Cupido Books, 2013 ISBN

„dreams on demand…“ ist eine Marke von Cupido Books © Copyright: bei den AutorInnen/Cupido Books, 2013 ISBN 978-3-944490-01-4 Alle Rechte vorbehalten...
Author: Calvin Schuler
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„dreams on demand…“ ist eine Marke von Cupido Books © Copyright: bei den AutorInnen/Cupido Books, 2013 ISBN 978-3-944490-01-4 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, digitale oder jedwede sonstige Verwertung ist grundsätzlich untersagt, sie bedarf der schriftlichen Freigabe durch den Verlag. Möchten Sie die Neuigkeiten von Cupido Books – „dreams on demand“ – erfahren? Abonnieren Sie unsere Website www.cupido-books.com. Oder folgen Sie uns auf facebook! Cupido Books, Im Dau 3, 50678 Köln Covergestaltung: frenzy artworks unter Verwendung eines Fotos von Luba V Nel/Shutterstock, Inc.

Alles Eric Lichtenberg Es ist alles schon da, seit langer Zeit, tief unter der Oberfläche, ungenannt, nur geahnt. Alles. Mallorca, der Sex und sie Joleen Carter Verpasste Gelegenheiten, traurige Erinnerungen – Michal hat es final versaut. Doch Nina ist da anderer Meinung. Alles bestens Greta Leander Man muss nicht immer über ALLES reden… Manchmal ist es vielleicht sogar besser, die Dinge einfach in die Hand zu nehmen. Japanische Kirschen Eve Bauhaus Robin ist Drucker. Robin druckt Märchen – märchenhafte Bücher… Angekommen Greta Leander Wie sagte schon Ina Deter: „Frauen kommen langsam – aber gewaltig!“ Und manche kommen langsamer als andere. 40somes Isadorra Ewans Was geht, bei den Frauen ab 40? Konstantin scheint es zu wissen. Und hält damit nicht hinter dem Berg. Sehr zur Freude einer einzelnen Dame.

Alles Eric Lichtenberg „Kann ich so los?“, reißt Noras Stimme Paul und mich aus unserem Gespräch über die Aufstiegschancen von Sankt Pauli. Sie steht im Türrahmen des Wohnzimmers, und mir bleibt die Spucke weg. Wortwörtlich. Sie trägt einen kurzen Rock mit aufgenähten Taschen und recht grobe kniehohe Stiefel, dazu ein schwarz glänzendes Top, das sich weich an ihren Körper schmiegt. Mir ist schon länger klar, dass aus der rotzfrechen Göre eine Frau geworden ist, aber da Nora normalerweise nicht sehr auf ihr Äußeres achtet, blieb mir so ein Anblick bisher erspart. War vielleicht auch besser so. Neben mir räuspert sich Paul unbehaglich. Wenn es für mich schon ein Schock ist, Nora so zu sehen, wie muss es dann erst für ihren großen Bruder sein? Er hat immer auf sie aufgepasst, obwohl er oft genug verdammt genervt war von ihrer Anhänglichkeit. Für ihn stand es außer Frage, dass sie zusammen in einer WG leben würden, sobald seine Schwester zum Studieren nach Hamburg ziehen wollte. Und Nora hat die Chance ergriffen, so schnell wie möglich ihren strengen Eltern zu entfliehen. „Was ist anders an dieser Party, dass du dich so...“, sagt Paul und macht eine vage Geste, die Nora in ihrem gesamten Erscheinungsbild umfasst, „... aufbrezelst?“ Nora lacht und streicht sich eine Strähne ihres dunkelbraunen Haares hinters Ohr. „Es gibt da jemanden, der mich zu lange ignoriert hat“, meint sie augenzwinkernd. „Wenn der Kerl nicht auch so sieht, dass du toll bist, hat er es nicht verdient, dass du dich mit ihm beschäftigst“, grollt Paul und verschränkt die Arme vor der Brust. Kurz huscht ein seltsamer Ausdruck über ihr Gesicht – weich und eine Spur wehmütig. Doch ein freches Grinsen verscheucht die Regung sofort. „Manchen Männern muss man eben ein wenig auf die Sprünge helfen. Also: Gehe ich so als männermordende Venusfalle durch?“

