CRPS I der Hand: Langzeitergebnisse

Aus dem Akademischen Lehrkrankenhaus Klinikum Nürnberg der Friedrich – Alexander – Universität Erlangen – Nürnberg Klinik und Institut für Physikalis...
Author: Karoline Boer
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Aus dem Akademischen Lehrkrankenhaus Klinikum Nürnberg der Friedrich – Alexander – Universität Erlangen – Nürnberg

Klinik und Institut für Physikalische und Rehabilitative Medizin und für Naturheilverfahren Leitende Ärztin: Dr. med. G. Lichti

CRPS I der Hand: Langzeitergebnisse

Inaugural – Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Friedrich – Alexander – Universität Erlangen – Nürnberg

vorgelegt von Alexandra Estelmann aus Nürnberg

2009

2

Gedruckt mit der Erlaubnis der Medizinischen Fakultät der Friedrich – Alexander – Universität Erlangen – Nürnberg

Dekan:

Prof. Dr. J. Schüttler

Referent:

Prof. Dr. H. Hirschfelder

Koreferent:

Prof. Dr. R. Forst

Tag der mündlichen Prüfung:

17. März 2010

3

Meiner Familie

4

Inhaltsverzeichnis 1.

Zusammenfassung

6

2.

Einleitung

9

3.

CRPS – Grundlagen

9

3.1

Nomenklatur und Historie

9

3.2

Epidemiologie und Ätiologie

10

3.3

Pathophysiologie

11

3.4

Klinik

13

3.5

Diagnostik

15

3.6

Therapie

17

3.7

Fragestellung

19

4.

Material und Methoden

19

4.1

Patientenkollektiv

19

4.2

Art der Auswertung

20

4.2.1

Bewegungsausmaß

20

4.2.2

Umfang von Handgelenk und Mittelhand

21

4.2.3

Kraft

21

4.2.4

Sensibilität

21

4.2.5

Vegetative und trophische Störungen

22

4.3

Frage- und Erhebungsbogen

22

4.4

Datenbasis und statistische Methoden

22

5.

Ergebnisse

23

5.1

Patientenkollektiv und statistisch-retrospektive Daten

23

5.2

Deskriptive Auswertungen der Nachuntersuchung

25

5.2 1

Beweglichkeit

25

5.2.2

Umfang von Handgelenk und Mittelhand

28

5.2.3

Kraft

29

5.2.4

Sensibilität

30

5.2.5

Vegetative und trophische Störungen

30

5.2.6

Fragebogen

31

6.

Wertung der Ergebnisse

32

6.1

Score nach Cooney & Bussey

32

6.2

Bewertungsmaßstab nach Rommel

34

5 6.3

ATL – Auswertung nach Quaba

36

7.

Diskussion

36

7.1

Beurteilung der eigenen Ergebnisse

36

7.2

Literaturvergleich

37

7.3

Exemplarische Langzeitverläufe

41

7.4

Abhängigkeit der Ergebnisse von der Behandlung

42

7.5

Abhängigkeit der Ergebnisse vom Erkrankungsstadium

46

7.6

Abhängigkeit der Ergebnisse vom Alter

47

7.7

Konsequenzen und Empfehlungen für die klinische Praxis

48

8.

Literaturverzeichnis

50

9.

Abkürzungsverzeichnis

57

10.

Anhang

58

11.

Danksagung

64

12.

Lebenslauf

65

6 1. a Zusammenfassung Hintergrund und Ziele: Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS), das mit einer Trias aus motorischen, sensorischen und autonomen Störungen einhergeht, ist eine klinische Diagnose, die eine möglichst frühzeitige und multimodale Therapie erforderlich macht, um einen langwierigen chronischen Verlauf zu verhindern. Ziel der Arbeit war es herauszufinden, welche klinischen Auffälligkeiten

sich

im

Langzeitverlauf

zeigen

und

welchen

Einfluss

Risikofaktoren und verschiedene Therapieformen haben. Methodik: In dieser Studie werden 30 Patienten mit einem CRPS der oberen Extremität durchschnittlich 6,1 Jahre nach Erstdiagnose (1,5 – 13 Jahre) einer umfassenden klinischen Untersuchung unterzogen. Diese Nachuntersuchung umfasste die Testung von Motorik, Umfang, Trophik und Sensibilität und die Messung der Hauttemperatur. Weiterhin wurde mittels Fragebogen die Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) und des Berufs durch das CRPS ermittelt. Ergebnisse: Bei der klinischen Nachuntersuchung zeigte sich eine signifikant eingeschränkte

Beweglichkeit

Bewegungsausmaße Schulterinnenrotation,

der

außer sowie

eine

betroffenen

der

Extremität

für

Schulteraußenrotation

signifikante

Kraftminderung

alle und

in

allen

Gelenkenbewegungen. Bei 50% der Patienten fand sich ein sensibles Defizit mit vorwiegend Hypästhesien. Die Auswertung des Schmerzes ergab in 16,7% Dauerschmerzen und in 16,7% Schmerzfreiheit. 63,3% der Patienten zeigten vegetative und trophische Störungen. Im Vergleich konservativer Therapie mit und ohne Sympathikusblockaden ergab sich kein signifikanter Unterschied. Auch nach Umstellung des Therapieregimes 2002 von Calcitonin auf Pamidronat zeigte sich ein signifikanter Unterschied nur für die Radialabduktion im Handgelenk. Im Altersvergleich zeigten die über 65-Jährigen eine signifikant bessere Daumenabduktion und -opposition, sowie einen signifikant geringeren Mittelhandumfang. Im Vergleich der Stadien zu Therapiebeginn ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in der klinischen Nachuntersuchung, aber deutlich bessere Mittelwerte für Patienten, bei denen die Therapie im Anfangsstadium begann.

