OVG Koblenz, NVwZ-RR 2003, 619 (623); aus Gründen des Artenschutzes OVG Bautzen, BauR 2008, 479 (481); pauschal den Fremdenverkehr für nicht ausreichend erachtend OVG Lüneburg, ZfBR 2000, 61 (62).

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b)

Abwägungsergebnis

Wie bereits ausgeführt, ist letztlich entscheidend jedoch das Abwägungsergebnis. Die Gewissheit, dass sich die Windenergienutzung nur in den ausgewiesenen Positivflächen durchsetzen wird, bekommt der Plangeber erst, wenn sich seine Flächenauswahl als tragfähig erweist. Das insoweit schlagwortartig geforderte schlüssige planerische Gesamtkonzept stellt das Ergebnis einer gerechten Abwägung aller Raumansprüche dar und muss nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positiven Standortzuweisungen getragen sind, sondern auch deutlich machen, welche Gründe den Ausschluss der Windenergienutzung an anderer Stelle rechtfertigen33. Eine Verhinderungsplanung darf dabei nicht betrieben werden. Mit der Privilegierung im Außenbereich ist den Plangebern vorgegeben, der Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum zu schaffen34. Eine Verhinderungsplanung liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn es zu einer Kontingentierung der Flächen für die Windenergienutzung kommt; denn darauf ist das Darstellungsprivileg gerade angelegt35. Nicht selten erfolgt aber eine sog. Alibiplanung36. Dabei weist der Plangeber Positivflächen für die Windenergienutzung aus, die sich aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen letztlich gar nicht für sie eignen37. Ein ähnliches Phänomen stellt die sog. Feigenblattplanung38 dar. Hier weist der Plangeber eine viel zu geringe Fläche für die Windenergienutzung aus. Die Bestimmung eines ausreichenden Flächenpotenzials ist derzeit von viel Unsicherheit geprägt. Zwar hat die Rechtsprechung die Parole ausgegeben, dass der Windenergienutzung „in substanzieller Weise Raum zu schaffen“ ist, es dabei aber unterlassen, diese Formel mit Leben zu füllen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt vielmehr fest, dass sich die Werte nicht abstrakt bestimmen ließen39, sondern es den Gerichten obliege, anhand der bestehenden örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall festzustellen, wo die Grenze zur Verhinderungsplanung verläuft40. Sicherlich ist auch zu konstatieren, dass die Plangeber selbst einen Beitrag zur Unsicherheit in diesem Punkt leisten, bewegen sie sich doch – und das zeigt ein Blick in die Rechtsprechung – offenbar vielfach eher am Rand zur Verhinderungsplanung, als mit Sicherheit genügend Flächen für die Windenergienutzung auszuweisen. Diese Praxis scheint darin begründet zu sein, dass sich das Darstellungsprivileg als letzte Bastion windenergieskeptischer Plangeber erweist und mit einer möglichst ge33 34 35 36 37 38 39 40

BVerwG, NVwZ 2003, 1261; BVerwG, NVwZ 2003, 738; Wustlich, ZUR 2007, 16 (18). BVerwG, NVwZ 2003, 1261; BVerwG, NVwZ 2003, 738. BVerwG, NVwZ 2003, 738; OVG Lüneburg, ZfBR 2009, 150 (151). Der Begriff entstammt BVerwG, NVwZ 2003, 733. BVerwG, NVwZ 2003, 733; Köck/Bovet, NuR 2008, 529 (533). BVerwG, ZfBR 2008, 364 (364 f.). Entgegen Sydow, NVwZ 2010, 1534 (1535) geht davon auch das BVerwG, NVwZ 2003, 1261, aus; ferner BVerwG, ZfBR 2010, 675 (678). BVerwG, ZfBR 2010, 675 (678); so auch Sydow, NVwZ 2010, 1534 (1535).