„Auf eine schräge Art ... ja“, erhebe ich das erste Mal die Stimme. „Danke“, erwidert Nora. „Dann ist mein Outfit perfekt.“ Sie schenkt mir ein Lächeln, das sich tief in meinem Magen einnistet. Verdammt. Seit einiger Zeit wird das immer schlimmer. Ich weiß noch genau, wann ich das erste Mal auf eine fast schmerzhafte Weise begriffen habe, dass Nora nicht mehr das ungelenke kleine Mädchen ist, das Paul und mich als Teenager in den Wahnsinn getrieben hat. Auf der Feier ihres einundzwanzigsten Geburtstages ist sie ziemlich abgestürzt und hat heftig mit einem Typen aus ihrer Uni rumgeknutscht. Ich konnte nicht wegsehen. Es war heiß, und gleichzeitig wollte ich den Kerl von ihr wegziehen und ihm die Fresse polieren. Ein Blick in Pauls Gesicht hatte mir verraten, dass er zumindest letzteren Gedanken mit mir teilte. Natürlich haben wir nichts davon getan. Nora ist längst erwachsen und würde uns zur Schnecke machen, wenn wir uns in ihr Liebesleben einmischten. Dennoch ... seit einigen Monaten erwische ich mich immer häufiger dabei, ihr hinterher zu sehen. Diese typische Geste, mit der sie ihr Haar zurückstreicht, macht mich kirre. Jedes Mal möchte ich meine Hand ausstrecken und die Weichheit der Strähnen erspüren. Über diesen Punkt hinter ihrem Ohr streichen, bis sie den Kopf zur Seite neigt, einer Einladung gleich. Das Ziehen in meinem Schritt bringt mich zur Besinnung. Betreten sehe ich auf die Flasche Bier vor mir und beginne, am Etikett zu knibbeln. Ich blicke nicht auf, als Nora sich verabschiedet und Paul ihr ein „ruf an, wenn irgendwas passiert!“ hinterher ruft. Die Tür fällt ins Schloss und hinterlässt eine Stille, die nichts mit der Abwesenheit von Geräuschen zu tun hat, denn aus der Stereoanlage dringt nach wie vor Musik. „Heilige Scheiße“, raunt Paul. Er sieht wirklich ein wenig geschockt aus. Als er einen wohl ähnlichen Ausdruck auf meinem Gesicht wahrnimmt, fangen wir beide gleichzeitig an zu lachen. Wir lachen, bis ich Seitenstiche bekomme und ihn japsend bitte, endlich mit dem Scheiß aufzuhören. Als wir uns halbwegs beruhigt haben, fischt Paul wortlos seine neuste DVD hervor und stellt die Musik aus. World War Z, genau das Richtige für einen Donnerstagabend: Massenpanik und Zombiehorden.