7 Der

Langzeitvergleich

wies

eine

signifikante

Verbesserung

der

Handbeweglichkeit für Dorsal- und Radialabduktion, der Schwellung und der Hautfarbe auf. Die Auswertung des ATL - Fragebogens ergab in 83% eine Einschränkung der ATL. Von den 30 Patienten sind 6 erwerbsunfähig geworden. 17% konnten weiterhin ihren Beruf ausführen, der Anteil der Rentner lag bei 57%. Praktische Schlussfolgerungen: Es zeigt sich, dass auch noch Jahre nach Beginn der CRPS - Symptomatik sensible und motorische Störungen vorliegen. Im Alltag leiden die Patienten vor allem unter den Schmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit. Deswegen ist ein frühzeitiger Beginn der Analgesie und Beübung unerlässlich. Es zeigt sich außerdem, dass auch die trophischen Störungen weit über die akute Phase hinaus bestehen können. Aufgrund

der

ausgeprägten

Sensibilitätsstörungen

sollte

verstärkt

die

Ergotherapie in die Behandlung miteinbezogen werden.

1. b Abstract Purpose: The complex regional pain syndrome (CRPS) with motoric, sensoric and autonomic dysfunction is a clinical diagnosis, which needs an early and multimodal therapeutic concept to avoid a grave permanent disability. Aim of the study was to find out the clinical findings in long-term outcome and which effects have different risk factors and therapeutic methods. Methods: The clinical examination was performed in 30 patients with CRPS of the upper extremity about 6.1 years after diagnosis (1.5 – 13 years). The examination included tests of motor function, circumference, trophic disorder, sensibility and skin temperature. Furthermore the impairment of the activities of daily living (ADL) and employment were asked by questionnaire. Results: The clinical examination shows a significant impairment of the concerned extremity in the range of motion except for outward and inward rotation of the shoulder. It also shows a significant impairment of the strength of the upper extremity. 50% of the patients show impairments of sensibility particular hypaesthesia. The analysis of the pain reveals persistent pain in 16.7% and no pain in 16.7%. 63.3% of the patients claim about vegetative and trophic disturbances.

8 Comparing conservative therapy with or without regional sympathetic blocks results in no significant difference. Also the comparison of the therapy after a change 2002 from calcitonin to pamidronat in the general strategy only results in a significant difference for radial abduction of the wrist. The patients older than 65 years show a significant better outcome for thumb deviation and opposition and a significant smaller circumference of the metacarpus. There is no significant association to the grade of CRPS starting therapy, but the mean values are much better for patients which started therapy earlier. The long-term outcome shows a significant improvement of the range of motion of the wrist in dorsal flexion and radial abduction, reduction of the swelling and normalisation of the colour of the skin. The analysis of the questionnaire shows an impairment of the ADL in 83%. 6 of 30 patients became unemployable. Only 17% are still able to perform their profession, there are 57% retired persons. Conclusion: Years after the beginning of the symptoms of CRPS remain impairments of the sensibility and motor function. Patients mainly suffer from pain and limited range of motion in their activities of daily living. Therefore an early beginning of analgesia and physiotherapy is most important. This study also shows that disturbances of the trophic can remain for years. Due to the intensive disturbances of the sensibility the occupational therapy should be intensified.

9 2. Einleitung Das komplexe regionale Schmerzsyndrom beschreibt einen vielschichtigen Symptomenkomplex aus autonomen und sensomotorischen Störungen mit oft schwer therapierbarer Schmerzkomponente. Wichtig ist daher die rasche Einleitung einer multimodalen Therapie. Zu Therapie und Klinik in der Frühphase des CRPS gibt es diverse Studien, doch hat sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass die Patienten auch noch Jahre nach dem Ereignis

über

Schmerzen

und

funktionelle

Störungen

mit

starker

Beeinträchtigung ihres Alltags klagen (36). Da es in der Literatur hierzu bisher noch wenige Langzeitbeobachtungen gibt, ist dies die Hauptaufgabe dieser Studie. Es wird eine umfassende klinische Nachuntersuchung durchgeführt, sowie der Einfluss verschiedener Risikofaktoren und Therapieoptionen auf den Langzeitverlauf untersucht.

3. CRPS - Grundlagen 3.1 Nomenklatur und Historie 1994 wurde der Begriff „Komplexes regionales Schmerzsyndrom“ (Complex Regional Pain Syndrome - CRPS) von der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) eingeführt. Dieser umfasst 2 Krankheitsbilder, „die die Extremitäten befallen, sich nach einem schädigenden Ereignis entwickeln und durch anhaltenden Schmerz mit motorischen, autonomen und sensorischen Störungen gekennzeichnet sind“ (52). Definitionsgemäß entwickelt sich beim CRPS Typ I auf ein auslösendes schädigendes Trauma hin Spontanschmerz, Allodynie und / oder Hyperalgesie, wobei die Symptome nicht mit der Schwere des Traumas korrelieren und keinem Innervationsgebiet eines einzelnen peripheren Nerven zuzuordnen sind. Es bestehen außerdem Ödeme, Veränderungen der Hautdurchblutung oder Störungen der Sudomotorik im Bereich der Schmerzregion. Andere Erkrankungen,

die

diese

Symptomatik

erklären

könnten,

müssen

ausgeschlossen werden. Die Symptomatik des CRPS II (früher Kausalgie) entspricht der des CRPS I, jedoch liegt hier eine Verletzung eines peripheren Nerven zu Grunde.

10 In der Vergangenheit wurde eine Vielzahl von Begriffen für diese beiden Krankheitsbilder verwendet. Der amerikanische Neurologe Silas Weir Mitchell beschrieb 1872 vermutlich als einer der Ersten ein Schmerzsyndrom mit brennendem Dauerschmerz und trophischen Veränderungen, das er bei Soldaten mit Nervenläsionen mehrfach entdeckte. Er führte dies unter dem Begriff der Kausalgie ein (griech.: algos: der Schmerz; kausis: das Brennen) (31). Das CRPS I ist auch unter dem Namen Morbus Sudeck bekannt. Dieser Begriff wurde zu Ehren des deutschen Chirurgen Paul Sudeck eingeführt, der im Jahre 1900 bei einigen Patienten eine akute entzündliche Knochenatrophie beschrieb. Dabei unterstrich er vor allem die entzündliche Komponente und wies

auch

fleckige

Entkalkungen

des

Knochens

nach

(43,

44).