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ringen Positivausweisung ein umfangreicher Ausschluss der Nutzung der Windenergie im Plangebiet erreicht werden kann. Aus klima- und energiepolitischer Sicht bedenklich ist, dass sich die Grenze zur Verhinderungsplanung in einem unteren 0,-Bereich befindet. Nach der oben genannten Untersuchung des Frauenhofer Instituts sind demgegenüber rund 22 % der Fläche in Deutschland für die Energiegewinnung aus Wind geeignet. 8 % des Staatsgebietes seien sogar ohne Restriktionen nutzbar41. Freilich ist u. a. auch dem Freiraumschutz und Erholungswert der Landschaft mit ausreichend unbebauten Flächen Rechnung zu tragen, doch besteht zwischen 22 % und 0,1 % eine große Spannbreite, die eine Erhöhung des Flächenpotenzials möglich erscheinen lässt, ohne dabei konkurrierende Belange aus dem Blick zu verlieren. Ein weiterer in der Praxis kursierender Gedanke ist die Kompensation zu geringer Windenergienutzungsflächen durch den Verweis auf bestehende oder ebenfalls ausgewiesene Flächen für die Nutzung sonstiger erneuerbarer Energien, wie Sonnenenergie oder Wasserkraft. Dieses Vorbringen stößt allerdings auf Bedenken; denn eine solche Kompensationsmöglichkeit ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Mit dem Darstellungsprivileg des § 35 III 3 BauGB ist kein Instrument für die Entwicklung eines Gesamtenergiekonzeptes geschaffen worden, sondern eine Steuerungsmöglichkeit für die Vorhaben nach § 35 I Nr. 2 bis 6 BauGB. Der Ausschluss der Windenergienutzung in weiten Teilen des Plangebietes muss sich mit raumordnerischen Gründen rechtfertigen lassen. Es lässt sich aber raumordnerisch nicht rechtfertigen, an einer Stelle Windenergieanlagen auszuschließen, weil in anderen Gebieten des Planbereichs sonstige erneuerbare Energien genutzt werden bzw. ausgewiesen sind. Anderes kann sich freilich daraus ergeben, dass etwa gerade wegen der Nutzung sonstiger regenerativer Energien bereits in einem erheblichen Maße in das Landschaftsbild eingegriffen wurde und deshalb der noch verbleibende Raum in der Region von technischen Anlagen freigehalten werden soll. c)

Planerische Umsetzung

Wurde im Aufstellungsverfahren das schlüssige gesamträumliche Plankonzept erarbeitet, müssen die Flächen für die Windenergienutzung und auch die Ausschlussflächen richtig ausgewiesen werden. Von den überörtlichen Plangebern verlangt das Darstellungsprivileg in beiderlei Hinsicht eine zielförmige Ausweisung, die durch die Festsetzung von Vorranggebieten mit der Wirkung von Eignungsgebieten i. S. v. § 8 VII 2 ROG gelingt42. 41 42

BWE, Studie zum Potenzial der Windenergie an Land, Kurzfassung, 2011, S. 9. Gatz, DVBl. 2009, 737 (740); Köck/Bovet, NuR 2008, 529 (532); Grotefels, FS Hoppe, 2000, S. 369 (378 f.); a.A. in dem Sinne, dass auch lediglich die Ausweisung als Eignungsgebiet ausreicht, Scheidler, ZfBR 2009, 750 (752); Runkel, DVBl. 1997, 275 (276); OVG Münster, ZUR 2007, 592 (593 f.).

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3.