Obwohl der Film gut und sehr spannend ist, trudeln meine Gedanken doch immer wieder zu Nora. Was sie wohl gerade macht? Ob der Kerl, auf den sie scharf ist, gerade mit ihr spricht? Mit ihr tanzt? Sie anfasst? Fuck, ich muss diese Bilder aus meinem Kopf verbannen. Ich schnaufe frustriert. Paul bemerkt, dass ich nicht bei der Sache bin. Seine eindringliche Musterung ist mir unangenehm. Er kennt mich viel zu gut. Seit der ersten Klasse sind wir befreundet, und seit seinem dreizehnten Geburtstag und der damaligen Keilerei mit Björn Vollmer und seinen Kumpanen sind wir unzertrennlich. Paul ist mein bester Freund, der Bruder, den ich nie hatte. Wir haben viel zusammen erlebt und haben so manchen Scheiß gemeinsam durchgestanden. Er war für mich da, als mein Dad schwer krank wurde und wir nicht wussten, ob er dem Krebs noch entrinnen kann. Ich habe Paul aus dem tiefen Loch geholt, in das er gefallen ist, nachdem Steffi vor zwei Jahren mit ihm Schluss gemacht hat. Habe nicht zugelassen, dass er sich verkriecht und alle wegbeißt, die ihm nahestehen. Nach einer Weile hat er akzeptiert, dass ich mich nicht so einfach vertreiben lasse, und hat endlich geredet. Danach ging es aufwärts. Paul ist mir verdammt wichtig, und er weiß einige Dinge über mich, die nicht in unserem gemeinsamen Freundeskreis publik sind. Wir haben meinen ersten Kuss mit Lisa Kretschmann ausführlich diskutiert und sind damals zu dem Schluss gekommen, dass Küssen einfach nur nass und ziemlich ekelig ist. Einige Jahre später hat uns die Neugierde dazu getrieben, es miteinander zu versuchen, das Küssen. Es war immer noch etwas feucht und ungeschickt ... aber es war auch gut. Ich schätze, dass ich in den darauf folgenden Experimenten mit Paul irgendwann gerafft habe, dass auch Jungs ganz interessant für mich sind. Gerade jetzt wäre mir allerdings lieber, ich wäre zu hundert Prozent schwul, dann könnte Paul mir nicht an der Nasenspitze ansehen, dass ich auf seine Schwester stehe. Ich habe Schiss vor seiner Reaktion. Er bewacht Nora mit dem Gebaren eines bösartigen Dobermanns. Einmal hat er seine Grenzen dabei gehörig überschritten und einem Kerl eine gezimmert, der Nora ungefragt an den Hintern gefasst hat. Ein Rauswurf aus dem Club war die Folge und ein verbaler Einlauf seiner Schwester, der ihn kleinlaut zurückgelassen hat.

Paul zieht die Brauen zusammen. Verdammt, ich kenne diesen Blick. Abschätzend, darunter schwingt eine latente Aggressivität mit. Trotzig hebe ich das Kinn. Wir starren uns eine Weile schweigend an, dann seufzt Paul hörbar. „Sie ist so verdammt...“, sagt er leise, und ich habe Schwierigkeiten, ihn zu verstehen, denn im Film fliegt gerade ein Gebäude in die Luft. „Sexy?“, helfe ich ihm aus. Paul zieht die Schultern empor. „Ja. Mehr als das, irgendwie. Ach, fuck!“ Zum zweiten Mal an diesem Abend sehe ich etwas, das mich sprachlos macht. Es ist Begehren, das ich in seinen Augen erkennen kann, gemischt mit Scham und Wut. Und ich kann jede dieser Regungen nachvollziehen. Denn wenngleich Nora nicht meine leibliche Schwester ist, hat sie doch über Jahre genau diese Rolle in meinem Leben eingenommen. „Wir sind so was von am Arsch“, kommentiere ich sarkastisch. Paul grinst schief, hebt seine Flasche und stößt mit mir an. Danach schweigen wir und widmen uns wieder dem Film. * Das Schlagen der Haustüre und lautes Poltern reißt uns aus der Handlung. Verblüfft schauen Paul und ich uns an, dann stoppt er den Film. „Nora?“, ruft Paul. „Warum muss die Welt eigentlich voller Scheißkerle sein?“, flucht Nora, und lehnt sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. „Ich meine, es reicht ja offenbar nicht, dass ich mich hier zum Affen mache in dieser beschissenen Aufmachung, nein, er knutscht tatsächlich mit mir rum, nur um mir dann zu erzählen, dass es eben nur das ist: Rummachen, ficken wenn ich will. Aber was anderes is‘ nicht, dafür sucht er sich ein anständiges Mädel, das sich nicht an die Kerle ranschmeißt. Das ist doch zum Kotzen!“ Beim letzten Satz ist sie richtig laut geworden, und ich kann sehen, dass sie vor kurzem geweint haben muss, denn ihre Augen sind gerötet und die