Auf der anderen Seite gelang es René Leriche 1916 im ersten Weltkrieg Schmerzsyndrome dieser Art mit Sympathektomien zu behandeln, was wiederum für eine sympathische Pathogenese spricht und zur Einführung des Begriffs sympathische Reflexdystrophie führte (28). Da im Anschluss keine absolute Klarheit über die Pathogenese gefunden werden konnte und sich eine Vielfalt von Begriffen anhäufte, wurde 1993 auf einer Konsensuskonferenz in Orlando, Florida, eine rein deskriptive, klinisch orientierte Definition erarbeitet und unter dem Begriff des bis heute gültigen CRPS eingeführt (42).

3.2 Epidemiologie und Ätiologie Bezüglich der Epidemiologie gehen die Studiendaten weit auseinander. Nach einer holländischen Studie von Veldman aus dem Jahre 1993 beträgt die Inzidenz 50 / 100.000 Einwohner / Jahr (49). Neuere Daten aus den USA sprechen von einer Inzidenz von 5,64 / 100.000 / Jahr und einer Prävalenz von 20,57 / 100.000 (39). Bei der Altersverteilung wiederum stimmen die verschiedenen Studien größtenteils überein und nennen einen Altersgipfel bei etwa 50 Jahren, wobei aber alle Altersklassen betroffen sein können. Nach Veldman trifft es Frauen mehr als doppelt so häufig wie Männer (w:m=2-3:1), dabei ist die obere Extremität doppelt so häufig betroffen wie die untere. Zudem ermittelte er eine Rezidivquote von 1,8 % / Jahr (50). Demgegenüber

11 konnte Atkins keinen signifikanten Unterschied in der Geschlechterverteilung feststellen (3). Typische Auslöser eines CRPS Typ I sind schmerzhafte Traumata wie Frakturen, Distorsionen, Kontusionen und Operationen an der distalen Extremität wie zum Beispiel Karpaltunnelsyndrom - Operationen. Aber auch neurologische und internistische Erkrankungen können für ein CRPS verantwortlich sein. In Veldmans Studie von 1993 war in 65% ein Trauma die Ursache, davon waren in etwa 40 - 65% Frakturen das auslösende Ereignis. Bei Frakturen der oberen Extremität traten am häufigsten Radiusfrakturen mit einem Anteil von über 60% auf (49). Nach de Bruijn liegt die Häufigkeit eines CRPS nach distaler Radiusfraktur bei konservativer Therapie bei 8% und bei Therapie mit Fixateur extern bei 23% (10). Die Ausprägung des CRPS ist sehr variabel und steht in keinem Verhältnis zu der Schwere des Traumas. Spontanes Auftreten ist ebenso möglich wie auch Spontanremissionen. Seit einiger Zeit wird diskutiert, ob auch psychologische Faktoren das Entstehen oder den Schweregrad eines CRPS beeinflussen. Rommel stellt in seiner Publikation die These auf, dass es „keine typische CRPS Persönlichkeit“ [ gibt, doch ] „könnten eine vermehrte Ängstlichkeit, belastende Lebensereignisse sowie bestimmte Verhaltensmuster die Entwicklung der Erkrankung nach dem auslösenden Trauma begünstigen.“ (37).

3.3 Pathophysiologie Da schon Paul Sudeck auffiel, dass sich beim komplex - regionalen Schmerzsyndrom die klassischen Zeichen einer Entzündung wie dolor, tumor, rubor und calor zeigten, sprach er von einer akuten entzündlichen Knochenatrophie (44). Doch in laborchemischen Untersuchungen findet man keinen Anstieg von zellulären und humoralen Entzündungsparametern (35, 46), wogegen Mechanismen, die für eine neurogene Entzündung sprechen, in einigen Studien dargelegt werden konnten (8, 41, 49). Als mögliche Ursache kommt eine durch das Trauma ausgelöste Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen wie Interleukine und Tumor - Nekrose - Faktoren (TNF) in Betracht, die zu einer Steigerung der Synthese und Ausschüttung von Neuropeptiden

12 aus C – Fasern führt. Diese Neuropeptide, wie zum Beispiel Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP) und Substanz P, induzieren eine Plasmaextravasation und Vasodilatation und somit die klassischen Entzündungszeichen (22). In einer weiteren Hypothese wird eine Dysregulation des Sympathikus mit sympathisch - afferenter Kopplung als Ursache in Betracht gezogen. Für eine Beteiligung des Sympathikus an der Pathogenese sprechen die autonomen Symptome wie Hyperhidrosis und Störung der Hautdurchblutung. Die stark gesteigerte Schweißproduktion ist Folge einer Sympathikusüberfunktion, während die Überwärmung der betroffenen Extremität durch eine Hemmung von

sympathischen

Vasokonstriktoren

bedingt

ist

und

somit

einer

Sympathikusunterfunktion zu Grunde liegt. Das gemeinsame Auftreten dieser beiden

Störungen

lässt

auf

eine

zentrale

Regulationsstörung

im

sympathischen System schließen (25). Durch eine periphere Nervenläsion kann es zu einem Kontakt und zu einer Interaktion von sympathischen und afferenten nozizeptiven Neuronen kommen. Aufgrund einer funktionellen Kopplung des sympathischen mit dem somatosensiblen System kann die verstärkte Erregung des Sympathikus zu einer Aktivierung der nozizeptiven Afferenzen und somit zu einer Schmerzverstärkung und –chronifizierung führen (30). Da die Symptomatik des CRPS sehr komplex ist und an zentrale Funktionsstörungen denken lässt, wurde in jüngsten Untersuchungen besonders auf die Rolle des ZNS eingegangen. Es zeigen sich plastische Reorganisationsbefunde, die mit dem Ausmaß der Schmerzen und autonomen Störungen korrelieren und prinzipiell reversibel sind. Sie könnten die komplexen sensorischen Störungen wie handschuhförmige Sensibilitätsstörungen und Neglect - like - Symptome, wie auch den physiologischen Tremor erklären (29, 30, 33). Darüber hinaus mehren sich auch Anhaltspunkte, die für einen Einfluss von genetischen Faktoren auf die Manifestation eines CRPS sprechen. Es wird eine HLA - Assoziation diskutiert, doch klare Zusammenhänge konnten noch nicht gesichert werden (24, 47, 48).