Positiv- und Negativwirkung nach § 35 III 2 BauGB

Eine weitere Steuerungsmöglichkeit erfährt die Raumordnung durch § 35 III 2 BauGB. Gemäß § 35 III 2 Halbs. 2 BauGB stehen öffentliche Belange den privilegierten raumbedeutsamen Vorhaben nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Im Gegensatz zur Ausschlusswirkung des Darstellungsprivilegs kommt dieser Zielausweisung eine die Zulässigkeit fördernde Wirkung zu. Mit den Klimaschutzzielen im Hintergrund kann es der Raumordnung hier gelingen, dass sich die Windenergienutzung in einem ausgewiesenen Vorranggebiet durchsetzt, ohne gleichzeitig Flächen zu sperren. Ein Konflikt zum Darstellungsprivileg besteht durch die Regelung des § 35 III 2 Halbs. 1 BauGB, der der Zielausweisung ebenfalls eine Negativwirkung zuspricht. „Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen“, heißt es dort. Entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur43 ist indes weitgehend anerkannt, dass dem das Darstellungsprivileg als Sondervorschrift für privilegierte Vorhaben nach § 35 I Nr. 2 bis 6 BauGB vorgeht. Die Wirkung eines Ausschlussziels lässt sich daher insoweit einzig und allein über § 35 III 3 BauGB erreichen, also zu dem Preis, dass auch eine positive Ausweisung an anderer Stelle erfolgt44. Steuerungswirkung kann § 35 III 2 Halbs. 1 BauGB daher allenfalls dann entfalten, wenn die Windenergienutzung unter die „mitgezogene“ Privilegierung des § 35 I Nr. 1 BauGB fällt45, die vom Darstellungsprivileg nicht erfasst wird. III.

Stellschrauben für den weiteren Ausbau der Windenergienutzung an Land

Hält man Ausschau nach Stellschrauben für den weiteren Ausbau der Windenergienutzung an Land, so wird man schon de lege lata fündig (1.). Chancen liegen aber vor allem im sog. Repowering (2.). 1.

Ausbaumöglichkeiten de lege lata

Ist der Kompromisscharakter des Darstellungsprivilegs durchaus begrüßenswert, muss doch gesehen werden, dass die sich bietenden Potenziale nicht voll genutzt werden. Vielmehr steht in der Planungspraxis offenbar nach wie vor der Verhinderungsaspekt im Vordergrund. Es wurde bereits aufgezeigt, dass mit den Abstandempfehlungen aus den Windenergieerlassen der Länder zurückhaltender umgegangen werden sollte. In den letzten Jahren wurden die Abstände zum Teil drastisch erhöht und Plangeber 43 44 45

Goppel, in: Jarass, Raumordnungsgebiete (Vorbehalts-, Vorrang- und Eignungsgebiete) nach dem neuen Raumordnungsgesetz, 1998, S. 26 (33). Ostkamp, Fußn. 12, S. 101; Stüer/Stüer, NuR 2004, 341 (343); Kirste, DVBl. 2005, 993 (1002); Spoerr, DVBl. 2001, 90 (94). Hierzu BVerwGE 96, 95 (96 f.) = NVwZ 1995, 64.