Wimperntusche ist etwas verlaufen. Paul erhebt sich vom Sofa und geht auf Nora zu, als nähere er sich einem äußerst gereizten Raubtier. Und so ganz Unrecht hat er damit nicht. „Hey“, sagt er sanft, und streckt die Hand nach ihr aus. Doch Nora entzieht sich ihm, ihre Unterlippe zittert. Es schmerzt, sie so sehr um Fassung ringen zu sehen. „Wenn du mich jetzt umarmst, flenne ich hier rum, und darauf hab ich keinen Bock!“, wehrt sie ab. „Kleines, das ist doch egal. Komm her. Na, komm schon“, lockt Paul, und legt ihr eine Hand auf die Schulter. Widerstrebend lässt sie sich in eine Umarmung ziehen. Nach kurzem Zögern legt sie ihre Hände in Pauls Kreuz. Ihre Finger verkrallen sich in seinem Shirt, während sie ihr Gesicht an seinem Hals vergräbt. Er wiegt sie sacht hin und her, bis sie sich etwas beruhigt. Es ist ein Anblick, der Sehnsucht in meine Eingeweide schickt. Doch Nora lässt sich nicht allzu lange festhalten, dafür ist sie einfach zu stolz. Paul streicht ihr über die Arme. „Du bist ganz kalt. Los, setz dich aufs Sofa, ich hol dir was zu trinken. Ich kann dir auch eine heiße Schokolade machen, wenn du magst“, bietet er an. Sie funkelt ihn entrüstet an, hat aber Schwierigkeiten, ein Lächeln zu unterdrücken. „Ich bin doch keine zehn mehr!“, grummelt sie und wischt sich ein paar Tränen aus den Augen. „Nicht?“, frage ich unschuldig. Sie streckt mir die Zunge heraus, bevor sie sich an Paul wendet. „Ein Tee wäre schön.“ Ich rücke etwas zur Seite und zerre an der Fleecedecke, die auf dem L-förmigen Sofa liegt. Es ist Sommer und eigentlich warm genug im Wohnzimmer, aber wenn ihr wirklich kalt ist...

„Dank dir“, lächelt mich Nora an und lässt sich neben mich fallen. Sie riecht ein wenig nach Zigarettenrauch und Alkohol, aber darunter kann ich ihr Parfum ausmachen. Es ist weich und frisch und passt zu ihr, irgendwie. Ich lege meinen Arm um ihre Schultern und ziehe sie etwas an mich. Sie gibt nach und lehnt an meiner Seite. Schon oft haben wir so beieinander gesessen, und es sollte sich nicht so verdammt gut anfühlen. Anders, und doch vertraut. „Lass dir von niemandem einreden, dass du nicht gut genug wärst“, murmele ich leise. „Ich weiß ... aber trotzdem tut es weh. Er war nett ansonsten, aber nach dem Kommentar...“ „Was hast du gemacht?“, frage ich und drücke meine Nase in ihr Haar. Sie riecht gut. Viel zu gut. Ihre Schultern zucken, als sie lacht. „Erst habe ich ihn fassungslos angesehen. Und dann hab ich ihm eine geknallt.“ Hinter uns ertönt ein leiser Pfiff. „Das hätte ich gerne gesehen“, lacht Paul und stellt eine Tasse Pfefferminztee auf dem Wohnzimmertisch ab. „Lach nicht!“, beschwert Nora sich und knufft ihn in die Rippen, als er sich auf ihrer anderen Seite nieder lässt. „Meine Handfläche brennt immer noch.“ „Sein Wange hoffentlich auch. Arschloch“, knurre ich. „Davon gehe ich aus“, verkündet Paul. „Das Mädel hat einen harten Schlag.“ „Pfft“, macht Nora wenig damenhaft. „Was gibt es?“, fragt sie und deutet mit dem Kinn auf den Bildschirm, auf dem das Standbild einer wütenden Gruppe Untoter zu sehen ist. „Zombies, Apokalypse und Brad Pitt als etwas faltiger Held“, fasst Paul den Film zusammen. „Ordentlich Gemetzel?“, fragt Nora und langt nach ihrem Tee. Sie umschließt ihn mit beiden Händen und pustet sanft auf die Oberfläche.