13 3.4 Klinik Das CRPS ist ein sehr vielfältiges und buntes Krankheitsbild, das schon Paul Sudeck versucht hat in 3 Stadien einzuteilen (43). Doch seine früher gebräuchliche

klassische

Stadieneinteilung

in

akute,

dystrophe

und

atrophische Phase dient heute allenfalls der groben Differenzierung, da die Übergänge fließend sind und die Stadien selten in dieser kompletten Form ablaufen. Die Tabelle zeigt eine modifizierte Stadieneinteilung nach Hoerster und Reining (27): Einteilung

Verlauf

Stadium I:

Akuter Beginn nach auslösendem Agens in distalen

Akute Entzündung,

Extremitätenbereichen, Tiefen- und Spontanschmerz,

sympathische Dysfunktion

Schonhaltung bis zur Schmerzsteife, Hyperalgesie, Hyperästhesie, Allodynie, rötlich-livide feuchtwarme Haut, Weichteilödem

Stadium II:

Reduktion der Ruheschmerzen, Bewegungs-

Chronische Dystrophie

schmerzen, rigide Muskulatur, zunehmende Gelenkversteifung, blass-livide, kühle, trockene Haut mit trophischen Störungen, palmare/plantare Fibrosierung Röntgen: fleckförmige Entkalkung

Stadium III:

Atrophische, trockene Wachshaut, Anhidrose, Gelenk-

Irreversible Atrophie

kontrakturen, völliger Funktionsverlust, Röntgen: milchige Osteoporose

Bei 75% der Patienten finden sich zu Beginn brennend - stechende oder bohrende

Spontanschmerzen,

die

sich

besonders

unter

körperlicher

Belastung, aber auch beim Herabhängen der Extremität (Orthostase) verstärken. Der Spontanschmerz wird als diffus und tief in der distalen Extremität

liegend

beschrieben.

Er

lässt

sich

keinem

nervalen

Innervationsgebiet zuordnen, sondern breitet sich meist handschuh- oder strumpfförmig aus. Durch leichte Berührung, geringste Bewegung der Finger oder Temperaturänderung lassen sich oft heftige Schmerzen provozieren (Berührungsallodynie, Hyperpathie und Wärme-/ Kälteallodynie). Des Öfteren werden nächtliche Ruheschmerzen angegeben. Auch sensible Ausfallerscheinungen wie Hypästhesie und Hypalgesie sind nicht selten beschrieben.

14 Dabei korreliert die Intensität der Symptomatik kaum bis gar nicht mit dem Ausmaß des auslösenden Traumas (27). Die motorischen Störungen beinhalten passive und aktive Bewegungseinschränkungen, vor allem der distalen Extremität, sichtbar besonders an komplexen Bewegungen wie Faustschluss oder Kleinfinger - Daumen Opposition. Dies ist im Allgemeinen erklärbar durch eine schmerzbedingte Minderinnervation und zusätzlich durch Ödeme, Kontrakturen und Fibrosen (30). In selteneren Fällen kann sich eine Neglect - ähnliche Symptomatik ausbilden, die auch noch Jahre später bestehen kann. Dabei können gezielte Bewegungen nur unter visueller Kontrolle durchgeführt werden. Viele Patienten sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass sich ihre Hand fremd anfühle (13, 16). Des Weiteren zeigen 50% der Patienten einen feinschlägigen Tremor (verstärkter physiologischer Tremor) (11). Dystonien oder Myoklonien können sich entwickeln, treten aber mehr bei CRPS Typ II auf. Zu den autonomen Symptomen bei CRPS - Patienten zählen Weichteilschwellung und Temperaturänderung. Das Ödem entwickelt sich bei 80% der Patienten vorwiegend in der Initialphase dorsal betont an der betroffenen distalen Extremität und kann durch aktive körperliche Bewegung und zu intensive

passive

Krankengymnastik

verstärkt

werden.

Auch

eine

Temperaturdifferenz der betroffenen Seite zur Gegenseite von mindestens 1°C entwickelt sich in circa 80%, wodurch eine Hautdurchblutungsstörung an der betroffenen Seite widergespiegelt wird (7). Zu Beginn ist die betroffene Extremität meist überwärmt, im weiteren Verlauf kann eine Hypothermie folgen. Veldman beschrieb in seiner prospektiven Studie einen 3 - Phasen Verlauf mit einer labilen Zwischenphase. Doch ergab seine Studie auch Fälle mit einer unterkühlten Extremität in der Akutphase und auch Falldaten mit jahrelangem Fortbestehen von Hyperthermie, so dass die 3 - Phasen - Einteilung nicht verallgemeinert werden kann (49). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Durchblutungsverhältnisse von der Umgebungstemperatur abhängen und somit anfangs ein rötliches und später ein weißlich - zyanotisches als auch ein bläulich - livides Hautkolorit vorliegen kann. Häufig kommt es darüber hinaus zu Störungen der Schweißproduktion (55%), wobei die Hyperhidrose (60%) gegenüber der Hypohidrose (20%) überwiegt (5). Im Verlauf treten zu

15 30-40% trophische Störungen der Haut und der Hautanhangsgebilde auf (30). Es entwickeln sich eine dünne Glanzhaut, verstärktes Haarwachstum, verdickte

und

brüchige

Nägel.

Durch

die

längere

schmerzbedingte

Schonhaltung der Extremität kann es im späteren Verlauf zu Hautatrophien, Sehnenverkürzungen, Versteifungen und Kontrakturen der distalen Gelenke kommen. Typisches Bild einer Spätkomplikation ist eine Affenhand mit Beugekontrakturen in den Mittelgelenken und überstreckten Grundgelenken, wobei der Daumen meist ausgenommen ist (4).