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nutzten sie nahezu blind, um weite Gebiete schon aus Vorsorgegründen aus ihrer Ausweisungsplanung herausfallen zu lassen. Wichtig ist allerdings, dass sich erst aus der Planung selbst ergibt, welche Gründe den Ausschluss von Gebieten rechtfertigen. Ferner fehlt es bei dem Merkmal des „in substanzieller Weise Raum“Verschaffens an belastbaren Richtwerten. Bisher hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auf abstrakte Werte festlegen wollen bzw. es geht sogar davon aus, dass sich solche Werte nicht abstrakt bestimmen ließen. Auch in einer Entscheidung vom Mai 201046 vergab das Gericht die Chance, sich konkreter zu der Grenze zur Verhinderungsplanung zu äußern. Aus klima- und energiepolitischer Sicht verschärft sich die fehlende Fixierung dahingehend, dass die Grenze zur Verhinderungsplanung derzeit de facto in einem unteren 0,-Bereich verglichen mit der Gesamtfläche des Plangebietes angesiedelt ist und so weite Potenzialflächen für die Windenergienutzung gesperrt werden, wobei vielfach fraglich erscheint, ob sich dies mit raumordnerischen Gesichtspunkten decken lässt. Sowohl die Verwaltungspraxis als auch die Gerichte sollten daher bemüht sein, die Grenze zur Verhinderung weiter zu konkretisieren. Freilich sind die Gegebenheiten in jedem Plangebiet sehr unterschiedlich, so dass sich eine starre abstrakte Fixierung verbietet. Ausgehend von wissenschaftlichen Untersuchungen, wie eben der oben genannten Untersuchung durch das Frauenhofer Institut, ließe sich aber – gestuft nach Landschaftstypen – ein gewisser Prozentsatz als Richtwert in Relation zur Potenzialfläche festsetzen, bei dessen Unterschreitung in der Regel eine unzulässige Verhinderungsplanung gegeben ist. Es bedarf dann der Darlegung besonderer, in den Gegebenheiten des Einzelfalls wurzelnder Gründe, um von dieser Regel abzuweichen. Dieses Vorgehen ist keineswegs unüblich und unsachgerecht. So wird bspw. in der Bauleitplanung beim Heranrücken von Wohnbebauung an Lärm emittierende Anlagen mit Blick auf die Orientierungswerte der DIN 18005 bzw. DIN 45691 ganz ähnlich verfahren47. Die Überführung der Windenergienutzung in die Bundesraumordnung nach § 17 ROG ist dagegen abzulehnen. Zwar entsteht bei einem flächendeckenden Ausbau die Notwendigkeit nach einer bundesweiten Bedarfsfestlegung und Bedarfssteuerung. Hierfür wäre jedoch die Raumordnung das falsche Instrumentarium. Sie regelt die Verortung von Raumnutzungsansprüchen und von Raumfunktionen48 und ist keine Bedarfsplanung, so dass es auch künftig keine zulässige Steuerung der Windenergienutzung durch die Bundesraumordnung geben wird.

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BVerwG, ZfBR 2010, 675 (678) Siehe nur BVerwG, ZfBR 2004, 566; BVerwG NVwZ 1991, 881. Deutsch, NVwZ 2010, 1520 (1522), zugleich zur Kritik an der neuerlichen Bestrebung, die Raumordnung generell zur Auffangkompetenz für alles und jedes auszubauen.

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2.

Repowering

Beim sog. Repowering geht es darum, eine oder mehrere Altanlagen durch eine neue, wesentlich leistungsstärkere Anlage zu ersetzen. In Deutschland werden im Jahr 2012 mehr als 9.000 Anlagen älter als 12 Jahre sein, so dass das Repoweringpotenzial ebenso wie die klima- und energiepolitischen Chancen als hoch einzuschätzen sind49. Werden die ausgewiesenen Konzentrationszonen zunehmend ausgeschöpft und sind auch der Erschließung weiterer Potenzialflächen Grenzen gesetzt, kann eine Steigerung der Windenergieerzeugung vor allem durch das Repowering erzielt werden. Durch die Dimension moderner Anlagen kann die Nennleistung bei gleichzeitiger Reduktion der Anlagenzahl verdreifacht werden. Neue Anlagen sind zudem weniger wartungsbedürftig und erreichen mehr Volllaststunden. Diesen Anreiz für Betreiber hat der Gesetzgeber mit § 30 EEG noch verstärkt. Danach erhöht sich die Anfangsvergütung für eine neu errichtete Anlage um 0,5 Cent pro kWh, wenn zugleich eine oder mehrere Altanlagen ersetzt werden50. Auch wenn durch die Dimension moderner Anlagen die Beeinträchtigungen punktuell steigen können, kommt es durch das Repowering in der Gesamtschau zu einer Minderung von Umwelteinwirkungen. So weisen neuere Anlagen bspw. eine höhere Laufruhe auf und haben eine geringere Drehzahl. Gleichzeitig wird durch die Verringerung der Anlagenzahl das Landschaftsbild entlastet51, wobei dies freilich auch auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen könnte, weil – gleichsam die Kehrseite der Medaille – die neuen Anlagen wegen ihrer größeren Höhe weiträumiger sichtbar sind. Der Rückbau von Altanlagen und die Errichtung an anderer Stelle ist zudem auch insoweit eine Option für die Plangeber vor allem auf überörtlicher Ebene, als auf diese Weise nun die Planfehler aus der Pionierzeit der Windenergienutzung korrigiert werden könnten, indem etwa verstreute Einzelanlagen abgebaut und in Windparks konzentriert werden52. Auffällig ist aber, dass der Gesetzgeber derzeit nur im Rahmen des EEG dem Repowering Vorschub geleistet hat, die Anlagen in der Planung und bei der Anlagenzulassung jedoch wie Erstanlagen behandelt werden müssen53. Die Betreiber stehen vor dem Problem, dass sie mit dem Rückbau der Altanlage ihren Bestandschutz verlieren und bei einer zwischenzeitlichen Negativausweisung keine moderne Windenergieanlage an diesem Standort errichten können54. Sind gleichzeitig die ausgewiesenen Konzentrationszonen ausgeschöpft, verliert der Anreiz aus dem EEG an Wirkung. In zweierlei Hinsicht verlangen die mit dem Repowering verbundenen Interessen daher eine planerische Absicherung. Zum einen muss die 49 50 51 52 53 54

