Braunkohle und Allgemeinwohl

Dirk Jansen, Geschäftsleiter BUND NRW e.V. Braunkohle und Allgemeinwohl Folgekosten- und Ewigkeitsschäden der Braunkohlengewinnung und -nutzung 10 J...
Author: Ilse Hoch
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Dirk Jansen, Geschäftsleiter BUND NRW e.V.

Braunkohle und Allgemeinwohl Folgekosten- und Ewigkeitsschäden der Braunkohlengewinnung und -nutzung

10 Jahre LVBB, Essen, 7. April 2016

 Dirk Jansen 2016

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Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) • gegründet 1975; • mit heute über 550.000 Mitgliedern sowie Förderern und Förderinnen der größte Umweltverband Deutschlands; • föderal strukturiert; • Leitbild: Der BUND versteht sich als die treibende gesellschaftliche Kraft für eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Seine Vision ist ein zukunftsfähiges Land in einer zukunftsfähigen und friedfertigen Welt; • in Nordrhein-Westfalen seit 1981 „anerkannter Naturschutzverein“.

 Dirk Jansen 2014

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Inhalt

1. Überblick: Das Rheinische Braunkohlenrevier

2. Externe Kosten der Braunkohlengewinnung und -verstromung

3. Langzeitfolgen und Ewigkeitsschäden der Braunkohlennutzung

4. Fazit/Schlussfolgerungen

 Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Jansen

 Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Jansen

1. Das Rheinische Braunkohlenrevier

Rolle der Braunkohle Stromerzeugung aus Braunkohle 2013

Förderung von Rohbraunkohle 2013

• Deutschland: 162 TWh • NRW: 76 TWh

• Deutschland: 182,7 Mio. t • NRW: 98,3 Mio. t

 25,6 % der Bruttostromerzeugung Deutschlands resultieren aus der Braunkohle  54 % der Braunkohlenförderung entfallen auf NRW  13 % des deutschen Stroms kommt aus den Braunkohlenkraftwerken im Rheinland  Dirk Jansen 2016

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Überblick: Das Rheinische Braunkohlenrevier

CO2-Emissionen der Braunkohlenkraftwerke und Fabriken (2013):

Förderung 2014:

93,6 Mio. t  Dirk Jansen 2016

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Quelle: WIKIMEDIA (veränd.)

89,8 Mio. t

„Landschaftsfresser“ Braunkohle

Förderung 2014:

93,6 Mio. t

 Förderung auf konstant hohem Niveau.  Bis Ende 2014 wurden im Rheinland 32.212 ha Land vom Braunkohlentagebau in Anspruch genommen.  Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Jansen

2. Externe Kosten

 Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: CO2-Emissionen

 Bei der Verbrennung von 1 Tonne Braunkohle wird 1 Tonne CO2 freigesetzt.  Schadenskosten: 80 € je Tonne CO2 (Fraunhofer ISI/UBA 2015).  Danach generiert z.B. das KW Neurath CO2Schadenskosten von 2,5 Milliarden Euro jährlich.

 Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: Andere Luftschadstoffe Anteil der Braunkohlen an der Bruttostromerzeugung sowie an den Emissionen der Stromerzeugung

Quelle: UBA 2015

 Die Stromerzeugung aus Braunkohlen verursacht eine überproportionale Schadstoffbelastung.  Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: Beispiel Quecksilber

Braunkohlekraftwerke emittieren in NRW mehr als 50 % der gesamten Quecksilberfracht der Industrieanlagen.  Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: Beispiel Feinstaub

1.250 t/a

Braunkohlekraftwerke sind eine wesentliche Quelle für Feinstaub-Emissionen.  Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Jansen/BUND

Externe Kosten: Tagebaue und Feinstaub

Quelle: Bezirksregierung Köln

 Die Braunkohlentagebaue sind die dominierende lokale Quelle für die Belastungen durch den gesundheitsschädlichen Feinstaub. Luftreinhaltepläne wurden durchgesetzt.  Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten In Deutschland gehen jährlich etwa 2.700 Todesfälle und mehr als 600.000 verlorene Arbeitstage auf das Konto der Kohleabgase. Die externen Kosten deutscher Kohlekraftwerke für die menschliche Gesundheit werden auf 2,3 bis 6,4 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. (Health and Environment Alliance, HEAL)

Spezifische Umweltkosten der Braunkohlenverstromung:

10,75 E-Cent/kWh (UBA 2015)

 Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: Verlust an natürlicher Vielfalt (1)  Beispiel: Mit dem Hambacher Wald stirbt ein einzigartiges Ökosystem von einstmals mehr als 4.100 Hektar Größe. Fotos: D. Jansen (2), B. Schulz/wikipedia.org, C. Robiller/naturlichter.de