3.5 Diagnostik Die Diagnose des komplex - regionalen Schmerzsyndroms wird vorwiegend klinisch gestellt. Die IASP hat in ihrem Konsens 1994 Kriterien erarbeitet, die zur Diagnosefindung beitragen sollen (42): CRPS Typ I: 1. Das CRPS I entwickelt sich nach einem initialen, schädigenden Ereignis. 2. Der auftretende Spontanschmerz oder die Allodynie / Hyperalgesie ist nicht auf das Gebiet eines einzelnen peripheren Nervs begrenzt und nicht proportional zur Schwere des auslösenden Ereignisses. 3. Seit dem schädigenden Ereignis war oder ist ein Ödem, eine gestörte Hautdurchblutung oder eine abnormale sudomotorische Aktivität in der vom Schmerz betroffenen distalen Extremität aufgetreten. 4. Diese Diagnose kann beim Vorliegen anderer Erkrankungen / Umstände, die das Ausmaß des Schmerzes und der Funktionsbehinderung erklären, ausgeschlossen werden. CRPS Typ II: 1. Das CRPS II entwickelt sich nach einer peripheren Nervenverletzung. 2. Der Spontanschmerz oder die Allodynie / Hyperalgesie sind nicht unbedingt nur auf das Versorgungsgebiet des betroffenen Nervs begrenzt. 3./4. entsprechend CRPS I. Keine andere Diagnose darf diese Symptome besser erklären.

16 Jedoch stehen diese Kriterien seit Jahren in der Kritik, da der Gebrauch dieser Kriterien aufgrund einer niedrigen Spezifität zu einer zu schnellen und zu häufigen Diagnosestellung führt (21). Diese Kriterien beinhalten auch den Ausschluss von Differentialdiagnosen, zu denen unter anderem rheumatische und entzündliche Erkrankungen, Nervenkompressionssyndrome, Kompartmentsyndrome, Fibromyalgien und Thrombosen zählen. Eine Bildgebung gibt keinen Beweis für das Vorliegen eines CRPS, kann die Diagnose aber unterstützen. In der Röntgenaufnahme der Hand werden fleckförmige Demineralisationszeichen und lokale Entkalkungsherde erst nach Wochen bis Monaten sichtbar. Ein Normalbefund in der Frühphase kann somit ein CRPS nicht ausschließen. Demgegenüber hat die 3 - Phasen - Skelettszintigrafie eine recht hohe Spezifität und Sensitivität im Initialstadium des CRPS. In der Spätphase des Szintigramms wird eine bandenförmige periartikuläre Anreicherung des radioaktiv markierten Nuklids sichtbar als Anzeichen für einen gesteigerten Knochenstoffwechsel (53). Untersuchungsmethoden wie die Magnetresonanztomografie weisen zwar ebenfalls schon zu Beginn der Erkrankung Signalveränderungen des Knochens

und

der

Weichteile

auf,

fallen

jedoch

gegenüber

der

Skelettszintigrafie in der Spezifität und Sensitivität weit ab. Ihre Vorteile in der Darstellung von Gefäßpermeabilität und Weichteilgewebe können zum Ausschluss von Differentialdiagnosen genutzt werden, doch stehen hohe Kosten bei geringem Erkenntnisgewinn dem Einsatz dieses Verfahrens in der Routinediagnostik entgegen (27). Zur Differenzierung zwischen CRPS I und II dienen klinische Untersuchungen wie die 2 - Punkt - Diskrimination, aber auch neurophysiologische Testverfahren wie Elektromyografie, evozierte Potentiale oder Elektroneurografie. Zur

Verifizierung,

ob

es

zwischen

den

Händen

Unterschiede

der

Schweißsekretion gibt, dient die quantitative Sudometrie. Hierzu stehen Tests wie der quantitative sudomotorische Axonreflex (QSART) zur Testung der peripheren Schweißdrüsenaktion, der Ninhydrintest zur Erfassung der Hautbefeuchtung sowie der thermoregulatorische Schwitztest (TST) zur Verfügung.

17 Mit Hilfe einer Thermografie kann festgestellt werden, ob die betroffene Extremität signifikant kälter oder wärmer ist. Richtungweisend kann ein Temperaturunterschied von über 1,5°C sein (6). Innerhalb des CRPS muss zwischen einem sympathisch unterhaltenen Schmerz (sympathetic maintained pain = SMP) und einem sympathisch unabhängigen Schmerz (sympathetic independent pain = SIP) unterschieden werden. Dies ist relevant für den therapeutischen Erfolg von Sympathikusblockaden, die nur bei SMP auf Dauer eine Schmerzreduktion bewirken können. Da SIP und SMP sowohl bei CRPS I und II vorkommen und klinisch nicht unterschieden werden können, erfolgt ihre Differenzierung durch diagnostische

Sympathikusblockaden

(Grenzstrangblockade

mit

Lokal-

anästhetikum) (27).

3.6 Therapie Die Therapie des CRPS ist multidisziplinär und eher symptomatisch als kausal orientiert. Die Grundsäulen sind Analgesie, Ergotherapie, Physiotherapie, physikalische Maßnahmen und Psychotherapie. Bisher konnte noch keine Überlegenheit bestimmter Medikamente durch kontrollierte Studien gesichert werden. Einigkeit besteht darin, dass die Physiotherapie die Grundlage jeder Therapie ist (23, 40, 42). Wichtig ist ein früher Behandlungsbeginn zur Vermeidung von Kontrakturen und weiteren Komplikationen, wobei unbedingt darauf geachtet werden muss, dass die Behandlung für den Patienten schmerzfrei erfolgt. Dies wird durch den frühzeitigen Einsatz von Analgetika nach dem WHO - Stufenschema erleichtert. Die Wirksamkeit von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) und Opioiden ist zwar nicht bewiesen, hat sich aber gemäß den Leitlinien bewährt (52). In leichteren Fällen stehen Diclofenac, ASS, Paracetamol, Ibuprofen oder Metamizol zur Verfügung. Reichen diese nicht aus, kann Tramadol oder Buprenorphin als schwach wirksame Opioide bis hin zu starken Opioiden verabreicht werden. Des Weiteren werden trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und Desipramin,

„deren

Wirksamkeit

ist

bei

neuropathischen

Schmerzen

nachgewiesen worden“, oder auch Carbamazepin und Antikonvulsiva wie Gabapentin als Coanalgetika eingesetzt (4). Positiv ist ihr niedriges