„Ja, ist aber bald vorbei“, sage ich. Nora schürzt die Lippen: „Mist. Mir ist gerade so danach, wenigstens zuzusehen, wie irgendwas – oder besser irgendwer – vermöbelt, zerfetzt und ausgeweidet wird.“ Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Das ist so typisch für sie. Ich vermute, Paul und ich haben ihren Filmgeschmack nachhaltig verdorben. Romantische Komödien? Nicht mit Nora Reisinger. „Wie wäre es mit Shaun of the Dead?“, schlägt Paul grinsend vor. „Meinetwegen“, meint Nora verhalten. „Aber erst das finale Abschlachten hier.“ Paul startet den Film, und ohrenbetäubendes Krachen und Schreie erfüllen das Wohnzimmer. Ich genieße, wie Nora sich an meine Seite kuschelt, während sie nach und nach ihren Tee trinkt. Sie hat die Decke über sich gebreitet und bis zum Hals emporgezogen. Ist vielleicht besser so, denn im Sitzen reicht ihr der Rock gerade mal bis zur Mitte des Oberschenkels. Im Laufe der letzten zwanzig Minuten des Films stiehlt sich meine Hand unter die Decke. Sanft streiche ich mit dem Daumen über Noras Schulter. Sie beugt sich vor, um die Tasse auf dem Wohnzimmertisch abzustellen, dann seufzt sie und schmiegt sich näher an mich. Ich sehe vorsichtig zu Paul und erschrecke, als ich seinen Blick treffe. Er hat ganz genau auf dem Schirm, dass ich gerade die Grenze freundschaftlicher Kuscheligkeit überschreite. Ich versteife mich und will mich schon zurückziehen. Doch Paul kommt mir zuvor, indem er beginnt, Noras Nacken zu kraulen. Ich spüre die Bewegungen seiner Hand an meinem Arm. Surreal. Nora gibt einen wohligen Laut von sich und lässt ihren Kopf an meine Schulter sinken. Ihre Rechte schiebt sich unter der Decke hervor, bis sie auf Pauls Bauch liegt. Dort umfängt er sie mit seiner freien Hand. Ich weiß nicht, ob Nora noch den Film ansieht oder ob sie die Augen geschlossen hat, denn ich sehe unverwandt in Pauls Gesicht. Als würde dieser fragile Moment zerbrechen, wenn wir uns nicht ansehen. Ich kann in seinem Blick lesen, was ich selbst empfinde: liebevolle Fürsorge, Anziehung, Begehren. Und schlichtweg Angst.

Dennoch hören wir nicht auf. Fast provozierend küsse ich Nora aufs Haar. Es ist seidig weich. Paul presst seine Lippen fest aufeinander, seine Nasenflügel blähen sich. Nora regt sich, hebt den Kopf, so dass ich meinen Blickkontakt mit Paul unterbreche. Ihre Pupillen erscheinen riesig, fast vollständig ist der Ring der haselnussbraunen Iris zurückgedrängt. Ich hebe die Finger an ihr Gesicht, berühre ihr Jochbein und streiche hinab, spüre ihrer Haut nach, der Härte des Kieferknochens, der Zartheit ihres Halses. Dort treffe ich auf andere Finger, Finger, die unermüdlich sanft kraulen und dabei kurz über meine Hand tanzen. Gänsehaut. Noras Lippen öffnen sich leicht, fast so, als wolle sie etwas sagen. Doch sie bleibt stumm, in ihren Augen mildes Erstaunen. Alles in mir zieht voran, hin zu ihr. Ich küsse sie, einer Frage gleich. Zwei Herzschläge lang habe ich Angst vor ihrer Antwort, dann kommt sie mir entgegen. Ihr ganzer Körper spannt sich, ihre Lippen drängen sich gegen meine. Sie ist es, die mit ihrer Zungenspitze gegen meinen Mundwinkel stupst und mir eine zunehmende Schwere im Unterleib beschert. Ich öffne meinen Mund, heiße ihre Zunge willkommen, reibe mich an ihr, dränge sie zurück, nur um sie wieder hervorzulocken. Sie schmeckt nach Pfefferminz, darunter verbirgt sich ein Rest Alkohol. Ihr Atem ist süß. Nora ist geschmeidig, gibt nach, ohne passiv zu sein. Ihre Art zu küssen ist ein Spiel, frech und doch sinnlich. Es ist besser, als ich es mir erträumt habe. So viel besser... Ich schlinge meine Arme um sie, die Decke rutscht in ihren Schoß. Sie stößt einen Laut aus, halb erstickt von unserem Kuss, der sich noch mehr vertieft. Sie streicht mir über die Brust, krallt sich in mein Shirt und reibt dabei versehentlich über meinen linken Nippel. Mein Schwanz versteift sich. Oh verdammt... Widerstrebend löse ich den Kuss, schlucke, als ich auf ihre herrlich geröteten Lippen sehe, feucht von unserem Kuss. Ich hebe den Kopf und sehe mich mit kaum gezügeltem Begehren konfrontiert. Paul sitzt schräg hinter Nora, die sich während unseres Kusses zu mir gedreht hat. Der Ausdruck in seinen Augen ist hart. Er macht mir Angst ... und er macht mich an. Ich habe Paul schon gesehen,