BWE, Repowering von Windenergieanlagen, 2010, S. 7. Meyer, EurUP 2009, 236 (237). Salje, EEG, 5. Aufl. (2009), § 30 Rdnr. 1; Maslaton, LKV 2007, 259 (259 f.). Meyer, EurUP 2009, 236 (237); Söfker, ZfBR 2008, 14 (14). UBA, Umweltschutz im Planungsrecht, 2008, S. 66. OVG Bautzen, SächsVBl. 2005, 225 (232); Köck, ZUR 2010, 507 (510).

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Planung gewährleisten, dass leistungsstärkere Anlagen errichtet werden und zum anderen muss die Errichtung mit dem Rückbau der Altanlagen einhergehen55. Bei der planerischen Absicherung stößt die Raumordnung indes an ihre Grenzen. Im Wege der Zielausweisung können zwar Flächen für die Windenergienutzung vollständig oder überwiegend für das Repowering festgesetzt werden56, aber daraus folgt noch nicht der Abbau von Altanlagen; denn die Raumordnung vermag Vorhabenträgern keine Handlungspflicht aufzuerlegen57. Wie aufgezeigt, können von einem Repowering alle Seiten, d. h. Betreiber, Betroffene und Plangeber profitieren, so dass sich eine andere Situation darstellt, als bei der Errichtung von Einzelanlagen, die nicht selten auch auf Skepsis bei örtlichen und überörtlichen Plangebern stoßen. Dieser grundsätzliche Konsens zum Repowering kann für die vom Raumordnungsgesetz zur Verfügung gestellte Möglichkeit der raumordnerischen Zusammenarbeit genutzt werden. Mit § 13 I und II Nr. 2 ROG erhält der Plangeber grundsätzlich die Möglichkeit, eine vertragliche Vereinbarung mit dem Betreiber der Altanlage zu schließen, wonach an den ausgewiesenen Stellen neue leistungsstärkere Windenergieanlagen bei gleichzeitigem Rückbau der Altanlagen zu errichten sind58. Diese Möglichkeit für ein verbindliches Repowering kann für die Plangeber allerdings mühselig sein, insbesondere wenn sich mehrere Anlagen verstreut im Plangebiet befinden, die mehreren Betreibern zuzurechnen sind. Auch generell zeigt sich in der Praxis, dass das Modell der Vereinbarung mit Schwierigkeiten behaftet ist59. Auch wenn die Interessen im Ganzen nah beieinander liegen mögen, ergeben sich im Detail Differenzen, die einer Einigung entgegenstehen. Außerdem kann die Herbeiführung eines Konsenses zeitintensiv sein und so das Repoweringvorhaben ausbremsen60. Zudem braucht der Plangeber Gewissheit, dass seine ausgewiesenen Flächen für Repoweringanlagen auch nur für die Errichtung solcher Anlagen zur Verfügung stehen und nicht mit anderweitigen Windenergieanlagen „volllaufen“61. Aus raumplanerischer Sicht wäre es daher begrüßenswert, wenn eine Absicherung des Repowerings bereits durch die planerische Festlegung gelingen könnte62. Vorbild dafür ist die Möglichkeit der Bedingung, wie sie in § 9 II 1 Nr. 2 BauGB für den Bebauungsplan bekannt ist63. Dadurch gelingt es, die Zulässigkeit von Windenergieanlagen nach dem neuen Bebauungsplan an den 55