18 Nebenwirkungsprofil und fehlendes Suchtpotential. Sie finden ihre Anwendung besonders bei chronischen Verläufen. Die sedierende Wirkung von Amitriptylin wird insbesondere gegen nächtliche Ruheschmerzen genutzt. Auch

orale

Kortikosteroide

werden

besonders

bei

persistierenden

Bewegungsschmerzen eingesetzt (4). Sie haben sich besonders bei SchulterArm - Syndromen bewährt sowie bei Ödembildung und Hyperthermie im Initialstadium des CRPS. Sie wirken der entzündlichen Komponente entgegen, doch

sollten

sie

aufgrund

der

hohen

Nebenwirkungen

nicht

als

Dauermedikation eingesetzt werden (30). Calcitonin und Bisphosphonate hemmen die Osteoklastenaktivität. Calcitonin hat als Neurotransmitter auch einen analgetischen Effekt und wird daher eingesetzt. Für Calcitonin ist kein positiver Effekt auf Knochenveränderungen nachzuweisen, sondern nur ein Effekt auf den Ruheschmerz. Die Wirksamkeit auf

Schmerzhaftigkeit,

Schwellung

und

Beweglichkeit

konnte

für

Bisphosphonate belegt werden, während die Ergebnisse für Calcitonin uneinheitlich sind (1, 30, 38). Kommt es durch die medikamentöse Therapie zu keiner Besserung, sollte frühzeitig an Sympathikusblockaden gedacht werden. Diese dienen, wie oben bereits beschrieben, der Unterscheidung von SMP zu SIP. Ist das Schmerzsyndrom sympathisch unterhalten, wirken sie schmerzlindernd, antiödematös und verbessern autonome und motorische Symptome. Bleibt die erhoffte Wirkung nach 2 bis 3 Blockadeversuchen aus, muss von einem SIP ausgegangen und dieser Therapieversuch abgebrochen werden. Im Bereich der oberen Extremität gibt es verschiedene Techniken der Sympathikolyse, wie die ganglionäre lokale Opioidanalgesie (GLOA) mit Buprenorphin am Ganglion cervicale superior, die axilläre Plexusblockade und die Ganglion stellatum - Blockade mit Guanethidin. Ein eindeutiger Erfolg dieser Blockaden konnte bis jetzt nur in wissenschaftlichen Fallberichten und kleinen unkontrollierten Studien bestätigt werden. Trotzdem hat sich dieses Verfahren in der Praxis weltweit etabliert (27, 30, 32). Kann mit einer temporären Sympathikolyse nur ein kurzfristiger Erfolg erzielt werden - bei sonst therapierefraktärem Verlauf - könnte man eine permanente Sympathektomie erwägen. Die Kritik hierzu nimmt jedoch zu und es wird verstärkt auf die Gefahr eines

19 Rezidivs

und

der

Entwicklung

eines

Postsympathektomiesyndroms

hingewiesen (15, 30). Als Alternative ist auch die rückenmarksnahe Elektrostimulation zu erwähnen (spinal cord stimulation), die gute Langzeiteffekte auf die Schmerzreduktion und Lebensqualität in mehreren Studien zeigte (14, 26). Die wichtigsten Behandlungssäulen sind Physiotherapie und Ergotherapie, die schon sehr früh begonnen und individuell auf den Patienten und sein Krankheitsstadium ausgerichtet sein sollten. Im Frühstadium der Erkrankung stehen Ruhigstellung und Hochlagerung der Extremität, Lymphdrainagen, detonisierende Massagen fern der betroffenen Extremität, CO2- und Wirbelbäder im Vordergrund. Es gilt dabei strikt im schmerzfreien Bereich zu arbeiten und sich langsam von proximal nach distal in Richtung des betroffenen Bereichs vorzuarbeiten. Zusätzlich kann eine Elektrotherapie mit niederfrequenten Strömen versucht werden. Ziel der Physiotherapie ist dabei die Vermeidung beziehungsweise

Bekämpfung von Kontrakturen und

Versteifungen,

Durchblutung

Förderung

der

und

Mobilität.

Die

Wiedereingliederung in den Alltag ist die Hauptaufgabe der Ergotherapie (52).

3.7 Fragestellung In der Klinik für Physikalische Medizin im Klinikum Nürnberg wird nach einem multidisziplinären Therapiekonzept vorgegangen, bei dem besonders Wert auf die physikalische Therapie, Krankengymnastik und Schmerztherapie gelegt wird.

Adjuvant

werden

Grenzstrangblockaden

sowie

Psychotherapie

eingesetzt. In dieser Studie sollen nun die klinischen Symptome im Langzeitverlauf aufgezeigt werden mit der Frage nach dem Einfluss verschiedener

Risikofaktoren

und

der

Überlegenheit

bestimmter

Therapiemaßnahmen im Langzeitverlauf.

4. Material und Methoden 4.1 Patientenkollektiv Zu der Nachuntersuchung wurden alle Patienten, die zwischen 1994 und 2006 in der „Klinik und Institut für Physikalische und Rehabilitative Medizin und für Naturheilverfahren“ des Klinikums Nürnberg Süd wegen der Diagnose CRPS I

20 an der oberen Extremität stationär behandelt worden waren, mit der Bitte um eine persönliche Untersuchung in der Klinik angeschrieben In diese Studie eingeschlossen wurden alle Patienten, die mit der Diagnose CRPS in der Physikalischen Klinik stationär behandelt wurden, soweit keine die Beweglichkeit und Sensibilität der oberen Extremität einschränkenden Nebendiagnosen wie Mediainfarkt, Nervenläsionen oder Polyneuropathie vorbestanden.

4.2 Art der Auswertung Im Rahmen der Nachuntersuchung wurden folgende Aspekte untersucht und die Befunde auf einem Erhebungsbogen erfasst:

4.2.1 Bewegungsausmaß Die passiven Bewegungsausmaße von Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenken wurden nach der Neutral - 0 - Methode beurteilt (Normalwerte sind in Klammern angegeben). Das Messblatt inklusive Skizzen zu den Bewegungsausmaßen befindet sich im Anhang. Für die Schulter wurden Abduktion und Adduktion (180°/0°/20°-40°), Retround Anteversion (40°/0°/150°-170°) sowie Außen- und Innenrotation bei anliegendem

Oberarm

(40°-60°/0°/95°)

gemessen.