Auszug aus dem Hauptbetriebsplan 2011-2014

 Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: Verlust an natürlicher Vielfalt (2)  Der Tagebau führt zu einem Verlust an Biodiversität. Damit verbunden ist auch der Verlust von Ökosystemleistungen, die mit einem direkten oder indirekten Nutzen für den Menschen verbunden sind. Dazu gehören z.B. • Versorgungsleistungen (z. B. Nahrung, Trinkwasser); • Regulierungsleistungen (z. B. CO2Sequestrierung); • kulturelle Leistungen: Erholungsleistungen, ästhetische, religiöse, spirituelle Funktionen der Ökosysteme; • Basis- oder unterstützende Leistungen (z. B. Bodenbildung, Genpool, Nährstoffkreisläufe, Photosynthese). Deutscher Bundestag Drucksache 18/3764  Dirk Jansen 2016

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Externe Kosten: Verlust an natürlicher Vielfalt (3)  Die bekannteste und größte Studie zur Monetarisierung von Biodiversität und Ökosystemleistungen ist der so genannte TEEB-Bericht. The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB) wird als „Stern-Report der Biodiversität“ bezeichnet. Der globale ökonomische Wert von Ökosystemleistungen wird danach auf jährlich bis zu 54.000 Milliarden Dollar geschätzt.  Trotzdem fehlt bis heute die vom BUND seit Jahrzehnten angemahnte Erstellung einer ökologischen Gesamtbilanz der Braunkohlentagebaue im Rheinland. Nur dadurch und die Identifikation der verloren gehenden Ökosystemleistungen wäre eine vollständige Abwägung des Eingriffs möglich.  Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Jansen Fotos: D. Jansen

 Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Jansen

3. Langzeitfolgen- und Ewigkeitsschäden

Schädigung des Grundwassers  Zur Entwässerung der Tagebaue werden jährlich etwa 563 Mio. m3 Grundwasser „gesümpft“.*

Quellen: RWE, Erftverband 2015

* Erfassungsjahr 2013/2014  Dirk Jansen 2016

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Tagebaukippen als „chemische Zeitbomben“

FeS2(-1) + 7/2 O2 + H2O  Fe2+ + 2 S(+6)O42- + 2 H+ Die Folgen: Versauerung des Kippengrundwassers und hohe Mineralisierung mit Sulfat, Eisen, Kalzium und Kohlendioxid, Ansteigen der Konzentrationen der Elemente Nickel, Kobalt, Zink und Arsen im Kippengrundwasser über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten auf Werte zwischen ca. 5 und 15 mg/l, Versauerung des austretenden Kippengrundwassers unter Ausfällung von Eisen(III)-Hydroxosulfat und Entgasung von CO2(g) bis in den pH-Bereich < pH 2.  Dirk Jansen 2016

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Foto: D. Jansen

 Der Abraum versauert durch Eisendisulfidoxidation auf Boden-pH-Werte < pH 5 bis pH 2 und speichert dabei Säure, Sulfat und andere Schadstoffe in leicht mit Wasser lösbarer Form.

Feuchtgebiete am Tropf (1)  Die internationalen Schutzgebiete an Schwalm und Nette werden dauerhaft geschädigt. Künstliche Einleitungen und Versickerungen sollen sie in ihrer „Grundsubstanz“ erhalten.  Im Wasserwirtschaftsjahr 2014 wurden insgesamt 85 Mio. m3 Wasser eingeleitet. Das Maximum der „Ökowasser"Einleitung wird bei etwa 100 Mio. m3/a liegen.

 Dirk Jansen 2016

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Feuchtgebiete am Tropf (2)  Das derzeit überwiegend im Tagebau Garzweiler gehobene Wasser wird in extra dafür gebauten Wasserwerken aufbereitet und über ein Rohrleitungssystem zu den Feuchtgebieten transportiert. Insgesamt wurden bislang 3 Wasserwerke, 160 km Rohrleitungen, 13 km Sickergräben,150 Sohlschwellen, 72 Direkteinleitstellen, 90 Sickerschlitze sowie 188 Sickerbrunnen und Lanzeninfiltrationsanlagen errichtet.

Fotos: D. Jansen

 Dirk Jansen 2016

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Kunstlandschaften statt Natur  Bis Ende 2014 wurden im Rheinland 32.212 ha Land vom Braunkohlentagebau in Anspruch genommen. Davon wurden 22.763 ha wieder nutzbar gemacht. 12.178 ha wurden wieder für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt, 8.609 ha wurde aufgeforstet. Für Wasserflächen wurden 819,6 ha bereit gestellt.  Die Rekultivierung muss dauerhaft gesichert werden.