Söfker, ZfBR 2008, 14 (15). Köck, ZUR 2010, 507 (511). 57 Vgl. BVerwGE 125, 116 (Rn. 76-79); Appel, UPR 2011, 161 (165). 58 DStGB, Dokumentation N°94, 2009, S. 66. 59 BMVBS, Berliner Gespräche zum Städtebaurecht, Bd. I, S. 71. 60 Söfker, in: BMVBS, Berliner Gespräche zum Städtebaurecht, Bd. II, S. 204. 61 DStGB, Dokumentation N°94 Repowering, 2009, S. 54. 62 Allein auf Ländereben in Sachsen (§ 2 I SächsLPlG) und in Thüringen (§ 7 IV Nr. 2 ThürLPlG) entsprechende Vorschriften bekannt. 63 Köck, ZUR 2010, 507 (512).

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Rückbau der Altanlagen zu knüpfen64. Im Zuge der Gesetzgebung zur sog. Energiewende hat der Gesetzeber den bestehenden Bedarf65 zwar aufgegriffen, doch beschränkt sich die Absicherung des Repowerings durch die Neuregelung des § 249 BauGB weiterhin auf den Bereich der Bauleitplanung66. Die eigentliche Neuerung stellt dabei die Regelung des § 249 II 3 BauGB dar, wonach Darstellungen des Flächennutzungsplans, die die Rechtswirkung des Darstellungsprivilegs gemäß § 35 III 3 BauGB erzielen, Bedingungen nach § 9 II 1 Nr. 2 BauGB mit der Wirkung für die Zulässigkeit von Windenergieanlagen festsetzen können. Dabei überrascht es, dass der Gesetzgeber im Zuge der sog. Energiewende nicht auch den überörtlichen Plangebern verbindliche Absicherungsinstrumente an die Hand gegeben hat. Durchbrach der Gesetzgeber bereits 1997 mit der Normierung des Darstellungsprivilegs die Grundidee der verbindlichen Bauleitplanung und der Raumordnung als die zusammenfassende, überörtliche und überfachliche „Planung der Planung“67, besinnt es sich nun auf den Bebauungsplan zurück. Dies ist indes verspätet, erfolgt doch inzwischen wegen der seit 1997 eröffneten raumordnerischen Möglichkeiten die Steuerung der Windenergienutzung gerade auch durch die Raumordnung. Die planerische Absicherung des Repowerings hätte daher auch auf der Ebene der Raumordnung fixiert werden sollen. Insoweit können zwar die Länder immer noch Entsprechendes regeln, doch könnte eine Bundesregelung deutliche Impulse setzen und die Länder – wenn es nicht bei der Bundesregelung bleiben soll – zum Tätigwerden zwingen. Ferner ist bemerkenswert, dass die verbindlich zurückzubauenden Altanlagen auch außerhalb des Gemeindegebietes liegen können. Ist doch die aus der Planungshoheit der Gemeinde entspringende Bauleitplanung grundsätzlich nur auf das jeweilige Gemeindegebiet beschränkt68. Gleichwohl ist die Lossagung vom Gemeindegebiet im Bauleitplanungsrecht nicht unbekannt. Für den Ausgleich von planungsbedingten Eingriffen in Natur und Landschaft bspw., muss nicht an Festsetzungen in einem Bebauungsplan festgehalten werden; vielmehr gibt hier § 1a III 4 BauGB die Möglichkeit der räumlichen Entkoppelung, indem er die Festsetzung in einem Bauleitplan durch eine vertragliche Regelung ersetzt und damit auch gemeindegebietsübergreifende Ausgleichskonzepte ermöglicht69. Die64 65