Im

Bereich

des

Ellenbogengelenks wurden Extension und Flexion (10°/0°/150°) wie auch Supination und Pronation (80°-90°/0°/80°-90°) betrachtet. Das Handgelenk wurde anhand der Dorsalextension und Palmarflexion (35°-60°/0°/50°-60°) sowie der Ulnar- und Radialabduktion (30°-40°/0°/25°-30°) beurteilt. Die Daumenbeweglichkeit wurde über die Daumenabduktion und –adduktion im Grundgelenk (70°/0°/50°) gemessen. Außerdem wurden als aktive Bewegungsausmaße Handspanne (größter Abstand

zwischen

Daumen-

und

Kleinfingerkuppe)

und

Fingerhohlhandabstand (Abstand Nagelrand zur queren Hohlhandfalte) mit Maßband gemessen. Zusätzlich wurde notiert, welche Langfingerkuppen mit der Daumenspitze erreicht werden konnten (Daumen – Finger - Opposition) und ob ein vollständiger Faustschluss möglich war. Durch die Prüfung der Diadochokinese wurden die schnellen antagonistischen Bewegungen von Pronatoren und Supinatoren des Unterarms getestet.

21 4.2.2 Umfang von Handgelenk und Mittelhand Ebenfalls mit dem Maßband wurde der Umfang von Handgelenk und Mittelhand (ohne Daumen) beider Hände bestimmt und daraus die Seitendifferenz berechnet. Der Handgelenksumfang wurde auf Höhe der proximalen Handwurzelreihe gemessen und der Umfang der Mittelhand auf Höhe der Metakarpale II-V.

4.2.3 Kraft Als grob orientierende Untersuchung diente der Armvorhalteversuch, bei dem besonderes Augenmerk auf das Absinken einer Extremität und auf einen möglichen Haltetremor gelegt wurde. Die grobe Kraft der oberen Extremitäten wurde an allen Gelenken orientierend getestet und gemäß den Kraftgraden KG 0/5 – 5/5 unterteilt (zur genauen Einteilung der Kraftgrade siehe Bewertungsmaßstab nach Rommel im Anhang). Im Bereich der Schulter wurden Abduktion und Adduktion, am Ellenbogen Extension und Flexion und am Handgelenk Palmarflexion und Dorsalextension geprüft. Besonderes Augenmerk wurde auf die Kraft der Finger gelegt. Hier wurden Fingerbeugung, -streckung, -abduktion und adduktion bestimmt. Außerdem wurde die Abduktion, Adduktion und Opposition des Daumengrundgelenks getestet. Zudem wurde der Händedruck nach den Kraftgraden beurteilt. Zusätzlich wurde auf einen Tremor im Bereich der Hand geachtet und dieser anamnestisch hinterfragt. Der Ruhetremor wurde beim sitzenden Patienten mit den Armen auf der Stuhllehne betrachtet. Mittels Armvorhalteversuch wurde auf einen Haltetremor getestet. Ein Intentionstremor konnte anhand des Fingernaseversuchs verifiziert werden.

4.2.4 Sensibilität Sensibilitätsdefizite wie Hyper- und Hypästhesie sowie Hyperpathie und Parästhesie und deren Ausstrahlung wurde durch Bestreichen der Haut und Abtasten der Haut mit Zahnstocher im Seitenvergleich erfasst.

22 4.2.5 Vegetative und trophische Störungen Inspektorisch wurden Hautfarbe (rötliche oder livide Verfärbungen), Hypo- / Hyperhidrosis, Ödembildung, gestörtes Haar- und Nagelwachstum im Seitenvergleich mit der gesunden Hand bewertet. Zur Messung der Temperatur wurde das Oberflächenthermometer auf beiden Handrücken aufgelegt, um eine Temperaturdifferenz zwischen den beiden oberen Extremitäten festzustellen. Als signifikanter Unterschied galt eine Temperaturdifferenz von mindestens 1°C. Die Temperaturmessung erfolgte am Ende der Untersuchung, so dass eine Akklimatisierung von circa 40 Minuten gegeben war.

4.3 Frage- und Erhebungsbogen Mit der Einladung zur Nachuntersuchung erhielten die Patienten einen Fragebogen. Darin enthalten waren Fragen zu Beruf, Schmerzausprägung, derzeitiger Therapie und Medikation und außerdem ein separater Teil mit Fragen zur Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) durch das Schmerzsyndrom (Frage- und Erhebungsbogen siehe Anhang).

4.4 Datenbasis und statistische Methoden Die Daten zu Person und stationärem Aufenthalt mit den damaligen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen wurden retrospektiv anhand der Krankenakten und Arztbriefe der Physikalischen Klinik erhoben. Zur statistischen Auswertung wurden die erhobenen Daten in eine SPSS Datenbank konvertiert und verschlüsselt. Die Anwendung erfolgte in der SPSS - Version 11.5. Die Beschreibung der einzelnen Parameter und Merkmale erfolgte deskriptiv. Für die Vergleichsanalyse der kranken zur gesunden Hand wurde der Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben angewandt. Der Vergleich der Patientengruppen nach Alter, Stadium und Therapie wurde mit Hilfe des Mann - Whitney - U - Tests für unverbundene Stichproben durchgeführt. Der Langzeitvergleich mit qualitativen Merkmalen wurde mit dem McNemar - Test berechnet. Das Signifikanzniveau wurde auf p = 0,05 festgelegt.

23 5. Ergebnisse 5.1 Patientenkollektiv und statistisch-retrospektive Daten Von den 56 eingeladenen Personen sind 30 der Einladung gefolgt, 3 sendeten nur den beantworteten Fragebogen zurück, 10 gaben keine Antwort, 5 waren bereits verstorben, 6 waren unbekannt verzogen und 2 hatten kein Interesse an einer Nachuntersuchung. Das Kollektiv der in diese Studie einfließenden Patienten umfasste somit 30 Personen, davon waren 22 (73,3%) weiblichen und 8 (26,7%) männlichen Geschlechts mit einer Altersspanne von 28 - 84 Jahren und einem medianen Alter von 65,3 Jahren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung. Der Abstand zwischen Diagnosezeitpunkt und Nachuntersuchung betrug zwischen 18 Monaten und 13 Jahren mit einem medianen Abstand von 6,1 Jahren (73 Monaten). Das mediane Alter zum Diagnosezeitpunkt lag bei 59,2 Jahren. Alle 30 untersuchten Personen waren Rechtshänder (100%). In 17 Fällen (56,7%) war die rechte Hand betroffen, die linke Hand dagegen in 13 Fällen (43,3 %). Als Auslöser für die Entwicklung eines CRPS der oberen Extremität wurde bei den 30 Patienten 26 mal (86,7%) ein Trauma (Fraktur oder Weichteilverletzung), 1 mal (3,3%) eine elektive Operation und 3 mal (10,0%) ein Karpaltunnelsyndrom (CTS) dokumentiert. Die