Fotos: D. Jansen

 Dirk Jansen 2016

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Gigantische Restseen statt Verfüllung  Experiment mit ungewissem Ausgang: z. T. Versauerungsgefahr, Befüllung mit Wasser aus Rhein/Rur wg. klimabedingter Abflussminderung ungewiss, ökologische Funktionen fraglich; Gefahr von Hangrutschungen, … Volumen (Mrd. m3)

Fläche (in ha)

Tiefe (in m)

Garzweiler

2.300 

185

2,3

ca. 2085

Hambach

3.800 

450

4,6

ca. 2100

Inden

1.100

180

0,7

ca. 2060

Starnberger See

5.600

128

3,0

Chiemsee

8.000

73

2,0

 Dirk Jansen 2016

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Befüllungsende

Weitere Langzeitfolgen und -risiken  Problem der unterschiedlichen Restseewasserspiegel: Inde-See + 92 m NHN, Hambach-See + 65 m NHN; Ausgleich notwendig?  Dauerhafte Wasserhaltung in der Erftaue: Als Folge der sümpfungsbedingten Bodenabsenkungen müssen wahrscheinlich auf ewig 100 Mio. m3/a gehoben werden, um Vernässungsschäden zu vermeiden.  Risiko durch Kippensetzungen/Hangrutschungen: Mögliche Setzungsschäden erschweren Folgenutzung; spätere Hangrutschungen in den Restlöchern nicht ausgeschlossen; Weiterbetrieb von Entwässerungspumpen geplant, um Strömungsdruck zu vermeiden.  Tagebauinduzierte Seismizität auch oder gerade nach Bergbauende wahrscheinlich.  Dirk Jansen 2016

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Altablagerungen in den Tagebauen

 Im Rahmen der vom BUND initiierten und vom Umweltministerium veranlassten „historischen Erkundung“ wurden bislang mehr als 50 solcher Altablagerungen erfasst. In ihnen wurden Millionen Tonnen an Reststoffen abgelagert.  Ob dadurch langfristig Risiken für das nach Tagebauende wieder langsam ansteigende Grundwasser hervorgerufen werden, soll jetzt ein Versuch/Gutachten klären.  Dirk Jansen 2016

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Fotos: D. Schubert

 Bis in die 1980er Jahre wurden die in den Braunkohlenkraftwerken anfallenden Reststoffe (z.B. Aschen) trotz ihres Schadstoffinventars einfach in den Tagebauen verkippt.

Kraftwerksreststoffdeponien dauerhaft sicher?  Derzeit sind vier KWR-Deponien der Deponieklasse I in Betrieb. Sie werden zukünftig in den Grundwasserstrom gelangen (Ausnahme Inden II).  Ein „Stresstest“ gegenüber Erdbeben etc. wurde nie gemacht.  Sicherheitsleistung von etwa 50 Mio. Euro ausreichend?

 Dirk Jansen 2016

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Bergschäden durch Bodensenkungen  erwartete max. Bodenabsenkung: 7 m (in 2030) Damit steht zu befürchten, dass die Bodensenkungen ein Ausmaß erreichen, dass nach KRUPP „zu erheblichen Nutzungseinschränkunge n führen kann und/oder zu dauerhaften Wasserhaltungsmaßnah men zwingen wird.“ Quelle: KRUPP 2015  Dirk Jansen 2016

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Bundesberggesetz bevorteilt RWE

 Der betroffenen Bevölkerung wird ein (heute) unnötiges Sonderopfer abverlangt. Dabei sind sie gegenüber RWE Power weitgehend rechtlos gestellt, z.B. in Bezug auf Bergschäden.  Dirk Jansen 2016

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Schlussfolgerungen/Fazit (1)  Der Status in Sachen Höhe und Sicherheit der RWERückstellungen zur Abdeckung der Verpflichtungen aus dem laufenden Betrieb (Rekultivierung, wasserwirtschaftliche Folgen) ist unsicher.  Eine finanzielle Absicherung der Dauer- bzw. Ewigkeitsschäden existiert nicht.  Die Bergbehörde hat bislang auf die Erhebung einer Sicherheitsleistung verzichtet, obwohl ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Umfang der Unternehmerpflichten und der zukünftigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteht. Nach § 56 Abs. 2 BBergG kann die Bergbehörde durch Aufnahme einer entsprechenden Nebenbestimmung die Zulassung eines Betriebsplans von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Abs. 2 BBergG genannten Voraussetzungen zu sichern.  Dirk Jansen 2016

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Schlussfolgerungen/Fazit (2) Die bislang nach RWE-Angaben gebildeten Rückstellungen in Höhe von 2,2 Mrd. € dienen jedoch im Wesentlichen der Erfüllung der im Rahmen der Tagebaugenehmigungen gemachten Vorgaben zur laufenden Rekultivierung. Tauchen z.B. unvorhergesehene Probleme nach dem Ende des Tagebaus Hambach (2040) oder nach Ende der Restsee-Befüllung auf (2085), werden die Kosten von der Allgemeinheit getragen werden müssen.



Heute ist es mehr als fraglich, ob das RWE dann, wenn die Folgeschäden auftreten, überhaupt noch haftbar gemacht werden könnte. RWE muss deshalb verpflichtet werden, entsprechende Gelder in einen zu gründenden Ewigkeitslasten-Fonds einzuzahlen.  Dirk Jansen 2016

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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! Mehr Infos: www.bund-nrw.de/braunkohle Kontakt: Dipl. Geogr. Dirk Jansen Geschäftsleiter Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf T. 0211 / 30 200 5-22, [email protected]  Dirk Jansen 2016

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