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Söfker, ZfBR 2008, 14 (17). Vgl. CDU/CSU/FDP, Wachstum, Bildung, Zusammenhalt, Koalitionsvertrag zur 17. Legislaturperiode, 2009, S. 27; BMVBS, Berliner Gespräche zum Städtebaurecht, Bd. I, S. 69; BMWi/BMUNR, Energiekonzept, 2010, S. 9. Insgesamt zu den städtebaulichen Neuerungen durch die Gesetzgebung zur Energiewende: Battis/Krautzberger/Mitschang/Reidt/Stüer, NVwZ 2011, 897 ff. Runkel, UPR 1997, 1 (3). Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. (2009), § 1 Rn. 5. Hierzu Lau, Die Kontrolle des Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung, S. 6870 (im Erscheinen).

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se Flexibilisierung hat sich als durchaus gewinnbringend erwiesen und ist demnach auch mit Blick auf das Repowering zu begrüßen. De facto wird sich die räumliche Flexibilität aber wohl in Grenzen halten, da die bestehende Regelung des § 30 I EEG hinsichtlich des Standortes der Altanlage nicht verändert werden soll70. Danach muss sich der Standort von Repoweringanlagen im gleichen oder im angrenzenden Landkreis befinden, möchte der Betreiber von der erhöhten Vergütung profitieren. Außerdem lassen neue nachbargemeindliche Streitigkeiten auf sich warten; denn nach wie vor dominiert im kommunalen Bereich eine gewerbesteuerorientierten Einnahmenstruktur und fällt die Gewerbesteuer gemäß § 4 I 1 GewStG i. V. m. § 12 AO eben – zumindest auch – in der Gemeinde an, in deren Hoheitsgebiet die betreffende Windenergieanlage steht. Werden gemeindegebietsübergreifend mehrere Altanlagen zugunsten einer neuen großen Einzelanlage zurückgebaut, ist dies also mitunter mit Einnahmeverlusten bei den Gemeinden verbunden, die lediglich vom Rückbau betroffen sind. IV.

Fazit

Die Raumordnung hat an dem rasanten Ausbau der Windenergie einen erheblichen Anteil, nimmt sie doch die bestehenden Nutzungskonflikte in einem frühen Stadium auf und bringt diese in einen angemessenen Ausgleich. Gleichzeitig ist aber zu konstatieren, dass vor allem das Darstellungsprivileg nach § 35 III 3 BauGB als das Hauptinstrument der planerischen Steuerung mittlerweile tendenziell eine eher begrenzende Wirkung hat. Es steht weniger die Positivausweisung als mehr die dadurch erreichbare Ausschlusswirkung im Vordergrund. Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt, dass sich zahlreiche Ausweisungen nahe an der Grenze zur Verhinderungsplanung bewegen. Um weiterhin die installierte Windenergieleistung an Land zu erhöhen und so dem gesteigerten Bedarf nach erneuerbarer Energie durch Wind gerecht zu werden, muss daher genau an dieser Stelle, der Grenze zur Verhinderungsplanung angesetzt werden, wobei diese über dem derzeitigen Niveau mit einem – regional verschiedenen – Richtwert fixiert werden sollte. Da die Flächen für die Neuerrichtung von Windenergieanlagen jedoch absehbar unweigerlich ausgehen werden, liegen perspektivisch die größten Ausbaupotenziale der Windenergienutzung an Land in einem flächendeckenden Repowering. Auf überörtlicher Ebene fehlt es allerdings für die Plangeber an einer hinreichenden Möglichkeit das Repowering abzusichern. Hier ist – dem Beispiel Sachsens und Thüringens folgend – eine Nachbesserung erforderlich.

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Vgl. BR-Drs. 341/11, S. 21.

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