Frakturen

überwiegenden

machten Teil

mit

der

insgesamt Traumata

20 aus,

Patienten

(76,9%)

demgegenüber

den lagen

Weichteilverletzungen bei 6 Patienten (23,1%) vor. Bei den Frakturen fand man am Häufigsten die distale Radiusfraktur mit 18 Fällen (90,0%), gefolgt von jeweils einer Fraktur eines Handwurzelknochens und einem Abriss des Processus styloideus (je 5,0%). Betrachtet man die distale Radiusfraktur, zeigt sich, dass diese zu je 9 mal (je 50,0%) konservativ beziehungsweise operativ versorgt wurde.

24

andere Urs-op.Th. 16,7% Radiusfraktur-kons.T 30,0% Weichteilverl.kons.T 13,3%

CTS-op.Th. 10,0% Radiusfraktur-op.Th. 30,0%

Auslöser des CRPS

Die Daten aus den Akten zur klinischen Symptomatik bei Diagnose sind in folgender Tabelle zusammengefasst (es konnten nicht zu allen Patienten vollständig die klinischen Daten rekapituliert werden):

Klinik Patientenzahl Prozent Hautfarbe 19 rot / 4 livide 30 76,7 Temperatur 26 wärmer / 2 kühler 30 93,3 Sudomotorik 9 Hyperhidrosis 30 30,0 Nagelwachstum 2 gesteigert / 6 verlangsamt 30 26,7 Schmerz 30 30 100,0 Faustschluss 3 inkomplett / 27 keinen 30 100,0 mittl. Fingerhohlhandabstand 5,0 14 mittl. Finger-Daumen-Opposition 0,6 26 Ödembildung 30 30 100,0 sensibles Defizit 13 20 65,0 Beweglichkeit Handgelenk in° Dorsalextension 18,7 23 Palmarflexion 20,9 22 Radialabduktion 7,4 20 Unlarabduktion 9,2 20

Laut den Arztbriefen wurden bei 24 Patienten Röntgenaufnahmen und Skelettszintigrafien der Hand durchgeführt. Diese zeigten, dass zu Beginn der Behandlung bei 13 Patienten (54,2%) ein beginnendes Stadium ohne Veränderungen im Röntgenbild und bei 11 Patienten (45,8%) ein akutes bis fortgeschrittenes Stadium mit beginnenden fleckförmigen Entkalkungen vorlag.

25 Alle 30 Patienten wurden initial mit einer abteilungsinternen standardisierten Therapie aus Physiotherapie, Ergotherapie, physikalischen Maßnahmen und Analgesie

behandelt.

temperaturabsteigende

Als

physikalische

Wirbelbäder

(30

Maßnahmen

Patienten)

und

standen

entstauende

Massagen (26 Patienten) im Vordergrund. Zur Analgosedierung erhielten 21 Patienten (70,0%) Antidepressiva und 23 Patienten (76,7%) NSAIDs, wobei 3 Patienten (10,0%) zusätzlich Opioide zu den NSAIDs benötigten. 7 Patienten (23,3%) erhielten Pamidronatinfusionen, Calcium und Vitamin D, und 7 weitere Patienten Calcitonin. Hier sollte angemerkt werden, dass Pamidronat seit 2002 das Calcitonin abgelöst hat und nur einer der Patienten nach 2002 noch Calcitonin erhalten hat. Sympathikusblockaden wurden bei 16 Patienten (53,3%)

durchgeführt,

wobei

bei

einer Patientin

wegen

mangelnden

Ansprechens nach einer Blockade abgebrochen wurde. Die 15 Patienten (50,0%) mit gutem Ansprechen bekamen durchschnittlich 5,3 Blockaden pro Person (2-10 Blockaden).

5.2 Deskriptive Auswertungen der Nachuntersuchung 5.2.1 Beweglichkeit Für die passive Beweglichkeitsprüfung des Schultergelenks ergaben sich folgende Werte: Bei der Schulterabduktion der betroffenen Seite erreichten 5 Personen (16,7%) den Normbereich, 13 mal (43,3%) lagen die Werte bei 150°-180°, 5 mal (16,7%) lagen die Werte bei 95-145° und 7 mal (23,3%) konnte der Arm nur bis 90° abduziert werden. Im Mittel konnte eine Abduktion von 138,3° am betroffenen Arm und von 154,8° am gesunden Arm erreicht werden. Für die Schulteradduktion konnte 3 mal (10,0%) der Normbereich an der betroffenen Seite nicht erreicht werden. Die durchschnittliche Adduktion betrug 31,0° an der betroffenen und 34,0° an der gesunden Seite. Die Retroversion der CRPS – Hand zeigte bei 18 Patienten (60%) und die Anteversion bei 16 Personen (43,3%) keinen Normalbefund. Bei 4 Patienten (13,3%) konnte eine Anteversion nur bis 90° erreicht werden. Im Mittel zeigten sich eine Anteversion von 138,3° gegenüber 155,2° und eine Retroversion von 33,5° gegenüber 38,0° der gesunden Seite. Die Außenrotation ergab bei 15

26 Patienten (50,0%) und die Innenrotation bei 28 Patienten (93,3%) Werte außerhalb des Normbereichs. Bei 5 Patienten (16,7%) wurde maximal eine Innenrotation von 45° erreicht. Durchschnittlich ergab dies eine Außenrotation von 39,5° zu 42,0° und eine Innenrotation von 68,7° zu 70,7°.

Schultergelenk in ° Abduktion Adduktion Außenrotation Innenrotation Anteversion Retroversion

CRPS-Hand MW SD 138,3 38,1 31,0 13,6 39,5 19,5 68,7 19,5 138,3 32,4 33,5 11,0

gesunde Hand MW SD 154,8 31,1 34,0 12,5 42,0 17,4 70,7 15,4 155,2 23,5 38,0 8,9

p-Wert

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