wenn er scharf ist, habe beobachtet, wie er konzentriert die Brauen zusammen zieht, kurz bevor er kommt. Jetzt mischt sich Wut in seine Erregung. Nora richtet sich auf und wendet sich zu Paul um. Und ihr Bruder hat nicht mehr genügend Zeit, seinen Aufruhr zu verstecken. Einige Augenblicke verharrt sie und betrachtet Paul still. Die Spannung zwischen den beiden bringt die Härchen auf meinem Unterarm dazu, sich aufzurichten. „Paul ...“, flüstert Nora, hebt die Hand, als wolle sie sein Gesicht berühren, stockt aber in der Bewegung. „Nicht“, sagt er und dreht den Kopf, so dass sie ihm nicht mehr in die Augen sehen kann. Ein lautes Krachen aus dem Fernseher lässt uns zusammenschrecken. Doch keiner interessiert sich nicht mehr für den Film, in dem der dramatischen Musik zufolge gerade der Showdown läuft. Paul rückt etwas von Nora und mir ab. Ich zögere, dann lege ich Nora meine Arme um und ziehe sie mit dem Rücken zu mir an meine Brust. Sie folgt mir vertrauensvoll und lehnt sich gegen mich, dennoch ist der zarte Moment vergangen. Sie betrachtet ihren Bruder, während dieser vorgibt, wieder dem Film zu folgen. Etwas steht groß und unausgesprochen zwischen uns, und wir versuchen, es zu ignorieren. Ich glaube, dass Paul kurz davor war, Nora zu küssen. Sein Revier zu markieren wie ein streunender Kater. Dieser Gedanke löst befremdlicherweise nicht nur Eifersucht in mir aus. Ich finde die Vorstellung verstörend sinnlich, die beiden Geschwister küssen zu sehen. Abwesend streichle ich Noras Oberarm. Sie schnauft leise und bringt mich damit zum Lächeln. Ich streiche ihr die Haare über die Schulter und entblöße ihr Ohr. Die Ohrmuschel ist fein geschwungen, das Ohrläppchen schmal. An ihren Haaransatz wächst ein zarter Flaum. Ich beuge den Kopf und schnuppere. Warm kommt mir ihr Geruch entgegen. Sie erschaudert, als ich mit der Spitze meines Mittelfingers sacht über diese Stelle reibe, von der ich so oft fantasiert habe. Unter meiner Berührung bildet sich eine Gänsehaut, und ich kann nicht länger widerstehen. Beuge mich zu ihr und küsse diese Stelle, zunächst vorsichtig, dann lecke ich darüber. Nora holt scharf Luft, als ich mit den Zähnen über ihre Haut schabe. Kurz versteift sie sich,

als wolle sie von mir abrücken, doch ein weiteres Knabbern hält sie auf, bis sie sich zurücksinken lässt. Mein Herzschlag scheint zu stolpern, als sie den Kopf zur Seite neigt. .

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